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Die amerikanische konservative Revolution. Radikale Rechte und Republikanische Partei am Ende des Jahrhunderts | APuZ 43/1996 | bpb.de

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APuZ 43/1996 Befindlichkeit amerikanischer Politik im Präsidentschaftswahljahr 1996 Regieren als permanente Kampagne Stil, Strategien und Inhalte der amerikanischen Innenpolitik unter Präsident Clinton Rückkehr in die Hegemonie. Zur Weltpolitik der USA unter Präsident Clinton Die amerikanische Wirtschaft unter Bill Clinton Die amerikanische konservative Revolution. Radikale Rechte und Republikanische Partei am Ende des Jahrhunderts

Die amerikanische konservative Revolution. Radikale Rechte und Republikanische Partei am Ende des Jahrhunderts

Michael Minkenberg

/ 24 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Die US-amerikanischen Wahlen von 1994 wurden vielfach als „konservative Revolution“ charakterisiert. In ideologischer Hinsicht stehen sie durchaus in der Kontinuität der „Reagan Revolution“ und anderer Varianten eines konservativen Wandels in den USA. In diesem Beitrag wird die These vertreten, daß sich in den USA ein Voranschreiten einer nationalen rechtsradikalen Bewegung mit weitreichenden Folgen für den Parteienwettbewerb und für politische Optionen vollzieht, die die „Reagan Revolution“ in den Schatten stellen. Der Beitrag beschreibt das Entstehen der Neuen Rechten, deren Koalitionspartner und ihre Ideologie. Sie bedient sich insbesondere der Republikanischen Partei, um ihre Ziele zu erreichen. Es wird gezeigt, daß mit der Neuen Rechten eine nationale rechtsradikale Bewegung in den USA entstanden ist und sich mit beispiellosem Erfolg im amerikanischen politischen System etabliert hat.

I. Einleitung

Die US-amerikanischen Wahlen von 1994 wurden vielfach als „konservative Revolution“ charakterisiert. In ideologischer Hinsicht stehen sie durchaus in der Kontinuität der „Reagan Revolution“ und anderer Varianten eines konservativen Wandels in den USA Trotz der inzwischen fast inflationären Verwendung dieser Bezeichnung ist sie angesichts der Tragweite der damit zusammengefaßten Veränderungen durchaus berechtigt. Denn mit diesem Begriff läßt sich, über die Tatsache einer historisch spektakulären konservativen Mehrheit im Kongreß hinaus, durchaus eine tiefgreifendere Entwicklung bezeichnen: das Voranschreiten einer nationalen rechtsradikalen Bewegung mit weitreichenden Folgen für den Parteienwettbewerb und für politische Optionen, die die „Reagan Revolution“ in den Schatten stellt.

Die republikanischen Vorwahlkämpfe von 1996 bestätigen diese Entwicklung sehr deutlich. Wie vor vier Jahren erzielte der rechtsradikale Kandidat Pat Buchanan durchschnittlich 22 Prozent aller Stimmen, anders als vor vier Jahren jedoch in einigen Staaten auch noch dann, als längst klar war, daß Bob Dole nominiert werden würde. Zwar lag Buchanan nur in zwei Staaten vor Dole (New Hampshire und Louisiana), aber mit drei Millionen Stimmen gegenüber Bob Doles acht Millionen konnte er seine Wählerbasis gegenüber den Vorwahlen von 1992 noch ausbauen. Darin manifestiert sich eine rechtsradikale Bewegung als nunmehr fester Bestandteil des politischen Spektrums in den USA. Offensichtlich stimmt heute mehr denn je, was Seymour M. Lipset und Earl Raab im Vergleich von rechts-und linksextremen Bewegungen in den USA festgestellt haben: „Extreme rightist movements have been more indigenous to America and have left more of a mark on its history.“

II. Kulturnation Amerika: Elemente der neurechten Agenda

1. Vom alten zum neuen Rassismus

Einer der grundlegenden Widersprüche in der amerikanischen politischen Kultur, die bei einer allzusehr auf liberale Tradition und die civic culture fixierten Sichtweise leicht aus dem Blick geraten, ist das „amerikanische Dilemma“ (Myrdal), d. h. die Diskrepanz zwischen den universalistischen Werten und Versprechen der amerikanischen Demokratie und den Institutionen und Praktiken des Rassismus. Die bis in die jüngste Gegenwart in den Südstaaten praktizierte Verweigerung elementarer Grundrechte gegenüber Schwarzen und die Fortführung der white supremacy, im biologischen Rassismus wissenschaftlich gerechtfertigt und so mit dem vorherrschenden Fortschritts-und Rationalitätsglauben kompatibel gemacht, wurde auch von den liberalen Reformen des New Deal stillschweigend übergangen. So stellte lange Zeit der Rassismus ein für weite Teile der Öffentlichkeit akzeptables Deutungsmuster mit breiter kultureller Resonanz dar. Als wichtigste Organisationen einer rassistischen Rechten sind vor allem zu nennen der Ku Klux Klan, der in den zwanziger Jahren vier bis fünf Millionen Mitglieder hatte und vor allem von christlichen Fundamentalisten unterstützt wurde die 1958 gegründete John Birch Society und die Bewegung des Südstaaten-Gouverneurs George Wallace in den sechziger Jahren, der den white backlash gegen die Reformen der Bürgerrechtsbewegung und gegen das liberale Washingtoner Polit-Establishment mobilisierte und in der Präsidentschaftswahl von 1968 fast zehn Millionen Wählerstimmen erhielt Jedoch entstand keine dem europäischen Faschismus vergleichbare nationale rechtsextreme Bewegung. So fristen die etwa fünfzig von der Anti-Defamation League in den achtziger Jahren gezählten, mehrere tausend „weiße Revolutionäre“ umfassenden Gruppen, die der Neonazi-Szene zugehören oder der antisemitischen Christian Identity Theologie verhaftet sind (Aryan Nation, The Order, Posse Comitatus), ein marginales Dasein ohne größere Resonanz ihrer Themen in der amerikanischen Öffentlichkeit

