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Kommunale Sozialpolitik und Grundrisiken der Gesellschaft | APuZ 50/1996 | bpb.de

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APuZ 50/1996 Warum neue Beteiligungsmodelle auf kommunaler Ebene? Kommunalpolitik zwischen Globalisierung und Demokratisierung Kommunale Sozialpolitik und Grundrisiken der Gesellschaft Krise und Perspektiven der sozialen Stadt Umweltschutz in den Kommunen Kommunale Demokratie in den neuen Bundesländern. Eine Bilanz

Kommunale Sozialpolitik und Grundrisiken der Gesellschaft

Gerhard Igl

/ 18 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Den Kommunen kommt in der Bundesrepublik Deutschland keine ausschließliche Kompetenz für sozialpolitische Aufgaben zu, auch nicht für die Sicherung der sozialen Grundrisiken. Die Sicherung der sozialen Grundrisiken vollzieht sich vor allem in den verschiedenen Sozialversicherungen und ist den dort für die Gesetzesausführung zuständigen Sozialversicherungsträgern übertragen. Der sozialpolitische Handlungsrahmen der Kommunen wird in der Hauptsache vom Bundessozialhilfegesetz bestimmt. Der rechtliche wie der faktische Spielraum für sozialpolitische Maßnahmen der Kommunen ist zuletzt mit der Einführung der Pflegeversicherung erheblich beschränkt worden. Gerade die Pflegeversicherung zeigt, wo es noch Möglichkeiten der örtlichen Unterstützung pflegebedürftiger Menschen gibt. Diese Möglichkeiten bestehen-kaum noch in der Bereitstellung zusätzlicher Sozialleistungen, sondern vielmehr in der Sicherung der Leistungsrealisierung. Das gesellschaftliche Ordnungsprinzip der Subsidiarität wird pervertiert, wenn die Kommunen erst dann im Rahmen der Sozialhilfe zur Verantwortung aufgerufen werden, wenn die eigentlich hierfür vorgesehenen Sicherungsinstrumente -so insbesondere die Sozialversicherungen -auf Grund von Leistungseinschränkungen nicht mehr voll tauglich sind. Dies beeinträchtigt die bewährte sozialpolitische Gestaltungsfähigkeit der Kommunen.

L Wahrnehmung der Kommunen als sozialpolitische Akteure

Die Wahrnehmung der Kommunen in ihrer Eigenschaft als sozialpolitische Akteure, insbesondere als Träger von Sozialpolitik, ist höchst diffus: Wie fungieren die Kommunen in dieser Rolle? Gibt es eine eigene, eine genuine Sozialpolitik der Kommunen? Wie grenzt sich die kommunale Sozialpolitik von der Sozialpolitik anderer Träger, etwa des Bundes, der Länder oder der anderer Selbstverwaltungskörperschaften wie der Sozialversicherungsträger, ab, oder wie ergänzt sie deren Sozialpolitik? Gibt es eine Art Grundverantwortung der Kommunen in der örtlichen Sozialpolitik, oder tragen sie nur eine Restverantwortung, nachrangig hinter anderen sozialpolitischen Akteuren?

Die Beantwortung dieser Fragen ist kompliziert. Blickt man beispielsweise in die konkrete sozialpolitische Arbeit einzelner Kommunen, so zeigen sich vielfältige Ausprägungen kommunaler Sozialpolitik. Die Spannweite sozialpolitischer Aktionen einzelner Kommunen erstreckt sich von der Unterstützung der Selbsthilfe bis hin zu ausgreifenden Maßnahmen im Bereich der Alten-und Behindertenpolitik. Einzelne Kommunen sind in der Vergangenheit innovativ tätig geworden und haben früh z. B. sozialpsychiatrische Dienste eingerichtet. Andere Kommunen sind maßgebend auf dem Gebiet des Zweiten Arbeitsmarktes tätig geworden.

Die jeweiligen Aktionsfelder, auf denen die Kommunen sozialpolitisch agieren, können im folgenden nicht flächendeckend aufgezeichnet werden. Hierfür wäre eine Bestandsaufnahme dieser Aktivitäten in den einzelnen Kommunen notwendig, die an dieser Stelle nicht geleistet werden kann und soll. Dazu kommt, daß das Feld der Sozialpolitik groß ist: Hierzu rechnet beispielsweise der enorm weit gespannte und tief gefächerte Bereich der Gesundheitspolitik, die Politik für behinderte, alte und pflegebedürftige Menschen, die Politik für zeitweise oder ständig benachteiligte Gruppen, wie etwa jugendliche Arbeitslose, Ausländer, Flüchtlinge und Asylsuchende -um nur einige Bereiche zu nennen.

