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Demokratischer und besser?. Der Beitrag von Nichtregierungsorganisationen zur Demokratisierung internationaler Politik und zur Lösung globaler Probleme | APuZ 43/1997 | bpb.de

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APuZ 43/1997 Legitimität und Kompatibilität in der entwicklungspolitischen Praxis Demokratischer und besser?. Der Beitrag von Nichtregierungsorganisationen zur Demokratisierung internationaler Politik und zur Lösung globaler Probleme Nichtregierungsorganisationen und ihre Legitimität Internationale Demokratisierungshilfe Von den besten Nichtregierungsorganisationen im Süden lernen

Demokratischer und besser?. Der Beitrag von Nichtregierungsorganisationen zur Demokratisierung internationaler Politik und zur Lösung globaler Probleme

Hilmar Schmidt/Ingo Take

/ 23 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Das Aufkommen globaler Probleme hat zu einer zunehmenden Institutionalisierung der internationalen Politik geführt. Staaten kooperieren miteinander, um Probleme zu lösen, denen sie allein nicht mehr gewachsen sind. Aber auch die in diesem Rahmen erzielten Ergebnisse haben bisher kaum dazu beitragen können, die verhandelten Problemlagen einer tatsächlichen Lösung zuzuführen. Die verschiedenen Formen dieser „international governance“ finden darüber hinaus keine Entsprechungen mehr auf der Seite der politischen Kontrolle. Diesen mit Globalisierungsprozessen einhergehenden Defiziten der internationalen Politik steht eine Globalisierung von unten entgegen. In der Diskussion um globale Vergesellschaftung, Bürgerbeteiligung auf internationaler Ebene und um die Kontrolle internationaler Entscheidungsprozesse kommt den Nichtregierungsorganisationen (NGOs) vermehrte Aufmerksamkeit zu. Man erhofft sich von ihnen zum einen, daß sie die politische Entscheidungsfindung auf sämtlichen Ebenen der Politik mit eigenen Ressourcen unterstützen und damit zu deren Verbesserung beitragen. Zum anderen verspricht man sich von ihnen eine verstärkte Transparenz internationaler Entscheidungsprozesse und damit einen Beitrag zur Demokratisierung der internationalen Politik. Sind die NGOs geeignet, diesen Erwartungen gerecht zu werden und die oben beschriebenen Defizite der internationalen Politik tatsächlich zu beheben oder zumindest zu lindern? Dieser Frage geht der Artikel nach, indem er zunächst die Bedeutung transnationaler Akteure angesichts von Globalisierungs- und Vergesellschaftungsprozessen deutlich macht, um dann die Strategien und Wirkungsmöglichkeiten von NGOs in bezug auf die Effektivierung und Demokratisierung internationaler Politik zu analysieren. Abschließend problematisiert der Beitrag die Frage, in welcher Form NGOs in nationale, vor allem aber in internationale Problemlösungsprozesse eingebunden werden können. Vor dem Hintergrund eines normativen Demokratiebegriffs und unter Berücksichtigung der daraus resultierenden Probleme, die sich hinsichtlich der Effizienzsteigerung der globalisierten Problemlösung ergeben, kommen wir zu einer Zurückweisung der Forderung nach einem Partizipatitionsstatus für NGOs.

I. Einleitung

Im Zuge der Entwicklung globalisierter •Lebensund Politikbezüge und der Entstehung globaler Probleme wie des anthropogenen Treibhauseffekts und der Zerstörung der Ozonschicht scheinen Politikmuster zur Lösung dieser Probleme unausweichlich auf die internationale Ebene aufzusteigen. Politik zur Lösung internationaler und innergesellschaftlicher Probleme geschieht, wenn überhaupt, durch staatliche „Mitwirkung in pluralistischen, korporatistischen und intergouvernementalen Verhandlungssystemen, in transnationalen Regimes und in internationalen Organisationen“ Zu dieser Internationalisierung von Politik kommt, wie Ulrich Beck es jüngst formulierte, die Globalisierung von „unten“. Ihre Träger sind neue transnationale Akteure, die bestrebt sind, die etablierten Politikprozesse jenseits des politisch-administrativen Systems zu beeinflussen und in Frage zu stellen. In diesem Spannungsfeld stellt sich die Frage nach der Verwirklichung von Demokratie im internationalen wie transnationalen Kontext.

Dieses Kapitel beschäftigt sich mit dem Beitrag von gesellschaftlichen Akteuren, vor allem Nichtregierungsorganisationen (NGOs zur Demokrati­ sierung der internationalen Politik und wirft die Frage auf, unter welchen Bedingungen diese Demokratisierung mit dem Ziel der Effizienzsteigerung internationaler Problemlösungsprozesse in Einklang zu bringen ist. Den Beitrag von NGOs zur Demokratisierung internationaler Politik und außenpolitischer Entscheidungsprozesse sehen wir in erster Linie in der Schaffung von Transparenz. In Abschnitt 2 versuchen wir, im Rahmen des an anderer Stelle ausführlicher dargestellten Konzepts der Weltgesellschaft'die Bedeutung transnationaler Akteure angesichts von Globalisierungs-und Vergesellschaftungsprozessen deutlich zu machen. In Abschnitt zeigen wir die Wirkungsmöglichkeiten von NGOs auf internationale Politik auf und bewerten diese unter dem Aspekt der Demokratisierung und der Problemlösung. Im abschließenden Abschnitt 4 problematisieren wir die Frage, in welcher Form NGOs in nationale, vor allem aber in internationale Problemlösungsprozesse eingebunden werden können. Vor dem Hintergrund eines normativen Demokratiebegriffs und unter Berücksichtigung der daraus resultierenden Probleme, die sich hinsichtlich der Effizienzsteigerung globalisierter Problemlösungen ergeben, kommen wir zu einer Zurückweisung der Forderung nach einem Partizipationsstatus für NGOs.

II. Das Konzept der Weltgesellschaft

Die Forschungsgruppe Weltgesellschaft hat versucht, den Gesamtzusammenhang grenzüberschreitender Beziehungen, und hier vor allem dessen Veränderungen, mit dem Konzept der Welt-gesellschaft konzeptionell zu erfassen und somit der Analyse zugänglich zu machen. Für die Forschungsgruppe stellt sich der Prozeß der Vergesellschaftung der Welt als eine Entwicklung der internationalen Beziehungen vom internationalen System über die internationale Gesellschaft hin zu einer Weltgesellschaft dar. Schon die internationale Gesellschaft unterscheidet sich vom internationalen System durch die Institutionalisierung kollektiver Verhaltensregelungen zwischen den Staaten. Aber nicht nur das Modell der internationalen Gesellschaft, sondern auch die spätere Beschäftigung mit internationalen Institutionen, Normen und Regimen, blieb weitgehend dem zwischenstaatlichen Wahrnehmungsraum verhaftet Das Konzept der Weltgesellschaft versucht, diesen Wahrnehmungsraum zu öffnen, indem es die neuen Formen transnationaler Verflechtung und Politik berücksichtigt. Als die entscheidenden Charakteristika der Verweltgesellschaftung wurden die Institutionalisierung der internationalen Beziehungen, die Ausdifferenzierung von Handlungsebenen und die Diffusion von Akteuren identifiziert. Damit zeigt sich das Konzept offen für die steigende Bedeutung gesellschaftlicher Akteure im Rahmen der internationalen Politikformulierung.

