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Zukunft gestalten, Bewährtes erhalten, Stabilität sichern | APuZ 15/1994 | bpb.de

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APuZ 15/1994 Erneuerung aus der Mitte Zukunft gestalten, Bewährtes erhalten, Stabilität sichern Wahl 94. Was tun? F. D. P.: 1994 -Die zweite historische Chance Politik der Reformen und Reform der Politik Erneuerung der Gesellschaft

Zukunft gestalten, Bewährtes erhalten, Stabilität sichern

Michael Glos

/ 14 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Im Superwahljahr 1994 wird über das Schicksal und die Zukunftsfähigkeit Deutschlands entschieden. Es geht um die wirtschaftliche Entwicklung, die politische Stabilität, um die innere und äußere Sicherheit sowie um die Bündnisfähigkeit unseres Landes. Die CSU wird verdeutlichen, daß innerer und äußerer Frieden sowie Wohlstand keine Selbstverständlichkeiten sind, sondern das Ergebnis im wesentlichen der Politik von CDU und CSU, die seit 1949 die entscheidenden Weichenstellungen getroffen haben. Deutschland ist keine Insel der Glückseligen, sondern es bedarf stetiger und kontinuierlicher Arbeit, um unseren Wohlstand in Frieden und Freiheit zu sichern. In bezug auf die Europapolitik kann die Alternative nur lauten: Maastricht oder Sarajevo. Gleichzeitig sind bürokratische Regelungswut und Überreglementierung aus Brüssel zu begrenzen. Friedenssicherung ist Aufgabe der internationalen Staatengemeinschaft; das wiedervereinigte Deutschland kann sich nicht länger seiner Verantwortung entziehen. Den rechtstreuen Bürgern gilt unsere Fürsorge, nicht dem Datenschutz für Schwerstverbrecher. Zum Spar-und Konsolidierungskurs in der Finanz-und Haushaltspolitik gibt es keine Alternative. Schuldenrückführung, Maßhalten und Belohnung von Leistungsbereitschaft sowie die Beseitigung der strukturellen Probleme unserer Wirtschaft sind unverzichtbare Voraussetzungen für einen neuen Aufschwung, für die Schaffung neuer Arbeitsplätze sowie für die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Nicht Ausbau, sondern Umbau des Sozialstaats muß das Motto für die Zukunft lauten, soll das Netz der sozialen Sicherheit stabil bleiben. Deutschland ist und wird auch in Zukunft kein Einwanderungsland sein. Der politische Extremismus von Weimar darf sich nicht wiederholen, deshalb muß der Bürger einer Zersplitterung des Parteiensystems eine Absage erteilen. Die CSU ist und bleibt „die produktive Unruhe“ in der politischen Landschaft Deutschlands.

1994 ist das Jahr der Nagelprobe für die politische Stabilität und Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Angesichts der wirtschaftlichen und politischen Herausforderungen ist die Bundestagswahl im Oktober 1994 von schicksalhafter Bedeutung weit ins nächste Jahrtausend hinein. Die Regierungsverantwortung für Deutschland darf deshalb nicht in die Hände von Zukunftsverweigerern geraten. Das aber sind jene Parteien, deren politische Vorstellungen und Grundüberzeugungen nach wie vor von ideologischem Denken, nicht aber von Realismus bestimmt sind.

Die gewaltigen Aufgaben in Deutschland -Wirtschaftsaufschwung und Aufbau Ost, Bewältigung der finanziellen Erblast des SED-Regimes, Bewahrung und Verbesserung des inneren Friedens, der inneren wie der äußeren Sicherheit -erfordern mehr denn je eine handlungsfähige, verantwortungsbewußte und mutige Regierung. Die CSU will deshalb eine Fortsetzung der Koalition der Mitte mit CDU und F. D. P. Eine Große Koalition, das ist die historische Bilanz der Erfahrungen in den Jahren 1966 bis 1969, ist keine vernünftige Alternative für unser Land. Eine Große Koalition führt zwangsläufig zum Erstarken der politischen Ränder links wie rechts, weil eine echte und starke Opposition im Parlament fehlt. Rein rechnerisch mag die Handlungsfähigkeit einer Großen Koalition größer und besser erscheinen als andere Konstellationen; diese Rechnung, auch das lehren die Jahre 1966 bis 1969, geht aber nur auf dem Papier auf.

