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Andere Werte und Handlungsrahmen in Ostasien Konsequenzen für Deutschland | APuZ 48/1998 | bpb.de

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APuZ 48/1998 Artikel 1 Das „asiatische Wunder“ in der Krise Die politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung im asiatisch-pazifischen Raum Japan und die Zukunft der ASEAN-Staaten Demokratisierung und die Rolle der Zivilgesellschaft in Südkorea, Taiwan und auf den Philippinen Religiöse Erneuerung in Südostasien Ihre Auswirkungen auf Säkularisierung und Demokratie Andere Werte und Handlungsrahmen in Ostasien Konsequenzen für Deutschland

Andere Werte und Handlungsrahmen in Ostasien Konsequenzen für Deutschland

Siegfried Böttcher

/ 20 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Im ersten Teil des Beitrages werden die unterschiedlichen Kultur-und Wirtschaftsregionen des Westens und Ostasiens (Japan und China) gegenübergestellt, wobei unter einer Kultur-und Wirtschaftsregion jeweils Wirkungszusammenhänge zwischen zugrundeliegenden Volkscharakteren, adaptierten Religionen, Lebensphilosophien sowie endogenen sozioökonomischen Prozessen zu verstehen sind. Unterschiede 'in Ostasien zeigen sich auf drei Ebenen: der der religiös-geistigen Basis, der Wirtschaftsstrukturen und -politiken sowie der Arbeitgeber-und Arbeitnehmerverhältnisse. Schließlich wird der vielschichtigen ostasiatischen Krise nachgegangen und aufgezeigt, daß statt eines „pazifischen Zeitalters“ ein „chinesisches Zeitalter“ an Konturen gewinnt. Im zweiten Teil werden im Lichte der ostasiatischen Gegebenheiten Konsequenzen für Deutschland im Werte-und Gesellschaftsbereich bis hin zur Wirtschaft aufgezeigt, und es wird ein entsprechendes Handeln empfohlen.

I. Das andere Ostasien

Im folgenden sollen Werte und Handlungsrahmen in Ostasien -der Region östlich von Indien bis Japan -im Vergleich zum Westen -Westeuropa und Nordamerika -vorgestellt werden Ostasien stellt für den Westen nicht nur eine wirtschaftliche Herausforderung in quantitativem Sinne dar, vielmehr befindet sich dieser in einer tiefgehenden, qualitativ-geistigen Auseinandersetzung mit Ost-asien, die in eine bessere Einsicht in das Andersartige des fernen Erdteils und in einen Dialog miteinander münden sollte.

Ostasien als wichtigstes Gegenüber des Westens ist ein sehr großer und überaus heterogener Raum mit erheblichen religiös-kulturellen Unterschieden und entsprechend unterschiedlichen Werten und Verhaltensweisen Aus diesem Raum sollen drei bestimmende und unterschiedliche Kultur-und Wirtschaftsregionen -malaiisch geprägte Länder, Japan und Südkorea sowie der großchinesische Kultur-und Wirtschaftsraum einschließlich der 50 bis 60 Millionen Auslandschinesen -der Betrachtung zugrunde gelegt werden.

Unter einer Kultur-und Wirtschaftsregion werden im folgenden Wirkungszusammenhänge zwischen zugrundeliegenden Volkscharakteren, adaptierten Religionen und Lebensphilophien sowie endogenen sozio-ökonomischen Prozessen verstanden. Natürlich kann man derartige Wirkungszusammenhänge nicht im naturwissenschaftlichen Sinne beweisen wollen. Es ist vielmehr davon auszugehen, daß sich diese im Zeilverlauf herausgebildet haben. 1. Anhaltende Werte-und Verhaltensdifferenzierungen Konfuzius soll einmal vor ca. 2 500 Jahren gesagt haben: „Alle Menschen sind gleich, nur ihre Gewohnheiten (gemeint waren die Verhaltensweisen/der Verf.) sind unterschiedlich.“ Und Lin Yutang, ein fast zeitgenössischer Philosoph, hat dazu vor etwa 70 Jahren ergänzend niedergeschrieben: „Die Unterschiede liegen in den Formen des Zusammenlebens. Dies einsehen heißt eine Grundlage zu vernünftiger Kritik zwischen den Völkern schaffen.“

Es sollte eigentlich nicht verwundern, wenn Wirkungszusammenhänge in anderen Kultur-und Wirtschaftsregionen als unterschiedlich zum Westen begriffen werden. Verwunderlich ist nur, daß diese Unterschiede im Westen zumeist ungenügend wahrgenommen und unzureichend in hiesige Überlegungen einbezogen werden.

Die bislang oft getrübte bis falsche Wahrnehmung „anderer Welten“ beruht einmal auf unserer westzentrierten Sicht und auf täuschenden, formalen Ähnlichkeiten an der Oberfläche, hinter denen sich jedoch große inhaltliche Unterschiede des gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Ablaufs verbergen. So funktioniert beispielsweise die „Konsensdemokratie“ in Japan ganz anders als die „Konfrontations-und Diskussionsdemokratie“ in westlichen Ländern. Die tagtägliche Praxis ist aufgrund der anderen soziokulturellen Hintergründe anders -ungeachtet aller angeblich gleichmachenden Globalisierungs-und Pluralisierungstendenzen

Der so oft in Richtung vermeintlicher Konvergenz bemühte „Wind des Wandels“ hat in Ostasien (wie auch in anderen Kultur-und Wirtschaftsregionen) andere Wirkungen als im Westen. Pluralisierungs-prozesse in Ostasien zeitigen, da sie sich auf ganz anderen Grundlagen als im Westen vollziehen, auch andere Ergebnisse oder Zwischenergebnisse als im Westen 2. Ostasiatische Andersartigkeiten im einzelnen Die anderen Denk-und Handlungsrahmen der Länder Ostasiens zeigen sich mit ihren jeweiligen Unterschieden auf drei Ebenen -der Ebene -der religiös-geistigen Grundlagen, -der Wirtschaftsstrukturen und Wirtschaftspolitiken sowie -der Arbeitgeber-und Arbeitnehmerverhältnisse. Die Ebene der religiös-geistigen Grundlagen Die vielen Gottheiten im chinesischen Volksglauben und im japanischen Shintoismus -bezeichnenderweise sind diese jeweils in einem vertikalen Götterpantheon eingeordnet -und die pragmatische Lebensphilosophie des Konfuzianismus stehen einem absoluten und personalen christlichen Gottesanspruch im Westen gegenüber.

