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Zur Situation der politischen Bildung in den neuen Bundesländern | APuZ 25-26/1992 | bpb.de

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APuZ 25-26/1992 Die „unpolitische“ Frau Politische Partizipation von Frauen oder: Haben Frauen ein anderes Verständnis von Politik? Was heißt frauenspezifisches Lernen und Handeln? Politische Bildung als Männerdiskurs und Männerdomäne Zur Situation der politischen Bildung in den neuen Bundesländern

Zur Situation der politischen Bildung in den neuen Bundesländern

Bernd Lüdkemeier/Michael Siegel

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Zusammenfassung

Nach etwa einem Jahr politischer Bildungsarbeit der Landeszentralen für politische Bildung in den neuen Bundesländern läßt sich eine erste Bilanz ziehen, wo die Probleme mit der Akzeptanz politischer Bildung in diesen Ländern liegen. Zunächst muß man positiv feststellen, daß alle neuen Länder trotz ihrer finanziellen Schwierigkeiten die Landeszentralen für politische Bildung eingerichtet und auch mit Sachmitteln ausgestattet haben. Dies zeigt sowohl den Stellenwert, den diese Länder der politischen Bildung zumessen, als auch den Beitrag, den das jeweilige Bundesland zur Entwicklung des freiheitlichen demokratischen Bewußtseins seiner Bevölkerung leistet. 40 Jahre sozialistische Agitation und Propaganda haben die politische Bildung in Form des früheren Staatsbürgerkundeunterrichts diskreditiert, und die daraus resultierende Hemmschwelle im Bewußtsein der Bürger muß immer wieder überwunden werden. Die Arbeit der Landeszentralen erfolgt parteienunabhängig und -übergreifend und ist nicht Indoktrination eines Systems. Wenn auch -durch die wirtschaftliche Situation bedingt -in den neuen Ländern derzeit der Schwerpunkt auf berufliche Fortbildung gelegt wird, so gibt es andererseits eine Reihe von Zielgruppen, die die Angebote der Landeszentralen mit großem Interesse annehmen: Lehrer, Verantwortungsträger im öffentlichen Dienst, Angehörige der Bundeswehr, Journalisten u. a. Als gemeinsame Erfahrung bleibt vor allem eines festzustellen: Das Wichtigste bei allen Maßnahmen politischer Bildung ist, daß sich die Menschen begegnen, miteinander sprechen, Vorurteile abbauen, Grenzen überwinden und Vertrauen in die Zukunft gewinnen.

Seit etwa einem Jahr gibt es sie auch in den neuen Bundesländern: die Landeszentralen für politische Bildung -eine für die ehemalige DDR völlig neue und bis dahin in großen Bevölkerungskreisen auch weitgehend unbekannte Institution. Daher kann man wohl mit großem Interesse nach den Erfahrungen eines Jahres politischer Bildungsarbeit fragen und den Versuch unternehmen, die Situation der politischen Bildung in den neuen Ländern zu analysieren. Dabei sollen vor allem die praktischen Erfahrungen im Mittelpunkt stehen, nicht die theoretischen Grundlagen und Aufgaben, zu denen es schon viele entsprechende Veröffentlichungen gibt.

Die Situation der politischen Bildung in den neuen Bundesländern soll an den Beispielen und aus den Erfahrungen der beiden Länder Sachsen-Anhalt und Thüringen dargestellt werden. Dies bedeutet jedoch keineswegs, daß nicht auch in den anderen Ländern inhaltliche Arbeit geleistet und Erfahrungen gemacht wurden. Sie sind uns aus den Gesprächen mit unseren Kollegen aus diesen Ländern bekannt und werden auch in dieser Studie mit berücksichtigt.

I. Die Akzeptanz der politischen Bildung in den neuen Ländern

Obwohl die politische Bildung in den Augen so mancher Politiker der westlichen Länder der Bundesrepublik an Bedeutung offenbar verloren hat (was besonders deutlich wird am Beispiel der Landeszentrale im Saarland), scheinen die verantwortlichen Politiker der östlichen Länder von der Wichtigkeit einer entsprechenden Einrichtung überzeugt zu sein. Denn nicht anders läßt es sich sonst erklären, daß trotz aller Probleme und finanzieller Nöte beim Aufbau der neuen Länder auch an die Einrichtung dieser Institution gedacht wurde. Schon im Februar 1991 beschloß die Landesregierung in Thüringen die Errichtung einer eigenen Landeszentrale für politische Bildung zum 15. April 1991; in Sachsen-Anhalt erfolgte dies am 22. Mai 1991 mit Arbeitsbeginn ab 1. Juli des gleichen Jahres.

In beiden Fällen wurden die Aufgabe und die Arbeitsschwerpunkte der Landeszentralen eindeutig formuliert: durch eigene Maßnahmen und durch Kooperationen mit anderen freien Bildungsträgern zur politischen Bildung der Bürger des Landes beizutragen sowie die Entwicklung eines freiheitlichen demokratischen Bewußtseins durch die politische Bildungsarbeit zu fördern. Grundlage und Rahmen dieser Arbeit ist die im Grundgesetz und die in den künftigen Landesverfassungen niedergelegte politische Grundordnung. Und es gilt der Grundsatz: Die Arbeit der Landeszentrale hat parteiunabhängig bzw. parteipolitisch ausgewogen zu erfolgen.

