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Zwischen Macht und Ohnmacht: Politische Repräsentation von Frauen in den Staaten der Europäischen Union | APuZ 52/1997 | bpb.de

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APuZ 52/1997 Zwischen Macht und Ohnmacht: Politische Repräsentation von Frauen in den Staaten der Europäischen Union Entwicklung der Frauenerwerbstätigkeit in der Europäischen Union Zwischen Wunsch und Wirklichkeit: Frauen im Sozialstaat. Ein Ländervergleich zwischen Frankreich, Schweden und Deutschand

Zwischen Macht und Ohnmacht: Politische Repräsentation von Frauen in den Staaten der Europäischen Union

Beate Hoecker

/ 20 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Die Feminisierung der Politik kommt in den westeuropäischen Staaten nur schleppend voran. Nach wie vor werden Parteien, Parlamente und Regierungen von Männern dominiert, die kaum Bereitschaft zeigen, die politische Macht mit Frauen zu teilen. Während der parlamentarische Frauenanteil derzeit europaweit durchschnittlich 20 Prozent beträgt, offenbart der zwischenstaatliche Vergleich ein deutliches Nord-Süd-Gefälle. So zeichnen sich vorrangig die nordischen Staaten durch eine vergleichsweise hohe politische Vertretung von Frauen aus; dagegen ist insbesondere für die südeuropäischen Staaten, aber unter anderem auch für Großbritannien und Frankreich eine nur marginale Präsenz von Frauen typisch. Für diesen unterschiedlichen Stand der politischen Gleichstellung gibt es keine monokausale Erklärung; entscheidend ist vielmehr der jeweilige nationale Mix von kulturellen, institutioneilen und sozialstrukturellen Einflußfaktoren. Gleichwohl erweist sich die politische Kultur im Rahmen der vergleichenden Analyse als der wichtigste Prädiktor für die Beteiligungschancen von Frauen. Staaten mit einer eher patriarchalen Kultur stehen der politischen Gleichstellung von Frauen deutlich reservierter gegenüber als Staaten, deren Kultur egalitär geprägt ist. Die nordische „Leidenschaft für Gleichheit und Gerechtigkeit“ ist Ausdruck einer egalitären Grundhaltung, die Frauen den Weg in die Politik -ebenso wie in das Erwerbsleben -geebnet hat. Die öffentliche Anerkennung der Forderungen der Frauenbewegung führte hier zu einer Gleichstellungspolitik, die sich an Männer und Frauen richtet und eine Abkehr von den traditionellen Geschlechtsrollenstereotypen intendiert. Darüber hinaus haben Protestantismus und Verhältnis-wahlrecht den politischen Gleichstellungsprozeß in den nordischen Staaten zweifellos begünstigt. Soll das derzeitige Nord-Süd-Gefälle überwunden werden, dann sind weitere interkulturelle Studien erforderlich, die das Fundament für eine erfolgreiche Gleichstellungspolitik auf nationaler wie europäischer Ebene legen. Der wissenschaftliche Forschungsprozeß steht hier noch ganz am Anfang.

Das Europa der Frauen liegt noch in weiter Ferne. Nicht nur in Brüssel, Straßburg und Luxemburg planen und gestalten vorrangig Männer das zukünftige Europa, auch auf der Ebene der Mitgliedstaaten sind Frauen weitgehend vom politischen Entscheidungsprozeß ausgeschlossen. Nach wie vor präsentiert sich Europa als ein „Herrenhaus“, das wenig Interesse daran zeigt, die politische Macht mit der weiblichen Bevölkerungsmehrheit zu teilen. Bereits auf der Weltfrauenkonferenz von Nairobi (1985) war erkannt worden, daß Frauen Entscheidungsmacht brauchen, um ihre durch Ungleichheit und Armut gekennzeichnete Lebenssituation nachhaltig zu verbessern. 1992 verabschiedete auch das Europäische Netzwerk Women in Decision-Making eine Deklaration, in der gleichberechtigte Zugangschancen für politische Ämter gefordert und ein Wandel der politischen Entscheidungsprozesse zugunsten von Frauen angemahnt werden Das Thema der Gleichstellung von Frauen steht somit weiterhin auf der politischen Tagesordnung.

Tabelle 5: Wahlrechtseinführung in den Staaten der EU sowie in Norwegen Quelle: Zusammengestellt nach Dieter Nohlen, Wahlrecht und Parteiensystem, Opladen 1990, S. 33.

Die Gleichstellungsfrage ist aber nicht nur eine Herausforderung für die Politik, sondern auch für die Wissenschaft. Die Suche nach geeigneten Maßnahmen zur Verwirklichung der politischen Gleichberechtigung setzt voraus, daß die Hindernisse bekannt sind, die einer angemessenen Vertretung von Frauen in politischen Machtpositionen entgegenstehen. Zunehmend wird der Ruf nach wissenschaftlichen Erkenntnissen und vergleichenden Studien laut, die das Fundament für eine erfolgreiche Gleichstellungspolitik -auf nationaler wie europäischer Ebene -legen. Doch entgegen der Relevanz des Themas sind international vergleichende Studien zur politischen Partizipation wie Repräsentation von Frauen kaum vorhanden. Zwar gibt es einige Einzelfallstudien, doch eine systematische und umfassende Analyse der institutionellen politischen Repräsentation von Frauen stellt in der deutschen wie internationalen Forschung noch immer ein Desiderat dar

Tabelle 6: Einflußfaktoren der parlamentarischen Repräsentanz von Frauen (Kurzfassung der Tabelle 4) Quelle: Eigene Zusammenstellung. (Zur Kategorienbildung siehe die Anmerkungen unter Tabelle 4.)

