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Die Wahlslogans von 1949 bis 1994 | APuZ 51-52/1994 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 51-52/1994 Kohls knappster Sieg. Eine Analyse der Bundestagswahl 1994 Auf einer Woge der Euphorie Veränderungen der Stimmungslage und des Meinungsklimas im Wahljahr 1994 Die Wähler der PDS bei der Bundestagswahl 1994. Zwischen Ideologie, Nostalgie und Protest Nichtwähler 1994. Eine Analyse der Bundestagswahl 1994 Die Wahlslogans von 1949 bis 1994

Die Wahlslogans von 1949 bis 1994

Monika Toman-Banke

/ 23 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Der Beitrag gibt einen Überblick über die Slogans der Bundestagswahlen von 1949 bis 1994. Dabei werden sie nicht isoliert betrachtet, sondern zu dem zeitgeschichtlichen Hintergrund ihrer Entstehungszeit in Beziehung gesetzt. Dieser Überblick beginnt bei den stark ideologisch geprägten Wahlkämpfen der Nachkriegszeit, berücksichtigt die von Reformen und Konfrontationen geprägten Wahlen der siebziger und die zukunftsverheißende Stimmung der achtziger Jahre und endet schließlich beim Bundestagswahlkampf im „Superwahljahr“ 1994. Um die Entwicklung und die Kontinuität der Wahlwerbung aufzeigen zu können, beschränkt sich der Beitrag auf die Slogans von CDU, CSU, FDP und SPD, also der Parteien, die seit Gründung der Bundesrepublik im Bundestag vertreten sind.

I. Wahlslogans -Wirklich nur leere Phrasen?

Auf Plakatwänden und Litfaßsäulen erinnert längst nichts mehr an den Bundestagswahlkampf im Superwahljahr 1994. Damit es weiter aufwärts geht hatte die CDU dort geworben, Freu Dich auf den Wechsel, Deutschland, die SPD frohlockt. Diesmal geht’s um alles war der politische Überlebenskampf der FDP überschrieben, und Freiheit statt Volksfront hatte es bei der CSU schon seit den Landtagswahlen in Bayern geheißen.

Der Wahlslogan gilt in der Literatur über Wahlkämpfe als zentrale Wahlaussage, als pointierte Zusammenfassung einer Wahlkampagne Ein guter Slogan soll zum einen ausdrücken, worum es bei der anstehenden Wahl geht, und zum anderen Erwartungen und Einstellungen der Bevölkerung aufgreifen. Er muß „in der Luft liegen“

Im Wahlkampf, in dem verschiedene Parteien um die Wählergunst werben, ist die Zielsetzung des Wahlslogans als eine Form politischer Sprache leicht zu definieren: Wie der Werbeslogan zum Kauf eines bestimmten Produktes anreizen soll, so soll der Wahlslogan die Wähler zur Wahl einer bestimmten Partei aktivieren. Allerdings ist es fraglich, in welchem Maße der Wahlslogan die tatsächliche Wahlentscheidung beeinflußt. Vielmehr kommen ihm Funktionen zu, die generell zu einer politischen Mobilisierung der Wähler beitragen sollen. Zunächst soll der Wahlslogan Aufmerksamkeit wecken, sich einprägen und an die jeweilige Partei erinnern. Er kann u. a. Identifizierungs-oder Solidarisierungsmöglichkeiten bieten, zugleich aber auch polarisieren, provozieren und/oder auf den politischen Gegner Bezug nehmen. Vor allem aber kommt ihm eine Rationalisierungsfunktion zu, indem er komplexe politische Sachverhalte reduziert und auf bestimmte politische Schlüsselbegriffe verdichtet, um so Meinungen und Haltungen wiederzugeben Und just diese Funktion bringt dem Wahlslogan regelmäßig die Schelte von Publizisten und Journalisten ein, die ihn nicht selten als inhaltslose und austauschbare Phrase abqualifizieren

Trotz aller Häme und Kritik, denen die Wahl-slogans begegnen, sollen sie hier als zeitgeschichtliche Zeugnisse verstanden und beschrieben werden, denen eine Aussage über Situationen, Ereignisse und politische Vorstellungen vor und während ihrer Entstehungszeit zu entnehmen ist Folglich ist es wichtig, diese Entstehungszeit in die Betrachtung miteinzubeziehen: Was beschäftigte die Öffentlichkeit, wie wollten sich die Parteien voneinander abgrenzen und sich im Wahlkampf präsentieren? Worüber wurde zwischen und innerhalb der Parteien diskutiert, welche Strategien verfolgten sie, worauf (vorausgegangene Ereignisse, Krisen, Skandale) und in welcher Weise nahmen sie Bezug, was wurde zum Thema im Wahlslogan?

Niemals lassen sich alle Kriterien auf einmal an einem einzigen Slogan ablesen, aber -um ein Ergebnis vorwegzunehmen -ein bestimmter Schwerpunkt ist immer vorhanden. Im folgenden Überblick soll dies an den charakteristischsten Wahlslogans von CDU, CSU, FDP und SPD bei den Bundestagswahlen von 1949 bis 1994 herausgestellt werden, auch um die Kontinuität oder die Veränderungen in der Wahlwerbung derjenigen Parteien aufzuzeigen, die seit der Gründung der Bundesrepublik im Bundestag vertreten sind.

II. Zeitgeschichte und Wahlslogans

1. Die Nachkriegswahlkämpfe: hart und ideologisierend Die Ausgangssituation vor der Wahl 1949 war eigentlich von einem Konsens über das demokratische Prinzip des neuen Staates geprägt: Das Scheitern der Weimarer Republik, der Aufstieg der Nationalsozialisten, der Zweite Weltkrieg, die Teilung Deutschlands und die Stärke des sowjetischen Kommunismus boten den deutschen Parteien einen gemeinsamen Bezugsrahmen, aus dem nur Kommunisten und rechtsextreme Gruppen herausfielen Dennoch gehörten heftige Auseinandersetzungen, sogar Beleidigungen und Diffamierungen, zum ersten Bundestagswahlkampf in der Bundesrepublik Zu unterschiedlich waren die Auffassungen über die Ausgestaltung der Demokratie und der Wirtschaftsordnung. Sozialismus oder soziale Marktwirtschaft, Weststaat-Lösung oder der „Dritte Weg“ zwischen den Blöcken -das waren hier die Fragen. Diese ordnungspolitischen Gegensätze wurden zum Inhalt der Wahlslogans 1949.