Wie in westeuropäischen Demokratien markiert auch in den USA das Jahr 1968 einen Wendepunkt in der Politik, an dem sich ein umfassender gesellschaftlicher Modernisierungsschub ablesen läßt. Dazu gehören neue emanzipatorische soziale Bewegungen (vor allem Bürgerrechts-und Frauenbewegung), eine Politik des Ausbaus des Sozial-staats (Great Society) und eine Reihe liberaler Reformen und Gerichtsurteile, insbesondere die Voting Rights- und Civil Rights-Gesetze 1964 und 1965, affirmative action- und school busing-Programme und die Entscheidungen des Supreme Court zur Abschaffung des Schulgebets in öffentlichen Schulen in Engel v. Vitale (1962) und zur Legalisierung von Abtreibung in Roe v. Wade (1973)

Für die Rechte in den USA, insbesondere den Rechtsextremismus, war „ 1968“ äußerst bedeutend. Denn die Einlösung der Menschenrechte und der amerikanischen Verfassung für die Schwarzen einhundert Jahre nach dem 14. Amendment hatte zur Folge, daß der institutionelle Rassismus auch im Süden abgebaut wurde. Die damit einhergehende Delegitimierung des , offenen Rassismus entzog jeder zukünftigen Mobilisierung eines „white backlash“ ä la George Wallace den Boden. Rassistische Organisationen wie der Ku Klux Klan, der im Laufe der sechziger Jahre massiv gegen die Bürgerrechtsbewegung mobilisierte und noch einmal erheblichen Zulauf hatte -er verzeichnete 1967 mit 55 000 Mitgliedern den höchsten Stand seit den zwanziger Jahren und schreckte auch nicht vor der Ermordung von Schwarzen zurück -, erlebten in den siebziger und achtziger Jahren einen unaufhaltsamen Niedergang. So ist der KKK heute in fast zwanzig Gruppen mit insgesamt mehreren tausend Mitgliedern zersplittert

Diese Entwicklungen bedeuten allerdings keineswegs, daß der Rassismus in den USA überwunden ist und das „amerikanische Dilemma“ der Vergangenheit angehört Zum einen sind diskriminierende Praktiken weiterhin Bestandteil des Alltags in den ethnischen Beziehungen, und gelegentlich kommt es zu gewalttätigen Ausschreitungen als Folge der Spannungen (z. B. in Los Angeles 1992) oder zu gezielter Gewalt gegen Sachen oder Personen aus der schwarzen Gemeinschaft (z. B. die Kirchenbrände in den Südstaaten 1996). Zum anderen geht die allgemeine Akzeptanz der Integration und Gleichberechtigung der Schwarzen mit vehementer Ablehnung konkreter Programme zur Durchsetzung derselben (besonders school busing und affirmative action) einher Schließlich zeigt die Unterstützung für David Duke in der U. S. - Senatswahl in Louisiana von 1990 (40 Prozent) und in den primaries der Gouverneurswahlen von Louisiana 1991 (32 Prozent), daß eine Vergangenheit als Neonazi und Führer des Klan keine abschreckende Wirkung auf (weiße) Wähler hat. Zweifellos spielte dabei die besondere politische Situation in Louisiana eine Rolle. Aber die Stimmen für Duke waren auch ein Ausdruck eines vor allem im Süden verbreiteten neuen „symbolischen Rassismus“, dessen Vertreter nicht mehr biologisch argumentieren, sondern sich als Kritiker von staatlichen Programmen zur Integration der Schwarzen und den angeblich einer Integration im Wege stehenden Werten derselben zu erkennen geben 2. Die kulturelle Gegenrevolution: eine christliche Idee von Amerika

Während „ 1968“ das Ende des alten Südens und des institutionellen Rassismus in den USA signalisiert, bedeutet es zugleich den Beginn der Mobilisierung einer neuen rechten Bewegung, die ein lange verborgenes zweites „amerikanisches Dilemma“ offenbart: die Unvereinbarkeit der universalistischen Prinzipien der amerikanischen Demokratie mit den Institutionen und Ideologien einer dogmatischen Religiosität. Wie die Sklavenhaltergesellschaft konnte sich das puritanische Staatsmodell eines covenant auf nationaler Ebene nicht durchsetzen, doch erlaubte es der amerikanische Föderalismus, daß es ebenso wie jene lange Zeit auf regionaler Ebene in einzelnen Staaten so lange fortbestand, wie es nicht direkt mit der liberalen, säkularen Republik kollidierte. Genau dies trat nach 1968 ein, denn mit dem Ausbau des Sozialstaates und der Kompetenzen des Bundes, mit wichtigen legislativen und judikativen Entscheidungen und mit den neuen sozialen Bewegungen wurde ein bislang verborgener Wertekonflikt auf nationaler Ebene offen ausgetragen Eine genuin amerikanische Rechte, die sich als „Mischung aus Bibel und Edmund Burke“ charakterisieren läßt, formierte sich zum ersten Mal in der amerikanischen Geschichte als nationale rechtsradikale Bewegung.

Die Neue Rechte, welche christlich-fundamentalistische Gruppen unter der Führung von Geistlichen wie Jerry Falwell von der Moral Majority und Pat Robertson von der Christian Coalition, antifeministische Aktivisten wie Phyllis Schlafly vom Eagle Forum sowie in Washington, D. C., operierende politische Unternehmer wie Paul Weyrich, Howard Phillips und Richard Viguerie umfaßt, vertritt eine radikale Variante des Projekts einer amerikanischen Kulturnation. Diese stellt in ihrer Konsequenz die Verfassungswirklichkeit der amerikanischen Demokratie zumindest teilweise in Frage und identifiziert als Hauptgegner einen in allen Bereichen der amerikanischen Gesellschaft tätigen „secular humanism“ liberaler Kräfte

Im Mittelpunkt der Agenda der Neuen Rechten stehen die Bibel und eine sich daran orientierende Staatsphilosophie, die Etatismus und Populismus miteinander vermengt. Die radikale Kritik der Neuen Rechten am Kongreß, an der Parteienpolitik und den Bundesgerichten kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß ihre Agenda eine etatistische Staatsphilosophie im Sinne eines Edmund Burke einschließt. Denn sie befürwortet eine Stärkung des Präsidenten gegenüber dem Kongreß, indem es ihm ermöglicht wird, sein Veto jetzt auch gegen einzelne Teile des Haushaltes einzulegen (line item veto), eine von gerichtlichen Interventionen möglichst freie Durchsetzungsfähigkeit der Administrationen sowie den Ausbau (einzel) staatlicher Kompetenzen, vor allem im Bereich von law and order (z. B. in der Anwendung der Todesstrafe), und des Militärs. Darüber hinaus akzeptiert die Neue Rechte auch den modernen Wohlfahrtsstaat, sofern er überwiegend in den Händen der Einzelstaaten bleibt

