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Klonen. Die künstliche Schaffung des Menschen? | APuZ 6/1999 | bpb.de

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APuZ 6/1999 Bioethik und Bioethikkonvention Forschung an nichteinwilligungsfähigen Menschen Klonen. Die künstliche Schaffung des Menschen? Xenotransplantation zwischen medizinischen Möglichkeiten und ethischen Ansprüchen Dissens in Fragen von Leben und Tod: Können wir damit leben?

Klonen. Die künstliche Schaffung des Menschen?

Ludwig Siep

/ 22 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

In der Nutztierzucht ist die Klonierung, d. h. die Erzeugung von Individuen mit den gleichen Erbanlagen, schon gelungen. Im Prinzip ist diese Technik auch auf den Menschen übertragbar. Es wäre möglich, von Menschen mit besonders „günstigen“ Erbanlagen erbgleiche Nachkommen zu erzeugen. Damit würden den Befürwortern der Eugenik, d. h.der „Höherzüchtung“ des Menschen, ganz neue Mittel in die Hand gegeben. Viele Staaten und überstaatliche Institutionen (Europäische Union, UNESCO) haben daher Verbote des Klonierens von Menschen erlassen. Der Beitrag geht zunächst kurz auf die Ziele und die ethischen Grenzen des Klonierens bei Tieren ein. Er widmet sich dann der ethischen Bewertung der beiden unterschiedlichen Verfahren der Humanklonierung, der Embryonenteilung und der Zellkernverpflanzung. Vor allem bei der zweiten Technik würden die Anlagen und Eigenschaften eines Menschen weitgehend von den Wünschen und Plänen seiner Erzeuger abhängig. Sie verstößt daher gegen die Autonomie und die Gleichheit der Menschen. In Deutschland sind Forschungen zur Entwicklung beider Techniken durch das Embryonenschutzgesetz verboten. Im letzten Teil des Beitrages werden die Regelungen und Stellungnahmen von Kommissionen und Institutionen in Deutschland, Europa, den USA und der UNESCO ausgewertet und gegenübergestellt. Dabei werden Unterschiede in der Beurteilung der Embryonenforschung und der Embryonenteilung deutlich.

I.

Menschen versuchen seit Jahrtausenden, durch Einfluß auf natürliche Fortpflanzungsprozesse Pflanzen und Tiere mit für sie günstigen Eigenschaften zu züchten: Gräser mit Früchten, die größere Mengen Mehl geben als die „Wildformen“, oder Kühe, die mehr Milch liefern als ungezüchtete Rinderarten. Züchtungsformen gibt es viele, von der Pfropfung von Pflanzen bis zur Kreuzung von Tieren mit günstigen Eigenschaften. Im Bereich der Züchtung von Säugetieren war man bis vor wenigen Jahren gebunden an die natürlichen Prozesse der Paarung, bei denen sich das Erbmaterial des männlichen mit dem des weiblichen Elternteils auf eine weitgehend zufällige Weise mischt. Zwar stammt von jedem die Hälfte der Erbanlagen des Nachkommen, aber welche Eigenschaften des Vaters oder der Muttpr sich durchsetzen, ist in der Regel nicht vorhersehbar. Der Züchter muß also immer damit rechnen, daß die gewünschten Eigenschaften in der natürlichen Fortpflanzung verlorengehen. Es gibt aber eine andere Fortpflanzungsart, bei der keine zufällige Mischung der Gene stattfindet, sondern aus einem Organismus durch Teilung ein anderer mit demselben Erbmaterial entsteht. Sie ist im Pflanzenreich verbreitet, kommt aber auch bei einigen Tierarten vor. Man spricht hier von der Entstehung eines Sprosses oder eines Klons. Für den Züchter wäre es von Vorteil, diese sichere Übertragung einmal gezüchteter Erbeigenschaften auch bei der Fortpflanzung von Säugetieren anwenden zu können. Eben dazu dienen die Techniken des Klonens. Dabei können durch Klonung sowohl vollständige neue Lebewesen wie auch Teile -Zellen, Zellverbände oder Organe -entstehen. Der Mensch ist selber ein Säugetier, das gezüchtet werden kann. Die Versuchung, auch den Menschen durch Anwendung von Züchtungstechniken zu verbessern, ist alt. Schon Platon, einer der „Gründerväter“ der europäischen Kultur, hat Ideen der Verbesserung des Menschen durch staatlich gelenkte Paarung verfolgt. Unter dem Einfluß der modernen biologischen Erblehre (Genetik) sind solche Ideen im 20. Jahrhundert in Europa und den USA wiederbelebt worden. Zur Zeit der rassistischen Nazidiktatur wurden sie in Deutschland in die Wirklichkeit umgesetzt. Auch wenn es heute keine staatlichen Versuche mehr gibt, den „neuen Menschen“ zu schaffen, sind die Plädoyers für den Einsatz der Genetik zur „Verbesserung“ des menschlichen Erbgutes noch nicht verstummt 1.

Jeder Fortschritt in der Züchtung und genetischen Veränderung von höheren Säugern kann im Prinzip auf den Menschen übertragen werden. Daß Durchbrüche in der Klonierung von Schafen und Mäusen heftige öffentliche Debatten auslösen, ist daher -zumal nach den historischen Erfahrungen -kein Ausdruck von Hysterie. Die Beschwichtigungsgeste des Wissenschaftlers, der hier nur Mißverständnisse, Dilettantismus und Wichtigtuerei am Werk sieht, reicht nicht aus, um die Befürchtungen zu zerstreuen und wachsendes Mißtrauen gegen moderne Technologien abzubauen. Die Maxime von Politikern aber, daß es „irgendwo in der Welt doch gemacht wird“ und man den Anschluß an die Spitzentechnologien nicht verlieren dürfe, ist schlicht unpolitisch. Denn Politik ist der Versuch, soziale Prozesse durch überlegte Entscheidungen zu beeinflussen, die dem Konsens der Bürger über die Prinzipien und Werte der gemeinsamen Rechtsordnung entsprechen.

