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Xenotransplantation zwischen medizinischen Möglichkeiten und ethischen Ansprüchen | APuZ 6/1999 | bpb.de

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APuZ 6/1999 Bioethik und Bioethikkonvention Forschung an nichteinwilligungsfähigen Menschen Klonen. Die künstliche Schaffung des Menschen? Xenotransplantation zwischen medizinischen Möglichkeiten und ethischen Ansprüchen Dissens in Fragen von Leben und Tod: Können wir damit leben?

Xenotransplantation zwischen medizinischen Möglichkeiten und ethischen Ansprüchen

Claus Hammer

/ 21 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Über 80 Prozent der Patienten mit lebensbedrohenden Erkrankungen würden ein Tierorgan als Transplantat akzeptieren, um damit ihre Lebensqualität zu verbessern oder den drohenden Tod aufzuschieben. Damit könnte die Xenotransplantation eine der Transplantationsmöglichkeiten der Zukunft werden. Diese Transplantation von Tierorganen hat jedoch im Gegensatz zur Transplantation menschlicher Organe (Allotransplantation) schwere immunologische Hindernisse zu überwinden. Haustiere, hier vor allem das Schwein, unterscheiden sich biologisch in vielfacher Hinsicht vom menschlichen Empfänger. Trotz dieser erheblichen Unterschiede konnten beachtliche experimentelle Erfolge erzielt werden, insbesondere nachdem die Erzeugung transgener Tiere möglich geworden war. Die ethischen Fragen und die ökologischen Überlegungen sind jedoch noch nicht gelöst. Welcher Patient erhält ein Organ, wenn diese in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen? Wer trägt die Verantwortung für anfängliche Fehler? Könnte durch die Übertragung von Tierkrankheiten auf den Patienten die gesamte Bevölkerung gefährdet werden? Xenotransplantation wird nicht nur aufgrund der hohen Zahlen sehr teuer. Die unbegrenzte Xenotransplantation könnte auch die Ressourcen der Versicherungen übersteigen. Die Wissenschaft auf diesem Gebiet bedarf deshalb enormer Anstrengungen und finanzieller Unterstützung, denn es gilt, 90 Millionen Jahre Evolution zu überlisten.

I. Einleitung

Xenotransplantation ist die Übertragung von Gewebe und Organen zwischen unterschiedlichen Tierarten, im besonderen zwischen Tieren und Menschen. Die Ergebnisse der menschlichen (allogenen) klinischen Organtransplantation führten zu dem aktuellen und auch zukünftig drohenden Mangel an menschlichen Geweben und Organen für die Transplantation. Alle Bemühungen, der Spendebereitschaft in der Bevölkerung neue Impulse zu geben und die Spendeprogramme zu verbessern, schlugen bisher fehl. Initiativen, die Lebensweise der Bevölkerung gesünder zu gestalten und damit die Nachfrage nach Transplantaten zu reduzieren, werden im allgemeinen nicht befolgt. Im übrigen sind Situationen, die ein Transplantat erforderlich machen, in aller Regel nicht durch einen gesünderen Lebensstil zu vermeiden. Meist sind angeborene Krankheiten, Infektionen und Stoffwechselstörungen die Ursache für die lebensbedrohliche Erkrankung, die die Transplantation erforderlich machen. Dieser zunehmende Mangel an menschlichen Organen für die Transplantation führte zur Suche nach alternativen Methoden. Die Therapie mit künstlichen Organen -wie der Dialyse oder dem Kunstherz -ist mit großem Aufwand verbunden, mit schweren Nebeneffekten behaftet, sehr teuer und gestatten oft nur ein Leben von geringer Qualität.

Die Transplantation von tierischen Organen als Alternative verspricht hier, auf den ersten Blick, eine ideale Abhilfe. Die Transplantation von Schimpansen-und Pavianorganen in den sechziger Jahren täuschten auch überaus erfolgversprechende Ergebnisse vor. Leider konnte dieser erste, bestechende Eindruck bis heute nicht bestätigt werden. Derzeit werden pro Jahr rund 36 000 menschliche Organe weltweit transplantiert. Wieder haben enthusiastische Kollegen errechnet, daß -sollte die Xenotransplantation klinisch bald realisierbar werden -im Jahre 2010 bereits 300 000 tierische Organe verpflanzt werden. Voraussetzung dafür ist, daß die Lebensqualität eines

Patienten mit einem Tierorgan der nach einer Allotransplantation, also einer Transplantation eines menschlichen Organs, entspricht.

