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Die Einheit der Nation im Geschichtsbild der DDR | APuZ 32-33/1983 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 32-33/1983 Die Einheit der Nation im Geschichtsbild der DDR Westliche UdSSR-Bilder nach 1945 Das Deutschlandbild in französischen Schulbüchern. Vom „Allemagne double" zum „juste milieu"? Englische und deutsche Schulgeschichtsbücher im Vergleich. Wahrnehmungsmuster und Urteilsstrukturen in den Darstellungen der Geschichte beider Länder

Die Einheit der Nation im Geschichtsbild der DDR

Karl-Ernst Jeismann

/ 36 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Der Aufsatz versucht, vornehmlich anhand der Geschichtsbücher und der Lehrpläne für den Geschichtsunterricht in der DDR und der diese Materialien steuernden Interpretationen Grundzüge des offiziell gewünschten Geschichtsbildes der DDR zu skizzieren, wie es sich im Zusammenhang mit der Behandlung der Frage der deutschen Einheit entwickelt hat. Eine Analyse des Materials läßt deutlich Konstanten wie Variablen dieser Entwicklung hervortreten. Konstant blieben im Verlaufe der Jahre die quantitative und qualitative Dominanz der „Deutschen Frage" und ihrer Behandlung, der enge Anschluß der Geschichte und Gegenwart der DDR an das sozialistische Staatensystem und die Einbettung der deutschen Nationalgeschichte in die welthistorische Gesamtlinie des Histomat. Variabel sind die konkreten Akzentsetzungen der Deutschen Frage und die deutenden und wertenden Zugriffe auf die nationale Geschichte. Die Postulate eines unteilbaren, antifaschistischen, demokratischen Deutschlands, des Aus-und Aufbaus der DDR als des „sozialistischen Bollwerks“ gegen den „Imperialismus", die Interpretation der DDR als des Kernstaats der künftigen deutschen Einheit und schließlich, als Wendung interpretiert, aber in den früheren Stufen vorbereitet, die Aufkündigung der Einheit der deutschen Nation bezeichnen im Nacheinander die verschiedenen Phasen der Interpretation des Deutschlandbildes. Ihnen entsprechen veränderte Zugriffe auf die Nationalgeschichte. Je stärker die DDR ihre Eigenständigkeit bis zur Aufkündigung der nationalen Gemeinsamkeit mit der Bundesrepublik betont, um so umfassender werden Anspruch und Zugriff auf die gesamte deutsche Nationalgeschichte. Die Frage, ob die jeweils unterschiedlich akzentuierten und schließlich bis zur Negation gehenden Interpretationen der deutschen Einheit ernst gemeinte, wirkliche politische Zielsetzungen der DDR-Führung oder nur nach innen gerichtete instrumentale Legitimationsfiguren waren, läßt sich allgemein nur schwer entscheiden, wenngleich die Art des Umgangs mit nationaler Geschichte und Gegenwart ein manipulatorisches Manövrieren zeigt und damit nahelegt, eher einen instrumentellen Charakter der Aussagen zur Deutschen Frage und zur deutschen Geschichte anzunehmen.

I. Die deutsche Einheit — politisches Ziel oder taktisches Spiel der DDR-Politik?

„Was ist des Deutschen Vaterland?“ — diese Frage gewinnt offensichtlich im politischen Bewußtsein innerhalb der Bundesrepublik wieder an Gewicht und an Schärfe. Die Auseinandersetzungen um die „Lage der Nation" in der Gegenwart, um ihre Entwicklung in der Zukunft und also auch um die Deutung ihrer Vergangenheit sind auf dem besten Wege, wieder zum „großen Thema“ der politischen Publizistik und der Geschichtsschreibung zu werden *).

Der in vielen Facetten und Kontroversen schillernden Auseinandersetzung um die „Deutsche Frage“ in der Bundesrepublik soll im folgenden eine Skizze zur Seite gestellt werden, die den Umgang mit dem Begriff der deutschen Nation und dem Bild der National-geschichte im Unterricht der DDR während der letzten 30 Jahre in knappen Strichen andeutet. Da dem Geschichtsunterricht in der DDR eine außerordentlich hohe politische Bedeutung zugemessen wird, zeigen die ihm zugrundeliegenden Bücher und methodischen Anweisungen in einer vereinfachten, holzschnittartigen Form die Grundlinien des politisch-historischen Selbstverständnisses, wie Partei-und Staatsführung sie als gültig verbreitet sehen möchten.

In einer frappierenden Kehrtwendung hat die SED auf dem VIII. Parteitag im Juni 1971 die Einheit der deutschen Nation aufgekündigt Der Artikel der Verfassung von 1968, der die DDR als „sozialistischen Staat deutscher Nation" bezeichnete, wurde abgeschafft, das Wiedervereinigungspostulat im Art. 8 ersatz-los gestrichen, die Wahrung der „Lebensinteressen der Nation“ als Erklärung aus der Präambel der Verfassung entfernt. Der Text der Nationalhymne — „Deutschland, einig Vaterland“ — wird nicht mehr gesungen; sie wird nur noch intoniert. So hat die DDR gleichsam die Leinwand zerrissen, die bis dahin das eine Bild der deutschen Nation zusammengehalten hat Hat sie es wirklich und unwiderruflich? Kurt Hager, Mitglied des Politbüros und Sekretär des ZK der SED, formulierte im Dezember 1982 einen bemerkenswerten Satz: „Auch im Geburtsland von Karl Marx und Friedrich Engels hat der Sozialismus gesiegt" 1). Er tauscht das bis dahin unbedenklich gebrauchte Wort „Vaterland" aus — aber auch mit dem Begriff „Geburtsland” hielt er in dieser Verbindung Deutschland als Einheit fest. Denn Trier und Wuppertal, das Erzbistum oder das Bergische Land können nicht gemeint sein, ebensowenig Preußen und noch weniger die Bundesrepublik; der Satz ergibt nur Sinn, wenn Deutschland als Ganzes begrifflich und gedanklich festgehalten wird.

Die Zurechnung von Marx und Engels zu „unserem Volk" kann nur eine Zurechnung zum gesamten deutschen Volk, nicht zu einer separatistischen „Klassennation" sein. Liegt hier ein Widerspruch zur Deklaration der „sozialistischen Nation", deren Deutschtum nur noch eine Nationalitätenbestimmung ist?

Die DDR-Führung leistet sich keinen unbefangenen oder gar laxen Umgang mit Begriffen. Hagers Formulierung ist im eigenen Verständnis durchaus kein Widerspruch zur Auf-kündigung der Gemeinsamkeit der deutschen Nation vom Jahre 1971. Sie ist dagegen ein Hinweis auf den neuen Anspruch dieser sozialistischen Nation auf die nationale Geschichte. Hatte die DDR sich in den vorhergehenden Jahrzehnten historisch durch scharfe Betonung der sozialistischen und kommunistischen Vorläufer ihrer eigenen Programmatik auf einen streng selektierten Teil der deutschen Geschichte berufen, so nimmt sie jetzt als „historisches Erbe und Tradition“ die gesamte deutsche Geschichte in Anspruch und betrachtet sich als „deren Ergebnis“. Also gehören geographisch gesehen Trier und Wuppertal wie Königsberg und Breslau oder Salzburg und Straßburg zum historischen Erbe und zur Geschichte der DDR. Aber nicht nur geographisch, sondern auch vom Klassenstandpunkt beschränkt sich die DDR nicht mehr auf die bislang bekannte Selektion. Die Rückführung des Denkmals Friedrichs des Großen an seine alte Stelle, die Rehabilitierung, mehr noch, die nationalbetonte Aufwertung Luthers zeigen das deutlich Man steht am Anfang einer historischen Neuorientierung, deren Ergebnis und Ende noch manche Überraschungen bringen kann.

Probleme zeigen sich jetzt schon. Eine Nation erkennt sich als eine gewordene Identität, die sich von anderen unterscheidet, in ihrer Geschichte. Bezieht sich nun die DDR auf die gesamte deutsche Nationalgeschichte, „an der wir ... als Deutsche unseren Anteil haben“, ist Sie durch die Nationalgeschichte — sieht man von den vergangenen 30 Jahren ab — von der Bundesrepublik nicht mehr unterscheidbar. Da hilft auch nicht die Lösung des Dilemmas, die Walter Schmidt, der Theoretiker des „Geschichtsbewußtseins" in der DDR, anbietet. Er stellt fest, daß nur gemeinsam erlebte Geschichte die Generation der Mitlebenden national zusammenbinde-, vergangene Geschichte hingegen sei immer über ein Geschichtsbild vermittelt und nur in dieser Vermittlung ein Integrationsfaktor. Die Vermittlung des Geschichtsbildes aber ist standortgebunden. Notwendig werde also eine deutsche Nationalgeschichte, geschrieben vom Boden der DDR, die ein anderes Geschichtsbild vermitteln könnte, wenngleich es sich auf dieselbe objektive Grundlage der Vergangenheitsüberlieferung stütze. So wie zwei Nationen entstanden seien, würden auch zwei Nationalgeschichten entstehen. „Die gleiche Geschichte bedeutet eben nicht dasselbe, wenn sie von verschiedenen Menschen unter verschiedenen gesellschaftlichen und staatlichen Bedingungen betrachtet und angeeignet wird.“