Im folgenden soll daher der Versuch unternommen werden, erstmals für alle Staaten der Europäischen Union (EU) sowie -aufgrund seiner herausgehobenen Position -Norwegen die Repräsentation von Frauen in den nationalen Parteien, Parlamenten und Regierungen zu dokumentieren und den Ursachen ihrer zumeist marginalen, in einigen Fällen aber auch guten Vertretung aus komparativer Sicht nachzugehen Erst auf dieser Basis lassen sich die Anforderungen für eine zukünftige Gleichstellungspolitik auf den miteinander verflochtenen Ebenen der Nationalstaaten wie der Europäischen Union diskutieren.

I. Frauen als Parteimitglieder

Schaubild 1: Frauenanteil in den nationalen Parlamenten der EU sowie Norwegens zwischen 1993 und 1997 Quelle: Eigene Darstellung (zu den Wahljahren siehe Tabelle 1).

In allen politischen Systemen der EU-Staaten prägen die Parteien die politische Willensbildung und rekrutieren aus ihrer Mitgliedschaft das politische Personal. Um am Wettbewerb um politische Positionen überhaupt teilzunehmen, müssen Frauen somit zunächst einer Partei beitreten.

Der Versuch, europaweit die weiblichen Mitgliederzahlen zu vergleichen und eventuelle parteipolitische Präferenzen der Frauen zu identifizieren, stößt jedoch auf erhebliche Schwierigkeiten; oftmals sind entweder überhaupt keine Daten verfügbar, oder aber es fehlt an einer Differenzierung zwischen Männern und Frauen, bzw. die Frauenanteile werden allenfalls geschätzt. Von daher kann hier lediglich festgehalten werden, daß die politischen Parteien Europas in der Regel -mehr oder weniger stark -von Männern dominiert sind. Das ist sicherlich keine neue Erkenntnis; gleichwohl gibt es einige Parteien, in denen Frauen die Mehr-heit der Mitglieder stellen Ihre Chancen auf ein Mandat sind deswegen allerdings nicht unbedingt größer, wie unter anderem das Beispiel der Konservativen Partei Großbritanniens zeigt.

II. Frauen als Abgeordnete in den nationalen Parlamenten der EU

Tabelle 1: Frauen in den nationalen Parlamenten der Staaten der Europäischen Union sowie Norwegens Quelle: Eigene Zusammenstellung anhand der Daten der Länderstudien in: B. Hoecker (Anm. 3).

Angesichts eines parlamentarischen Frauenanteils von 20 Prozent Mitte der neunziger Jahre sind die Mitgliedstaaten der EU noch immer erst „Demokratien am Anfang“ (Helge Pross) bzw. „Unfinished Democracies“ (Elina Haavio-Mannila). Doch die öffentliche Partizipation von Frauen fällt nicht in allen westeuropäischen Ländern „gleich schlecht“ aus, vielmehr bestehen hier durchaus markante Unterschiede; so zeichnen sich insbesondere die nordischen Staaten durch eine vergleichsweise hohe parlamentarische Repräsentanz von Frauen aus, während dagegen vor allem für die südeuropäischen Staaten in der Regel eine nur marginale politische Repräsentation von Frauen typisch ist (vgl. Schaubild 1 sowie Tabelle 1). In den heutigen 15 Mitgliedstaaten der Europäischen Union bewegen sich die jeweiligen Frauen-anteile in den Nationalparlamenten auf einem Kontinuum zwischen 6 (Griechenland) und 40, 4 Prozent (Schweden). Unterteilt man die parlamentarische Repräsentanz von Frauen in die Kategorien „hoch“ (über 30 Prozent), „mittel“ (20-30 Prozent) und „niedrig“ (unter 20 Prozent), dann ergeben sich für die einzelnen Staaten -einschließlich Norwegen -folgende Einordnungen (vgl. Tabelle 1 sowie Schaubild 1):

Die Spitzengruppe wird nach wie vor dominiert von den nordischen Staaten; führend ist hier derzeit Schweden (40, 4 Prozent), dicht gefolgt von Norwegen (39, 4) sowie -mit einigem Abstand -Finnland (33, 5) und Dänemark (33). Aufgeschlossen zur Führungsgruppe haben zudem die Niederlande (31, 3). Im Mittelfeld befinden sich Deutschland (26, 2), Österreich (25, 7), Spanien (21, 5) und Luxemburg (20 Prozent). Am unteren Ende der Rangordnung stehen Großbritannien (18, 2), Portugal (12, 2), Irland und Belgien (jeweils 12), Frankreich (10, 9) und Italien (10, 7) sowie weit abgeschlagen das europäische Schlußlicht Griechenland (6 Prozent). Eine demokratische Vorbildfunktion können somit in erster Linie die nordischen Staaten für sich in Anspruch nehmen.

Wie die Vergleichsdaten in Tabelle 1 zeigen, ist der Frauenanteil in den europäischen Parlamenten in den letzten Jahren zumeist gestiegen, wobei besonders hohe Zuwachsraten für die Niederlande (+ 10 Prozentpunkte), Großbritannien (+ 9 Prozentpunkte) und Schweden (+ 7, 4 Prozentpunkte) zu verzeichnen sind. Gesunken ist demgegenüber die Vertretung von Frauen in den Parlamenten von Finnland (-5, sowie Italien (-3, 4 Prozentpunkte), während sie in Dänemark und Irland stagnierte 5. Insgesamt erhöhte sich der durchschnittliche Frauenanteil in den Volksvertretungen von 16, 4 Prozent (Ende der achtziger/Anfang der neunziger Jahre) auf 20, 4 Prozent (Mitte der neunziger Jahre)

III. Frauen in den Regierungen der Staaten der EU

Tabelle 2: Frauen in den nationalen Regierungen der Staaten der Europäischen Union sowie Norwegens Quelle: Zusammengestellt nach den Daten der Länderstudien in: B. Hoecker (Anm. 3).