Unser Ziel ist der Sozialismus! Wir rufen unsere Gesinnungsgenossen in Stadt und Land auf, uns auf diesem Wege zu folgen! Sozialdemokratische Partei Deutschlands -so forderte die SPD ihre Anhänger und Sympathisanten noch in der Tradition des Klassenkampfes auf Das eindeutige Bekenntnis zum Sozialismus entsprach der wirtschaftspolitischen Programmatik der SPD nach 1945. Sozialisierung, staatliche Planung und Lenkung waren Grundbestandteile der „Dürkheimer 16 Punkte“ Die CDU dagegen machte das Konzept der sozialen Marktwirtschaft zu ihrem Wahlprogramm, den „Düsseldorfer Leitsätzen“ Sie unterstrich im Wahlkampf ihren Erfolg bei der wirtschaftlichen Entwicklung seit Ende des Zweiten Weltkrieges: 1947 Hunger -Not -Elend! 1949 Vorwärts! Aufwärts! Der Erfolg der CDU. Neben den negativ konnotierten Ausdrücken im ersten Teil des Slogans, mit denen die Nachkriegsjahre nominiert wurden, sollten vor allem die Jahreszahlen Aufmerksamkeit wecken. Auffällig dabei war, daß die CDU nicht 1945 als Beginn der Notjahre nach dem Weltkrieg zugrunde legte, sondern 1947 -das Jahr, in dem der Frankfurter Wirtschaftsrat eingerichtet wurde. Dort hatten FDP und CDU eine bestimmende Rolle. Die spätere Jahreszahl sollte das wirtschaftspolitische Engagement der CDU seither verdeutlichen. Die Jahreszahl 1949 sowie die positiv konnotierten und motivierenden Adverbien Vorwärts und Aufwärts sollten auf das künftige erfolgreiche Handeln der Partei hinweisen.

Die außen-und deutschlandpolitische Orientierung besaß für den SPD-Vorsitzenden Kurt Schumacher genauso erste Priorität wie für den CDU-Kandidaten Konrad Adenauer Mit fast identisch lautenden Slogans warben SPD und CDU für ihre deutschlandpolitischen Vorstellungen: SPD /Das ganze Deutschland soll es sein hieß es bei den Sozialdemokraten, und die CDU fügte hinzu: Das ganze Deutschland soll es sein -Zum ungeteilten Vaterland durch die CDU. Doch während die SPD damit den programmatischen Aussagen ihres Vorsitzenden folgte und sich für den „Dritten Weg“ zwischen Kommunismus und Kapitalismus aussprach betonte die CDU mit diesem Slogan ihre Westorientierung, das heißt die Eingliederung der Westzonen in ein wirtschaftliches, politisches und längerfristig auch militärisches Bündnis Westeuropas, um die Handlungsfreiheit für den westlichen Teil Deutschlands zurückzugewinnen

Kennzeichnend für die CSU war bereits 1949 ein bayerisch-staatliches Bewußtsein, zumal hier die territoriale und staatliche Kontinuität gewahrt werden konnte. Der Freistaat Bayern wurde 1945 wiederhergestellt. Auch die bayerische katholische Tradition schien ungebrochen, und daraus resultierte das Selbstverständnis der Partei als „christliches Bollwerk Westeuropa“ Eine antikommunistische Grundhaltung und die Betonung regionaler Zugehörigkeit prägten daher einen CSU-Slogan von 1949: Was erzählt Euch der Heimkehrer vom sozialistisch-kollektivistischen Staat? Bleibt deshalb Eurer bayerischen Heimat treu! Wählt Christlich Soziale Union. Interessant ist dabei der Ausdruck Heimkehrer. Damit wurde eine Personengruppe nominiert, der in der Bevölkerung wegen des Schicksals, das sie erleiden mußte, ein hoher Stellenwert eingeräumt wurde. Die Kriegsheimkehrer aus dem Osten wurden zur Legitimationsquelle der Sloganaussage. Ohne das Schicksal der Heimkehrer direkt zu beschreiben, wurden dennoch die Ängste vor dem Kommunismus geschürt. Verstärkt wurde dies durch die Bezeichnung der Sowjetunion mit dem negativ konnotierten Ausdruck vom sozialistisch-kollektivistischen Staat.

Das weitaus größte Themenspektrum griff die FDP im ersten Bundestagswahlkampf auf. Diese Vielfalt ist auf die Zusammenfassung der unterschiedlichen liberalen Gruppierungen -von links-bis nationalliberal -unter dem Namen FDP nach 1945 zurückzuführen. Neben der Frage der Wiedervereinigung und der künftigen wirtschaftspolitischen Konzeption wurden rechtliche Probleme (z. B. Entnazifizierung), wirtschaftliche Schwierigkeiten (z. B. Schwarzmarkt) oder soziale Spannungen thematisiert: Angesichts von zwölf Millionen Flüchtlingen und Heimatvertriebenen nach dem Krieg hatte die FDP in der „Bremer Plattform“, dem ersten gemeinsamen Parteiprogramm von 1949, als eines ihrer Ziele die Eingliederung der Heimatvertriebenen genannt Dieses Integrationsbestreben wurde in einem Slogan des Landes-verbandes Hessen deutlich: Altbürger! -Flüchtlinge! Nicht gegeneinander -sondern miteinander! /Für ein Deutschland in Einigkeit und Recht und Freiheit /Wählt FDP /Freie Demokratische Partei (bisher LDP). Durch diesen Slogan wurden die Wähler unmittelbar mit den bestehenden sozialen Problemen bei der Eingliederung von Heimatvertriebenen konfrontiert 1953 verlief der Bundestagswahlkampf noch nach ähnlichen Mustern wie 1949. Auch er war stark ideologisierend, wenngleich es nicht mehr um grundsätzliche Richtungsbestimmungen ging. Die SPD-Slogans waren zwar nicht mehr so kämpferisch wie zuvor, betonten aber dennoch die traditionelle Herkunft der Partei: Wähle Links, wo das Herz schlägt! Wähle Sozialdemokraten! Nachdem die Weichen für die Wirtschaftsordnung 1949 gestellt worden waren, konzentrierte sich die SPD auf die Kritik an der Wirtschaftspolitik der CDU und des Wirtschaftsministers Ludwig Erhard: Prof. Erlwrd -CDU ruiniert die Wirtschaft! Wer SPD wählt -wählt den Aufbau! Verstärkt wurde diese Aussage, indem auf dem Wahlplakat ökonomische Probleme -Zahl der Arbeitslosen, fehlende Wohnungen, Preissteigerungen -aufgezählt wurden.