Zur Koalition der Mitte gibt es keine vernünftige, verantwortbare politische und personelle Alternative. Rot-Grüne Experimente, Wahlverweigerung, Protestwahl und direkte Stärkung radikaler, extremer Kräfte sind eine Gefahr für die Zukunftsfähigkeit Deutschlands und damit auch der Stabilität in West-und Mitteleuropa.

I.

Mit dem Ende des Ost-West-Konflikts und mit der Wiedervereinigung Deutschlands haben sich die Rahmenbedingungen für die deutsche Außen-und Sicherheitspolitik grundlegend geändert. Die Bedrohungsszenarien der Vergangenheit durch den Warschauer Pakt sind hinfällig geworden, nicht jedoch das Sicherheitsproblem als solches. Das Ende des Ost-West-Gegensatzes hat nicht automatisch zu mehr Sicherheit und einer friedlicheren Welt geführt. Nicht erst der Wahlerfolg Schirinowskis in Rußland hat deutlich werden lassen, daß neue Gefahren für Frieden und Sicherheit drohen. Der mörderische Krieg auf dem Territorium des ehemaligen Jugoslawien, aufbrechende Nationalitätenkonflikte auf dem Gebiet der früheren Sowjetunion und das Erstarken reaktionärer kommunistischer Kräfte machen deutlich: Es darf keine Abstriche bei den Bemühungen um äußere Sicherheit geben.

Deutschlands Sicherheit kann auch in Zukunft nur im Verbund mit unserem europäischen Nachbarn und den Vereinigten Staaten von Amerika gewährleistet werden. Wir brauchen die transatlantische Partnerschaft und einen amerikanischen Bündnis-partner, der politisch und militärisch eine europäische Macht bleibt. Die Truppenpräsenz der USA in Europa muß deshalb mehr als nur symbolischen Charakter haben. Die zum Jahresbeginn von der NATO den ehemaligen Warschauer-Pakt-Staaten angebotene Friedenspartnerschaft verstehen wir als eine erste Stufe und Option zur Erweiterung der NATO durch unsere östlichen Nachbarn. Die Westeuropäische Union als Instrument der europäischen militärischen Handlungsfähigkeit ist vor allem dann sinnvoll, wenn sie den europäischen Pfeiler der Atlantischen Allianz stärkt.

Bei aller Notwendigkeit zum Sparen ist es unerläßlich, daß die Bundeswehr bündnis-und einsatzfähig bleibt und auch in Zukunft über eine moderne Ausrüstung verfügt. Auch unter den veränderten Bedingungen der Weltpolitik halten wir an der allgemeinen Wehrpflicht fest. Diese ist und bleibt Ausdruck der persönlichen Mitverantwortung des Bürgers und seines Beitrages für ein Leben in Frieden und Freiheit.

Nach der Vereinigung Deutschlands erwartet die internationale Staatengemeinschaft zu Recht eine uneingeschränkte Mitwirkung an Aufgaben und Einsätzen der Vereinten Nationen. Wer Mitglied der UNO ist, darf nicht nur die Rechte beanspruchen, sondern muß auch die Pflichten wahrnehmen. Deutschland muß bereit und in der Lage sein, sich an internationalen Einsätzen zur Bewahrung oder Wiederherstellung des Friedens militärisch zu beteiligen. Das schließt alle von der UN-Charta vorgesehenen Maßnahmen ein. Die Verweigerung, welche die SPD auch auf diesem Gebiet betreibt, würde unser Land handlungs-und bündnisunfähig machen und in die Isolation treiben.

Das Grundgesetz erlaubt entsprechende Einsätze Deutschlands; dennoch sind wir bereit, klarstellende Formulierungen im Grundgesetz mitzutragen. Aber mit der CSU gibt es keine Regelung, die hinter der jetzigen Rechtslage zurückbleibt. Entzieht sich Deutschland seiner Verantwortung für die internationale Friedenssicherung, erwachsen daraus nachhaltige außenpolitische und außenwirtschaftliche Schäden. Die Frage der Bereitschaft Deutschlands zur Wahrnehmung seiner internationalen Verantwortung ist in seinen Auswirkungen von nicht minderem Gewicht als die entscheidenden früheren Weichenstellungen, wie z. B. Westintegration, Wiederbewaffnung, NATO-Mitgliedschaft oder der NATO-Doppelbeschluß zur Nachrüstung und Rüstungskontrolle.

II.

