Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

Demokratie und Extremismus. Anmerkungen zu einem antithetischen Begriffspaar | APuZ 44/1983 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 44/1983 Demokratie und Extremismus. Anmerkungen zu einem antithetischen Begriffspaar Bekämpfung des Rechtsextremismus mit Mitteln des Strafrechts Kommentar und Replik

Demokratie und Extremismus. Anmerkungen zu einem antithetischen Begriffspaar

Uwe Backes/Eckhard Jesse

/ 41 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Die Antithese freiheitlicher Demokratie ist der politische Extremismus — gleichgültig, ob er sich an der Macht befindet (totalitäre und autoritäre Regime) oder in demokratischen Systemen seine subversive Tätigkeit entfaltet. Wenn sich Extremisten aller Schattierungen auch in ihrer prinzipiellen Gegnerschaft zur Demokratie einig wissen, so stimmen sie keineswegs hinsichtlich der anzustrebenden Ziele und der Wahl ihrer Mittel überein. Ein schwieriges Problem stellt die Frage der Grenzziehung zwischen Demokratie und Extremismus dar. Ein Symptom für die nicht nur oberflächliche, taktisch motivierte, sondern auch inhaltliche Zerstrittenheit ist die beinahe „babylonische Sprachverwirrung", die in puncto zentraler Termini wie „Demokratie", „Extremismus" und „Radikalismus" herrscht. Droht in der Bundesrepublik derzeit auch keine Gefahr von extremistischen Kräften, so ist ihr Einfluß — etwa aufgrund geschickter Bündnispolitik, personeller Kontakte zu demokratischen Organisationen, weit verbreiteter Publikationsorgane — dennoch größer, als es die äußerst mageren Wahlresultate nahelegen. Auch demokratische Politiker und Parteien tragen nicht selten indirekt zur Stärkung des politischen Extremismus bei (z. B. durch Verteufelung des demokratischen Gegners, durch gegenseitiges Hoch-oder Herunterspielen des Extremismus, durch Überzogenheit der Kritik). Hervorzuheben bleibt der häufig unter den Tisch gekehrte Sachverhalt, daß Demokraten bei allen Gegensätzlichkeiten ein Minimum fundamentaler Werte und Spielregeln als politische „Geschäftsgrundlage“, akzeptieren, wobei selbstverständlich die Meinungen weit darüber auseinander gehen, auf welche Weise der politische Extremismus zu bekämpfen ist. Die Notwendigkeit der Ablehnung des Extremismus darf jedoch nicht als Alibi dienen, politische Strömungen, die sich im weitgefaßten Rahmen des Grundgesetzes bewegen, ins demokratische Abseits zu stellen.

Die Deutsche Kommunistische Partei und die Nationaldemokratische Partei Deutschlands haben bei der Bundestagswahl im März 1983 nur je 0, 2 Prozent der Stimmen erhalten. Damit hat der Wähler dem politischen Extremismus eine Absage erteilt, wie sie wohl deutlicher nicht ausfallen konnte. Lohnt es überhaupt, sich mit dem politischen Extremismus zu befassen, wenn er ein derartiges Schattendasein fristet? Dieser Ansicht kann au Prozent der Stimmen erhalten. Damit hat der Wähler dem politischen Extremismus eine Absage erteilt, wie sie wohl deutlicher nicht ausfallen konnte. Lohnt es überhaupt, sich mit dem politischen Extremismus zu befassen, wenn er ein derartiges Schattendasein fristet? Dieser Ansicht kann aus folgenden Gründen nicht beigepflichtet werden: Erstens geht der Einfluß des politischen Extremismus weit über die mageren Wahlergebnisse hinaus; zweitens gibt es andere Gruppierungen von links und rechts, die sich nicht an Wahlen beteiligen und teilweise dem terroristischen Aktionismus huldigen; drittens haben es politisch extreme Kräfte vielfach auf Unterwanderung demokratischer Organisationen abgesehen. Umgekehrt muß jedoch auch davor gewarnt werden, den Extremismus in der Bundesrepublik zu überschätzen 1), wenn man etwa dessen Zweckoptimismus aufsitzt, jegliche „Erfolgsmeldung 1'für „bare Münze" nimmt oder gar eine self-fulfilling prophecy betreibt. Es ist eine Gratwanderung zwischen der Scylla der Verharmlosung und der Charybdis apokalyptischer Visionen.

Der Wettstreit politischer Parteien mit unterschiedlichen programmatischen Aussagen ist zwar ein konstituierendes Element freiheitlicher Systeme, ein geregelter Konfliktaustrag ist auf Dauer aber nur möglich, wenn die konfligierenden Akteure ein Mindestmaß an fun-

I. Einleitung

Abbildung 1

damentalen Werten und Verfahrensweisen teilen (Minimalkonsens) 2). Geraten die Grundlagen des pluralistischen Systems in Vergessenheit, artet die politische Auseinandersetzung in nackte Demagogie aus; wird die „Solidarität der Demokraten“ im Wahlkampf-Fieber geopfert — dann ist dies ein Gewinn für die Sache des Extremismus. Antidemokraten aller Schattierungen sind darauf angewiesen, daß das freiheitlich-demokratische System seine Schwächen offenbart. Die zweite Demokratie auf deutschem Boden hat seit ihrem Bestehen ein hohes Maß an Stabilität bewiesen. Eine geistig-politische Auseinandersetzung mit antidemokratischen Versuchungen ist jedoch unerläßlich, wenn dieses Kapital nicht mutwillig verspielt werden soll.

Der folgende Beitrag zielt darauf ab, die fundamentalen Unterschiede zwischen Demokratie und Extremismus zu umreißen. Es soll anhand von Beispielen untersucht werden, inwiefern die demokratischen Kräfte in der Bundesrepublik dieser Unterscheidung hinreichend Rechnung tragen. Ebenso klärungsbedürftig ist die Strategie des politischen Extremismus. Wie versucht er die Solidarität der Demokraten zu zerstören? Abschließend sollen normative Aspekte berührt werden: Welches Verhalten der demokratischen Kräfte wäre wünschenswert — für den Austrag der Konflikte und Interessengegensätze untereinander, für das Verhältnis gegenüber dem politischen Extremismus?