Trotzdem kann ein Rahmen gezeichnet werden: Um den Ort kommunaler Sozialpolitik im Verhältnis zu den Sozialpolitiken anderer Träger zu bestimmen, ist es notwendig, die Sozialpolitik im bundesstaatlichen Gefüge zu skizzieren (Abschnitt II). Wenn es -wie hier -um die Sicherung der Grundrisiken der Gesellschaft geht, sind auch besonders die Zuständigkeiten anderer zu benennen (Abschnitt III). Erst dann kann die Frage beantwortet werden, ob der kommunalen Sozialpolitik eine eigene Qualität bei der Sicherung der Grundrisiken zukommt ('Abschnitt IV) und welche Möglichkeiten für die kommunale Sozialpolitik bestehen, hier ein-und mitzuwirken (Abschnitt V).

II. Sozialpolitik im bundesstaatlichen Gefüge

Jede Beschreibung der Handlungskompetenz eines Trägers öffentlicher Gewalt muß bei der durch das Grundgesetz (GG) geregelten Staatsorganisation beginnen. Dieses Staatsorganisationsrecht regelt die Rechte und die Pflichten der Träger. Dabei hilft die „Königsnorm“ der verfassungsrechtlichen Garantie der kommunalen Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 GG) zunächst wenig. Sie sagt über die inhaltlichen kommunalen Zuständigkeiten in der Sozialpolitik explizit nichts aus. Die Beschreibung sozialpolitischer Handlungskompetenzen kann also nicht von der kommunalen Handlungskompetenz ausgehen, sondern von derjenigen der anderen Akteure. Mit dieser Aussage läßt sich bereits eine gemeinhin als selbstverständlich wahrgenommene Tatsache festhalten: Den Kommunen kommt in der Bundesrepublik Deutschland keine ausschließliche Kompetenz für sozialpolitische Aufgaben zu, auch nicht für die Sicherung der sozialen Grundrisiken.

Nach der Zuständigkeitsordnung des Grundgesetzes wird zwischen legislativen, exekutiven und judikativen Gewalten unterschieden (Art. 20 Abs. 2 GG). Beim hier zu erörternden Thema interessieren nur die beiden ersten Gewalten, die Legislative und die Exekutive. Die GesetzgebungsZuständigkeiten für die Sicherung sozialer Grundrisiken, so für das Risiko der Krankheit und der Pflegebedürftigkeit, des Arbeitsunfalls, der Invalidität, des Alters und der Arbeitslosigkeit (Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG) sowie für die öffentliche Fürsorge (Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG), sind als konkurrierende Zuständigkeit ausgeprägt. Das heißt, daß die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung haben, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat (Art. 72 Abs. 1 GG). De facto ist praktisch der gesamte Bereich der sozialen Sicherheit von der Bundesgesetzgebung erfaßt. Einige, mittlerweile immer weniger werdende, Ländergesetze sind auf dem Gebiet der Familien-und Behindertenpolitik (Geburtsbeihilfen, Erziehungs-, Blinden-und Pflegegeld) ergangen. Kommunale Regelungen über Sozialleistungen insbesondere seitens größerer Kommunen treten dahinter fast völlig zurück.

Die Ausführung der Bundesgesetze -und natürlich der Landesgesetze -liegt grundsätzlich in der Zuständigkeit der Länder (Art. 83 ff. GG), die wiederum die Behörden für die Gesetzesausführung bestimmen können. Im Bundessozialhilfegesetz (BSHG) wird bestimmt, wer die örtlichen Träger der Sozialhilfe sind (§ 96 Abs. 1 BSHG): die kreisfreien Städte und die Landkreise. Die überörtlichen Sozialhilfeträger hingegen werden von den Ländern festgelegt (§ 96 Abs. 2 BSHG). Die sachliche (inhaltliche) Zuständigkeit der überörtlichen Sozialhilfeträger ist bundesrechtlich festgelegt, wobei die Länder eine Letztbestimmungsbefugnis erhalten haben (§ 100 BSHG). Bundesrechtlich sind den überörtlichen Trägern der Sozialhilfe bestimmte allgemeine Soll-Aufgaben (Weiterentwicklung von Maßnahmen der Sozialhilfe vor allem bei verbreiteten Krankheiten, Schaffung und Förderung der entsprechenden Einrichtungen) zugewiesen (§ 101 BSHG).

Die Zuständigkeit der Ausführung von Bundesgesetzen umfaßt gleichzeitig die Zuständigkeit für die Finanzierung. Bei Sozialleistungsgesetzen, die die Länder auszuführen haben, sind also die Länder bzw. die Kommunen nicht nur zuständig für die Finanzierung ihrer Verwaltungsaufwendungen (sächlich und personell), sondern auch für die Finanzierung der Leistungsaufwendungen. Auf dieser verfassungsrechtlichen Zuständigkeits-und Finanzierungsregelung beruht demnach die immer wieder und in letzter Zeit immer häufiger zu vernehmende Klage der Kommunen und der Länder, daß sie zwar für die Finanzierung der Sozialhilfe, nicht aber für die Gesetzgebung und damit letztlich für die Bestimmung des Finanzierungsaufwandes zuständig sind.