Als sich die ersten christlichen Patres in Japan bemühten, die Bibel in die japanische Sprache zu übersetzen, stießen sie auf große Übermittlungsschwierigkeiten. So verwandten sie z. B. für den Begriff „Sünder“, womit doch eine individuelle Beziehung zu Gott gemeint ist, die in Japan vorhandenen Worte „Zainin“ oder „Toganin“, womit aber eher ein Mensch bezeichnet wird, der gegen Sozialnormen verstoßen hat. Man redete so gewissermaßen von Anfang an aneinander vorbei. Weitere Mißverständnisse traten auf, als von der katholischen und evangelischen Kirche jeweils unterschiedliche chinesische Worte für Gott benutzt wurden. Westliche Anthropologen benutzten in jüngerer Zeit zur Kenntlichmachung der Unterschiede das Gegensatzpaar: moralische Sünden-kultur auf der westlichen Seite, soziale Schamkulturen auf der ostasiatischen Seite Damit dürften einige der erheblichen Verständigungsschwierigkeiten umrissen bzw.deutlich geworden sein.

Es kommt hinzu, daß im Gegensatz zum sichtlichen Niedergang der christlichen Kircheninstitutionen im Westen in Ostasien eher ein Aufblühen alter, revitalisierter Religionsströmungen festzustellen ist. Japan ist insgesamt Shinto-basiert geblieben Der Gedanke vom Auserwähltsein -des Chiban, also an erster Stelle stehen zu wollen -hatte sich nach dem pazifischen Krieg vom militärisch-politischen Anspruch der dreißiger und vierziger Jahre auf einen wirtschaftlichen Primat verlagert. Dieser Anspruch hat allerdings nach den ökonomischen Krisen, vor allem der jüngsten Wirtschaftsmalaise, erheblich an Glaubwürdigkeit verloren.

Die gewaltsame Handelsöffnung Japans durch den amerikanischen Admiral Perry 1854, die verheerende politisch-militärische Niederlage 1945 und jetzt die strukturellen Finanz-, Wirtschafts-und Politikkrisen werden wegen der damit verbundenen menschlichen Verunsicherungen nicht ohne Einfluß auf die religiös-geistigen Grundlagen bleiben. Hinzu kommt, daß anläßlich der kürzlichen China-Reise von Präsident Clinton die Volksrepublik China von den USA eindeutig als bilateraler strategischer Weltmachtpartner anerkannt wurde, während neben Rußland jetzt auch Japan in die zweite Reihe verwiesen worden ist. Das wird die Unsicherheit in Japan weiter erhöhen.

Japan hat heute jedenfalls ganz erheblich an Einfluß verloren und ungeachtet seines nach wie vor großen wirtschaftlichen Gewichts wohl endgültig die erhoffte Vormachtstellung in Südostasien zugunsten Chinas eingebüßt

In dieser tiefen Krise könnten die vielen tausend, zumeist Shinto-basierten sogenannten „Neuen oder Neu-Neuen Religionen“, die Sekten, ein Auffangbecken sein, in dem entwurzelte und entmutigte Japaner Zuspruch und Rückhalt finden. Ein weiterer Zulauf zu den „neuen Religionen“ ist deshalb wahrscheinlich.

Auf dem Festland-China hat der Kommunismus seine J Glaubwürdigkeit weitgehend eingebüßt. Aber an seine Stelle ist die uralte chinesische Volksglaubens-Trinität -Reichtum, Glück und langes Leben -getreten. Die Bindung an alte Volksgottheiten und auch an neu ausgelegte buddhistische Strömungen, eine Rückbesinnung auf alte Gottheiten scheint wieder zuzunehmen In Taiwan trifft man fast an jeder Straßenecke auf einen kleinen oder größeren Volksgottheitstempel. Es gibt sogar einen „kleinen Grenzverkehr" mit Götterstatuen über die Straße von Taiwan. So wurde kürzlich eine Statue der Gottheit Matsu aus Südchina feierlich nach Taiwan geholt, damit diese ihre „Kinder-Matsus“ in Taiwan besuchen und ihnen neue Kräfte geben konnte.

Die Bindungen an alte Gottheiten ist auf einer geschäftlichen Do-ut-des-Basis (Ich gebe, damit Du gibst) angelegt. Man opfert Papiergeld und erwartet im Gegenzug Unterstützung im harten täglichen Leben, bei Examina und bei persönlichen Problemen: alles sehr chinesisch-pragmatisch, sehr ergebnisorientiert gedacht. Wenn die eine Gottheit ihren Kontrakt nicht einhält, wechselt man zu einer anderen oder bestraft die kontraktbrüchige. Diese Bindungen funktionieren und geben Kraft. Chinesen ruhen aufgrund ihrer sehr alten, sehr endogenen Kultur weitgehend in sich selbst, was insbesondere im Vergleich zu den Japanern auffällt.