Als Land mit den meisten Grenzen und Nachbarn in Europa sind wir wie kein anderer auf Freundschäft und Partnerschaft in Europa angewiesen. Neben der friedenssichernden Kraft der NATO hat der Geist der Partnerschaft, Freundschaft und Zusammenarbeit der Europäischen Gemeinschaft für jetzt fast fünf Jahrzehnte Frieden und Freiheit garantiert. Es kann und darf gerade uns Deutschen nicht gleichgültig sein, welchen Weg Europa und die Europäische Union künftig gehen. Wir wollen ein einiges Europa -nicht nur in wirtschaftlicher, sondern auch und gerade in politischer Hinsicht. Der europäische Einigungsprozeß muß wieder Faszination und Anziehungskraft ausstrahlen und Antwort sein auf das aufkeimende Gespenst des Nationalismus in Ost-und Südosteuropa. Damit wir auch in Zukunft in Frieden und Freiheit leben können, braucht ganz Europa heute mehr denn je einen sicheren und festen Anker. Das kann nur eine starke Europäische Union sein. Es gilt, den Vertrag von Maastricht in all seinen Teilen umzusetzen. Die Fehlentwicklung hin zu immer mehr Bürokratismus und Zentralismus muß allerdings korrigiert werden. Europa darf kein vereinheitlichtes Europa sein, sondern es muß sich am föderativen Prinzip orientieren, den unterschiedlichen Regionen ihren politischen und kulturellen Freiraum und Handlungsspielraum belassen. Der Karlsruher Urteilsspruch zu Maastricht hat die Position der CSU bestätigt, daß es einen europäischen Bundesstaat nach Muster der Vereinigten Staaten von Amerika nicht geben kann und wird.

Wir wollen und brauchen ein Europa der Nationen, ein Europa der Vaterländer, ein Europa der Regionen. Was national oder regional besser entschieden werden kann oder sollte, darf nicht nach Brüssel verlagert werden. Im Gegenteil: Zahlreiche Kompetenzen müssen an den nationalen Souverän oder die Bundesländer zurückverlagert werden. Es gilt, Europa weiter aufzubauen als Einheit in Vielfalt.

Eine weitere Vertiefung der europäischen Einigung und die Erweiterung der Europäischen Union um Österreich, Schweden und Finnland sowie Norwegen und auch die Schweiz sind kein Gegensatz. Den Staaten Mittel-und Osteuropas bieten wir mittel-bis langfristige Perspektiven eines Beitritts. Die Zusammenarbeit der EU mit unseren östlichen Nachbarn ist deshalb zu verstärken. Eine volle EG-Mitgliedschaft wird aber erst dann erfolgen können, wenn alle Voraussetzungen -gesicherte Demokratie, Achtung der Menschen-und Minderheitenrechte und funktionierende Marktwirtschaft -erfüllt sind.

III.

Eine einheitliche Europawährung wird und kann es nur dann geben, wenn die stabilitätspolitischen Voraussetzungen dafür gegeben und garantiert sind. Die Meßlatte für den Eintritt in die Währungsunion ist und bleibt so hoch gelegt, daß selbst wir Deutschen erhebliche Anstrengungen unternehmen müssen, um die Kriterien zu erfüllen. Nicht nur aus diesem Grund, aber auch deshalb gibt es zur Spar-, Konsolidierungs-und Stabilitätspolitik von Bundesfinanzminister Dr. Theo Waigel keine Alternative.

Die vorhandenen Finanz-und Wirtschaftsprobleme sind nicht von der Bundesregierung hausgemacht, sondern Folge einer deutlichen Weltwirtschaftsflaute, der Abtragung der über 40jährigen sozialistischen Erblast in der ehemaligen DDR, der Lohnstückkostenexplosion um rund 13 Prozentallein in den drei Jahren 1990 bis 1992 sowie struktureller Fehlentwicklungen des Wirtschaftsstandortes Deutschland.