Der Philosoph und Ethiker kann zur notwendigen öffentlichen Debatte über die Vorteile und Gefahren der neuen Züchtungstechniken durch Begriffsklärung, durch Prüfung moralischer Beurteilungsprinzipien und durch Vorschläge zur Güterabwägung beitragen.

Es gibt ganz unterschiedliche Ziele und auch unterschiedliche Verfahren des Klonierens. In der Tierzucht dient das Klonieren vor allem der Sicherung eines Zuchterfolges gegen Abweichungen. Beim Menschen soll das Klonen zunächst die Chancen der künstlichen Befruchtung bei sonst kinderlosen Eltern verbessern. Fernere Ziele sind die Erzeugung erbgleicher Nachkommen oder Geschwister aus emotionalen oder medizinischen Gründen. Zunächst einige Worte zur Tierzucht, in der Klonierung schon durchgeführt wird. Tierzucht kann heutzutage nicht nur die Nahrungsmittelproduktion verbessern, sondern ist zunehmend auch für die Medizin interessant. Tiere, deren Erbmaterial man durch direkten Eingriff in die Gene verändert hat, können wichtige Medikamente und Ersatz-stoffe für den menschlichen Körper erzeugen. Ein weiteres Ziel liegt im Bereich der Produktion von Organen, die Menschen beim unheilbaren Versagen der eigenen Organe eingepflanzt werden könnten. Die Transplantationsmedizin ist ein wichtiger, oft lebensrettender Teil der modernen Medizin geworden. Menschliche Organspender aber sind selten, und „normale“ tierische Organe werden vom menschlichen Körper nicht angenommen. Sie müssen durch technische Veränderung des Erbmaterials der Tiere für den menschlichen Körper „verträglich“ gemacht werden.

Ob diese sogenannte „Xenotransplantation“ (Organübertragung von einem fremdartigen Lebewesen) gelingt, ist noch völlig offen. Klar ist aber, daß man dafür geeignete, gentechnisch veränderte Tiere wird „vervielfältigen“ wollen, ohne daß die Beschaffenheit ihrer Organe sich dabei ändert. Dies ist ein aus menschlichen Notlagen (lebensgefährliches Organversagen) heraus verständlicher und für sich genommen gerechtfertigter Zweck.

Das moderne Rechtsbewußtsein, wie es sich in Gesetzen und internationalen Konventionen manifestiert, erlegt dem Menschen aber auch im Umgang mit Tieren Pflichten auf: Vermeidung unnötiger Schmerzen, artgerechte Haltung und Erhaltung der Mannigfaltigkeit der Arten. Auch die „Natürlichkeit der Lebensgrundlagen“ -wozu sicher auch die Tiere gehören -ist in Deutschland ein hochrangiges Rechtsgut (GG Art. 20a). Beim Klonieren von Tieren gilt es, diese Grenzen zu beachten.

Auf dieser Basis stehen auch die Empfehlungen internationaler Beratungsgremien zum Klonen. Die Berater der Europäischen Kommission etwa akzeptieren diese Technik in der Zucht und in der Forschung an Tieren, verlangen aber, dabei das Wohl der Tiere (animal welfare) streng zu beachten. Dazu zähle die Minimierung des Leidens und die Wahrnehmung der Verantwortung des Menschen für Tiere, Umwelt und Natur, einschließlich der Mannigfaltigkeit der Arten (biodiversity). Die genetische Vielfalt sei gefährdet, wenn die Anwendung des Klonens sich in der „Tierzuchtindustrie“

so verbreite, daß genetisch breeding industry)

gemischte Herden durch Populationen optimierter, genetisch weitgehend gleicher Tiere (elite breeding populations) verdrängt würden Artenvielfalt, Bildung neuer Arten, artgemäßes Leben und bei höheren Lebewesen die individuelle Verschiedenheit von Anlagen und Eigenschaften gehören zu den fundamentalen Eigenschaften der lebendigen Natur. Gerade die Einmaligkeit des Individuellen unterscheidet die höheren Formen des Lebens von den Produkten der Technik, die nach einem gemeinsamen Bauplan ohne individuelle Abweichungen seriell gefertigt werden. Natürliche, vom menschlichen Willen noch teilweise unabhängige Wesen sind selbständige Partner, die persönliche Beziehungen und überraschende Erfahrungen ermöglichen. „Natürlichkeit“ in diesem Sinne gilt in den meisten Kulturen als etwas Wertvolles, auch wenn der Mensch als Züchter und Kultivierer sich vor unangenehmen Überraschungen zu sichern sucht. Eine Ausdehnung des Klonens auf große Bereiche der Tierwelt würde diese Werte gefährden

II.

Wenn wir uns der Klonierung beim Menschen zuwenden, muß zunächst zwischen den verschiedenen Techniken unterschieden werden (II). In weiteren Schritten sollen dann die ethischen Probleme gesondert nach diesen Verfahren erörtert (III) und auf die Stellungnahmen von nationalen und internationalen Gremien eingegangen werden (TV).

Man kann die Verfahren des Klonens zum einen nach den Techniken unterscheiden und zum anderen danach, ob ganze Individuen oder nur deren Teile . „vervielfältigt“ werden sollen. Ich gehe zunächst auf die beiden hauptsächlichen Verfahren zur Erzeugung mehrerer Individuen mit gleichen Genen, d. h. gleichen Trägern von Erbanlagen, ein.