Die etatistische Ausrichtung der Neuen Rechten zeigt sich insbesondere, wenn man deren religiös-moralische Agenda in Betracht zieht. Wie der „Religionskrieg“ (Pat Buchanan auf dem Republikanischen Parteitag 1992) der Neuen Rechten um die Wiederzulassung des Schulgebets in öffentlichen Schulen, um das Verbot der Abtreibung und den Abbau staatlicher Förderung von Kunst zeigt, soll der Staat eine Wächterrolle zur Aufrechterhaltung einer öffentlichen Moral einnehmen, die den klassischen Vorstellungen des liberalen Nachtwächterstaates entgegengesetzt ist. Diese Vorstellungen zielen auf die Aufwertung von „family values“, der Werte der traditionellen amerikanischen Mittelstandsfamilie, doch sie treffen auch den Nerv der amerikanischen Demokratie. Denn dahinter steht eine antimodernistische politische Konzeption: das Programm einer christlichen Demokratie, das sowohl den pluralistischen Verfassungsprinzipien, z. B.der Trennung von Staat und Kirche gemäß der gängigen Auslegung des First Amendment, als auch der multikulturellen Realität der amerikanischen Gesellschaft zuwiderläuft.

Ein zusätzliches Gewicht erhält dieser Antimodernismus mit dem spezifischen Nationalismus der Neuen Rechten, der sich in einer moralisch-religiösen Überhöhung der amerikanischen Nation und einem wachsenden Nativismus und Wohl-Standschauvinismus bemerkbar machte. Neben der Ablehnung der amerikanischen Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen und dem Widerstand gegen die zunehmende internationale Verflechtung der USA im North American Free Trade Agreement (NAFTA) verbreitet sich eine Gegnerschaft zur gegenwärtigen Einwanderung, die inzwischen von sechzig Prozent der Amerikaner als „schlecht für das Land“ eingestuft wird Wie besonders Pat Buchanans Wahlkämpfe 1992 und 1996 zeigen, verschmilzt die America First-Position umstandslos mit der kulturnationalistischen Agenda der christlichen Rechten Sie endet schließlich in der Konstruktion eines sehr europäisch anmutenden „neuen Rassismus“, der auf „kulturelle Homogenität“ der USA abzielt: „Immigration from countries and culturs that are incompatible with and indigestible to the Euro-American cultural core of the United States should be generally prohibited.“

Das antipluralistische Verfassungsverständnis der Neuen Rechten tritt vor allem in moralischen Fragen, in der Frage der Trennung von Staat und Kirche und der Abtreibungsfrage, zutage, bei denen Individualrechte der Gemeinschaft (family values) untergeordnet werden. Mit ihrem rigiden Moralismus bildet die Neue Rechte eine ideologische Brücke zu eindeutig rechtsextremen Ideologien und Organisationen. Eine besonders militante Gegnerschaft zu liberalen Positionen ist bei neueren Anti-Abtreibungsorganisationen wie der Operation Rescue oder der Army of God anzutreffen, aus deren Reihen heraus Brand-und Bombenanschläge auf Abtreibungskliniken verübt und Morddrohungen gegenüber Ärzten und Klinikpersonal ausgesprochen werden Neben den gewalttätigen Abtreibungstätern ist auch Christian Identity zu nennen, die etwa 30 Gruppen umfaßt. Diese Organisation vertritt eine antisemitische Verschmelzung des christlichen Fundamentalismus mit einer arischen Rassenlehre und hat Kontakte zu David Duke, dessen politische Philosophie zweifellos völkische und rassistische Elemente enthält

III. Die Neue Rechte im politischen Prozeß: Mobilisierung und Radikalisierung

1. Die Neue Rechte als Bewegung

In den USA ist immer wieder als länderspezifisches Merkmal sozialer Bewegungen ein historisches Interaktionsmuster von neuen (linken) Bewegungen und (rechten) Gegenbewegungen zu beobachten. Im Falle der Neuen Linken und Neuen Rechten zeichnet sich darüber hinaus eine fast spiegelbildliche Kooptation durch die beiden großen Parteien mit der Konsequenz zunehmender parteipolitischer Polarisierung ab Unter den rechten Gegenbewegungen im Mobilisierungszyklus der siebziger und achtziger Jahre ist die christlich-fundamentalistische Neue Rechte zweifellos der Hauptakteur. Im Gegensatz zu den neokonservativen Intellektuellen oder den Wahlkampforganisationen von Pat Buchanan oder Ross Perot treffen auf sie allgemeine Definitionskriterien einer sozialen Bewegung zu, wenn darunter etwa „ein auf gewisse Dauer gestelltes und durch kollektive Identität abgestütztes Handlungssystem mobilisierter Netzwerke von Gruppen und Organisationen“ verstanden wird, „welche sozialen Wandel mit Mitteln des Protests -notfalls bis hin zur Gewaltanwendung -herbeiführen, verhindern, oder rückgängig machen wollen“

Gerade die Gründung von Organisationen wie der Religious Roundtable und der Moral Majority im Jahre 1979 durch dieselben Aktivisten verdeutlicht eine enge Vernetzung des Spektrums und die Rolle von Eliten. Viele Führungsfiguren waren bzw. sind Mitglieder in mehreren Organisationen der Neuen Rechten Unter dem Einfluß der Washingtoner Aktivisten um Paul Weyrich und Geistlicher wie Jerry Falwell war die Neue Rechte stark auf die nationale Politik ausgerichtet. Mit dem äußerst knappen Scheitern des Ratifizierungsprozesses des Equal Rights Amendment im Jahre 1978, für das die Frauenbewegung und ihre Verbündeten in der Demokratischen Partei jahrelang gekämpft hatten, und mit den Wahlen von 1980, aus denen Ronald Reagan als Sieger und liberale Demokraten wie Senator George McGovern als Verlierer hervorgingen, feierte die Neue Rechte ihre größten nationalen Erfolge.