Als Schaltstellen der politischen Macht gelten die Regierungen. Tabelle 2 und Schaubild 2 geben Auskunft über die Vertretung von Frauen in den nationalen Regierungen und Parlamenten Europas Mitte der neunziger Jahre. Danach finden sich die höchsten Frauenanteile in den Regierungen von Schweden (50 Prozent), Norwegen (44 Prozent), Finnland (38, 9 Prozent), Dänemark (35 Prozent) sowie den Niederlanden (34, 6 Prozent), während Frauen dagegen in Deutschland (8, 8 Prozent) Portugal (8, 6 Prozent), Italien (7, 8 Prozent) und Griechenland (5, 6 Prozent) auffallend gering repräsentiert sind. Allein in Schweden haben Frauen somit eine paritätische Beteiligung an der politischen Macht erreicht, und zwar interessanterweise ohne gesetzliche Vorschriften. Im Unterschied dazu schreibt das norwegische Gleichstellungsgesetz seit Mitte der achtziger Jahre einen Frauenanteil von mindestens 40 Prozent für alle öffentlichen Gremien -und damit auch für die Regierungen -verbindlich vor

Im Vergleich zu den jeweiligen parlamentarischen Frauenanteilen liegt der Anteil der weiblichen Regierungsmitglieder in neun der 16 europäischen Staaten darüber; allerdings ist die Differenz nur in Schweden (+ 9, 6), Luxemburg (+ 5) und Finnland (+ 5, 4 Prozentpunkte) nennenswert. Erheblich schlechter repräsentiert als im Parlament sind Frauen dagegen in der Regierung von Deutschland (-17, 4 Prozentpunkte). Diese eklatante Differenz erklärt sich daraus, daß die relativ hohe parlamentarische Vertretung von Frauen vorrangig den zum linken Spektrum gehörenden Oppositionsparteien zuzuschreiben ist, während sich dagegen die konservativ-liberale Bundesregierung deutlich weniger frauenfreundlich zeigt. Generell ist jedoch festzuhalten, daß ein hoher parlamentarischer Frauenanteil in der Regel auch einen hohen Frauenanteil in der Regierung nach sich zieht.

Fragt man nach den Ressorts, für die Frauen verantwortlich sind, dann ergibt sich europaweit ein übereinstimmendes Bild: Nach wie vor werden Frauen die als „frauentypisch“ bzw. „weich“ geltenden Ministerien (z. B. Soziales, Gesundheit, Bildung, Kultur) übertragen, während die „harten“ Ressorts (Außenpolitik, Finanzen, Justiz) für Männer reserviert bleiben. Gleichwohl ist eine gewisse Abschwächung dieses Musters -auch auf der Ebene der Staatssekretärinnen -unübersehbar. Eine besondere Stellung nimmt hier Finnland ein, wo -nach Solveig Bergman -alle Ministerien bereits einmal von einer Frau geführt wurden

Das Amt eines Regierungschefs jedoch üben derzeit in allen europäischen Staaten ausschließlich Männer aus; allein in Großbritannien und Norwegen gab es mit Margaret Thatcher bzw. Gro Harlem Brundtland jemals eine Frau in dieser Position.

IV. Frauen als Abgeordnete im Europäischen Parlament

Schaubild 2: Frauen in den nationalen Parlamenten und Regierungen der EU sowie Norwegens zwischen 1993 und 1997 (in Prozent) Quelle: Eigene Darstellung anhand der Daten in Tabelle 1 und 2. (Die Länder wurden nach der Höhe der parlamentarischen Repräsentanz von Frauen geordnet.)

Trotz noch immer bestehender Defizite ist das Europäische Parlament neben den nationalen Volksvertretungen ein eigenständiges Organ politischer Gestaltung. Von Anfang an fiel es durch eine vergleichsweise hohe Präsenz von Frauen auf; so betrug der Anteil der weiblichen Abgeordneten im ersten direkt gewählten Europäischen Parlament 1979 bereits rund 16 Prozent und stieg bis 1994 auf immerhin gut ein Viertel. Infolge der Erweiterung der Europäischen Union zum 1. Januar 1995 um die Länder Schweden, Finnland und Österreich hat sich auch die Zahl der Frauen im Europäischen Parlament weiter erhöht, und zwar auf 173; das entspricht einem Anteil von nunmehr 27, 6 Prozent.

Zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten bestehen allerdings auch auf dieser Ebene teilweise erhebliche Unterschiede. Auf besonders hohe Anteile weiblicher Abgeordneter können wiederum die nordischen Länder Finnland (62, 5), Schweden (45, 4) und Dänemark (43, 8 Prozent) verweisen; eher marginal ist demgegenüber die Präsenz von Frauen unter den Abgeordneten aus Großbritannien (18, 3), Griechenland (16), Italien (12, 6) und Portugal (8 Prozent). Gleichwohl liegen die Frauenanteile im Europäischen Parlament in der Regel deutlich über den jeweiligen Anteilen in den nationalen Parlamenten; Ausnahmen sind hier lediglich Italien und Portugal mit einem geringfügig höheren Frauenanteil im nationalen Parlament, während für die Niederlande die Repräsentanz von Frauen im Europäischen und nationalen Parlament nahezu deckungsgleich ist (vgl. Tabelle 3).

Die Frage, warum die Chancen von Frauen für ein Mandat auf europäischer Ebene in der Regel deutlich größer sind als auf nationaler Ebene, dürfte mit der insgesamt eher geringen Kompetenz dieses Parlaments im europäischen Entscheidungsprozeß sowie der daraus resultierenden personellen Rekrutierungspraxis der Parteien zu beantworten sein Angesichts der gestiegenen Bedeutung des Europäischen Parlaments in den letzten Jahren allerdings ist eine politische Tätigkeit auf dieser Ebene inzwischen zunehmend interessanter geworden, und in fast allen Mitgliedstaaten hat sich die Zahl der Kandidaturen für ein Europamandat nahezu sprunghaft erhöht. Für Frauen dürfte daher der Kampf um Kandidatur und Wahl zukünftig spürbar härter werden.

