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Soziale Auswirkungen der Sparprogramme von Weltbank und IWF in Entwicklungsländern | APuZ 30-31/1990 | bpb.de

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APuZ 30-31/1990 Zur Übertragbarkeit der Sozialen Marktwirtschaft auf Entwicklungsländer Die laufende Uruguay-Runde des GATT und ihre Bedeutung für die Entwicklungsländer Soziale Auswirkungen der Sparprogramme von Weltbank und IWF in Entwicklungsländern Wirtschaft und Ethik

Soziale Auswirkungen der Sparprogramme von Weltbank und IWF in Entwicklungsländern

Joachim Betz

/ 22 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Die Verschlechterung der sozialen Bedingungen, insbesondere der ärmeren Bevölkerungsschichten in der Dritten Welt, wird oft pauschal den Strukturanpassungsprogrammen der internationalen Finanzinstitutionen (Weltbank und Internationaler Währungsfonds) zur Last gelegt. Dabei bleibt unberücksichtigt, wie sich die Lage der Armen ohne die Intervention dieser Institutionen entwickelt hätte. Auch kann gezeigt werden, daß Härte und Dauer des Anpassungsprozesses weniger mit den Auflagen von IWF und Weltbank Zusammenhängen als mit der wirtschaftlichen und sozialen Struktur der Programmländer. Generell führten die Programme nicht zu einer nennenswerten Beeinträchtigung des Wachstums und der sozialen Indikatoren. Auch waren die sozialen Folgen der Anpassungsprogramme, gemessen an den Auswirkungen der in den Schuldnerländern bisher verfolgten Wirtschaftspolitik, teilweise sogar positiv für die ärmeren Bevölkerungsschichten. Dies betrifft vor allem die vielfach durchgesetzte Reform der Subventionen (von denen im wesentlichen die Wohlhabenderen profitierten), den Abbau des Staatssektors und die Abwertung der Landeswährungen. Allerdings treten in Anpassungsländem mit erheblichen Preisverzerrungen und großem städtischen Armutssektor auch kurzfristige Einbrüche des Lebensstandards bei den Ärmeren auf. Diese zu vermeiden oder zu kompensieren haben sich Weltbank und IWF zu spät entschlossen. Weiterhin fehlen Programme, die eine sofortige Verbesserung der Einkommensverhältnisse der Armen bewirkt hätten.

Seit Ausbruch der Schuldenkrise Anfang der achtziger Jahre haben sich die sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen in den am stärksten verschuldeten Ländern der Dritten Welt, vornehmlich in Afrika und Lateinamerika, erheblich verschlechtert. Wir beobachten eine zunehmende Zahl absolut Armer, den teilweisen Verfall der sozialen und materiellen Infrastruktur, die Zunahme der Kriminalität und interner Unruhen. So ist das Pro-Kopf-Einkommen der hochverschuldeten Länder seit 1980 um ein Siebtel und das der afrikanischen Staaten südlich der Sahara um ein Viertel gefallen Die Investitionsquote, die ein Indikator für die künftigen Wachstumschancen ist, sank in den afrikanischen Staaten auf den Stand Mitte der sechziger Jahre und reicht in einigen Ländern nicht mehr aus, um die Erhaltung des volkswirtschaftlichen Kapitalstocks zu sichern. Die Reallöhne sind in den am meisten verschuldeten Staaten heute niedriger als 1982 (in Mexiko um 38 und in Brasilien um 21 Prozent) und angesichts des schwachen gesamtwirtschaftlichen Wachstums hat sich die Arbeitslo-sigkeit beträchtlich erhöht Die öffentlichen Ausgaben sind erheblich zurückgegangen (bei den hochverschuldeten Staaten um 18 Prozent), übertroffen noch von Kürzungen öffentlicher Investitionen um 35 Prozent, mit der Konsequenz beeinträchtigter Wachstumsaussichten und einer Verschlechterung der sozialen Indikatoren. So haben die meisten Entwicklungsländer ihre Ausgaben und die Qualität der öffentlichen Leistungen für Gesundheit und Erziehung verringert. Die Pro-Kopf-Ausgaben für den Bildungsbereich sind in Lateinamerika heute niedriger als 1980, Aufwendungen für die Ausrüstung der Bildungseinrichtungen sind bis auf geringe Restbeträge geschwunden. Ähnliches gilt für das Gesundheitswesen; daraus leitet etwa die UNESCO den Wiederanstieg der Kindersterblichkeit und die Verringerung der Lebenserwartung in der Dritten Welt ab. Viele glauben auch empirische Beweise für eine vielerorts verschlechterte Ernährungslage, nicht zuletzt verursacht durch die Erhöhung landwirtschaftlicher Produzentenpreise, zu haben

I. Anpassungsprogramme in der Kritik

In der sozialkritischen Dritte Welt-Literatur und in Äußerungen der den Entwicklungsländern nahestehenden internationalen Institutionen werden für diese unerfreulichen Entwicklungen die vom Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank verordneten Anpassungsprogramme verantwortlich gemacht. Denn sie beinhalten Budgetkürzungen und andere Maßnahmen zur Nachfrage-drosselung sowie die Ausrichtung der weniger entwickelten Volkswirtschaften auf den Export mit der Folge von Reallohnverlusten, der zeitweiligen Erhöhung der Arbeitslosigkeit und der Zerstörung des einheimischen Produktionspotentials. Die Durchsetzung dieser Programme wird auch für das ansteigende interne Konflikt-und Repressionsniveau in den Entwicklungsgesellschaften verantwortlich gemacht. Es ist oft auch zu lesen, daß Demokratisierung und Anpassungsprogramme unvereinbar seien bzw. nur autoritäre Regime zur Durchführung typischer IWF-Programme in der Lage seien