2. Die Unterstützung der Neuen Rechten in der Öffentlichkeit

In dieser Phase vollzog die Neue Rechte ihre erste folgenreiche strategische Anpassung an das politische System, indem sie ihre ursprüngliche überparteiliche Position zugunsten der Republikaner aufgab Dies war ein bemerkenswerter Schritt, denn das Mobilisierungspotential der Neuen Rechten lag eher bei traditionellen Demokraten vor allem aus dem Umfeld der Wallace-Bewegung (in der ersten Hälfte der siebziger Jahre arbeitete Viguerie sogar mit George Wallace zusammen). Insbesondere die weißen fundamentalistischen Christen -die wichtigste Zielgruppe von Moral Majority und anderer religiös-politischer Gruppen der Neuen Rechten -hatten eine traditionelle Neigung zur Demokratischen Partei. Diese Gruppe macht etwa fünfzehn bis zwanzig Prozent der amerikanischen Bevölkerung aus und gehört zusammen mit den Charismatikern (oder Pentecostals) zu denjenigen unter den orthodoxen Protestanten in den USA, den Evangelikalen oder Born-Again Christians, die an die Unfehlbarkeit der Bibel glauben.

Verschiedene Untersuchungen zum Mobilisierungspotential der Neuen Rechten zeigen, daß entgegen deren Anspruch, die Durchschnittsamerikaner jeglicher Konfession und sozialer Herkunft zu repräsentieren, die Unterstützung begrenzt ist. Immerhin hatte in den achtziger Jahren ein Drittel der amerikanischen Bevölkerung ein kohärentes Einstellungsmuster in zentralen Themen der neu-rechten Agenda (Rolle der Frau, Abtreibung, Schulgebet, Homosexualität). Doch war die direkte Unterstützung von Organisationen wie Moral Majority mit etwa fünfzehn Prozent weitaus geringer Das sollte sich auch auf Pat Robertsons Kandidatur in den republikanischen Vorwahlen des Präsidentschaftswahlkampfes von 1988 auswirken, denn er schaffte es nur einmal in den prima-ries, die Zwanzig-Prozent-Marke zu überspringen (Oklahoma), und kam auf insgesamt neun Prozent (1, 1 Millionen Stimmen). Die sozialen Charakteristika dieses neurechten Potentials haben wenig scharfe Konturen. So handelt es sich dabei überwiegend um Angehörige der Arbeiterschaft und unteren Mittelschichten mit eher geringer formaler Bildung und starker Konzentration in den Süd-staaten. Traditionelle Religiosität und antimoderne Werteorientierung wirken sich stärker auf die politische Orientierung aus als soziale Charakteristika

3. Reorganisation und Radikalisierung der Neuen Rechten in der Reagan-Ära

Ende der siebziger Jahre trafen die Führer der Neuen Rechten die strategische Entscheidung, sich auf die Republikanische Partei zu konzentrieren und Druck auf sie auszuüben, zumal Reagan 1980 mit großen Chancen auf Nominierung und Gewinn der Präsidentschaftswahlen kandidierte. Allerdings wurde gerade der Wahlsieg Reagans zu einem Pyrrhussieg der Neuen Rechten. Denn trotz der rhetorischen Unterstützung durch das Weiße Haus, der personellen Einbindung einiger ihrer Aktivisten in die Administration und einiger Gesetzesvorstöße im Kongreß geschah wenig, um die kulturelle Agenda der Neuen Rechten umzusetzen. Gemessen an den Erwartungen der Neuen Rechten bedeutete Reagans Amtszeit zweifellos einen Mißerfolg, und die neu aufkommenden Spekulationen über die Gründung einer dritten Partei sowie die Auflösung von Organisationen wie Moral Majority (1986) wurden in den Medien und der Wissenschaft bereits als Ende der Neuen Rechten interpretiert. Doch trat diese in den achtziger Jahren keineswegs den Rückzug an. Vielmehr zeichnete sich eine Reaktion auf das Reagan-Regime auf verschiedenen Ebenen ab: Radikalisierung des Abtreibungskonflikts, Reorganisation des Netzwerks der Neuen Rechten und Revision der Strategie. Im Zusammenwirken mündeten diese Reaktionen in einem Prozeß des fortschreitenden Eindringens der Neuen Rechten in die Republikanische Partei, in einer Symbiose von Bewegung und Partei.

Aufgrund der mangelnden Responsivität des Weißen Hauses in zentralen Themen der Neuen Rechten fand ab Mitte der achtziger Jahre die Radikalisierung einiger Konflikte, insbesondere des Abtreibungskonflikts, statt. So gründete Randall Terry 1987 die militante Anti-Abtreibungsorganisation Operation Rescue, deren Mitglieder meist fundamentalistische Christen sind und die, wie ähnliche Organisationen, Blockaden vor Abtreibungskliniken durchführt, Psychoterror auf Personal und betroffene Frauen ausübt Die Radikalisierung des Abtreibungskonflikts in der breiten Öffentlichkeit schlägt sich auch darin nieder, daß bei keinem anderen Thema der Neuen Rechten sich Befürworter und Gegner in etwa gleichgroße Blöcke polarisiert gegenüberstehen, wobei die Ablehnung einer Pro-choice-Haltung 1987 mit 55 Prozent ihren bisherigen Spitzenwert erreichte

IV. Der neue Marsch durch die Institutionen: Bewegung und Republikanische Partei

1. Die organisatorische und strategische Erneuerung der Neuen Rechten

Die Reorganisation der Neuen Rechten läßt sich zuerst am Verschwinden alter und der Gründung neuer Organisationen mit weiterhin starker Vernetzung ablesen. Zu den neuen Gruppen gehören Pat Robertsons American Freedom Council (gegründet 1985), Gary Jarmins American Freedom Coalition (1987) und Gary Bauers Family Research Council (1988) Auf der strategischen Ebene fand neben einer „Säkularisierung" des Vokabulars vor allem eine Abwendung von der Lobbytätigkeit in Washington und eine Konzentration auf die grass roots in den Einzelstaaten und lokalen Arenen (Parteien, Gerichte, Schulbehörden usw.) statt.

Insbes• ondere die Unterwanderung lokaler und einzelstaatlicher Parteiorganisationei der Republikaner mit dem Personal der Neuei Rechten sollte das Verhältnis zwischen Neue Rechter und Partei völlig verändern.