Worauf beruht nun das aufgezeigte Nord-Süd-Gefälle der parlamentarischen Vertretung von Frauen; welche Erklärungen gibt es aus komparativer Sicht für den unterschiedlichen Stand der politischen Gleichstellung, und welche Schlußfolgerungen lassen sich daraus für die zukünftige Entwicklung ziehen?

V. Erklärungsansätze zur politischen Repräsentation von Frauen aus komparativer Sicht

Tabelle 3: Weibliche Europaabgeordnete 1994/95 nach Ländern Quellen: Angaben für die „alte Zwölfergemeinschaft“ nach Gerhard Moritz, Wer ist was im Europäischen Parlament?, hrsg. von: Europäisches Parlament, Informationsbüro für Deutschland, Bonn 1994 (Stand: 1. 10. 1994); für die 1995 beigetretenen Länder Österreich, Finnland und Schweden nach den Angaben der Länderstudien in: B. Hoecker (Anm. 3).

Die politische Partizipation von Frauen ist bekanntlich abhängig von der nationalen politischen Kultur, von institutionellen Gegebenheiten sowie individuellen sozioökonomischen Voraussetzungen. Diese generellen Einflußfaktoren konstituieren auch für die vergleichende Perspektive den adäquaten Analyserahmen, und es ist hier somit zu fragen, welche Gemeinsamkeiten bzw. Unterschiede zwischen den einzelnen europäischen Staaten im Hinblick auf die genannten Faktoren bestehen 1. Politische Kultur Begrenzt man die politische Kultur auf die dominanten Einstellungen gegenüber der Rolle von Frauen in der Gesellschaft sowie im politischen Leben, dann wäre für Länder mit eher traditionellen Wertvorstellungen eine nur geringe parlamentarische Vertretung von Frauen zu erwarten, während sich dagegen Staaten mit einer eher egalitären Kultur durch eine hohe parlamentarische Repräsentanz von Frauen auszeichnen würden.

Inwiefern läßt sich diese Hypothese bestätigen? Nimmt man zunächst die Staaten in den Blick, in denen der parlamentarische Frauenanteil über 30 Prozent liegt und damit vergleichsweise hoch ausfällt, dann zeigt sich in der Tat, daß die jeweilige politische Kultur stark egalitär geprägt ist. Die nordischen Staaten Schweden, Norwegen, Finnland und Dänemark zeichnen sich durch eine „Leidenschaft für Gleichheit und Gerechtigkeit“ aus, die Frauen den Weg in die Politik und hier in verantwortliche Positionen ebnet. Daß diese beispiellose Leidenschaft so ausgeprägt ist, dürfte auch mit dem nahezu völlig fehlenden -und in der Regel emanzipationsfeindlichen -Einfluß der katholischen Kirche Zusammenhängen Demgegenüber können die Niederlande, die mit ihrem Frauenanteil im Parlament gleichfalls noch zur Spitzengruppe gehören, zwar nicht auf eine solch lange Tradition egalitärer Einstellungen zurückblicken, gleichwohl hat sich ihre politische Kultur -unter anderem beeinflußt durch eine starke Frauenbewegung -zunehmend zu einer egalitären Kultur entwickelt, so daß, wie Monique Leijenaar schreibt, „heute nur noch wenige Menschen der Meinung sind, Frauen hätten in der Politik nichts zu suchen“ (vgl. auch Tabelle 4).

Im Unterschied dazu läßt sich die politische Kultur der übrigen EU-Staaten als eher patriarchalisch charakterisieren. Dennoch gibt es auch hier Abstufungen, wie repräsentative Umfragen aus den achtziger Jahren für die damalige Zwölfergemeinschaft belegen. Danach fallen insbesondere Luxemburg, Portugal, Griechenland sowie Belgien durch überdurchschnittlich traditionelle Einstellungen gegenüber Frauen in der Politik auf, während die übrigen Länder eine mittlere Position einnehmen

Eng verbunden mit der politischen Kultur ist auch die Einführung des Frauenwahlrechts. Unterstellt man einen Zusammenhang zwischen dem Zeitpunkt der staatsbürgerlichen Anerkennung von Frauen und ihrer heutigen politischen Repräsentanz, dann wäre eine hohe parlamentarische Vertretung von Frauen in den Staaten zu vermuten, die das Frauenwahlrecht sehr früh in ihrer Verfassung verankert haben, während umgekehrt eine niedrige parlamentarische Präsenz von Frauen mit einer späten Anerkennung als Staatsbürgerinnen einhergehen müßte.

Bereits vor 1918 wurde das Frauenwahlrecht in Finnland (1906) und Norwegen (1913) eingeführt, bis nach dem Zweiten Weltkrieg dagegen mußten Frauen in Frankreich (1946), Italien (1946), Belgien (1948), Griechenland (1952) und Portugal (1974) auf ihre politische Gleichstellung warten (vgl. Tabelle 5). Der Vergleich mit den jeweiligen parlamentarischen Frauenanteilen bestätigt die Hypothese durchaus in der Tendenz; allerdings können eine hohe wie eine niedrige parlamentarische Präsenz auch mit einer „mittleren“ Einführung des Frauenwahlrechts einhergehen (vgl. Tabelle 4). Bemerkenswert jedoch ist, daß allein die nordischen Staaten -mit Ausnahme von Norwegen -Männern und Frauen zeitgleich die staatsbürgerlichen Rechte gegeben haben; die politische Sphäre konnte sich in diesen Staaten somit von Anfang an nicht als eine rein männliche Domäne ausbilden. 2. Sozialstrukturelle Ungleichheiten Bildung und Berufstätigkeit stellen wichtige sozial-strukturelle Faktoren dar, die den Zugang zur Politik beeinflussen. Eine Untersuchung der Europäischen Kommission aus dem Jahr 1989 belegt für die europäische Ebene, daß sich mit steigendem Bildungsniveau die Unterschiede in den Interessen von Frauen und Männern an institutionalisierter Politik merklich verringern Bedeutsam ist diese Entwicklung insofern, als überall in Europa Mädchen zunehmend qualifizierte Bildungsabschlüsse anstreben, wobei sich allerdings in den südeuropäischen Ländern diese Tendenz mit einer gewissen Verzögerung bemerkbar macht