II. Demokratie und Extremismus — ein antithetisches Begriffspaar

„Wir können nämlich hauptsächlich zwei Arten von Regierungen unterscheiden. Zur ersten gehören Regierungen, deren wir uns ohne Blutvergießen, zum Beispiel auf dem Weg über allgemeine Wahlen entledigen können; die sozialen Institutionen sehen also Mittel vor, die es den Beherrschten gestatten, die Herrscher abzusetzen, und die sozialen Traditionen geben die Sicherheit, daß es den augenblicklichen Verwaltern der Macht nicht leicht sein wird, diese Institutionen zu zerstören. Zu der zweiten Art gehören solche Regierungen, die die Beherrschten nur durch eine gewaltsame Revolution loswerden können — und das heißt in den meisten Fällen, überhaupt nicht. Als eine kurze Bezeichnung für eine Regierungsform der zweiten Art wähle ich den Namen . Tyrannei'oder . Diktatur'.“

Diese Passagen aus der bekannten Studie Karl R. Poppers über „Die offene Gesellschaft und ihre Feinde" kennzeichnen bereits einen zentralen Aspekt der Unterscheidung zwischen Demokratie und Diktatur, zwei Regierungsformen, die einander — wie Feuer und Wasser — diametral entgegengesetzt sind: Während die Demokratie verlangt, daß die Inhaber politischer Macht direkt oder indirekt vom Volk legitimiert sind, das politische System somit gesellschaftlichen Entwicklungen prinzipiell „offen" steht, beruht die Diktatur auf der Willkür eines einzelnen (Monokratie), einer oligarchischen Clique oder gar einer die Minderheit unterdrückenden Mehrheit (der Idee nach: „Diktatur des Proletariats"). So stellt das Gegensatzpaar von Diktatur und Demokratie die zeitgemäße Inkarnation des „ewigen Kampfes" der „offenen" gegen die „geschlossene Gesellschaft" dar, der Idee der Freiheit und Selbstbestimmung des Individuums gegen die Egozentrik der Fremdherrschaft. Historisch entstanden die Demokratien des 20. Jahrhunderts als Produkt der Verbreitung der modernen Freiheitsidee und des Verfassungsstaates einerseits, der Entwicklung hochdifferenzierter Industriegesellschaften andererseits.

Die modernen liberaldemokratischen Systeme sind somit Resultat eines langen, bis in die Antike hineinreichenden historischen Erfahrungsprozesses in der Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Formen der Willkürherrschaft. Infolgedessen versuchen sie verschiedenartigen Grundgedanken und Strukturelementen zu entsprechen. So finden die Ideen der Freiheit und der mit ihr verbundenen Grund-und Menschenrechte ihre Beschränkung in der Forderung nach der Gleichheit aller vor dem Gesetz. Die komplexen Wirtschafts-und Gesellschaftsstrukturen hochdifferenzierter Industriegesellschaften machen zudem einen ordnenden und gestaltenden Eingriff des Staates („Daseinsvorsorge") unerläßlich. Dem Gedanken der Volks-souveränität entspricht unter den Bedingungen von Flächenstaaten das Repräsentationsprinzip und dessen Konkretisierung im parlamentarischen Regierungssystem. Um Macht-zusammenballungen und die Gefahr des Machtmißbrauchs zu bannen, wird die politische Entscheidungsfindung nicht institutionell zentralisiert, sondern auf unterschiedliche Instanzen mit verschiedenartigen Kompetenzen verteilt („Gewaltenteilung") Eine machtbeschränkende Wirkung hat auch die Anerkennung einer naturgegebenen Vielfalt von Interessen und Meinungen (politische Parteien mit unterschiedlichen Zielen, Interessenverbände, öffentliche Meinung). Nur so kann jener autonome Willensbildungsprozeß in Gang kommen, als dessen Resultat das Gemeinwohl von Fall zu Fall bestimmt wird. Die pluralistische Demokratie verneint damit implizit die Existenz eines objektiv bestimmbaren, vorgegebenen Gemeinwohls Rousseauscher Provenienz Die Antithese freiheitlicher Demokratie ist der politische Extremismus unterschiedlicher Richtung, gleichgültig, ob er sich an der Macht befindet (autoritäre und totalitäre Diktaturen) oder jenseits der Macht seine subversive Tätigkeit entfaltet. Wenn sich Extremisten aller Schattierungen auch in ihrer prinzipiellen Gegnerschaft zur freiheitlichen Demokratie einig wissen, so bedeutet dies keineswegs, daß sie hinsichtlich der Interpretation der herrschenden Verhältnisse, der zu erstrebenden Ziele und der Wahl ihrer Mittel übereinstimmen. Extremismen „linker“ und „rechter“ Couleur weisen vielmehr trotz ihres antidemokratischen Konsenses grundlegende Unterschiede auf. Damit in engem Zusammenhang steht die Art des Regimes, das die jeweilige Gruppierung, einmal zur Macht gelangt, errichtet. Hierbei lassen sich autoritäre und totalitäre Formen unterscheiden — je nach dem Grad des politischen Pluralismus, der ideologischen Ausrichtung und der Mobilisierung der Bevölkerung

Die Frage der Grenzziehung zwischen Demokratie und Extremismus ist für den Bestand freiheitlicher Systeme von existentieller Bedeutung. Die mit dem Untergang der Weimarer Republik gemachten Erfahrungen zeigen, daß Extremisten die ihnen gebotenen Freiheiten skrupellos für ihre Zwecke zu mißbrauchen wissen Um so mehr ist zu beklagen, daß in Wissenschaft und Publizistik bezüglich dieser fundamentalen Zusammenhänge so wenig Einmütigkeit besteht. Ein Symptom für die nicht nur oberflächliche, taktisch motivierte, sondern auch inhaltliche Zerstrittenheit ist die nahezu „babylonische Sprachverwirrung“ die hinsichtlich zentraler Termini wie „Demokratie", „Extremismus", „Radikalismus" herrscht.

„Demokratie" gehört zu jenen unersetzbaren Begriffen der politischen Alltagssprache, die im Zuge der Reideologisierungswelle Ende der sechziger Jahre „unter die Räder" gerieten Eine besonders ernst zu nehmende Gefahr stellt dabei die normative Überdehnung des Demokratiebegriffs dar, wie sie in der Forderung nach Demokratisierung aller Lebensbereiche oder der Gleichsetzung von Demokratie und Sozialismus auftritt. Von einem solchen Standpunkt aus ist es dann einfach, die bestehenden Verhältnisse als „repressiv" zu deklarieren Und wer Demokratie erst als erfüllt ansieht, wenn „eine Gleichheit in den materiellen Lebensbedingungen" erreicht ist, wird den Pluralismus „spätkapitalistischer" Systeme ohne Schwierigkeit als eine Ideologie zur Verschleierung des „Grundwiderspruchs" zwischen Kapital und Arbeit „entlarven" Mit dem Konzept der „strukturellen Gewalt" ist sodann ein fast beliebig dehnbarer Gewaltbegriff eingeführt worden, der letztlich auch dem Terrorismus zu einer Legitimationsgrundlage verhilft.