Diese Argumentation leuchtet nur auf den allerersten Blick ein. Bei genauerem Hinsehen auf die „Nationalgeschichte" wird jedoch deutlich, daß es sie in dem monolithischen Sinne, den Schmidt mit den Begriffen einer „Sozialistischen Nationalgeschichte" versus „Kapitalistische Nationalgeschichte" unterstellt, nie gegeben hat und bis heute nicht gibt. Dies gilt zunächst für sehr unterschiedliche, gleichzeitige Standorte und Wertungskategorien, von denen aus gesehen Nationalgeschichte immer ein vielfältiges und nicht einheitlich gedeutetes Phänomen bleibt. So räumt Walter Schmidt auch ein: „Niemand in der DDR kommt auf den Gedanken, der sozialistische deutsche Staat habe allein Anspruch auf progressive Tradition deutscher Geschichte.“ Auch fortschrittliche Kräfte der Bundesrepublik beriefen sich „selbstverständlich auf die gleichen progressiven Traditionen, denen die sozialistische DDR verpflichtet ist" So gäbe es, nach Schmidt, schon mindestens drei deutsche Nationalgeschichten: die „sozialistische“, die „bürgerlich-progressive“, die „reaktionäre“. Vielleicht gibt es noch mehr? Dann wäre jener Zustand beschrieben, der längst existiert hat: Das „historische Erbe“ der deutschen Geschichte ist immer schon unterschiedlich ausgelegt worden und läßt sich nicht auf einen polaren Gegensatz reduzieren. Die deutsche Nationalgeschichte bleibt in ihrer vielfältigen, unterschiedlichen und kontroversen Vermittlung eben „gemeinsames Erbe" — wer sich in dieses gesamte Erbe hineinstellt, mag die deutsche Nation definieren wie er will; er entkommt ihr nicht — eine Feststellung, die für die anderen sozialistischen Nationen eine Selbstverständlichkeit ist Nation und Nationalgeschichte sind aber nicht nur in der jeweiligen Gegenwart von unterschiedlichen Erfahrungen, Perspektiven, Wertvorstellungen her unterschiedlich vermittelte Phänomene, ohne darum auseinanderzufallen; sie erscheinen auch im Nacheinander des historischen Prozesses in verschiedenen Beleuchtungen. Diese Veränderung in der Kontinuität ist ein Zeichen ihrer unterschiedlich zu interpretierenden, aber durch Interpretation nicht aufzulösenden Existenz. Der Umgang der offiziellen DDR-Interpretation mit der Frage der Einheit der deutschen Nation bietet selbst ein Exempel für dieses Faktum. Zwar ist die offizielle Interpretation der Deutschen Frage in der DDR zur gleichen Zeit immer von dem Bemühen um einheitliche Sprachregelung geprägt; über Jahrzehnte hinweg zeigt der Wandel dieser Sprachregelung sowohl zur Deutschen Frage insgesamt wie zu einzelnen ihrer Phänomene bemerkenswerte Unterschiede. Mehr noch: Selbst für die Zukunft deutete Erich Honecker eine abermalige Wendung dieser Interpretation an: der Sozialismus werde um die Bundesrepublik keinen Bogen machen — dann stelle sich die Frage der deutschen Einheit wieder neu.

Nationen sind keine Ewigkeitsphänomene; sie entstehen und können sich auflösen — in langfristigen historischen Prozessen, in Jahrhunderten oder im . Jahrtausendbezug" Ihre territoriale, politische, soziale und kulturelle Substanz ist mittelfristig Wandlungen unterworfen.

Ist ihre Existenz aber auch von kurzfristig sich ändernden Interpretationen und Deklarationen abhängig? Oder haben jene Beobachter Recht, die den Aussagen der DDR-Führung zur Nation keinen entsprechenden politischen Inhalt oder Willen zuschreiben, sondern darauf hinweisen, daß diese Interpretationen taktisches Spiel um innenpolitischen Legitimitätsgewinn bedeuten — also nur indirekt und funktional zu verstehen sind?

II. Die Konstanten der Darstellung der „Deutschen Frage“ im Geschichtsunterricht der DDR

Der Versuch einer Antwort auf diese Frage wird eine bemerkenswerte Tatsache nicht übersehen dürfen: ZK-Beschlüsse, Parteitags-und Akademieverlautbarungen, Artikel in methodischen Zeitschriften mit Anweisungscharakter, Lehrpläne, Lehrbücher und „Unterrichtshilfen" legen ein außerordentlich großes Gewicht auf die „Deutsche Frage". Durch die aufgezählten Instanzen und Medien öffentlicher Meinungsbildung geht ein von oben nach unten sich fortsetzender einheitlicher Zug, der lediglich durch den Phasensprung, den die Umsetzungszeit verursacht, gebrochen ist. Die Intensität dieser formierten Meinungsbildung läßt sich an der Quantität ablesen, die in den Abschlußbänden der Bücher für den Geschichtsunterricht der deutschen Geschichte gewidmet wird. Diese Abschlußbände behandeln das 20. Jahrhundert seit 1917, später seit 1945, reservieren im Unterricht also für die allerjüngste Geschichte den Zeitraum eines Jahres und den Umfang von ca. 250 Seiten. Ca. 45 Prozent dieses Umfangs sind der deutschen Geschichte gewidmet — ein krasser Unterschied zu den herkömmlichen Jahresbänden der Geschichtsbücher in der Bundesrepublik; die Quantitäten hielten sich ungeachtet wechselnder Interpretationen, Verschiebung von Schwerpunkten und Veränderung im Schulsystem. Diese Betonung der Nationalgeschichte wird für die Zeit nach 1945 nochmals dadurch verstärkt, daß über drei Viertel dieses Umfangs der Entwicklung in der DDR gewidmet sind.

Wichtiger als die Feststellung der gleichbleibend hohen Quantität ist eine konzeptionelle Kontinuität. Sie läßt sich wiederum quantitativ ausdrücken: Etwa einen gleichgroßen Raum, wie ihn die deutsche Geschichte einnimmt, beansprucht die Geschichte der sozialistischen Staatengemeinschaft. Man kann von einer bipolaren Aufteilung des Buches sprechen: Die beiden großen, einander korrespondierenden Themen sind die Geschichte der DDR und die Geschichte des sozialistischen Weltsystems. Die übrige Geschichte — vornehmlich die Geschichte der imperialistischen Welt — muß sich mit ca. 10 Prozent des Umfanges begnügen.

Obgleich bei genauerer Untersuchung des Inhalts deutliche Akzentverschiebungen in der Betonung der nationalen Geschichte oder der sozialistischen Weltgeschichte festzustellen sind, bleibt doch die Anlage im Prinzip gleich. Man darf ungeachtet inhaltlicher Verschiebungen daraus entnehmen, daß von Anfang an die DDR die deutsche Geschichte in ihrem für sie wesentlichen Teil auf die Geschichte des sozialistischen Weltsystems und seiner Entwicklung bezogen hat und bezieht und sie in diesem Kontext deutet. Anders: Die Geschichte der Nation steht im engsten Zusammenhang mit der Geschichte des Klassenkampfes; die nationale Frage ist im Kern eine soziale Frage; ihre Lösung wird mit der Ausbreitung des sozialistischen Weltsystems eng verknüpft.

Eine weitere Invariante der Präsentation der „Deutschen Frage" im Unterricht ist ihre Einbettung in ein weltgeschichtliches Verlaufs-modell. Die Art, wie dieser Zusammenhang konstruiert wird, wechselt in den verschiedenen Phasen der Interpretation der nationalen Frage; konstant bleibt die Legitimation der Existenz der DDR und einer Lösung der nationalen Frage in ihrem Sinne durch das Konstrukt des historischen Fortschritts. Anders als in der Bundesrepublik hat sich in der DDR die Geschichtsschreibung, und in noch schärferer und elementarer Weise die Schulgeschichtsschreibung, darum bemüht, den eigenen Staat in eine ungebrochene Kontinuität zur Vergangenheit zu setzen und damit zugleich eine sichere Perspektive für die Zukunft zu gewinnen.

Dies ist im Rahmen der herrschenden marxistischen Geschichtsauffassung nicht verwunderlich; die Historizität gehört zum System. Die Herstellung einer positiven Kontinuität aus der deutschen Nationalgeschichte für die DDR gelang zunächst durch die „Halbierung" der deutschen Geschichte. Die eine „Hälfte", die kapitalistische, militaristische, imperialistische, feudalistische schied man aus der Traditionslinie aus; die andere „Hälfte", die radikaldemokratische oder sozialistische der fortschrittlichen Bourgeoisie und vor allem der Arbeiterbewegung und insbesondere der KPD, nahm man für sich allein in Anspruch. Auf diese Weise konnte man einen entlastenden Bogen um die gesamte Geschichte der „herrschenden Klassen" machen, insbesondere um den Nationalsozialismus und die Kaiserzeit. In dieser Sicht war die DDR die aus der Schattenseite der deutschen Geschichte nunmehr ans Licht getretene Verkörperung ihrer „besten Traditionen" -dank des Sieges der Sowjetunion von 1945. So wurden denn auch die beiden Jahreszahlen 1945 und 1949 zu den Höhepunkten der deutschen Geschichte erklärt.

Dieser Vorgang stellt in der gesamthistorischen Philosophie einen notwendigen weltgeschichtlichen Fortschritt dar, auf den nur weitere Fortschritte in die gleiche Richtung folgen können. So legitimiert die Vergangenheit sowohl den gegenwärtigen Zustand wie die Bemühungen der Staatsführung, ihn in die Richtung einer sozialistischen und dereinst kommunistischen Gesellschaft fortzuentwikkeln. Auch wenn sich der Zugriff auf die deutsche Nationalgeschichte veränderte und, wie eingangs angedeutet, von der selektiven Halbierung befreite, blieb die historisch argumentierende Rechtfertigung der Existenz der DDR unverändert. Kritischen Einwänden aus der Bundesrepublik, die dieses starke Bestreben um die Herstellung nationalgeschichtlicher Kontinuitätslinien im weltgeschichtlichen Zusammenhang als Bemühung um die Behebung eines historischen Defizits beurteilten, konnte Kurt Hager gewiß mit voller Überzeugung entgegentreten: „Ich muß sagen, daß wir das angebliche Defizit einer historischen Legitimation unseres Staates in keiner Phase seiner Entwicklung empfunden haben. Die Deutsche Demokratische Republik hat verwirklicht, wofür die Revolutionäre vergangener Zeiten gekämpft haben... Ist das nicht die beste historische Legitimation, die ein Staat haben kann?"