Genau an dieser Stelle aber beginnen die Probleme mit der Akzeptanz der politischen Bildung bei den Bürgern der neuen Länder. Im politischen System der ehemaligen DDR konnte politische Bildung nur als Indoktrination erfahren werden. Unter der „führenden Rolle“ der SED, seit April 1968 im Artikel 1 der DDR-Vefassung festgeschrieben, wurde auch von den in der „Nationalen Front“ gleichgeschalteten Blockparteien und Massenorganisationen politische Propaganda und Indoktrination betrieben. Das Ziel dieser stetigen Beeinflussung waren „sozialistische Persönlichkeiten“. Diese Art der „politischen Bildung“ umfaßte alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens, und damit gewannen vor allem die Massenorganisationen wie FDJ, FDGB, der Demokratische Frauenbund Deutschlands (DFD) oder die Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft (DSF) an Bedeutung, da sie weit mehr Mitglieder durch indirekten und direkten Zwang rekrutieren konnten als die politischen Parteien. Hier sollten vor allem diejenigen erreicht werden, die nicht mehr im Rahmen von schulischer oder beruflicher Aus-und Weiterbildung beeinflußt werden konnten: die Arbeiter oder Angestellten im täglichen Arbeitsprozeß. Überdies gab es neben den offiziellen Veranstaltungen und Mitgliederversammlungen der Parteien und Massenorganisationen noch andere Pflichtübungen: Parteilehrjahr, FDJ-Studienjahr, Schulen der sozialistischen Arbeit u. a., also Indoktrination auf allen Ebenen und unterschiedlichstem Niveau, aber stets mit dem gleichen Ziel: Klassenstandpunkt beziehen, Parteilichkeit beweisen, das Lob des Sozialismus singen. Mit dieser Erfahrung und vor diesem Hintergrund treffen die Menschen in den neuen Bundesländern nunmehr auf eine Institution des Landes, die politische Bildungsarbeit leisten will, und zwar parteienunabhängig und -übergreifend. Da ist es nicht verwunderlich, wenn man immer wieder auf Unverständnis oder gar auf Mißtrauen stößt in der Frage: Ist das, was ihr da macht, nicht das gleiche wie früher, nur unter anderen Vorzeichen? Mit dieser Skepsis müssen wir wohl noch eine Zeitlang leben und nur durch die konkrete Arbeit, die wir in unserem Bereich leisten, werden wir die Menschen überzeugen können, daß politische Bildungsarbeit nicht Indoktrination eines bestimmten politischen Systems bedeutet, sondern daß unter den neuen gesellschaftlichen Bedingungen sie dazu dienen soll, die Wesensmerkmale einer offenen, pluralistischen Gesellschaft zu vermitteln: Toleranz, Respekt vor dem Andersdenkenden, Kritikfähigkeit, letztlich Demokratie als Lebensform.

Aber noch ein zweiter Aspekt berührt die Akzeptanz der politischen Bildung in den neuen Bundesländern ganz wesentlich: Es ist die Frage des Bürgers, den unser Bildungsangebot erreichen soll, was ihm dies in der gegenwärtigen Situation „nutzt“. Die wirtschaftliche Situation des einzelnen, die Frage, ob der Arbeitsplatz zu halten oder ob überhaupt wieder eine Arbeit zu bekommen ist, bestimmt ganz wesentlich die Interessen im Hinblick auf Bildungsangebote. Vorrang hat alles das, was der beruflichen Weiterbildung und Entwicklung dient: Fremdsprachenkurse, Computerlehrgänge, Seminare zu Fragen der Betriebswirtschaft und des Managements und dergleichen mehr. Da bleiben die Themen der politischen Bildung auf der Strecke, denn sie tragen nicht unmittelbar zur Verbesserung der wirtschaftlichen Situation des Betroffenen bei.

Mit dem Wissen um diese mangelnde Akzeptanz muß sich derjenige, der in dieser Situation dennoch verantwortlich politische Bildungsarbeit betreiben will, fragen: Gibt es trotz aller Skepsis und der wirtschaftlichen Probleme nicht doch Zielgruppen, die auf Angebote der politischen Bildung warten, die für sie vielleicht sogar eine berufliche Weiterbildung bedeuten? Wo liegen die Hauptthemen und Themenbereiche für diese Zielgruppen und mit welchen Methoden und Formen der politischen Bildungsarbeit können sie erreicht werden? Und nicht zuletzt stellt sich die Frage nach den Anforderungen an das Land oder an die Politik, nämlich wie beide selber mit dazu beitragen können, die vermittelten Werte und Ziele umzusetzen.