II. Akzeptanz von Xenotransplantaten

Medien sind häufig geneigt, aus Sensationslust mit Nachrichten über das Ziel hinauszuschießen. So lautete kürzlich ein Leitartikel über Xenotransplantation in einer der großen deutschen Tageszeitungen: „Schweineherz um jeden Preis.“ Die Realität sieht jedoch bescheidener aus. Beim Treffen der New York Academy of Sciences und der OECD im April 1998 wurde die internationale Stellung zu dieser Frage klar definiert: Xenotransplantation im Prinzip: ja; klinisch in nächster Zukunft: nein. Was die Akzeptanz der xenogenen Transplantation in der Bevölkerung anbetrifft, so wird weder die große Euphorie einiger Wissenschaftler von der Öffentlichkeit geteilt noch das andere Extrem, nämlich die gesamte Forschung auf dem Gebiet der Xenotransplantation mit einem Moratorium zu belegen. Gezielte Forschung ist, was gewünscht wird, mit Ergebnissen, die die Bevölkerung nicht abstoßen oder erschrecken und die den Patienten auf den Wartelisten keine falschen Hoffnungen machen oder die sie gar enttäuschen. Eine entsprechende Umfrage 1996 zum Fragenkomplex Xenotransplantation in Bayern hat damals ergeben, daß nur sechs Prozent der gesunden Durchschnittsbevölkerung ein Tierorgan „bevorzugen“ würden. Das Hauptargument für Xenotransplantation war, daß damit die ethischen Probleme des Hirntodes und der Organspende umgangen werden können. Ein Leichenorgan würden 32 Prozent der Befragten vorziehen, um damit eine Abhängigkeit vom Spender zu vermeiden, und 38 Prozent der Personen wollten nur das Organ eines lebenden Verwandten akzeptieren, da damit dessen Herkunft sicher zu belegen wäre.Fragte man gezielt: Würden Sie im Notfall ein Schweineherz tolerieren?, antworteten 20 Prozent der Jugendlichen mit Ja. Menschen im Alter von 50 Jahren antworteten in 50 Prozent der Fälle positiv. Patienten auf Wartelisten, und dies gilt für Deutschland, die USA und Australien, würden zu 80 Prozent ein Schweineherz akzeptieren, um so den drohenden Tod hinauszuzögern. Alle Patienten machten jedoch zur Bedingung, daß die Lebensqualität mit dem speziesfremden Herzen jener mit einem menschlichen Herzen entspricht. Eine solche Kontrollsituation existiert aber bisher praktisch nicht. Lediglich eine amerikanische Lehrerin, die 1964 von Professor Reemtsma eine Schimpansenniere transplantiert bekam und neun Monate überlebte, bestätigte, daß sie „ihr Leben mit Hilfe des Tierorgans genossen hätte“. Sie starb aufgrund der ungenügend erforschten Abstoßungsbehandlung (Immunsuppression) an Infektionen. Seither wurden über hundert Tierorgane auf Menschen transplantiert oder „extra corporal“ als Bioreaktoren an den Kreislauf von Patienten im Leberkoma angeschlossen. Keines dieser Xenotransplantate oder xenogenen „Konstruktionen“ war in der Lage, den menschlichen Empfänger länger als zwei Monate am Leben zu halten.

Systematische Tierversuche und einige klinische Experimente machten klar, daß die zoologisch-evolutionäre Diskrepanz zwischen den Tieren, die als Organquelle für Menschen als Empfänger vorgesehen sind, für die schweren Abstoßungsreaktionen verantwortlich gemacht werden muß. Alle Typen der xenogenen Abstoßung übertreffen an Heftigkeit und Geschwindigkeit die allogenen Reaktionen bei weitem. Hinzu kommt, daß die immunsuppressiven Maßnahmen, die für allogene Transplantate entwickelt wurden, ein entsprechendes speziesfremdes Transplantat nicht vor den xenogenen Reaktionen schützen können. Eine spezifische Immunsuppression für Xenotransplantate existiert noch nicht. Die aggressive Abstoßungstherapie, wie sie seither in kliniknahen Tierversuchen erprobt wurde, wäre bei Patienten nicht oder nur begrenzt anwendbar. Der Empfänger und sein Xenotransplantat wären damit vermehrten Infektionsrisiken ausgesetzt. Versuchstiere, die diese Art von Immunsuppression erhalten, sterben meist an schweren Infekten und nicht an Abstoßungsreaktionen. Da es sich vor allem um Infektionen handeln würde, die vom Tier stammen (Zoonosen) und wahrscheinlich noch gar nicht bekannt sind, wird eine ernste Gefährdung der Bevölkerung durch die Übertragung von Krankheiten durch das Xenotransplantat (Xenozoonose) befürchtet.

Selbst wenn alle diese immunologischen Hindernisse überwunden werden, ist nicht sicher, ob ein physiologischer Stoffwechsel zwischen zoologisch weit entfernt verwandten Spezies möglich ist. Enzyme, Hormone und andere Botenstoffe benötigen für eine Funktion entsprechende speziesspezifische Rezeptoren, Induktoren und Hemmstoffe, die auf der Zielzelle in passender Form vorliegen müssen. Dies gilt für rund 10 000 Moleküle, die z. B. die Leberzelle eines Säugetiers in jedem Augenblick produziert. Es darf nicht erwartet werden, daß die genetische Beeinflussung und Veränderung einer einzigen Vermittlersubstanz ausreicht, um dieses komplexe System gezielt zu steuern. Selbst wenn 90 Prozent der Mediatoren zur Interaktion fähig sind, besteht immer noch die Frage, welchen Schaden die restlichen zehn Prozent Fehl-oder Nichtreaktionen nach sich ziehen.