Diesen drei Konstanten des nationalen Geschichtsbildes — die Zuweisung eines dominierenden Platzes der nationalen Frage, die Verbindung der Geschichte und Gegenwart der DDR mit dem sozialistischen Staatensy-stem, die Konstruktion einer nationalgeschichtlichen historischen Kontinuitätslinie mit weltgeschichtlicher Perspektive — sind so evident, daß man in ihnen nicht eine bloß funktional gemeinte Reaktion historisch-politischer Propaganda auf bestimmte und sich ändernde Legitimierungsbedürfnisse erblikken kann. Diese Konstanten bezeichnen vielmehr die Grundlinien des politischen Selbstverständnisses der DDR-Führung. Sie dienen nicht jeweils spezifischer, sondern prinzipieller Rechtfertigung. Keines dieser Elemente könnte die DDR für die Bildung des politischen Selbstverständnisses ohne Gefahr für die ideologische Geschlossenheit aufgeben. Den starken nationalen Akzent braucht sie nicht nur angesichts der üppigen Nationalismen des sozialistischen Lagers; sie braucht ihn auch angesichts der Nachbarschaft zur Bundesrepublik: Solange sie nicht aus der gemeinsamen deutschen Nation ausscheren konnte, mußte sie den nationalen Anspruch auf sich ziehen, um nicht als der kleinere nationale Rest eines künftigen geeinten Deutschlands zu erscheinen; nachdem sie die nationale Gemeinsamkeit gekündigt hat, braucht sie den Rückgriff auf die gesamte Geschichte, um sich als sozialistische Nation von der „kapitalistischen Nation" genetisch und prinzipiell, nicht nur für die Zeitspanne einer Generation, abheben zu können. Die Verbindung der so gesehenen Nationalgeschichte mit dem sozialistischen Staatensystem ist zweifellos eine durch die Machtpolitik diktierte Notwendigkeit; sie gehört aber zugleich zur ideologischen Festigung der SED-Herrschaft, die sich im Willen der eigenen Bevölkerung nicht gesichert weiß. Die Konstruktion eines historischen Gesamtzusammenhanges, innerhalb dessen die DDR im Rahmen des sozialistischen Systems aus der Vergangenheit heraus als der fortschrittliche deutsche Staat der gesamten Nation eine notwendigerweise sozialistische Zukunft bereitet, gehört zur existenznotwendigen Legitimierung aller Maßnahmen, welche die sozialistische Umgestaltung in Gesellschaft, Wirtschaft, Politik, Kultur begründen und die Herrschaft der SED rechtfertigen — das ist die DDR-Variante einer „deutschen Ideologie". Der Nationalismus der DDR beruht also auf einem dichotomischen und einem teleologischen Grundprinzip. Die Dichotomie liegt in der messerscharfen Gegenüberstellung des sozialistischen Staatensystems, in das man die eigene Nationalgeschichte einordnet, und des kapitalistischen oder imperialistischen Systems, das zugleich als antisozialistisch und antinational dargestellt wird. Das teleologische Prinzip liegt in der Konstruktion einer universalgeschichtlichen Linie, die notwendig zum Sieg des Sozialismus führt. In diesem dichotomischen und teleologischen System hat die nationale Frage ihren unverrückbaren Platz: Mit dem Sieg des Sozialismus wird auch die deutsche Wiedervereinigung in einer sozialistischen Nation unausweichlich.

Je klarer sich diese Determinanten der Interpretation der nationalen Frage in der Abfolge der Schulgeschichtsschreibung herausstellen, um so deutlicher treten die Variablen in ihrer taktischen Funktionalität hervor: die Propagierung eines antifaschistisch-demokratischen Gesamtdeutschlands; die Propagierung der Volkskongreßbewegung zur Herstellung eines solchen politischen Zustandes in ganz Deutschland; die Unterstützung der Konföderationspläne und — wenn auch überrascht und widerwillig — der sowjetischen „Friedensnote“ zur Neutralisierung Gesamt-deutschlands; das immer stärker werdende Bestehen auf der eigenen staatlichen Souveränität der DDR und schließlich auch die Deklaration einer eigenen „sozialistischen" Nation. Es sind nach außen wie nach innen gemeinte taktische, der jeweiligen Situation angepaßte, „geschmeidige“ Wendungen. Die historische Dialektik erlaubt, sie jeweils wieder zurückzunehmen oder zu verändern.

Freilich nicht ohne erhebliche Bemühungen. Die Umschreibung der Lehrpläne und der Lehrbücher zeigt dieses erstaunliche und konzentrierte Bemühen, die jeweils neuen Akzentsetzungen zu begründen und plausibel zu machen. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit sollen einige dieser sich verändernden Argumentationen in ihrer historischen Abfolge am Beispiel der Materialien für den Geschichtsunterricht aufgeführt werden.

III. Die Variablen der Darstellung der „Deutschen Frage“ im Geschichtsunterricht der DDR

1• Die „antifaschistisch-demokratische“, unteilbare deutsche Republik Die Art, wie im Geschichtsunterricht der DDR die Frage der deutschen Einheit darge-stellt werden soll, hat sich im Laufe der vergangenen 30 Jahre in deutlich erkennbaren Phasenschüben gewandelt. Diese Phasen sind durch politische Ereignisse gekennzeichnet, die jeweils eine Akzentverschiebung der Beurteilung der Deutschen Frage nach sich zogen.

Die erste Phase, vor der Gründung der DDR, ist deshalb besonders interessant, weil in der SBZ noch vor dem Verlust der politischen Einheit des deutschen Staates der Kampf um seine innere, gesellschaftliche und ökonomische Einheitlichkeit im Sinne der Politik der KPD und späteren SED beginnt In der „antifaschistischen" Vorphase der Gründung der DDR wurde ein Lehrplan erarbeitet, der noch an Traditionen des Geschichtsunterrichts in der Weimarer Republik anknüpfte, aber bereits derart von kommunistischen Grundvorstellungen beherrscht war, daß er von den drei westlichen Besatzungsmächten in Berlin für ihre Sektoren abgelehnt wurde. Seine zweite Auflage wurde 1947 in der SBZ verbindlich Vor der Entfremdung zwischen den Siegermächten entstanden, zeigt er noch nicht die Polarisierung zwischen den Westmächten und dem Lager der Sowjetunion. Die Siegermächte werden noch als „demokratische Weltmächte" zusammengenommen. Für Deutschland unterscheidet dieser Lehrplan allerdings scharf zwischen den „demokratischen" und den „reaktionären“ Kräften, propagiert neben der „Säuberung des öffentlichen und wirtschaftlichen Lebens“ vor allen Dingen die Bodenreform, die Wirtschaftsreform und die Schulreform. Er ruft auf zur gemeinsamen Arbeit „aller demokratischen Kräfte am Wiederaufbau" Deutschlands. Die Potsdamer Beschlüsse mit ihren Forderungen nach einer Neuordnung der gesellschaftlichen Strukturen in Deutschland werden dabei im Sinne des Kommunismus ausgelegt, und allein diese Neuordnung wird als „demokratisch“ verstanden. Die Wiederherstellung der deutschen politischen Souveränität, der „Wiederaufbau" Deutschlands verlange nun, nachdem der Kapitalismus und die Reaktion Deutschland zweimal in die Katastrophe geführt habe, die Einheit der Arbeitsklasse.

Für diese Behauptung, die in unmittelbar legitimatorischem Bezug zur zwangsweisen Vereinigung von KPD und SPD steht, wird die historische Linie mitgeliefert. Bismarcks Einigungswerk, einer politisch fortschrittlichen Tat, habe allerdings ein reaktionärer Klassen-charakter angehaftet; nun komme es darauf an, durch die demokratische Neuordnung, durch die Erzeugung eines „echten demokratischen Nationalbewußtseins" die Einheit der Nation im Innern erst zu stiften: „Weil unser Vaterland bis heute nie zu einer wirklichen Demokratie wurde, wurden wir nie zu einer wirklichen Nation."

Schon 1949 wurde ein Unterrichtsmodell mit dem Thema „Deutschlands Kampf um Einheit und gerechten Frieden" entwickelt. Es konstatiert schon die Gefährdung der Einheit Deutschlands, durch die Politik der Westmächte, welche die Potsdamer Beschlüsse, als die einzige Rechtsgrundlage der Einheit Deutschlands, nicht beachten und die demokratische Umgestaltung in ihren Zonen verhindern. Die Einigkeit und den gerechten Frieden könne man nicht von den USA erwarten, die als imperialistischer Staat nur an die eigenen materiellen Interessen dächten. „Nur die Sowjetunion kann uns dabei helfen."

Zu dieser Zeit gab es noch keine Unterrichts-bücher. Erst 1951 wurde unter Zugrundelegung sowjetischer Lehrbücher ein deutsches Geschichtswerk in der DDR erarbeitet. Seine vier Bände entwickeln einen streng der Systematik der Klassenkampfabfolge verpflichteten Lehrgang von der Urgeschichte bis in die Gegenwart. Sie ruhen noch auf den Gedanken der antifaschistischen Phase, gehen aber in Darstellung und Deutung der Existenz der Bundesrepublik und der DDR darüber hinaus.