Insofern politischer Extremismus über den Demokratiebegriff definiert wird, verhindert dessen Überdehnung und Verwässerung eine klare Abgrenzung gegenüber extremistischen Gruppierungen. Nur so ist es möglich, daß sowohl die Verfechter des „kapitalistischen" Wirtschaftssystems als auch die Befürworter einer Sozialisierung von Produktionsmitteln — freilich aus unterschiedlicher Warte — antidemokratischer Tendenzen verdächtigt werden. Bei der Grenzziehung gegenüber dem politischen Extremismus bedarf es somit einer Minimaldefinition von Demokratie. Hierzu bietet sich die im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verankerte „frei-heitliche demokratische Grundordnung“ an, wie sie das Bundesverfassungsgericht anläßlich seiner Urteile zum Verbot der SRP 1952 und der KPD 1956 definiert hat:

„So läßt sich die freiheitliche demokratische Grundordnung als eine Ordnung bestimmen, die unter Ausschluß jeglicher Gewalt-und'Willkürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit darstellt Zu den grundlegenden Prinzipien dieser Ordnung sind mindestens zu rechnen: Die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition." Das Bundesverfassungsgericht sprach sich also einerseits zugunsten eines Minimums fundamentaler Normen und Verfahrensregeln aus, die für alle demokratischen Kräfte verbindlich sein müssen, andererseits hob es die Ablehnung jeglicher Form von „Gewaltund Willkürherrschaft“ hervor. Allerdings bedürfen die so verankerten Verfahrensweisen teilweise der Interpretation (wie etwa das Prinzip der „Gewaltenteilung") Dennoch liegt hier eine Beschreibung des demokratischen Minimalkonsenses vor, die eine relativ klare Abgrenzung gegenüber extremistischen Bestrebungen erlaubt.

Parallel zum Totalitarismusmodell wird auch der Extremismusbegriff vielfach abgelehnt, weil er „rechte" wie „linke" Ausprägungen unter einen Oberbegriff zusammenfaßt. Aus der Sicht links-oder rechtsextremistischer Kreise ist eine solche Kritik nur konsequent, beanspruchen sie doch selbst gegenüber anderen Richtungen für sich eine höhere Legitimationsgrundlage. Von einem demokratischen Standpunkt aus kann ein derartiger Einwand freilich lebensgefährlich sein, da er die grundlegende historische Erfahrung mit allen diktatorischen Erscheinungsformen mißachtet, daß nicht die erstrebten Ziele, sondern die dazu in Kauf genommenen Mittel den freiheitlichen Charakter politischer Strömungen bestim-men Den unterdrückten Menschen jenseits des „eisernen Vorhangs“ nützt es wenig, daß ihre Beherrscher vorgeben, das Willkür-regime zur Verwirklichung hehrer Menschheitsideale aufrechtzuerhalten. Dennoch ist der Antitotalitarismus der fünfziger Jahre vor dem Hintergrund der Entstalinisierung des Ostblocks und der Studentenbewegung häufig zugunsten eines einseitigen . Antifaschismus" aufgegeben worden -

Alle Erscheinungsformen des Extremismus wenden sich verdeckt oder offen gegen die freiheitliche Demokratie und bezwecken die Errichtung einer Willkürherrschaft. Der zweifellos feststellbare Unterschied zwischen den emanzipativen Idealen kommunistischer Prägung und den barbarischen Endzielen etwa des Nationalsozialismus sollte jedoch nicht den Blick dafür trüben, daß der Nationalsozialismus seine Massenanziehungskraft nicht zuletzt aus der brisanten Mischung nationalistisch-rassistischer und sozialistischer Elemente gewann Dieses Phänomen stellt das linear gedachte, seit der Französischen Revolution sorgsam gepflegte Rechts-Links-Spektrum nachhaltig in Frage — ein Modell, das überdies politischen Extremismus an den beiden Endpunkten der Skala anordnet, also keine Dimensionierung des extremistischen Sektors vornimmt Demgegenüber bedeutet bereits die von Hans Jürgen Eysenck eingeführte zweidimensionale Darstellung des politischen Raumes einen wesentlichen Fortschritt, insofern sie implizit eine Dimensionierung des extremistischen wie des demokratischen Spektrums vornimmt, gleichzeitig aber — dies ist die entscheidende Schwäche des Modells — ein Kontinuum zwischen den Polen „autoritär“ und „demokratisch“ unterstellt. Wünschenswert wäre hingegen eine Vorgehensweise, die die klare Grenzziehung zwischen demokratischem und extremisti-schein Sektor mit dimensionierenden Faktoren verbindet — wie sie das traditionelle Rechts-Links-Schema beinhaltet (das abgebildete Modell soll eine mögliche Darstellungsform aufzeigen).

Nicht wenige Forscher haben inzwischen das Totalitarismus-Konzept als wissenschaftlich unfruchtbar aufgegeben. An seine Stelle traten Faschismustheorien mit unterschiedlichen theoretischen Implikationen. Am fruchtbringendsten ist hier wohl eine Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Faschismus-theorien, die das Konzept nicht als ideologisches Vehikel zur Denunzierung politischer Gegner benützen sondern den Faschismus-begriff ausschließlich als heuristisches Modell verwenden wollen, dabei aber glauben, auf das Totalitarismus-Konzept verzichten zu können Einem solchen Gebrauch der Fa-schismus-Vokabel ist jedoch vorzuwerfen, daß er eine heuristisch motivierte Definition trifft und dabei die fundamentaleren phänomenologischen Gegebenheiten aus den Augen verliert: Denn bei aller Differenziertheit in der Beurteilung von Entstehung, Struktur, Ideologie kommunistischer und „faschistischer“ Regime darf der grundlegende Unterschied zwischen freiheitlicher Demokratie und Diktatur nicht vernachlässigt werden — dies zu unterstreichen, ist aber gerade das Verdienst des Totalitarismus-Ansatzes wie auch des Extremismus-Begriffs. Die Tendenz, wissenschaftliche Begriffe vor allem heuristisch zu definieren, ist eine verständliche Erscheinung empirischer Forschung. Demgegenüber wäre es wünschenswert, beherzigte die wissenschaftliche Terminologie stärker phänomenologische Grund-tatsachen. Denn was für Teile der empirischen Faschismusforschung nachweisbar ist, gilt gleichermaßen für die sozialwissenschaftliche Extremismus-bzw. Radikalismus-Forschung. So greifen Franz U. Pappi und Hans D. Klingemann in ihrer bedeutenden empirischen „Radikalismus'-Studie zwar die zweidimensionale Darstellungsweise des politischen Raumes von Hans Jürgen Eysenck auf, verbinden das Konzept jedoch mit der heuristischen Unterscheidung zwischen einem wert-und einem normorientierten Demokratiebegriff. Die terminologische Konsequenz: Extremismus soll Extrempositionen der Rechts-Links-Dimension kennzeichnen, d. h. im Sinne des Wert-oder Ziel-Aspektes mit der Befürwortung bzw. Ablehnung einer Erweiterung demokratischer Partizipation korrelieren. Radikalismus bezeichnet nach diesem Konzept lediglich die Ablehnung demokratischer Normen, z. B. das Eintreten für die Anwendung von Gewalt.