Um die Wirtschaft mit deutlichen Impulsen zu beleben, bedarf es vor allem: Verzicht auf weitere Steuer-und Abgabenerhöhungen, Umbau der Sozialsysteme, Sparrunde im öffentlichen Dienst, Zurückhaltung bei den Tarifverhandlungen, Verhinderung eines weiteren Ansteigens der Energiepreise, Reduzierung des Staates auf Kernaufgaben, Entschlackung von Verwaltungs-und Genehmigungsverfahren sowie Umweltschutz mit marktkonformen Lösungen. Durch eine Flexibilisierung der Arbeitszeiten muß dagegen angegangen werden, daß Deutschland in der EU die niedrigsten Betriebsnutzungszeiten hat. Arbeitszeitverkürzung nach dem VW-Modell ist kein generell geeignetes Instrument, die vorhandenen Arbeitsmarkt-probleme zu lösen. Es kann nicht vornehmlich darum gehen, nur die vorhandene Arbeit zu verteilen, sondern darum, mehr bezahlbare Arbeit und damit neue Arbeitsplätze zu schaffen.

Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen hat oberste Priorität; Verwaltung des Mangels -eine sozialistische „Errungenschaft“ -hat mit der CSU keine Chance. Deutschland braucht mehr Unternehmer und vor allem wieder mehr Unternehmen, die international wettbewerbsfähig sind. Es gilt, den Anstieg der Lohnnebenkosten zu beenden und zurückzuführen. Von daher muß die Dynamik der Sozialsicherungssysteme begrenzt werden, wie es Horst Seehofer mit der Gesundheitsreform erfolgreich und nachhaltig gelungen ist. Nicht weiterer Ausbau, sondern „Umbau des Sozialstaats" ‘lautet das Motto für die Zukunft.

Weitere Privatisierung, Deregulierung und Reduzierung der Staatsquote, die infolge der Wiedervereinigung auf jetzt 51 Prozent hochgeschnellt ist, sind unerläßlich für einen umfassenden Wirtschaftsumschwung. Alle öffentlichen Haushalte müssen sich -auch im Hinblick auf die Personalkosten -an der konsequenten Spar-, Konsolidierungs-und Wachstumspolitik des Bundesfinanzministers orientieren.

Geldwertstabilität ist von entscheidender Bedeutung nicht nur für das Vertrauen in die D-Mark, sondern für das Wirtschaftsklima in unserem Land insgesamt. Ferner gilt: Preisstabilität ist die beste Sozialpolitik. Weitere Steuer-und Abgabenerhöhungen, wie es die SPD-Vorstellungen aufgrund ihrer ideologischen Scheuklappen und ihrer Umverteilungspolitik vorsehen, sind der falsche Weg. Zusätzliche Belastungen wären Gift für den weiteren Konjunkturverlauf. Die Situation der öffentlichen Finanzen ist und bleibt angespannt. Sparen ist auch weiter oberstes Gebot. Aber dank der mutigen und vorausschauenden Finanz-und Haushaltspolitik des Bundesfinanzministers konnten positive Akzente gesetzt werden, die ein Ende der wirtschaftlichen Talfahrt bewirkten und eine Ausuferung der Neuverschuldung verhindern. Das, was wir brauchen, ist eine Aufbruchstimmung ähnlich wie in den fünfziger Jahren, also den Leistungswillen und die Leistungsbereitschaft von damals, sowie mehr Solidarität und weniger Gruppenegoismus.

IV.

Innere Sicherheit ist die grundlegende Voraussetzung für ein freiheitliches und friedliches Zusammenleben in Deutschland. Der demokratische Staat hat die Pflicht, die Bürger vor den verschiedenen Formen der Kriminalität zu schützen und Straftaten entschieden zu bekämpfen. Eine Gesellschaft, in der die Angst vor Straftaten die Lebens-planung des Einzelnen bestimmt, ist keine wirklich freie Gesellschaft mehr. In Sachen Sicherheit und Schutz vor Kriminalität darf es keine Zwei-Klassen-Gesellschaft geben. Richtig verstandene Sicherheitspolitik ist deshalb auch ein soziales Anliegen. Gewährleistung der Inneren Sicherheit ist und bleibt primär eine Aufgabe des Staates. Notwendig, um die Rechtsordnung zu gewährleisten, ist dje wehrhafte Demokratie -gegenüber der Kriminalität ebenso wie gegenüber dem politischen Extremismus.

Die organisierte Kriminalität darf sich in Deutschland nicht weiter ausbreiten. Ihre konsequente und harte Bekämpfung mit den dafür erforderlichen Mitteln ist für das Wohl und Wehe unseres Landes und unserer Bürger von entscheidender Bedeutung. Es müssen Instrumente geschaffen und geschärft werden, mit denen wir dem organisierten Verbrechen mit Aussicht auf Erfolg begegnen können. Mit dem Verbrechensbekämpfungsgesetz der Koalition 1994 wird weitreichendes geschaffen.