Dieses Problem der Aufteilung zwischen Gesetzgebungs-und Verwaltungs-sowie Finanzierungszuständigkeit betrifft aber weniger die eigentliche Sozialhilfegesetzgebung als vielmehr die Auswirkungen der sonstigen Sozialleistungsgesetzgebung auf die Inanspruchnahme der Sozialhilfe. Sozialleistungen der sogenannten gehobenen sozialen Sicherungssysteme, also insbesondere der Sozial-versicherungen, können -wie es im Zuge des Umbaues des Sozialstaates jetzt aktuell geschieht -so eingeschränkt werden, daß ein zunehmender Bevölkerungsteil auf Leistungen der Sozialhilfe, dort der der sozioökonomischen Grundsicherung dienenden Hilfe zum Lebensunterhalt, angewiesen ist. Dies gilt insbesondere für den Bereich der finanziellen Sicherung im Alter und bei Arbeitslosigkeit.

Ein anderes Problem war bisher vor allem bei einem besonderen Lebensrisiko, der Pflegebedürftigkeit, zu verzeichnen. Hier machte zuletzt die sozialhilferechtliche Hilfe zur Pflege etwa ein Drittel der gesamten Aufwendungen aller Sozialhilfe-träger aus. Die Einführung der Pflegeversicherung (geregelt im Elften Buch des Sozialgesetzbuches -SGB XI) hat die Sozialhilfeträger zwar nicht ganz, aber immerhin wesentlich von den Kosten der Hilfe zur Pflege entlastet. Bis vor Einführung der Pflegeversicherung war also nicht die Leistungseinschränkung in einem bestehenden gehobenen Sozialleistungssystem, sondern das Fehlen eines an sich notwendigen gehobenen Sozialleistungssystems der Grund für die Leistungsinanspruchnahme bei der Sozialhilfe.

Ein weiteres (Finanzierungs-) Problem, mit dem sich die Sozialhilfeträger konfrontiert sehen, hat nichts mit dem Verhältnis von Gesetzgebung und Verwaltungs-/Finanzierungszuständigkeit zu tun, sondern mit der Systemanlage der Sozialversicherungen selbst: Der Zutritt zu den Sozialversicherungen und damit der Schutz bei den sozialen Risiken wird in der Regel über ein Beschäftigungsverhältnis (Arbeitsverhältnis) vermittelt. Die deutsche Sozialversicherung ist also arbeitnehmer-orientiert. Bei Verschlechterung der Arbeitsmarkt-verhältnisse gelangen weniger Personen in ein Arbeitsverhältnis, zumindest in kein stetiges, oder es werden Ausweicharbeitsverhältnisse in Form von selbständiger Tätigkeit geschaffen. All dies kann sich heute oder -bei der Rentenversicherung -in naher Zukunft auf die Sozialhilfeinanspruchnahme auswirken. In diesem Zusammenhang steht auch die Debatte um die -bis auf die gesetzliche Unfallversicherung -sozialversicherungsfreien geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse.

Weniger unter dem Aspekt der Finanzierung kommunaler Sozialhilfeaufwendungen -aber auch mitAuswirkungen auf diese -als vielmehr unter dem sozialstaatlichen Gesichtspunkt der Armutsvermeidung ist die Diskussion um die Einführung einer sozialen ökonomischen Grundsicherung aus Steuermitteln zu sehen. Diese seit langer Zeit in der Bundesrepublik geführte Diskussion hat unter anderem den Hintergrund der Vermeidung von Sozialhilfebedürftigkeit. Zum Teil bezieht sich diese Debatte nur auf die Grundsicherung im Alter, zum Teil erfaßt sie alle Lebenssituationen. Diskutiert wird auch die Herstellung von Grundsicherungssockeln in den Sozialversicherungen, insbesondere in der Rentenversicherung (Grundrente). Zum gegenwärtigen Zeitpunkt erscheint die Realisierung solcher Formen der Grundsicherung nicht realistisch zu sein. Sie würde sich jedoch zentral auf die Funktion der Sozialhilfe und damit die sozialpolitische Funktion der Kommunen bei der Sicherung von Grundrisiken auswirken. Aus all dem wird ersichtlich, daß die Aufwendungen der Kommunen für Sozialhilfe in erheblichem Maß von Faktoren gesteuert werden, deren Beeinflussung nicht in der Zuständigkeit der Kommunen. sondern in der des Bundesgesetzgebers liegt. Die in der Vergangenheit und jetzt wieder diskutierte Beteiligung des Bundes an der Finanzierung der Sozialhilfe muß bislang am Finanzverfassungsrecht scheitern, wonach der Bund nicht direkt die Sozialleistungsaufwendungen der Länder und Kommunen finanzieren darf. Andere Lösungen sind nur möglich im Rahmen des Finanzausgleiches, das heißt durch Verteilung des Steueraufkommens zwischen Bund und Ländern und zwischen den Ländern (Art. 106 und 107 GG). Damit ist jedoch für die Kommunen keine direkte kosten-entsprechende Abwälzung der jeweils eingetretenen Aufwendungen für Sozialhilfeleistungen gegeben, die ja zwischen den Kommunen je nach der Situation der Leistungsinanspruchnahme erheblich variieren können.