Hierbei war Pat Robertsons Kandidatur 1988 eil entscheidender Schritt. Mit der Rekrutierung tra ditionalistischer Christen per Fernsehen und de Hilfe eines Netzwerks von Abtreibungsgegnen und lokalen Pastoren baute er eine schlagkräftige Wahlkampforganisation auf Zwar hatte er gegei den Amtsinhaber George Bush, der zudem vor Falwell unterstützt wurde, keine Chance. Doc gelang es ihm, auf dem republikanischen Parteitag in New Orleans den Ton anzugeben und dazu bei zutragen, daß die Themen der Neuen Rechter (Steuersenkungen, Abtreibung, Schulgebet, Mili tärausgaben und SDI) in der Wahlplattform vol berücksichtigt wurden Zwei Jahre nach der Wahl nutzte Robertson das aus der Wahlkampforganisation hervorgehende organisatorische Netzwerk, um die Christian Coalition zu gründen Diese wird von Ralph Reed geleitet und hat sich in der Nachfolge der Moral Majority, zur wichtigsten Organisation der Neuen Rechten in den neunziger Jahren mit nach eigenen Angaben zirka einer Million Mitgliedern entwickelt Die Strategie. Amerika wieder zur „christlichen Nation“ zu machen, umreißt Reed folgendermaßen: „What Christians have got to do is to take back this Country, one precinct at a time, one neighborhood at a time and one state at a time.“ Gemäß der neuen Grass-roots-Strategie gingen zahlreiche Aktivisten der Neuen Rechten in die Ortsverbände der Republikanischen Partei und ließen sich dort in die einzelstaatlichen Parteiversammlungen und Parteiorganisationen wählen. Die Früchte dieser Strategie sind an den Wahlen von 1992 und 1994 und am Zustand der Republikanischen Partei abzulesen.

Das Zusammenspiel von Neuer Rechter und Republikanischer Partei in der Nominierungskampagne der Präsidentschaftswahlen von 1992 ähnelte dem von 1988 mit einigen kleinen Unterschieden. Im Jahr seiner Abwahl fand sich Bush gleich zweimal von rechtsaußen herausgefordert: Von der extremen Rechten meldete sich David Duke und ließ den anderen Herausforderer auf der Rechten, Pat Buchanan, fast moderat erscheinen. In mehreren Staaten erhielt Buchanan ein Drittel der primary-Stimmen, und insgesamt konnte er 2, 5 Millionen Wähler oder 23 Prozent mobilisieren, doch reichte dies nicht, den Amtsinhaber ernsthaft zu gefährden. Seine ultranationalistische, rassistische und religiöse Botschaft an die Wähler brachten ihm Zulauf vor allem unter denjenigen, denen George Bush zu moderat war und die 1988 Robertson unterstützt hatten Um seine Nominierung nicht durch Angriffe von rechts zu gefährden, überließ Bush die Organisation des Parteitags in Houston der Neuen Rechten und ihren Aktivisten in der Partei, die etwa 300 der 2000 Delegierten stellten Der Konvent stand unter dem Motto „family values“, und die Öffentlichkeit erfuhr vom keynote Speaker Buchanan sowie von Pat Robertson, Ronald Reagan und anderen, daß im Lande ein religiöser Krieg um die Seele Amerikas herrschte

2. Eine Symbiose von Bewegung und Partei

Ein Rechtsruck der Republikaner in Richtung der Agenda der Neuen Rechten läßt sich nicht nur am Parteitag von Houston, sondern auch aus einer kombinierten Sichtweise der Wahlen von 1992 und 1994 herauslesen. Zwar hatte George Bush 1992 in allen Wählergruppen einen Einbruch erlitten. Doch setzte sich zugleich ein Trend fort, demzufolge die wirtschaftlich Bessergestellten und diejenigen, die als Anhänger der Neuen Rechten gelten, d. h. weiße Born-again-Christen bzw. Fundamentalisten, weiter überdurchschnittlich für die Republikaner stimmten Das heißt, der weiße Süden und insbesondere die Anhänger der Neuen Rechten bilden in den neunziger Jahren die Grundlage einer jeglichen republikanischen Wahl-koalition. Eingehende Datenanalysen belegen, daß es der Neuen Rechten gelang, die Mehrheit dieser ursprünglich eher zu den Demokraten neigenden Wähler für die Republikanische Partei zu mobilisieren und damit zu einem gruppenspezifischen realignment beizutragen. Offensichtlich war die Mobilisierung der Fundamentalisten nicht an die Person Reagans gebunden, denn sie setzte sich auch nach dessen Abgang und unter dem für jene wenig attraktiven Bush fort.

Der Prozeß der wachsenden Einflußnahme auf die Republikanische Partei kam mit der Kontroverse um die Rolle der Neuen Rechten im Wahlkampf von 1992 und dem Ausgang der Wahlen keineswegs zu einem Ende. Die strategische Umorientierung der Neuen Rechten auf die lokale und einzelstaatliche Ebene trug erheblich dazu bei, daß sie 1994 achtzehn einzelstaatliche Organisationen der Republikaner kontrollierte, während sie in dreizehn weiteren Fällen einen gewichtigen Einfluß geltend machen konnte In einigen besonders aufmerksam verfolgten Wahlkämpfen von 1994 scheiterten zwar die Rechtsaußenkandidaten bei der Nominierung (Paul Quist in Minnesotas Gouverneurswahlen) oder bei der eigentlichen Wahl (Oliver North in den U. S. -Senatswahlen in Virginia). Wichtiger noch waren jedoch die weniger beachteten Erfolge derartiger Kandidaten, z. B. in den Gouverneurswahlen von South Carolina und Iowa oder den U. S. Senatswahlen in Oklahoma und Minnesota Die historische Bedeutung der Wahlen von 1994 erschließt sich mithin erst aus der Kombination von zwei verschiedenen Umständen, und zwar daß erstens die Republikaner zum ersten Mal in 42 Jahren als Mehrheitspartei in beiden Häusern des Kongresses aus den Wahlen hervorgingen und dazu auch noch 30 der 50 Gouverneursposten besetzen und daß dies zweitens einer Partei gelang, in der die Neue Rechte eine größere Rolle spielt als je zuvor.