Die CDU versuchte, die Angst vor dem Kommunismus, die der Koreakrieg erneut geweckt hatte, wahltaktisch auszunutzen und sich als einzige Wahlalternative darzustellen. Zu einem der bekanntesten Slogans dieser Art gehörte 1953 Alle Wege des Marxismus führen nach Moskau! Darum CDU. Mit dieser Wahlkampftaktik war die Frage der deutschen Wiedervereinigung verknüpft, eines der Hauptthemen im Wahlkampf. CDU und CSU gingen darauf in einem gemeinsamen Slogan mit unterschiedlichen Parteibezeichnungen ein. Denkt an uns /Wählt für uns CSU hieß es auf einem Wahlplakat, auf dem ein älteres, verhärmt wirkendes Ehepaar zu sehen war, das offensichtlich in der Sowjetischen Besatzungszone lebte. Mit diesem Slogan wurde an das Mitgefühl, Verantwortungsbewußtsein und Demokratieverständnis der Wähler im westlichen Teil Deutschlands appelliert. Diese wurden also nicht direkt von einer Partei, sondern von den Deutschen im Osten aufgefordert, stellvertretend deren Rechte wahrzunehmen und zu wählen. Dabei wurde suggeriert, daß die Stimmabgabe der Deutschen im Osten zugunsten der Union ausfiele, wenn sie wählen dürften.

Die Ausgangslage der FDP im Wahlkampf von 1953 war dagegen schwierig: Richtungskämpfe zwischen den einzelnen Landesverbänden, aber auch die Verhaftung hochrangiger ehemaliger Nationalsozialisten innerhalb der FDP schadeten dem Bild der Partei in der Öffentlichkeit Die Profilierung der Partei rückte daher in den Vordergrund der Wahlkampfstrategie der FDP, die sie mit deutschlandpolitischen Vorstellungen (Deutschland in den Grenzen von 1937) verband. Wählt FDP /Dann wählt ihr Deutschland lautete einer ihrer Slogans.

Gegenüber einer dominanten CDU erschien die SPD im Wahlkampf 1957 chancenlos. Obwohl sie den Gesetzen der Regierung zur Wiedereinführung der Wehrpflicht zugestimmt hatte, stellte sie sich im Wahlkampf als Gegner der Wiederbewaffnung dar. Mit dem Slogan Keine Wehrpflicht /Darum SPD warb sie vor allem um junge Wähler. Außerdem stand die Frage der Wiedervereinigung in ihrer Wahlkampfstrategie im Vordergrund: Wiedervereinigung in Freiheit! Schluß mit der Tatenlosigkeit! Sicherheit für alle /SPD. Ohne die CDU direkt zu nennen, warf die SPD dieser implizit vor, in acht Jahren Regierungszeit die Wiedervereinigung des geteilten Deutschlands nicht ermöglicht zu haben, und begründete damit die Notwendigkeit des politischen Wechsels.

Siegessicher präsentierte sich die CDU im Wahlkampf. Sie betonte ihre Regierungstätigkeit und stellte in einer erstmals formal und inhaltlich einheitlichen Sloganreihe die Regierungsmitglieder heraus. Dem Konterfei eines Ministers wurde auf dem Wahlplakat jeweils eine ressortspezifische Aussage zugeordnet. Wohlstand für alle /CDU /Ludwig Erhard lautete zum Beispiel die Aussage für den Wirtschaftsminister. Der bekannteste Slogan der CDU in diesem Wahlkampf war jedoch Keine Experimente /CDU, der die Kontinuität der CDU-Politik unterstreichen und die damalige Grundstimmung des Bewahrens wiedergeben sollte Gleichzeitig wurde mit dem Ausdruck Experimente das politische Programm der SPD benannt, das -so wurde nicht zuletzt durch die hervorgerufenen Assoziationen suggeriert -nicht konkret faßbar sei und dessen Folgen nicht vorhersehbar seien.

Wie ihre Schwesterpartei setzte die CSU ebenfalls auf die Kontinuität der bisherigen Politik: Laßt uns weiterbauen /Adenauer /CSU. Sie stellte die Stärke Adenauers heraus, um von dessen Popularität zu profitieren.

Nach der Spaltung der FDP und dem Bruch der Koalition Ende 1955 in Bonn versuchten die Liberalen 1957, einen innenpolitisch akzentuierten Wahlkampf zu führen, indem sie ihre Unabhängigkeit, Eigenständigkeit und die Notwendigkeit ihrer Zugehörigkeit zum parlamentarischen System und zur Regierung betonten und das auf dem Berliner Parteitag 1957 beschlossene Konzept der „liberalen Mitte“ und „dritten Kraft“ unterstrichen Diese Strategie war auch deshalb notwendig geworden, weil der FDP im Wahlkampf von der CDU so gut wie keine Beachtung geschenkt wurde Die FDP dagegen griff die CDU an und stellte deren Glaubwürdigkeit in Frage: Sie sagen „Keine Experimente“ und meinen Alleinherrschaft der CDU /Wählt FDP /Freie Demokratische Partei. Wegen der vorausgegangenen Parteienspaltung und Adenauers Unterstützung der neugegründeten Freien Volkspartei (FVP) richtete sich der Slogan ausschließlich gegen eine Alleinherrschaft der CDU, indem der CDU-Slogan zitiert und dessen Botschaft geleugnet wurde. Kennzeichnend dafür ist die Verwendung des negativ konnotierten Ausdrucks Alleinherrschaft, mit dem vermeintliche Gefahren für das demokratische System und Erinnerungen an das Dritte Reich nominiert werden sollten. 2. Die frühen sechziger Jahre: Harmonie und Sicherheit In den Slogans des Wahlkampfes von 1961 spiegelte sich der Wandel der SPD zu einer „gemeinwohlorientierten sozialreformerischen Volkspartei“ der im Godesberger Programm 1959 programmatisch bestätigt worden war. Wir sind eine Familie /SPD war charakteristisch für die Absicht der SPD, einem breiten Publikum innen-und außenpolitische Gemeinsamkeiten mit der CDU zu signalisieren, Koalitionsbereitschaft zu zeigen und die eigene Regierungsfähigkeit herauszustellen. Der Slogan erreichte einen hohen Bekanntheitsgrad, zumal eine Starrevue -mit bekannten Künstlern wie Willi Hagara oder Roberto Blanco -den gleichen Titel trug.