Sozialleistungen, die in der Erbringung von Diensten bestehen, etwa in Form von Krankenbehandlung oder pflegerischer Unterstützung, werden in der Bundesrepublik in der Regel nicht von den leistungsverpflichteten Trägern, sondern von Dritten, z. B. Ärzten, Krankenhäusern, Alten-und Pflege-heimen und ambulanten Diensten, erbracht. Diese Dritten -im Sozialrecht Leistungserbringer genannt -sind unter marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten Anbieter von Dienstleistungen. Es besteht jedoch eine öffentliche Verantwortung dafür, daß diese Dienstleistungen auch vorhanden sind. Diese Verantwortung der Sozialleistungsträger ist gesetzlich festgeschrieben (§ 17 Abs. 1 Nr. 2 SGB I). Konkret umgesetzt wird sie in der Regel durch bestimmte Planungs-und Fördermaßnahmen, die in Richtung auf die Leistungserbringer wirken sollen (Infrastrukturverantwortung). Diese Jnfrastrukturverantwortung obliegt den Kommunen als Sozialhilfeträger, wird aber auch von den Ländern wahrgenommen.

Im Bereich der Jugendhilfe obliegt den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe die Gesamtverantwortung einschließlich der Planungsverantwortung (§ 79 SGB VIII). Nur am Rande soll hier die besondere Infrastrukturverantwortung der Kommunen bei der Realisierung des Anspruches auf Kindergartenbesuch erwähnt werden (§ 24 SGB VIII sowie die Übergangsregelung in § 24 a SGB VIII).

Dem Grundgesetz in seiner Eigenschaft als staatsorganisationsrechtliche Kompetenzordnung ist nur indirekt zu entnehmen, welcher Träger öffentlicher Gewalt, das heißt welche Gebietskörperschaft welche sozialpolitische Maßnahmen durchführen darf. Zur Veranschaulichung seien einige Beispiele genannt: Das Programm der Einrichtung von Sozialstationen zur Betreuung von kranken, alten, pflegebedürftigen und behinderten Personen konnte der Bund nur als Modellprogramm, nicht jedoch als eigenständiges Programm durchführen, da mangels eigener Sozialpolitikkompetenz in diesem Bereich die Länder und Kommunen hierfür zuständig waren. Die Planung und Durchführung von sozialen Maßnahmen für behinderte und für ältere Menschen kann ebenfalls nur von den Ländern und Kommunen vorgenommen werden. Verschiedene Länder haben hierfür eigene Pläne aufgestellt. Dem Bund ist es umgekehrt mangels grundgesetzlich zugeschriebener Kompetenz untersagt, solche Maßnahmen zu ergreifen. Die Kompetenzen der Kommunen werden im Verhältnis zum Land vom Landesrecht bestimmt.

Das Bild der Kompetenzverteilung für Sozialpolitik im Bundesstaat wäre nicht vollständig, wenn nicht noch -kurz -auf einige weitere wichtige sozialpolitische Akteure eingegangen würde.

So wird der sozialpolitische Bereich des Arbeitsmarktes in der Bundesrepublik ganz wesentlich von den Gewerkschaften beeinflußt. Freilich treten die Gewerkschaften weniger als Träger eigener sozialpolitischer Maßnahmen in Erscheinung. Ihre Rolle konzentriert sich formell vor allem auf die Einflußnahme als Tarifpartner. Informell und je nach politischer Couleur des Bundeslandes oder der Kommune unterschiedlich gewichtig sind sie zum Teil mitbestimmender Faktor politischer Einflußnahme. Wichtige Entscheidungen auf der Ebene der Gestaltung kommunaler Sozialpolitik können so gegen die Gewerkschaften oft nicht getroffen werden.Die betriebliche Sozialpolitik spielt in der Bundesrepublik -anders als ehemals in der DDR -im Gesamtgefüge der Sozialpolitik eine ziemlich untergeordnete Rolle. Selbst dort, wo die Unternehmungen noch die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit der Einrichtung betrieblicher Altersversorgungswerke haben, wird hiervon zunehmend weniger Gebrauch gemacht.

Eine wohl nach wie vor nicht zu unterschätzende Rolle in der Sozialpolitik spielen die freien Wohlfahrtsverbände (z. B. Deutscher Caritasverband, Arbeiterwohlfahrt) und die Kirchen. Sie treten als Träger eigener sozialpolitischer Maßnahmen auf; außerdem nehmen sie erheblichen Einfluß auf die Sozialpolitik in Ländern und Kommunen. Auf dem Gebiet der Sozialhilfe ist diesen Akteuren gesetzlich die Selbständigkeit und ein Anspruch auf öffentliche Förderung garantiert (§ 10 BSHG). Auf kommunaler Ebene kommt dabei das aus der katholischen Soziallehre stammende Subsidiaritätsprinzip zur Geltung, das -verkürzt gesagt -darin besteht, daß die Träger der freien Wohlfahrtspflege und die Kirchen einen Vorrang vor den öffentlichen Trägern genießen (§ 10 Abs. 4 BSHG). Der nicht unumstrittene Vorrang der Verbände der freien Wohlfahrtspflege vor den Trägern der Sozialhilfe hat in den sechziger Jahren bis zu einem Streit vor dem Bundesverfassungsgericht geführt. Das Gericht hat in seiner Entscheidung vor allem die Notwendigkeit der Zusammenarbeit zwischen öffentlichen Trägern und freien Verbänden unterstrichen