Die genannten drei Elemente der Vergesellschaftung der Welt beeinflussen auch das Verhalten der gesellschaftlichen Akteure. So schließen sich nicht nur staatliche und wirtschaftliche Akteure in internationalen Allianzen zusammen, sondern auch gesellschaftliche Akteure bilden transnationale Netzwerke und Organisationen. Die Ausdifferenzierung der Handlungsebenen läßt sich daran ablesen, daß sich die Arbeit der gesellschaftlichen Akteure nicht länger auf den „eigenen“ Staat oder die „eigene“ Gesellschaft konzentriert, sondern sich in verstärktem Maße auch auf andere Staaten, andere Gesellschaften und internationale Organisationen richtet Die Diffusion der Akteure ist ebenfalls ein leicht nachweisbares Phänomen. So sind bei der ECOSOC (Wirtschafts-und Sozialrat der Vereinten Nationen) mittlerweile über 1 500 der unterschiedlichsten NGOs akkreditiert.

Die weltgesellschaftlichen Entwicklungen haben zwar die Steuerungsfähigkeit der modernen Nationalstaaten geschwächt deuten aber keinesfalls auf deren Abdankung hin. Es entstehen vielmehr „in ersten Ansätzen über die alten Formen der internationalen Kooperation und Regelbildung hinaus neue Formen von Staatlichkeit (, Trans-staatlichkeit 1, horizontale Politikverflechtung)“ Die beschriebene Entwicklung hat ihre Triebfeder in der Globalisierung Die Ausbildung transnationaler Wirtschaftsräume und transnationaler Gemeinschaften führt zur Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit der Staaten. Zum Problem des Wandels und der Durchlässigkeit von Grenzen kommt das Problem, daß Wirtschafts-, Politik-und Gesellschaftsräume immer weniger deckungsgleich sind Die unterschiedlichen Spielarten des Regierens -„government“ und „governance“ -finden keine Entsprechungen mehr auf der Seite der politischen Kontrolle. Beide Globalisierungsfolgen, nämlich die Beschränkung der Steuerungsfähigkeit der staatlichen Akteure bei der Bearbeitung globaler Probleme einerseits und die mit der „international governance“ einhergehende Entdemokratisierung andererseits, bergen die Gefahr eines Verlustes des Vertrauens in die staatlichen Institutionen und können so schließlich zu einer Delegitimation der repräsentativen Demokratie führen. Im nächsten Kapitel soll aufgezeigt werden, welchen Beitrag NGOs zur Demokratisierung und Effizienzsteigerung globaler Problemlösungsprozesse auf internationaler und nationaler Ebene leisten können.

III. NGOs und internationale Politik

1. Der Beitrag zur Demokratisierung von „global governance“

Das Funktionieren von Demokratie als eine komplexe Form des politischen Zusammenlebens hängt von einer Vielzahl von Variablen ab. Neben allgemeinen Verfahrensregeln entscheiden die politische Kultur, die Bedürfnisse der Bürger und die Öffentlichkeit über die Chancen zur Ausbildung einer vitalen Demokratie. Die Transparenz politischer Entscheidungsprozesse ist somit eine zentrale Kategorie der gesellschaftlichen Rückbindung von politischer Macht: „Politische Macht muß öffentlich sein, damit sie von der Öffentlichkeit kontrolliert werden kann, und die Öffentlichkeit hat selbst, in der Form der öffentlichen Meinung, wesentlichen Anteil daran, wie die Politik für das Gemeinwohl gestaltet werden soll.“ Um ihre Kontroll-bzw. Anforderungsfunktion wahrnehmen zu können, müssen Informationen für die Öffentlichkeit verfügbar sein, müssen politische Entscheidungswege und Verfahren der Auswahl von Politikergebnissen transparent gemacht werden. Gerade aber bei außenpolitischen Entscheidungsprozessen und der internationalen Politik wird die Rolle der Öffentlichkeit als eher unbedeutend eingeschätzt. Diese Wahrnehmung gründet sich auf die Vermutung, daß die Öffentlichkeit zum einen die auf dieser Ebene angesiedelten Entscheidungsprozesse als zu komplex empfindet und zum anderen sich von den dort angesiedelten Problemen nicht genug betroffen fühlt, was auf die Ferne der Gegenstände internationaler Politik zurückgeführt wird. NGOs unternehmen es deshalb, sich auch in außenpolitischen bzw. internationalen Fragen Kompetenz zu erwerben (zumindest in bezug auf ihr jeweiliges „issue“) und sich damit in die Lage zu versetzen, internationale Entscheidungsprozesse zu durchschauen. Die Rolle der NGOs bei der Demokratisierung bzw. Re-Demokratisierung internationaler Politik bzw. von außenpolitischen Entscheidungsprozessen sehen wir hier in der Schaffung von Transparenz durch die Information und Aufklärung der Öffentlichkeit über diese Prozesse. Transparenz durch Informationen stellt unseres Erachtens die grundlegende Bedingung für eine öffentliche Kontrolle dar und bildet somit einen wichtigen Beitrag zur Demokratisierung. Im folgenden zeigen wir anhand konkreter Beispiele auf, welchen Beitrag NGOs zur Schaffung von Transparenz politischer Entscheidungsprozesse leisten.