Die akustische Beweissicherung in Verbrecher-wohnungen und die Erlaubnis für milieugerechtes Verhalten verdeckter Ermittler im Bereich der organisierten Kriminalität, illegales Glücksspiel und Drogenhandel bleiben darüber hinaus zwei wesentliche und elementare Punkte für eine wirksame Bekämpfung der Schwerstkriminalität. Für Schwerstverbrecher darf es keine rechtsfreien Räume geben. Es darf keinen Anspruch auf Aus- Übung und Mißbrauch der Grundrechte zur Begehung von Schwerstverbrechen geben. Falsch verstandener Liberalismus darf nicht zu einem Täter-schutz zu Lasten der Opfer führen. Erkenntnisse des Verfassungsschutzes und des Bundesnachrichtendienstes sind zu nutzen, um einen optimalen Beitrag zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität, des internationalen Rauschgifthandels, der Geldwäsche und des Terrorismus leisten zu können. Eine Freigabe sogenannter weicher Drogen, sprich Legalisierung von Handel, Besitz und Konsum entsprechender Suchtmittel, ist mit der CSU nicht machbar. Dies wäre der Beginn einer Kapitulation vor der Rauschgiftkriminalität.

V.

Deutschland ist kein Einwanderungsland und wird das auch in Zukunft nicht sein. Die CSU lehnt daher ein Einwanderungsgesetz ab. Ein Einwanderungsgesetz könnte die Zuwanderung nicht begrenzen, sondern sie würde sie ausweiten. Das neue Asylrecht erweist sich als erfolgreich und wirkt. Die Zahl der Asylbewerber hat um mehr als die Hälfte abgenommen. Dennoch bewegt sich die Zahl der Antragsteller an der oberen Grenze dessen, was für unser Land verkraftbar und zu bewältigen ist.

Deutschland ist ein weltoffenes Land. Die überwältigende Mehrheit unserer Bürger ist nicht fremdenfeindlich, sondern lebt friedlich im Alltag mit ausländischen Mitbürgern zusammen. Deutschland ist das Land in Europa mit dem höchsten Ausländeranteil. Wir Deutsche wissen, was wir ihnen verdanken. Wir wollen und werden die Integration der Ausländer weiter fördern.

Eine generelle doppelte Staatsbürgerschaft trägt allerdings nicht dazu bei. Die doppelte Staatsbürgerschaft bringt Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Rechte und Pflichten gegenüber zwei Staaten mit sich. Loyalitätskonflikte sind vorprogrammiert. Die deutsche Staatsbürgerschaft ist nicht ein Mittel der Integration, sie ist das Ergebnis und steht am Ende der Integration unserer ausländischen Mitbürgerinnen und -bürger, die sich dauerhaft für Deutschland und seine Gesellschaft entschieden haben.

Staat und Gesellschaft müssen mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln gegen ausländer-feindliche Gewalt vorgehen. Wir dürfen und werden es nicht zulassen, daß Extremisten die Freiheit dazu mißbrauchen, Rassismus zu predigen, Menschen anderer Herkunft oder anderen Glaubens anzugreifen. Es gilt, den Rechtsextremismus in all seinen Formen und Verbindungen zu bekämpfen. Mit gleicher Konsequenz muß der Staat dem Linksextremismus begegnen. Er unterscheidet sich in seinen gesellschaftsfeindlichen Zielen und menschenverachtenden Aktionen nicht von den Rechtsextremisten. Vor Extremisten darf es kein Zurückweichen des demokratischen Rechtsstaats geben. Nur eine wehrhafte Demokratie hat Zukunft. Nur ein sicherer Staat ist ein liberaler Staat.

Alle demokratischen Parteien müssen klare Abgrenzungen zu den radikalen und extremen Kräften auf dem rechten wie linken Spektrum ziehen. Die freiwilligen Erbnehmer der SED und Altkommunisten in der PDS dürfen nicht salonfähig werden. Eine wie immer geartete Zusammenarbeit der PDS von Seiten einer demokratischen Partei darf es nicht geben. Hier ist eine ebenso klare Abgrenzung erforderlich, wie dies von allen Parteien gegenüber den radikalen und extremen Kräften am rechten Rand geschieht. Die Bürger müssen sich im klaren darüber sein, daß Proteststimmen oder Nichtwählen nur die radikalen und extremen Parteien an den Rändern stärkt, aber nicht zur Lösung vorhandener Probleme beiträgt, sondern die politische Entscheidungskraft schwächt. Die Verhältnisse der Weimarer Republik mit der Zersplitterung des Parteiensystems und mit gegenseitigem Hochschaukeln der Extremisten rechts und links darf sich in Deutschland nicht wiederholen. Es geht um das Schicksal Deutschlands und nicht um das einer Partei. Rechten und linken politischen Rattenfängern muß eine klare Absage erteilt werden.