Als Hauptopfer der von den internationalen Finanzinstitutionen verordneten Anpassungspolitik werden in dieser Kritik die schwächsten Bevölkerungsgruppen der Armen (insbesondere die Frauen, Kinder und Alten) identifiziert, also die Gruppen, die vom bisherigen schuldenfinanzierten Wachstum am wenigsten profitiert hätten. Diese seien am stärksten durch den vom IWF verordneten Subventionsabbau bei Nahrungsmitteln, Wasser, Elektrizität und den öffentlichen Verkehrsmitteln betroffen. Denn Grundnahrungsmittel verteuerten sich derart, daß sie für die Armen nicht mehr erschwinglich seien. Auch Sparmaßnahmen im Erziehungs-und Gesundheitswesen, die Einführung von Benutzergebühren sowie Personal-und Lohnkürzungen im öffentlichen Dienst träfen meist nur die Armen. Schließlich würden sie auch mehr als andere Bevölkerungsteile unter dem durch Währungsabwertung und Verteuerung der öffentlichen Preise hervorgerufenen Teuerungsschub, der allgemeinen Einschränkung der Beschäftigungsmöglichkeiten und der Ausrichtung der Volkswirtschaft auf den Export (etwa durch Vertreibung der Kleinbauern zugunsten der Ausdehnung von exportorientierten Rinderfarmen) leiden

Diese Kritik leidet zunächst daran, daß von den genannten Autoren und Institutionen nicht bedacht wird, wie sich die wirtschaftliche Lage und die Situation der Armen ohne die Durchsetzung eines von der Weltbank oder dem IWF finanzierten Anpassungsprogramms entwickelt hätte. Meist waren jedoch die Länder, die sich (häufig zu spät) um Anpassungskredite bemühten, mit ihren finanziellen Reserven am Ende und die Alternative zu diesen Programmen hätte daher nur in einem ungeordneten, inflationären Schrumpfungsprozeß bestanden, der den Armen sicher nicht weniger geschadet hätte -Deshalb müßten die Auswirkungen von Strukturanpassungsprogrammen mit denen jener Programme verglichen werden, die die betroffenen Länder ohne den IWF oder die Weltbank umgesetzt hätten. Das ist analytisch schwer möglich, weil man die Auswirkungen der Programme nicht sauber trennen kann von den Auswirkungen anderer Politiken, die unabhängig vom IWF oder der Weltbank durchgeführt werden und weil den meisten Ländern eine Finanzierungsalternative zu diesen Organisationen (etwa über internationale Bankkredite) gar nicht zur Verfügung steht, die Banken vielmehr erst nach Erteilung des Gütesiegels durch den IWF wieder (mäßig) kreditvergabewillig werden.

In einigen Fällen, in denen Regierungen nach Verletzung ihrer Rückzahlungsverpflichtungen — gegenüber den internationalen Geschäftsbanken oder anderen Institutionen — zur Durchsetzung eines Sparprogramms genötigt wären (z. B. in Peru und Nicaragua), war dies deutlich drastischer als die bekannten IWF-Strukturanpassungsprogramme und setzte genau an den gleichen Hebeln (Einsparungen im öffentlichen Dienst und bei den Subventionen, Abwertung der Währung, Lohnkürzungen) an. Das ist auch nicht weiter verwunderlich: Übersteigen die Ausgaben einer Volkswirtschaft (privater und öffentlicher Konsum, private und öffentliche Investitionen, Importe) die zur Verfügung stehenden Mittel (Ersparnisse, Exporteinkünfte), ist es schwer, Alternativen zu einer Politik zu finden, die die Nachfrage durch Verringerung der Kreditexpansion vor allem im öffentlichen Sektor dämpft (um mehr Raum für exporterzeugende private Investitionen zu schaffen), das Exportangebot durch Abwertungen wettbewerbsfähiger macht, die Importnachfrage dämpft und durch Erhöhung der Zinsanreize das Sparvolumen erhöht

Angesichts der soeben beleuchteten Vergleichs-probleme konzentrieren sich die meisten empirischen Analysen darauf, zu untersuchen, ob die selbstgewählten Ziele der Strukturanpassungsprogramme erreicht wurden oder sie vergleichen die Entwicklung in Programmländern mit jener von Kontrollgruppen anderer Entwicklungsländer ohne Programme. Der letztgenannte Ansatz leidet freilich an der Unterstellung, alle Unterschiede der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung der beiden Ländergruppen seien lediglich den Strukturanpassungsprogrammen zuzuschreiben. Dabei fällt meist unter den Tisch, daß die finanzielle und wirtschaftliche Situation der IWF-Programmländer zu Beginn des Untersuchungszeitraums in aller Regel deutlich schlechter aussieht als die der Kontrollgruppe Bei den ausgeführten massiven analytischen Vergleichsproblemen muß die Selbstgewißheit kritischer Autoren wundern, mit der sie die Verschlechterung der sozialen Situation der Armen oder der Einkommensverteilung in hochverschuldeten Entwicklungsländern dem IWF und der Weltbank anlasten.

Daneben sind eine Reihe weiterer Einwendungen gegen allzu pauschale Aussagen zu machen: Überschreiten die volkswirtschaftlichen Ausgaben dauerhaft die verfügbaren Mittel (einschließlich der Kapitalzuflüsse) ist wirtschaftliche Anpassung ebenso unvermeidbar wie die — zumindest kurzfristig — auftretenden Anpassungskosten in Form von Beschäftigungsverlusten und Konsumverzicht Unerheblich ist dabei, ob die verfügbaren •Mittel aus internen (etwa zu starker Ausdehnung staatlicher Wirtschaftsaktivitäten) oder externen Gründen (fallende terms of trade, sinkende Nachfrage nach Produkten der Dritten Welt in den Industrieländern, Anstieg des internationalen Zins-niveaus, Kreditzurückhaltung der Banken) nicht mehr ausreichen. Die Anfälligkeit für Verschuldungskrisen wird aber sehr viel stärker von internen wirtschaftspolitischen Strategien bestimmt, als die populäre IWF-und Weltbankkritik erkennen läßt

Wirtschaftliche Anpassung impliziert notwendigerweise zumindest vorübergehende soziale Kosten in Gestalt schrumpfender wirtschaftlicher Aktivität binnenmarktorientierter Sektoren (also Arbeitslosigkeit), sinkender öffentlicher Ausgaben (auch für Soziales), einer nicht unbeträchtlichen Einkommensumverteilung (wenn die Ressourcenallokation zugunsten der Ausfuhr und der Landwirtschaft verändert werden soll), und gewisser Härten für die Mehrheit der Bevölkerung. Dadurch entsteht ein potentiell erhöhtes internes politisches Konflikt-niveau.