II. Zielgruppen und Themen der politischen Bildung in Sachsen-Anhalt

Das Bildungsangebot der Landeszentrale für politische Bildung in Sachsen-Anhalt richtet sich derzeit vor allem an zwei Zielgruppen. Dies ist zum einen der gesamte Bereich des öffentlichen Dienstes einschließlich der politischen Verantwortungsträger in Staat und Gesellschaft; sie reicht vom ehrenamtlichen Bürgermeister oder Mandatsträger einer Kommune über Mitarbeiter der Landesverwaltung bis hin zu Bundeswehrangehörigen oder Polizeibediensteten.

Die zweite wichtige Zielgruppe bildet das Personal von Schulen und Hochschulen in Sachsen-Anhalt. Es war wegen seiner Multiplikatorenfunktion im Bildungssystem in der Vergangenheit einer besonders intensiven Indoktrination ausgesetzt. Deshalb ist es heute nicht verwunderlich, daß gegenüber politischen Bildungsangeboten Verdrossenheit und Skepsis herrscht. Erschwerend bei der Zusammenarbeit mit Lehrern und Hochschulangehörigen kommt hinzu, daß die geamte Bildungslandschaft großen Veränderungen und Umwälzungen ausgesetzt ist, die viele Pädagogen und Hochschullehrer zurückhaltend reagieren lassen auf Angebote der politischen Bildung. Dies hat zur Folge, daß sich nur wenige nicht passiv verhalten und sich mitgestaltend einbringen in Seminare und Veranstaltungen.

Die politische Bildungsarbeit für alle Zielgruppen und Interessierten konzentriert sich derzeit vorrangig auf die Vermittlung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, die Vermittlung der Grundstrukturen des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland, der Formen der demokratischen Kommunikation und der politischen Willensbildung sowie einer ausführlichen Darstellung der deutschen Geschichte, besonders im 20. Jahrhundert.

Die Landeszentrale für politische Bildung Sachsen-Anhalt hat die Zusammenarbeit mit den genannten Zielgruppen vorrangig gewählt -abgesehen von der dringenden Notwendigkeit, in diesem Bereich politische Bildungsarbeit zu leisten -, weil es für eine sich im Aufbau befindende Landeszentrale organisatorisch einfach leichter ist, Seminare und Veranstaltungen mit „festen“ Partnern durchzuführen. So kann z. B. bei Seminareinladungen für Kommunalpolitiker der Adressaten-Verteiler des Städte-und Gemeindebundes oder des Landkreistages genutzt werden. Oder in Zusammenarbeit mit den Schuldezernenten der Bezirksregierungen kann die Frage der Freistellung von Leh33 rem für Veranstaltungen der Landeszentrale im Vorfeld unbürokratisch geklärt werden.

Die Bildungsarbeit der Landeszentralen in den neuen Ländern ist ganz anderen Erfordernissen ausgesetzt und unterliegt ganz anderen Erwartungen als die Arbeit der Landeszentralen in den alten Bundesländern. In den fünf neuen Ländern wird von der politischen Bildungsarbeit eine praktische Lebenshilfe erwartet, d. h. die Menschen wollen aus Seminaren und Veranstaltungen mit praktischen, im Alltag verwertbaren Informationen herausgehen. Sie erwarten eine Orientierungshilfe in der für sie völlig neuen Gesellschafts-, Wirtschaftsund Rechtsordnung. Vorrangiges Ziel ist es deshalb, den neuen Mitbürgern das politische System der Bundesrepublik Deutschland mit all seinen für den Lebensalltag relevanten Details und organisatorischen Verästelungen näherzubringen. Hier muß derzeit politische Bildung ansetzen und tätig werden, um damit für die nächste Zeit Lebens-und Orientierungshilfe zu leisten, denn nur wer über die Möglichkeiten und Chancen, aber auch die Problembereiche des neuen Systems informiert ist, kann es nutzen, kann mitsprechen und mitbestimmen. Dem versucht die Landeszentrale über ein vielfältiges Seminarangebot nachzukommen. Dazu gehören Seminare und Veranstaltungen zu Themen wie:

-Grundlagen der Demokratie -der Rechtsstaat -das Parteiensystem der Bundesrepublik Deutschland -Föderalismus -Politische Willensbildung und Entscheidungsprozesse auf kommunaler und regionaler Ebene.

Hinzu kommen eine Reihe von europabezogenen Veranstaltungen im Hinblick auf den Gemeinsamen Markt 1993 oder landeskundliche Seminare, die zur Identifikation der Menschen mit ihrem Bundesland beitragen wollen.

Darüber hinaus werden eine ganze Reihe von Seminaren angeboten, die einen Beitrag zur Integration der Menschen aus beiden deutschen Gesellschaften leisten sollen. Dies geschieht u. a. durch Begegnungsseminare für Interessierte aus Ost und West, die dazu beitragen, bestimmte Befindlichkeiten oder gar Vorurteile zwischen den Menschen beider Teile Deutschlands abzubauen. Solche Seminare sollen dazu beitragen, daß die nach der Euphorie der Wiedervereinigung 1989/1990 offenbar gewordene Unkenntnis übereinander sowie die zunehmenden sozialen, wirtschaftlichen und finanziellen Probleme nicht in eine Entfremdung der Menschen aus Ost und West münden, sondern daß vielmehr die Stärkung der inneren Einheit angestrebt wird.