Bei der CDU machten sich am Ausgang der fünfziger Jahre Symptome einer politischen, personellen und organisatorischen Krise bemerkbar Der soziale Wandel in der Bundesrepublik hatte die Einstellungen und Erwartungen der Wähler verändert. Neuorientierungen standen aber im Widerspruch zu Adenauers Führungsstil Ungeachtet der sich abzeichnenden Entwicklung innerhalb der Partei betonte die CDU im Wahlkampf ihre lang-jährige Regierungskompetenz: Erfolg und Erfahrung /CDU. Die CSU warb konkreter für die bisherige Regierung: Für Adenauer /Erhard und die seit 12 Jahren erfolgreiche Mannschaft /Darum: lieber wieder CSU.

Der FDP ging es darum, die absolute Mehrheit der CDU zu brechen, um wieder an der Regierung beteiligt werden zu können. Sie führte einen stark personalisierten Wahlkampf, indem sie ihren relativ jungen Spitzenkandidaten, Erich Mende, als Gegenbild zum greisen Adenauer aufbaute. Der Slogan Erich Mende: ein freies Volk braucht Freie Demokraten /FDP wies zudem auf die Notwendigkeit dieser Partei als Korrektiv im Parteiensystem hin.

Die Bundestagswahl 1965 wurde wie die vorausgegangenen Wahlen weder von großen weltpolitischen Ereignissen beeinflußt, noch galt sie als innen-oder außenpolitische Weichenstellung Beherrschendes Wahlkampfthema von SPD, CDU und CSU war die Sicherheit, die sich jedoch auf innen-und gesellschaftspolitische Bereiche wie Gesundheitsversorgung, Verkehrspolitik und Umwelt bezog So lauteten die Slogans der verschiedenen Parteien auch ganz ähnlich. Mit der vertrauten Redewendung Sicher ist sicher warb die SPD um Wähler, und mit Unsere Sicherheit sprachen CDU und CSU eines der Grundbedürfnisse der Wähler an. Die FDP bemühte sich wie immer um das Herausstellen ihrer Existenz und grenzte sich vom Sicherheits-Wahlkampf der großen Parteien ab. Statt dessen nominierte sie neue programmatische Vorstellungen (zum Beispiel die Modifizierung der Hallstein-Doktrin) in ihrem Slogan Weiter auf neuen Wegen /FDP nötiger denn je. Sie richtete sich dabei an Wähler, die politisch interessiert und bereit waren, neue politische Richtungen einzuschlagen. 3. Die späten sechziger Jahre: Aufbruchstimmung Trotz seiner Popularität und anfänglicher wirtschaftlicher Erfolge scheiterte die Kanzlerschaft Ludwig Erhards. Nach seinem Rücktritt im November 1966 stand der Bildung einer Großen Koalition zwischen CDU und SPD, die bereits im Wahljahr 1965 diskutiert worden war, nichts mehr im Wege. Als Nachfolger von Erhard wurde im Dezember Kurt Georg Kiesinger zum Bundeskanzler gewählt Die Dauer der Großen Koalition war durch innenpolitisch stürmische Jahre gekennzeichnet: Mitte der Sechziger erstarkte die NPD, 1968 wurde die DKP gegründet. Als Reaktion auf die große Koalition entstand 1967 die Außerparlamentarische Opposition (APO), die sich gegen jede Form von Unfreiheit, Unterdrückung, Hierarchie und Autorität, gegen das „Establishment“ und „faschistoide“ Strukturen im Staatssystem richtete Der APO gelang es, einen politischen und kulturellen Wandel in Gang zu bringen, der mehr und mehr auch breite Schichten der Öffentlichkeit ergriff und dort die Bereitschaft förderte, etwas Neues zu wagen

Die Parteien reagierten unterschiedlich auf die Ereignisse dieser Jahre. Die SPD erkannte schnell, daß eine politische Neuorientierung dem Bewußtseinsprozeß in der Bevölkerung folgen müsse. Mit dem Slogan Wir schaffen das moderne Deutschland. SPD /Wir haben die richtigen Männer versuchte sie, sich als einzige moderne, reformwillige und handlungsfähige Partei herauszustellen. Mit dem Ausdruck das moderne Deutschland wurde die Vorstellung eines zeitgemäßen und reformierten Staates nominiert.

Eher zögerlich verliefen die Reformbemühungen der CDU. Zwar hatte sie auf dem Berliner Parteitag 1968 ein neues Aktionsprogramm präsentiert, das aktuelle Themen wie Mitbestimmung und Bildungsreform behandelte; dies führte aber trotzdem nicht zu konkreten Reformvorschlägen CDU /Sicher in die 70er Jahre lautete eher verhalten einer ihrer Slogans, der nach wie vor das Schutz-und Sicherheitsbedürfnis der Wähler statt ihren Fortschrittswillen ansprechen sollte. Das Fortschrittsverständnis der CSU basierte auf dem Grundsatzprogramm der Partei von 1968. Darin bekannte sich die CSU zum Konservativismus, um „die Lebendigkeit europäischen Geistes für die Zukunft zu erschließen“ Darauf nahmen ihre Slogans von 1969 Bezug, wie zum Beispiel CSU /modern denken /entschlossen handeln /besser leben.

In einem generellen Erneuerungsprozeß befand sich die FDP zum Zeitpunkt der Wahl. Auf Betreiben des linken Parteiflügels leitete die Partei mit dem Hannoverschen Aktionsprogramm einen neuen Kurs ein, der aktuelle Fragen der Demokratisierung von Staat und Gesellschaft, der Hochschul-, Bildungs-und Wirtschaftspolitik, aber auch deutschland-und ostpolitische Fragen betraf. Dabei konnten eher Brücken zur SPD als zur CDU geschlagen werden Die Slogans der FDP waren deutlich von diesem Modemisierungsprozeß gekennzeichnet, zumal aus werbestrategischen Gründen (Abgrenzung gegenüber anderen Parteien, Signal der Neuorientierung) die Schreibung des Parteisignets in F. D. P. geändert wurde: F. D. P. /Wir schaffen die alten Zöpfe ab! 4. Die siebziger Jahre: Konfrontationen Mit dem Beginn der Regierung Brandt/Scheel kam es zwischen 1970 und 1973 zu einer entscheidenden Wende in der Ost-und Deutschlandpolitik. Beständige Verhandlungen ermöglichten den Abschluß von Verträgen, die zu einer Annäherung der Staaten, zur Normalisierung ihrer Verhältnisse und damit zur Entspannung in Deutschland beitrugen. Wurde diese Politik im westlichen und östlichen Ausland positiv bewertet, so führte sie in der Bundesrepublik zu einer Polarisierung zwischen Regierung und Opposition, die die Ostverträge nur teilweise anerkennen wollte Diese Polarisierung wurde auch im Wahlkampf 1972 deutlich: Als Gegnerin der Ostpolitik agierte die CDU in diesem Wahlkampf mit einem Provokationsslogan, der an die Kommunismusangst der fünfziger Jahre erinnerte: The Daily Telegraph schreibt „Moscow votes for Brandt“ /auf gut deutsch /Moskau wählt Brandt /... und Sie? Mit der direkten Frage sollte an das Verantwortungsbewußtsein der Wähler appelliert werden. Kommunismus sowjetischer Prägung wurde darin mit dem Ausdruck Moscow/Moskau nominiert. Um ihren eigenen Zielvorstellungen Glaubwürdigkeit zu verleihen, zitierte die CDU dabei eine vermeintliche Autorität des Auslands in Originalsprache.