Gewiß kann eine solche Differenzierung fruchtbar sein. Es ist allerdings wenig sinnvoll, den Extremismusbegriff derart zu spezifi-zieren, daß er sich zur umfassenden Bezeichnung antidemokratischer Bestrebungen nicht mehr eignet. Solche Definitionen führen zur Begriffsverwirrung. Die sozialwissenschaftliche Forschung hätte sich zweckmäßigerweise am bereits vorhandenen juristischen Sprachgebrauch orientieren können. Die Unterschiede zwischen juristischer und sozialwissenschaftlicher Begriffsbildung sind konstruiert und entbehren jeder Grundlage. Zudem hatten zahlreiche Autoren den Radikalismusbegriff im Laufe der frühen siebziger Jahre mit Recht aufgegeben und durch die — semantisch zwar auch nicht völlig unproblematische aber insgesamt doch unverfänglichere — Extremismusvokabel ersetzt. Schließlich sollte unter keinen Umständen der Eindruck erweckt werden, die Identifikation von Radikalismus und Verfassungsfeindlichkeit diene der Unterdrückung durchaus fruchtbarer Radikalität. „Radikale", an die Wurzeln gehende Denkansätze und Lösungsstrategien sind nicht per se antidemokratisch, sondern vielfach gerade das „Salz in der Suppe" politischer Auseinandersetzungen. Vor diesem Hintergrund gab etwa der Sozialwissenschaftler Erwin K. Scheuch seine frühere Terminologie preis und paßte sie dem gewandelten Sprachgebrauch an Im angelsächsischen und romanischen aber auch im deutschen Sprachraum blickt „Radikalismus“ auf eine ehrwürdige Begriffsgeschichte zurück und speist sich insbesondere aus frühliberalen und rationalistischen Traditionen.

III. Verhalten demokratischer Kräfte

1. Distanzierung vom politischen Extremismus

Die demokratischen Kräfte in der Bundesrepublik Deutschland sind sich in der Ablehnung des politischen Extremismus jeglicher Couleur einig. Immer wieder wird betont, wie wichtig es sei, ihm Paroli zu bieten. Trotz allem springen einige Nuancen ins Auge. Unter diesem Gesichtspunkt interessant sind die Vorbemerkungen zu den Verfassungsschutz-berichten des Bundes. Im Verfassungsschutz-bericht von 1980 schreibt der damalige Bundesinnenminister Baum: „Der Rechtsstaat muß sich selbst treu bleiben. Die Bundesregierung setzt daher auch gegenüber den Gegnern der freiheitlichen demokratischen Grundordnung in erster Linie auf die Überzeugungskraft politischer Auseinandersetzung. Diese Grundentscheidung erfordert es, extremistische Bestrebungen solange nicht zu verbieten, wie sie nicht die freiheitliche Ordnung selbst gefährden. Eine solche Toleranz verlangt aber, daß diese Bestrebungen beobachtet werden, um festzustellen, wann die Grenze überschritten ist, von der ab sie zu einer ernsten Gefahr werden." Im Verfassungsschutzbericht von 1982 heißt die entsprechende Passage bei Bundesinnenminister Zimmermann: „Die Bundesregierung setzt auch gegenüber den Gegnern der freiheitlichen demokratischen Grundordnung in erster Linie auf die Überzeugungskraft politischer Auseinandersetzung. Dies ändert jedoch nichts daran, daß die freiheitliche demokratische Grundordnung des Grundgesetzes — basierend auf den Erfahrungen aus der Zeit des Nationalsozialismus wie denen von Weimar — eine streitbare und abwehrbereite Demokratie ist und nach dem Willen der Verfassung sein soll. Die Bundesregierung wird daher nicht zögern, überall, wo sich dies als erforderlich erweisen sollte, von dem Instrumentarium Gebrauch zu machen, das das Grundgesetz gegen die Gegner der Demokratie zur Verfügung stellt."

Es ergibt sich eine gewisse Verlagerung der Prioritäten: Die sozialliberale Regierung hat den Schwerpunkt eindeutig auf eine politische Bekämpfung des Extremismus gelegt, für die christlich-liberale Regierung hingegen nimmt der Einsatz staatlicher Zwangsmittel eine gleichgewichtige Bedeutung ein. Eine solche Unterschiedlichkeit der Standpunkte ist legitim, denn in einer pluralistischen Demokratie muß auch die Frage zur Disposition stehen, auf welche Art und Weise der politische Extremismus zu bekämpfen ist. Hingegen gibt es eine Reihe von Gesichtspunkten, die der Erörterung bedürfen. Hierbei geht es nicht um Entgleisungen einzelner Politiker, sondern um weitverbreitete Mißstände, die der „Solidarität der Demokraten" Hohn sprechen. 2. Verteufelung des demokratischen Gegners Obwohl alle demokratischen Parteien immer wieder hervorheben, daß es eine Gemeinsamkeit der Demokraten geben müsse, nehmen sie es damit nicht so genau. Als Beleg dafür mag der Wahlkampf dienen. Die großen Parteien kultivieren insbesondere vor der Wahl häufig ein Verhalten, das dem (wohlfeilen) Wort vom mündigen Bürger nicht Rechnung trägt. So meinte beispielsweise die SPD im Bundestagswahlkampf 1980 rabulistisch, die CDU/CSU sei wohl „friedenswillig", aber nicht „friedensfähig", und die CDU/CSU unterstellte einem Teil der SPD, es gäbe dort eine „Moskau-Fraktion". Daß solche Entgleisungen keineswegs nur typisch für jene Bundestagswahl waren, belegt Werner Wolf, indem er Parolen der CDU/CSU und der SPD von 1957 ins Gedächtnis ruft. Die CDU/CSU suggerierte einen innenpolitischen Zusammenhang zum ungarischen Volksaufstand im Jahre 1956: „Denkt an Ungarn: Seid wachsam!" Und die SPD „argumentierte" bei derselben Wahl: „In Nürnberg proklamierte Hitler die NSDAP zur Monopolpartei. In zwölf Jahren ruinierte Hitler Deutschland. Gebt Adenauer keine zwölf Jahre Zeit!" Der Autor schlußfolgert: „Den Wahlausgang zu einer Überlebensfrage zu stilisieren, lag durchaus in der Tradition der vorangegangenen Bundestagswahlkämpfe von 1949 und 1953"

Wolf nimmt dabei eine eigentümlich lavierende Position ein. Er hält den Wahlkampf in der Bundesrepublik, so wie er geführt wird, im Prinzip für richtig und wendet sich gegen die „Tugendwächter" von Presse und Funk, die einen „argumentativen" Wahlkampf fordern. Grundsätzlich ist ihm darin beizupflichten, wenn er die moralinsauren Äußerungen weiter Teile der Öffentlichkeit zum Wahlkampf für übertrieben hält, doch ist vor einer Verabsolutierung ä la Wolf zu warnen: „Pauschalierung und Emotionalisierung sind daher unersetzbare Mittel, um die Barriere der Interessenlosigkeit zu übersteigen. Die Wähler wollen nicht zwischen langwierigen Sachprogrammen, sondern zwischen schnell erfaßbaren . Botschaften'wählen." Abgesehen davon, daß die Parteien auch eine Erziehungsund Willensbildungsfunktion haben — beruhen denn die „schnell erfaßbaren . Botschaften'“ wirklich auf treffenden Vereinfachungen? Für die (von Wolf zitierten) Beispiele läßt sich das wohl kaum sagen. Vor allem aber macht der Autor es sich zu leicht, die Vorbehalte gegen die emotionalen, irrationalen und aggressiven Elemente des Wahlkampfes auf die notorische Konfliktfeindlichkeit in Deutschland zurückzuführen. Denn tatsächlich geht es hier ja nicht um den rationalen Austrag von Konflikten, sondern eher um das Schüren von Vorurteilen.