Zur Kennzeichnung der Unterschiede zum Westen wird in neueren chinesischen Beiträgen darauf hingewiesen, daß Auslandschinesen bei psychischen Störungen nur wenig Hilfe von westlichen Psychotherapeuten erfahren können 11. Man findet einfach keinen Zugang zueinander. Die religiös-geistigen Welten sind zu unterschiedlich, als daß man Menschen -losgelöst vom kulturellen Hintergrund -auf gleiche Weise behandeln könnte. In China selbst gibt es kaum Psychotherapeuten; nicht nur, weil sie vom kommunistischen Regime nicht erwünscht waren, sondern auch, weil sie in den chinesischen Glaubens-und Sozialkosmos nicht hineinpaßten. Psychotherapien im Westen dürften auch eher eine Folge des immer noch nachwirkenden christlichen, sexuellen (Erb-) Sündenkomplexes und der modernen, saturierten westlichen Überflußgesellschaft in Verbindung mit einem übersteigerten Selbstverwirklichungsanspruch, dem Verlust sozialer Beziehungen und einer immer geringer werdenden Frustrationstoleranz sein. Es sei hier nochmals an die Unterschiede zwischen der ichbezogenen „Sündenkultur“ im Westen und der wirbezogenen „sozialen Schamkultur“ in Femost erinnert.

Da der chinesische Volksglaube vom Inhalt her aber wohl eher rückwärts gewandt ist, dürfte er künftig an Bedeutung verlieren. Die Volksgottheitstempel sind stark auf einzelne Familienclans oder Gruppen ausgerichtet und können insofern nicht den notwendigen „sozialen Bindekitt“ für die sich allmählich zersplitternden Familien liefern.

Konfuzius hat fünf wichtige Lebensregeln hinsichtlich des Verhältnisses zwischen Herrscher und Untertan, Mann und Ehefrau, der Kinder zu den Eltern, unter Kindern und Freunden aufgestellt.

Vier dieser Lebensmaximen waren eindeutig vertikal, also hierarchisch ausgerichtet, die fünfte dürfte sowohl die vertikalen als auch die horizontalen Beziehungen betreffen.

Unter diesen konfuzianischen Maximen befand sich aber keine Regel für ein eindeutig horizontal angelegtes Verhältnis der Menschen zueinander -ohne Familien-oder Sippenhintergrund. Eine solche Maxime wurde in der dörflich strukturierten Gesellschaft kaum benötigt, und sie hätte auch schlecht in das vertikal-hierarchische Weltbild hineingepaßt. Diese „horizontale Lücke“ könnte heute vielleicht in Taiwan von einer schnell wachsenden buddhistischen Strömung, deren Anhänger für die Solidarität von Mensch zu Mensch eintreten, geschlossen werden, wobei auch die zahlenmäßig rasch zunehmenden Community Centers eine Rolle spielen dürften Es könnte damit zur Herausbildung eines neuen, eines sechsten Lebensprinzips: eines solidarischen Mensch-zu-Mensch-Verhältnisses kommen.

Die Ebene der Wirtschaftsstrukturen und -politiken Auf der anderen religiös-geistigen Basis in Ost-asien haben sich auch andere Marktwirtschaften und Wirtschaftspolitiken herausgebildet. Es wird nicht selten gefragt, ob denn etwa Japan überhaupt eine Marktwirtschaft aufweise. Wenngleich diese Frage , schief gestellt ist, so weist sie doch darauf hin. daß Japan und auch andere ostasiatische Erfolgsländer wie Singapur, Taiwan und Südchina zwar Marktwirtschaften haben oder zumindest marktwirtschaftliche Ansätze aufweisen, diese aber anders als westliche Marktwirtschaften strukturiert sind und dementsprechend anders funktionieren. Für diese grundsätzlichen Unterschiede habe ich die Unterscheidung zwischen horizontalen Marktwirtschaften im Westen und vertikalen Marktwirtschaften in Fernost geprägt Während im Westen die entscheidenden Parameter in der Wirtschaft die einzelnen Individuen und Firmen in horizontaler Zuordnung sind, ist in Ostasien die vertikale Einordnung der Menschen und Firmen der entscheidende Parameter.

Marktwirtschaften sind nicht nach einheitlichen oder auf Einheitlichkeit zustrebenden Kriterien geformt; sie sind jeweils kulturadäquat zu sehen. Formale Ähnlichkeiten im Wirtschaftsablauf können zwar durchaus vorhanden sein; so sind z. B. viele rechtliche Konstruktionen nach westlichem Vorbild entstanden. Inhaltlich laufen die Prozesse jedoch anders ab -und der westliche Fremde muß lernen, dies entsprechend wahrzunehmen.

Auch die Wirtschaftspolitiken sind anders als im Westen geprägt. Während im Westen weitgehend nur der Rahmen festgelegt wird, in dem die Wirtschaftssubjekte agieren, stoßen wir in den ostasiatischen Ländern auf mehr oder weniger integrierte Wirtschaftspolitiken mit der Regierung als Moderator und Integrator. Auch hier steht eine eher horizontal ausgerichtete westliche einer vertikal ausgerichteten östlichen Wirtschaftspolitik gegenüber

Die Ebene der Arbeitgeber-und Arbeitnehmerverhältnisse Zwischen Unternehmern und Arbeitnehmern bzw.deren Gewerkschaften herrscht in Ostasien kein Konfrontationsdenken wie im Westen -dieses würde dem asiatischen Harmoniegedanken widersprechen und der in China so gefürchteten „Unordnung“ (Luan) Vorschub leisten.