1. Das eine, die sogenannte Embryonenteilung (embryo Splitting), wird bei der künstlichen Befruchtung angewandt, bei der man eine weibliche Eizelle mit einer männlichen Samenzelle außerhalb des Körpers („im Reagenzglas“) befruchtet und dann in die Gebärmutter der Frau einsetzt. Die befruchtete Eizelle entwickelt und vermehrt sich eine gewisse Zeit lang vor ihrer Ein-pflanzung. In diesem Stadium kann man den Embryo durch Teilung vermehren (zur Zeit auf zwei bis vier Exemplare). Statt einem kann man der Mutter also mehrere Embryonen einpflanzen. Dadurch erhöht sich die Chance, daß sie wirklich ein Kind bekommt, aber es können auch eineiige Mehrlinge geboren werden. Was sonst zufällig geschieht, kann hier also zumindest teilweise geplant und durch menschliche Handlungen bewußt herbeigeführt oder zumindest in Kauf genommen werden. In der Tierzucht wird diese Technik seit Jahren angewandt, bei der künstlichen Befruchtung des Menschen wird sie in Erwägung gezogen.

2. Die andere, spektakulärere Methode des Klonens ist die der Zellkernverpflanzung. Sie ist bspw. bei der Züchtung des Schafes „Dolly“ in der Säugetierzüchtung verwendet worden. Um die gewünschten Eigenschaften eines Tieres sicher auf Nachkommen zu übertragen, umgeht man die „Zufallsmischung“ der Gene beider Elternteile. Eine solche Transplantation von Zellkernen ist innerhalb eines Körpers und zwischen verschiedenen Individuen, sogar solchen verschiedener Arten, möglich. Bei der Züchtung entfernt man den Zellkern der Eizelle und ersetzt ihn durch den einer Körperzelle. Bei Säugetieren ist das bisher anscheinend ausschließlich mit Zellen des weiblichen Körpers gelungen (Uterus, Milchdrüsen, Umhüllung der Eizelle).

Das Problem dieser Technik besteht darin, daß die Gene von Körperzellen normalerweise nicht mehr zur Entwicklung eines Gesamtkörpers fähig sind. Die Fähigkeit, sich zu einem vollständigen Körper zu entwickeln, die sogenannte „Totipotenz“, ist nur Zellen und Zellverbänden in einem frühen Stadium der Embryonalentwicklung (Blastomeren-Stadium) eigen. Ob die Wiedererlangung dieser Entwicklungsfähigkeit zumindest bei Zellen aus bestimmten Körperteilen erreichbar ist, war lange umstritten, wird aber durch Klonierungserfolge nach „Dolly“ nahegelegt

Es gibt wichtige Unterschiede im Resultat der beiden Verfahren: Zum einen werden nach Embryonen-Teilung (embryo Splitting) und erfolgreicher Schwangerschaft gleichaltrige Geschwister, eben eineiige Mehrlinge, geboren. Bei der Transplantation von Kernen ausgewachsener Körperzellen in Eizellen entsteht dagegen ein „jüngerer Verwand­ ter“. Der zweite Unterschied besteht darin, daß auf diese Weise klonierte Individuen nur die Gene, aber nicht den gesamten Zellinhalt miteinander gemeinsam haben. Da auch andere Zellbestandteile, wie die Mitochondrien (fadenförmiges Gebilde in Tierzellen, das dem Stoffwechsel der Zelle dient), einen -wenn auch geringen -Anteil an den Erbanlagen haben, sind die durch Embryonenteilung enstandenen Mehrlinge einander „ähnlicher“ als auf der Basis der Kernübertragung klonierte. Bei letzteren kommt ein möglicherweise erheblicher Altersunterschied hinzu. Altersunterschiede kann es freilich auch bei der Embryonen-teilung dann geben, wenn einer der Embryonen eingefroren und erst später der Mutter eingepflanzt wird. Von „Identität“ der Klone oder auch von „Kopie“ kann im strengen Sinne nicht gesprochen werden. Das Spektrum der Techniken reicht von gleichzeitig geborenen eineiigen Mehrlingen (z. B. Zwillinge) über solche mit Altersunterschieden bis zu Söhnen oder Töchtern, die fast alle erblichen Anlagen mit ihrer Mutter teilen. Dazu kommt, daß ererbte Anlagen sich natürlich unter unterschiedlichen Umwelteinflüssen und Lebensläufen unterschiedlich entwickeln. Allerdings hat uns gerade die biologische Zwillingsforschung in den letzten Jahrzehnten immer wieder mit verblüffenden Übereinstimmungen eineiiger Zwillinge selbst nach langer und getrennter Lebensgeschichte konfrontiert. Man kann die Verfahren der Klonierung statt zur Erzeugung vollständiger Individuen auch zur Erzeugung von Zellen, Geweben oder Organen benutzen. Das ist für medizinische Zwecke, z. B.den Ersatz von Blut und Gewebe oder die Organverpflanzung, von großer Bedeutung. Dazu sind vor allem die sogenannten Stammzellen geeignet, die nicht zur Ausbildung eines ganzen Organismus, aber bestimmter Teile fähig sind („pluripotent“). Sie finden sich in Embryonen, aber wohl auch in ausgewachsenen Körperteilen.

III.

Was sind die erwarteten Vorteile des Klonens beim Menschen? Worin bestehen die Schäden, und wie ist das Verhältnis beider ethisch zu beurteilen? Gibt es ethische Verbote, die durch keinen zu erwartenden Nutzen aufzuheben sind? Diese Fragen müssen für die beiden Hauptformen und für die Klonierung von Körperteilen unterschied­ lieh diskutiert werden. Diese Erörterung schließt eine Reihe von grundsätzlichen ethischen und rechtlichen Prämissen ein, die hier nicht alle auszuführen sind. Zu den meisten von ihnen werden in der philosophischen und in der öffentlichen Diskussion unterschiedliche Positionen vertreten.