Die Darstellung der deutschen Geschichte nach 1945 behandelt die deutsche Spaltung unter dem Motto: „Der Kampf um die Einheit Deutschlands“ Für die Einheit Deutschlands kämpfen die Parteien der SBZ und der DDR mit Unterstützung der Sowjetunion. Auf der Legitimationsbasis des Potsdamer Abkommens, so wird gezeigt, vollzieht sich in der sowjetischen Besatzungszone und dann in der DDR die „Demokratisierung“, d. h. die Entmachtung der Kapitalisten und Großgrundbesitzer, der Aufbau eines demokratischen Schulsystems — alles mit dem Ziel der inneren, gesellschaftlichen Einigung Deutschlands in einer demokratischen Nation. Auf fast 20 Seiten wird dieser Aufbau in der DDR gepriesen-, auf knapp acht Seiten wird „die Politik der imperialistischen Mächte in Westdeutland“ als eine Kette von Verstößen gegen das Potsdamer Abkommen angeklagt, die in ihrer Konsequenz zur wirtschaftlichen und politischen Abspaltung der Westzonen vom demokratischen Weg Deutschlands geführt hätte. Die Klassenfrage erscheint schon hier als die eigentliche nationale Frage: Imperialistische und kapitalistische Reaktionen durch die drei Westmächte spalten die politische Einheit einer deutschen Zukunft, auf die hin sich die DDR bewegt.

Diesen Vorgängen wird ihre historische Erklärung hinzugefügt in der nunmehr breiteren und genaueren Ausmalung der Klassengegensätze der deutschen Geschichte seit dem frühen 19. Jahrhundert und der Revolution von 1848: Das deutsche Bürgertum, das 1848 aus Furcht vor dem vierten Stand seiner nationalen und demokratischen Aufgabe entsagt habe, wurde reaktionär; die deutsche Arbeiterklasse, welche nach dem Ersten Weltkrieg die demokratische Einheit hätte schaffen können, wurde durch die Schuld der rechten Sozialdemokratie gespalten. Bürgertum und rechte Sozialdemokratie stellten auch jetzt wieder der Reaktion ihre Kräfte zur Verfügung und setzten die Spaltungstendenz Deutschlands fort.

Diesen Tendenzen gegenüber werden im Geschichtsbuch alle Bewegungen und Maßnahmen breit ausgemalt, welche auf die Einheit Deutschlands zielten: die Potsdamer Beschlüsse, die Politik der „nationalen Front“, die Volkskongreßbewegung. Die Westmächte hingegen hätten, nachdem der eigentlich fundamentale Gegensatz der Weltgeschichte nur zeitweise durch die Kriegskoalition überbrückt gewesen sei, ihr altes Ziel, Deutschland zur Speerspitze gegen die kommunistische Welt zu machen, nunmehr mit der Gründung der Bundesrepublik teilweise erreicht Demgegenüber hält die DDR an der Wiedervereinigung eines „friedliebenden und demokratischen Deutschland" fest: „Die nationale Front des demokratischen Deutschlands ist unaufhaltsam. Sie wird siegen, ganz Deutschland befreien und wiedervereinigen."

Der Begriff der „einheitlichen, friedliebenden, demokratischen Nation“ wird schon ganz mit Symbolen der DDR besetzt. Die Sprache, in der der Aufbau der DDR geschildert wird, ist integrativ bis verherrlichend. Alle positiv besetzten Substantive und Adjektive werden Ereignissen und Personen der DDR zugeschrieben. Im Gegensatz dazu steht die Darstellung der Bundesrepublik in einem durchgehend negativen sprachlichen Kontext. Die Westmächte und die führenden Kräfte der Bundesrepublik werden stets pejorativ benannt: Im-perialisten, Kapitalisten, Konzernherren, Junker, Militaristen. Positive Identifikationen mit dem eigenen Lager einerseits, den Aufbau von Feindbildern andererseits bezweckt diese Sprache; dem dient auch die Bildauswahl. Während nur positive Fotos — seien es Portraits, seien es Szenen aus Wirtschaft oder Politik — für die DDR gezeigt werden, findet sich die Bundesrepublik lediglich in Karikaturen repräsentiert. Mehr noch als die Inhalte zeigt also die Art der sprachlichen und bildlichen Darstellung, daß es der Führung der DDR nie um einen demokratischen Kompromiß, um einen Ausgleich verschiedener Auffassungen von gesellschaftlichen, ökonomischen und politischen Gestaltungsperspektiven ging, sondern um taktisch unterschiedlich angesetze Strategien der Durchsetzung ihres Konzepts für ganz Deutschland. Wiedervereinigung Deutschlands hieß, unmittelbare oder aber in Stufen sicher erreichbare Ausdehnung der „Herrschaft der Arbeiterklasse“ bzw. ihrer Avantgarde, der SED, auf ganz Deutschland. 2. Die DDR als . Bollwerk des Sozialismus“

Dieses Unterrichtswerk blieb bis 1959 im Gebrauch. Die politischen Interpretationen der Deutschen Frage entwickelten sich jedoch weiter. Zumal seit der Erlangung der Souveränität durch die DDR — 1955 — brachten sie Akzentverschiebungen, die auf die pädagogischen Anweisungen für den Geschichtsunterricht durchschlugen. Dies geschah zunächst in neuen Lehrplänen, Vorläufern des großen „Lehrplanwerks" von 1959, das der Umgestaltung des Bildungswesens parallel lief Das neue Buch von 1960, das 1961 auch für die neue Oberstufe zugelassen wurde, spiegelt die Veränderungen im politischen und historischen Selbstbewußtsein der DDR-Führung. Die Bücher aus der Generation von 1951 hatten die Staatsgründung der DDR als eine notgedrungene, fast erzwungene Antwort auf die Spaltungsmaßnahmen der Westmächte und auf die Gründung der Bundesrepublik angegeben. Darin klang noch der ursprüngliche Wunsch einer gesamtdeutschen politischen Ordnung nach dem Muster der „antifaschistisch-demokratischen“ Parole nach, die für ganz Deutschland den Weg zum Sozialismus vorbereiten sollte. 1959 dagegen bezeichnet der Lehrplan die Gründung der DDR „als gesetzmäßiges Ergebnis der gesellschaftlichen Entwicklung und als wichtigste Lehre aus der deutschen Geschichte". Unverkennbar ist in die Darstellung der Frage der deutschen Teilung die Bemühung eingedrungen, das Staatsbewußtsein der DDR zu stabilisieren. 1952 hatte durch offiziellen Beschluß der Aufbau des Sozialismus in der DDR begonnen. Die folgenden Jahre zeigten die propagandistische Tendenz, den ständigen Fortschritt auf diesem Wege bewußt zu halten. Das DDR-Staatsbewußtsein erhielt als Erziehungsziel Vorrang vor einem gesamtdeutschen Nationalbewußtsein — in der Formulierung, daß das deutsche Nationalbewußtsein auf dem DDR-Staatsbewußtsein aufbaue. Beides aber vereinigte sich unter dem Begriff des „demokratischen Nationalbewußtseins“.

Das Lehrbuch von 1960 führt die verschiedenen Strategien des „Kampfes um die Wiedervereinigung“ zwar ausführlich auf — die Potsdamer Beschlüsse, die Volkskongreßbewegung, die sowjetische Note von 1952 und die Konförderationspläne —, behandelt sie nun aber eindeutig als Geschichte, spricht ihnen auch unverholen den taktischen Zweck zu, die Einfügung Westdeutschlands in das „imperialistische Lager“ zu verhindern. Die DDR dagegen habe sich durch den Gang der Geschichte als der westlichste Vorposten des sozialistischen Systems herausgestellt, als das „Bollwerk“ gegen den Versuch, im geographischen wie im politischen Sinne ein „roll back" zu versuchen. Das Ziel der nationalen Wiedervereinigung wird zwar festgehalten — jedoch unter der ausdrücklichen Vorbedingung, daß sie „nur auf demokratischer Grundlage" erfolgen könne.

Wie diese Grundlage aussieht und auf welche Weise sie geschaffen wurde, wird in einer ausführlichen Darstellung der inneren Geschichte der DDR gezeigt. Sie liest sich wie eine Abfolge gelungener Demokratisierungsprozesse im „ersten deutschen Arbeiter-und Bauernstaat". Etwas versteckt, noch fast wie eine Entschuldigung für die Eigenentwicklung klingt der Hinweis, daß die Vorgänge in der Bundesrepublik ein längeres Hinauszögern der sozialistischen Umwälzung — mit Rücksicht auf die Einheitlichkeit Deutschlands — verboten habe.

Dem strahlenden Bild der DDR steht nun, erheblich verschärft gegenüber dem alten Buch, die Bundesrepublik als ein Feindbild gegenüber. Im Geschichtsbuch von 1960 gibt die DDR ihre eigene Geschichte seit 1945 bereits als eigentliche nationale deutsche Geschichte aus. Die Geschichte der Bundesrepublik ist nur noch als ein negatives Element der Verzögerung eines welthistorischen Fortschrittes vorhanden.