III. Probleme der Xenotransplantation

1. Xenogene Abstoßungsreaktionen

Xenogene Abstoßungsreaktionen umfassen weitaus komplexere und vielfältigere Mechanismen als die Abstoßungsreaktionen, die bei Transplantation innerhalb einer Tierart (allogen) auftreten. Sie bestehen aus Formenkreisen wie hyperakuter xenogener Abstoßung, verzögerter hyperakuter -auch akute vaskuläre Abstoßung genannt -und chronischer xenogener Abstoßungsreaktion. Unter Xenotransplantation versteht man die Übertragung von Organen zwischen Tierarten. Transplantation zwischen zoologisch nahe verwandten Spezies -wie z. B. Affe und Mensch -wird als konkordant bezeichnet. Jede Transplantation der Organe von Tieren außerhalb der zoologischen Ordnung, d. h. von weit entfernt verwandten Spezies -wie z. B. Schwein und Mensch wird diskordant genannt. Diskordante Transplantate werden innerhalb von Minuten bis Stunden hyperakut zerstört. Abstoßungsreaktionen, die bei konkordanter Transplantation beobachtet werden, dauern Tage bis Wochen und ähneln denen im allogenen System, sind jedoch wesentlich heftiger. Da dem Menschen nahverwandte Spezies, die Primaten, aus ethisch-moralischen und hygienischen Gründen aus heutiger Sicht nicht für eine spätere klinische Anwendung in Frage kommen, konzentriert sich die Forschung derzeit auf diskordante Systeme, im speziellen die Kombination Schwein-Mensch. Hyperakute xenogene Abstoßungsreaktion (HXR) Überträgt man unbehandelte Organe zwischen diskordanten Tierarten, so werden diese in charakteristischer Weise innerhalb von Minuten hyperakut abgestoßen. Sogenannte präformierte natürliche xenoreaktive Antikörper setzen sich an ihre Ziel-strukturen. auch Epitope genannt, auf die Oberfläche der Zellen, die die Blutgefäße auskleiden, die Endothelzellen. Dadurch wird ein System von eiweißspaltenden Enzymen, die Komplementkaskade, in Gang gesetzt. Durch die aktivierten Endothelzellen wird eine noch unbekannte Anzahl von speziesspezifischen und speziesunspezifischen Reaktionsketten gestartet. Die präformierten Antikörper sind das Resultat der Immunreaktion jedes Individuums gegen Antigene von Bakterienoberflächen. Altweltaffen und Menschen besitzen besonders viele dieser xenoreaktiven Antikörper. Die hyperakute Abstoßung kann in zwei Abschnitte unterteilt werden. In der ersten, raschen Phase dieser Reaktion verlieren die Endothelzellen ihre Schutzmechanismen. Durch Zerstörung der Blut-Gewebe-Schranke wird die Blutgerinnung in Gang gesetzt. Dies führt zu Thrombosen erst in den Kapillaren (kleinste Blutgefäße), später treten diese Blutgerinsel auch in den großen Blutgefäßen auf. Parallel dazu bleiben weiße Blutkörperchen (Leukozyten) am gestörten Endothel (Zellschicht an der Innenfläche der Blutgefäße) hängen. Die Funktion des Organs kommt zum Erliegen.

Verzögerte und akute xenogene Abstoßung/akute vaskuläre Reaktion Wird eine hyperakute Abstoßung erfolgreich verzögert, folgt der zweite Abschnitt, die akute vaskuläre Abstoßung. Diese Abstoßung zerstört ein Xenotransplantat innerhalb von Tagen bis Wochen. Neben den immunologisch wirksamen Molekülen sind nun auch immunologisch aktive Zellen aus dem Blut beteiligt.

Wird auch die akute vaskuläre Reaktion unterdrückt, so folgt die akute zelluläre xenogene Abstoßung. Noch existieren sehr lückenhafte Vorstellungen über diesen Prozeß, da ein Langzeit-überleben im xenogenen diskordanten System nur selten erzielt wurde. Aufgrund von Beobachtungen wird vermutet, daß -wie bei allogener zellulärer Abstoßung vor allem sogenannte Helferzellen, eine Art der Leukozyten, die wichtigste Rolle spielen. Sie führen zu den bekannten Abstoßungsmechanismen. Wenngleich der Alloreaktion sehr ähnlich, übertrifft die xenogene Abstoßungsreaktion diese bei weitem an Heftigkeit und Schnelligkeit. Medikamente, die zur Unterdrückung der

Alloreaktionen eingesetzt werden (Immunsuppressiva), erweisen sich hier nur als begrenzt wirksam. Die chronische xenogene Abstoßung, so wird vermutet, ist eine Folge der zellulären Mechanismen. Inwieweit lösliche Substanzen des Blutes und Viren beteiligt sind, ist nicht bekannt.

2. Immunsuppression und genetische Manipulation

Die hyperakute Abstoßung spricht auf konventionelle Immunsuppression nicht an. Absenkung oder Entfernung der beteiligten Parameter verzögern zwar die Reaktionen, heben sie aber nicht vollständig auf. Versuche durch Blutverdünnung, Absorption von präformierten Antikörpern -auch an speziesspezifischen Organen vor der Xenotransplantation -und die Inaktivierung von Komplementen (Serumbestandteil, der die spezifische Wirkung eines Antikörpers ergänzt) führten zu keinem dauerhaften Erfolg. Durch extreme Immunsuppression konnte die Bildung der präformierten Antikörper zwar unterdrückt werden, ein klinisch relevanter Effekt wurde durch diese Behandlung aber nicht erzielt. Das Ergebnis war, daß die akute vaskuläre Abstoßung durch konventionelle Immunsuppressiva nur unwesentlich beeinflußt wird.