Die Lehren von Karl Marx haben deshalb in Japan auch keinen rechten Eingang finden können. Japan brauchte diesen Denker, dessen Theorie auf der Ausbeutung und Selbstentfremdung des westlichen Menschen fundierte, im Grunde nicht. Und in China ist der Kommunismus letztlich auch nur als ein Instrument notwendig gewesen, um -wenn auch mit vielen Millionen Opfern -jahrhundertelang verkrustete feudale Strukturen und patriarchalische Herrschaftsverhältnisse aufzubrechen 3. Drei unterschiedliche Typen des Kapitalismus Im Westen, in Japan und im chinesischen Raum haben sich auf jeweils anderen Grundlagen drei Kapitalismus-Typen herausgebildet, und zwar -der horizontale Marktkapitalismus westlicher Prägung, -der vertikale Ichiban-Kapitalismus Japans und -der Guanxi- (oder Beziehungs-) Kapitalismus im chinesischen Raum, die nebeneinander und gegeneinander bestehen.

Westlicher Marktkapitalismus Wir gehen im Westen stets von den anonymen Marktkräften aus, die über Angebot und Nachfrage alles regeln -nach unseren Vorstellungen gilt dies weltweit. Dabei bedenken wir gar nicht, daß sich dieses Marktmodell in unserem westlichen Kulturkreis entwickelt hat, daß es also keineswegs auch in anderen Kultur-und Wirtschaftsregionen vorherrschend und prägend sein muß.

Die westliche Ökonomie, wie sie sich bei uns seit dem 17. Jahrhundert herausgebildet hat, setzt eine Gesellschaft voraus, die zumindest auf der formalen Gleichheit ihrer Mitglieder und auf deren Gestaltungsfreiheit beruht Der entscheidende Parameter ist hier das Ich und sein ökonomisches Interesse.

Diese horizontale Gestaltungsfreiheit hat in Ost-asien keine Wurzeln. Dort ist eben nicht das Ego, nicht die Beziehung zwischen gleichrangigen Partnern, sondern das Wir, die Familie oder die Gruppe in vertikaler Abstufung, welche Überordnung und Unterordnung einschließt, ausschlaggebend. Der westliche Marktkapitalismus ist nur ein, wenn auch ein sehr wichtiger Transaktionsrahmen in einer mehrfach gegliederten Weltwirtschaft. Der Westen bestimmt heute nicht mehr allein die Spielregeln, sondern muß sich im Rahmen der Globalisierung viel intensiver als bisher mit anderen Ordnungsvorstellungen und Wirtschaftspraktiken auseinandersetzen, ohne sie von vornherein dominieren zu wollen.

Japanischer Ichiban-Kapitalismus In Japan und Südkorea (dem japanischen System nachgebildet) sind die Hierarchie und Vertikalität in den großen Firmenverbundgruppen mit ihren vielen nachgeordneten und zumeist über Jahre gebundenen Zulieferanten die entscheidenden Parameter Zwischen Produzenten und Distributoren (Groß-und Kleinhandel) ist trotz Auflockerungen in den letzten Jahren ein ähnliches Grund-verhältnis enger Beziehungen gegeben.

Einen „Markt“ im westlichen Sinne gibt es nicht, bzw. er spielt eher eine Nebenrolle. Die vertikale Einordnung bleibt der ausschlaggebende Parameter. Preise werden im Firmenverbund geregelt, Zulieferanten selten gewechselt, Mergers & Acquisitions, d. h. Zusammenschlüsse und Aufkauf, mit bzw. durch Auslandsfirmen waren bis vor kurzem noch viel bestaunte Ausnahmen.

Man kann einen japanischen nicht mit einem westlichen Markt gleichsetzen wollen. Die genannten wesentlichen Unterschiede sind mitverantwortlich für die problematischen Handelsbeziehungen des Westens mit Japan. Die strukturellen und heute wieder steigenden Handelsbilanzdefizite der USA und Europas gegenüber Japan sind nicht nur von Währungsparitätsänderungen oder von konjunkturellen Schwankungen abhängig, sondern sie haben auch tiefer liegende Ursachen. Trotz Öffnungen im tarifären und nichttarifären Bereich ist es nach wie vor nicht einfach, in die grundsätzlich weiterbestehende, wenn auch lockerer werdende Vertikalstruktur der japanischen Wirtschaft einzudringen. Das Dauerproblem hoher struktureller Handelsbilanzdefizite der USA und der EU-Länder gegenüber Japan dürfte uns auch in Zukunft erhalten bleiben

Chinesischer Guanxi-Kapitalismus Im großchinesischen Raum -gemeint sind das chinesische Festland, Taiwan und Singapur, unterstützt durch die vielen Millionen Auslandschinesen in Südasien bis hin zu denen in San Francisco in den USA, Vancouver in Kanada und Perth in Australien -sind viele kleine und mittlere Familienunternehmungen über quasifamiliäre Netzwerkbeziehungen, die sogenannten Guanxi, miteinander verbunden. Sie sind der entscheidende Parameter, zumal es auch keinen großen, einheitlichen chinesischen Markt gibt, sondern dieser jeweils in viele lokale Märkte aufgesplittet ist Fazit: Auch im chinesischen Raum gibt es keinen Markt im westlichen Sinne. Den Handlungsrahmen bilden hier die Guanxi.