Diese Anpassungskosten sind desto höher, je langsamer die Wirtschaft auf ein neues Anreizsystem (Wechselkurse, landwirtschaftliche Produzenten-preise etc.) reagiert, je starrer Löhne und Preise sind, je weniger die inländische Produktion exportierbar ist und je weiter sich die inländischen Preise vor der Anpassung vom Weltmarktniveau entfernt hatten. Konsequenterweise liegen die Anpassungskosten und der Zeit-und Finanzmittelbedarf für die Anpassung in binnenmarktorientierten Volkswirtschaften mit hohen Preisverzerrungen am höchsten. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, daß höhere Anpassungskosten stärker durch fehlende Anpassungsflexibilität der betroffenen Volkswirtschaften verursacht werden als durch die Härte etwaiger IWF-oder Weltbankauflagen.

Soll ein Minimum an wachstumsträchtigen Investitionen aufrecht erhalten werden, müssen Einsparungen im wesentlichen beim Konsum und im Staatshaushalt bei den öffentlichen Ausgaben vorgenommen werden. Angesichts der geringen Zahl der wirklich Reichen in Entwicklungsländern müssen davon, wenn ein nennenswerter Spareffekt auftreten soll, auch die Armen getroffen werden.

Die Anpassungspolitik, die den Staatssektor und die binnenmarktorientierte Industrie beschneidet, führt natürlich hauptsächlich in jenen teilindustrialisierten Staaten (vornehmlich in Lateinamerika) zu hohen sozialen Anpassungskosten und starker Einkommensumverteilung, wo diese Sektoren eine gewisse Größe erreicht haben, nicht jedoch bei den stärker subsistenzwirtschaftlich orientierten afrikanischen Staaten. Auch hier gilt, daß die Umstellungskosten stark mit der Wirtschaftsstruktur variieren und weniger mit dem Inhalt von IWF-Programmen zusammenhängen

Die Kritik übersieht vielfach den Zeitfaktor bei der Würdigung der Anpassungsfolgen: Kurzfristigen sozialen Härten in Gestalt von Betriebsschließungen, Entlassungen und Erhöhungen der Nahrungsmittelpreise stehen möglicherweise positive mittelfristige Effekte in Gestalt eines vergrößerten Arbeitsplatzangebots im Exportsektor oder einer größeren (und damit preissenkenden) Nahrungsmittel-produktion gegenüber, die die anfänglichen Verluste kompensieren könnten. Die Hinnahme kurzfristiger Einbußen für ein mittelfristig höheres Wachstum ist ja gerade die Ratio der Strukturanpassungsprogramme der internationalen Finanzinstitutionen. Je nach der Wahl des Zeithorizonts bei der Beurteilung ihrer sozialen und wirtschaftlichen Folgen können sich daher unterschiedliche Bewertungen ergeben

Damit verbunden stellt sich die Frage, ob die ärmeren Schichten von jenem Wirtschaftskurs, den IWF und Weltbank zu korrigieren bestrebt waren, wirklich so stark profitiert haben, wie indirekt von Kritikern der beiden Organisationen oftmals unterstellt wird. Zur Beantwortung dieser Frage sollen im folgenden die wahrscheinlichen Auswirkungen eines stark binnen-und staatswirtschaftlich orientierten Wirtschaftskurses mit hohem Haushaltsdefizit, hoher Geldentwertung und staatlich kontrollierten Preisen den Auswirkungen der von Weltbank und IWF verordneten Korrekturen in diesen Bereichen gegenübergestellt werden.

Bei den folgenden Ausführungen ist weiterhin zu berücksichtigen: Die Armen in den hochverschuldeten Entwicklungsländern (besonders in Afrika, weniger in Lateinamerika) leben hauptsächlich auf dem Land und erst in zweiter Linie in den Städten. Sie arbeiten also im sogenannten informellen Sektor, nicht aber im Import-und Exportgeschäft, weder in der Regierungsverwaltung noch als verhältnismäßig gut bezahlte Arbeiter in geschützten Industriezweigen. Landbewohner werden aber von wichtigen wirtschaftspolitischen Entscheidungen im Rahmen von Strukturanpassungsprogrammen (etwa: der Erhöhung der Preise öffentlicher Dienstleistungen) wenig betroffen Es ist allgemein bekannt, daß ohne Wirtschaftswachstum, die Steigerung der Produktion und der Einkommen ein Land Arbeitslosigkeit, Armut und andere soziale Probleme nicht nachhaltig bekämpfen kann. Bei gleichen Auswirkungen auf die Einkommensverteilung wären Entwicklungsstrategien vorzuziehen, die ein höheres Wachstum erzielen. Eine ganze Reihe empirischer Untersuchungen zeigen, daß die wirtschaftliche Leistung außenorientierter, den Export und die Landwirtschaft nicht zugunsten der heimischen Industrieproduktion diskriminierenden Volkswirtschaften besser ist als die der stärker staats-und binnenwirtschaftlich orien-tierten Länder. Diese Länder sind in der Regel auch verschuldungsanfälliger und daher eher zur Aufnahme von IWF-bzw. Weltbankkrediten zur Strukturanpassung genötigt. Sie zeichnen sich durch Exportschwäche, geringere Produktivität des eingesetzten Kapitals, schnelleres Wachstum der Landwirtschaft und der inländischen Ersparnis, aber auch durch eine gleichmäßigere Einkommensverteilung aus Da die internationalen Finanzinstitutionen die Programmländer auf einen stärker außenorientierten und weniger reglementierten Kurs zu bringen versuchen, wird mittelfristig auch den weniger Begüterten geholfen.