3. Transgene Veränderung der Tiere

Um die extreme Immunsuppression, die bei xenogener Transplantation nötig wird, zu umgehen, wurden Schweine, die als Organquellentiere Verwendung finden sollen, gentechnisch verändert. Durch Einbringen von menschlichen Genen in den Zellkern von Schweineeizellen wurde die gewünschte Information übertragen. Solche außerhalb des Mutterleibes präparierten Eizellen wurden in die Gebärmutter hormonell vorbehandelter Ammen-schweine injiziert. Damit konnten die gewünschten menschlichen transgenen Eigenschaften in Basis-tieren angereichert und geeignete Schweine für weitere Versuche gezüchtet werden. Die Organe dieser Schweine sind nicht mehr fähig, die xenogene Komplementkaskade in Gang zu setzen. Da diese Komplement-Regulatorproteine spezies-spezifisch sind, muß das humane Produkt auf Schweine, die als Organquelle bei Mensch und Primat gelten, übertragen werden. Durch diese Veränderung konnte eine signifikante Verlängerung der Überlebenszeit von Schweineherzen und -nieren erreicht werden, nachdem diese in Affen transplantiert wurden. Zusätzliche starke Immunsuppression führte zu den Ergebnissen und Überlebenszeiten von über 45 bzw. 70 Tagen, welche die großen Hoffnungen auf klinisch anwendbare Xenotransplantation weckten. Es sollte jedoch nicht verschwiegen werden, daß die meisten der längere Zeit überlebenden Tiere aufgrund schwerer Nebenwirkungen der Immunsuppressiva wie Diarrhöen, Infektionen und Blutungen getötet werden mußten. Für Patienten sind diese Behandlungen nicht zu vertreten. Zieht man alle bisher bekannten immunologischen und physiologischen Hindernisse in Betracht, so scheint eine Lösung nur in der Erzeugung der Organtoleranz zu liegen. Immunologische Toleranz bedeutet, daß der vorbereitete Organempfänger das fremde Organ nicht abstößt, sondern toleriert, auch wenn nicht immunsuppressiv behandelt wird. Würde eine xenogene Toleranzinduktion gelingen, wäre damit nicht nur das Problem der Abstoßung gelöst, sondern es bestünde auch eine Toleranz gegen sonst speziesspezifische antigene Produkte der xenogenen Organe wie Enzyme und Hormone. Ob damit allerdings die speziesspezifischen Barrieren der physiologischen Diskrepanzen, zum Beispiel von Hormonen und deren Rezeptoren, überwunden werden, ist bislang unbekannt. In nah verwandten Systemen wie Maus-Ratte und Pavian-Cynomolgusaffe wurden erste derartige Knochenmarkstransplantationen erfolgreich durchgeführt. Nach einer Knochenmarkstransplantation von einem Schwein auf einen Pavian überlebten native Schweinenieren mit begleitender geringer Immunsuppression 15 Tage.

4. Infektionsrisiko nach Xenotransplantation

Unter der extremen Immunsuppression, wie sie bei Xenotransplantation nötig wird, besteht auch die Möglichkeit der Übertragung von krankmachenden (pathogenen) Keimen von Tieren auf den Menschen, sogenannten Xenozoonosen. Normalerweise ist ein gesunder Mensch gegen diese Viren und Bakterien resistent. Die meisten nichtviralen Erreger, die vom Tier auf den Menschen übertragen werden können, sind bekannt, ebenso deren Therapie. Anders verhält es sich mit Viren, insbesondere Retroviren. Sie sind im Chromosom eines jeden Tieres enthalten und bleiben in der Regel, was ihre Funktion anbetrifft, stumm, d. h., sie verursachen keine Krankheit. Werden solche Viren aktiviert, umhüllen sie sich mit der Zellen-membran wie mit einer Tarnkappe und bleiben vor allem in transgenen Tieren für das neue Immun-system unerkennbar. Das heißt, es findet keine Abwehrreaktion statt, die auf einer Komplement-aktivierungberuhen würde. Da dieses infektiöse Material unbekannt ist, besteht die Möglichkeit der Übertragung von nicht definierten Keimen vom Schwein auf den Menschen. Eine Diagnose kann nicht gestellt werden, da für diese Erreger keine Nachweismethoden bestehen. Weltweit wird intensiv an diesem Problem gearbeitet. Die Übertragung tierischer Viren auf Menschen ist nicht nur bei Xenotransplantation möglich, man denke an HIV, Grippeviren, Rotaviren und Prionen, die alle von Tieren stammen, dort unerkannt blieben, beim Menschen aber verheerende Wirkungen zeigen. Deshalb müssen im Falle klinischer Xenotransplantation solange erhebliche Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden, bis vollständige Sicherheit besteht, daß eine Übertragung von Retroviren auf den Patienten selbst, seine Umgebung oder die gesamte Bevölkerung nicht möglich ist.

Ethikkommissionen und Transplantationsgesellschaften haben bereits Richtlinien entworfen und veröffentlicht, wie mit den Quellentieren aber auch mit den Xenotransplantatempfängern umgegangen werden muß. Es wird vorgeschrieben, daß Quellentiere und Patienten über einige Zeit in geschlossenen Systemen (Barrieren) leben müssen. Die Patienten müßten über einen noch unbekannten Zeitraum körperlichen Kontakt mit anderen Menschen meiden. Von Tier und Patient müssen Gewebeproben archiviert werden, um später Rückschlüsse auf eventuelle Infektionen ziehen zu können. Zoonosen (Krankheiten, die von Tieren auf Menschen übertragen werden) und Xenozoonosen (Krankheiten, die mit Tierorganen auf Menschen übertragen werden) werden von Wissenschaftlern als Gefahr der Virusübertragung sehr ernst genommen, jedoch nicht für so gravierend gehalten, daß ein Moratorium für Xenotransplantation als solche ausgesprochen werden muß. Der augenblickliche Vorteil des einzelnen (Empfängers) muß allerdings gegen das Risiko der Gesellschaft abgewogen werden.

5. Anatomische Unterschiede

Xenogene Organe weisen in der Regel auch eine speziesspezifische Anatomie auf. Über 130 Millionen Jahre hat die Evolution den Phänotyp der Säugetiere geprägt. Dabei haben selbst geringe Umwelteinflüsse erhebliche Unterschiede hervorgebracht. Von den mehr als 4 000 Säugerspezies sind nur wenige, meist unsere großen Haustiere, als Organquellen geeignet. Die anatomischen Differenzen zwischen Mensch und Schwein stellen ein Hindernis dar. Form, Struktur und Gewebeeigenschaften, aber auch mechanische und funktionelle Besonderheiten bestehen zwischen den verschiedenen Tierarten. Diese können die chirurgischen Techniken erschweren. Zu große Organe werden entweder komprimiert oder nehmen zum Beispiel im Brust-raum zu viel Platz ein. Zu kleine Organe können in kurzer Zeit expandieren, was unweigerlich zum Funktionsverlust führt, oder sie reichen als Organ-ersatz nicht aus.