Im Westen wie im Fernen Osten stehen sich unterschiedliche Kapitalismus-Typen mit jeweils anderen Strukturen und Verhaltensweisen gegenüber. Eine Konvergenz dieser unterschiedlichen Transaktionsrahmen ist nicht zu sehen. Natürlich gibt es auch im Westen vertikal angelegte Verbindungen und Beziehungsgeflechte, nur sind diese nicht so prägend wie in Japan und im chinesischen Raum. Das ist der entscheidende Unterschied. 4. Asiatische Werte sind entzaubert In den achtziger Jahren bis in die neunziger Jahre hinein ist angesichts der stürmischen Wirtschaftsentwicklung in Ostasien immer wieder auf die asiatischen Werte hingewiesen worden Den ostasiatischen Entwicklungsprozessen lagen und liegen jeweils andere Werte zugrunde, man muß daher differenzieren; zumindest vier unterschiedliche Verhaltensmuster sind zu unterscheiden: -das malaiische wirtschaftshemmende Verhaltensmuster, -die chinesischen Wirtschaftstugenden, -der koreanische Aufholehrgeiz und -der japanischer Ichiban-Drang.

Die ostasiatische Krise ist recht vielschichtig. Bezeichnend dafür und für den geringen Zusammenhalt in dieser Region ist, daß weder die APEC (Asian Pacific Economic Cooperation) noch die Asiatische Entwicklungsbank -gerade auch in Japan -eine wesentliche Rolle bei den notwendigen Hilfsmaßnahmen gespielt haben -oder auch, wie von Japan ausdrücklich betont, gar nicht spielen wollten. Eine asiatische Solidarität ist wenig entwickelt, wenn man von den wiederholten Beteuerungen der chinesischen Regierung einmal absieht, den Yuan aus Solidarität mit den südasiatischen Nachbarn nicht abwerten zu wollen.

Die Auswirkungen der ostasiatischen Krise auf den Westen sind zwar trotz vieler Warnungen bisher noch kontrollierbar geblieben, aber das darf uns im Westen nicht dazu verleiten, notwendige Paradigmenwechsel sowie überfällige Umstrukturierungs-und Reformarbeiten zu unterlassen. Die grundsätzlich wirtschaftspositiven Verhaltensweisen in Südkorea und Japan -von denen der überaus rührigen und wenigen Auslandschinesen (die allerdings vor allem im malaiischen Umfeld wirken) einmal ganz zu schweigen -bleiben für den Westen eine existentielle Herausforderung. 5. Ein pazifisches Zeitalter ist nicht in Sicht, aher das chinesische Zeitalter in Ostasien gewinnt an Konturen „Das Mittelmeer war das Meer der Vergangenheit, der Atlantik das Meer der Gegenwart, der Pazifik ist aber das Meer der Zukunft.“ Diese Äußerung wird dem stellvertretenden US-Außenminister John M. Hay Anfang des 20. Jahrhunderts zugeschrieben. Seitdem sind fast 100 Jahre vergangen, und ein anhaltendes pazifisches Zeitalter läßt -außer einem bereits zu Ende gegangenen Zwischenspiel -weiter auf sich warten.

Die innere Schwäche einiger südostasiatischer Länder wie Indonesien, Malaysia, Thailand und die Phillippinen ist an einer fast zu erwartenden Bruchstelle, nämlich der überaus korrupten und unfähigen politischen Führung -und dies bei enorm erfolgreichen Auslandschinesen in der Wirtschaft dieser Länder -, zutage getreten Diese latente Bruchstelle hatte man jedoch im Westen lange Zeit nicht wahrnehmen wollen.

Japan und Südkorea haben wegen großer Struktur-mängel -insbesondere beim Bankensystem mit vielen „faulen“ Krediten aus dem eigenen Land sowie umfangreichen Auslandskrediten und nicht lebensfähigen Mammutbetrieben im Falle Südkoreas -, ferner generell wegen politisch-gouvernementaler und psychologischer Krisen außerordentlich schwierige strukturelle Probleme.

Nur die „verschiedenen Chinas“ sind relativ wenig betroffen. In einer Vergleichsstudie zwischen Taiwan und Südkorea war schon vor Jahren dargelegt worden, wie solide der taiwanesische Wirtschaftsaufbau und wie unsolide dagegen der Parforce-Ritt der Entwicklung mit wenigen Großunternehmen in Südkorea geplant und durchgeführt worden ist 24. Bei der bisher weitgehenden Resistenz der VR China ist jedoch nicht zu übersehen, daß sich das Festland durchaus erheblichen Problemen und Unwägbarkeiten für die weitere Entwicklung gegenübersieht -z. B. zunehmender Exportkonkurrenz infolge der Abwertungen asiatischer Krisenländer, großen Entwicklungsunterschieden zwischen dem Süden und dem Norden Chinas, noch ausstehender Entflechtung bzw. Privatisierung ineffizienter Großbetriebe mit nachfolgend steigenden Arbeitslosenzahlen, noch nicht absehbaren Folgen der Flutkatastrophe etc.

Im Westen dagegen hat sich die Wirtschaft der USA überraschend vitalisiert. Auch in Deutschland hat die Wirtschaft seit Beginn der neunziger Jahre durch umfangreiche Rationalisierungen, durch umfängliche Produktinnovationen und durch Produktionsverlagerungen wieder an Kraft und internationaler Wettbewerbsfähigkeit gewonnen. Fazit: Im letzten Jahrzehnt ist fast alles anders gekommen, als gemeinhin erwartet worden ist. Fünf epochale Entwicklungen sind zu verzeichnen: 1. die Implosion der kommunistischen Ostblock-systeme und deren Niedergang;

2. fast zeitgleich beginnend das Zerplatzen der „Seifenblasenwirtschaft“ in Japan mit nachfolgender Wirtschafts-und Vertrauensmalaise bis heute;

3. die tiefen Krisen in den südasiatischen Ländern und in Südkorea;

4. die relative Robustheit der „verschiedenen Chinas“; China steigt auf als Führungsmacht in Ostasien und als zweite Weltmacht neben den USA;

5. die Revitalisierung der Wirtschaft der USA und auch Deutschlands.