Das positive Bild des Auslands vom deutschen Bundeskanzler, dessen Ansehen mit der Verleihung des Friedensnobelpreises Ende 1971 einen Höhepunkt erreichte, beeinflußte auch die öffentliche Meinung in der Bundesrepublik. In einem ihrer Slogans gelang es der SPD, ihre Wähler an diesem staatsmännischen Ansehen Brandts teilhaben zu lassen und an das Nationalbewußtsein zu appellieren: Deutsche /Wir können stolz sein aufunser Land. Wählt Willy Brandt /SPD /Sozialdemokraten. Allgemein, auch von der gegneri-sehen Seite, wurden diesem Slogan Genialität und durchschlagende Wirkung bescheinigt

Die CSU betonte -wie in den Wahlkämpfen zuvor -ihre Funktion als Gesandtschaft Bayerns in Bonn. Wissen und Tatkraft /Bayern für Deutschland /CSU lautete ein Slogan, in dem der CSU erstrebenswerte Eigenschaften zugeschrieben wurden. Als ein Vertreter bayerischer Interessen wurde zudem Franz Josef Strauß auf dem Wahl-plakat gezeigt.

Angesichts der Polarität zwischen der CDU und SPD verfolgte die FDP die bekannte Linie, Vernunft und Einsicht zu betonen, Sachlichkeit zu wahren und auf zu starke Gefühlsbetonung zu verzichten: F. D. P. /Laßt Vernunft walten hieß ein Slogan, der -gemäß den „Freiburger Thesen“ (Parteiprogramm von 1971) -„eine Alternative für den mündigen, zur Aufklärung bereiten Bürger“ aufzeigen sollte.

Als „themenloses Personalplebiszit in vergifteter Atmosphäre“ wurde der Wahlkampf 1976 charakterisiert Die Konfrontationsstrategien der Unionsparteien wurden auch in ihren Slogans deutlich. Analog zu ähnlichen Aussagen in den fünfziger Jahren unternahmen sie den Versuch, eine Verbindung zwischen dem Sozialismus in den Ostblockstaaten und der sozialdemokratischen Politik in der Bundesrepublik herzustellen Aus Liebe zu Deutschland: Freiheit statt Sozialismus /CDU /sicher /sozial und frei warb die CDU. CSU /1976 /Deutschland vor der Entscheidung /Freiheit oder Sozialismus hieß es bei der CSU. Während im CDU-Slogan impliziert wurde, daß die CDU als Freiheitsgarant die einzige Alternative zu einer bereits bestehenden, vermeintlich sozialistisch geprägten Regierung sei, wurde im Slogan der CSU eine Entscheidungsmöglichkeit zwischen zwei politischen Zielvorstellungen festgestellt. Die Absicht, die SPD zu diffamieren, war jedoch bei beiden Slogans gleich. Erstmals trat die CDU mit einem verlängerten Parteisignet (CDU /sicher /sozial , und frei) auf, das sich langfristig bei den Wählern einprägen sollte.

Die SPD setzte diesen Angriffen zumindest in den Wahlslogans nichts entgegen. Sie betonte ihre Vorstellungen von einem Modell Deutschland und stellte vor allem die Person von Bundeskanzler Helmut Schmidt in den Mittelpunkt: Der bessere Mann muß Kanzler bleiben: Helmut Schmidt. Deshalb SPD. Die SPD wollte von Schmidts „Charisma des Krisenmanagers“ profitieren. Nachdem Willy Brandt wegen der Guillaume-Affäre zurückgetreten war und die wirtschaftlichen Probleme (Ölkrise, stagnierende Wachstumsraten, Staatsverschuldung und Arbeitslosigkeit) immer stärker Zunahmen, hatte sich die Stimmung in der Öffentlichkeit gewandelt. Daher sollte dem Wähler in diesem Slogan eine Identifizierungsmöglichkeit mit dem Bundeskanzler geboten werden.

Die FDP versuchte sich 1976 vom polarisierenden Wahlkampf der großen Parteien abzugrenzen. Ihre Konzeption beruhte auf einer „Strategie der Eigenständigkeit“ Mit dem Slogan Leistung wählen /F. D. P. Die Liberalen wollte sie zum einen die Vernunft der Wähler betonen und sich zum anderen gleichzeitig als „Hüterin sachbezogener Politik in der Bundesrepublik“ profilieren.

Die Härte des vorausgegangenen Wahlkampfes setzte sich 1980 fort. Dazu hatte nicht zuletzt die Personalentscheidung der CDU beigetragen. Schon sehr früh, aber nach heftigen, öffentlich ausgetragenen Querelen nominierte sie den CSU-Vorsitzenden Franz Josef Strauß zum Kanzler-kandidaten, der außerhalb Bayerns auf große Antipathien stieß. Im Wahlkampf nahmen die Mobilisierungswellen gegen Franz Josef Strauß durch Aktionen von Künstlern, Intellektuellen und Gewerkschaften ungeahnt heftige Ausmaße an Diese Ablehnung kam auch auf einem FDP-Wahlplakat zum Ausdruck, nicht zuletzt wegen eines seit Jahren währenden Streits zwischen der FDP und Franz Josef Strauß: Diesmal geht’s ums Ganze /Für die Regierung Schmidt! Genscher, gegen Alleinherrschaft einer Partei, gegen Strauß. Diesmal F. D. P. Die Liberalen. Die FDP profilierte sich hier als „Ausweichmöglichkeit“ für Schmidt-Wähler, die sich von der SPD distanzieren und eine Einparteienregierung verhindern wollten, und für CDU-Wähler, die Strauß als Kanzler ablehnten