II. Die Wirkung der Anpassungsprogramme

Die Strukturanpassungskredite von Weltbank und IWF beinhalten in der Regel Maßnahmen zur Reduzierung des staatlichen Defizits (Steuererhöhungen, Kürzungen bei Subventionen, Erhöhung der Preise öffentlicher Leistungen), Maßnahmen zur Einschränkung der Kreditexpansion vor allem im staatlichen Sektor, preispolitische Maßnahmen (Währungsabwertungen, Erhöhung der Agrarpreise), arbeitspolitische Maßnahmen zur Begrenzung des Lohnanstiegs und die Prüfung und Verbesserung der öffentlichen Investitionsprogramme

Kritiker behaupten, die kreditpolitischen Maßnahmen und die Programme insgesamt brächten eine deutliche Einschränkung der Nachfrage und des Wachstums. Dieses Argument ist nicht stichhaltig. Die IWF-Programme bis Anfang der achtziger Jahre zeigten, beim Vergleich mit der Vorperiode oder mit Ländern ohne Programme, keinen negativen, sondern allenfalls einen schwach positiven Einfluß auf das Wirtschaftswachstum Sofern ein negativer Einfluß festgestellt werden konnte, wurde er durch späteres, schnelleres Wachstum kompensiert Bei den späteren Strukturanpassungsprogrammen von IWF und Weltbank, die Nachfragedämpfung mit angebots-, also wachs-tumsverstärkenden Maßnahmen koppeln, wurde ein negativer Einfluß auf das Wirtschaftswachstum ebenfalls nicht festgestellt. Bei den von der Weltbank finanzierten Programmen ist auch ein deutlich höheres Wachstum der Länder festzustellen, die die Programmziele energisch verfolgt haben, gegenüber den Ländern ohne Anpassungsprogramme und -bemühungen Die weiter fortgeschrittenen Entwicklungsländer zeigen schnelle und spürbare Verbesserungen, während die ärmeren Länder, deren Umstrukturierung schwieriger ist und einen höheren Zeitbedarf erfordert, jedoch leichte Minderungen der Wachstumsraten hinnehmen müssen.

Die von vielen Kritikern aufgestellte Behauptung, die Programme führten zu einer massiven Verschlechterung der Sozialindikatoren, ist ebenfalls nicht aufrecht zu erhalten. Bei den Ländern mit Weltbankprogrammen ist generell in den achtziger Jahren keine Verschlechterung der Kindersterblichkeit, der Lebenserwartung und der Schulbesuchsrate nachzuweisen (eine Ausnahme bildet lediglich die Nahrungsmittelaufnahme)

Eine besonders umstrittene Maßnahme ist die Reduzierung des Haushaltsdefizits, also die geforderten Erhöhungen der Steuern und der Preise öffentlicher Leistungen sowie Subventionskürzungen, die immerhin bei der Hälfte der Programme eine große Rolle spielen. Empirisch zeigt sich jedoch, daß die verschuldeten Länder ihre Sozialausgaben in der Krise viel weniger kürzten (um fünf Prozent) als die Betriebsausgaben und die öffentlichen Investitionen (22 Prozent). Vergleichsweise wenig gestrichen wurde auch bei den Verteidigungsausgaben (acht Prozent) Der Grund für die relativ geringe Kürzung der personalintensiven Sozialausgaben dürfte in politischen Widerständen gegen Personal-und Leistungsabbau zu suchen sein.

Scheinbar am eindeutigsten werden die Armen in Entwicklungsländern von der Kürzung der Nahrungsmittelsubventionen getroffen, vor allem durch die Erhöhung der landwirtschaftlichen Produzentenpreise, da sie einen Großteil ihres Einkommens für Nahrungsmittel ausgeben. Nun ist jedoch zu sagen, daß von höheren Nahrungsmittelpreisen auch die arme ländliche Bevölkerung profitiert, sofern sie mehr als den Eigenbedarf produziert. Niedrige, subventionierte Preise führten in aller Regel zu schwach wachsender Nahrungsmittelproduktion und damit zu einer Rationierung, so daß die Armen oftmals genötigt waren, auf den Schwarzmärkten zu höheren als den offiziellen Preisen zu kaufen.

Die Untersuchung der Subventionsprogramme zeigt, daß davon hauptsächlich die wohlhabenden Städter und die Regierungsangestellten, nicht aber die wirklich Bedürftigen profitieren. Bei dem marokkanischen Programm etwa gingen 40 Prozent des subventionierten Getreides an Städter mit höherem Einkommen und nur 20 Prozent an die ländlichen und städtischen Armen. Gründe für diesen Tatbestand sind hier wie anderswo mangelnde Verteilungsstellen in ärmeren Gebieten, die Subvention hauptsächlich städtischer Nahrungsmittel, die Restkosten des Kaufs verbilligten Getreides und das Fehlen von Einkommensgrenzen bei der Zuteilung -Natürlich würden die ländlichen und städtischen Armen trotz der aufgeführten Mängel unter dem Wegfall der Nahrungsmittelsubventionen leiden. Deren Ziele könnten aber durch eine präzisere Abgrenzung der tatsächlich Bedürftigen oder durch alleinige Subventionierung der hauptsächlich von den Armen verzehrten Nahrungsmittel besser und billiger erreicht werden

Auch aus der Subventionierung anderer öffentlicher Leistungen ziehen vornehmlich die Wohlhabenderen in Entwicklungsländern Nutzen. Im häufig kostenfreien Gesundheitswesen wird ein Großteil der Ausgaben für teure Heilfürsorge in städtischen Krankenhäusern aufgewendet, wenig dagegen für ländliche Gesundheitsstationen und Vorsorgemaßnahmen, die die Sterblichkeit sehr viel billiger und sozial gerechter reduzieren könnten Noch ungleicher ist die Verteilung im häufig — unabhängig von der Bedürftigkeit — kostenfreien Erziehungswesen: Das kostenaufwendige Hochschulwesen, aus dem die Reichen den größten Nutzen ziehen, wird mit den höchsten Raten subventioniert. So sind etwa die Kosten der höheren Ausbildung in Afrika (die nur zu drei Prozent durch Gebühren abgedeckt werden) 26 bis 32 mal höher als die der Grundschulerziehung. Kostendeckung über Gebühren, bei Schutzbestimmungen für die Armen, wäre hier eine sinnvollere Alternative Auch die Subventionierung des Wasser-und Stromverbrauchs sowie des öffentlichen Nahverkehrs begünstigt eher die einkommensstärkeren Schichten und die industriellen Großverbraucher, da die Slumgebiete häufig keinen Anschluß haben und sich ihr Wasser bei teuren Privatverkäufern beschaffen müssen.