Da ist zuerst das rechtliche Problem des Embryonenschutzgesetzes. Dieses Gesetz verbietet in Deutschland fast alle Forschungen, die zur Entwicklung der genannten Techniken notwendig sind. In den USA ist Embryonenforschung erlaubt, in engen Grenzen auch in Großbritannien. Grundsätzlich beruht das deutsche Gesetz auf der Überlegung, daß der Embryo in jedem Stadium seiner Entwicklung Schutzrechte besitzt. Er darf nicht für Zwecke einer Forschung, die ihm nicht zugute kommt, geschädigt oder „verbraucht“ werden. Ein solches Verbot der Instrumentalisierung ist auch Kernstück der philosophischen Ethik. Die Strenge des Schutzes entspricht im übrigen der besonderen historischen Erfahrung des deutschen Volkes mit verbrecherischen Experimenten am Menschen.

In Widerspruch zu diesem strengen Verbot steht allerdings die Erlaubnis des deutschen Rechtes, Embryonen dem Tod durch Schwangerschaftsabbruch auszusetzen, wenn dies zur Abwehr von physischem und psychischem Leid der Mutter erforderlich ist. Offenbar liegt dieser Erlaubnis die Vorstellung graduell zunehmender Schutzrechte des Embryos zugrunde.

Man kann argumentieren, daß zumindest für Embryonen, die ohnehin zum Tode bestimmt sind, Forschung keinen zusätzlichen Schaden bewirkt. Würden solche Embryonen für die Forschung freigegeben, bestünde aber die Gefahr einer Beeinflussung des Schwangerschaftsabbruches durch einen zusätzlichen (positiven) Zweck. Auch könnte bei der künstlichen Befruchtung das Interesse an „überzähligen“ Embryonen zu Forschungszwecken wachsen. Da der gesetzliche Schutz von Rechten es mit der Verhinderung von Mißbrauch und „Dammbrüchen“ zu tun hat, ist ein strenges Embryonenschutzgesetz berechtigt, auch wenn man über einzelne Bestimmungen wird diskutieren können.

Ich komme nun zu dem erwarteten Nutzen und den ethischen Problemen der verschiedenen Formen des Klonens beim Menschen. 1 1. Zunächst zur Embryonenteilung. Das Ziel dieser Technik, einem kinderlosen Paar zur Geburt eines Kindes zu verhelfen, ist ethisch sicher gerechtfertigt. Das in Kauf genommene Resultat einer Mehrlingsgeburt ist ebenfalls nicht unbedingt als eine Schädigung der Kinder anzusehen, weil nach bisheriger Erfahrung das Leben etwa als eineiiger Zwilling keine besondere Belastung darstellt -oft ist das Gegenteil der Fall. Freilich beziehen sich diese Erfahrungen auf den bisherigen Sachverhalt, daß solche Mehrlinge relativ selten sind (weltweit drei bis vier unter 1 000 Geburten). Sie könnten sich ändern, wenn diese Fortpflanzungstechnik und mit ihr das Vorkommen eineiiger Mehrlinge erheblich zunähme. Dann könnte der soziale Umgang und die natürliche Basis für den Respekt vor der Individualität des anderen Menschen doch beeinträchtigt werden.

Ein weiteres ethisches Problem besteht in der Schwellenüberschreitung durch die Embryonenteilung. Ein Zwilling oder Drilling, der durch diese Technik bewußt erzeugt wird, verdankt seine Erbanlagen nicht dem Zusammentreffen von bewußter Zeugung und zufälliger Mischung der mütterlichen und väterlichen Gene. Seine Erbanlagen sind als ganze durch die Teilung bewußt herbeigeführt. Damit beginnt eine Veränderung der sozialen Beziehungen, die bei allen Formen des Klonens ein Problem darstellt: Ein Mensch wird in seinen natürlichen Veranlagungen -nicht erst in seiner Erziehung -vom planenden Willen eines anderen abhängig. Er kann sich für diese Anlagen bei seinem Erzeuger bedanken oder beklagen. Das bedeutet zweifellos eine Zunahme der Abhängigkeit zwischen „Erzeugern“ und Nachkommen.

Erheblich schwerwiegender werden die ethischen Einwände, wenn der durch Teilung zustande gekommene Embryo zu anderen Zwecken benutzt werden soll. Hier ist eine ganze Palette von Möglichkeiten ins Gespräch gebracht worden. So kann man den Klon einfrieren, um ihn später der Mutter wieder einzupflanzen und zur Geburt zu bringen. Nutzen davon hätten entweder die Eltern durch Ersatz für ein gestorbenes Kind oder das früher geborene Geschwister, etwa durch Transplantation eines besonders gut verträglichen Organs von seinem erbgleichen Zwilling.