Im Kongreß werden nun wichtige Senatsausschüsse von wohlbekannten Rechtsaußen wie Senator Jesse Helms und Senator Orrin Hatch geleitet, deren Aufstieg in den siebziger Jahren untrennbar mit dem der Neuen Rechten verknüpft ist. Mehrere der elf neuen Senatoren vertreten Positionen der Neuen Rechten in Themen wie verschärfte Verbrechensbekämpfung und Todesstrafe, Gegnerschaft zur Abtreibung, Kampf jeglicher Kontrolle des Schußwaffenmarktes und Wiedereinführung des Schulgebets in öffentlichen Schu-len Der neue Sprecher des Abgeordnetenhauses, Newt Gingrich, hat sich seit seinem Einzug in den Kongreß 1978 als Verbündeter der Neuen Rechten hervorgetan und gehörte zusammen mit Vin Weber, mit dem er in den achtziger Jahren die ultrarechte Conservative Opportunity Society gründete, zu den Wortführern der Rechtsaußen im Abgeordnetenhaus. Im von ihm wesentlich mitformulierten Contract with America der Republikanischen Partei findet sich die politische Philosophie der Neuen Rechten sowie eine Reihe der von ihr vertretenen Positionen wieder Der Rechtsruck im House of Representatives ist um so bemerkenswerter, als die Republikaner unter der Führung von Newt Gingrich in einer beispiellosen Parteidisziplin abstimmten

3. Die radikale Rechte im Wahljahr 1996

Einhundert Jahre nach der Richtungswahl von 1896 hat sich wieder eine starke populistische Strömung in den USA etabliert, die die Parteienlandschaft nachhaltig verändert. Aber anders als zu den Zeiten von William Jennings Bryan steht sie diesmal für eine ultranationalistische und fundamentalistische Politik am rechten Rand des Spektrums. In den republikanischen Vorwahlkämpfen von 1996 haben sich dementsprechend mehrere Kandidaten gemeldet, um dieses Potential zu mobilisieren, aber nur zweien von ihnen, Phil Gramm und Pat Buchanan, wurden Chancen eingeräumt. Während Gramms Wahlkampf sehr bald endete, konnte Buchanan an seine Erfolge von 1992 anknüpfen und sich damit als Wortführer der radikalen Rechten etablieren. Seine Höchstwerte von mehr als 30 Prozent der Stimmen erhielt er in New Hampshire, Louisiana, Michigan und Wisconsin, in mehreren Staaten des Ostens, Südens und Mittleren Westens lag er bei weit über 20 Prozent.

Die christliche Rechte legte sich auf keinen Kandidaten offiziell fest, aber Christian Coalition verschickte ihre „voter guides“, in denen sowohl Gramm als auch Buchanan Bestnoten erhielten, während Dole nur mäßig abschnitt Dennoch zog Dole viele Anhänger der christlichen Rechten an, die sicherstellen wollten, daß Steve Forbes nicht nominiert und der republikanische Kandidat im Herbst eine Chance gegen Clinton haben würde. Insgesamt, das zeigen mehrere exit polls in den Vorwahlen, teilten Dole und Buchanan das rechte Potential unter sich zu fast gleich großen Teilen auf. Von den durchschnittlich 30 Prozent der Wähler, die sich in den Umfragen der religiösen Rechten zurechneten, gaben im Osten 36 Prozent, in Michigan 44 Prozent, in South Carolina 40 Prozent und im Westen 53 Prozent an, für Dole gestimmt zu haben. Die entsprechenden Werte für Buchanan waren 43 Prozent im Osten, 47 Prozent in Michigan, 40 Prozent in South Carolina und 35 Prozent im Westen Wie diese Umfragen zeigen, erhielt Buchanan nicht nur bei den religiösen Rechten, und hier vor allem bei den Abtreibungsgegnern, überdurchschnittliche Unterstützung, sondern auch von protektionistischen Wohlstandschauvinisten, für die der Außenhandel oder die Einwanderung die Stimmabgabe beeinflußten, und bei denen, die 1992 für Perot stimmten.

Auf dem Parteitag in San Diego wurde Pat Buchanan ein prominenter Auftritt wie 1992 in Houston, als er in der Eröffnungrede den Ton angab, verwehrt. Aber verschiedene Vertreter der radikalen Rechten wie Buchanans Schwester Angela, Ralph Reed, Gary Bauer und Phyllis Schlafly machten ihren Einfluß auf die ideologische Ausrichtung der Partei geltend und trugen z. B. in einer Programmkommission dazu bei, daß sich wie auch in den vorangegangenen Wahlkämpfen seit Ronald Reagan die kulturnationalistische Agenda der radikalen Rechten im offiziellen Parteiprogramm wiederfindet (darunter die Forderungen nach strafrechtlicher Verfolgung von Frauen und Ärzten, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, und einschneidende Restriktionen im Staatsbürgerschaftsrecht, die auf eine Aufhebung des ius soli hinauslaufen). Dagegen wurden moderaten Prominenten wie den Gouverneuren von Kalifornien und Massachusetts nur zweitrangige Auftritte auf dem Parteitag zugestanden, woraufhin diese ihre Reden ganz absagten Schließlich hat Bob Dole selbst einen deutlichen Rechtsruck vollzogen, indem er sich Positionen der radikalen Rech-Iten (darunter vor allem die Gegnerschaft zur Abtreibung, aber auch die Forderungen nach Steuersenkungen) zu eigen machte und damit seine frühere, bis vor kurzem noch im Senat vertretene Agenda aufgab Insgesamt geht aus Verlauf und Ergebnis der republikanischen Vorwahlkämpfe hervor, daß die Position der radikalen Rechten Iund besonders diejenige Pat Buchanans in der Partei und unter ihren Wählern keineswegs so marginal ist, wie dessen offizielle Rolle auf dem Parteitag nahelegt, und daß es mittlerweile vielfältige ideologische und personelle Berührungspunkte zwischen Buchanan und der christlich-fundamentalistischen Rechten gibt, die aus den Mobilisierungsprozessen der achtziger Jahre herrühren

V. Fazit

„Although radical in the United States came to mean extremism bordering on violence, radical is a suitable adjective for conservatism in the United States, not because all conservatives are extremists but because the tendency of conservatives to introduce morality into political discourse radicalizes the discourse. Thus, conservative. Right. .., and radical Right are as natural to the American ideological terrain as is liberalism, and far more solidly grounded in American territory than the Left and the radical Left.“