In jüngerer Zeit wird der Bereich der sozialen und medizinischen Dienste und Einrichtungen einer gewissen Entstaatlichung, Ökonomisierung und damit Vermarktlichung zugeführt. Nicht mehr die Eigenschaft des Trägers, sondern dessen Leistungsqualität und Wirtschaftlichkeit sollen für die Teilnehmerschaft am Markt der Erbringung sozialer und medizinischer Dienstleistungen ausschlaggebend sein. Das jüngste Ergebnis dieser Entwicklung ist im Bereich der Pflegeversicherung abzulesen: Die öffentlichen, das heißt auch die kommunalen Pflegeeinrichtungen sind nachrangig nicht nur hinter den Trägern mit freigemeinnütziger Eigenschaft, sondern auch hinter den privatgewerblichen Trägern (§ 11 Abs. SGB XI). Diese gesetzliche Nachrangfestschreibung der Träger der öffentlichen Hand hat im Gefolge der Pflegeversicherung dazu geführt, daß die kommunalen Alten-und Pflegeeinrichtungen entweder in private Rechtsformen (meist GmbH) überführt oder aber der freien Wohlfahrtspflege angedient worden sind. Mit der jüngsten Reform des Sozialhilfe-rechts ist auch der bisherige Trägervorrang der freien Wohlfahrtspflege bei den in Einrichtungen zu erbringenden Leistungen aufgehoben worden. Diese jüngeren Entwicklungen haben bei den Kommunen zu einer erheblichen Entkleidung von sozialpolitischen Aufgaben geführt 2.

Aus dem Vorstehenden wird ersichtlich, wie verhältnismäßig kompliziert die Kompetenzordnung des Grundgesetzes für den sozialpolitischen Bereich im bundesstaatlichen Aufbau geregelt ist. Der Platz für kommunale Sozialpolitik bestimmt sich vornehmlich nach dieser Kompetenzordnung. Ausschlaggebend ist dabei nicht nur die sichtbare Seite, also das, was im Grundgesetz an Gesetzgebungs-, Verwaltungs-und Finanzierungskompetenzen festgeschrieben ist, sondern auch die verdeckte Seite, die vor allem bei der finanziellen Unterstützung der Infrastrukturvorhaltung und bei den sozialpolitischen Programmen von Bedeutung ist. Im vorstehenden Teil wurde aber auch der Ort der Kommune als Akteur der Sozialpolitik im Verhältnis zu anderen wichtigen Akteuren geschildert. Damit ist insgesamt der rechtliche wie der faktische allgemeine sozialpolitische Handlungsrahmen für die Kommunen abgesteckt. Im folgenden soll nun speziell auf die Sicherung sozialer Grundrisiken, wie sie sich in der Bundesrepublik darstellt, eingegangen werden. Nur in einer Zusammen-schau dieser beiden Aspekte kann dann die Problematik der Sicherung sozialer Grundrisiken durch kommunale Sozialpolitik verständlich werden.

III. Die Sicherung der sozialen Grundrisiken in den sozialen Sicherungssystemen

Soziale Grundrisiken werden in der Bundesrepublik durch die Systeme der sozialen Sicherheit, in der Hauptsache durch die Sozialversicherungen, abgedeckt. Das Leistungswerk der sozialen Sicherheit ist im Sozialgesetzbuch kodifiziert. Die dort zusammengeführten Sozialleistungsgesetze, die nach der vollständigen Kodifikation des Sozialleistungsrechts auch das Recht der Arbeitsförderung, das Bundesausbildungsförderungsgesetz, die Eingliederung der Behinderten, das Wohngeld und die Sozialhilfe etc. umfassen, stellen somit bis aufwenige Ausnahmen die sozialen Sicherungsmaßnahmen der Bundesrepublik dar. Sozialleistungsrechtlich gesehen bleibt demnach neben dem bundesgesetzlichen SGB praktisch nur noch wenig Raum für ergänzende Leistungen auf kommunaler Ebene.

Die sozialen Grundrisiken werden durch die Sozialversicherungen im SGB abgesichert. Es sind dies die Risiken der Krankheit (SGB V) und der Pflegebedürftigkeit (SGB XI), des Alters und der Invalidität (SGB VI), des Arbeitsunfalls und der Berufskrankheiten (SGB VII) sowie der Arbeitslosigkeit (Arbeitsförderungsgesetz -AFG). Die Ausführung der Sozialversicherung ist Selbstverwaltungskörperschaften anvertraut.