Aber darf man einem Embryo ein Organ entnehmen? Unumstritten ist, daß einem Kind nicht ohne seinen Willen ein Organ entnommen werden darf. Ob eine Spende akzeptiert werden kann, wenn ein unmündiges Kind unbedingt seinem Geschwister helfen will, ist sehr fraglich. Ein Kind zu diesem Zweck zu erzeugen ist sicher eine krasse Instrumentalisierung. Ob das gleiche für Embryonen gilt, ist unter Ethikern nicht ebenso unumstritten. Es gibt Positionen in der Ethik, die den Beginn eines menschlichen Individuums bzw. einer menschlichen Person erst später ansetzen wollen:entweder bei der Entstehung des Gehirns, der Lebensfähigkeit außerhalb des Mutterschoßes, der Geburt oder sogar erst der Mündigkeit. Nach meiner Auffassung zeigen sich gerade an den hier diskutierten Problemen äußerst problematische Folgen dieser Positionen. So gibt es Vorstellungen, man könne Embryonen züchten und ihre Gehirn-bildung verhindern, um sie als Reservoir von Organduplikaten zu nutzen. Selbst wenn diese Konzepte philosophisch haltbar wären -was ich bezweifle -, stünden sie im Widerspruch zu unserer kulturellen Tradition und Rechtsordnung.

Ein ethisch akzeptabler Weg zu den heute von vielen Menschen dringend benötigten „Ersatzorganen“ könnte in der Gewinnung und Kultivierung von Stammzellen liegen. Aus diesen Zellen lassen sich eventuell einmal im Labor Gewebe oder sogar ganze Organe kultivieren. Solange Stamm-zellen nur Embryonen entnommen werden, stellen sich natürlich immer noch die Probleme der Schädigung und der Unfreiwilligkeit. Es scheint aber nicht unmöglich, solche Zellen in fernerer Zukunft auch von Erwachsenen zu gewinnen. 2. In der Öffentlichkeit am häufigsten und heftigsten diskutiert ist die Klonierung von Menschen nach dem Muster von „Dolly“, also der Entkernung einer Eizelle und der Einfügung des Kerns einer erwachsenen „Spenderzelle“. Das Ergebnis einer erfolgreichen Klonierung dieser Art wäre ein Nachkomme mit nahezu gleichen Erbanlagen. Nicht alle Anlagen dieses unter Umständen erheblich jüngeren „Zwillings“ müssen sich entwickeln, vor allem, wenn sie Übung, äußere Mittel, Gesundheit etc. voraussetzen. Aus dem hochbegabten Kind einer großen Pianistin kann am Ende eine schlechte Tennisspielerin werden.

Es kann für diese Art der Klonierung durchaus ethisch akzeptable Ziele geben. Auch überwiegend selbstbezogene Wünsche wie die nach einem nahe verwandten Abkömmling oder dem Ersatz eines verlorenen geliebten Menschen wären dann legitim, wenn sie ohne Schaden für den Klon zu erfüllen wären. Es gibt aber auch durchaus altruistische Ziele bei der Klonierung. Sie werden in der Ethik traditionell höher bewertet, weil moralisch gutes Handeln von eigenen Interessen unabhängig sein soll.

So gibt es Eltern mit Erbkrankheiten oder ungünstigen Veranlagungen (wie etwa Atemwegserkrankungen oder starker Kleinwüchsigkeit), die ihre Kinder von diesen Belastungen befreien möchten. Dabei kann das selbstlose Interesse bei weitem das selbstbezogene (mein Kind soll nicht . . .) überwiegen. Das wäre ein ethisch akzeptables Motiv für den Versuch, durch Klonierung des Zellkerns von Erwachsenen gesunden und zumindest „durchschnittlich“ veranlagten Nachwuchs zu erzeugen. Schließlich sind auch „gemischte“ Motive denkbar wie die Absicht, für ein gefährdetes Kind ein Organ von einem genetisch identischen Geschwister zu erhalten.

Entscheidend für die ethische Beurteilung sind aber die zu erwartenden Schäden. Wer wird geschädigt, und wie ist das gegen die Vorzüge der gewünschten Ziele abzuwägen? Nach bisherigen Erfahrungen würde ein Erwachsener, aus dessen Zellen mit seiner Zustimmung ein Nachkomme „geklont“ wird, nicht geschädigt. Zum einen, weil er zugestimmt hat („volenti non fit injuria“), zum anderen, weil ein jüngerer Verwandter mit den gleichen Anlagen keine Belastung zu sein braucht. Allerdings muß die Freiwilligkeit gesichert sein, denn ob etwas als Belastung empfunden wird, kann der mündige Mensch nur selber entscheiden.

Vielleicht der umstrittenste Punkt in der öffentlichen Debatte ist die Frage, ob ein durch Klonierung erzeugter Mensch geschädigt wird Für die einen ist eine „Kopie“ in ihrer Menschenwürde beeinträchtigt, für die anderen wird ein Individuum seine Existenz und eventuell seine günstigen Anlagen nicht als Schaden betrachten.

Der ersten Position wird entgegengehalten, daß eiif Mensch, der mit einem älteren Genspender fast alle Erbanlagen gemeinsam hat, sich nicht als Duplikat oder Kopie eines anderen Menschen fühlen braucht -er wird ihm sicher weniger gleichen als „natürliche“ eineiige Zwillinge. Bei Zwillingen kann aber von einer Verletzung der Menschenwürde nicht die Rede sein.

Der Unterschied besteht jedoch darin, daß ein als Klon gezeugter Mensch durch den Willen und die absichtliche Handlung anderer zu dieser hochgradigen Ähnlichkeit gekommen ist. Er ist von ihnen „nach dem Bilde“ eines anderen Menschen gezeugt worden. Durch die Art dieser Zeugung werden Menschen in ihrer körperlichen Ausstattung in erheblich größerem Ausmaß als bisher von dem Willen anderer Menschen abhängig. Bislang kam zu den absichtlichen Handlungen der Partnerwahl und Zeugung der Zufall der unvorhersehbaren Genmischung hinzu. Mag etwa die Liebe zwischen Sportlern durch die Hoffnung auf den späteren Weltrekord des eigenen Sprößlings beflügelt werden -von der Auswahl und durch Klontechnik gesicherten Weitergabe der Gene eines Modellathleten ist sie weit entfernt.