Das „Duell der Giganten“ zwischen Schmidt und Strauß war Gegenstand einiger Slogans. Die SPD unterstrich Prestige und Autorität des Bundeskanzlers und ließ ihn direkt zu den Wählern spre­ chen: Bundeskanzler Helmut Schmidt: Sie können etwas für Ihr Land tun. Geben Sie Ihre Stimme meiner Partei. SPD. Trotz oder gerade wegen der öffentlichen Diskussionen um seine Kandidatur wurde Franz Josef Strauß in den Slogans von CDU und CSU als Retter der Nation herausgestellt. Franz Josef Strauß /Kanzler für Frieden und Freiheit warb die CDU. Die CSU verband ihre Personalisierungsstrategie mit Angriffen auf die SPD: Strauß wählen /Den Sozialismus stoppen /Am 5. Oktober beide Stimmen für die CSU. 5. Die achtziger Jahre: nach dem politischen Wechsel Der Wahlsieg der sozialliberalen Koalition konnte nur kurze Zeit über die wirtschafts-und sozialpolitischen Differenzen zwischen SPD und FDP hinwegtäuschen. Bei den Beratungen über den Bundeshaushalt 1982 im Sommer 1981 erreichten diese ihren ersten Höhepunkt. Trotz kurzzeitiger Verbesserung des Koalitionsklimas nach der positiv beantworteten Vertrauensfrage im Februar 1982 nahmen die Spannungen in der Koalition wieder zu. Die wirtschaftspolitischen Diskrepanzen hatten sich weiter verschärft. Im September 1982 erklärten vier FDP-Minister ihren Rücktritt und beendeten so das Regierungsbündnis

Nicht zuletzt wegen der Bundesverfassungsgerichtsentscheidung vom 13. Februar 1983 stand der Wahlkampf für die Bundestagswahl am 6. März 1983 ganz unter dem Eindruck des vorausgegangenen Regierungswechsels. Vor allem die Wahlslogans der Union waren davon geprägt. Sie bewerteten den Wechsel als Neubeginn, machten den Wählern Hoffnung, versprachen Zuversicht und die Lösung anstehender Probleme, wie zum Beispiel das der anhaltend hohen Arbeitslosigkeit. Der SPD wurde die Schuld für die schlechte Situation zugesprochen: Arbeitslosigkeit, Schulden, Pleiten /Nicht wieder SPD! /Arbeit, Frieden, Zukunft /Miteinander schaffen wir’s /CDU /sicher /sozial und frei.

Voller Optimismus waren die Slogans der CSU: Hoffnung für Deutschland I CSU I Beide Stimmen oder Lichtblick /6. März /CSU. Angesichts der Aufbruchstimmung in den Unionsslogans war der SPD-Slogan SPD /Im deutschen Interesse dagegen blaß. Auch die Personalisierungsstrategie für den eher bieder wirkenden Hans-Jochen Vogel als Nachfolger von Helmut Schmidt klang wenig überzeugend: Deutschland braucht wieder einen Bundeskanzler, der es packt. Hans-Jochen Vogel.Der FDP ging es im Wahlkampf darum, ihren „Verrätermakel“ wegen des vorausgegangenen Koalitionsbruchs loszuwerden und ihre Entscheidung mit dem Slogan Freiheit braucht Mut. /Deshalb F. D. P. /Die Liberalen zu rechtfertigen.

Die künftige Entwicklung und die Erwartungen an die Zukunft spielten im Wahlkampf 1987 in den Slogans aller Parteien eine wichtige Rolle. Dabei zeichneten die Volksparteien völlig unterschiedliche Zukunftsbilder. Die SPD nominierte in einer Vielfalt von Slogans aktuelle Probleme (Damit unsere Kinder leben können: Umweltsünder hart packen. /SPD oder SPD /Mehrheit für gerechte Steuern) und betonte die Notwendigkeit von deren Lösung. Zuversicht und positives Zukunftsdenken verhieß stark mobilisierend der CDU-Slogan: Weiter so, Deutschland /CDU /Die Zukunft. Die CSU präsentierte ebenfalls „Zukunftsslogans“ und verfolgte gleichzeitig in gewohnter Weise ihren Vertretungsanspruch bayerischer Interessen in der Bundespolitik: Danke /Ihr Vertrauen ist uns Auftrag für Bayern und Deutschland /CSU. Besonders leistungsorientiert zeigte sich die FDP mit dem Slogan Zukunft durch Leistung. 6. Die neunziger Jahre: gesamtdeutsche Wahlkämpfe Nach der Öffnung der Mauer am 9. November 1989, der Wirtschafts-, Währungs-und Sozialunion am 1. Juli 1990 und der Wiedervereinigung beider deutscher Staaten am 3. Oktober 1990 gab es im Wahlkampf zur ersten gesamtdeutschen Wahl nach 58 Jahren nur ein Thema, das alle anderen an den Rand drängte: die deutsche Einheit. Vor allem die CDU stellte dieses Thema heraus, um ihren Vorteil als handelnde Regierungspartei auszunutzen. Sie warb mit Ja zu Deutschland /Ja zur Zukunft /Gemeinsam schaffen wir’s /CDU /Freiheit /Wohlstand /Sicherheit. Auch die Slogans der CSU hatten optimistischen und bejahenden Charakter, wenngleich darin die Eigenständigkeit der bayerischen Partei betont wurde: Bayern stark für Deutschland /CSU 12. Dezember /Bayerisch wählen.

Die FDP setzte im Wahlkampf 1990 ganz auf Hans-Dietrich Genscher, der großes Ansehen genoß. In ihrem Slogan Genscher wählen. F. D. P. wählen /F. D. P. /Die Liberalen /Das liberale Deutschland setzte die FDP den Außenminister mit der gesamten Partei gleich, um von dessen Popularität zu profitieren. Hauptanliegen der FDP war es, eine zu starke Union zu verhindern, die auf sie als Koalitionspartner hätte verzichten können Die SPD -und vor allem ihr Spitzenkandidat Oskar Lafontaine -hatte sich mit der Frage der deutschen Wiedervereinigung schwer getan Bei Wahlkampfauftritten, besonders in Ostdeutschland, demonstrierte Oskar Lafontaine Skepsis statt Optimismus. In den Wahlslogans wurde die Wiedervereinigung so gut wie nicht thematisiert. Statt dessen wurde die Wahlkampfkonzeption auf Oskar Lanfontaine als Repräsentanten des (westdeutschen) Lebensgefühls der neunziger Jahre aufgebaut In dem SPD-Slogan Oskar Lafontaine /Der Neue Weg /SPD /Ökologisch, sozial, wirtschaftlich stark wurden zudem mit dem Ausdruck Der Neue Weg die programmatischen Vorstellungen des Berliner Programms von 1989 nominiert. Darin war der „Demokratische Sozialismus“ erneut festgeschrieben worden.