Das Sozialhilferecht des BSHG, dessen Ausführung den örtlichen und überörtlichen Sozialhilfe-trägern obliegt, sichert mit seinen Leistungen ebenfalls soziale Grundrisiken. Hierzu rechnen insbesondere die Krankenhilfe und die Hilfe zur Pflege. Darüber hinaus erfaßt das Sozialhilferecht aber auch Lebenssituationen, die nach traditioneller Terminologie nicht als Risiken aufgefaßt werden. Dazu zählt die Situation der sozioökonomischen Notlage, für die die Hilfe zum Lebensunterhalt einschlägig ist. Volkstümlich wird nur diese Hilfeart als „Sozialhilfe“ empfunden. Andere derartige Lebenssituationen sind die Behinderung (Eingliederungshilfe für Behinderte) und das Alter außerhalb der finanziellen Alterssicherung (Altenhilfe). Besondere Bedeutung hat auch die Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten, worunter etwa die Hilfen für nichtseßhafte Personen zählen.

Das BSHG markiert also in der Hauptsache den sozialpolitischen Handlungsrahmen der Kommunen bei der Sicherung sozialer Grundrisiken, wobei die Kommunen, wie bereits erwähnt, auch für die Vorhaltung der entsprechenden Einrichtungen und Dienste, also nicht nur für die reine Leistungsgewährung, zuständig sind (§ 17 Abs. 1 Nr. 2 SGB I).

IV. Die eigene Qualität kommunaler Sozialpolitik

Der Raum für die Entwicklung einer kommunalen Sozialpolitik eigener Qualität, das heißt für die Erfassung aller sozialpolitisch relevanten Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft, wird auf der einen Seite begrenzt durch die sozialpolitischen Maßnahmen, die anderen öffentlichen Trägern, insbesondere den Sozialversicherungsträ-gern, übertragen sind. Auf der anderen Seite weist das BSHG den Kommunen eigene Aufgaben der Sicherung sozialer Grundrisiken zu. In den Landesausführungsgesetzen zum BSGH wird den Kommunen diese Aufgabe als Selbstverwaltungsaufgabe übertragen. Bei dieser Aufgabenerfüllung ist aber die Selbständigkeitsgarantie der Kirchen und der Verbände der freien Wohlfahrtsverbände zu achten (§ 10 BSHG). Die eigene Qualität kommunaler Sozialpolitik definiert sich aus der Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 GG. Die Kommunen können -in den geschilderten Begrenzungen -für die örtliche Gemeinschaft auf dem weiten Feld der Sozialpolitik in eigener Verantwortung soziale Maßnahmen zur Sicherung sozialer Grundrisiken ergreifen. Die vielfältigen Ausprägungen solcher kommunaler Sozialpolitik hier zu schildern würde den vorgegebenen Rahmen des Beitrages sprengen. Es soll jedoch an einem Beispiel deutlich gemacht werden, wie die Kommunen sogar in einem Bereich, der Sicherung bei Pflegebedürftigkeit, handeln können, von dem man bis vor kurzem glaubte, daß sie hier nichts mehr bewirken könnten. Allerdings wird an diesem Beispiel auch deutlich, wie wenig die Kommunen in den Kern der Sicherung eines sozialen Risikos vorstoßen können.

V. Die Aufgaben der Kommunen gegenüber pflegebedürftigen Menschen

In der Sozialen Pflegeversicherung (SGB XI) werden die Kommunen als Träger von Aufgaben im Bereich der Pflegeversicherung nur an einer Stelle genannt (§ 8 Abs. 2) „Die Länder, die Kommunen, die Pflegeeinrichtungen und die Pflegekassen wirken unter Beteiligung des Medizinischen Dienstes eng zusammen, um eine leistungsfähige, regional gegliederte, ortsnahe und aufeinander abgestimmte ambulante und stationäre pflegerische Versorgung der Bevölkerung zu gewährleisten. Sie tragen zum Ausbau und zur Weiterentwicklung der notwendigen pflegerischen Versorgungsstrukturen bei; das gilt insbesondere für die Ergänzung des Angebots an häuslicher und stationärer Pflege durch neue Formen der teilstationären Pflege und Kurzzeitpflege sowie für die Vorhaltung eines Angebots von die Pflege ergänzenden Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation. Sie unterstützen und fördern darüber hinaus die Bereitschaft zu einer humanen Pflege und Betreuungdurch hauptberufliche und ehrenamtliche Pflege-kräfte sowie durch Angehörige, Nachbarn und Selbsthilfegruppen und wirken so auf eine neue Kultur des Helfens und der mitmenschlichen Zuwendung hin. “

Adressat dieser Aufgaben sind nicht allein die Kommunen, sondern auch die Länder, die Pflege-kassen und die Pflegeeinrichtungen. Für diese anderen Beteiligten sind im SGB XI jeweils eigene Aufgabennormen geschaffen worden, so für die Länder (§ 9), die Pflegeeinrichtungen (§ 11) und die Pflegekassen (§ 12). Für die Kommunen existiert keine eigene Aufgabennorm. Aus den Aufgabenbeschreibungen für die Länder und die Pflegekassen wird deutlich, daß das SGB XI die Kompetenzen für die Kommunen zurückgedrängt hat. Dies gilt für die allgemeine Infrastrukturvorhaltung wie für die Koordinierung der Leistungen im Einzelfall. Demgegenüber sind die Pflegekassen in beiden Richtungen die zentralen Akteure geworden, wobei bei der Infrastrukturvorhaltung auch die Länder in die Pflicht genommen worden sind.