In dieser Abhängigkeit liegt sicher eine erhebliche Einschränkung der Autonomie im Sinne der Unabhängigkeit von der Willkür eines anderen. Autonomie ist aber ein zentraler Bestandteil der Rechte und der Würde eines Menschen. Weitere Belastungen können entstehen durch das frühe Wissen von den eigenen genetischen Anlagen, durch den Druck der Erwartung der Erzeuger, diesen Anlagen gerecht zu werden, oder durch das Bewußtsein, um der Erinnerung an den Genspender willen gezeugt zu sein -und vielleicht primär um seinetwillen geliebt zu werden

Die Verteidiger des Klonens wenden ein, daß die Existenz des geklonten Individuums solche Belastungen in jedem Fall aufwiegen. Im übrigen würden nicht alle genannten Belastungen von jedem als solche empfunden -genaue Kenntnis der eigenen Gene etwa erlaube auch erfolgreiche Lebens-planung.

Es geht aber bei der Frage der Schädigung durch ein bestimmtes Verfahren der Fortpflanzung nicht um die Abwägung zwischen „überhaupt leben“ und „mit Belastungen leben“. Es geht vielmehr um die ethische Bewertung einer bestimmten Art der Fortpflanzung. Wenn bei dieser Art der Nachwuchs in vorhersehbarer Weise geschädigt wird, ist sie als allgemeine Technik ethisch diskreditiert. Von einer solchen Schädigung muß aber nach dem oben Erörterten ausgegangen werden. Hinzu kommen natürlich die Gefahren physischer Schädigungen durch eine Technik, vor allem in ihren Anfangsphasen Aber auch bei perfekter Klontechnik könnte jede „Panne“, die zu einem physisch geschädigten Kind führte, seinen Erzeugern zugerechnet werden -in viel höherem Maße als etwa die gescheiterten Versuche, bei einer natürlichen Geburt medizinisch zu helfen.

Wenn diese Schädigungen durch den stets überwiegenden Wert der Existenz des geklonten Nachkömmlings aufgewogen würden, dann wäre jede Art der bewußten Schädigung des Nachwuchses erlaubt, die ihn am Leben läßt. Sogar ein Mensch, der in seiner Embryonalzeit willkürlich geschädigt wurde, könnte urteilen: „Hauptsache, ich bin überhaupt am Leben.“ Das kann die Schädigung sicher nicht entschuldigen.

Gibt es aber nicht doch Gründe, die eine Klonierung durch Zellkernverpflanzung rechtfertigen könnten, auch wenn zuzugeben ist, daß das Risiko physischer Schädigung besteht, daß psychische Belastungen zu erwarten sind und -vor allem -daß die Autonomie des Nachkommen beeinträchtigt wird? Zu denken wäre einmal an die oben genannten altruistischen Motive. Eltern, die ihre ererbten körperlichen Eigenschaften und Anlagen als erheblich benachteiligend bzw. als Ursache schwerer Leiden empfinden, könnten ein besseres genetisches „Startkapital“ für ihren Nachwuchs zu erreichen suchen. Von ihrem Nachwuchs wäre allerdings nur zu sprechen, wenn zumindest die Mutter als „Eizellen-Spenderin“ in Frage käme.

Eine solche Rechtfertigung setzt voraus, daß andere Möglichkeiten der Erzeugung von Nachwuchs mit -in den Augen der Eltern -„besseren“ Erbanlagen nicht bestehen und daß den Eltern ein Recht auf Fortpflanzung zusteht. Ein solches Recht wird z. B. in den USA weitgehend akzeptiert und von den Befürwortern des Embryonen-Splittings in Anspruch genommen. In anderen Ländern gibt es dagegen Hindernisse für die Fortpflanzung der Träger von Erbkrankheiten, so in einigen Mittelmeerländern für Träger der Sichelzellenanämie.

Betrachtet man den Einzelfall isoliert von der sozialen Umgebung und den Auswirkungen einer allgemeinen Praxis des Klonierens, könnte eine Güterabwägung hier vielleicht positiv ausfallen. Man würde damit aber zugleich einen Fall von Eugenik, von planmäßiger „Verbesserung“ des Erbgutes, akzeptieren. Damit betritt man einen sogenannten „rutschigen Abhang“ (slippery slope). Denn wenn man den Wunsch von Eltern zur Fortpflanzung mittels geplanter und kontrollierter Verbesserung des Erbgutes ethisch billigt, hat man zugleich die Unterscheidung von gutem und schlechtem Erbgut und damit einen Rechtfertigungsgrund für Eugenik akzeptiert. Sicher ist das noch deutlich zu unterscheiden von den staatlichen Versuchen, „erbkranken Nachwuchs“ mit Gewalt zu verhindern und Erbkrankheiten aus einer Population zu eliminieren. Immerhin würde aber eine Gruppe der Bevölkerung von ihren eigenen Mitgliedern als Träger von „schlechten“ Erbanlagen bezeichnet, deren Weitergabe im Einzelfall verhindert werden soll. Die ohnehin stets latente Diskriminierung durch die „Gesunden“ erhielte neue Nahrung

Hier zeigt sich, daß nicht nur individuelle Rechte und Ansprüche auf dem Spiel stehen, sondern auch Güter und Werte von Gruppen und Gesellschaften. Würde man das Klonieren den Individuen und dem „freien Spiel der Kräfte“ überlassen, könnte es zu einer gesellschaftlichen Eugenik kommen. Die „Verbesserung“ würde sich dann wohl nicht mehr in den Grenzen einer Vermeidung von Krankheitsanlagen halten. Wer dazu in der Lage ist, würde seinem Nachwuchs günstige Erbanlagen sichern, ein Markt für Genspender würde entstehen.