In der Diskussion um globale Vergesellschaftung, Bürgerbeteiligung auf internationaler Ebene und die Kontrolle internationaler Entscheidungsprozesse kommt den NGOs vermehrte Aufmerksamkeit zu. Als transnationale Akteure der Weltgesellschaft stellen sie Organisationen dar, die zwar, um ihre politischen Ziele zu erreichen, mit Kom-munen, Regionen, Staaten und ebenso mit internationalen Organisationen Zusammenarbeiten, gleichzeitig aber bemüht sind, ihren Status als unabhängige Akteure zu wahren. Durch öffentlichkeitswirksame Kampagnen werden gefährliche, illegale oder als unmoralisch empfundene Praktiken bekannt gemacht und durch den persönlichen Einsatz von Aktivisten bekämpft. Damit werden gleichzeitig die Regierungen angeklagt, ihrer Fürsorgepflicht für die Bürger nicht nachgekommen zu sein. Besonders die großen NGOs suchen sich für ihre Kampagnen im allgemeinen symbolkräftige Themen aus, von denen sie annehmen können, daß die Menschen sich von ihnen angesprochen fühlen. So agieren sie häufig als Speerspitze sozialer Bewegungen (wie z. B.der Umwelt-, der Friedens-oder der Frauenbewegung). Ihre Methoden ermöglichen es ihnen auf besondere Weise, deren Ziele strategisch umzusetzen. Die Auswahl dieser Ziele geschieht also nicht willkürlich. Es gibt -über die Anbindung an soziale Bewegungen hinaus -verschiedene Hinweise darauf, daß NGOs, auch ohne demokratisch verfaßte Legitimation, nicht völlig abgehoben von bedeutenden gesellschaftlichen Interessenlagen agieren. Die Auswahl ihrer Aktionen wird zunächst in internen Entscheidungsverfahren getroffen und richtet sich im allgemeinen nach deren vermuteter Akzeptanz in der Öffentlichkeit

Diese Funktion der Repräsentation öffentlicher Interessen wird den NGOs sowohl von öffentlicher als auch von offizieller Seite zuerkannt. Die Gründe für die öffentliche Anerkennung liegen in der thematischen Ausdifferenzierung politischer Entscheidungsmaterien und der zunehmenden Partikularisierung von Interessenlagen, die dazu führen, daß die Parteien mit ihren programmatischen Generalisierungsansprüchen und die national hochaggregierten Interessenverbände diesen neuen Herausforderungen nicht mehr gerecht werden Die Öffentlichkeit traut deshalb in steigendem Maße den „issue“ -orientierten NGOs zu, auf die neuen Probleme in angemessenerer Weise zu reagieren was auch den Erfolg der Brent-Spar-Kampagne von Greenpeace erklärt. Sie zeigte, daß weder multinationale Konzerne noch Minister beim Treffen weitreichender Entscheidungen die intervenierenden NGOs ignorieren können, wenn deren Kampagnen Rückhalt in der Öffentlichkeit finden. Shell sah sich, nach eigener Aussage, gezwungen, dem „internationalen Druck“ (so der Vorsitzende von Shell Deutschland, Peter Duncan) nachzugeben, nachdem der Kampf um die öffentliche Meinung verloren war. Man ist seitdem bei Shell bemüht, eine Lösung für Brent Spar in Abstimmung mit den Umweltverbänden zu finden. Duncan bezeichnet dieses Vorgehen „als Bestandteil unserer Bemühungen, gesellschaftliche Strömungen aufzufangen“

Die öffentliche Anerkennung von NGOs spiegelt sich auch in der Berichterstattung der Medien wider. Nicht selten gründet sich die mediale Berichterstattung über Konferenzen auf Informationsmaterialien, die dort von NGOs allen Interessierten zur Verfügung gestellt werden. Auch von offizieller Seite erfahren die NGOs zunehmend Akzeptanz und Anerkennung. Dies findet seinen Ausdruck in der Einbindung der NGOs, sei es als Teilnehmer oder Berichterstatter internationaler Meetings, sei es durch die Aufnahme ihrer Vertreter in nationale Delegationen. Im Zusammenhang mit der Rio-Konferenz sprechen Thomas Princen und Matthias Finger von 150 Delegationen, in denen NGO-Repräsentanten vertreten waren Die Bedeutung der NGOs als Repräsentanten des öffentlichen Interesses unterstrich auch der ehemalige UN-Generalsekretär Butros-Ghali, indem er die NGOs als „eine grundlegende Form menschennaher Repräsentation“ bezeichnete; sie seien „gewissermaßen eine Garantie für die politische Legitimation auch der Vereinten Nationen“ Die ständige Aufwertung des Konsultativstatus für NGOs in staatlichen und internationalen Gremien unterstützt diese These. Auch aufgrund der steigenden persönlichen Belastung der Menschen durch Umweltschäden wird die Beteiligung gesellschaftlicher Akteure am Prozeß der internationalen Umweltpolitik immer dringender eingefordert Hieraus leiten die NGOs ihre Forderung nach einem Partizipationsstatus ab. Darüber hin-aus verweisen sie auf den zusätzlichen Demokratisierungseffekt, den ein solcher Status mit sich bringen würde.

Durch die Zusammenarbeit mit den Medien wird gewährleistet, daß die NGO-internen Strukturen transparent gemacht werden und die NGOs damit selbst, als neue Akteure der internationalen Politik, dem Tranzparenzkriterium wenigstens ansatzweise gerecht werden. Insofern ergibt sich mit ihrer Einbindung in die internationale Politik zumindest kein zusätzlicher Transparenzverlust.

Die zusätzliche Demokratisierung internationaler Entscheidungsprozesse durch NGOs ist anhand ihrer tranzparenzfördernden Leistungen plausibel darzustellen. Hierzu zählen die von den NGOs immer wieder erbrachte Information und Aufklärung der Öffentlichkeit über politische Entscheidungsprozesse sowie die von den NGOs zur Verfügung gestellten unabhängigen Expertisen und Handlungsanleitungen, die die politischen Entscheidungsträger nicht mehr allein auf ihre Berater angewiesen sein lassen. Beispiele hierfür sind regelmäßig erscheinende Mitgliedszeitschriften, konferenzbegleitende Informationsmaterialien und Zeitschriften sowie Jahresberichte, wie sie z. B. Amnesty International veröffentlicht. Außerdem leisten die NGOs einen Beitrag zur Überwachung der Implementation der international vereinbarten Maßnahmen. Indem die NGOs also zusätzliche Informationen liefern, Entscheidungsprozesse durchsichtig machen und die Implementation bestimmter Politiken überwachen, schaffen sie ein zusätzliches Maß an Transparenz, welches den Bürgern eine freiere Meinungsbildung ermöglicht Darüber hinaus werden die tranzparenzfördernden Leistungen innerhalb der NGOs nicht durch einen restriktiven Verwaltungsapparat behindert Sie können deshalb relativ ungehindert ihre originären Funktionen wahrnehmen, die vor allem in der Kontrolle, Kritik, Anklage und Verurteilung der politischen Prozesse und ihrer Träger liegen. Allerdings muß auch konstatiert werden, daß sich zumindest die größeren NGOs in dem Dilemma befinden, sich einerseits von Staatspolitik und Wirtschaftshandeln abgrenzen zu müssen, andererseits aber auf die Formulierung anschlußfähiger Themenstellungen als Voraussetzung für unterstützende Förderung angewiesen zu sein.