Die aufrechte Flaltung des Menschen bzw. horizontale Stellung der anderen Säugetiere nimmt Einfluß auf die Funktion der Organe. Als Beispiel sei die Lunge erwähnt. In der menschlichen Lunge findet der Gasaustausch normalerweise nur im unteren Drittel statt. Beim horizontal lebenden Schwein liegt eine unterschiedliche Anatomie vor. Aus der Klinik ist bekannt, daß die Lunge des Menschen eine dauernde horizontale Position nur schlecht verträgt. Deshalb stellt sich die Frage, ob eine Schweinelunge lebenslang eine aufrechte Haltung tolerieren würde.

Unter diesem Aspekt muß vermutet werden, daß sich der unterschiedliche Blutkreislauf -zusammen mit der höheren Viskosität (Zähflüssigkeit) des menschlichen Blutes, der abweichenden Größe der roten Blutkörperchen und deren unterschiedlicher Zahl -auf den Gasaustausch auswirkt. Aus ersten Versuchen ist bekannt, daß die xenogene Lunge ihre Funktion als Reservoir für weiße Blutkörperchen besonders dramatisch erfüllt. Bereits ein bis zwei Minuten nach Öffnung des Kreislaufes kleben fast alle zirkulierenden weißen Blutzellen in der xenogenen Lunge. Die Konstruktion des Schweineherzens und seiner Herzklappen ist auf die horizontale Pumpfunktion ausgerichtet. Zwar ist das Herzzeitvolumen beider Herzen, ob von Mensch oder Schwein, pro Kilogramm Körpergewicht vergleichbar, die Konstruktion der Klappen aber ist signifikant unterschiedlich. Trotzdem bewähren sich Schweineherzklappen klinisch sehr gut.

IV. Enzyme und Hormone

Jedes höhere Säugetier produziert zahllose Enzyme, die alle speziesspezifisch sind. Jede Leber, ob transplantiert oder nicht, ist in der Lage, 2 500 Enzymsysteme zu bilden. Meist werden diese aus Vorläufermolekülen aktiviert. Dies wiederum geschieht mit Hilfe von Peptiden (Spalt-produkten), Hormonen oder anderen Enzymen.

Isoenzyme sind die gewebespezifischen Formen der Enzyme. Viele sind stereospezifisch und oft monospezifisch, das bedeutet, daß sie nur eine „Abspaltestelle“ an ihrem Eiweißmolekül erkennen, z. B. zwei Aminosäuren, die in einer definierten Sekundärstruktur liegen. Diese Aktivitäten benötigen eine konsequente Regelung, die, wenn entgleist, zu totalem Chaos führen kann. Ob diese Kontrolle zwischen weit entfernt verwandten Spezies möglich ist, ist nicht bekannt, aber eher unwahrscheinlich. Daher, so nimmt man heute an, wird die Leber das Organ sein, das in naher Zukunft nicht als dauerhaftes Xenotransplantat Anwendung finden wird. Auch Versuche, mit isolierten Schweine-oder Primatenlebern Patienten im Leberkoma zu behandeln, sind bisher nicht überzeugend.

Das Spektrum der Steroidhormone (Wirkstoffe, die aus Cholesterin oder Cholesterinderivaten gebildet werden, z. B. das Hormon der Keimdrüsen) scheint biologisch und funktionell bei Säugern ähnlich zu sein. Allerdings variieren zirkulierende Steroide in ihrer Konzentration, und die hormonbindenden Trägermoleküle sind unterschiedlich oder fehlen. Noch ist die hormonelle Interaktion nicht vollständig verstanden und die Struktur der Rezeptoren häufig nicht bekannt. Sicher ist, daß Hormone, wenn die Rezeptoren der Zielzelle nicht passend sind, nicht funktionieren. Hormone brauchen für ihre Aktion nicht nur Rezeptoren, sondern auch Antagonisten, Hemmstoffe und Transportmoleküle, die meist spezies-spezifisch sein müssen, um die Feed-back-Mechanismen, die Speicherung, die Sekretion und den Stoffwechsel zu steuern.

Ob, ähnlich wie bei Enzymen auch, die Messung der zirkulierenden Hormone in xenogenen Modellen eine Bedeutung hat, ist nicht bekannt. Werden Schweineorgane mit menschlichem Blut in Verbindung gebracht, so werden meist große Mengen von beiden Enzymen (menschliches oder tierisches) oder Mediatoren nachgewiesen. Auch hier ist nicht bekannt, ob es zu physiologischen oder eher pathologischen Stoffwechselabläufen kommt. Im Falle des menschlichen Wachstumshormons wurde belegt, daß transgene Mäuse, die das Gen des humanen Wachstumshormons tragen, sich zu Riesenmäusen entwickeln und aufgrund pathologischer Vorgänge an den Organen frühzeitig sterben. Der Grund dafür ist, daß bei diesen Tieren die speziesspezifische Hemmsubstanz für das fremde Wachstumshormon fehlt. Da die Rezeptoren auf Schweinezellen das menschliche Wachs­tumshormon erkennen, darf angenommen werden, daß Schweineherzen in der für Schweine typischen kurzen Zeit zu der ihnen natürlichen Größe heranwachsen. Das Herz eines 350 kg schweren Tieres würde dann den gesamten menschlichen Brust-raum füllen.