Techniken der Züchtung und der Fortpflanzung werden nicht für Einzelfälle entwickelt. Sie stellen ein Angebot für alle möglichen Interessenten dar. Ihr Gebrauch hat Auswirkungen auf soziale Gewohnheiten und Erwartungen, schließlich auf das Menschenbild und die Werte, auf die sich eine Rechtsordnung aufbaut. Sie haben auch Rückwirkungen auf die Rechte einzelner, z. B. solcher, die sich am Kauf von Erbgut für den eigenen Nachwuchs nicht beteiligen können. Individuelle Rechte sind zudem sozialen Werten nicht generell vorgeordnet. Sie werden durch sie auch begründet und an ihnen gemessen.

Zu den Werten des sozialen Zusammenlebens gehören offenbar auch Formen der Natürlichkeit. Natürlichkeit im Sinne der zufälligen Weitergabe und Mischung von Erbanlagen haben den Menschen in seiner leiblichen Ausstattung bisher dem Willen seiner Erzeuger weitgehend entzogen. Die Reichweite von Verfügung über Menschen war dadurch begrenzt und damit auch die Zuschreibung von Verantwortung. Das stärkt die Autonomie und entlastet das Zusammenleben der Menschen. Was für den Züchter ein Ärgernis ist -der mögliche Verlust eines einmal erreichten Musters von Erbanlagen -, kann für die Fortpflanzung des Menschen offenbar einen Wert darstellen. Die eigene „Erblinie“, aber auch die eigene Population, darf der Mensch nicht mit den Augen des Züchters betrachten, wenn er Autonomie und Unantastbarkeit der körperlichen Integrität nicht gefährden will.

IV.

Eine Reihe der hier vorgetragenen Argumente findet sich auch in den Stellungnahmen nationaler und internationaler Kommissionen und Institutionen.

1. Nach dem Urteil einer Beratergruppe der Bundesregierung ist Klonierung nach beiden Methoden, dem Embryonen-Splitting und dem Zellkernaustausch, in Deutschland durch das Embryonenschutzgesetz strafrechtlich verboten. Die Kommission hält demgegenüber rechtlich allenfalls in einigen Details Klarstellungen für nötig

Auch ethisch ist nach Auffassung der Kommission das Klonieren abzulehnen. Die Würde und Freiheit der Person stehe mit der Struktur der natürlichen Reproduktion in einem „ganzheitlichen Zusammenhang“. Außerdem widerspreche das Klonieren dem Gleichheitsgrundsatz, weil an die Stelle der „gleichen Bedingungen der Natur“ ein Markt für günstige Erbanlagen treten könnte.

Von diesen ethischen und rechtlichen Verboten ist aber nach Ansicht der Kommission nur das Klo-nieren von ganzen Individuen, nicht das von Zellen betroffen. Das Klonieren von menschlichen Organen wäre also zulässig, sofern es nicht die Schädigung oder den Verbrauch von Embryonen einschließt.

2. Der Europarat hat in einem Zusatzprotkoll zu seiner Konvention über Menschenrechte in der Biomedizin jede Intervention mit der Absicht, einen genetisch identischen Menschen zu erzeugen, verboten (Art. 1). Unter „genetisch identisch“ werden Individuen mit dem gleichen genetischen Material im Zellkern verstanden. In der Erläuterung zu diesem Protokoll werden zu den verbotenen Techniken die Zellkerntransplantation und die Embryonenteilung gezählt. Grund dafür sei, daß die natürliche genetische Rekombination (Gen-mischung) dem Menschen mehr Freiheit sichere als ein vorbestimmtes genetisches „Make-up“. Erlaubt sei dagegen das Klonieren von Zellen und Gewebe. Die Entnahme solcher Zellen von Em-bryonen müsse in einem weiteren Zusatzprotokoll zum Embryonenschutz geregelt werden

Auch die Beratergruppe der Europäischen Kommission lehnt beide Formen des Klonens von Menschen aus ethischen Gründen ab. Das Verbot, Menschen auf Mittel zu reduzieren (instrumentalization), und die Verwerflichkeit der Eugenik, der Verbesserung des menschlichen Erbmaterials, sind auch hier die ausschlaggebenden Gründe Da in einigen europäischen Ländern (z. B. Großbritannien) Embryonenforschung in den ersten zwei Wochen mit Einschränkungen erlaubt ist, nehmen die Berater hier einen anderen Standpunkt ein. Sie halten es für ethisch gefordert, Forschungsvorhaben, die Kernaustausch (nuclear Substitution) einschließen, auf Projekte zur Aufklärung menschlicher Krankheitsursachen oder zur Leidensbekämpfung zu beschränken.

3. Auch die UNESCO lehnt in ihrer „Allgemeinen Erklärung über das menschliche Genom und Menschenrechte“ vom November 1997 das reproduktive Klonen von Menschen als Praktik, die der Menschenwürde widerspricht, strikt ab (Art. 11). Über die unterschiedlichen Techniken wird keine Aussage getroffen. Auch die Vermarktung des menschlichen Genoms wird verworfen (Art. 6).