VI.

Als erfolgreiche Volkspartei schreibt die CSU Bürgernähe groß und greift alle dringenden Fragen der Zeit auf, die den Menschen auf den Nägeln brennen, und betreibt ihre konsequente Umsetzung in praktische Politik. Die CSU versteht sich dabei als Anwalt gerade der „kleinen Leute“. Wir sprechen auch das aus, was unpopulär, aber in der Sache notwendig ist: Die CSU ist keine Schönwetter-Partei, sondern sorgt mit ihrem Mut zur Wahrheit für Klarheit, Berechenbarkeit und Kontinuität in München ebenso wie in Bonn. Entscheidungskraft, Verläßlichkeit, klare Ziele und realistischesHandeln sind Voraussetzung dafür, das Vertrauen der Bürger zu gewinnen.

Entscheidungen müssen nachvollziehbar sein und ohne lähmendes Gezerre getroffen werden. Grundsatztreue, Orientierung an Grundwerten und Offenheit schaffen Vertrauen in die Politik und zu den Politikern und sind geeignet, verloren-gegangene Glaubwürdigkeit wiederzugewinnen. Gesunder Menschenverstand muß die politische Zielrichtung prägen, nicht utopische Gedanken-spielerei oder bürokratische Regelungswut. In der Politik muß wieder mehr der Mut einkehren, mit Wirklichkeitssinn und Nüchternheit zu sagen, was geht und was nicht machbar ist. Es ist erforderlich, auch unbequeme Wahrheiten deutlich auszusprechen.

Nicht in jedem Fall kann die Politik Lösungskompetenz anbieten, dann muß sie dies auch deutlich sagen. Viele komplexe Fragestellungen und Probleme lassen keine schnellen und einfachen Antworten zu, das gilt es denn aber auch den Bürgern zu vermitteln, anstatt vermeintlich für alles und jedes eine richtige Lösungskompetenz parat zu haben und anbieten zu können. Generell gilt es zu verdeutlichen, daß Staat und Politik nicht alles lösen und leisten können oder dürfen. Es funktioniert eben nicht, alles auf den Staat abwälzen zu wollen. Es gilt deshalb, von dem Irrglauben an die schier unbegrenzte Handlungsallmacht von Staat und Politik Abschied zu nehmen.

Der einzelne Bürger muß sich wieder mehr als Subjekt, denn als Objekt staatlichen Handelns begreifen. Es wäre aber falsch, die politische und historische Leistung der demokratischen Parteien im Deutschen Bundestag seit 1949 zu verschweigen. Ihnen ist es zu verdanken, daß sich seit 1949 eine stabile demokratische, freiheitliche und rechtsstaatliche Ordnung herausgebildet hat, die in über vier Jahrzehnten allen inneren und äußeren Anforderungen gerecht geworden ist und standgehalten hat. Die größte Leistung der Parteien, insbesondere der Volksparteien, ist es, eine politische Integration dahingehend verwirklicht zu haben, daß politische Extremisten weder links noch rechts eine Chance wie seinerzeit in der Weimarer Republik hatten, die Demokratie zu gefährden. Die demokratischen Parteien waren und sind der politische Stabilitätsanker in unserer politischen Ordnung. Fehlentwicklungen müssen beseitigt werden und die Stärke unseres Systems zeigt sich gerade darin, daß Mißstände nicht unter den Tisch gekehrt werden, sondern aufgedeckt und dann fällige Korrekturen vorgenommen werden. Die große

Mehrheit der Parteimitglieder arbeitet ehrenamtlich und mit ideellem Engagement. Hier geht es um die Ausgestaltung der öffentlichen Ordnung, des öffentlichen Lebens; sie verstehen ihr politisches Engagement als Dienst im Interesse des All-gemeinwohls. Aufgabe aller verantwortlichen Politiker muß es sein, verlorengegangenes Vertrauen durch überzeugtes ehrliches politisches Handeln und verantwortliche Wahrnehmung der politischen Ämter, in welcher Position auch immer, zurückzugewinnen. Erforderlich ist, daß sich die Parteien auf den Kern der politischen Staatsaufgaben konzentrieren. Politik kann und darf kein alles und jedes umfassendes Dienstleistungsunternehmen sein. Hier sind vielmehr auch die Kirchen, Gewerkschaften, aber auch Intellektuelle und Kultur-schaffende gefordert.