Die Einbeziehung der Variablen Berufstätigkeit bestätigt für die europäischen Staaten gleichfalls den bekannten Sachverhalt, „daß durch Erwerbstätigkeit sowohl bei Männern als auch bei Frauen das Interesse an politischen Fragen zunimmt“ Einen positiven Zusammenhang zwischen Erwerbstätigkeit einerseits und parlamentarischer Repräsentanz von Frauen andererseits dokumentiert auch Tabelle 4. Die mit Blick auf die parlamentarische Vertretung führenden Staaten -also in erster Linie die nordischen Staaten -weisen durchgängig eine hohe Frauenerwerbsquote auf; für die Länder mit einer mittleren bzw. niedrigen parlamentarischen Repräsentanz dagegen ist in der Regel auch nur eine mittlere/niedrige Frauenerwerbsqote typisch. Gleichwohl gibt es Gegenbeispiele; so liegen Großbritannien und Portugal trotz einer hohen Frauenerwerbsquote mit ihren jeweiligen parlamentarischen Frauenanteilen im unteren Bereich; umgekehrt können die Niederlande nur auf eine mittlere Frauenerwerbsquote verweisen, gehören aber mit ihrem derzeitigen Frauenanteil im Parlament gleichfalls zur Spitzengruppe. Erst weitere und differenzierte Forschungen zur Bildungs-und Erwerbssituation von Frauen in Europa werden hier zu gesicherten Erkenntnissen führen.

3. Institutioneile Besonderheiten

Zu den institutioneilen Einflußfaktoren der politischen Partizipation -und damit auch der Repräsentation -von Frauen zählen neben der Struktur des Parteiensystems insbesondere die Rekrutierungsmuster des politischen Personals sowie das Wahlsystem. Über die möglichen Auswirkungen verschiedener Wahlsysteme auf die Chancen von Politikerinnen gibt es inzwischen eine Vielzahl von Studien. Sie alle belegen eindrucksvoll, daß Verhältniswahlsysteme Frauen eher begünstigen, Mehrheitswahlsysteme dagegen Kandidaturen von Frauen eher erschweren „Von einer Liste wird erwartet, daß sie , ausgewogen 1 und gesellschaftlich repräsentativ ist, wogegen bei der Wahl eines einzigen Kandidaten alle unter Druck stehen, das Standardprodukt zu wählen: vorwiegend der Mittelschicht entstammend, mittleren Alters und wenn irgend möglich einen Mann.“ Im Falle eines Verhältniswahlsystems lassen sich zudem die Parteilisten durchaus erfolgreich quotieren, während sich unter einem Mehrheitswahlrecht die Bevorzugung von Frauen dagegen erheblich schwieriger gestaltet. Wie zu erwarten, bestätigen auch neuere Forschungen diese empirischen Befunde. Die drei Staaten, in denen die nationalen Volksvertretungen nach einem Mehrheitswahlrecht gewählt werden, nämlich Großbritannien, Irland und Frankreich, befinden sich mit ihren Frauenanteilen nach wie vor alle im unteren Bereich der parlamentarischen Rangordnung (vgl. Tabelle 4). Gleichwohl lassen sich auch unter einem Mehrheitswahlrecht die Kandidatur-und Wahlchancen von Frauen deutlich erhöhen; das zeigt die jüngste Unterhauswahl in Großbritannien. Voraussetzung allerdings ist der politische Wille, Frauen in gleichberechtigter Weise am politischen Entscheidungsprozeß zu beteiligen. Fehlt dieser, dann ist auch ein Verhältniswahlrecht keineswegs ein Garant für eine hohe Präsenz von Frauen im Parlament; immerhin acht von dreizehn Staaten mit einem proportionalen Wahlsystem können nur auf mittlere bzw. niedrige Frauenanteile verweisen. Ähnlich differenziert ist der Zusammenhang von Parteiquoten und parlamentarischer Vertretung von Frauen zu betrachten. Da die vorherrschenden politischen Karrieremuster in der Regel an der männlichen Biographie orientiert sind, stellen Quoten zweifellos ein wirksames Instrument dar, um mehr Frauen für öffentliche Ämter zu nominieren. Allerdings müssen diese Quoten einen relevanten Anteil fixieren, verbindlich sein und sich zudem -im Falle eines Verhältniswahlsystems -explizit auch auf die aussichtsreichen Listenplätze beziehen. Da eine solche positive Diskriminierung der weiblichen Parteimitglieder die Kandidaturchancen der männlichen Mitglieder eindeutig verringert, ist es nicht verwunderlich, daß europaweit die konservativen Parteien dieser Praxis eher ablehnend gegenüberstehen, während sich die Parteien des linken Spektrums in dieser Frage wesentlich aufgeschlossener zeigen. Über die Implementierung von Quoten entscheidet somit in erster Linie die Parteiideologie, über ihren Erfolg allerdings letztlich das Wahlergebnis.

Wie aus Tabelle 4 hervorgeht, werden in 12 der 16 europäischen Staaten von den Parteien -zumindest teilweise -Quoten angewandt, was aus den genannten Gründen jedoch nicht automatisch zu einem hohen Frauenanteil im Parlament führt. Umgekehrt muß der Verzicht auf eine positive Diskriminierung keineswegs zwangsläufig mit einer nur marginalen politischen Repräsentanz von Frauen einhergehen, wie die Beispiele von Finnland und Dänemark belegen.