Jedenfalls wird es dem politischen Extremismus zu leicht gemacht mit dem Argument, das Volksparteiensystem sei lediglich eine „plurale Fassung einer Einheitspartei" Hinweise auf Parallelen zwischen „Pepsi und Coca Cola" einerseits und den großen Parteien andererseits gehören zum Standardrepertoire der Kritik

In dem Maße, wie die Parteien Unterschiede gegenüber ihren Kontrahenten aufbauschen, spielen sie Gemeinsamkeiten herunter. Dadurch werden die tatsächlichen Differenzen zwischen den Parteien verstellt. Kritikwürdig ist daher diese „Polarisierung ohne Substanz, die oft marginale Differenzen so dramatisiert, als ob die Existenz des demokratischen Staates in Gefahr wäre, und den Umgang der Parteien miteinander durch emotionale Hektik und persönliche Verunglimpfung verbittert". Das von Löwenthal gar nicht einmal auf den Wahlkampf gemünzte, hier aber erst recht ins Schwarze zielende Diktum weist auf einen Strukturdefekt hin.

Muß es denn, so Helmut Schmidt, beim „rhetorischen Bürgerkrieg" bleiben? Vernarben die Wunden wirklich nach dem Wahlkampf? Bringen nicht auch die zur . Anstachelung“ der eigenen Klientel inszenierten Verbalinjurien Einseitigkeiten, Intransigenz, Feindschaft und Haß hervor? Wie werden die Parteien erst bei zunehmendem Konfliktstoff reagieren? Thomas Ellwein jedenfalls kommt aufgrund des Wahlkampfes im Jahre 1976 und des von der CDU/CSU propagierten Slogans „Freiheit statt Sozialismus" zum Ergebnis, „daß diese Art der Auseinandersetzung mit dem Wahltag nicht beendet sein kann. Damit ist die bisherige Grundlage der Politik in der Bundesrepublik zerstört... Man muß deshalb wohl davon ausgehen, daß das Regierungssystem der Bundesrepublik Deutschland zukünftig noch eine Zeitlang formal funktioniert. Belastungsfähig ist es nicht mehr, weil nicht mehr vom Konsens der Demokraten getragen. Anhänger des demokratischen Sozialismus müssen, wenn sie derart als Feind behandelt werden, ihrerseits fragen, ob der Feind drüben noch auf dem Boden des Grundgesetzes steht. Ist einmal der politische Gegner zum politischen Feind geworden, erscheint der Weg zurück kaum begehbar. Die Bundesrepublik stand damit schon vor dem Wahltag am Beginn des zweiten Teils ihrer Geschichte. Im ersten Teil war es ihr gelungen, die Schatten von Weimar zu bannen; im zweiten Teil wurden und werden sie wieder beschworen. Dies ist keine politische Feststellung, sondern Ergebnis wissenschaftlicher Analyse."

Ellweins apokalyptisch „durchtränkte" Auffassung ist natürlich keineswegs ein Ausfluß „wissenschaftlicher Analyse", sondern eine abwegige „politische Feststellung". Aber da selbst er diesen Parolen aufsitzt, entfalten sie offenbar eine Eigendynamik und konterkarieren Wolfs Annahme, die „Konfrontation (werde) nach dem Wahltag schlagartig abgebaut" Es ist also weder angängig, Wahlkampfparolen als „bare Münze" zu nehmen (für diese Position steht Ellwein), noch sie als vorübergehende „Falschmünzerei" herunterzuspielen (so aber Wolf).

Die systematische Verteufelung des demokratischen Gegners, wie sie hier für den Wahlkampf beispielhaft gezeigt worden ist, kann letztlich zu einem Alleinvertretungsanspruch auf das „richtige" Verfassungsverständ-nis führen. Davon legt zum Teil ausgerechnet die „Verfassungsdebatte" des Deutschen Bundestages vom Februar 1974 Zeugnis ab. Diese Debatte die das innerhalb bestimmter Grenzen unterschiedliche Verfassungsverständnis hätte aufzeigen können, artete partiell zu einer der Materie völlig unangemessenen und unnötigen Polarisierung aus. Da erklärte Alfred Dregger, eine Aussage des Godesberger Programms sei „antipluralistisch, antidemokratisch und im Grunde totalitär" und Helga Schuchardt meinte, die Union sehe „das Grundgesetz offenbar als ein Ermächtigungsgesetz" an, weil im Entschließungsantrag der Union „im wesentlichen von Verboten und Sanktionen die Rede" sei. Tragen derartige Betrachtungsweisen wirklich auch nur einen Deut zur Erhellung der Problematik bei? Tatsächlich verharmlosen sie implizit den Extremismus. 3. Gegenseitiges Hoch-und Herunterspielen des Extremismus Die politische „Einäugigkeit“ ist unter Demokraten weitverbreitet. Um ein Beispiel zu präsentieren: Die SPD/FDP-Koalition verschärfte die Gesetzgebung gegenüber dem Rechtsextremismus. So ist etwa die Verbreitung nationalsozialistischen Schrifttums, beispielsweise Hitlers „Mein Kampf", ebenso unter Strafe gestellt worden wie der Import von Kennzeichen nationalsozialistischer Organisationen. Das in rechtsextremen Kreisen beliebte Wort von der „Auschwitz-Lüge" wird seit Anfang der achtziger Jahre von Amts wegen verfolgt. Andererseits haben SPD und FDP die erst im Jahre 1976 ins Strafgesetzbuch eingeführten Paragraphen 88 a (verfassungsfeindliche Befürwortung von Straftaten) und 130 a (Anleitung zu solchen Straftaten) wieder aufgehoben Dies ist ebensowenig konsequent wie die Haltung der CDU/CSU, die beim Linkster-rorismus für härteste Maßnahmen plädierte den Rechtsterrorismus jedoch herunterzuspielen versucht

Repräsentanten der „rechten Mitte“ müßten das größte Interesse daran haben, sich besonders nachhaltig von Formen des Rechtsextremismus zu distanzieren. Und für das „linke“ Spektrum gilt dies umgekehrt ebenso. Denn dadurch erhöhte sich die Glaubwürdigkeit der Demokraten jeglicher Couleur. Da dies aber nicht immer so ist kann das Gerede von der Affinität demokratischer Kräfte zu Extremisten auf fruchtbaren Boden fallen, zumal es partielle Kontaktebenen (im „linken" Bereich mehr als im „rechten“) zwischen demokratischen und extremistischen Richtungen gibt.