III. Zielgruppen und Themen der politischen Bildung in Thüringen

Schon seit dem Frühjahr 1990, als die Partnerländer Rheinland-Pfalz, Hessen und Bayern in Thüringen begannen, neben der materiellen Aufbau-hilfe auch Angebote im Bereich der politischen Bildung zu unterbreiten, wurden diese insbesondere von einer Berufsgruppe angenommen: von den Lehrern. Hier war und ist eine Berufsgruppe -vom alten System in besonderer Weise indoktriniert zur Herausbildung und Ausbildung junger Menschen zu „sozialistischen Persönlichkeiten“ mit „festem Klassenstandpunkt“ -, die nun dringend Hilfen zur Neuorientierung in einer freiheitlichen demokratischen Grundordnung benötigt und sie daher auch sucht.

Wenn dies zunächst grundsätzlich alle Lehrer umfaßte, so wurde mit der Einführung des Faches Sozialkunde ein besonders dringender Bedarf an politischer Bildung bei den Kollegen deutlich, die dieses Fach nun zu unterrichten haben. Bei ihrer Auswahl wurde besonderer Wert auf politische Unbedenklichkeit gelegt, und so kommen viele Sozialkundelehrer aus Bereichen, die nichts mit politischer Bildung zu tun hatten; so z. B. aus dem weggefallenen Bereich der Polytechnik, aus den Naturwissenschaften oder aus den musischen Fächern. Hinzu kommen denkbar ungünstige Startbedingungen für diese Lehrer am Beginn des Schuljahres 1991/92: neben der persönlichen Unsicherheit, ob man überhaupt Lehrer bleiben kann, die Unsicherheit im neuen Fach aufgrund fehlender Ausbildung und die überall noch fehlenden Hilfs-und Lernmittel. Statt eines Lehrplanes gibt es nur „Lehrplanhinweise“, die jedoch am Schluß auf Publikationen aufmerksam machen, die vornehmlich in der Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung erschienen sind und über die Landeszentralen bezogen werden können.

So kommt ein Großteil der Sozialkundelehrer zum ersten Mal mit der Landeszentrale in Berührung, woraus in den meisten Fällen ein ständiger Kontakt entsteht durch das geweckte Interesse an weiteren Publikationen und anderen Bildungsangeboten. Für die Mitarbeiter der Landeszentrale für politische Bildung ist dies die wohl für die nächste Zeit wichtigste Zielgruppe unserer Tätigkeit, wobei uns aber klar ist, daß die Weiterbildung von Sozialkundelehrern in erster Linie Aufgabe des dem Kultusministerium unterstellten Thüringer Instituts für Lehrerfortbildung, Lehrplanentwicklung und Medien (THILLM) ist. Wir leisten hier nur Hilfe, solange die Fortbildungsangebote dieses Instituts noch nicht ausreichen, das Bildungsbedürfnis der Sozialkundelehrer zu befriedigen.

Wesentliche Multiplikatoren politischer Bildung sind die Journalisten, mit Sicht auf die DDR-Vergangenheit eine vielleicht noch stärker als die Lehrer indoktrinierte Berufsgruppe. Während es bei den Lehrern eine Auswahl ohne Kompromisse gab, wer Multiplikator politischer Bildung sein kann und darf, blieb dieser Prozeß den Journalisten bzw.den Redaktionen und Verlagen weitestgehend selbst überlassen, mit Einschränkungen vielleicht im Bereich der öffentlich-rechtlichen Anstalten. Vor allem im Bereich der Zeitungen wird dies deutlich, wie schnell aus DDR-Parteiblättern unabhängige Zeitungen wurden. Zwar änderten sich oft die Namen der Zeitungen und als Eigentümer treten nun renommierte Zeitungsverlage aus dem Westen auf, doch die Namen mancher Verfasser der Leitartikel und anderer Beiträge sind dem aufmerksamen Leser bekannt aus vergangenen DDR-und SED-Zeiten. Vielleicht liegt es mit an solcherart Tradition, daß diese Zeitungen immer mehr an Glaubwürdigkeit verlieren und die Boulevardblätter die großen Gewinner sind.

Aus dieser Sicht sind die Journalisten für uns eine wichtige Zielgruppe unserer Arbeit, wobei bisherige Angebote von der Resonanz her enttäuschend waren. So mußte beispielsweise in Thüringen im November des vergangenen Jahres ein geplantes Tagesseminar mit Journalisten mangels Beteiligung abgesagt werden, wobei wir davon ausgegangen waren, daß nach den Vorgängen in Hoyerswerda es gerade für die Journalisten interessant sein müßte, gemeinsam zu diskutieren, wie man mit dem Thema „Politischer Extremismus -Rechtsradikalismus“ und daraus resultierend mit der Gewalt gegen Ausländer in der Öffentlichkeit umgeht. Doch auch solche Erfahrungen muß man in der politischen Bildungsarbeit machen, ohne dabei das Interesse an einer bestimmten Zielgruppe zu verlieren.