Wie hatte man nur vor einem Jahrzehnt ein „Ende der Geschichte“ voraussehen können Das Gegenteil ist eingetreten. Die Welt ist nicht etwa „westlicher“ geworden, d. h., alle schwenken auf den Tugendpfad der westlichen Marktwirtschaft und der westlichen Demokratie ein, sondern sie wird immer vielfältiger, immer herausfordernder und immer aufregender. Präsident Clinton hat bei seinem kürzlichen Chinabesuch dieser Entwicklung klug Rechnung getragen -ohne westliche Überzeugungen zu opfern. Er ist nicht als Anwalt westlicher Menschenrechtspolitik nach China gekommen und könnte gerade deshalb die Grundlagen für einen fruchtbaren Dialog auf der Basis: hier absolute westliche Menschenrechte, dort relative chinesische Menschenrechtsauffassung, gelegt haben

II. Konsequenzen für Deutschlan

1. Erfordernisse im Innenbereich Es steht außer Frage, daß sich die westlichen Länder und Gesellschaften umstellen müssen, um langfristig gegenüber den Herausforderungen aus „anderen“ Welten bestehen zu können Nicht daß Mißstände in Deutschland nicht wahrgenommen würden, im Lichte „anderer Welten“ gewinnt aber deren Überwindung weiter an Dringlichkeit. Wie wir alle wissen, ist der Weg von der Erkenntnis bis zur Überwindung der Schwächen lang. Und da ist es gut, wenn Änderungen auch von außen angestoßen werden. Das Schlimmste, was uns im Westen heute passieren könnte, wäre, wenn wir uns jetzt angesichts der „nur“ partiellen ostasiatischen Krisen wieder zurücklehnten und abwarteten. Paradigmenwechsel und Reformen sind nicht nur in den ostasiatischen Krisenländern notwendig. Sie sind gerade auch für den Westen eine Conditio sine qua non. Was in Deutschland geschehen müßte, sei für den Werte-und Gesellschafts-sowie für den Wirtschaftsbereich in einigen Stichworten formuliert:

Werte-und Gesellschaftsbereich 1. Die oft beschworene, retrospektiv angesetzte Rückkehr zu alten christlichen Werten allein wird nicht genügen Wir müssen vielmehr von der (sexuellen) Verformung des Christentums zu einer Angst-Religion seit Paulus und Augustinus endlich loskommen und das unverändert revolutionär Neue des Christentums -die menschliche und gesellschaftliche Humanität und Solidarität -in den Mittelpunkt stellen. Es gilt, die immer mehr zu-Tage tretende Kluft zwischen außerhalb der Kirchen lebenden Christen und den kirchlichen Institutionen wieder zu schließen. Die westchristlichen Kirchen müssen eine Antwort auf die Orientierungslosigkeit und Angst der Menschen geben; ansonsten werden unsere Kircheninstitutionen zum Schaden aller weiterhin an Halte-und Präge-kraft verlieren -und obskure Sekten werden die Lücken füllen

2. Eine konservativ-progressive Werthaltung ist anzustreben: Die Zielvorstellung, an alten Wurzeln festzuhalten und doch aufgeschlossen zu sein gegenüber Neuem, etwa modernen (Hochtechnologie-) Anforderungen, ist beileibe kein Widerspruch in sich. Sie ist vielmehr als Erfolgsrezept für das neue, vor uns liegende Jahrhundert anzusehen.

Wirtschaftsbereich 1. Im Bereich der Makroökonomie müssen die viel diskutierten Reformen so schnell wie möglich durchgeführt werden. 2. Im Mikrobereich, das heißt in den Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern/Gewerkschaften, müssen wir zu einer engeren Zusammenarbeit kommen, um die seit Anfang der neunziger Jahre erreichte Konsolidierung nicht zu gefährden. 2. Erfordernisse im Außenbereich Im Außenbereich müssen wir auf eine Verbesserung der Wettbewerbsverhältnisse für den internationalen Handel hinwirken sowie unsere Kräfte bündeln:

Das heißt erstens, auf eine strukturelle Öffnung der Märkte in Ostasien zu drängen, um die Wettbewerbsungleichgewichte im internationalen Handel, die zu unseren Ungunsten bestehen, zu reduzieren. Da letzteres, zum Beispiel in Japan, kaum durch Regierungsdekrete zu bewerkstelligen ist, kann dies offenbar nur durch eigene Wirtschaftszwänge, wie Banken-und Firmenpleiten induziert werden.

Zweitens muß das alte Drei-Säulen-Konzept -Berichterstattung und Beratung durch die deutschen Botschaften, die deutschen Auslandshandelskammern und die Bundesstelle für Außenhandelsinformation (BfAi) -zum Fünf-Säulen-Konzept ausgebaut werden. Als vierte Säule muß ein Netz sogenannter deutscher Häuser (in einigen ostasiatischen Ländern existieren bereits deutsche Zentren, in denen deutsche Firmen vertreten sind), als fünfte müssen deutsche Firmenpools von kleinen und mittleren Unternehmen vor Ort hinzukommen.

Ein Netz deutscher Häuser beginnt sich zwar allmählich herauszubilden, deutsche Firmenpools sind allerdings in Ostasien bislang nur sehr spärlich vertreten. Gerade kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sollten sich jedoch vermehrt zu Kooperationen zusammenschließen Große deutsche Unternehmen in China wie Volkswagen oder Siemens genügen allein nicht, um die sich bietenden Marktchancen zu nutzen.