4. Im Gegensatz zu diesen Konventionen und Stellungnahmen wird in den USA die Technik des Embryonen-Splittings in Grenzen akzeptiert. Nach dem Bericht einer nationalen Beratungskommission der USA aus dem Jahre 1994 ist die Teilung ethisch akzeptabel, wenn die Embryonen dabei nicht geschädigt oder zerstört werden Die Mehrheit der Kommission will den Gebrauch aber auf die Verbesserung der Chancen der künstlichen Befruchtung beschränken. Die Zahl der durch Teilung erzeugten Embryonen dürfe vier nicht über­ schreiten. Nicht einig war sich die Kommission über den Gebrauch von eingefrorenen Embryonen nach einer Teilung. Einige Mitglieder halten eine Instrumentalisierung des „Reserveembryos“ für Zwecke der Diagnose von Erbkrankheiten vor der Einpflanzung des „Originals“ in die Gebärmutter (sogenannte Präimplantationsdiagnostik) oder zur Organverpflanzung zugunsten des früher Geborenen für akzeptabel. Gründe für diese ethischen Urteile sind zum einen die stärkere Bedeutung des Rechtes auf Reproduktion in der amerikanischen Rechtstradition. Zum anderen existiert eine in der angelsächsischen angewandten Ethik einflußreiche Position, nach der dem frühen Embryo noch keine Personalität und damit auch keine Rechte zukommen.

5. Ein Vergleich der Stellungnahmen zeigt einen fast globalen Konsens in der Ablehnung der Klonierung von Menschen durch Zellkernverpflanzung. Fast ebenso einhellig ist die Zustimmung zu Verfahren der Züchtung von Zellen, Geweben oder Organen durch Klonierung, wenn daraus kein menschliches Individuum entsteht und auch keines durch Entnahme geschädigt wird. Differenzen gibt es beim Verfahren der Embryonenteilung zur Verbesserung der künstlichen Befruchtung und bei der Embryonenforschung. Alle erwähnten Kommissionen fordern internationale Vereinbarungen und eine breite wissenschaftliche und öffentliche Diskussion der ethischen Aspekte des Klonens. Emotionen und Mißverständnisse sind dabei in Kauf zu nehmen. Schließlich stehen bedeutende Werte und Rechtsgüter auf dem Spiel: Menschenwürde, Autonomie und die -entlastende und gleichmachende -Natürlichkeit der menschlichen Fortpflanzung. Es ist keineswegs irrational, daß Laien wissen wollen, in welche Welt sie durch Wissenschaft, Technik und Medizin in Zukunft versetzt werden. Viele kleine, für sich ethisch nicht verwerfliche Schritte können in ihrer Gesamtwirkung zu Resultaten führen, die keiner gewollt hat und verantworten will. Noch ist aber nicht erwiesen, daß wir uns über Ausmaße der Technisierung von Züchtung und Fortpflanzung nicht nach verantwortbaren Maßstäben einigen können.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Opinion of the Group of Advisers on the Ethical Implications of Biotechnology to the European Commission, Abschnitte 2. 1 und 1. 13.

  2. Vgl. dazu aus theologischer Sicht Johannes Reiter, Klonen von Tieren und Menschen, in: Stimmen der Zeit, 215 (1997) 6, S. 368.

  3. Vgl. Barbara Hobom, Forscher klonieren mehr als zwanzig Mäuse, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 22. Juli 1998.

  4. Vgl. die Diskussionen in Johann S. Ach/Gerd Brudermüller/Christa Runtenberg (Hrsg.), Hello Dolly? Über das Klonen, Frankfurt 1998.

  5. Vgl. Hans Jonas, Laßt uns einen Menschen klonieren: Von der Eugenik zur Gentechnologie, in: ders., Technik, Medizin und Ethik, Frankfurt 1987, S. 162-203; sowie neuerdings Michael Quante, „Aber Dich gibt’s nur einmal für mich!“ Gefährdet Klonieren die Identität der Person?, in: Rainer Paslack (Hrsg.), Gene, Klone und Organe. Neue Perspektiven der Biomedizin, Frankfurt 1999.

  6. Vgl. Bernward Gesang, Humanklonierung, in: Universitas, 53 (1998) 626, S. 771-784.

  7. Zu den weit verbreiteten eugenischen Einstellungen vgl. Irmgard Nippert, Psychosoziale Folgen der Pränataldiagnostik am Beispiel der Amniozentese und Chorionzottenbiopsie, in: Franz Petermann/Silvia Wiedebusch/Michael Quante (Hrsg.), Perspektiven der Humangenetik, Paderborn 1997, S. 107-126.

  8. Vgl. Albin Eser/Wolfgang Frühwald/Ludger Honnefelder/Hubert Markl/Johannes Reiter/Widmar Tanner/Ernst-Ludwig Winnacker, Klonierung beim Menschen. Biologische Grundlage und ethisch-rechtliche Bewertung, (Stellungnahme für den Rat für Forschung Technologie und Innovation beim BMFT), in: Jahrbuch für Wissenschaft und Ethik, 2 (1997), S. 357-372.

  9. Vgl. Explanatory Report to the additional Protocol to the Convention on human rights and biomedicine on the Prohibition of cloning human beings, (Europarat, Direktion für Rechtsangelegenheiten), Abschnitte 2 und 3.

  10. Vgl.den in Anm. 1 genannten Text, Abschnitt 2. 6.

  11. Vgl. The National Advisory Board on Ethics in Reproduction, Report on Human Cloning through Embryo-Splitting: An Amber Light, in: Kennedy Institute of Ethics Journal, 4 (1994) 2, S. 251-282.

Weitere Inhalte

Ludwig Siep, Dr. phil., geb. 1942; Professor für Philosophie an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Veröffentlichungen u. a.: Praktische Philosophie im Deutschen Idealismus, Frankfurt am Main 1992; Zwei Formen der Ethik, Opladen 1997; Bioethik, in: Annemarie Pieper/Urs Thurnherr (Hrsg.), Angewandte Ethik, München 1998; zahlreiche Beiträge zur Geschichte der praktischen Philosophie und zur allgemeinen und angewandten Ethik.