An die Stelle der Einheits-Begeisterung von 1990 war im Superwahljahr 1994 eine realistische Sichtweise wenn nicht sogar Ernüchterung getreten. Die wirtschaftliche Rezession war trotz prognostizierter Erholung immer noch spürbar, die Zahl der Arbeitslosen lag weiterhin auf hohem Niveau, und die Wähler klagten über Abgaben und Steuern.

Doch trotz wirtschaftlicher Fragen und Probleme ging es den Parteien zumindest auf den Wahlplakaten eher darum, sich zu profilieren und vor allem -angesichts der anhaltenden Politikverdrossenheit, die sich in niedrigen Wahlbeteiligungen niedergeschlagen hatte -die Wähler zur Wahl zu mobilisieren. Als notwendige Alternative zur bestehenden Regierung präsentierte sich die SPD. Ihr optimistisch klingender Slogan Freu’ Dich auf den Wechsel, Deutschland /SPD suggerierte, daß dieser Wechsel nicht nur möglich, sondern auch sicher sei.

Auch die CDU gab sich optimistisch und stellte ihre Regierungskompetenz und Erfahrung heraus. Damit es weiter aufwärts geht /CDU /Sicher in die Zukunft verwies nicht nur auf die Regierungskontinuität dieser Partei, sondern implizierte auch, daß die wirtschaftliche Talsohle bereits durchschritten sei.

Als purer Überlebenskampf mutete dagegen der FDP-Wahlslogan in diesem Bundestagswahlkampf an: Diesmal geht’s um alles. F. D. P. /Die Liberalen. Die FDP verzichtete darauf, sich als Wirtschaftspartei zu profilieren. Statt dessen betonte die Sloganaussage die Dringlichkeit, FDP zu wählen, um das politische Überleben der Partei zu sichern. Nach den Wahlschlappen bei verschiedenen Landtagswahlen und bei der Europa-Wahl, bei denen die FDP unter die 5-Prozent-Grenze fiel und daher nicht mehr in den Parlamenten vertreten ist, mehrten sich in der Öffentlichkeit die Diskussionen, ob die FDP bei der Bundestagswahl den Einzug ins Parlament schaffen werde.

Im Vordergrund der CSU-Wahlkampfstrategie stand der Kampf gegen die politische Linke. Zwar stellte sich die CSU in ihrem Wahlslogan selbst als Freiheitsgarant dar, doch mit der Aussage Freiheit statt Volksfront I CSU I Für Bayern wählen, die schon zur Landtagswahl im September plakatiert worden war, knüpfte die CSU vor allem an die polarisierenden Wahlkampfmuster von 1976 und 1980 an. Ihre politischen Gegner (PDS, SPD -generell linke Gruppen) und mögliche Koalitionen dieser wurden von der CSU mit dem allgemein negativ belegten Ausdruck Volksfront tituliert. Dabei nahm die CSU auf die von der PDS geduldete Minderheitsregierung von SPD und Bündnis 90/Die Grünen in Sachsen-Anhalt Bezug und führte mit dem „Volksfrontslogan“ die im Sommer 1994 vieldiskutierte sogenannte „Rote-Socken-Kampagne“ der Unionsparteien fort.

III. Fazit: Wahlslogans sind besser als ihr Ruf

Natürlich lassen sich mit Wahlslogans allein keine Wahlen gewinnen, und es wäre naiv, Wahlslogans mit Wahlergebnissen in Verbindung zu bringen. Ob und inwiefern ein Slogan für die Wahlentscheidung zugunsten einer Partei tatsächlich ausschlaggebend war, ist bislang nicht untersucht worden. Insofern sollte der Slogan in seiner Wirkungsweise nicht überschätzt werden. Das gleiche gilt für seine werbende Funktion. Schließlich ist er neben TV-Spots, Anzeigen oder Wahlreden nur ein Bestandteil einer ganzen Werbekampagne. Und diese ist dann erfolgreich, wenn das gesamte Erscheinungsbild der Partei stimmig ist und nicht nur deren Slogan.

Dennoch ist der Slogan in der Einschätzung der Wahlkämpfer ein Synonym für das, worüber im Wahlkampf kommuniziert wird. Und eine wichtige Rolle spielt der Wahlslogan auch als zeitgeschichtliches Zeugnis. So kann er zu einem Symbol seiner Zeit werden, wenn er das, was die Parteien und/oder die Öffentlichkeit bewegt, im Sinne der Realitätsverdichtung zusammenfaßt und in kurzer Form wiedergibt. Er kann aber auch zu einem Symptom seiner Zeit werden, wenn dies den Parteien nicht mehr gelingt. Dann ist er Indiz für politisches Unvermögen. Auch wenn sie weiterhin umstritten bleiben und über ihr Gefallen und Nicht-Gefallen diskutiert wird, haben Wahlslogans -das hat dieser Überblick gezeigt -mehr zu bieten, als ihnen zugetraut wird. Sie sind besser als ihr Ruf.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. Peter Radunski, Wahlkämpfe. Moderne Wahl-kampfführung als politische Kommunikation, München u. a. 1980, S. 100.

  2. Vgl. Werner Wolf, Die Entstehung des Slogans der hessischen CDU zur Landtagswahl 1974, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen, (1978) 3, S. 316.

  3. Vgl. zu den Sloganfunktionen Robert E. Denton jr., The Rhetorical Functions of Slogans: Classification and Characteristics, in: Communication Quarterly, (1980) 2, S. 13 ff.

  4. Als jüngeres Beispiel vgl. Peter Zolling, Dummheiten zur Erinnerung. Den mündigen Bürger erwarten platte Parolen, in: Spiegel Spezial, Super-Wahljahr '94, S. 124ff.

  5. Vgl. Monika Toman-Banke, Die Wahlslogans der Bundestagswahlen 1949 bis 1990. Eine linguistische Untersuchung, Dissertation, Mainz 1994 (noch nicht veröffentlicht), S. l.

  6. Vgl. Wolfgang Bergsdorf, Herrschaft und Sprache. Studie zur politischen Terminologie der Bundesrepublik Deutschland, Pfullingen 1983, S. 126.

  7. Vgl. Wolfgang Benz, Das Ende der Besatzung, in: Theodor Eschenburg (Hrsg.), Jahre der Besatzung 1945-1949, Stuttgart u. a. 1983 (= Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 1), S. 525ff.