Allerdings wird das Bild der Bundesrepublik polarisiert. Die imperialistischen Westmächte finden in der Schicht der westdeutschen Kapitalisten Helfershelfer, die gegen den Widerstand breitester Volksmassen eine antifaschistische Neuordnung verhinderten und die Bundesrepublik ins Lager der Westmächte führten. Restaurierung der „kapitalistischen Ausbeuterordnung“ geht Hand in Hand mit der Klerikalisierung durch die CDU-Vormacht und der Militarisierung nach der Einführung einer „Söldnerarmee". Mittels politischen Terrors halte sich dieses militaristisch-klerikale Regime gegen demokratische Parteien wie die KPD und gegen breite Volksbewegungen wie die Bewegung gegen „Militarisierung und Atomtod". Die . Adenauer-Clique", unterstützt von den „rechten Sozialdemokraten", habe also im eigenen Interesse nicht nur alle Wiedervereinigungsmöglichkeiten von sich gewiesen, vielmehr keine Gelegenheit ausgelassen, den Aufbau der DDR zu stören oder gar die DDR sich militärisch einzuverleiben. In diesem Zusammenhang wird auch, zum ersten Mal im Geschichtsbuch, der Aufstand von 1953 erwähnt. Hier erscheint er als „faschistischer Putsch", ausgeführt von „Rowdies aus halbfaschistischen Organisationen, arbeitsscheuen und kriminellen Elementen", die von den Westsektoren Berlins nach Ostberlin eingeschleust worden seien. Die „klassenbewußten Werktätigen“ hätten den Putsch leicht niedergeschlagen, während die Truppen der Sowjetunion den militärischen Über-fall von außen und damit einen neuen Krieg in Europa verhindert hätten

Die Westmächte und die Bundesrepublik erscheinen also in einem dreifachen Sinne als obgleich zwar machtlose, so doch bösartige Kräfte: Sie sind gegen die Demokratie, gegen die Einheit der Nation und gegen den Frieden.

Diesen Mächten gegenüber kann die Erziehung nicht neutral bleiben. Wie sie zur Liebe zum eigenen Volk und zum Sozialismus erziehen soll, so muß sie Haß erzeugen gegen dessen Feinde. Diese pädagogische Ziellehre spiegelt genau die Polarität der Weitsicht, die scharf zwischen Freund und Feind unterscheidet. Die Deutsche Frage ist in diesen manichäischen Kampf hineingestellt: Die DDR, die sich auf dem Wege zum Sozialismus befindet, ist die einzige Hoffnung auf eine Wiedervereinigung der Nation, die sich lohnt und zu verantworten ist: die sozialistische Wiedervereinigung. Da ihr Zeitpunkt nicht abzusehen ist, gilt es vordringlich, die DDR zu stärken

Dazu gehörte die Vertiefung und breitere Verankerung dieses Staates in der deutschen Geschichte im allgemeinen Bewußtsein. Durch Ulbrichts offizielle Verlautbarungen zieht sich wie ein roter Faden seine Bemühung um historische Legitimation. Nicht allein die Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, die im kommunistischen Sinne so wenig Erfolge aufzuweisen hatte, sondern die Geschichte der deutschen Revolutionäre überhaupt sollte vermittelt werden. Als die Partei 1955 von den Historikern verlangte, ein geschlossenes marxistisches Geschichtsbild der deutschen Geschichte auszuprägen, gab sie zugleich die für die „revolutionären Traditionen" wichtigen Geschehnisse an, die auch die Struktur des Geschichtsbildes bestimmen sollten: den Bauernkrieg, den Befreiungskrieg gegen die napoleonische Fremdherrschaft, die Revolution von 1848, die November-Revolution und den Kampf der deutschen Arbeiterklasse gegen Imperialismus, Faschismus und Krieg. Aber auch „die Freiheitskämpfe der Germanen gegen die römischen Sklavenhalter, die Klassenkämpfe der deutschen Bauern in der Periode ...des Feudalismus und die Aufstände der Bauern und Plebejer während des und 18. Jahrhunderts, die demokratischen Bewegungen während der dreißiger und vierziger Jahre des 19. Jahrhunderts sowie der Kampf der Werktätigen für die demokratische Einheit Deutschlands in den fünfziger und sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts" sollten in den Vordergrund gestellt werden 17).

So zeigt sich schon in dieser Phase die doppelte Bewegung: Je stärker sich die DDR als Staat eigenen Rechtes und eigener Ordnung empfindet, um so umfassender wird der Zugriff auf die deutsche Geschichte. Die Gegenwart wird in einen Horizont von Zukunft und Vergangenheit gestellt. Die Zukunft der nationalen Geschichte wird als Einheit der geeinten, sozialistischen Nation betrachtet; die Vergangenheit wird so zurechtgerückt, daß diese Zukunft als aus langer Kontinuität notwendig sich ergebende Konsequenz erscheint. 3. Die DDR als „Kernstaat" der künftigen deutschen Einheit Als die Lehrbücher mit dieser Deutung der Deutschen Frage und ihrer Geschichte erschienen, war die Diskussion schon eine Stufe weiter gediehen. Bisher wurde die Ursache für die Spaltung der deutschen Nation vornehmlich im selbstsüchtigen Handeln der Westmächte gesehen, das die Herrschaft der . Adenauer-Clique" überhaupt erst möglich gemacht habe. Seit 1960 beginnt die SED, die Spaltung der deutschen Nation nicht mehr in dieser Fremdbestimmung nach 1945, sondern in einem „Grundwiderspruch" der deutschen Geschichte selbst zu sehen. Die Geschichtswissenschaft erhielt den Auftrag, „den Nachweis zu erbringen, daß der deutsche Imperialismus und Militarismus ein nationales Unglück für unser Volk bedeutet". Der Klassen-gegensatz in der deutschen Geschichte sei die eigentliche Ursache der Spaltung. Wer meine, durch diplomatische Beschlüsse die Spaltung Deutschlands überwinden zu können, verwechsle Ursache und Wirkung. Erst müsse der Grundwiderspruch der deutschen Geschichte überwunden sein; dann ergebe sich die Einheit von selbst. Diese Überwindung aber sei allein eine Sache des deutschen Volkes.

Jetzt werden die Bemühungen stärker, sich mit der von Stalin entwickelten Theorie der sozialistischen Nation zu befassen. Man er-gänzt, erweitert, kritisiert sie und gewinnt folgendes Bild: Die deutsche Nation befinde sich in einem Dbergangsstadium zur sozialistischen Nation. Während dieser Übergang gewöhnlich im gesamtnationalen Maßstab vor sich gehe, könne er aus äußeren Gründen in der deutschen Nation zunächst nur in einem Teil geschehen — Korea und Vietnam vergleichbar. Dieses sei aber nur eine Frage des Weges. Ganz unwissenschaftlich sei es, dieses Durchgangsstadium zu verabsolutieren und zur Grundlage einer Theorie von zwei deutschen Nationen zu machen. Die gegenwärtige Spaltung wird durch die Herausbildung einer einheitlichen sozialistischen Nation überwunden werden, sobald sich der Grundwiderspruch in der deutschen Geschichte gelöst haben wird

Auf dem Boden dieser Anschauung wird nun die Geschichte der deutschen Teilung akzentuiert. Sie reicht über das Jahr 1949 weit zurück bis in die Mitte des Jahrhunderts. Man kann sie geradezu personalisieren: Bismarck — Wilhelm II. — Hindenburg — Hitler — Adenauer einerseits, Bebel — Liebknecht — Thälmann — Pieck — Ulbricht — Grotewohl andererseits. Das kommunistische Manifest erscheint nun als der eigentliche Ursprung der Entwicklungslinie zur DDR. Damit stellt sie sich in den welthistorischen Kampf um die Durchsetzung des Sozialismus. So konnte Kurt Hager 1962 feststellen, daß sich in der gesamten deutschen Nation „eine tiefgreifende Wandlung zu einer sozialistischen Nation“ vollziehe. Was in der DDR bereits verwirklicht werde, werde morgen auch „gesetzmäßig und unvermeidlich" Westdeutschland erfassen 19).

Diese Wendung verschiebt auch die Erziehungsziele. Statt eines demokratischen Nationalbewußtseins wird nun ein „sozialistisches Staatsbewußtsein" angestrebt. Der verbale Kampf gegen die Bundesrepublik wird um eine Stufe verschärft und gleichsam „nationalisiert", indem die welthistorisch „bösen" Eigenschaften ganz in Westdeutschland konzentriert gesehen werden. Der „deutsche Imperialismus und Militarismus“ ist der Hauptfeind. Ohne seine Entmachtung gibt es keine glückliche Zukunft einer deutschen Nation.

In die Lehrpläne und Lehrbücher dringen diese Akzentverschiebungen erst 1966 voll ein. Ihre Analyse zeigt den Höhepunkt einer historisch-ideologischen Anstrengung, mit der Behauptung der Entwicklung einer sozialistischen Nation in der DDR die Behauptung der Existenz einer gesamtdeutschen Nation zu verbinden. Je souveräner-sozialistisch sich die DDR versteht, um so gesamtdeutsch-nationalistischer werden ihre Ansprüche auf der anderen Seite. Aus dem „Bollwerk“ des Sozialismus ist der „Kernstaat" der künftigen deutschen Einheit, das „Modell DDR" geworden. Die ideologische Abgrenzung von der Bundesrepublik provoziert geradezu die ideologische Okkupation der Zukunft der gesamten deutschen Nation. Je eindeutiger der Anspruch, Kernstaat künftiger nationaler Einheit zu sein, erhoben wurde, um so aggressiver und heftiger fiel die Verurteilung des anderen deutschen Staates aus. Die Lehrpläne von 1966 und 1970/71 sind Beispiele einer ausgefeilten Anweisung zur Bewußtseinsformung, einer politischen Konditionierung des Staats-und Nationalgefühls durch eine Überzeugungsdidaktik. Die positive Verknüpfung zwischen den politischen Höchstwerten der Entwicklung des Sozialismus, der Wiederherstellung der deutschen Einheit und der Bewahrung des Friedens ist nunmehr zur Vollendung gebracht. Das Negativbild des westdeutschen Imperialismus und Kapitalismus, die die Nation spalten und den Krieg wollen, ist perfekt