Fast ebenso wichtig wie die Journalisten sind uns als Zielgruppe unserer Bildungsarbeit die jungen Redakteure der neu entstehenden Schülerzeitungen. Für diese jungen Redakteure ist ihre Arbeit völliges Neuland, denn Schülerzeitungen waren zu DDR-Zeiten nur als „Abschlußzeitung“ am Ende der gemeinsamen Schulzeit denkbar, und da hatten sie unpolitisch zu sein. Nun lernen die Schüler, daß es bei aller gewonnenen Freiheit nicht leicht ist, mit der Möglichkeit des Einflusses auf die politische Meinungsbildung ihrer Mitschüler verantwortlich umzugehen. Ihnen dabei zu helfen, die dazu notwendigen Grundvoraussetzungen zu erkennen und sich anzueignen, sehen wir als unsere Aufgabe in der Arbeit mit dieser Zielgruppe.

Eine weitere wichtige Zielgruppe unserer politichen Bildungsarbeit sehen wir in den Multiplikatoren im Bereich der Bundeswehr, der Polizei sowie generell im öffentlichen Dienst (und hier vor allem diejenigen Personen, die aus vergleichbaren DDR-Institutionen in diese Bereiche übernommen wurden). Vor allem bei der Bundeswehr ist zu merken, daß es offensichtlich in den alten Bundesländern traditionell gute Kontakte und eine gute Zusammenarbeit mit den Landeszentralen für politische Bildung gibt, denn immer wieder erleben wir Kontaktaufnahmen durch die Bundeswehr mit unserer Landeszentrale mit dem Ziel einer künftigen Zusammenarbeit. In der zweiten Hälfte dieses Jahres werden diese Kontakte auch von unserer Seite her intensiviert und in konkrete Projekte umgesetzt werden.

Zum Schluß, aber nicht im Hinblick auf den Stellenwert, sei noch die Zielgruppe der Multiplikatoren genannt, die in der Jugend-und Erwachsenenbildung tätig sind, z. B. die ortseigene Bildungsprojekte oder auch Bildungswerke betreiben und dadurch den direkten Kontakt zu allen interessierten Bürgern im Land halten können. Hier liegen vor allem unsere Möglichkeiten, die Themenbereiche zu erfragen und zu erfahren, welche z. Z. aktuell sind und die Bürger bewegen.

Vor diesem Hintergrund ergibt sich die Frage nach den Themenbereichen und den Hauptthemen in der politischen Bildung in den neuen Ländern. Bei der Erstellung einer ersten Konzeption der Landeszentralen für politische Bildung in Thüringen und Sachsen-Anhalt wurde noch davon ausgegangen, daß neben bestimmten aktuellen Themen vor allem die klassischen Grundthemen der politischen Bildung in unseren Angeboten den Vorrang haben sollten: die Wesensmerkmale einer offenen pluralistischen Gesellschaft, Toleranz, Respekt vor dem Andersdenkenden, Demokratie als Lebensform zu vermitteln sowie die Grundprinzipien des Parlamentarismus und des Föderalismus.

Doch bereits die ersten Monate in der politischen Bildungsarbeit zeigten deutlich, daß dies nicht der richtige Ansatz war und ist. Analysiert man die Vorgänge vom Herbst 1989 bis hin zur Volkskammerwahl im März 1990, vor allem auch die Phase der „Runden Tische“, so kommt man zu der Erkenntnis, daß selbst 40 Jahre kommunistischer Diktatur demokratische Verhaltensweisen sowie das Wissen um die Ziele und Inhalte wirklicher Demokratie nicht beseitigen konnten. Hier liegt wohl auch die Ursache für den friedlichen und ge35 waltfreien Verlauf des gesamten Prozesses als ein Zeichen dafür, daß ausschließlich demokratische Mittel eingesetzt wurden, an deren Wirkung die Menschen auch glaubten: Wir sind das Volk!

Aus diesem Anspruch heraus konnte auch der nächste Schritt gegangen werden, und auch hier wieder mit den Mitteln der Demokratie: Wir sind ein Volk! Diese Erfahrungen werden gegenwärtig im Bewußtsein der Menschen überdeckt durch die eigenen Sorgen und Probleme, die nun nach dem Vollzug der äußeren Einheit den Weg zur inneren Einheit erschweren. Hier muß gerade in den neuen Bundesländern, aber auch in den alten, die politische Bildung ansetzen. Es muß der Versuch unternommen werden, den Menschen Hilfe anzubieten, Möglichkeiten und Wege aufzuzeigen, die helfen können, die Probleme auf dem Weg zur inneren Einheit bewältigen zu können.