Das Konzept von Firmenpools wird insbesondere vom Deutschen Industrie-und Handelstag (DIHT), aber auch von einzelnen Industrie-und Handelskammern vertreten. Bislang gibt es in Shanghai einen deutschen Firmenpool, ein weiterer wird gerade gegründet. Leider wurde diese Möglichkeit bei der 7. Asien-Pazifik-Konferenz der deutschen Wirtschaft in Peking Ende April 1998 mit keinem Wort erwähnt, was den bisher noch geringen Stellenwert von Kooperationen deutscher Unternehmen miteinander anzeigen dürfte.

Drittens ist ein gestaffeltes Vorgehen deutscher Firmen notwendig. Für alle Unternehmen gilt, daß sie lernen müssen, auf asiatische Weise, das heißt in vertikaler Rangordnung zu denken und dementsprechend vorzugehen So muß beispielsweise von Anfang an feststehen, wer der Seniorpartner und wer der Juniorpartner ist. Gerade bei interkulturellen Kooperationen, d. h. einer Zusammenarbeit zwischen Firmen unterschiedlicher Kultur-und Wirtschaftsregionen, ist es wichtig festzulegen, wer die Entscheidungen -sei es als größter Partner oder als maßgeblicher Technologiegeber -zu treffen hat. Ein gutes Beispiel könnte die im Gespräch befindliche interkulturelle Kooperation zwischen Mercedes-Benz und Nissan werden, da Mercedes eindeutig der Stärkere wäre. Deutsche Großunternehmen, sogenannte „Hidden Champions“, oder auch kleine und mittlere Firmen mit besonders innovativen Produkten oder Dienstleistungen können sicherlich im Alleingang im ersten Ansatz fremde Märkte in Ostasien erschließen. Dann aber beginnt die große Ratlosigkeit, denn diese Firmen können den entscheidenden Markt-durchbruch in Ostasien allein nicht schaffen. Für einen dementsprechenden Erfolg werden viele kleine und mittlere Unternehmen, die ja das Rückgrat der deutschen Wirtschaft sind, benötigt. Sie brauchen jedoch logistische Hilfe und müssen dazu vor allem Hilfe zur Selbsthilfe organisieren.

Als Konsequenzen für Deutschland sind nicht nur äußerliche Anpassungen bei den Bemühungen um Export-und Auslandsinvestitionen gefragt. Die notwendigen Umstellungen reichen von tief-greifenden Änderungen im Werte-, Politik-und Wirtschaftsbereich in Deutschland bis zu neuen, gebündelten Wirtschaftsaktivitäten außerhalb Deutschlands.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Unter Werten werden allgemeine, wünschens-und nicht wünschenswerte Einstellungen verstanden, die ein langfristig angelegtes Verhaltensmuster in Richtung auf bestimmte Ziele -in Präferenz zu anderen -steuern.

  2. Dies gilt vor allem im Vergleich zum relativ „einheitlich“ strukturierten Westen, der bei allen Differenzierungen im gemeinsamen griechisch-römischen-christlichen Boden seine Wurzeln hat.

  3. Lin Yutang, Mein Land und mein Volk, Stuttgart (ohne Jahresangabe).

  4. In einer vom Autor vorbereiteten Veröffentlichung „Begrenzte wirtschaftliche Globalisierung ohne menschliche Konvergenz“ wird auf diese Problematik im einzelnen eingegangen werden (voraussichtlich Frühjahr 1999).

  5. So tanzen z. B. junge Japaner(innen) sonntags auch vor dem Meiji-Schrein zu modernen Techno-Rhythmen -aber mit synchron-gemeinschaftlichen Bewegungen aufeinander abgestimmt, während man im Westen individuell vor sich hintanzt. Unterschiede zwischen westlichem Ego und fernöstlicher Wir-Auffassung machen sich auch hier bemerkbar. Oder: Streiks werden in Japan bekanntlich nicht innerhalb der Arbeitszeit durchgeführt. Man verursacht keine Produktionsausfälle, denn man ist der Firma verpflichtet.

  6. Wenn im folgenden für Kultur-und Wirtschaftsregionen eine „gewisse Determiniertheit“ über die Zeit -ausgehend von den Volkscharakteren, über Religionen bis zur Gesellschaft und Wirtschaft -zugrunde gelegt wird, so ist damit sicherlich kein Festgelegtsein ad infinitum gemeint. Wie die Geschichte zeigt, finden unaufhörlich Veränderungen statt. Diese sind aber wohl mehr als Variationen oder Neuinterpretationen alter Leitmotive anzusehen. Vgl. dazu Erich Fromm, Die Seele des Menschen. Ihre Fähigkeit zum Bösen und zum Guten, Frankfurt am Main 1981. Fromm legt seinen Überlegungen einen Terminus der „realen Möglichkeiten“ zugrunde, von denen ein Mensch und ein Volk zwar nicht loskommt, die aber positiv wie negativ gelebt werden können.

  7. Vgl. Siegfried Böttcher, Ostasien denkt und handelt anders: Konsequenzen für Deutschland, Schriftenreihe des ifoInstituts für Wirtschaftsforschung, Nr. 142. Berlin 1996.

  8. Vgl. Ruth Benedict, The Crysanthemum and the Sword, Patterns of Japanese Culture, Tokyo 1954.

  9. Nach Abschaffung des Staatsshinto durch die USA im Jahre 1945 prägen weiterhin der Sekten-und Volksshinto sowie die vielen Neuen Religionen das Bild.

  10. Japan hatte während seiner jahrelang hohen Wachstumsraten und einer damit verbundenen Ausstrahlung auf Ostasien ein Leitbild von den sogenannten „fliegenden Wildgänsen“ mit Japan als Leitgans propagiert. Diese Vision wurde jedoch von vornherein von China abgelehnt. Heute gehört ein solcher Anspruch der Geschichte an.