Was hier für einzelne Vertreter politischer Parteien, einzelne Hochschul-, Jugend-und andere Verbände angedeutet wird, gilt in einem noch viel stärkeren Maße für die öffentliche Meinung und die Wissenschaft. Untersucht man die Literatur zum Links-und Rechtsextremismus, so fällt der Sachverhalt auf, daß sich mit dem Linksextremismus überwiegend Autoren beschäftigen, die im politischen Spektrum „rechts“ angesiedelt sind. Und die Mehrzahl der Publizisten, die auf den Rechtsextremismus eingehen, weist einen deutlich „linken“ Bias auf Dies erschwert eine angemessene Einordnung extremistischer Phänomene. 4. Überzogenheit der Kritik Es liegt in der Natur der Sache, daß die Meinungen darüber weit auseinandergehen, wie die Demokratie sich des politischen Extremismus zu erwehren hat. Erstaunlicherweise attackieren manche demokratischen Kräfte den freiheitlichen Verfassungsstaat in so übersteigerter Form, daß der Eindruck entsteht, die Notwendigkeit der Verteidigung werde nicht mehr als rechtens angesehen. Vielen Argumenten zur streitbaren Demokratie, zum Datenschutz, zur Volkszählung und zum fälschungssicheren Personalausweis wohnt kein rationaler Kern inne. Im richtigen Bestreben, vor illiberalen Tendenzen in unserer Gesellschaft zu warnen, schießen Kritiker oft weit übers Ziel hinaus und machen ihr Anliegen dadurch unglaubwürdig.

Im folgenden soll diese These illustriert werden. Die „Humanistische Union", eine demokratische Organisation, die sich besonders der Einhaltung der Grundrechte verpflichtet weiß, hat im Oktober 1981 der Öffentlichkeit ein Memorandum über „Die (un) heimliche Staatsgewalt" vorgelegt. Sie „will mit der Vorlage dieses Memorandums das Bewußtsein derjenigen schärfen, die den Rechtsstaat für die Basis und Norm unseres Zusammenlebens halten" Das Memorandum befaßt sich mit dem Verfassungsschutz und berücksichtigt dessen Aufgaben, Befugnisse, die Amtshilfe, die Kontrolle, den Rechts-und Datenschutz, Auskunftsanspruch sowie die Verfassungsschutzberichte. Es strotzt von Fehlern, Unterstellungen, Ungereimtheiten, Nachlässigkeiten, Halbwahrheiten und Verzeichnungen.

Das Memorandum berichtet eingangs vom römischen Kaiser Trajan, der es abgelehnt habe, anonym vorgelegte Listen bei Anklagen (gegen Christen) zu verwenden. Die Autoren folgern: „Was dem absoluten Herrscher vor fast 2000 Jahren unwürdig schien, daran nimmt von den demokratischen Politikern unserer Tage nur noch eine Minderheit Anstoß — daß Verfassungsschützer weitgehend unkontrolliert Millionen von Bürgern nachspüren, deren Ausübung von Grundrechten mit dem Stigma der Staatsabträglichkeit millionenfach in Computern speichern und als Zeugen vom Hörensagen — quasi anonym — nicht überprüfbare Informationen in Gerichtsverfahren einbringen ... (Der Verfassungsschutz) entwickelte ... sich zu einem geheimen Nachrichten-und Staatssicherheitsdienst, der tendenziell versucht, jedes politisch abweichenden Gedankens habhaft zu werden. ”

Die Behauptungen der Humanistischen Union sind grotesk: Einfach unrichtig ist, daß Millionen von Bürgern, die ihre Grundrechte wahrnehmen, nachgespürt wird. Es geht um die „Verfassungsfeindlichkeit", nicht um die „Staatsabträglichkeit" (wie in einem Obrig. keitsstaat) und schon gar nicht um die Erfas. sung „politisch abweichender Gedanken" (wie in einem totalitären System). Wo leben die Autoren denn, wenn sie von einem „Staatssicherheitsdienst" reden? In dem Memorandum wird unter anderem behauptet, der Verfassungsschutz verschaffe sich . Auskünfte über das Leseverhalten bei öffentlichen Bibliotheken" Obwohl die Autoren laut Vorbemerkung auch Gespräche mit dem (damaligen) Bundesbeauftragten für den Datenschutz, Professor Bull, geführt haben, ignorieren sie die Feststellung im Bericht des Datenschutzbeauftragten, wonach der Verdacht, Verfassungsschutzbehörden kontrollierten den Ausleihverkehr, sich als nicht stichhaltig erwiesen hat Beispiele für derartige Einseitigkeiten ließen sich viele aufzählen. Die „Humanistische Union" hat der Verteidigung des Rechtsstaates einen Bärendienst erwiesen. Von den Verdrehungen profitieren nur extremistische Kreise, die die „Fakten" weidlich ausschlachten. Gewiß, vor Beifall von der falschen Seite kann man sich nicht immer schützen, aber wer solche und andere Polemiken verbreitet, unterminiert das Rechtsbewußtsein. Tatsächliche Mißstände werden auf diese Weise erst recht nicht aufgedeckt. Die maßstablose Kritik führt zu einer Verwischung der Grenze zwischen Demokratie und Extremismus. Die Konsequenz liegt auf der Hand: Die Demokratie wird verteufelt, der tatsächliche Extremismus indirekt bagatellisiert

IV. Verhalten extremistischer Kräfte

1. Lippenbekenntnis für die Demokratie

Die Berufung auf den „Volkswillen''oder das „Gemeinwohl" ist in unseren Tagen eine politische Selbstverständlichkeit und Notwendigkeit, die auch von extremistischen Kräften geteilt wird. Entsprechend gibt es keine noch so militante Gruppierung, die nicht auch die Demokratievokabel in ihrem Begriffsarsenal führen würde — selbst Nationalsozialisten verwendeten den Begriff zuweilen in ihrem Sinne -Freilich stellen manche Gruppierungen ihre Ziele unumwundener dar als andere. So machen die K-Gruppen keinen Hehl daraus, daß sie „die kapitalistische Ausbeuterordnung" „in der gewaltsamen sozialistischen Revolution zu beseitigen gedenken. Und Neonazis bekennen offen, sie erstrebten eine neue „Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland"

Zurückhaltender sind allerdings die Äußerungen aus dem orthodox-kommunistischen Lager ebenso wie die Bekundungen der NPD und sich selbst — euphemistisch — „nationalfreiheitlich" titulierender Organisationen. Die DKP beispielsweise gibt sich betont verfassungstreu, bezichtigt hingegen die „etablierten" Parteien des Verfassungsbruchs: „Die DKP wirkt auf dem Boden des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland. Sie bekennt sich zu seinen demokratischen Prinzipien. Sie verteidigt es entschieden gegen alle Anschläge der Reaktion. Entsprechend seinem Auftrag wirkt sie aktiv bei der politischen Willensbildung des Volkes mit." Gewiß verkündet die DKP ihre revolutionären Absichten und meidet expressis verbis ein Bekenntnis zum Verfassungskern der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Aber sie hütet sich vor allzu deutlichen Äußerungen zur Gewaltfrage und betont bei aller Treue zur KPdSU — neuerdings verstärkt — ihre nationale Verantwortung Wie der beachtliche Einfluß orthodoxer Organisationen auf Teile der Friedensbewegung zeigt ist dieser Taktik ein gewisser Erfolg beschieden, der sich erfahrungsgemäß allerdings kaum in Wählerstimmen ummünzen lassen wird.