  8. Bei der Nennung der Slogans wird weitgehend der Originalschreibweise auf dem Wahlplakat gefolgt, Satzzeichen werden gegebenenfalls angeglichen oder Schrägstriche zur Kenntlichmachung von Sinneinheiten eingefügt.

  9. Vgl. Siegfried Heimann, Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands, in: Richard Stöss (Hrsg.), Parteienhandbuch. Die Parteien der Bundesrepublik Deutschland 1945-1980, Sonderausgabe, Opladen 1986, S. 2051.

  10. Vgl. Gerold Ambrosius, Das Wirtschaftssystem, in: Wolfgang Benz (Hrsg.), Die Bundesrepublik Deutschland, Geschichte in drei Bänden, Band 1: Politik, Frankfurt a. M. 1983, S. 273.

  11. Unter dem Begriff Nomination wird hier die Benennung der Abbilder von Erscheinungen und Sachverhalten der realen Welt und ihre gleichzeitige Wertung verstanden. Vgl. Cordula Krahl/Manfred Schentke/Barbara Hansen, Zur Nomination in politischen Texten der modernen englischen Presse. Ein Beitrag zum Gebrauch von Lexembedeutungen, Berlin (Ost) 1986 (= Linguistische Studien. Reihe A. 141), S. 17.

  12. Vgl. S. Heimann (Anm. 9), S. 205; Ute Schmidt, Die Christliche Union Deutschlands, in: R. Stöss (Anm. 9), S. 503.

  13. Vgl. S. Heimann (Anm. 9), S; 2048.

  14. Vgl. U. Schmidt (Anm. 12), S. 502.

  15. Vgl. Alf Mintzel, Die Christlich-Soziale Union in Bayern e. V., in: R. Stöss (Anm. 9), S. 681 ff.

  16. Vgl. Hermann Glaser, Kleine Kulturgeschichte der Bundesrepublik Deutschland 1945-1989, Bonn 19912, S. 13.

  17. Vgl. Jürgen Dittberner, Die Freie Demokratische Partei, in: R. Stöss (Anm. 9), S. 1336.

  18. Vgl. Wolfgang Benz, Die Bundesrepublik Deutschland 1949-1989, in: Werner Weidenfeld/Hartmut Zimmermann (Hrsg.): Deutschland-Handbuch. Eine doppelte Bilanz 1949-1989, Bonn 1989 (= Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung, Bd. 275, Studien zur Geschichte und Politik, S. 53.

  19. Vgl. Hans-Peter Schwarz, Die Ära Adenauer. Gründer-jahre der Republik 1949-1957, Stuttgart u. a. 1981 (= Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 3), S. 194.

  20. Vgl. H. -P. Schwarz (Anm. 19), S. 336.

  21. Vgl. J. Dittberner (Anm. 17), S. 1326.

  22. Vgl. H. -P. Schwarz (Anm. 19), S. 367f.

  23. Vgl. S. Heimann (Anm. 9), S. 2034.

  24. Vgl. ebd., S. 2034ff.

  25. Vgl. U. Schmidt (Anm. 12), S. 509.

  26. Vgl. Erwin Scheuch/Rudolf Wildemann, Der Wahlkampf 1961 im Rückblick, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Sonderheft, (1965), S. 40.

  27. Vgl. J. Dittberner (Anm. 17), S. 1326.

  28. Vgl. Klaus Hildebrand, Von Erhard zur Großen Koalition. 1963-1969, Stuttgart u. a. 1984 (= Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 4), S. 149.

  29. Vgl. ebd., S. 146.

  30. Vgl. Karlheinz Niclauß, Kanzlerdemokratie. Bonner Regierungspraxis von Konrad Adenauer bis Helmut Kohl, Stuttgart u. a. 1988, S. 89.

  31. Vgl. Veit Valentin, Geschichte der Deutschen. Mit einem Abriß zur deutschen Geschichte der Gegenwart von 1945 bis zur Gegenwart, Köln 1979, S. 692.

  32. Vgl. K. Hildebrand (Anm. 28), S. 383.

  33. Vgl. U. Schmidt (Anm. 12), S. 511.

  34. Vgl. A. Mintzel (Anm. 15), S. 674.

  35. Vgl. J. Dittberner (Anm. 17), S. 1330.

  36. Vgl. K. Niclauß (Anm. 30), S. 113ff.

  37. Vgl. W. Wolf (Anm. 2), S. 309.

  38. Vgl. ebd.

  39. Helga Grebing, Die Parteien, in: W. Benz (Anm. 10), S. 170.

  40. Wolfgang Jäger/Werner Link, Republik im Wandel. 1974-1982. Die Ära Schmidt, Stuttgart u. a. 1987 (= Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 5/2), S. 47.

  41. Vgl. K. Niclauß (Anm. 30), S. 182.

  42. Vgl. ebd., S. 161.

  43. Hans-Jürgen Beyer, Der Bundestagswahlkampf 1976 der F. D. P., in: Zeitschrift für Parlamentsfragen, (1979) 1, S. 92.

  44. J. Dittbemer (Anm. 17), S. 1350.

  45. Vgl. W. Jäger/W. Link (Anm. 40), S. 170.

  46. Vgl. K. Niclauß (Anm. 30), S. 189.

  47. Vgl. ebd., S. 204ff.

  48. Vgl. Charima Reinhardt, Vom Heimspiel im „GenscherLand“ zum sauren Apfelwein, in: Frankfurter Rundschau vom 20. November 1990, S. 7.

  49. Vgl. Hans-Ulrich Kempski, Ich werde das sportlich verkraften, in: Süddeutsche Zeitung vom 27. November 1990, S. 3.

  50. Vgl. Norbert Bicher, Der Kampf der ungleichen Populisten, in: Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt vom 23. November 1990, S. 3.

  51. Vorstand der SPD, Referat für Öffentlichkeitsarbeit (Hrsg.), Grundsatzprogramm der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, Bonn 1989, S. 9f.

  52. Zu weiteren Ausführungen über Slogans vgl. M. Toman-Banke (Anm. 5).

Weitere Inhalte

Monika Toman-Banke, M. A., geb. 1963; Studium der Germanistik, Volkswirtschaftslehre und Politikwissenschaft an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz; Redakteurin für Öffentlichkeitsarbeit beim Schwäbischen Tagblatt in Tübingen. Neben zahlreichen journalistischen Veröffentlichungen verschiedene Rezensionen zum Thema „Politik und Sprache“ in: Muttersprache, Vierteljahresschrift für deutsche Sprache, hrsg. von der Gesellschaft für deutsche Sprache, Wiesbaden.