Ein großes Thema wird dabei die Aufarbeitung der Vergangenheit sein. Diese kann nicht nur in der Aufarbeitung der Stasiakten bestehen, sondern muß die gesamte 40jährige Geschichte der DDR umfassen. Vor allem muß immer wieder deutlich werden, daß die gegenwärtigen wirtschaftlichen und damit in vielen Fällen auch persönlichen Probleme nicht in der Einführung der sozialen Marktwirtschaft und in der neugewonnenen freiheitlichen demokratischen Grundordnung ihren Ursprung haben, sondern in der vorangegangenen Wirtschaftsordnung und im beseitigten politischen System begründet liegen. Den Menschen muß das gefährliche Spiel, daß bestimmte politische Kräfte (sowohl rechts als auch links) mit den Ängsten und Sorgen der Menschen treiben, bewußt gemacht werden, sie müssen wieder den Mut finden, mit den Mitteln der Demokratie zu reagieren. Vor diesem Hintergrund ergeben sich praktisch von selbst dann Themenbereiche, die aktuelle Probleme aufgreifen und zum Gegenstand politischer Bildung werden sollten: der politische Extremismus und hier insbesondere der Rechtsextremismus, die Drogenprävention vor allem im Bereich der Schule und in der freien Jugendarbeit und anderes mehr.

Doch neben der DDR-Geschichte gilt es auch, die Geschichte der NS-Zeit neu aufzuarbeiten, denn mit dem von der SED verordneten Antifaschismus wurde vieles aus der Zeit von 1933 bis 1945 verdrängt. Aus dem Überdenken dieser Zeit ergeben sich für die politische Bildung unmittelbar zwei Themenbereiche: die Neuorientierung in den Konzeptionen der Gedenkstätten aus der NS-Zeit (in Thüringen besonders für Buchenwald und seine Außenlager) und die Neuorientierung im Verhältnis zum jüdischen Volk und zum Staat Israel.

Ein ganz anderer Themenbereich, der aber in den neuen Ländern zu den Hauptschwerpunkten der politischen Bildung zählen sollte, ist die Landes-kunde. Dieser soll sowohl die historische und geographische Landeskunde als auch die politische umfassen. Die Beschäftigung mit diesen Themen fördert die notwendige Identifikation des Bürgers mit seinem Land und vermittelt ihm das dafür nötige Wissen über den Aufbau, die Struktur und die Funktionsweise von Legislative und Exekutive im Land. Die Abschaffung der Länder und die Einführung der neuen Bezirksstruktur war wohl einer der großen Fehler des DDR-Regimes, denn die gewaltsame Unterbindung der Identifikation mit einer Region verhinderte letztlich auch die Identifikation mit dem Gesamtgebilde DDR. Die Menschen in diesem Staat haben aber nie aufgehört, sich als Thüringer, Sachsen, Anhaltiner oder Mecklenburger zu fühlen und auch zu bezeichnen. Aber es bestehen große Defizite im Wissen über die neu entstandenen Länder, über deren regionale Traditionen in Geschichte, Kunst und Kultur. Diese Defizite gilt es zu beseitigen.

Der Herbst 1989 und das Jahr 1990 brachten nicht nur für unser Land gewaltige Veränderungen mit sich, sondern die Veränderungen umfassen mittlerweile ganz Europa. Und da sind nicht nur die politischen Veränderungen in Osteuropa gemeint, denn auch der geplante und nunmehr unmittelbar bevorstehende gemeinsame Markt der EG bringt eine ganze Reihe Probleme mit sich bzw. erfordert neue Denkweisen. Während wahrscheinlich in der politischen Bildungsarbeit der alten Bundesländer Osteuropa den Schwerpunkt bilden wird, geht der Blick der Bürger in den neuen Ländern eher nach dem westlichen und südlichen Europa. Dabei werden die Probleme im Osten sicher nicht aus dem Blick geraten, aber 40jährige Enthaltsamkeit im Wissen über und im Erleben von Ländern im westlichen Europa müssen nun auch befriedigt werden.

Unabdingbare Voraussetzung für eine erfolgreiche Bildungsarbeit mit den genannten Zielgruppen, aber auch mit allen anderen an der politischen Bildung interessierten Menschen ist es, den Angebots-Charakter von politischer Bildung immer wieder zu betonen. Gerade in den neuen Bundesländern darf die politische Bildungsarbeit nicht den Verdacht aufkommen lassen, daß der Adressat unter umgekehrten Vorzeichen wieder einmal zum Objekt degradiert wird. Dies verlangt besonders von Mitarbeitern der politischen Bildung, die aus den alten Bundesländern kommen, ein großes Maß an Fingerspitzengefühl im Umgang mit den Menschen. Dies deshalb, weil die Menschen in der ehemaligen DDR über vier Jahrzehnte einer totalitären und totalen Polit-Schulung ausgesetzt waren und heute einfach ein Anrecht darauf haben, nicht mehr benutzt und ausgenutzt zu werden, sondern mitreden, mitgestalten und mitbestimmen wollen.

IV. Methoden und Formen der politischen Bildung in den neuen Bundesländern

• Wenn bisher von den Themenbereichen, von den Zielgruppen und auch von den Problemen mit der Akzeptanz der politischen Bildung in den neuen Bundesländern die Rede war, so muß nun auch über die Formen und Methoden gesprochen werden, mit denen die Inhalte vermittelt und ihre Zielsetzungen den interessierten Bürger auch erreichen sollen. Ausgangspunkt sind sicher die klassischen Formen politischer Bildungsarbeit, wie sie seit langem von den Landeszentralen in den alten Ländern praktiziert und im Ansatz von den Landeszentralen der neuen Bundesländer übernommen wurden: die Organisation und Durchführung eigener pädagogischer Veranstaltungen (Seminare, Tagungen und Konferenzen); die Kooperation bei der Organisation und Durchführung von pädagogischen Veranstaltungen mit anderen Bildungsträgern oder die Förderung solcher Bildungsvorhaben Dritter; der Ankauf und die Bereitstellung von Publikationen bzw. die Erstellung und Herausgabe eigener Veröffentlichungen und Materialien.