VI. Resümee und Ausblick

Tabelle 4: Einflußfaktoren der parlamentarischen Repräsentanz von Frauen in den Staaten der EU und Norwegen Quelle: Eigene Zusammenstellung; Erwerbstätigenquote nach: OECD, Employment Outlook (Juli 1994).

Die Ausführungen sollten zeigen, daß es für den unterschiedlichen Stand der politischen Repräsentation von Frauen in Europa keine monokausale Erklärung gibt; entscheidend ist vielmehr der jeweilige nationale Mix aus verschiedenen Einflußfaktoren. Zusammenfassend lassen sich aber zumindest folgende Tendenzen festhalten: -Eine hohe parlamentarische Repräsentanz von Frauen geht einher mit einer frühen/„mittleren“ Einführung des Frauenwahlrechts, die zudem teilweise zeitgleich mit dem Männer-wahlrecht erfolgte; mit einer eher egalitären --politischen Kultur; mit einem Verhältniswahl-recht und (überwiegend) Quoten für öffentliche Kandidaturen sowie mit einer in der Regel hohen Frauenerwerbsquote.

Typisch für eine mittlere parlamentarische Repräsentanz von Frauen ist eine gleichfalls „mittlere“ Einführung des Frauenwahlrechts; eine eher patriarchale politische Kultur; ein Verhältniswahlrecht und Parteiquoten sowie eine mittlere bzw. niedrige Frauenerwerbsquote.

Charakteristisch für eine niedrige parlamentarische Repräsentanz von Frauen ist eine „mittlere“ bzw. späte Einführung des Frauenwahlrechts; eine eher patriarchale politische Kultur; ein Verhältnis-oder Mehrheitswahlrecht sowie überwiegend Parteiquoten und eine Frauenerwerbsquote, die hoch, mittel oder niedrig ausfallen kann (vgl. Tabelle 6).

So unbefriedigend diese Generalisierungen auch sein mögen, es kristallisiert sich dennoch ein Faktor als wichtigster Prädiktor für die politische Partizipation und Repräsentation von Frauen heraus, dessen Bedeutung in der wissenschaftlichen Literatur bislang unterschätzt wurde: die nationale politische Kultur

Die Frage danach, was die Staaten mit einem traditionell hohen Frauenanteil in Parlament und Regierung allen anderen europäischen Staaten voraushaben, läßt sich mit der egalitären politischen Kultur klar beantworten. Folglich findet sich auch eine frühe und mit dem Männerwahlrecht zeitgleiche Einführung des Frauenwahlrechts allein im Kreis dieser Länder. Die elementare „Leidenschaft für Gleichheit und Gerechtigkeit“ der nordischen Bevölkerung erstreckt sich zudem nicht nur auf die politische Sphäre, sondern auch auf den gesellschaftlichen Bereich, wofür die durchgängig hohe Frauenerwerbsquote dieser Staaten ein Beleg ist. Die egalitäre Grundhaltung ist folglich mitverantwortlich für eine aktive Gleichstellungspolitik, die sich auf Männer und Frauen bezieht und letztlich eine Demokratisierung der Gesellschaft zum Ziel hat.

Gleichwohl leben die nordischen Frauen keineswegs im Paradies und sind vor Rückschlägen nicht* gefeit. Dennoch: Wenn wir etwas von den nordischen Ländern lernen können, dann ist es die egalitäre Grundhaltung und damit verbunden der hohe Stellenwert der Gleichberechtigung von Mann und Frau. Die Verantwortlichen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, aber auch die Frauen selbst sind aufgefordert, zu diesem Einstellungswandel beizutragen, was letztlich nichts anderes heißt, als eine größere Aufgeschlossenheit für soziale Gerechtigkeit und politische Gleichheit zu entwickeln.

Angesichts der Hartnäckigkeit patriarchaler Einstellungen und Strukturen ist dies sicherlich kein leichtes Unterfangen. Während Frauen sich längst auf den Weg gemacht haben, die öffentliche Sphäre zu erobern, halten die Männer dagegen an den traditionellen Geschlechterrollen fest, blockieren den beruflichen Aufstieg von Frauen und entwickeln für sich selbst keine neuen Perspektiven. Als die bisherigen Nutznießer der patriarchalen Strukturen haben die Männer somit auf der Einstellungsebene nicht Schritt gehalten mit dem veränderten Bewußtsein der Frauen. Eine durchgreifende Umgestaltung geschlechtsspezifischer Machtverhältnisse aber wird ohne grundlegende Lern-und Wandlungsprozesse -insbesondere auf Seiten der Männer -nicht zu erreichen sein Bereits heute sind 45 Prozent der Europäerinnen der Meinung, daß sich zuerst die Männer verändern müssen, um Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern abzubauen; demgegenüber vertreten zwei Fünftel die Auffassung, beide müßten sich verändern

Um diesen Prozeß zu forcieren, wäre die Einführung eines nationalen Ministeriums für die Gleichstellung von Mann und Frau beispielsweise ein erster Schritt. Wenn sich die Gleichstellungspolitik der Regierungen zudem nicht nur einseitig auf eine Verbesserung der Bildungs-und Erwerbschancen von Frauen bezöge (wie z. B. in Deutschland), sondern wenn zugleich versucht würde, die traditionellen Einstellungen gegenüber beiden Geschlechts-rollen zu verändern (wie in den nordischen Staaten, aber auch den Niederlanden), dann wären die Weichen für eine erfolgreiche Politik gestellt.