V. Ethik und Kommerz

Seit mehr als fünf Jahren wird von verschiedenen Kliniken angekündigt, daß die klinische xenogene Transplantation bald anstehe. Die Ansicht, welches Organ das erste sein wird, das transplantiert wird, wechselt je nach Erfolg auf experimentellem Gebiet. Die Xenotransplantation hat diese rasante Entwicklung nur deshalb nehmen können, weil beträchtliche kommerzielle Interessen bestehen und damit finanzielle Unterstützung von der Industrie, aber auch anderen Institutionen gewährt wurde. Patentrechtliche Probleme haben den wissenschaftlichen Fortschritt nicht immer in fairer Weise beeinflußt. Darauf, daß bereits heute in Veröffentlichungen behauptet wird, im Jahr 2010 könnten weltweit 300 000 Xenotransplantationen stattfinden, ist bereits hingewiesen worden. Vorsichtige Überlegungen zeigen, daß das Vorhaben sehr kostspielig werden könnte, teurer als die Allotransplantation. Aufgrund der unbegrenzten Organzahl wären diese Fallzahlen von den Versicherungen und vom Staat nicht mehr finanzierbar. Nicht nur die xenogenen Organe kosten Geld, auch die Überwachung der Patienten vor und nach der Operation ist teuer, da nach Viren im Spender-tier gesucht werden muß, insbesondere nach solchen, die noch nicht bekannt sind. Die Medikamente zur Behandlung der Abstoßung sind, zumindest nach heutigem Stand, viel teurer als nach allogener Transplantation. Die Patienten müssen in Quarantäne leben, bis feststeht, daß sie für die Bevölkerung keine gefährlichen Keime oder Viren tragen. Die Dokumentation und Archivierung von Blut-und Gewebeproben erfordert Kühlmöglichkeiten über lange Zeiträume und schlägt damit finanziell erheblich zu Buche. Die ethischen Probleme sind zwar noch nicht gelöst, werden aber von Kirchen aller monotheistischen Religionen, von Ethikkommissionen und den großen Transplantationsgesellschaften und Ärztekammern diskutiert. Es wäre das erste Mal in der Geschichte der Medizin, daß ethisch-rechtliche Probleme gelöst wären, bevor die in Frage kommende Technik Einzug in die Klinik gehalten hat.

Xenotransplantation stellt vollkommen neue und unvorhergesehene Ansprüche an die Ethik. Es muß hier zwischen der Ethik des Patienten, des Arztes, dem Berufsethos und dem Schutz der Tiere unterschieden werden. Es muß in Betracht gezogen werden, daß Patient und Arzt unterschiedliche Aspekte vertreten können und daß nationale, internationale, ja globale Interessen bestehen. Diese Fragen sind noch einmal zu trennen von philosophischen und religiösen Aspekten.

Der Patient muß vor der Transplantation informiert werden, daß er unter Umständen das Transplantat eines Tieres bekommt. Seine Zustimmung zu einer solchen Organübertragung ist die Voraussetzung. Dürfen an Feten, Neugeborenen, Kindern oder sehr alten Menschen, die solche Entscheidungen noch nicht oder nicht mehr treffen können, Xenotransplantationen vorgenommen werden? Bei Kindern müßte im Hinblick auf mögliche Vererbung oder Übertragung von besonderen Charakteristika auf zukünftige Generationen besonders vorsichtig entschieden werden. Die Weitergabe genetischen Materials im Sinne eines Mensch-Tier-Chimärismus sollte verboten werden, ebenso die Implantation eines menschlichen Embryos in den Uterus einer anderen Art. Transplantation von „denkender Materie“ darf nicht gestattet werden, um so die menschliche Identität zu wahren.

1. Medizinisches Ethos

Der Transplanteur muß in Betracht ziehen, was für den Patienten, seine Angehörigen, für ihn selbst und seine Mitarbeiter wichtig und richtig ist. Er hat die Würde des Patienten zu achten. Selbst wenn eine Ethikkommission einer Xenotransplantation zustimmt, hat er als Arzt das Risiko abzuschätzen sowie die geistige und körperliche Integrität des Patienten in seine Handlung mit einzubeziehen. Er muß sich fragen, ob er eine Xenotransplantation durchführen darf, nur um das medizinische Wissen zu erweitern. Auch hat er dem Druck des Patienten oder der Angehörigen oder sogar des Personals zu widerstehen oder nachzukommen. Xenotransplantation sollte Leben retten und für den Patienten realistische und kalkulierbare Vorteile beinhalten.

Wissenschaftler haben die Pflicht, neue Ergebnisse korrekt -auch für die Zukunft -mitzuteilen. Es wäre unethisch, dieser Verantwortung nicht nachzukommen. Wissenschaftler müssen die Autorität besitzen, ihre Ergebnisse und Hypothesen frei zu publizieren. Diese Freiheit darf aber andererseits nicht mißbraucht werden. 2. Globale, nationale und kulturelle Ethik

Die Ethik in der Medizin ist keinesfalls eine neuzeitliche Erfindung. Der Bedarf an ethischen Richtlinien wurde erkannt, als die Menschen begannen zusammenzuleben. Die ersten schriftlichen Überlieferungen stammen von einem hinduistischen Arzt aus dem 15. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung. Der Eid des Hippokrates gilt noch heute nach 3 500 Jahren. Die Nürnberger Gesetze, die „Bill of Human Rights“ und die „Deklaration von Helsinki“ sind weltweit akzeptiert und schützen das Individuum davor, als „Versuchstier“ mißbraucht zu werden. Globale Ethik muß die Würde des Menschen schützen.