Insgesamt liegen die Preise öffentlicher Dienstleistungen in den meisten Entwicklungsländern unter den Kosten, die ihre Entwicklung und Aufrechterhaltung gestatten. Folgen davon sind Verschwendung, Rationierung und erhebliche Wartezeiten sowie unverhältnismäßig höhere Kosten fürjene Konsumenten, die nicht in ihren Genuß kommen. Kostendeckende Preise öffentlicher Leistungen würden erhebliche Mittel für die Verbesserung und die Ausweitung wichtiger Dienstleistungen (etwa Ausbildung und Gesundheit) frei machen. Bei vielen Leistungen ist es relativ einfach, die Armen von übermäßigen Preissteigerungen auszunehmen, etwa durch geringe Grundpreise (bei Strom-und Wasseranschlüssen) oder alleinige Subventionierung jener Leistungen, die hauptsächlich von den Armen nachgefragt werden (lokale Gesundheitsstationen, Grundschulen etc.). Zusammenfassend könnte man die These aufstellen, daß eine Kürzung der Subventionen, wenn sie mit einer besseren Ziel-orientierung auf die Armen verbunden ist, eher die Einkommensverteilung verbessert. Dies gilt auch für Maßnahmen zur Verbreiterung der Steuerbasis und zur Verringerung der Steuerhinterziehung Über 60 Prozent der IWF-Programme enthalten Maßnahmen zur Begrenzung der Lohn-und Gehaltsausgaben im formellen Beschäftigungssektor (Industrie und Staatsdienst). Sie bedeuten eine soziale Härte in Ländern ohne ausreichendes soziales Netz und bringen eine gewisse Verarmung des Mittelstandes. Zur Verschlechterung der Einkommensverteilung tragen sie aber nur dort bei, wo ein Großteil der Bevölkerung im modernen Sektor be-schäftigt ist, während dort, wo der überwiegende Teil in der Landwirtschaft und im informellen Sektor arbeitet, diese Maßnahmen (in Kombination etwa mit einer Erhöhung der Agrarpreise) die Einkommensverteilung eher verbessern

Ebenso führen Maßnahmen zur Effektivierung und Rationalisierung der Staatsunternehmen nicht zu einer besonderen Benachteiligung der Armen. Die Staatsbetriebe tragen zum Haushaltsdefizit bei, beschleunigen die Inflation und beschneiden den Finanzierungsspielraum für andere, wichtige staatliche Leistungen. Sie werden hauptsächlich finanziert durch Kredite staatlicher Banken. Die Produktion dieser Betriebe ist sehr kapitalintensiv, schafft also nur wenige, privilegierte Arbeitsplätze für diejenigen, die über gute Beziehungen zur politischen Elite verfügen. Durch Rationalisierung der Staatsuntemehmen werden nur die Verdienenden — durch Entlassung — negativ betroffen.

Ob Währungsabwertungen Ungleichheit und Armut erhöhen, hängt von den wirtschaftlichen Gegebenheiten in einem Lande ab: Liegt die Produktion handelbarer Güter etwa in der Hand von Kleinbauern, die nur einen geringen Teil der importierten Güter konsumieren. und dauert die Umstellung von der Inlands-auf die Exportproduktion nicht allzu lange, verbessert die Abwertung die Einkommens-verteilung. Produzieren dagegen Großgrundbesitzer oder Großbetriebe mit kapitalintensiver Technik die handelbaren Güter, führen Abwertungen zu einer Verschlechterung der Einkommensverteilung. Generell übertrieben wird der Einfluß von Abwertungen auf das interne Preisniveau: Zu nennenswerter Inflationsbeschleunigung können sie dann nicht führen, wenn die bisher importierten Güter gar nicht frei eingeführt werden konnten, sondern der Binnenmarkt durch hohe Zollschranken und Importlizenzen geschützt war Ab -27 Der bau dieses Schutzes kann allerdings erhebliche Beschäftigungs-und Produktionseinbrüche bringen, wenn die Umschaltung auf die Produktion handelbarer Güter nicht schnell genug erfolgen kann

Es ist noch auf das Argument einzugehen, die harten Reformen könnten nur durch repressive politische Regime durchgeführt werden bzw. würden den Abbruch einer demokratischen Entwicklung eines Landes der Dritten Welt geradezu erzwingen. Zunächst ist festzustellen, daß Länder mit geringer Repression (wie Costa Rica) zum Teil ähnliche Leistungen aufwiesen wie solche mit hoher. Einen positiven Zusammenhang zwischen Repression und der Durchsetzung marktwirtschaftlicher Reformen gibt es vor allem da, wo die Einkommens-und Landverteilung, der Zugang zu öffentlichen Leistungen und Arbeitsplätzen in der Periode vor den Reformen extrem ungleich verteilt war Überdies zeigt eine Regressionsanalyse für die Jahre 1969— 1977, daß zwar Entwicklungsländer, in denen IWF-Programme durchgesetzt wurden, höhere Werte für kollektiven Protest und interne Unruhen aufweisen. Aber andere Variablen, die zur Zeit der Einführung von IWF-Programmen wirksam waren, müssen für den Anstieg kollektiver Proteste innerhalb der betroffenen Länder verantwortlich gemacht werden. Diese Variablen sind sehr wahrscheinlich die Auswirkungen der bislang verfolgten destabilisierenden Wirtschaftspolitik in Form hoher Inflation, Arbeitslosigkeit und wirtschaftlicher Stagnation