  11. Vgl. Ludwig und Hedwig Thamm, Glück, Reichtum und langes Leben. Tradition und Volksreligion im heutigen China, Regensburg 1995.

  12. Vgl. Chiu Hei-yuan, Glauben im Wandel, in: Freies China. Nr. 2, Taipei 1992; C. K. Chang. Religion in Chinese Society. A Study of Contemporary social functions of religion and some of their historical factors, Taipei 1994. Der Autor wird ab Frühjahr 1999 über eine neuausgelegte buddhistische Sekte und die Community Centers eine Feldstudie beginnen.

  13. Vgl. S. Böttcher (Anm. 7), S. 69 ff.

  14. Vgl. World Bank Policy Research Report, The East Asian Miracle, Economic Growth and Public Policy, Washington 1993.

  15. Es sollte nicht verschwiegen werden, daß die kommunistische Herrschaft mit riesigen Opfern und Fehlallokationen verbunden gewesen ist. Vgl. Stephane Courtois u. a., Das Schwarzbuch des Kommunismus, München 1998.

  16. Vgl. S. Böttcher (Anm. 7), S. 54 ff.

  17. Vgl. Alfred Bürgin, Zur Soziogenese der Politischen Ökonomie. Wirtschaftsgeschichtliche und Dogmenhistorische Betrachtungen, Marburg 1993.

  18. Vgl. Martin Hemmert, Vertikale Kooperation zwischen japanischen Industrieunternehmen, Köln 1993.

  19. Vgl. Heinz Riesenhuber/Josef Kreiner (Hrsg.), Japan ist offen. Chancen für deutsche Unternehmen, Berlin 1998. Es ist für diese Veröffentlichung wie für die Fehlsicht einer Reihe westlicher Autoren über den Marktzugang in Japan symptomatisch, daß nur zwischen tarifären und nichttarifären Barrieren unterschieden wird. Man muß aber eine Dreiteilung zwischen tarifären, nichttarifären und strukturellen

  20. Vgl. Gordon Redding, The Spirit of Chinese Capitalism. Berlin 1993; ders., The Idiom of Chinese Capitalism, ohne Quellen-und Jahresangaben.

  21. Vgl. Akio Morita, Das Japan, das nein sagen kann, Tokyo 1993 (in Japanisch), ders.. Das Asien, das nein sagen kann, Tokyo 1994 (in Japanisch); ferner ders., China, das nein sagen kann, Beijing 1996 (in Chinesisch).

  22. Zu den malaiischen Verhaltensweisen zählen beispielsweise nicht konfuzianische Tugenden wie Sparsamkeit oder wirtschaftliches Streben, so daß die bisherige westliche Annahme über die erfolgreichen, sogenannten neo-konfuzianischen Tigerländer höchstens auf die Auslandschinesen in ansonsten malaiisch geprägten Ländern in Südasien, nicht aber auf die malaiischen Ethnien und malaiischen Oberschichten selbst zutraf. Zudem hatten der Nepotismus und die Korruption in diesen Ländern im Vergleich zu China und Japan (wo es zwar auch jeweils Korruption als nationales Erbe gegeben hat) so überaus groteske und wirtschaftshemmende Formen angenommen, daß die jetzigen Krisen einfach kommen mußten. 24 Vgl. Lawrence Lau, Models of Development. A Comparative Study of Economic Growth in South Korea and Taiwan, San Francisco 1986.

  23. Vgl. Francis Fukuyama, Das Ende der Geschichte, München 1992.

  24. Vgl. Die Menschenrechtsfrage. Diskussion über China -Dialog mit China, Nr. 6 der Schriften der Deutschen China-Gesellschaft, Göttingen 1998.

  25. Vgl. dazu: Samuel P. Huntington, Kampf der Kulturen, München 1996; Bassam Tibi, Krieg der Zivilisationen, Hamburg 1995.

  26. Vgl. S. Böttcher (Anm, 7), S. 81 ff.

  27. Vgl. Eugen Bieser, Die glaubengeschichtliche Wende. Eine theologische Positionsbestimmung, Graz u. a. 1987; Eliane Pagels, Adam, Eva und die Schlange. Die Theologie der Sünde, Reinbek 1991.

  28. Ein deutscher Firmenpool sollte etwa aus fünf bzw. sieben KMU unter der Steuerung eines landeserfahrenen Moderators bestehen. Damit können Kosten gespart, ein gemeinsames Marketing bei komplementären Produkten betrieben sowie draußen an Gewicht und Gesicht gewonnen werden. Damit würde die bisherige auswärtige Schwäche deutscher KMU: geringe Finanzkraft und schwache Personaldecke, ausgeglichen werden. Angesichts des in den nächsten Jahren anstehenden umfangreichen Generationswechsels in der Führung vieler deutscher KMU dürfte -auch erzwungen von der Globalisierung -die Neigung zur Bildung deutsch-deutscher Kooperationen = Firmenpools zunehmen.

  29. Siegfried Böttcher, Ostasien erfordert geistige Umstellung und Bündelung der Kräfte, in: Japan. Analysen, Prognosen, Nr. 128/129 vom Febr. /März 1997, ifo Japan Studien-stelle, S. 15 ff.

Weitere Inhalte

Siegfried Böttcher, geb. 1929; seit 1959 tätig im Bundesministerium für Wirtschaft, im Auswärtigen Amt (Botschaft Addis Abeba), Bundesministerium des Inneren (Bundesakademie für Fortbildung), im Bundes-wirtschaftsministerium (zuständig für ostasiatische Länder); seit der Pensionierung freier Publizist und Referent. Zahlreiche Veröffentlichungen zu wirtschafts-und handelspolitischen Fragen, mit Schwerpunkt auf Ostasien.