Dies zeigt sich am Beispiel der Darstellung des Mauerbaus. Nach einer ausführlichen Darstellung der Sicherung des Friedens in Europa durch die nationale Volksarmee werden Pläne der Militaristen der Bundesrepublik, durch Karten und Texte „belegt", enthüllt, die auf eine Kriegsvorbereitung gegen die DDR im Frühjahr 1961 schließen ließen. Abwerbung von Fachkräften, Sabotageakte, Ausnutzung der offenen Grenze gegenüber West-Berlin, um die DDR zu schädigen: alles das sollte die DDR für die Bundeswehr „sturmreif" machen. Nato-Manöver probten im Sommer 1961 einen begrenzten Krieg gegen die DDR und andere sozialistische Staaten. Strauß sprach im August 1961 in den USA die letzten Einzelheiten ab. Die Nato-Truppen wurden in Alarmbereitschaft versetzt — da ergriff die DDR Gegenmaßnahmen und riegelte die bis dahin offene Staatsgrenze ab. „Als am Morgen des 13. August die Sonne über Berlin aufging, waren die Sicherungsmaßnahmen im wesentlichen abgeschlossen." Im Westen breitete sich Verwirrung und Bestürzung aus, während die Bevölkerung der DDR Geschenke und Blumen an die Staats-grenze brachte, um ihren Dank den bewaffneten Schützern und den Arbeitern am antifaschistischen Schutzwall auszudrücken

Dies ist zugleich ein Beispiel, welche Verdrehung der Tatsachen die politischen Argumentationszwänge den DDR-Geschichtsbüchern auferlegten. Der „antifaschistische Schutzwall" erschien in diesem Denkansatz nicht als weitere Trennung, sondern als Voraussetzung einer künftigen sozialistischen Vereinigung. Er bedeutete einen neuen Abschnitt der Auseinandersetzung zwischen Sozialismus und Imperialismus; er hat den Sozialismus gestärkt; er hat also die künftige sozialistische Wiedervereinigung befördert. Auf dem VII. Parteitag hielt Ulbricht noch einmal die beiden Pole der Argumentation in der Deutschlandfrage zusammen: „Wir deutschen Marxisten und Leninisten haben niemals den einheitlichen, friedliebenden, fortschrittlichen, den demokratischen und anti-imperialistischen deutschen Staat abgeschrieben und werden das auch niemals tun ... Was der Imperialismus gesprengt hat, wird die Arbeiterklasse der beiden deutschen Staaten im engsten Bündnis untereinander wieder einen."

Bis dahin ist die Darstellung der Deutschen Frage in den DDR-Geschichtsbüchern zwar variiert worden; sie blieb sich aber in der Grundlinie gleich. Diese läßt sich in folgenden Stufen beschreiben:

— die deutsche Einheit auf dem Boden einer „antifaschistisch-demokratischen" Staats-und Gesellschaftsverfassung, auf dem die Arbeiterklasse in allen Besatzungszonen die sozialistische Umgestaltung erzwingen kann; — die deutsche Wiedervereinigung durch den Zusammenschluß der beiden Staaten in einem neutralisierten Gesamtstaat, wie es die sowjetische Note von 1952 vorsah, oder durch Konföderation beider Staaten;

— die deutsche Einheit als Zukunft des deutschen Volkes nach dem Modell der sozialistischen DDR.

Die Abfolge dieser Vorstellungen zeigt als Konstante die sozialistische Umgestaltung von Staat und Gesellschaft, als Variable die den jeweiligen Umständen entsprechende Interpretation der nationalen Frage. Sie zeigt zugleich die steigende Identifizierung mit dem eigenen Staat auf pädagogischem Wege, die von einer ausgreifenden Einbeziehung der deutschen Geschichte in die Traditionslinie der DDR begleitet wird. 4. Die „sozialistische Nation"

Wie fügt sich die vorerst letzte Stufe der Behandlung der Frage der deutschen Einheit in diese Skala ein, die durch die schon erwähnte Erklärung Erich Honeckers vom Ende der einheitlichen deutschen Nation auf dem VIII. Parteitag der SED von 1971 betreten wurde? Erschien die Kraftanstrengung, mit der Ulbricht das gesteigerte Staatsbewußtsein der DDR mit einem gesamtdeutschen Nationalbewußtsein zusammenhalten wollte, zu risiko-reich? Bot sie vielleicht ideologische Einbruchsstellen für die neue Ostpolitik? War die Kündigung der Einheit der Nation die Antwort auf die Parole der sozial-liberalen Koalition, die „Wandel durch Annäherung" schaffen wollte? Konnte also die Legitimation des eigenen Staates zu diesem Zeitpunkt nur noch durch entschlossene Abkehr von der Idee einer gesamtdeutschen Nation glaubwürdig vertreten werden, zerbrach also die Kongruenz der politischen Höchstwerte — Sozialismus und Nation?

Die Aufkündigung der Einheit der Nation war nicht die einzige ideologische Veränderung seit 1971. Der betonte deutsche Nationalismus der späten Ulbricht-Phase wurde auch an anderen Punkten zurückgenommen. Ulbrichts Erklärung, daß der Sozialismus „eine relativ selbständige sozialökonomische Formation" sei und daß in ihm eine „sozialistische Menschengemeinschaft" — d. h. eine nichtantagonistische Gesellschaft — entstanden sei, hatte der DDR im welthistorischen Prozeß und gegenüber den anderen, älteren sozialistischen Staaten, insbesondere der Sowjetunion, eine eigene nationale Dignität gegeben. Diese Interpretationen werden nun als falsch erklärt. Die DDR tritt in der Beschreibung ihres Standpunktes im historischen Prozeß wieder deutlich hinter der Sowjetunion zurück; sie rückt politisch wieder eng an das sozialistische Lager als eine seiner . Abteilungen" heran. Sie wächst damit aus dem deutschen „Nationalverband" eindeutig heraus; denn die sozialistische Staats-und Gesellschaftsordnung ist verbindender als die Nationalität Als neue, sozialistische Nation gewinnt die DDR einen weltpolitischen und welthistorischen Platz; in dieser Perspektive verliert die nationale Frage ihre alte Bedeutung. Entsprechend erscheint nun die Bundesrepublik nicht mehr als der einstmals zu erlösende Teil derselben Nation, sondern ebenfalls als eine Abteilung des „imperialistischen Lagers". Nicht mehr die Linie des Klassenkampfes in der deutschen Geschichte, sondern die welt-historischen und weltpolitischen Antagonismen sind für das Verständnis der Situation beider Staaten wichtig.

Konsequent werden nun auch die bisher im Rahmen der Nationalgeschichte behandelten Vorgänge unter universalhistorischen Aspekten gesehen. Die innere Spaltung der deutschen Nation, der „Grundwiderspruch", wie er in der vorigen Phase beschrieben wurde, wird zum welthistorischen Widerspruch zwischen Sozialismus und Kapitalismus. Die negative Traditionslinie, wie sie oben genannt wurde, tritt als typisch deutsche Linie zurück. Selbst die Hitler-Diktatur erscheint nun als eine Marionette des Weltkapitalismus.

In dieser Betrachtungsweise ist die nationale Einheit eindeutig der Festigung und Ausdehnung der sozialistischen Herrschaft untergeordnet. Die Gründung der DDR ist in diesem weltgeschichtlichen — und nicht mehr nationalen — Rahmen nicht allein ein Wendepunkt in der Geschichte Deutschlands, sondern in der Geschichte Europas. Sie ist ein Wesentlicher Erfolg der Ausbreitung des sozialistischen Lagers: „Dem deutschen Imperialismus und Militarismus war ein Drittel seines Herrschaftsgebiets entrissen ... Offenbar hat es mancherlei Schwierigkeiten bereitet, diese neue Maxime der Selbstinterpretation in einer für Lehrer und Schüler überzeugenden Weise in Lehrpläne und Unterrichtsmittel hineinzutragen. Der nunmehr geforderte „proletarische Internationalismus" mußte mit dem lange propagierten Gedanken der Einheit der deutschen Nation nach sozialistischem Muster Zusammenstößen. Die Debatten um den Ausgleich zwischen proletarischem Internationalismus und sozialistischem Patriotismus sowie sozialistischem National-und Staatsbewußtsein brachten unterschiedliche Interpretationen hervor. Erst 1974 konnte eine noch unbefriedigende Umarbeitung des Lehrbuchs von 1971 erfolgen, welches noch zu sehr der Ulbricht-Linie verpflichtet war. Es dauerte bis 1977, ehe in neuen Lehrplänen und einem neuen Unterrichtswerk über die neueste Geschichte die ideologische Kehrtwendung in der Frage der Einheit der Nation in einen plausiblen Zusammenhang gebracht werden konnte

Die Bundesrepublik spielt auch in diesem Werk von 1977 die Rolle des am nächsten gelegenen und gefährlichsten Feindes. Die Verantwortung dafür tragen zwar nicht die Deutschen als Deutsche, sondern die Kapitalisten. Aber ihr Einfluß wird darum nicht minder gefährlich. Abgespalten vom deutschen Nationalverband, ganz ein Werkzeug imperialistischer Revanchisten, wird diese Bundesrepublik — mit der die DDR gerade den Grundlagenvertrag geschlossen hat — weiterhin als der undemokratische, antinationale und potentiell kriegerische Gegner dargestellt. Auch die Ostpolitik der sozialliberalen Koalition erscheint nur als eine besonders geschickte, aber bösartige Variante der imperialistischen Politik gegenüber dem Sozialismus. „Entspannung" findet im Geschichtsbuch nicht statt.