Noch moderater tönt es seitens der NPD in puncto Verfassungstreue: „Die NPD bekennt sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland, weil diese Grundordnung ein Höchstmaß persönlicher Freiheit gewährt und soviel Ordnung setzt, wie notwendig ist. Der freiheitlich-demokratische Staat muß ein Rechtsstaat sein. Die Unabhängigkeit der gesetzgebenden, ausführenden und rechtsprechenden Gewalt voneinander muß gesichert sein. Verfassungsnorm und Verfassungswirklichkeit müssen übereinstimmen." Und Gerhard Frey, Herausgeber eines in 100 000er-Auflage erscheinenden Blattes, das die nationalsozialistischen Gewaltverbrechen verniedlicht und ungeschminkt Ausländer-Hetze betreibt erklärt: „Die deutsche Rechte ... ist bedingungslos verfassungstreu.“ Jedoch machen sich die „national-freiheitlichen" Organisationen durch derartige Lippenbekenntnisse nicht glaubwürdiger. Auch verschiedenen Ausländerkampagnen, die entsprechende Stimmungen in der Bevölkerung ausnutzen möchten, war bisher nicht der erhoffte Erfolg beschieden Bedenklich ist die Tatsache, daß ähnliche Ressentiments sich inzwischen offenbar einer gewissen Salonfähigkeit erfreuen — wie das „Heidelberger Manifest" beweist, das von einer Gruppe deutscher Professoren veröffentlicht worden ist

Die „Zurückhaltung" vieler extremistischer Gruppierungen hat insbesondere zwei Gründe: Sie ist einerseits eine Reaktion auf das Damoklesschwert des Organisationsverbots, andererseits verspricht angesichts der politischen Stabilität nur eine demokratische Mimikry bei breiteren Wählerschichten Erfolg. 2. „Faschismus" -und „Kommunismus" -Vorwurf Im extremistischen Lager ist immer wieder das Phänomen zu beobachten, daß extremistische Gruppierungen häufig der eigenen Position entgegengesetzte politische Richtungen miteinander in Zusammenhang bringen, obwohl es sich dabei sowohl um demokratische als auch extremistische Gruppen handelt. So wird von kommunistischer Seite oft eine Verbindung rechtsextremer mit konservativen, vom organisierten Rechtsextremismus nicht selten ein Bündnis linksextremer mit demokratisch-sozialistischen Kräften unterstellt. Sicherlich existieren personelle Kontakte zwischen diesen Bereichen, und demokratische Politiker lassen in der Wahl ihrer Gesprächspartner zuweilen das nötige Augenmaß für die Grenze des demokratisch noch Schicklichen vermissen. Aber dieses Faktum allein erklärt noch nicht die Vorliebe extremistischer Organisationen für die „Enthüllung" derartiger Verbindungen.

Weniger wahrscheinlich ist, wie vermutet werden könnte, daß hier besondere taktische Gesichtspunkte eine Rolle spielen. Verdächtigungen dieser Art können wohl kaum einen Keil zwischen demokratische Parteien treiben. Und selbst wenn aus extremistischer Sicht eine moralische Disqualifizierung mit dem Nachweis solcher Kontakte verbunden sein sollte, darf nicht erwartet werden, daß dies auch im demokratischen Lager zum Anlaß genommen würde, sich von einer Partei zu distanzieren und/oder eine bestehende Zusammenarbeit aufzukündigen. Stichhaltiger ist die Annahme, es handle sich hier um ein Phänomen, das aus der besonderen extremistischen Perspektive resultiert. Denn naturgemäß sieht der Extremist nicht die „Demarkationslinie“ zwischen Demokratie und Extremismus als entscheidend an, sondern — je nach dem Dogmatismusgrad der jeweiligen Gruppierung — die Grenze zwischen den in seinen Augen noch tolerierbaren Positionen und gegensätzlichen politischen Richtungen. Aufgrund des hohen Maßes an ideologischem Dogmatismus können zwischen ideologisch eng verwandten Organisationen bereits unüberbrückbare Konflikte auftreten (man denke etwa an die K-Gruppen). Entsprechend werden die im nicht tolerierbaren Bereich perzipierten Gegensätze relativiert — auch dies erklärt beispielsweise die Etikettierung der Weimarer Sozialdemokratie als „sozialfaschistisch". Aus diesem Zusammenhang heraus wird aber ebenfalls plausibler, wie es zu derart pauschalen Paktier-Vorwürfen kommen kann. Ein weiteres Erklärungsmoment stellen die für extremistische Denkansätze typischen Verschwörungstheorien dar. Sie sind gleichzeitig ein Indiz für die mangelnde Fähigkeit, komplexe, differenzierte Zusammenhänge wirklichkeitsnah und systematisch zu analysieren. Statt dessen muß nicht selten das Klischee von der Weltverschwörung finsterer Mächte, „der Kapitalisten", „des Bolschewismus", „der Juden" herhalten. Folglich werden real existierende Verbindungen einzelner Politiker und Organisationen zu einem gigantischen Verschwörungskartell aufgebauscht. Der seit den zwanziger Jahren von den Moskau-Kommunisten gebrauchte, pauschalisierende Faschismusbegriff ist daher nicht nur eine Kampf-, sondern gleichermaßen eine Erklärungsformel. Für den orthodoxen Kommunismus ist „Faschismus" seit Georgi Dimitroff die „offene terroristische Diktatur der reaktionärsten, am meisten chauvinistischen, am meisten imperialistischen Elemente des Finanzkapitals" Dieser Faschismusbegriff findet zwar Anwendung auf so unterschiedliche Regime wie das nationalsozialistische System, das Spanien Francos und das Portugal Salazars, in erweiterter Form („faschistoid") auch auf die lateinamerikanischen Diktaturen; „bürgerliche" demokratische Parteien werden mit dieser Formel aber nicht erfaßt Nichts-destoweniger unterstellen orthodoxe Kommunisten mannigfaltige Verbindungskanäle zwischen „Faschisten“ und Demokraten Dies gilt in ähnlicher Form für die Gruppen der „Neuen Linken", die sich allerdings durch einen noch extensiveren Gebrauch des Faschismusbegriffs auszeichnen Damit in engem Zusammenhang steht eine Überschätzung des rechtsextremen Potentials

Die Parallele findet sich auf der „rechten" Seite des extremistischen Spektrums, wo mit Vorliebe die kommunistische Unterwanderung der Sozialdemokratie an den Pranger gestellt wird. Die „Deutsche National-Zeitung" etwa führt seit Jahren eine erbitterte Kampagne gegen die „vaterlandslose" SPD, die zur „Moskau-Fraktion" erklärt wird. Zahllose Artikel behandeln die kommunistische Vergangenheit Herbert Wehners und lassen entsprechende Insinuationen folgen Der Aufbauschung „rechter" Gefahren auf linksextremer Seite entspricht die groteske Überzeichnung des — insbesondere — orthodox-kommunistischen Einflusses in der Bundesrepublik 3. Strategie der Anbiederung Dem Lippenbekenntnis zur Demokratie des Grundgesetzes entspricht bei einigen extremistischen Organisationen eine Anbiederungsstrategie an gesellschaftliche Gruppen, Vereinigungen und politische Parteien, die aufgrund ihrer Mitgliederstrukturen und ihres gesellschaftlichen Stellenwertes von Interesse sind. Im linksextremen Bereich ist hier an vorderster Stelle die Bündnispolitik der DKP zu nennen, die den Einfluß der Partei beachtlich vergrößerte. So konnte 1980 in einem (internen) Brief das Parteipräsidium und Sekretariat an den Vorstand mit gewisser Berechtigung feststellen: „Im Wahlergebnis spiegelt sich unser politischer Einfluß in der außerparlamentarischen Bewegung, in den Betrieben und Hochschulen, unter der jungen Generation, in zahlreichen Städten und Gemeinden nicht wider."