Es stellt sich dabei die Frage, ob die Situation der politischen Bildung in den neuen Ländern die Chance eröffnet, auch neue Formen und Methoden der politischen Bildungsarbeit zu finden und zu praktizieren. Schon im Auftrag der Landesregierung von Thüringen an die Landeszentrale wird gefordert, daß die eigenen pädagogischen Veranstaltungen möglichst modellhaften Charakter tragen sollen, die auch von anderen Bildungsträgern übernommen werden können. Dabei steht natürlich auch immer der möglichst effektive Einsatz 'der zur Verfügung gestellten Mittel aus dem Landeshaushalt im Blickfeld.

Zunächst ein Wort zum Bereich der Publikationen. Keiner wird die Wichtigkeit des Einsatzes von Publikationen in der politischen Bildungsarbeit bestreiten und Grundsätzliches gegen den Ankauf von Fremdpublikationen oder gegen die Erstellung und Herausgabe von Eigenpublikationen vorbringen wollen. Es liegt aber immer im Ermessen der einzelnen Landeszentrale, wie sich das Verhältnis der für Publikationen oder für pädagogische Vorhaben aufgewendeten Sachmittel gestaltet und wie hier die Schwerpunkte gesetzt werden. Dies gilt in besonderer Weise für die Landeszentralen in den neuen Ländern, deren Haushalte natürlicherweise wesentlich bescheidener ausfallen als die der alten Länder. Sehr hilfreich hat sich dabei die Bereitstellung von Publikationen durch die Bundeszentrale für politische Bildung erwiesen, wodurch ein großer Teil von Standardpublikationen, die zum Bestand einer Landeszentrale gehören müssen, angeboten werden konnten. So konnten wir uns auf den Ankauf weniger, für bestimmte Themenbereiche wichtiger Publikationen konzentrieren. Die Anzahl der Eigenpublikationen ist naturgemäß noch sehr gering, aber es gibt sie, vor allem im Bereich der Landeskunde. Hier wurde z. B. in Thüringen keine komplette Landeskunde erstellt, sondern mit der Herausgabe von „Blättern zur Landes-kunde“ begonnen. Ein solches Heft behandelt in kurzer und übersichtlicher Weise ein Thema, wobei die Themen keiner vorbestimmten Reihenfolge unterliegen. Durch den geringen Umfang ist jeweils eine hohe Auflage zu günstigen Preisen und damit ein großer Empfängerkreis möglich.

Im Bereich der pädagogischen Vorhaben kann man sicher nicht von generell neuen Formen und Methoden sprechen, doch wir sind in der glücklichen Lage, bei der Suche nach geeigneten Referenten zu den verschiedenen Themenbereichen solchen Referenten den Vorzug zu geben, die ebenfalls nach neuen Formen und Methoden suchen und sich in ihrer Arbeit darum bemühen. So machen wir sehr gute Erfahrungen mit Seminaren in der Form von Planspielen, bei denen die Teilnehmer aktiv mitwirken und mitgestalten müssen und der Erfolg letztendlich von ihrem eigenen Engagement abhängt. Daneben gibt es natürlich auch die klassische Seminarform mit dem breiten Fächer der Einsatzmöglichkeiten von technischen Hilfsmitteln und von AV-Medien, die jedoch noch begrenzt sind durch oftmals fehlende technische Ausstattungen.

Aber auch andere Formen politischer Bildungsarbeit werden ausprobiert und finden zunehmend Anklang: „Lernorte“ (wie z. B. Landtag, Bundestag, EG, Nato u. a.) als die beste Möglichkeit, vor Ort und unmittelbar die Möglichkeit zu Gespräch und Rückfrage zu haben. Oder die noch intensivere Form der Studienreise. Doch auch diese genannten Formen können im Hinblick auf den Haushalt derzeit nur in begrenztem Rahmen eingesetzt werden.

Wenn auch keine unbedingt neue, so doch für unsere Arbeit in den neuen Ländern sehr wesentliche Form des Seminars ist das Begegnungsseminar. Dabei ist nicht nur an die Seminare gedacht, die vornehmlich das Ziel des Kennenlernens und damit des Verstehenlernens haben, sondern es erweist sich als sehr positiv, wenn in fast allen Seminaren oder anderen Veranstaltungen Teilnehmer aus unterschiedlichen Erfahrungsbereichen (Regionen, Bundesländer, europäische Staaten u. a.) Zusammentreffen. Neben dem gemeinsamen Lernen ergeben sich zahlreiche Möglichkeiten zu Gesprächen, um so Vorurteile abzubauen, Mauern in den Köpfen einzureißen, Grenzen zu überwinden, Vertrauen aufzubauen und damit zu helfen, die innere Einheit zu vollziehen.