Deshalb kann als Fazit festgehalten werden, daß trotz der Nennung der Kommunen in § 8 die Pflegekassen und die Länder die zentralen Akteure der Pflegepolitik bleiben. Es hat also eine Verschiebung der kommunalen Zuständigkeit vom Zentrum der Pflegepolitik in die Außenbezirke dieser Politik stattgefunden. Damit ist aber nicht eine Entwertung der kommunalen Pflegepolitik bezweckt, sondern eher eine Gewichtsverlagerung, die deswegen notwendig wird, weil neue Akteure hinzutreten Was bleibt nun den Kommunen im Verhältnis zu den anderen Akteuren an Aufgaben in der Pflegepolitik? Wo tun sich neue Felder auf?

Pflegepolitik hat bisher auf kommunaler Ebene nicht als Pflegepolitik, sondern vor allem als Altenhilfe-und Behindertenpolitik stattgefunden. Dieser Sachzusammenhang läßt sich auch durch neue Gewichtungen von Zuständigkeiten im Verhältnis zu anderen Akteuren nicht aufösen. Die in § 8 formulierte Gesamtverantwortung zeigt gerade, daß der Gesetzgeber ausschließliche Kompetenzen für den einen oder anderen Akteur nicht gewollt hat. Positiv formuliert könnte man sagen, daß der Gesetzgeber komplexe Politikgestaltungssituationen nicht im Sinne von Ja/Nein-Zuständigkeiten, sondern im Sinne von Kooperation gelöst wissen will.

Ein weiterer Punkt ist, daß sich das pflegepolitische Betätigungsfeld -immer im Zusammenhang mit Alten-und Behindertenpolitik gesehen -nicht auf die Fragen reduzieren läßt, die im SGB XI artikuliert werden. Das SGB XI nennt sicherlich wichtige Problemfelder, etwa die Planung und die Sicherstellung, und benennt hierfür auch die Letzt-verantwortlichen. Gleichzeitig wird immer darauf hingewiesen, daß die je zentralen Akteure auf die anderen Beteiligten angewiesen sind und diese verschiedentlich mitzuwirken haben.

So kann nur auf kommunaler Ebene die Verbindung von freiwilligem Engagement sowie sozialen Netzwerkstrukturen einerseits und der Infrastruktur an Diensten und Einrichtungen andererseits gelingen. Nur auf lokaler Ebene kann der Anspruch, eine „neue Kultur des Helfens“ zu schaffen, umgesetzt werden. Die Nutzung der Selbsthilferessourcen, eine zentrale Zielsetzung des SGB XI, verlangt geradezu nach starker Beteiligung der Kommunen an der Umsetzung des SGB XI.

Des weiteren gilt, daß auch künftig die Kommunen als örtliche Sozialhilfeträger beim Abschluß der Versorgungsverträge mit den Leistungserbringern beteiligt sind. Dies bietet ihnen Gelegenheit, unmittelbar Einfluß auf die Pflege-Infrastruktur und auf die Höhe der Entgelte zu nehmen. Gleichzeitig bietet ihnen dies die Chance, nicht abgedeckte Aufgabenfelder im Bereich der örtlichen Gesamtversorgungskette zu definieren, deren Abdeckung wieder ihrer unmittelbaren Zuständigkeit obliegen muß (z. B. Beratung, Vermittlung, Koordinierung etc.). Dabei sollte ein Instrument, das im SGB XI vorgesehen ist, genutzt werden: die regionalen und örtlichen Arbeitsgemeinschaften (§ 12 Abs. 1 Satz 2). Über die regionale Ebene hinaus sind die Kommunen über ihre Spitzenverbände in weiteren wichtigen Zuständigkeiten auf Landes-und Bundesebene involviert. Dies trifft insbesondere zu auf:

-die Mitwirkung im Landespflegeausschuß (§ 92 SGB XI), -ihre Rolle als Träger von Pflegeeinrichtungen im Rahmen der Schiedsstellentätigkeit (§ 76);

-die Mitwirkung beim Abschluß von Rahmenverträgen (§ 75) und -bei der Vereinbarung von Grundsätzen und Maßstäben für die Qualität und die Qualitätssicherung (§ 80).Auf kommunaler Ebene ist der falschen Vorstellung entgegenzuwirken, daß die Pflegeversicherung den Kommunen alle Aufgaben der kommunalen Pflegepolitik entzogen hätte. Im Gegenteil: Die Pflegeversicherung beläßt den Kommunen trotz einiger Kompetenzverlagerungen Zuständigkeiten in der Pflegepolitik; außerdem bedingt die Umsetzung der Pflegeversicherung die Wahrnehmung bisher vernachlässigter und neuer kommunaler Aufgaben. Insgesamt ist in der Pflegepolitik ein hohes Maß an Kooperation zwischen den verantwortlich Beteiligten und weniger die Wahrnehmung von ausschließlichen Zuständigkeiten gefordert.