Schließlich soll auch noch eine vergleichende Studie der Weltbank referiert werden die mit dem Vergleich derjenigen Entwicklungsländer arbeitet, die ein oder mehrere Strukturanpassungsprogramme durchgeführt haben, mit einer Kontrollgruppe von Ländern ohne Programme. Dazu muß gesagt werden. daß sich die erstgenannte Gruppe vorher einer deutlich stärkeren Verschlechterung ihrer außen-wirtschaftlichen Rahmenbedingungen (internationale Zinskosten, Anstieg der Verschuldung. Verschlechterung der terms of trade) gegenübersahen, als die letztgenannte, ein Unterschied der sich rechnerisch auf ungefähr ein Prozent Wirtschaftswachstum belief. Dennoch verbesserten sich neun wirtschaftliche Leistungskriterien im Durchschnitt bei den Anpassungsländern stärker als bei den anderen Ländern. In Drittweltstaaten mit Anpassungspro -grammen verbesserten sich, im Vergleich zu denen ohne, die Leistungsbilanz, der Wechselkurs (daher auch die Exportleistung und ihr Verhältnis zum Umfang der Schulden) die Inflationsrate und das Wirtschaftswachstum. Keine vergleichbare Verbesserung gab es bei der Investitionsquote und beim Haushaltsdefizit, ein Anzeichen für die nach wie vor äußerst gespannte Finanzlage dieser Länder. Bei 54 Prozent der Anpassungsländer verbesserten sich alle neun Indikatoren im Vergleich zur Kontrollgruppe, ein sicherlich nicht überwältigendes Resultat, das sich aber verbessert, wenn nach Ländergruppen und Zahl der Programme in einem Land differenziert wird. Die Länder mit mehreren Anpassungsprogrammen weisen eine deutlich stärkere Verbesserung der wirtschaftspolitischen Indikatoren auf als die Kontrollgruppe (62 Prozent der Fälle); bei den Ländergruppen ragen insbesondere die Fertigwarenexporteure heraus, die fast überall bessere Ergebnisse als die restlichen Entwicklungsländer aufweisen. Enttäuschen müssen die Ergebnisse der afrikanischen und hochverschuldeten Anpassungsländer. Erstere zeichneten sich durch weiter zurückgehendes Wirtschafts-und Exportwachstum aus, letztere verzeichneten (bedingt durch ihr hohes Schuldenniveau) weiter steigende Haushaltsdefizite und keine Verbesserung ihrer Schuldenindikatoren. Daraus kann wiederum gefolgert werden, daß die wirtschaftlichen Auswirkungen eines Anpassungsprögramms stärker von der Wirtschaftsstruktur und der Finanzlage eines Landes als von Programmen selbst abhängen. Der Vollständigkeit halber sei auf die Entwicklung der sozialen Indikatoren hingewiesen, die demonstrieren, daß ihre oft behauptete Verschlechterung in Ländern mit Strukturanpassungsprogrammen nicht bzw. nur kurzfristig und äußerst geringfügig bei der Ernährungslage stattgefunden hat.

III. Lernprozesse der Weltbank und des IWF

Obwohl insgesamt die negativen sozialen Folgen von Weltbank-und IWF-Programmen von den Kritikern grob überschätzt werden und viele der Anpassungsmaßnahmen zumindest mittelfristig die Chance der besseren Beteiligung ärmerer Schichten an den Früchten eines nun gesteigerten Wachstums vergrößern, müssen wir doch anerkennen, daß in Ländern mit erheblichen Preisverzerrungen und einem großen städtischen Armutssektor sofortige Einbrüche des Lebensstandards auch bei den Ärmeren eintreten können, die nur durch mögliche, aber noch nicht sichere Wachstums-und Beschäftigungsgewinne in der Zukunft kompensiert werden. Instabile Regierungen mit schwacher Legitimation und einer politisch aktiven Mittelschicht haben es dann schwerer, die Anpassungsprogramme durchzuhalten, wenn diese Mittelschicht die Unterprivilegierten gegen die Umsetzung der Programme mobilisieren kann. Im Sinne der Minimierung von Widerstand erwies es sich daher als fatal, daß sich der IWF lange Zeit nicht nur geweigert hat, sich in die interne Verteilung der Anpassungslasten einzumischen, sondern nicht einmal systematische Untersuchungen zur Wirkung seiner Programme auf die Einkommensverteilung und die Armut angestellt hat. Derartig falsch verstandene Enthaltsamkeit hat ihn in Allianz mit jenen politischen Kräften in den Kreditnehmerländem gebracht, die der Umsetzung eines sozial ausgewogenen Anpassungsprogramms abgeneigt sind. Auch bei der Planung der Struktur-anpassungsprogramme der Weltbank spielten bis 1986 Erwägungen zur Absicherung der Armen oder zur Verbesserung ihrer Lebensbedingungen in der Programmperiode keine Rolle.

Neuerdings betont der IWF allerdings, daß es nicht nur auf wirtschaftliche Anpassung an sich ankomme, sondern auch auf Form und Inhalt der Anpassung. Die jeweiligen IWF-Missionen sind angewiesen, mit den Behörden des Empfängerlandes, falls diese das wünschen, alternative, sozial verträgliche Stabilisierungsansätze zu diskutieren Allerdings eilt bei diesen Reformabsichten die Rhetorik im IWF der Realität der Programme immer noch etwas voraus. Innerhalb der Weltbank wurde im Dezember 1986 eine „Task Force Poverty" eingerichtet, die später konzeptionelle Empfehlungen zur Armutslinderung während der Anpassungsperiode vorlegte. Die Gründe für die Einrichtung lagen in der Erkenntnis, daß die Anpassungsphase in den meisten Ländern länger ausfiel als erwartet, damit größere soziale Härten brachte, daß Wachstum allein nicht ausreichend ist, um die Armen in dieser Übergangszeit zu schützen, und die in der Öffentlichkeit der Industrieländer geäußerte Kritik an der fehlenden Armutsorientierung der Programme. Die Weltbank unterstützt nunmehr zunehmend Programme zur Verringerung der sozialen Kosten der Anpassung und arbeitet dabei mit anderen, stärker auf die Grundbedürfnisbefriedigung orientierten Entwicklungsorganisationen zusammen. Inhaltlich läuft die soziale Abfederung der Anpassungsprogramme der Weltbank auf öffentliche Beschäftigungsprogramme (für freigesetzte Arbeitnehmer), die sozial zielgerichtete Verteilung von Lebensmitteln (etwa im Rahmen lokaler „food for work“ -Programme), die besser an den Armutsgruppen orientierte Subventionierung öffentlicher Leistungen und die Veränderung in der Struktur der staatlichen Sozialausgaben hinaus Besser noch als die Bearbeitung sozialer Programmfolgen mittels kompensatorischer Maßnahmen wäre es, die Anpassungsprogramme so zu konzipieren, daß die Armen schon während ihrer Laufzeit am Wachstum durch Stärkung ihres Produktionspotentials, Neuausrichtung der Sozialprogramme und Konzentration der Ausgaben auf jene Komponenten, die überwiegend ihnen zugute kommen, und durch vorsichtige Anpassung bzw. Kürzung von Preisen und Subventionen beteiligt würden. Das ist allerdings auch die Richtung, in die die Weltbank sich selbst bewegen will