Demgegenüber sind die verbalen Retuschen in Lehrplänen und Geschichtsbüchern eher zweitrangig: Wo man kann — im eigenen Staatsnamen geht es nicht — vermeidet man das Wort „deutsch“. Die DDR hat nun nicht mehr, wie in der Zeit Ulbrichts, die größte nationale Aufgabe durch sozialistische Wiedervereinigung zu lösen; ihre sozialistische Entwicklungsstufe ist vielmehr ein Schritt im welt-historischen Siegeslauf des Sozialismus.

Es bedarf sehr genauer Lektüre der Lehrpläne und Schulbücher, um hinter dieser Absage an die Gemeinsamkeit der Nation die verborgenen Bindungen an die aufgekündigte Einheit — auch noch in der Polemik — zu erkennen. Man mag es unterschiedlich deuten, daß das DDR-Geschichtsbuch von 1977, das bis 1981 im wesentlichen unverändert aufgelegt wurde, einer Fixierung auf die Bundesrepublik nicht entkommt, nicht die Gelassenheit aufbringt, mit der man die Geschichte einer anderen Nation betrachten könnte. Aufschlußreicher ist, daß Ulbrichts Versuch, die Verbindung von DDR-Staatsbewußtsein und gesamtdeutschem Nationalbewußtsein aufrechtzuerhalten, sich in eigentümlicher Metamorphose auch unter der neuen Linie wiederholt. Die Absetzbewegung von der „imperialistischen Bundesrepublik“, die Aufkündigung der Nation führte seit den späten siebziger Jahren zu der eingangs erwähnten breiteren Hin-wendung zur gesamten deutschen Geschichte und ihrer Kontinuität. Der Staat, der sich nicht mehr als Teil der „deutschen Nation“ versteht, braucht die gesamte deutsche Geschichte — nicht mehr nur die auf ihn zulaufenden Klassenlinien —, um sich selbst und anderen gegenüber ein hinreichendes Selbstverständnis zu entwickeln. Ist er nicht mehr nur die Antithese im „Grundwiderspruch" der deutschen Geschichte — versteht er sich schon als deren sozialistische Synthese?

Dieser neue Zugriff auf die gesamte deutsche Geschichte hat sich noch nicht in den Unterrichtsmitteln niedergeschlagen. Man wird auf diese „Umsetzung" gespannt sein dürfen.

IV. Schlußfolgerung

Eine Analyse der historisch-politischen Selbstinterpretation der DDR-Führung in den von ihr unmittelbar gesteuerten Unterrichts-materialien läßt die eingangs gestellte Frage nach Funktionalität oder Intentionalität der deutschlandpolitischen Äußerungen nicht abschließend beantworten. Wenn in den Unterrichtsmaterialien der instrumentale Gebrauch so eindeutig hervortritt, daß sich jede Wendung der Interpretation der Deutschen Frage zugleich auf Legitimationszwecke angesichts zeitgeschichtlicher Erscheinungen zurückführen läßt, so liegt dies nicht zuletzt am politischen Zweck des untersuchten Materials. Geschichtsbücher dienen immer auch der Legitimation von Herrschaft und der Identifikation der Heranwachsenden mit ihr — in sozialistischen Staaten in einem weit über das normale Maß hinausgehenden Grade; die politischen Intentionen müssen sie nicht offenbaren; schon gar nicht spiegeln sie die Meinungskämpfe innerhalb der Elite. Sie sind das auf die Kernpunkte hin komprimierte Resultat solcher offiziellen Meinungsbildung, ihr allgemein verpflichtendes Produkt.

Seine Analyse legt allerdings nahe anzunehmen, daß sich bei der „Einschätzung“ der nationalen Frage durch die DDR-Führung stets das gleiche Ergebnis einstellte: Alle nacheinander entwickelten Akzentuierungen der Deutschen Frage dienten dem übergeordneten Ziel des Ausbaus und der Sicherung der Herrschaft der SED und des sozialistischen Systems. Die Sicherung der sozialistischen Ordnung hat Vorrang vor der Herstellung nationaler Einheit. Dieses Sicherungsbemühen verband sich zunächst offensiv mit dem Einheitspostulat für ganz Deutschland; die Forderung nach der Einheit der Nation war ein Instrument der Ausdehnung des Sozialismus. Später diente sie — defensiv — der ideologischen Absicherung der sozialistischen Umgestaltung und der entsprechenden Herrschaftsordnung in der DDR selbst. Als das politische Ziel der deutschen Einheit auf dem Höhepunkt der Entspannungspolitik die Stabilität und Glaubwürdigkeit dieser Ordnung keinen Vorschub mehr leisten, sondern eher Abbruch tun konnte, wurde die nationale Einheit aufgekündigt. Der separaten „sozialistischen Nation“ wird ein höherer Funktionswert beigemessen als der Einheit der deutschen Nation. Diese Wendung stärkt die Vermutung, daß auch das nationale Pathos der Ulbricht-Ära instrumentalen Charakter hatte

Da die Nation eine lange Geschichte hat, manövriert es sich jedoch schwer mit schnell wechselnden Verknüpfungen von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Die historisch-ideologischen Manöver im Geschichtsbuch enthüllen den Grundwiderspruch dieser Verknüpfung: Das jeweilige Selbstverständnis der DDR bedarf der gesamten deutschen Geschichte um so mehr, je stärker es sich von der Gemeinsamkeit der deutschen Gegenwart und Zukunft separiert. * Der Zusammenhang von Geschichtsbild und Herrschaft ist in der DDR von Anfang an nicht nur deutlich beschrieben, sondern auch praktisch gestaltet worden. Im . Arbeitskreis für Geschichtsdidaktik" in der Bundesrepublik wurde kürzlich anläßlich von Reflexionen über die temporale und soziale Integrationsfunktion für wahr ausgegebener „Geschichten" formuliert: „Wer die Macht hat.., stabile Geschichtenerzählsituationen einzurichten ..der hat auch die Macht über die in Geschichten konstruierten Kontinuitäten, mithin über die Gemeinsamkeit der Handlungsorientierungen ... Absolute Macht wäre es, sowohl das Handeln als auch das Geschichtenerzählen so bestimmen zu können, daß eben von dem Handeln auch künftig nur solche Geschichten sollen erzählt werden können, die die Zukunft dieser Machtstrukturen sichern." Die DDR hat die Macht, im Geschichtsunterricht „stabile" Erzählsituationen anzuordnen — ob die Abfolge wechselnder stabiler Anordnungen aber nicht ein höheres Maß von Labilität erzeugt als die Konkurrenz unterschiedlicher, gleichzeitiger Geschichtsdeutungen und die institutionalisierte Auseinandersetzung um sie, wird die Geschichte selbst lehren müssen.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Die folgende Skizze beruht auf einem an der Universität Münster zusammen mit den Herren Prof. Dr. Kosthorst und Dr. Wolf bearbeiteten Sektor eines vom Ministerium für innerdeutsche Fragen geförderten Forschungsprojekts, das die Darstellung der „Deutschen Frage“ in den Schulbüchern beider deutscher Staaten seit 1949 untersucht. Es wird Ende 1983 abgeschlossen sein. Die Materialerschließung und -Ordnung verdanke ich der gemeinsamen Arbeit; die Deutung ist nicht abgestimmt und gibt — vor Abschluß des Projekts — allein mein eigenes Urteil wieder. Aus der inzwischen reichhaltig gewordenen Literatur über die Behandlung der Deutschen Frage in der DDR, insbesondere im Unterricht, seien hier nur einige wichtige Titel genannt: G. Schweigler, Nationalbewußtsein in der BRD und der DDR, Düsseldorf 19742 (Studien zur Sozialwissenschaft) Bd. 8; D. Riesenberger, Geschichte und Geschichtsunterricht in der DDR, Göttingen 1973; ders., weitgeschichte in der DDR, in: GWU, 28 (1977), H. -G. Wolf, Die Entwicklung des Geschichtsunterrichts in der DDR 1955— 1975 (ungedr. Diss. PH Westf. Lippe, Münster 1979); ders., Sozialistisches Geschichtsbewußtsein und Geschichtswissenschaft in der DDR, in: GWU, 28 (1977); ders., Politik, Schule und die Deutsche Frage im Unterricht, in: Geschichte/Politik und ihre Didaktik, 7 (1979); D. Waterkamp, Die Deutschlandpolitik in der politisch-historischen Bildung in der Bundesrepublik und der DDR, in: Deutschlandar-Shi (1979) 4; K. Schmitt, Politische Erziehung in der DD R Ziele, Methoden und Ergebnisse des politischen Unterrichts an den allgemeinbildenden Schulen in LerDDR, Puderborn 1980 (Studien zur Didaktik, Bd. 2); H Siebert, Der andere Teil Deutschlands in Schulbüchern der DDR und der BRD, Hamburg 1970. K. Hager, Geschichte und Gegenwart, in: Geschichtsunterricht und Staatsbürgerkunde, 25 (1983), S. 292.

  2. Siehe dazu F. Kopp, Das Luther-Bild der SED — Vom „Bauernfeind" zu einem der „Größten Söhne des deutschen Volkes“, in: Beiträge zur Konfliktforschung, 13 (1983) 2; W. Jacobmeyer, Luther und die Reformation in den Geschichtsbüchern der DDR und der Bundesrepublik Deutschland, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 3/83, S. 35— 46.

  3. W. Schmidt, Deutsche Geschichte als Nationalgeschichte der DDR, in: Geschichtsunterricht und Staatsbürgerkunde, 25 (1983), S. 302.