VI. Monita einer kommunalen Sozialpolitik

Sicherlich kann man -schlagwortartig formuliert -sagen, daß die Sozialpolitik das gesetzgeberische Geschäft des Bundes ist. Die zentralen und maßgeblichen Sozialleistungsgesetze sind Bundesgesetze. So erscheint der Bundesgesetzgeber -und damit der Bund -als der Macher der Sozialpolitik. Und für die Sicherung der wichtigsten sozialen Grundrisiken sind die Sozialversicherungsträger zuständig.

Der rechtliche wie der faktische Spielraum für sozialpolitische Maßnahmen der Kommunen ist zuletzt mit der Einführung der Pflegeversicherung erheblich beschränkt worden. Aber gerade die Pflegeversicherung hat gezeigt, daß kommunale sozialpolitische Aufgabenwahrnehmung auch in den bundesbesetzten Feldern nicht obsolet geworden ist. Dabei geht es weniger darum, daß wegen der Konstruktion der Pflegeversicherung die finanzielle Entlastung der Kommunen nicht so bedeutend ausgefallen ist, wie ursprünglich angenommen, sondern viel eher darum, daß gerade die Pflegeversicherung zeigt, wo noch Möglichkeiten der örtlichen Unterstützung pflegebedürftiger Menschen gegeben sind. Von den Kommunen sollte berücksichtigt werden, daß eine Verlagerung ihrer Sozialpolitik weg von der Leistungsvergabe und hin zur Leistungsrealisierung stattfindet. Durch Gestaltung von leistungserschließenden Hintergrundsystemen (Metasystemen) kann auf örtlicher Ebene das bewerkstelligt werden, was allein mit dem Instrumentarium einer Versicherung nicht zu bewältigen ist.

Freilich darf dies -auch wieder schlagwortartig formuliert -nicht dazu führen, daß die Kommunen zu „Ausputzern“ des Sozialstaates werden. Das gesellschaftliche Ordnungsprinzip der Subsidiarität -in Hinblick auf die Europäische Gemeinschaft jüngst zum Verfassungsprinzip erhoben (Art. 23 Abs. 1 GG) -wird pervertiert, wenn die Kommunen erst dann zur Verantwortung, meist zur finanziellen Verantwortung, aufgerufen sind, wenn die eigentlich hierfür vorgesehenen sozialpolitischen Sicherungsinstrumente, so insbesondere die Sozialversicherungen, nicht mehr voll tauglich sind. Die bewährte sozialpolitische Gestaltungsfähigkeit der Kommunen kann aus einer solchen Politik keine Kraft erhalten.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE) 22, 180.

  2. Vgl. Gerhard Igl, Die Pflegeversicherung -Strukturelle Auswirkungen und Konsequenzen für die Kommunen, in: ders. /Sabine Kühnert/Gerhard Naegele (Hrsg.), SGB XI als Herausforderung für die Kommunen, Dortmunder Beiträge zur angewandten Gerontologie, Band 4, Hannover 1995, S. 9-40.

  3. Vgl. hierzu ausführlicher G. Igl (Anm. 2), S. 32 ff.

  4. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, daß jüngst in einem Expertenkreis im Zusammenhang der Erarbeitung eines Bundesaltenhilfe-bzw. Seniorenförderungsgesetzes diskutiert worden ist, ob nicht dieser Gewichtsverlagerung Rechnung getragen werden sollte. So könnte der kommunalen Ebene durch eine neue und deutlichere Konfiguration ihrer altenpolitischen Aufgaben die ihr zukommende Bedeutung auf diesem Gebiet verliehen werden. Die Kommune könnte beispielsweise dann zur Koordinierung der einzelnen Hilfen für ältere pflegebedürftige Menschen im Rahmen eines Hilfeplans aufgerufen werden, wenn der Zuständigkeitsbereich eines einzelnen Leistungsträgers überschritten ist.

Weitere Inhalte

Gerhard Ig 1, Dr. jur., geb. 1947; Studium der Rechtswissenschaft in München und Aix-en-Provence; Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Sozialrecht an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Veröffentlichungen u. a.: Pflegebedürftigkeit und Behinderung im Recht der sozialen Sicherheit. Eine rechtsvergleichende Untersuchung für die Bundesrepublik Deutschland und Frankreich, Baden-Baden 1987; Rechtsfragen des freiwilligen sozialen Engagements -Rahmenbedingungen und Handlungsbedarf, Stuttgart 1994; (zus. mit Gilvert Krull, Ursula Scheurer und Maren Splettstößer) Einführung leistungsgerechter Entgelte bei der Hilfe in Einrichtungen nach dem Bundessozialhilfegesetz, Baden-Baden 1995.