2. Der Beitrag der NGOs zur internationalen Problemlösung

Die Zunahme und steigende Komplexität globaler Probleme haben dazu beigetragen, daß die Nationalstaaten als bedeutende Akteure der internationalen Politik einen Teil ihrer Problemlösungskompetenz eingebüßt haben. Der dadurch entstandene Autoritätsverlust staatlicher Akteure (gemeint sind vor allem Regierungen) hat u. a. die Zunahme international und global agierender gesellschaftlicher Akteure gefördert. NGOs sehen hier die Chance und Notwendigkeit, Einfluß auf die internationale Politik zu gewinnen. Durch ihre transnationalen Vernetzungen gelingt es ihnen, Ressourcen zu bündeln, Kompetenz zu gewinnen und damit Verhandlungsmacht zu generieren. NGOs sind damit in der Lage, auf neue Probleme schnel. ler und flexibler als die öffentlichen Institutionen zu reagieren, die durch lange Entscheidungsketten und die Möglichkeit von Blockaden bei der Entscheidungsfindung in der Wahrnehmung dieser Funktion behindert werden Die Stärke der NGOs ist somit das Spiegelbild der Schwäche der öffentlichen Institutionen.

Die Aufklärung der Öffentlichkeit ist nicht allein als ein Beitrag zur Demokratisierung internationaler Politik zu sehen, sie ist auch eine der wichtigsten Funktionen, die NGOs im Rahmen einer mehrstufigen „global governance“ zur Lösung globalisierter Probleme ausüben Durch sie wird Druck auf die politischen Entscheidungsträger erzeugt, bestimmte Probleme auf die politische Agenda zu setzen bzw.deren Bearbeitung voranzutreiben Die Umweltorganisationen, so läßt sich mit Ulrich Beck konstatieren, sind aus diesem „Aufdeckungskonflikt“ oft als Sieger hervorgegangen (Basler Giftmüllkonvention, Verbot der Dünnsäureverklappung auf See, Moratorium überirdischer Atomtests etc.). Bei der anschließenden Auseinandersetzung um die wirksamste Strategie der Gegensteuerung gewinnt der „Zurechnungskonflikt“ an Bedeutung. Hier geht es um die Identifizierung der Verantwortlichen und deren Haftbarmachung. Auch dabei können die NGOs immer wieder Erfolge erzielen (siehe Shell oder Boehringer).

Ein weiterer wichtiger Beitrag zur Lösung globalisierter Probleme ist die Kontrolle und gegebenenfalls Sanktionierung von Trittbrettfahrern. So kontrollieren die NGOs auf internationalen Konferenzen, ob die Konferenzteilnehmer bei ihren Beschlüssen nicht hinter bereits vereinbarte Regelungen zurückfallen. Die Kontrolle der Implementation üben sie auch auf staatlicher Ebene aus und erzeugen so den nötigen Druck auf die Gesetzgeber, international vereinbarte Maßnahmen in nationale Gesetze umzusetzen. Dieser Druck entsteht durch die Schaffung von Öffentlichkeit und die Lancierung von Gegendarstellungen auf internationalen Konferenzen, die den leader-Staaten zur Verfügung gestellt werden. Auch die konkrete Implementation auf individueller Ebene (z. B. innerhalb der Betriebe) wird mit Hilfe dieser Strategien vorangetrieben. Den kommunalen Behörden stehen meistens nicht genügend Kapazitäten zur Verfügung, die tatsächliche Befolgung der Umweltschutzgesetze bzw. -Vorschriften durch Industrieunternehmen zu kontrollieren. Indem NGOs dabei helfen, die Verschmutzer zu identifizieren, ihre Namen publik machen und Aktionen oder gar Kampagnen gegen sie durchführen, verringern sie die Probleme der Kontrolle und Sanktion von Umweltsündern, die ceteris paribus eine effektive Umweltpolitik behindern Problemlösungsfindungen auf internationaler sowie nationaler Ebene werden von den NGOs durch alternative Vorschläge und Ideen sowie eigene Expertisen unterstützt. Der Informationsinput der NGOs zeugt dabei (auch nach Aussagen von Regierungsdelegierten) teilweise von mehr Kompetenz als entsprechende, von den Regierungen in Auftrag gegebene Studien. Durch die Vermittlung zwischen staatlichen Akteuren und die Unterstützung von leader-Staaten gelingt es ihnen immer wieder, zur Fortentwicklung der Vereinba-rungen beizutragen. Beispielhaft kann hier die vermittelnde Tätigkeit des Pugwash-Clubs genannt werden, der entscheidend dazu beigetragen hat, daß 1963 ein Teststop für oberirdisch gezündete Atomwaffen zustande kam. Die Beteiligung der NGOs am Entscheidungsfindungsprozeß bedeutet darüber hinaus gegenüber der Öffentlichkeit einen Legitimitätsgewinn für die von der Regierung verabschiedeten Gesetze. Das gleiche gilt auch für die auf internationaler Ebene getroffenen Vereinbarungen

IV. Die NGOs in der internationalen Politik: demokratischer und besser?

Wir haben versucht, den Einfluß von Nichtregierungsorganisationen auf die internationale Politik unter zwei Gesichtspunkten zu diskutieren: erstens unter dem der Demokratisierung von Außen-und internationaler Politik und zweitens unter dem der Verbesserung der Problemlösungsfähigkeit von Außen-und internationaler Politik. Wie wir aufgezeigt haben, tragen NGOs nicht nur zur Transparenzerhöhung politischer Entscheidungsprozesse, zur zusätzlichen Kontrolle staatlicher und internationaler Entscheidungs-und Implementationsprozesse und zur Kompetenzerweiterung der Öffentlichkeit bei und leisten damit einen generellen Beitrag zur Demokratisierung, sondern sie unterstützen auch die Lösung globalisierter Probleme. In diesem Abschnitt zeigen wir zunächst die Problemlösungs-und Demokratisierungspotentiale auf, die durch eine gezielte Einbindung von NGOs auf nationaler Ebene erreicht werden können. Abschließend problematisieren wir unter unseren Leitkategorien (Demokratisierung/Problemlösung) die Forderung nach einem Partizipationsstatus für NGOs auf internationaler Ebene.