  4. Ebd., S. 303.

  5. Die Diskussion um „Erbe und Tradition" findet sich verstärkt seit 1981 in der Zeitschrift für GeSchichtswissenschaft; s. in Jg. 1981, Nr. 5, H. Bartel, Erbe und Tradition in Geschichtsbild und Geschichtsforschung der DDR; G. Lozek, Die Tradi-tionsproblematik in der geschichtsideologischen Auseinandersetzung; W. Schmidt, Nationalgeschichte der DDR und das territorialstaatliche-historische Erbe, (1981) 5; H. Bartel/W. Schmidt, Historisches Erbe und Traditionen - Bilanz, Probleme, Konsequenzen, (1982) 9; G. Benser, Wortmeldungen zur Diskussion um die DDR-Geschichte, 11983) 3, mit einer Auseinandersetzung mit weite-ren Artikeln, sowie im gleichen Heft den Bericht u u reine Tagung des Rates für Geschichtswissenschaft der DDR: „Historisches Erbe und Tradition Probleme und Konsequenzen".

  6. Vgl. K. Zernack, Polnische Geschichte im Jahrtausendbezug. Standards und Kriterien wissenschaftlicher Geschichtsdarstellung, in: K. -E. Jeismann/S. Quandt (Hrsg.), Geschichtsdarstellung. Determinanten und Prinzipien, Göttingen 1982, S. 8 ff.

  7. W. Bleek, Einheitspartei und nationale Frage 1945— 1955, in: Der X. Parteitag der SED — 35 Jahre SED-Politik. Versuch einer Bilanz, Köln 19822; siehe ferner zu dieser Frage der Interpretation des nationalen und staatlichen Selbstverständnisses in der DDR: tR. Thomas, Modell DDR. Die kalkulierte Emanzipation, München 19828, und Chr. Kießmann, Die doppelte Staatsgründung. Deutsche Geschichte 1945— 1955, Bonn 1982.

  8. K. Hager a. a. O. (Anm. 1), S. 293.

  9. Lehrpläne für die Grund-und Oberschule in der SBZ. Geschichte, 2. Aufl., 1. 9. 1947.

  10. A. Meusel, Der Kampf um die Einheit in der deutschen Geschichte: Geschichte in der Schule, 1 (1948/49) 1/2, S. 13.

  11. Hinze/Richter/Meyer, Deutschlands Kampf um Einheit und gerechten Frieden, in: Geschichte in der Schule, 1. (1948/49) 6, S. 24.

  12. Lehrbuch für den Geschichtsunterricht, 8. Schuljahr, Berlin 1952, S. 362— 377.

  13. Ebd., S. 377.

  14. 1955 erschien ein neuer Lehrplan für die Grundschulen, 1954 für die Oberschule und dazu ergänzend eine „Direktive“ von 1956. Am 1. September 1959 trat parallel zur Einführung der zehnklassigen allgemeinbildenden polytechnischen Oberschule ein umfassendes „Lehrplanwerk" in Kraft, das die organisatorische Neuordnung didaktisch ausfüllte.

  15. Lehrbuch für Geschichte der 10. Klasse der Oberschule, Berlin\ 1960. Alle Hinweise und Zitate im Teil C, 1950 bis Gegenwart.

  16. Eine sehr deutliche, differenzierte Auflistung des Lernziels „demokratisches Nationalbewußtsein" findet sich schon 1950 bei W. Groth, Zur Frage der Erziehung zum demokratischen Patriotismus, in: Geschichte in der Schule, 3 (1950) 6, S. 19: „ 1. Liebe zum eigenen Volke als Quelle eines echten Nationalstolzes; 2. Freundschaft mit allen Völkern, insbesondere mit der Sowjetunion und den Völkern, die im antiimperialistisch-demokratischen Lager einen erbitterten Kampf gegen die Weltreaktion führen; 3. Haß gegen die Reaktion als Motiv des Kampfes gegen die rückschrittlichen Traditionen im eigenen Volke und gegen die inneren und äußeren Feinde der wahren und friedlichen Interessen der deutschen Nation; 4. Aktivitäten bei der friedlichen Aufbauarbeit der Heimat aus eigener Kraft und Bereitschaft, die demokratischen Grundlagen und die Erfolge dieser Arbeit gegen alle störenden Einflüsse oder feindlichen Angriffe zu verteidigen: . Bereit zur Arbeit und zurVerteidigung des Friedens'; 5. Bewußtsein, daß die Interessen des Volkes mit den Interessen seiner Staatsführung untrennbar verknüpft sind, als Quelle der Liebe zum Präsidenten der Deutschen Demokratischen Republik und des Vertrauens zu den Vertretern des werktätigen Volkes in seiner Regierung; 6. Einsicht in die geschichtlich begründete Führungsrolle der Arbeiterklasse bei der Sammlung aller patriotischen Kräfte und dem gemeinsam von diesen Kräften geführten Kampf der Nationalen Front des demokratischen Deutschland.“

  17. Beschluß des Politbüros der SED vom 5. 10. 1955: Die Verbesserung der Forschung und Lehre in der Geschichtswissenschaft der DDR, in: Dokumente der SED, Bd. 5, Berlin 1956, S. 348.

  18. Die Erklärung des „Grundwiderspruchs“ zuerst in der „programmatischen Erklärung des Vorsitzenden des Staatsrates der Deutschen Demokratischen Republik", Walter Ulbricht, vor der Volkskammer am 4. 10. 1960, in: Neues Deutschland, 5. 10. 1960-, s. zum Begriff des „Durchgangsstadiums''A Kosing, Illusion und Wirklichkeit in der nationalen Frage, in: Einheit, 17 (1962) 5.

  19. K. Hager, Wissenschaft und nationale Politik, in: Sonntag, (1962) 26, S. 3. In der „Einheit", 17 (1962) 4, S. 8, konnte E. Hoffmann formulieren: „Die Deutsche Demokratische Republik verkörpert bereits heute die zukünftige geeinte sozialistische deutsche Nation."

  20. Diese Diskussionsstufe spiegelt der neue Lehrplan für das Fach Geschichte insbesondere für die Klassen 8— 10 der Oberschule und 9— 10 der Erweiterten Oberschule sowie für die Klassen der Berufsausbildung und Volkshochschule. Der dann folgende Lehrplan von 1970/71 differenziert den Lehrplan von 1966. Dem Lehrplan von 1966 entspricht eine Neufassung des Geschichtswerkes für die Schulen; für die 10. Klasse erscheinen jetzt zwei Bände, 1968 und 1969.

  21. Geschichte. Lehrbuch für Klasse 10, Teil 1, 1969, (1. Auflage 1967) „Die Sicherung des Friedens durch die Schutzmaßnahmen der DDR vom 13. August 1961“, S. 215ff.

  22. Dieses Zitat aus der Rede Walter Ulbrichts aus dem Jahre 1967 wurde in das neue Lehrbuch für Geschichte, Klasse 10, Teil 2, 1969, S. 51, aufgenommen — in den überarbeiteten Fassungen nach 1971 steht es nicht mehr.

  23. Geschichte. Lehrbuch für Klasse 10, 1977, S. 161.

  24. Die Umsetzung der neuen Interpretation des Zustandes der Nation erfolgte nur zögernd. Der Lehrplan von 1971 wurde erst 1977 ganz der neuen Linie angepaßt. Das Lehrbuch von 1974, das als Überarbeitung der Bücher von 1968/69 im alten Rahmen eine Glättung und Anpassung versuchte, mußte 1977 durch ein neues Büch ersetzt werden. S. dazu auch die Ausführung von D. Waterkamp, Die Deutschlandpolitik in der politisch-historischen Bildung in der Bundesrepublik und der DDR-Rückblick und Vergleich, in: Deutschlandarchiv, 12 (1979) 4, S. 415f.

  25. Ein ebenso intimer wie distanzierter Kenner der deutschen Geschichte, Gordon Craig, urteilt entsprechend: „Die Art, wie die SED-Propagandisten die Wiedervereinigungsfrage, benutzten, war stets durch taktische Überlegungen beeinflußt.. " (über die Deutschen, München 1982, S. 339). Es wird schwer sein, außerhalb eingehender Biographien führender Persönlichkeiten den Grad dieser Beeinflussung durch taktische Überlegungen einerseits, den politischen Ernst der Wiedervereinigungsforderung andererseits genau gegeneinander abzuwägen.

  26. K. Röttgers, Geschichtserzählung als kommunikativer Text, in: S. Quandt/H. Süßmuth (Hrsg.), Historisches Erzählen, Göttingen 1982, S. 41.

Weitere Inhalte

Karl-Ernst Jeismann, Dr. phil., geb. 1925; o. Professor für Neuere Geschichte und Didaktik der Geschichte, Direktor des Georg-Eckert-Instituts für internationale Schulbuchforschung in Braunschweig; Studium der Geschichte, Germanistik, Philosophie und Geographie in Kiel und Münster. Veröffentlichungen u. a.: Das Problem des Präventivkrieges im europäischen Staatensystem, 1957; Das Preußische Gymnasium in Staat und Gesellschaft Die Entstehung des Gymnasiums als Schule des Staates und der Gebildeten, 1787— 1817, 1974; Geschichte/Politik. Grundlegung des historisch-politischen Unterrichts (zus. mit G. C. Behrmann u. H. Süßmuth), 1977; Friedrich Harkort. Schriften und Reden zu Volksschule und Volksbildung, 1969; Staat und Erziehung in der preußischen Reform 1807 bis 1819, 1969; J. W. Süwern. Die Reform des Bildungswesens, 1981; Herausgeber von „Internationale Schulbuchforschung", Zeitschrift des Georg-Eckert-Instituts für internationale Schulbuchforschung; Studien zur internationalen Schulbuchforschung, Schriftenreihe des Georg-Eckert-Instituts.