Der vorliegende Beitrag hat gezeigt, daß mit der Neuen Rechten eine nationale rechtsradikale Bewegung in den USA entstanden ist und sich mit beispiellosem Erfolg im amerikanischen politischen System etabliert hat. Ihre Führer haben es verstanden, durch strategische Anpassungen an veränderte Bedingungen im politischen Prozeß die Bewegung in die Republikanische Partei hineinzutragen und einen wichtigen, ideologisch relativ homogenen Teil der amerikanischen Wählerschaft für diese zu mobilisieren. Mit dieser Symbiose von Bewegung und Partei hatte die Neue Rechte entscheidenden Anteil daran, daß die Republikaner von heute in Ideologie, Personal und Wählerkoalitionen eine radikal andere Partei sind als vor zwanzig Jahren und sich weit vom Image der Grand Old Party entfernt haben. Damit ist die antipluralistische kulturnationalistische Agenda der Neuen Rechten in der Öffentlichkeit aufgewertet und der nationale Diskurs im Sinne dieser Agenda nach rechts verschoben worden. Zugleich haben sich aber innerhalb der Republikanischen Partei die Spannungen zwischen den Strömungen soweit verschärft, daß eine Spaltung der Partei oder eine Abwanderung vieler Anhänger zu einer anderen Partei wie etwa Ross Perots Reform Party wahrscheinlicher ist als je zuvor in diesem Jahrhundert.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. Kurt Shell, Der amerikanische Konservatismus, Stuttgart 1986, S. 164-175; Michael Minkenberg, Neokonservatismus und Neue Rechte in den USA, Baden-Baden

  2. Seymour M. Lipset/Earl Raab, The Politics of Unreason. Right-wing extremism in America 1790-1977, Chicago 1978, S. 3 u. 24-30.

  3. Vgl. Michael Cox, Beyond the Fringe. The Extreme Right in the United States of America, in: Paul Hainsworth (Hrsg.), The Extreme Right in Europe and the USA, London 1992, S. 287-292; S. M. Lipset/E. Raab, ebd., S. 116-131.

  4. Vgl. Benjamin Epstein/Arnold Forster, The Radical Right. Report on the John Birch Society, New York 1967; S. M. Lipset/E. Raab (Anm. 2), S. 248-337.

  5. Vgl. Thomas Herz, Soziale Bedingungen für Rechts-extremismus in der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten, Meisenheim am Glan 1975; William Hixson, Search for the American Right Wing. An Analysis of the Social Science Record, Princeton 1992, S. 113-174.

  6. Vgl. Leonard Weinberg, The American Radical Right: Exit, Voice and Violence, in: Peter Merkl/Leonard Weinberg (Hrsg.), Encounters with the Contemporary Radical Right, Boulder 1993, S. 185-203; M. Cox (Anm. 3), S. 286-305.

  7. Vgl. Dieter Rucht, Modernisierung und neue soziale Bewegungen. Deutschland, Frankreich und USA im Vergleich, Frankfurt/M. 1994, S. 138-183; Theodore J. Lowi, The End of the Republican Era, Norman 1994, S. 176.

  8. Vgl. M. Cox (Anm. 3), S. 290-294; L. Weinberg (Anm. 6), S. 187-190.

  9. Vgl. Donald Kinder, The Continuing American Dilemma: White Resistance to Racial Change Forty Years after Myrdal, in: Journal of Social Issues, 42 (1986) 2, S. 151-171.

  10. Vgl. William Mayer, The Changing American Mind. How and Why American Public Opinion Changed between 1960 and 1988, Ann Arbor 1992, S. 22-28.

  11. Vgl. Douglas Rose (Hrsg.), The Emergence of David Duke and the Politics of Race, Chapel Hill 1992. Zum Konzept des neuen Rassismus vgl. Martin Barker, The New Racism. Conservatives and the Ideology of the Tribe, Frederick 1980. In jüngster Zeit machen, ausgelöst durch die Diskussion um das Buch The Bell Curve von Richard Herrnstein und Charles Murray (New York 1994) und die darin vertretene These von der genetisch bedingten niedrigeren Intelligenz der Schwarzen, allerdings wieder vermehrt die vertrauten biologischen Argumente die Runde.

  12. Vgl. hierzu K. Shell (Anm. 1), Kap. 4.

  13. Theodore J. Lowi, Das amerikanische Dilemma, in: Herbert Dittgen/Michael Minkenberg (Hrsg.). Das amerikanische Dilemma. Die USA nach dem Ende des Ost-West-Konflikts, Paderborn 1996, S. 24.

  14. Nicht nur diese „Feindbestimmung“ zeigt, daß die anfänglichen Trennungslinien zwischen Neokonservativen und Neuer Rechter im Laufe der achtziger Jahre als Folge einer organisatorischen Vernetzung und ideologischen Konvergenz, vor allem im Bereich der „Kulturkritik“ und der Außenpolitik, zunehmend verschwammen. Vgl. hierzu M. Minkenberg (Anm. 1), S. 148-158.

  15. Vgl. T. J. Lowi (Anm. 7), S. 197-208.

  16. Newsweek vom 9. August 1993, S. 18 f.

  17. Vgl. T. J. Lowi(Anm. 7). S. 211-215.

  18. Buchanans Berater Samuel Francis, zit. in: Paul Starobin, Right Fight, in: National Journal vom 9. Dezember 1995, S. 3025.

  19. Vgl. Dallas A. Blanchard/Terry J. Prewitt, Religious Violence and Abortion. The Gideon Project, Gainesville 1993. Zwischen 1992 und Anfang 1996 sind fünf Personen von Abtreibungsgegnern ermordet und 42 Kliniken durch Brandanschläge zerstört oder beschädigt worden.

  20. Vgl. Lance Hill, Nazi Race Doctrine in the Political Thought of David Duke, in: Douglas Rose (Hrsg.), The Emergence of David Duke and the Politics of Race, Chapel Hill 1992, S. 94-111; Michael Barkun, Religion and the Raeist Right. The Origins of the Christian Identity Movement, Chapel Hill 1994, S. 209-212. Andere gewaltbereite Gruppen, die sich ebenfalls religiös legitimieren, sind die „compound dwellers" und die Milizen, bei denen zudem eine militante Ablehnung der Bundesregierung anzutreffen ist. Unter den bekanntesten Beispielen hierfür finden sich die Sekte von David Koresh in Waco, Texas, und die Michigan Militia, zu der zeitweilig einer der Attentäter von Oklahoma City im April 1995 gehörte.

  21. Vgl. Clarence Y. Lo, Countermovements and Conservative Movements in the Contemporary USA, in: Annual Review of Sociology, 8 (1982), S. 107-134; Benjamin Ginsberg/Martin Shefter, A Critical Realignment? The New Politics and the Reconstituted Right, in: Michael Nelson (Hrsg.), The Elections of 1984, Washington 1985, S. 1-21; Allen D. Hertzke, Echoes of Discontent. Jesse Jackson, Pat Robertson and the Return of Populism, Washington 1993.