IV. Fazit

Resümierend kann man sagen, daß die Einkommensverteilung und die sozialen Auswirkungen eines üblichen Anpassungsprogramms in geringem Maße von diesem selbst abhängen, sondern vielmehr von der wirtschaftlichen Struktur des Landes, der Reaktionsgeschwindigkeit der Wirtschaft auf veränderte Marktbedingungen und der Macht gesellschaftlicher Gruppen, sich gegen negative Anpassungsfolgen zu schützen Da die IWF-Programme Auszahlungen nur an die Erreichung makroökonomischer Zielgrößen binden und der IWF sich stets geweigert hat, sich in Fragen der internen Verteilung der Anpassungslasten einzumischen, haben die Behörden eines Entwicklungslandes, das ein Strukturanpassungsprogramm durchführt, einen starken Einfluß darauf, wessen Nachfrage beschnitten wird und wessen nicht. Sozial orientierte Programmkomponenten sind nicht selten am Widerstand mächtiger lokaler Interessengruppen gescheitert. Überhaupt scheint es, daß der Widerstand gegen IWF-und Weltbankprogramme in den Empfängerländern selbst nicht so sehr von der Sorge um die Auswirkungen auf die Armen getragen wird, sondern von der richtigen Einschätzung der relativ Privilegierten dort, daß ihre Interessen durch den Abbau der Staatswirtschaft, der protektionistischen Maßnahmen und der damit einhergehenden Pfründe am meisten verletzt werden

Die Argumentation mit der Last der Armen hat dabei oft nur Alibifunktion. Die hohe Abbruch-bzw. Revisionsquote von IWF und Weltbankprogrammen zur Strukturanpassung (ungefähr drei Viertel) und die mangelnde Umsetzung der besonders sensiblen Auflagen (Steuerreform, Privatisierung etc.), sollte davor warnen, die in diesen Programmen angekündigten Maßnahmen und deren mögliche Folgen mit dem empirisch beobachtbaren Anpassungsprozeß und dessen Auswirkungen zu verwechseln. Ganz generell beobachtet man bei den Kritikern dieser Programme eine Tendenz, deren soziale Auswirkungen und auch die Macht der internationalen Finanzorganisationen zu überschätzen. Wäre letztere wirklich so hoch zu veranschlagen und könnten diese Organisationen die betroffenen Schuldnerregierungen zur Beibehaltung eines effizienten und marktorientierten Wirtschaftskurses zwingen, so bliebe weitgehend unerklärlich, warum die internationalen Geschäftsbanken in den achtziger Jahren häufig die zwischen IWF/Weltbank und Empfängern getroffenen Vereinbarungen nicht durch ausreichende Unterstützung begleitet haben. Damit haben die Banken nicht unwesentlich die Anpassungskosten der Schuldnerländer in Gestalt notwendiger höherer Nachfrage-dämpfung und stärkeren politischen Widerstandes erhöht.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Angaben in World Bank, World Debt Tables, 1987— 1988 Edition, Washington 1987.

  2. Angaben in Weltbank, Weltentwicklungsbericht 1988, Washington 1988.

  3. Vgl. World Food Council, Consultations on the Food-Security Impact of Structural Adjustment, WFC/1989/4, 1 Ith April 1989; Klaus Didszun, The Debt Crisis and IMF Policy, in: Intereconomics, (1988); Jandhyala B. G. Tilak, Economic Slowdown and Education Recession in Latin America, in: IDS-Bulletin, 20 (1989) 1.

  4. Vgl. Peter Körner u. a., Im Teufelskreis der Verschuldung. Der Internationale Währungsfonds und die Dritte Welt. Hamburg 1985; Richard Gerster, Fallstricke der Verschuldung. Der Internationale Währungsfonds und die Entwicklungsländer, Basel 1982; Alexander Schubert. Die internationale Verschuldung. Die Dritte Welt und das transnationale Bankensystem, Frankfurt 1985. Ältere Arbeiten mit ähnlicher Tendenz: Cheryl Payer, The Debt Trap, New York 1975; Stephen R. Weissman, The Trojan Horse, San Francisco 1976.

  5. Vgl. United Nations Economic Commission for Africa, African Alternative to Structural Adjustment Programmes for Socio-Economic Recovery and Transformation, Addis Abeba 1989.

  6. Vgl. Weltbank, Weltentwicklungsbericht 1987, Washington 1987; Christopher Colclough/Reginald H. Green, Do Stabilisation Policies Stabilise?, in: IDS-Bulletin, 19 (1988) 1.

  7. Überblick in: Joachim Betz, Die Bereitschaftskredite des Internationalen Währungsfonds. Maßnahmen und Auswirkungen, in: Lateinamerika. Analysen, Daten, Dokumentation. 4 (1985).

  8. Vgl. Mohsin S. Khan/Malcolm D. Knight, Fund-Supported Adjustment Programs and Economic Growth, Occasional Paper No. 41, IMF, Washington 1985.

  9. Vgl. ebd.; Tony Killick, The Impact of Fund Stabilisation Programmes, in: ders. (ed.), The Quest for Economic Stabilisation, London 1984; diese Erkenntnis spiegelt sich mittlerweile auch in der stark sozialkritisch orientierten Literatur: vgl. Roger Peltzer, Plädoyer für die Revision einiger Leitvorstellungen der Dritte-Welt-Bewegung, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, April 1989.

  10. Überblick dazu in: Joachim Betz, Verschuldung versus Anpassung: Die Entwicklungsländer im Zeichen weltweiter Rezession, in: ders. (Hrsg.), Verschuldungskrisen in Entwicklungsländern. Ursachen, Rückwirkungen, Lösungsansätze, München u. a. 1983.