Die Probleme der Organspende und -Verteilung sind hinlänglich bekannt. Bei Xenotransplantaten wird die Verteilung nicht nur vom Reichtum der Nation, sondern auch von klimatischen Verhältnissen und religiösen Vorgaben abhängen. Im Augenblick gibt es kein nationales oder internationales Gesetz, das solche Fragen beantworten würde. Der Europarat verlangt lediglich, daß Forschung am Menschen nur mit einem minimalem Risiko verbunden sein darf. Tieren, die dafür verwendet werden, dürfen keine Leiden und Schmerzen zugefügt werden.

Alle Kulturen haben eine unterschiedliche Auffassung über das Leben, den Tod und die Transplantation, insbesondere über Xenotransplantation. Die westlichen Kulturen berufen sich dabei auf die Wissenschaft. Das Kosten-Nutzen-Verhältnis spielt dabei eine große Rolle. Deshalb laufen wir Gefahr, daß Xenotransplantation sich zu einer Frage von Technologie und Machbarkeit und weniger von Motivation und Moral entwickelt. Was Moral und Ethik in der einen Kultur bedeuten, muß nicht die gleiche Bedeutung in einer anderen Kultur haben. Aber wir müssen uns heute nach den Bedürfnissen einer pluralistischen Gesellschaft richten. Auch unterschiedlichen Wert-systemen von Entwicklungsländern muß dabei Rechnung getragen werden. Jeder Mensch hat das gleiche Recht auf Leben und seinen kulturellen Standard.

3. Religionen und Xenotransplantation

Für gläubige Menschen stellt die Xenotransplantation ein fast inakzeptables Angebot dar. Als erster Vertreter einer monotheistischen Religion äußerte sich der Rabbi von New York, Moshe David Tendier, positiv zur Xenotransplantation. Auch die beiden christlichen Kirchen folgten in ähnlicher Weise diesem Vorbild. Solange das Menschenbild nicht verändert oder zerstört wird und keine Hybridisierung der Spezies stattfindet, kann die Xenotransplantation auch kirchlich akzeptiert werden. Alle heiligen Schriften befürworten jene Mittel, die helfen, ein menschliches Leben zu retten. Auch Schweineorgane dürfen in diesem Fall, dem „Notfall“, auf todkranke Menschen übertragen werden.

Im Koran steht eine Sure (Kapitel), in welcher der Prophet ausdrücklich jede ärztliche Behandlung gestattet, die das Leben eines Menschen rettet. Er erlaubt sogar Methoden, die zur Zeit der Niederschrift des Koran noch gar nicht bekannt waren. In Deutschland haben erst kürzlich die evangelische und die katholische Kirche eine „Hilfe zur ethischen Urteilsbildung zur Xenotransplantation“ veröffentlicht. Philosophische und rechtliche Betrachtungen sollen an dieser Stelle nicht erörtert werden.

Auch beim Treffen der OECD und der New York Academy of Scienes in New York im Frühjahr 1998 kamen die anwesenden 250 Wissenschaftler überein, daß die Verwendung von Tieren, übrigens auch von Primaten, für die Forschung in der Xenotransplantation ethisch gerechtfertigt ist. Voraussetzung ist die strikte Einhaltung der Tierschutzgesetze der Länder in der westlichen Welt bzw.der beteiligten Nationen. Vorgaben der WHO, der EU und des Nuffield councils of ethics wurden als Richtlinien angeboten. Sowohl die Generierung von transgenen Tieren wie auch deren Haltung und Verwendung zu Experimenten wurde bejaht.

4. Ethik der Klonierung von Quellentieren

Die Klonierung von Nutztieren gemäß der Vorschrift durch das Tierschutzgesetz ist erlaubt. Genmanipulationen und Klonierung von Tieren, solange dies nicht eine Gefährdung der Art darstellt, scheint ethisch bedenkenlos zu sein. Da ein kloniertes Tier das Abbild des Klonelterntieres ist, besteht für die Xenotransplantation noch kein Bedarf für solche Eingriffe in die Natur. Die transgenen Vertreter von Schweinerassen sind derzeit für die klinische Xenotransplantation noch ungeeignet, so daß sie nicht in großer Zahl benötigt werden. Ein Idealtier für Xenotransplantation, dessen gesamtes physiologisches und immunologisches Skelett eine xenogene Transplantation tolerieren würde, existiert noch nicht. Für wissenschaftliche Zwecke könnte sich jedoch die Klonierung einzelner Tiere lohnen, da damit die aufwendigen und teuren Züchtungen umgangen und spezielle Fragestellungen exakt verfolgt werden könnten. Xenotransplantation schafft ein Ungleichgewicht zwischen Mensch und Tier zu Gunsten des ersteren. Obwohl nicht altruistisch, ist die Organentnahme beim Tier gesetzlich erlaubt. Deshalb sollen Tiere, denen die Organe entnommen werden, nicht als „Spender“, sondern als „Quelle“ bezeichnet werden. Auch die heftigsten Verfechter des Tierschutzes lehnen eine solche Organtransplantation nicht strikt ab. Voraussetzung ist der humane Umgang mit diesen wertvollen Wesen, wie im Tierschutzgesetz vorgeschrieben.