  22. D. Rucht (Anm. 7), S. 76-77.

  23. Vgl. Matthew Moen, The Transformation of the Christian Right, Tuscaloosa 1992, S. 70.

  24. Vgl. Steve Bruce, The Rise and Fall of the New Christian Right, Oxford 1988, S. 56-58.

  25. Vgl. ebd., S. 85-89; M. Minkenberg (Anm. 1), S. 142-148.

  26. Vgl. M. Minkenberg (Anm. 1), S. 231-258; Clyde Wilcox, Religion and Politics among White Evangelicals: the Impact of Religious Variables on Political Attitudes, in: Review of Religions Research, 32 (Sep. 1990) 1, S. 27-41; A. D. Hertzke (Anm. 21), S. 211-230.

  27. Vgl. Anti-Defamation League, The Religious Right: Assault on Tolerance and Pluralism in America, New York 1994, S. 113; Dallas A. Blanchard, The Anti-Abortion Movement and the Rise of the Religious Right, New York 1994, S. 61-72.

  28. Vgl. Michael Minkenberg, Das Ende der konservativen Ära? Öffentliche Meinung und amerikanische Wählerschaft in den neunziger Jahren, in: H. Dittgen/M. Minkenberg, (Anm. 13), S. 168 f.

  29. Vgl. M. Moen (Anm. 23), S. 42-72.

  30. Vgl. A. D. Hertzke (Anm. 21), S. 135-150).

  31. Vgl. John Green/James Guth, The Christian Right in the Repbulican Party, in: Journal of Politics, 50 -(1988) 1, S. 150-165; Gerald Pomper, The Presidential Nomination, in: ders. (Hrsg.), The Elections of 1988, Chatham House 1989, S. 65.

  32. Vgl. John Green, The Christian Right and the 1994 Elections: An Overview, in: Mark J. Rozell/Clyde Wilcox (Hrsg.), God at the Grassroots. (The Christian Right in the 1994 Elections), Lanham 1995, S. 8.

  33. Zit. in: Anti-Defamation League (Anm. 27), S. 27; vgl. auch ebd., S. 155-162.

  34. Vgl. A. D. Hertzke (Anm. 21), S. 239.

  35. Vgl; Matthew Fuscus, Inside the Christian Coalition: A Republican Trojan Horse?, in: The Ripon Forum, (Nov. /Dez. 1992).

  36. Vgl. Gary Wills, The Born-Again Republicans, in: The New York Review of Books, 39 (24. Sep. 1992), S. 9-14; Ross Baker, Sorting Out and Suiting Up: The Presidential Nominations, in: Gerald Pomper (Hrsg.), The Elections of 1992, Chatham House, London 1993, S. 63-68.

  37. Vgl. Gerald Pomper, The Presidential Election, in: G. Pomper, ebd., S. 135-140; Paul Quirk/Jon Dalager, 'Ehe Election: A , New Democrat’ and New Kind of Presidential Campaign, in: Michael Nelson (Hrsg.), The Elections of 1992, Washington, D. C. 1993, S. 75-83.

  38. Vgl. hierzu M. Minkenberg (Anm. 28), bes. Tabellen 4 und 5; Bruce Nesmith, The New Republican Coalition, New York 1994.

  39. Vgl. John Persinos, Has the Christian Rights Taken Over the Republican Party?, in: Campaigns and Elections, (September 1994), S. 21-29.

  40. Vgl. M. J. Rozell/C. Wilcox (Anm. 32).

  41. Vgl. Richard E. Cohen, No More Nice Guys, in: National Journal vom 12. November 1994, S. 2634-2647.

  42. Vgl. James Fallows, The Republican Promise, in: The New York Review of Books, 42 (12. Januar 1995) 1. S. 3-6. Vgl. auch Newt Gingrich, To Renew America, New York 1995.

  43. Im Jahr 1995 erreichte die Parteidisziplin im Abstimmungsverhalten in beiden Häusern des Kongresses das höchste Ausmaß, seit Congressional Quarterly 1954 mit der Auswertung diesbezüglicher Daten begann. Dabei lagen die Republikaner im Abgeordnetenhaus mit 91 % (Senat: 89 %) der Abstimmungen, in denen sie geschlossen votierten, deutlich vor den Demokraten (80 % bzw. 81 %). Vgl. Dan Carney, As Hostilities Rage on the Hill, Partison-Vote Rate Soars, in: Congressional Quarterly Weekly Report, (27. Januar 1996), S. 199.

  44. Vgl. Newsweek vom 12. Februar 1996, S. 22.

  45. Die Daten entstammen den Umfragen des Voter News Service, wiedergegeben in: USA Today vom 3., 6., 20. und 27. März 1996.

  46. Vgl. Michael Schwelien, Partei ohne Vision, Kandidat ohne Leidenschaft, in: Die Zeit vom 16. August 1996, S. 2.

  47. Vgl. James A. Barnes, Dole’s Difficult Transition from Senator to Presidential Candidate, in: National Journal vom 2. Juni 1996, S. 1384-1385. Zur Rolle dieser Themen in Doles acceptance speech auf dem Parteitag vgl. TIME Magazine vom 26. August 1996, S. 16-19.

  48. Es ist daher nicht ganz zutreffend, Buchanans Rolle in der Partei als „Größe einer Fünfzehn-Tage-Berühmtheit“ zu charakterisieren und sein Programm auf eine Ideologie der „radikalen Entstaatlichung“ und einen paranoiden politischen Stil zu reduzieren. Vgl. Claus Leggewie, USA: Konservative Revolution oder neue Reform-Ära?, in: Internationale Politik und Gesellschaft, (1996) 3, S. 229-236.

  49. T. J. Lowi (Anm. 7), S. 122.

Weitere Inhalte

Michael Minkenberg, Dr. phil., geb. 1959; Studium der Politikwissenschaft in Heidelberg, Bonn und Washington, DC; derzeit wissenschaftlicher Assistent am Zentrum für Europa-und Nordamerika-Studien der Universität Göttingen. Veröffentlichungen u. a.: Neokonservatismus und Neue Rechte in den USA, Baden-Baden 1990; (Hrsg. zus. mit Herbert Dittgen) Das amerikanische Dilemma. Die Vereinigten Staaten nach dem Ende des Ost-West-Konflikts, Paderborn 1996.