Darüber hinaus könnte ein solches Ministerium auch der Gleichstellungspolitik auf europäischer Ebene -von der die Mehrheit der europäischen Bevölkerung keine Kenntnis hat -erheblich mehr Nachdruck verleihen. Da bislang nur wenige Mitgliedstaaten ein entsprechendes Ressort geschaffen haben, existiert im Rat der Europäischen Union kein „eigenes“ Ministerium für Frauen-bzw. Geschlechterfragen, vielmehr werden die Belange von Frauen in dieser höchsten Entscheidungsinstanz von den Arbeits-und Sozialministern verhandelt -nicht selten ergebnislos, das heißt ohne eine für die Mitgliedstaaten verbindliche Richtlinie zu verabschieden In der Europäischen Kommission gibt es bislang gleichfalls kein eigenständiges Ressort für Gleichstellungspolitik; zwei untergeordnete, kleinere Einheiten sind dafür zuständig Eindeutiger Schwerpunkt der europäischen Gleichstellungspolitik ist zudem die Verbes-serung der beruflichen Chancen von Frauen; hier finden sich zahlreiche Maßnahmen und Aktionsprogramme. Initiativen zur Veränderung des männlichen Rollenverständnisses dagegen fehlen gänzlich. Auch auf europäischer Ebene muß sich Frauenpolitik somit erst noch zur Geschlechterpolitik erweitern, wofür die nordischen Mitgliedstaaten wichtige Impulse geben können.

Mit dem Vertrag von Amsterdam (Juni 1997) hat sich die Europäische Union inzwischen ausdrücklich dazu verpflichtet, die „Gleichstellung von Frauen und Männern zu fördern“. Wie ernst es ihr damit ist, hängt nicht zuletzt vom Engagement der Mitgliedstaaten ab. Das Europa der Frauen und Männer zu verwirklichen, vor dieser Herausforderung stehen alle westeuropäischen Demokratien an der Schwelle zum 21. Jahrhundert.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Die Deklaration wurde am 3. November 1992 auf der Athener Gipfelkonferenz „Women in Power“ angenommen und u. a. von allen Mitgliedstaaten der EU unterzeichnet. Vgl. European Network Women in Decision-Making, Brüssel 1994.

  2. Bereits vor mehr als zehn Jahren forderte Margareta Mommsen die Wissenschaft dazu auf, „die vielfältigen Ursachen für die fehlende Gleichstellung von Mann und Frau im Rahmen nationaler politischer Kulturen und in interkulturellen Studien herauszuarbeiten“. (Margareta Mommsen, Die politische Rolle der Frau in Ost und West, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 6-7/86, S. 3-13, hier S. 12.) Doch während deutsche Forscherinnen und Forscher der komparativen Perspektive bisher kaum Beachtung geschenkt haben, finden sich systematische Ansätze vor allem bei den britischen Wissenschaftlerinnen Lovenduski und Norris. Vgl. Joni Lovenduski/Pippa Norris (Hrsg.), Gender and Party Politics, London 1993; ferner Joni Lovenduski/Jill Hills (Hrsg.), The Politics of the Second Electorate, London 1981. Allein auf die nordischen Länder bezieht sich die Aufsatzsammlung von Elina Haavio-Mannila u. a. (Hrsg.), Unfinished Democracy: Women in Nordic Politics, New York -Oxford 1985. Wesentlich mehr Länder erfaßt demgegenüber die von Nelson und Chowdhury herausgegebene Publikation, wobei die institutioneile politische Partizipation von Frauen aber nicht im Mittelpunkt steht, vielmehr geht es um „political engagement“ in einem sehr weiten Verständnis. Vgl. Barbara J. Nelson/Najma Chowdhury (Hrsg.), Women and Politics Worldwide, London 1994. Erwähnenswert sind schließlich noch die Einzelfallstudien in Barbara Schaeffer-Hegel/Heide Kopp-Degethoff (Hrsg.), Vater Staat und seine Frauen, Pfaffenweiler 1991.

  3. Die folgenden Ausführungen basieren größtenteils auf den Ergebnissen von 16 Länderstudien, die in dem von mir herausgegebenen „Handbuch Politische Partizipation von Frauen in Europa“ dokumentiert sind. Für alle Staaten der EU sowie Norwegen haben Wissenschaftlerinnen anhand eines einheitlichen Konzeptes zunächst Entwicklung und Stand der jeweiligen nationalen politischen Beteiligung von Frauen in Parteien, Parlamenten und Regierungen aufgezeigt und daran anschließend die zumeist geringe, teilweise aber auch hohe politische Vertretung von Frauen im Kontext von politischer Kultur, Karrieremustern und institutioneilen Faktoren analysiert. Bis auf zwei Ausnahmen gehören die Autorinnen der jeweiligen Nation an, über die sie berichten. Vgl. Beate Hoecker (Hrsg.), Handbuch Politische Partizipation von Frauen in Europa, Opladen 1998.

  4. Hierzu gehören die Schwedische Volkspartei in Finnland (1992: Frauenanteil 52 %), die Sozialistische Linkspartei (1991: 57 %) sowie die Christliche Volkspartei (1991: 52 %) in Norwegen, die Konservative Partei Großbritanniens (Anfang der 90er Jahre: 49 %) sowie die Gaullisten in Frankreich (1992/93: 50 %). Vgl. die entsprechenden Länderstudien in: B. Hoecker, ebd.

  5. Zum ersten Mal seit 50 Jahren ist auch im norwegischen „Storting" der Frauenanteil nach der jüngsten Wahl vom September 1997 gesunken. Verantwortlich dafür ist der Wahlerfolg der rechten Fortschrittspartei, für die ausschließlich Männer ins Parlament einziehen. Vgl. die tageszeitung (taz), vom 17. September 1997, S. 3.

  6. Nur auf die EU-Mitgliedstaaten bezogen stieg der parlamentarische Frauenanteil im entsprechenden Zeitraum von 15, 8 auf 19, 7 Prozent.

  7. Nach Ausscheiden von zwei Bundesministerinnen sind zwei Frauen im Kabinett von Kanzler Kohl derzeit nur noch vertreten, was einem Anteil von lediglich 4, 4 Prozent entspricht.