1. Einbindung auf nationaler Ebene

Wie schon die Korporatismus-Debatte gezeigt hat, kann es für die Staaten durchaus Sinn ergeben, sozialen Interessengruppen und deren korporatistischen Handlungsweisen einen legitimen Platz einzuräumen, um so produktiven öffentlichen Gebrauch von organisierten privaten Interessen zu machen Diese korporatistischen Strukturen können den Charakter von politischen Netzwerken entscheidend prägen. Unter den weltgesellschaftlichen Entwicklungen von Akteursdiffusion und der Herausbildung von neuen Handlungsebenen können Policy-Netze eine Integrationsleistung erbringen, „weil auf der einen Seite gesellschaftliche Akteure eine Beteiligung am politischen Prozeß anstreben, während umgekehrt eine Zusammenarbeit mit ihnen für den Staat die Möglichkeit eröffnet, sich Informationen zu beschaffen“ Den NGOs würde auf diesem Wege zwar keine direkte Partizipation eingeräumt (z. B. Stimm-oder Vetorechte) durch ihre unmittelbare Nähe zum Entscheidungsprozeß könnten ihre Positionen aber einen direkteren Einfluß auf das Lernen anderer Akteure haben und zusätzliche Transparenz in den außenpolitischen Prozeß bringen. Auf einer weiteren Stufe könnten sie im Rahmen der Devolution von Regierungsgewalt oder, wie bei Martin Jänicke, im Rahmen von politischer Modernisierung in staatliche Regierungstätigkeit eingebunden werden, um so einen Beitrag zur Sicherung der Regierbarkeit entwickelter Industriegesellschaften bei der Lösung globalisierter Probleme zu leisten

2. Einbindung auf internationaler Ebene

Um die Probleme globalen Charakters einer Lösung zuzuführen, „muß die internationale Verregelung ihren ausschließlich reaktiven Charakter verlieren; sie muß aktive Steuerungsfähigkeit erlangen, indem auch nichtstaatlichen Akteuren eine unmittelbare Rolle bei der Entwicklung und Veränderung von internationalen Institutionen zuerkannt wird“, konstatiert Zürn In diesem Zusammenhang fordern nicht nur NGOs und Wissenschaftler sondern auch Vertreter der UNO einen Partizipationsstatus für gesellschaftliche Akteure in internationalen Organisationen. Ein Beispiel hierfür bildet die Agenda 21: „With a view to strengthening the role of non-governmental organizations as social partners, the United Nations System and governments should initiate a process, in consultation with non-governmental organizations, to review formal procedures and mechanisms for the involvment of these organizations at all levels from policy-making and decisionmaking to Implementation.“

Gefordert wird die tatsächliche Einbeziehung in den politischen Entscheidungsprozeß, d. h. die Zuerkennung des Stimmrechts. Auf diese Weise soll die politische Internationalisierung mit der gesellschaftlichen Internationalisierung zur Dekkung gebracht und so ein Minimum an demokratisch kontrollierter Steuerungsfähigkeit zurückgewonnen werden. Im folgenden wollen wir die Frage diskutieren, welche positiven bzw. negativen Implikationen ein solcher Partizipationsstatus beinhaltet.

3. Vorteile von NGOs

Wie oben bereits erwähnt, würde die Beteiligung gesellschaftlicher Akteure am Prozeß der Gesetzgebung nationalen Gesetzen und internationalen Regelungen eine zusätzliche Legitimität verschaffen. Durch eine unmittelbare Mitwirkung der NGOs könnten außerdem die Reaktionszeiten der Politik verkürzt werden, und zwar in dem Sinne, daß neue Themen schneller auf die politische Tagesordnung kämen. Die von den NGOs eruierten Informationen und Zeugnisse von Betroffenen fänden direkten Eingang in die politischen Entscheidungsprozesse, was zu einer „bürgernäheren“ Politik beitragen könnte. Bisher kostet es die NGOs zum Teil erheblichen Aufwand, Zugang zu den politischen Entscheidungsebenen zu erlangen. Mit der formellen Einbindung der NGOs in Entscheidungsprozesse könnten die NGOs diese Ressourcen für andere Zwecke, z. B. die Beschaffung zusätzlicher Informationen, nutzen. Berücksichtigt man außerdem die Tatsache, daß die Bürger den staatlichen Instanzen allein nicht mehr Zutrauen, lebensbedrohenden Gefahren wirksam entgegenzutreten, sondern vielmehr den NGOs diese Fähigkeit zusprechen, scheint deren unmittelbare Einbindung in den politischen Entscheidungsprozeß ein gerechtfertigtes Anliegen.

4. Probleme der NGOs

Das Problem der Legitimation Eine derartige Einbeziehung, wie sie vielfach ein-gefordert wird, birgt allerdings auch gewichtige Probleme. So läßt sich mit Recht kritisieren, daß die NGO-Vertreter nicht durch eine allgemeine öffentliche Wahl legitimiert sind. Vielmehr repräsentieren sie nur bestimmte Interessen, von denen letzlich nicht bekannt ist, welches Maß an Zustimmung durch die Öffentlichkeit hinter ihnen steht. Zur Minderung dieses Defizits ließen sich nationale bzw. internationale NGO-Versammlungen denken, aus deren Mitte die Delegierten für eine bestimmte internationale Zusammenkunft ausgewählt würden. Ein solches Verfahren birgt jedoch die Gefahr, daß es zu einer Neutralisierung der auch innerhalb der NGO-Gemeinde sehr unterschiedlichen Standpunkte und damit zu ihrer weitgehenden politischen Bedeutungslosigkeit auf der internationalen Ebene käme.

Das Problem der internen Struktur Es wird immer wieder kritisiert, daß die NGOs selbst in ihrer Struktur nicht demokratischen Ansprüchen genügen. Hierarchische Strukturen sind nicht nur bei Greenpeace zu finden. Fast alle größeren Organisationen haben, um der Effizienz willen, ihre Entscheidungsgewalt auf eine begrenzte Zahl von Mitgliedern beschränkt. Dahinter steht die Annahme, „daß demokratische Organisationsformen wie Mehrheitsentscheidungen in Fach-gremien sowie die unbeschränkte Zulassung von Vereinsmitgliedern die Effektivität entscheidend hemmen würden“ Nach der Meinung von Greenpeace International-Chef Thilo Bode ist es aber gerade die Effektivität, die über Erfolg (Einfluß) oder Nichterfolg von NGOs entscheidet: „Aus meiner Sicht ist es essentiell, daß ein Verband wie Greenpeace, der konfrontativ arbeitet und sich mit mächtigen Interessengruppen auseinandersetzen muß, schnell und flexibel reagieren kann.“

Das Problem der Delegation Die rasche Zunahme von NGOs sowie deren zunehmendes Bedürfnis, sich auch auf internationaler Ebene Gehör zu verschaffen, wird mittelfristig (aus rein organisatorischen Gründen) dazu führen, daß aus der Menge der bei der UN akkreditierten NGOs eine Auswahl derer getroffen werden muß, die letztlich an den Sitzungen teilnehmen und sich mündlich äußern dürfen. Ein solches Auswahlverfahren ist allerdings der Gefahr ausgesetzt, von den politischen Kalkülen der Regierungsvertreter geleitet zu werden.