  11. Vgl. Yukon Huang/Peter Nicholas, The Social Costs of Adjustment, CDP Discussion Papers No. 1987, March 1987, Kurzfassung in: Finanzierung und Entwicklung, (1987) 2.

  12. Vgl. Weltbank (Anm. 6); R. Peltzer (Anm. 9); Chr. Colclough/R. H. Green (Anm. 6).

  13. Siehe Paul Glewwe/Denneis de Tray, The poor During Adjustment. A Case Study of Cote d’Ivoire, World Bank, Living Standards Measurement, Study Working Paper No. 47, Washington 1988.

  14. Vgl. Weltbank (Anm. 6); J. Betz (Anm. 10); World Bank/UNDP, Africa’s Adjustment and Growth in the 1980s. Washington 1989.

  15. Vgl. PeterS. Heller u. a., TheImplicationsofFund-Supported Adjustment Programms for Poverty, IMF Occasional Paper No. 58, Washington 1988; Y. Huang/P. Nicholas (Anm. 9); Ismail Seralgedin, The Social Dimensions of Structural Adjustment: Experiences from West Africa. Papier der Weltbank, March 1987.

  16. Vgl. Thomas M. Reichmann/Richard T. Stillson. Experience with Balance of Payments Adjustment: Stand-By Arrangements in the Higher Tranches 1963— 72. IMF Staff »Papers, 25 (1978) 2; Donal J. Donovan. Macroeconomic Performance and Adjustment under Fund-Supported Programs. The Experience of the Seventies. IMF Staff Papers. 29 (1982) 2; Tony Killick (Anm. 9); J. Betz (Anm. 7).

  17. Vgl. M. S. Kahn/M. D. Knight (Anm. 8).

  18. Vgl. P. S. Heller (Anm. 15); Michael Bell/Robert Sheehy. Strukturanpassungshilfen für Länder mit geringem Einkommen, in: Finanzierung und Entwicklung. (1987); World Bank/UNDP (Anm. 14).

  19. Vgl. World Bank, Adjustment Lending. An Evaluation of Ten Years of Experience. Policy and Research Series No. 1. Washington 1988.

  20. Vgl. Norman Hicks/Anne Kubisch, Kürzung öffentlicher Ausgaben in Entwicklungsländern, in: Finanzierung und Entwicklung, (1984) 9; Norman Hicks. Ausgabenkürzung in hochverschuldeten Ländern, in: Finanzierung und Entwicklung, (1989) 3.

  21. Vgl. Karim Laraki, Food Subsidies. A Case Study of Price Reform in Morocco, Living Standards Measurement Study No. 50, World Bank, Washington 1989.

  22. Vgl. Weltbank, Weltentwicklungsbericht 1986, Washington 1986; International Monetary Fund, Fund-Supported Programs, Fiscal Policy and Income Distribution, Occasional Paper no. 46, Washington 1986.

  23. Vgl. World Bank, Financing Health Services in Developing Countries: An Agenda for Reform, World Bank Policy Study, Washington 1987.

  24. Vgl. Weltbank, Weltentwicklungsbericht 1988, Washington 1988.

  25. Vgl. ebd.; International Monetary Fund (Anm. 22).

  26. Vgl. T. Killick (Anm. 9).

  27. Vgl. Anne O. Krueger, The Political Economy of the Rent-Seeking Society, in: American Economic Review, 64 (1974) 3; Guido Ashoff, Rent-Seeking: Zur Relevanz eines relativ neuen Konzeptes in der ökonomischen Theorie der Politik und der entwicklungstheoretischen Diskussion, in: Vierteljahresberichte, (1988) 112.

  28. Vgl. Tony Addison/Lionel Demery. Macro-Economic Stabilisation. Income Distribution and Poverty: a Preliminary Survey. OD 1 Working Paper No. 15. February 1985.

  29. Vgl. John Sheahan. Market-oriented Economic Policies and Political Repression in Latin America, in: Economic Development and Cultural Change. 28 (1980) 2.

  30. Siehe dazu: Scott R. Sidell. The IMF and Third-World Political Instability. Is Thcre a Connection?. Basingstoke-London 1988.

  31. Vgl. World Bank (Anm. 19).

  32. Vgl. Peter Heller, Fonds-unterstützte Anpassungsprogramme und die Armen, in: Finanzierung und Entwicklung, (1988); Gerald K. Helleiner, Balance-of-Payments Expe-rience and Growth Prospects of Developing Countries: A Synthesis, in: World Development, 14 (1986) 8.

  33. Vgl. Tatjana Chahoud, Zwischenbilanz der Anpassungspolitik. Die Weltbank auf dem Wege zu einer neuen Politik der Armutsbekämpfung?, in: Peripherie, 8 (1988) 33/34; Weltbank, Sonderbericht Mittelvergabe für die Strukturanpassung: Aktuelle Bilanz, Weltbank Nachrichten, o. J.

  34. Vgl. World Bank (Anm. 15).

  35. Vgl. T. Killick (Anm. 9); Y. Huang/P. Nicholas (Anm. 11); Rasul Shams, Adjustmcnt Constraints in Developing Countries. A Comparative Study, in: Intereconomics, (1989).

  36. Vgl. Gudrun Lachenmann, Die gesellschaftliche Problematik der Strukturanpassung in Afrika, in: Vierteljahresberichte, (1987) 109.

Weitere Inhalte

Joachim Betz, Dr. rer. soc., geb. 1946; Studium der Politikwissenschaft, Geschichte und Romanistik; 1974— 1980 Wissenschaftlicher Assistent am Institut für Politikwissenschaft der Universität Tübingen; seither Leitender Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Übersee-Institut, Hamburg. Veröffentlichungen u. a.: Die Internationalisierung der Entwicklungshilfe, Baden-Baden 1978; Wirtschafts- und Entwicklungspolitik in Sri Lanka seit 1977, Hamburg 1983; (Hrsg.) Verschuldungskrisen in Entwicklungsländern. Ursachen, Rückwirkungen, Lösungsansätze, München 1983; (Red. zus. mit V. Matthies) Jahrbuch Dritte Welt, München 1983 ff.