  8. Vgl. hierzu Frauke Rubart, An der Macht, aber nicht am Ziel: Politische Partizipation von Frauen in Norwegen, in: B. Hoecker (Anm. 3).

  9. Vgl. Solveig Bergman, Frauen in der finnischen Politik: Auf dem Weg zur Hälfte der Macht?, in: B. Hoecker (Anm. 3).

  10. Mit dem Vertrag von Maastricht (1992) wurden die lediglich beratenden Befugnisse des Europäischen Parlaments zwar erweitert, so daß es heute -insbesondere durch das Verfahren der Mitentscheidung -größeren Einfluß auf die Politik nehmen kann. Gleichwohl besitzt das EP nach wie vor kein Recht zur Gesetzesinitiative. Vgl. hierzu Werner Weidenfeld/Wolfgang Wessels (Hrsg.), Europa von A-Z, Bonn 1994, S. 186 ff.

  11. Ausführlich zu den Determinanten der politischen Partizipation von Frauen vgl. Beate Hoecker, Politische pation von Frauen. Kontinuität und Wandel des Geschlechterverhältnisses in der Politik, Opladen 1995, S. 28 ff. Partizi-

  12. Stephen R. Graubard (Hrsg.), Die Leidenschaft für Gleichheit und Gerechtigkeit. Essays über den Nordischen Wohlfahrtsstaat, Baden-Baden 1988. Vgl. hierzu auch F. Rubart (Anm. 8).

  13. Weit über 90 Prozent der nordischen Bevölkerung ist evangelisch-lutherisch. Vgl. hierzu auch M. Mommsen (Anm. 2), S. 11.

  14. Monique Leijenaar, Vom demokratischen Feigenblatt zur Parität. Politische Partizipation von Frauen in den Niederlanden, in: B. Hoecker (Anm. 3).

  15. Vgl. hierzu die Umfragen von Eurobarometer aus dem Jahr 1987, abgedruckt in: B. Hoecker (Anm. 11), S. 184 ff. Neuere Einstellungserhebungen zu Frauen in der Politik liegen leider nicht vor, wären aber unter Vergleichsgesichtspunkten sowie aufgrund der Erweiterung der EU höchst interessant.

  16. Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Frauen und Männer im Europa der Gegenwart. Ihre Einstellung zu Europa und zur Politik (Nr. 35), Brüssel 1991, S. 16.

  17. Vgl. ebd.

  18. Ebd., S. 19.

  19. Nach Norris bestehen in Mehrparteiensystemen größere Nominierungschancen für Frauen. Doch auch hier gibt es Gegenbeispiele, und weitere Forschungen sind erforderlich. Siehe Pippa Norris, Conclusions: Comparing Legislative Recruitment, in: J. Lovenduski/P. Norris (Anm. 2), S. 319.

  20. Vgl. hierzu Wilma Rule/Joseph F. Zimmerman (Hrsg.), Electoral Systems. Their impact on minorities and women, Westport 1994.

  21. Vicky Randall, Die politische Vertretung von Frauen in Großbritannien. Hält sie einem Vergleich mit anderen europäischen Ländern stand?, in: B. Schaeffer-Hegel/H. Kopp-Degethoff (Anm. 2), S. 92.

  22. Es wird zwar stets erwähnt, daß die politische Kultur ein wichtiger Einflußfaktor ist, doch die Forschungen konzentrieren sich vorrangig auf institutioneile Faktoren, wie z. B. das Wahlsystem, die Struktur des Parteienwettbewerbs oder die personelle Rekrutierung. Vgl. hierzu u. a. J. Lovenduski/P. Norris (Anm. 2) sowie Pippa Norris/Joni Lovenduski, Political Recruitment. Gender, Race and Class in the British Parliament, Cambridge 1995.

  23. Auf diesen wichtigen Gesichtspunkt hat insbesondere Hollstein aufmerksam gemacht. Vgl. Walter Hollstein, Ende der Frauenpolitik? Zur unvollendeten Emanzipation von Männern und Frauen, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 42/96, S. 41-46.

  24. Unter den Männern vertrat nur ein Drittel die Auffassung, daß sie selbst sich zuerst verändern müßten, während gut zwei Fünftel von ihnen bei beiden Geschlechtern einen Veränderungsbedarf feststellten. Vgl. Eurobarometer, Women and Men in Europe and Equal Opportunities. Summary report (Nr. 44, 3), Brüssel 1997, S. 17.

  25. Vgl. ebd., S. 16.

  26. Vgl. hierzu Lissy Gröner, Chancengleichheit im Europa der Fünfzehn, in: Hede Helfrich/Jutta Gügel (Hrsg.), Frauenleben im Wohlfahrtsstaat, Münster 1996, S. 194-205; vgl. auch Susanne Schunter-Kleemann, Das Demokratiedefizit in der Europäischen Union und die Frauenpolitik, in: Elke Biester/Barbara Holland-Cunz/Mechtild M. Jansen/Eva Maleck-Lewy/Anja Ruf/Birgit Sauer (Hrsg.), Das unsichtbare Geschlecht der Europa. Der europäische Einigungsprozeß aus feministischer Sicht, Frankfurt am Main -New York 1994, S. 20-38.

  27. Diese sind das Referat für Chancengleichheit bei der Generaldirektion V (Beschäftigung und Arbeitsmarkt) sowie der Fraueninformationsdienst.

Weitere Inhalte

Beate Hoecker, Dr. rer. soc., geb. 1954; Studium der Soziologie in Bielefeld; Dozentin für Politik an der Akademie der Wirtschaft, Bremen. Veröffentlichungen u. a.: Frauen in der Politik. Eine soziologische Studie, Opladen 1987; Politische Partizipation von Frauen. Kontinuität und Wandel des Geschlechterverhältnisses in der Politik, Opladen 1995; (Hrsg.) Handbuch Politische Partizipation von Frauen in Europa, Opladen 1998.