Das Problem des Nord-Süd-Verhältnisses Ein weiteres Problem ergibt sich aus der ungleichen Ressourcenverteilung zwischen den NGOs des Nordens und denen des Südens. Die reichen NGOs im Norden subventionieren die armen NGOs im Süden und entscheiden auf diese Weise letztendlich, welche südliche NGO an welcher Konferenz teilnehmen darf. Auf diese Weise spiegeln sich die strukturellen Defizite des internationalen Staatensystems auf der Ebene der NGOs wider. Auf der UN-Konferenz für „Umwelt und Entwicklung“ war z. B. ein eindeutiges Übergewicht von nördlichen und insbesondere nordamerikanischen NGOs festzustellen. Inzwischen gibt es aber auch vermehrte Hinweise auf einen Wandel der Beziehungen zwischen Nord-und Süd-NGOs. Einen solchen konnte Skriver anläßlich der Menschenrechtskonferenz 1993 in Wien feststellen Zusätzliche strukturelle Ungleichheit entsteht durch die im Rahmen der ECOSOC etablierte Praxis der Einteilung der NGOs in drei Klassen mit abgestuften Partizipationsrechten. Diese führt zu einer Bevorzugung der etablierten internationalen NGOs wie z. B.der Weltdachverbände der Arbeitgeber, der Gewerkschaften, der Frauen und der Jugendlichen gegenüber den spezialisierten und zum Teil politischen NGOs im Umwelt-, Entwicklungs-, Friedens-und Menschenrechtsbereich. Nationale NGOs können allenfalls im „Röster“ registriert werden, ohne daß damit für sie tatsächliche Partizipationsrechte verbunden sind.

Das Problem der Einbindung

Schließlich würde die mit dem Partizipativstatus verbundene Verantwortung für das Zustandekommen politischer Entscheidungen die NGOs zu Kompromissen nötigen, die jeweils lediglich den kleinsten gemeinsamen Nenner verkörpern Ein solches Konsensgebot würde nicht nur ihre Kritik-fähigkeit einschränken, sondern auch die konsequente und unabhängige Vertretung öffentlicher Interessen einschränken. Zudem kann die Forderung nach erweiterten öffentlichen „Partizipationsrechten auch einen moralisch korrumpierenden Anreiz des Aufrufs rein selbstbezüglicher, partikularer Interessen beinhalten“

Das Problem der Instrumentalisierung Ein letzter Einwand weist in eine ganz andere Richtung und kommt von den NGOs selbst. Sie befürchten, daß vor dem Hintergrund weltweiter ökonomischer Deregulierung und Privatisierung die Regierungen sich unter dem Deckmantel von Partizipation und Demokratisierung aus ihrer Verantwortung in der Gesellschaft stehlen, auch indem sie originär staatliche Aufgaben, etwa im Katastrophenschutz, auf die NGOs übertragen. Dieser Punkt spiegelt allerdings ein generelles Problem der NGOs wider, mit dem sie bereits jetzt, ohne unmittelbare Einbindung in die Entscheidungsstrukturen, konfrontiert sind. Ein weiteres Problem ergibt sich aus der Notwendigkeit zur Ressourcenallokation, die dazu führt, daß die NGOs sich den Handlungslogiken staatlicher Organisationen und Vergabegremien weitgehend anpassen müssen. Neben der Instrumentalisierungsund Kooptationsgefahr besteht damit auch das Risiko, sich in der Beschaffung und Verwaltung von Ressourcen zu verschleißen. Eine Instrumentalisierung etwas anderer Art geschieht durch die Aufnahme von NGO-Vertretern in nationale Delegationen allein zu dem Zweck, die Legitimität der auf internationaler Ebene zustande gekommenen Vereinbarungen zu erhöhen.

Im Lichte dieser Chancen und Probleme, die der Partizipativstatus den NGOs bringt, kommen wir zu folgendem Fazit: Sollen die NGOs den Status von Mitentscheidern erhalten, müssen zunächst die Defizite ihrer inneren Struktur überwunden und muß eine gezieltere Verteilung der Ressour­ cen, etwa zwischen den NGOs des Nordens und denen des Südens, erzielt werden. Selbst wenn die NGOs fähig und bereit wären, diesen Demokratisierungspfad einzuschlagen, bleibt die Frage offen, ob ein institutionalisierter Partizipativstatus überhaupt ratsam erscheint. Neben der Einschränkung der Effektivität durch die Demokratisierung der internen NGO-Strukturen bestünden die Nachteile in der Restriktion der Kritikfähigkeit (Konsensgebot) und in der Begrenzung der Unabhängigkeit (Systembefangenheit). Angesichts dieser Problematik muß letztlich jede NGO selbst entscheiden, ob sie einen solchen Preis zu zahlen bereit ist. Nimmt sie diese Restriktionen in Kauf, ist unseres Erachtens nicht mehr gewährleistet, daß NGOs noch den Beitrag zur Demokratisierung (Herstellung von Transparenz, Kontrolle staatlicher und internationaler Handlungsweisen) und zur Lösung globaler Probleme (Informations-und Ressourceninput, Vermittlung, zusätzliche Legitimierung von Entscheidungen, Kontrolle und Sanktionierung mangelnder Implementation) leisten, den sie bisher zu leisten imstande waren. Sie würden darüber hinaus Gefahr laufen, ihr moralisches Charisma zu verlieren, das ihnen, als der „Avantgarde der Weltbürger“, zugesprochen wird. Deshalb halten wir die Forderung nach einem Partizipationsstatus weder unter Demokratisierungs-noch unter Problemlösungsaspekten für sinnvoll.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Die Autoren sind Mitglieder der Forschungsgruppe Welt-gesellschaft. Wichtige Hinweise zur Überarbeitung des Manuskripts verdanken wir den Mitgliedern der Forschungsgruppe Weltgesellschaft sowie Rainer Schmalz-Bruns, Thomas Schmidt und Michael Zürn. Fritz W. Scharpf, Legitimationsprobleme der Globalisierung. Regieren in Verhandlungssystemen, in: Claus Böhret/Göttrick Wewer (Hrsg.), Regieren im 21. Jahrhundert -Zwischen Globalisierung und Regionalisierung, Opladen 1993. S. 165.

  2. Unter den Begriff Non-Governmental-Organization (NGO) subsumieren wir hier ausschließlich nichtstaatliche, nicht gewinnorientierte Gruppen, die eine bestimmte, im öffentlichen Interesse liegende Zielsetzung verfolgen. Allein in diesem Sinne wird der Begriff im vorliegenden Papier verwendet. Damit folgen wir dem traditionellen Verständnis von NGOs, welches Industrie-und Handelsorganisationen sowie andere, von privaten Interessen geleitete Organisationen ausschließt. Die Definitionen der UNO sowie der „Union of International Associations“ sind zu allgemein gefaßt, um eine sinnvolle Verwendung zuzulassen, bzw. zu strikt, so daß eine Reihe der den o. g. Kriterien entsprechenden Organisationen aus der Betrachtung herausfielen.