V. Anforderungen an das Land und an die Politik

All diese Ausführungen zur Situation und zu neuen Formen und Methoden der politischen Bildungsarbeit in den neuen Ländern würden reine Theorie bleiben, wenn nicht hinter allem der konkrete Auftrag der jeweiligen Landesregierung an die betreffende Landeszentrale stände. Aber daraus ergeben sich natürlich andererseits auch Forderungen an das Land bzw. an die Politik, die Rahmenbedingungen zu schaffen, die eine konstruktive und effektive politische Bildungsarbeit ermöglichen. Da ist in erster Linie an die entsprechende Ausstattung mit Sachmitteln zu denken, deren Wichtigkeit und Einfluß auf die Bildungsarbeit bereits mehrfach angesprochen wurde. Auch wenn die neuen Länder in ihren Haushaltsmitteln sehr begrenzt sind, darf deswegen politische Bildungsarbeit nicht so abqualifiziert werden, daß z. B. die Landeszentrale zu einer Abteilung einer Lehrerbildungseinrichtung wird (siehe Saarland) und so mit Sicherheit ihrem eigentlichen Auftrag nicht mehr gerecht werden kann.

Von gleicher Bedeutung wie die Ausstattung mit den Sachmitteln ist die personelle Besetzung. Auch hier müssen die politisch Verantwortlichen bei ihren Entscheidungen genau abwägen, wo die unterste Grenze ist, wer unter welchen Voraussetzungen eine Tätigkeit in der Landeszentrale aufzunehmen in der Lage ist. Hier sollten die o. g. Aspekte der Akzeptanz politischer Bildung nicht außer acht gelassen werden.

Neben der materiellen und personellen Ausstattung der Landeszentralen ist von entscheidender Bedeutung, welche gesetzlichen Grundlagen durch die jeweilige Landesregierung geschaffen werden, die eine pluralistische Bildungslandschaft auch in den neuen Ländern ermöglichen. Denn eine Landeszentrale für politische Bildung wird es allein nie schaffen, den Bedarf an politischer Bildung zu decken; dies erfordert in jedem Fall die Koopera-tion mit den freien Bildungsträgern, wie z. B. mit den Volkshochschulen, den Bildungswerken der Kirchen, der Gewerkschaften u. a.

Zumal bei einer nicht-zielgruppenorientierten Bildungsarbeit bedarf es also einer „Stammkundschaft“, die sich die Landeszentralen in den neuen Bundesländern erst einmal schaffen müssen, wofür* eine gut funktionierende eigene Organisationsstruktur notwendig ist. Es wird jedem verständlich sein, daß dies eine gewisse Zeit erfordert und wachsen muß.

VI. Aufgaben der politischen Bildung -Ausblick

Die bisherigen Erfahrungen und vorläufige Analysen zeigen den hohen Stellenwert der politischen Bildung in den neuen Bundesländern als ihren Beitrag und ihre Aufgabe zur Wandlung und Integration der Menschen durch ein neues Denken. So wichtig dabei die Beseitigung von Informationsdefiziten ist -entscheidender scheinen die fünf folgenden Punkte zu sein, die die politische Bildung in nächster Zeit zu berücksichtigen hat und aufgreifen muß: 1. Die Überwindung traumatischer Phänomene als „Altlast“ eines totalitären Denkens. 2. Den Abbau äußerer und innerer Politikdistanz sowie von „Schwellenangst“ vor politischem Engagement. 3. Politische Bildung muß den Dialog und die persönliche Begegnung mit Politik ermöglichen, um durch „Politik zum Anfassen“ die Mentalität einer öffentlichkeitsfernen Nischengesellschaft zu überwinden. 4. Politische Bildung muß den Menschen das Entstehen sowohl positiver als auch negativer politischer Lebenserfahrung ermöglichen. Dabei sollte politische Bildung Hilfe bei der Wiedergewinnung von Identität leisten und nicht durch präformierte Verhaltensweisen bevormunden. 5. Unsere Arbeit hat dazu beizutragen, den Menschen als Bürger einer demokratischen Gesellschaft zur bewußten Auseinandersetzung mit der für sie ungewohnten Pluralität zu befähigen und zugleich in diesem ungewohnten Prozeß Mut zu machen.

Fussnoten

Weitere Inhalte

Bernd Lüdkemeier, geb. 1954; Studium der Evang. Theologie in Bonn; Direktor der Landeszentrale für politische Bildung des Landes Sachsen-Anhalt. Michael Siegel, geb. 1950 in Dresden; Studium der Philosophie und Kathol. Theologie in Erfurt; Wechsel in die Wirtschaft und Ausbildung zum Volkswirt (Ökonom); Armeedienst als Bausoldat; 1989 aktiv in der Bewegung Demokratischer Aufbruch und dort ab 1990 hauptberuflich tätig; seit Mai 1991 Leiter der Landeszentrale für politische Bildung Thüringen.