5. Vertrauen der Bevölkerung

Um das Vertrauen der Bevölkerung zu gewinnen, muß die Berichterstattung auch durch die Medien verbessert werden. Dazu ist es notwendig, die Wissenschaft voranzutreiben, um sichere Ergebnisse für die klinische Anwendung zu erreichen. Ethik-kommissionen und staatliche Regelungen würden Sicherheit schaffen. Damit bekäme die Xenotransplantation die Aufmerksamkeit, die. sie verdient, denn die wissenschaftlichen Fortschritte der letzten Jahre und ihr Einfluß auf weitere Forschungsgebiete waren hinreichend. Wahrscheinlich erhielt die Xenotransplantation auch deshalb die finanzielle Unterstützung, die ihr schon lange zugestanden hätte. Das Interesse der pharmazeutischen Industrie an der Xenotransplantation muß allerdings mit gewisser Vorsicht betrachtet werden, da hier ganz offensichtliche finanzielle Vorteile erwartet werden. Solange dies zum Wohle der Patienten geschieht, bestehen keine Bedenken. Wie groß das Interesse der Transplantationsgesellschaften an einer klinisch erfolgreichen Xenotransplantation ist, zeigt, daß internationale und nationale Transplantationsgesellschaften unabhängige Sektionen für Xenotransplantation einrichten. Damit besteht die Hoffnung für die Patienten, daß in nicht allzu ferner Zukunft eine ausreichende Anzahl von Organen zur Verfügung steht und die Wartelisten verschwinden. Bis dahin sollte jedoch die altruistische Spende von menschlichen Organen nicht vernachlässigt werden. Noch sind große Anstrengungen in dieser herkömmlichen Transplantation nötig, um an einer möglichst großen Zahl von Patienten Transplantationen vornehmen zu können.

VI. Zusammenfassung

Die rasche Entwicklung der Gentechnik hat die xenogene Transplantation plötzlich in die Nähe der klinischen Anwendbarkeit gerückt. Transgene Tiere, vor allem Schweine, erlauben Versuche mit Primaten als Empfängern, die zu klinisch relevanten Ergebnissen führen. Organe von Schweinen, die auf der Oberfläche jeder Zelle menschliche Komplementregulatorproteine tragen, unterliegen nicht mehr der hyperakuten Abstoßungsreaktion. Überlebenszeiten von Tagen können mit entsprechender immunsuppressiver Behandlung auf Wochen bis Monate verlängert werden.

In solchen Zeitabschnitten wird es möglich, die Mechanismen der Abstoßung näher zu untersuchen und vor allem die physiologische Leistung der Organe zu verfolgen.

Die Manipulation mehrerer Gene ist bereits möglich und wird in Zukunft weitere Verbesserungen erlauben. Blutgerinnung, Wachstum der Organe und Histokompatibilität können weiter beeinflußt werden. Hindernisse wie die Übertragung von retroviralen Erkrankungen, die noch nicht einmal bekannt sind, werden überwindbar. An rechtlichen, ethischen, moralischen und religiösen Fragen wird weltweit gearbeitet. Richtlinien auch der Quarantäne und Dokumentation der Patienten sind erstellt.

Die Übertragung solcher über die Speziesgrenze hinweg kompatibler Organe läßt eine zukünftige Anwendung nur erahnen. Das erste Ziel ist der Ersatz der großen parenchymatösen (tierisches Grundgewebe) Organe wie Herz und Nieren. Gewebe, die auf die Lebensqualität nach Transplantation weniger Einfluß nehmen, wie Inseln, neuronale und endokrine Zellen, Herzklappen und Blutgefäße, stehen in weit größerem Ausmaß zur Verfügung. Jährlich erkranken etwa 10 000 Menschen in Deutschland an Diabetes. Könnten Inseln in diesen Fällen frühzeitig übertragen werden, käme es nicht zu den schweren Folgeerscheinungen. Durch Transplantation endokriner (hormonell aktiver) Zellen könnten Parkinsonismus, Chorea Huntington und andere Enzymschäden korrigiert werden.

Wo die Grenzen einer ethisch gerechtfertigten Xenotransplantation liegen, ist noch nicht sicher. Soll jeder, der Säugling, der alte Mensch, der psychisch gestörte und der HIV-positive Patient, der bereits chronisch Kranke oder der genetisch Gezeichnete, ein Tierorgan bekommen? Bis dieser dauerhafte Ersatz möglich wird, dürfte noch viel Zeit vergehen. In dieser Übergangsphase können diese Organe aber vielleicht zur Überbrückung von kostbarer Zeit eingesetzt werden. Noch vor wenigen Jahren hatte die Xenotransplantation das Stigma, „unmöglich“ zu sein. Inzwischen hat die Gentechnologie einen Quantensprung erzielt, was die Überlebenszeiten und die Funktion einzelner Organe in Tiermodellen betrifft. Es muß anerkannt werden, daß die Xenotransplantation ein Projekt mit historischen Dimensionen ist und ein riesiges und positives Potential in sich birgt. Um dieses Projekt weiter voranzutreiben, müssen aber alle Risiken vorher erkannt und auf ein Minimum reduziert werden. Es ist deshalb die Pflicht, Xenotransplantation ins richtige Licht zu rücken. Voreilige, enthusiastische und emotionale Äußerungen sind fehl am Platze. Kommerzielle Interessen sollten zurückgestellt werden. Intensive Forschung ist nötig, um Xenotransplantation in eine Alternative zur Allotransplantation zu verwandeln. Es gilt, 90 Millionen Jahre Evolution zu überlisten.

Fussnoten

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Claus Hammer, Dr. med., Dr. med. vet, geb. 1940; Professor am Institut für Chirurgische Forschung am Klinikum Großhadern der Ludwig-Maximilians-Universität München. Zahlreiche Veröffentlichungen zur Allo-und Xenotransplantation.