  3. Vgl. Forschungsgruppe Weltgesellschaft, Weltgesellschaft. Identifikationen eines Phantoms, in: Politische Vierteljahres-schrift (PVS), 37 (1996) 1, S. 5-37.

  4. Vgl. Beate Kohler-Koch, Die Welt regieren ohne Weltregierung, in: C. Böhret/G. Wewer(Anm. 1), S. 109-141; Medley Bull, The anarchical Society. A Study of Order in World Politics, London 1977.

  5. Vgl. Alejandro Coläs, The Promises of International Civil Society, Paper presented at the 37th Annual Convention of the International Studies Association, San Diego, April 16-20, 1996.

  6. Vgl. Michael Zürn, Über den Staat und die Demokratie im europäischen Mehrebenensystem, in: Politische Vierteljahresschrift, 37 (1996) 1, S. 27-55; Hilmar Schmidt, Problem-solving in World Society, State Reponses to Global Environmental Problems (World Society Research Group Working Paper No. 4), Darmstadt 1996; Kritisch dazu: Michael Smith, Modernization, Globalization and the Nation-State, in: Anthony McGrew/Paul G. Lewis u. a. (Hrsg ), Global Politics. Globalization and the Nation-State, Cambridge 1992, S. 253-268; Karen Litfin, Ecoregimes: Playing Tug of War with the Nation-State, in: Ronnie D. Lipschutz/Ken Conca (Hrsg.), The State and Social Power in Global Environmental Politics, New York 1993, S. 94-117.

  7. Forschungsgruppe Weltgesellschaft (Anm. 3), S. 12.

  8. Wir übernehmen den Begriff der Globalisierung vom DFG-Projekt der Universität Bremen zu diesem Thema. Unter Globalisierung kann man so jegliche „Zunahme der Intensität und der Reichweite grenzüberschreitender Austausch-und Interaktionsbeziehungen verstehen, seien es wirtschaftliche Transaktionen, kulturelle und informelle Austauschprozesse oder der grenzüberschreitende Austausch von Umweltschadstoffen“. Zitiert nach: DFG-Projekt „Gesellschaftliche Bestimmungsfaktoren von politischer Integration und politischer Fragmentierung in der OECD-Welt“, Universität Bremen, unv. Kurzpapier.

  9. Vgl. Lothar Brock/Mathias Albert, Entgrenzung der Staatenwelt. Zur Analyse weltgesellschaftlicher Entwicklungstendenzen, in: Zeitschrift für Internationale Beziehungen, 2 (1995) 2, S. 259-285.

  10. Vgl. M. Zürn (Anm. 6), S. 30.

  11. Gerhard Göhler (Hrsg.), Macht der Öffentlichkeit -Öffentlichkeit der Macht, Baden-Baden 1995.

  12. So haben im November 1996 Vertreter aus sämtlichen nationalen Greenpeace-Büros die politischen Schwerpunkte für die Arbeit 1997 gemeinsam festgelegt. Themenschwerpunkt für das Jahr 1997 ist der Klimaschutz.

  13. Vgl. Herbert Kitschelt, Demokratietheorie und Veränderungen politischer Beteiligungsformen. Zum institutioneilen Design postindustrieller Gesellschaften, in: Forschungsjournal neue Soziale Bewegungen, 9 (1996) 2, S. 17-29.

  14. Auf die Frage, welche Institutionen in Zukunft besonders aktiv werden sollten, damit Umweltschutzmaßnahmen schnell und wirksam durchgeführt werden, sprachen sich bei einer Umfrage 67 Prozent für die Umweltverbände aus (Mehrfachnennungen möglich). Elisabeth Noelle-Neumann (Hrsg.), Aliensbacher Jahrbuch der Demoskopie, München 1993, S. 930.

  15. Wilfried Kratz/Nikolaus Piper, Lernen schmerzt, in: Die Zeit vom 30. Juni 1995, S. 19.

  16. Vgl. Thomas E. Princen/Matthias Finger (Hrsg.), Environmental NGOs in World Politics. Linking the local and the global, London -New York 1994.

  17. Zitiert aus: Das Parlament vom 13. Oktober 1995, S. 13.

  18. So lautete ein Statement auf der internationalen NGO-Konferenz in Paris (1992): „Alle Bürger haben das Recht, sich an den Entscheidungsprozessen zu beteiligen, die ihr Leben und ihre Umwelt täglich berühren.“ Zitiert aus: Christian Wernicke, Die hofierten Störenfriede, in: Die Zeit vom 6. September 1996, S. 13.

  19. Indem die NGOs ihre Fähigkeit, mediengerecht zu agieren, zunehmend verbessert haben, ist eine Wechselbeziehung zwischen den Massenmedien und den NGOs entstanden, die sicherlich nicht immer ganz unproblematisch ist, auf die an dieser Stelle aber nicht ausführlich eingegangen werden soll.

  20. Diese Aussage beinhaltet, daß die NGOs zum einen Informationen über politische Entscheidungsprozesse zur Verfügung stellen, die von staatlichen Akteuren aus bestimmten Gründen zurückgehalten werden, und zum anderen zusätzliche, alternative Sichtweisen auf bestimmte Probleme liefern. Es soll damit nicht behauptet werden, daß die von NGOs eingebrachten Informationen grundsätzlich neutraler oder besser sind als die von staatlicher Seite.

  21. Wohl kann die Durchsetzung solcher Ideen aber an allzu hierarchischen Entscheidungsstrukturen scheitern, wie sie die großen multinationalen Verbände oft aufweisen.

  22. Vgl. Dieter Rucht, Multinationale Bewegungsorganisationen: Bedeutung, Bedingungen, Perspektiven, in: Forschungsjournal Neue Soziale Bewegungen, 9 (1996) 2, S. 36.

  23. Vgl. Ingo Take, Der Einfluß von Umweltverbänden auf internationale Regime, Diplomarbeit, Universität Bremen 1996.

  24. Vgl. Peter Cornelius Mayer-Tasch, Umweltinitiativen und internationale Umweltpolitik. Eine Problemskizze, in: Zeitschrift für Politik, 37 (1990) 2. Mayer-Tasch bezeichnet diesen „nationalen Basis-und Lobbydruck“ als den „eigentlichen Beweger der internationalen Umweltpolitik“. „Die nationalen Regierungen“, so Mayer-Tasch weiter, „geben ihn an die internationale Ebene weiter, wo er dann einerseits die notorischen Verzögerer umweltpolitischen Fortschritts ... unter Druck setzen und andererseits in internationales Umweltrecht unterschiedlichsten Wirkungsgrades umgesetzt werden mag.“

  25. Ulrich Beck, Der grüne Spaltpilz. Warum Kohl Greenpeace unterstützt, in: Süddeutsche Zeitung vom 8. /9. Juli 1995, S. 15.