Die Parteien, auch die CSU, müßten sich mehr für die Mitarbeit von Nichtmitgliedern und parteigebundener Experten öffnen. Das Bild der Parteien als „closed shop“ muß sich ändern. Die Parteien müssen wieder stärker direkt auf die Menschen zugehen. Der Staat muß insgesamt wieder schlanker, durchschaubarer, verständlicher und einfacher werden. Entstaatlichung ist eine wichtige Antwort auf die Parteienkritik. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe kann und darf nicht zu einem Ersatzinstrument für politische Entscheidungen und die Wahrnehmung politischer Verantwortung werden. Dies widerspricht eindeutig dem Geist und den Vorstellungen der Verfassungsmütter und -väter und wird der von den Bürgern erwarteten Handlungs-und Entscheidungsfähigkeit der Politik, nicht gerecht. Das rechtsstaatliche Gefüge muß so ausgerichtet sein, daß das Rechtsempfinden der großen Mehrheit der Bevölkerung keinen Schaden leidet.

Fast 50 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und im vierten Jahr nach dem Wiedererlangen der Deutschen Einheit ist es an der Zeit, daß die Deutschen -ohne die Geschichte mit all den barbarischen und verabscheuungswürdigen Verbrechen des Dritten Reichs und der Ungeheuerlichkeit der Judenvernichtung zu leugnen -ein normales Verhältnis zu ihrem Vaterland herausbilden und zu ihrer nationalen Identität zurückfinden. Nur ein unverkrampftes Verhältnis und Bekenntnis zu Vaterland und Nation garantiert auf Dauer eine problemlose Einbettung unseres staatlichen Gemeinwesens in das internationale Staatengeflecht. Identitätsdefizite rufen Unsicherheit hervor. Es wird eine der entscheidenden Aufgaben aller verantwortlichen politischen und gesellschaftlichen Kräfte der nächsten Jahre sein, Nationalbewußtsein und grundgesetzliche Demo- kratie untrennbar zu verbinden, den Deutschen in Ost und West eine stabile Identität zu vermitteln. Wir müssen uns stärker bewußt werden, wer wir sind. Das ist wichtig nicht nur für uns, für die Einheit der Deutschen, sondern auch für die Zukunft Europas.

Patriotismus und Heimatliebe stehen nicht im Gegensatz zur europäischen Integration, zu Liberalität und Weltoffenheit. Halt und Orientierung in einer immer unübersichtlicher werdenden Welt und in einer Gesellschaft, die mehr und mehr ihre Integrationskraft zu verlieren droht und sich in eine Vielzahl von Einzel-und Gruppeninteressen aufgliedert, wachsen auch nicht zuletzt aus der Verwurzelung in Heimat und Herkunft. Patriotismus und europäische Gesinnung gehören zueinander, bedingen einander. Sie schaffen ein Klima, in dem nationale Selbstüberheblichkeit und Nationalismus keine Nahrung finden.

Die CSU hat in allen zentralen Fragen Deutschlands stets die richtige Antwort gegeben; sie besitzt die Kompetenz für die Lösung der Zukunftsaufgaben. Die CSU war und ist der Garant für eine klare und berechenbare Politik. Als Partei der programmatischen wie personellen Geschlossenheit sowie der bayerischen, deutschen und europäischen Verantwortung stellen wir uns zuversichtlich dem Urteil der Bürger in den anstehenden Wahlen.

Fussnoten

Weitere Inhalte

Michael Glos, geb. 1944 in Brünnau (Unterfranken); Müllermeister, Inhaber eines Getreidemühlen-und Landwirtschaftsbetriebes. Mitglied des Deutschen Bundestages seit 1976; Vorsitzender des CSU-Bezirks Unterfranken seit 1993; Vorsitzender der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag und damit gleichzeitig erster Stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion; Mitglied im Vorstand und Präsidium der CSU.