  26. Vgl. Bernhard Zangl, Politik auf zwei Ebenen, in: Zeitschrift für Internationale Beziehungen, 1 (1994) 2, S. 279-312.

  27. Vgl. Janie Leatherman/Ron Pagnucco/Jackie Smith, International Institutions and Transnational Social Movement Organizations: Challenging the State in a Three-level Game of Global Transformation, Kroc Institute for International Peace Studies, University of Notre Dame 1993; Peter Willets, The Impact of Promotional Pressure Groups on Global Politics, in: ders. (Hrsg.), Pressure Groups in the International System, New York 1982, S. 179-200.

  28. Vgl. Philippe C. Schmitter, Neokorporatismus: Überlegungen zur bisherigen Theorie und weiteren Praxis, in: Ulrich von Alemann (Hrsg.), Neokorporatismus, Frankfurt a. M. -New York 1981, S. 62-79; Gerhard Lehmbruch, Introduction: Neo-Corporatism in comparative perspective, in: ders. /Philippe C. Schmitter (Hrsg.), Patterns of corporatist policy-making, London 1982, S. 1-28.

  29. Renate Mayntz, Policy-Netzwerke und die Logik von Verhandlungssystemen, in: Adrienne Heritier (Hrsg.), Policy-Analyse. Kritik und Neuorientierung, PVS-Sonderheft Nr. 24, Opladen 1993, S. 4L

  30. Gegen eine „klassische“ korporatistische Einbindung der NGOs spricht zum einen die fehlende hegemoniale Stellung im Problemfeld und zum anderen die eingeschränkte Durchsetzungsmacht der NGO-Führung gegenüber ihren Mitgliedern. In Ansätzen zeigt sich jedoch auch bei großen NGOs eine Hierarchisierung der internen Strukturen und eine Zentralisierung der NGOs durch die Bildung von organisierten Netzwerken.

  31. Vgl. Frans van Waarden, The historical institutionalization of typical national patterns in policy between state and industry. A comparison of the USA and the Netherlands, in: European Journal of Political Research, 21 (1992) 1-2, S. 131-162; Jenny Stewart, Corporatism, Pluralism and Political Learning: A Systems Approach, in: Journal of Public Policy, 12 (1992) 3, S. 242-255.

  32. Vgl. H. Schmidt (Anm. 6); Wolfgang Streeck, Staat und Verbände: Neue Fragen. Neue Antworten?, in: ders. (Hrsg.), Staat und Verbände, PVS-Sonderheft Nr. 25, Opladen 1994, S. 7-34.

  33. Michael Zürn, Jenseits der Staatlichkeit: Über die Folgen der ungleichzeitigen Denationalisierung, in: Leviathan, 20 (1992) 4, S. 490-513.

  34. Stellvertretend seien hier genannt: Virginia Häufler, Crossing the Boundary between Public and Private: International Regimes and Non-State Actors, in: Volker Rittberger (Hrsg.), Regime Theory and International Relations, Oxford 1993, S. 94-111; J. Leatherman/R. Pagnucco/J. Smith (Anm. 27); Jens Martens, Dabeisein ist noch nicht alles. Die NGOs in den Vereinten Nationen: Akteure, Kritiker, Nutznießer, in: Vereinte Nationen, 5 (1993), S. 168-171; Kevin Stairs/Peter Taylor, Non-Governmental Organizations and the Legal Protection of the Oceans: A Case Study, in: Andrew Hurrell/Benedict Kingsbury (Hrsg.), The International Politics of the Environment, Oxford 1992, S. 110-141; Michael Zürn, Weltordnung ohne Weltstaat. Plädoyer für mehr Demokratie in der internationalen Politik, in: der überblick, 3 (1992), S. 58-61.

  35. United Nations Document A/Conf. 151/4 (Part. III), para. 27. 6.

  36. Thilo Bode, Igittigitt, Qualitätskontrolle. Ein Ökoverband muß wie ein Konzern geführt werden, in: Spiegel Spezial: Die Macht der Mutigen, (1995) 11, S. 122.

  37. Ebd., S. 122.

  38. Vgl. Ansgar Skriver, Die westlichen Menschenrechts-organisationen können vom Süden lernen -Zu den Perspektiven nach der Wiener Menschenrechtskonferenz, in: Gewerkschaftliche Monatshefte, (1993) 9, S. 521-531.

  39. Vgl. Peter Willetts, Introduction, in: Peter Willetts (Hrsg.), „The conscience of the world“. The influence of nongovernmental Organization in the UN System. Washington, D. C. 1996, S. 1-14.

  40. Rainer Schmalz-Bruns, Demokratietheoretische Aspekte einer ökologischen Modernisierung der Politik, in: Peter Henning Feindt/Wolfgang Gessenharter/Markus Birzer/Helmut Fröchling (Hrsg.), Konfliktregelung in der offenen Bürgergesellschaft, Dettelbach 1996, S. 41.

Weitere Inhalte

Hilmar Schmidt, M. A., geb. 1967; Studium der Fächer Politikwissenschaft und Soziologie an der Universität Stuttgart; seit Mai 1994 wissenschaftlicher Mitarbeiter und Lehrbeauftragter am Institut für Politikwissenschaft der TH Darmstadt; Mitglied der Forschungsgruppe Weltgesellschaft (Darmstadt/Frankfurt). Veröffentlichung u. a.: Konfliktlinien der internationalen Klimapolitik, in: Hans-Günther Brauch (Hrsg.), Klimapolitik. Naturwissenschaftliche Grundlagen, internationale Regimebildung und Konflikte sowie nationale Problemerkennung und Politikimplementation, Berlin 1996; (Mitautor) Forschungsgruppe Weltgesellschaft, Weltgesellschaft -Identifizierung eines Phantoms, in: Politische Vierteljahresschrift, 37 (1996) 1. Ingo Take, Dipl. -Pol., geb. 1967; Diplomstudium der Politikwissenschaft an der Universität Bremen; seit Mai 1996 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Politikwissenschaft der TH Darmstadt; Mitglied der Forschungsgruppe Weltgesellschaft (Darmstadt/Frankfurt). Veröffentlichung u. a.: (zus. mit Michael Zürn) Weltrisikogesellschaft und öffentliche Wahrnehmung globaler Gefährdungen, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 24-25/96.