Das Prinzip kommunistischer Einflußstrategie besteht zunächst in dem Versuch, möglichst viele und aussichtsreiche „Aktionsbündnisse" mit Organisationen im Umfeld der . Arbeiterbewegung" zu schließen. Das bedeutet in der Regel festere und langfristigere Zusammenarbeit, während derer die Partei bestrebt ist, Mitglieder aus diesen Organisationen zu rekrutieren. Ist die Tätigkeit erfolgreich, bieten sich als weiterführende Etappe auf dem Weg zur „Diktatur des Proletariats" „VolksfrontBündnisse an, zu denen sich alle „antimonopolistischen" Kräfte eignen (z. B. auch kleine und mittlere Unternehmer) In der Vergangenheit konnte die DKP eine Reihe von Organisationen für ihre Zwecke gewinnen bzw. Tarnorganisationen ins Leben rufen. Auf diese Weise übt der orthodoxe Kommunismus auch einen erheblichen Einfluß auf die Friedensbewegung aus (etwa über die „Deutsche Friedensunion", die „Deutsche Friedens-gesellschaft — Vereinigte Kriegsdienstgegner", das „Komitee für Frieden, Abrüstung und Zusammenarbeit"; diese Organisationen gehören dem „Bundesweiten Koordinationsausschuß" der Friedensbewegung an) Auch in einigen Einzelgewerkschaften des DGB verfügt die DKP über eine gewisse Macht, zumal sie sich engagiert der Sache der Einheitsgewerkschaft annimmt

Organisationen der „Neuen Linken" haben in den letzten Jahren in verstärktem Maße versucht, die Ökologie-und Friedensbewegung zu instrumentalisieren. Einige dogmatische K-Gruppen mußten dabei jedoch erhebliche Mitgliederverluste hinnehmen. Das gilt selbst für den taktisch äußerst flexibel agierenden Kommunistischen Bund Besonders zahlreich beteiligen sich undogmatische Kräfte an diesen Aktionen; sie legen hierbei nicht sel-ten eine gesteigerte Gewaltbereitschaft an den Tag

Im rechtsextremen Bereich fällt besonders die Anbiederungstaktik der NPD auf. Neben der Betonung der Verfassungstreue glaubt die Partei, durch zusätzlichen Verzicht auf in der Öffentlichkeit Anstoß erregende Äußerungen und Verhaltensweisen ihrer desolaten personellen und finanziellen Situation entrinnen zu können. In einem Rundschreiben der Presseabteilung im Parteivorstand heißt es daher, „Vergangenheitsbewältigung 1933— 1945, Rechtfertigung, Verteidigung" hätten „bis auf wenige Anlässe aus der nationaldemokratischen Publizistik zu verschwinden" Dazu sieht sich der zumindest geschäftlich erfolgreiche Manager der „national-freiheitlichen" Organisationen, Dr. Gerhard Frey, nicht genötigt 4. Schlußfolgerungen Aus den vorausgehenden Erörterungen zum Gegensatzpaar Demokratie/Extremismus, über das Verhalten demokratischer Kräfte gegenüber dem demokratischen Gegner wie dem Extremismus und über die Strategien der Extremisten lassen sich einige Folgerungen ziehen. Sie werden thesenartig vorgetragen, so daß es nicht möglich ist, einerseits die Überlegungen nach allen Seiten argumentativ abzusichern und andererseits sämtliche Aspekte gebührend zu berücksichtigen

Hervorzuheben bleibt der häufig unter den Tisch gekehrte Sachverhalt, daß die Demokraten — wo auch immer sie politisch beheimatet sein mögen — bei allen Gegensätzlichkeiten ein Minimum fundamentaler Werte und Spielregeln als politische „Geschäftsgrundlage" akzeptieren und als unverzichtbar ansehen. Um die These zuzuspitzen: Ein Sozialdemokrat, der den linken Flügel seiner Partei repräsentiert, steht einem CSU-Politiker, der seinerseits die Politik des rechten Flügels unterstützt, viel näher als einem Mitglied der DKP. Leider empfinden dies die betreffenden Politiker wohl nicht immer so — ein bedenkliches Symptom dafür, daß Links-Rechts-Kategorisierungen den grundlegenden Unterschied zwischen Demokratie und Extremismus überlagern.

Der Appell an die Gemeinsamkeiten aller Demokraten ist nicht als Plädoyer für eine Volksgemeinschaftsideologie zu verstehen. Er will vielmehr die Basis für den Austrag von Konflikten liefern, ohne daß die Parteien sich bemüßigt sehen, ihre Vorstellungen unablässig mit der vermeintlich höheren Weihe des Verfassungsauftrages zu umgeben Die Liberalität soll und muß gewahrt bleiben. Nach Hans Maier liegt der Streit zwischen den demokratischen Parteien über den Extremismus „viel weniger in der Theorie als vielmehr in der Praxis" Tatsächlich verhält es sich — glücklicherweise — wohl umgekehrt Es gibt zahlreiche Bereiche, in denen die demokratischen Parteien in der Praxis weitgehenden Konsens erzielen, obwohl erbitterte Auseinandersetzungen (besser: Scheingefechte) geführt werden. Das zeigt sich besonders augenfällig bei dem vielleicht innenpolitisch am turbulentesten diskutierten Problem in den siebziger Jahren: der Kontroverse um die Frage „Extremismus und öffentlicher Dienst, Ungeachtet der Heftigkeit der Auseinandersetzungen — die Union witterte vielfach eine Gefahr, die SPD protegiere Verfassungsfeinde mit Pensionsanspruch; die SPD tat so, als ob die Union einer Art von McCarthyismus den Weg ebne — sind sich sowohl informierte Gegner als auch kundige Befürworter der Extremistenregelungen darin einig, daB die tatsächlichen Unterschiede minimaler Natur sind. Hans Maier selbst räumt an anderer Stelle ein, daß der Streit „zur politischen Schauszene (gehöre). Die Geltung der Gesetze und die Praxis ... wird davon weniger betroffen, als man meint"

Das Beispiel der Fernhaltung von Extremisten aus dem öffentlichen Dienst leitet zu folgendem Postulat über: Entweder wird Extremisten die Einstellung in den öffentlichen Dienst verwehrt, oder man macht sich für eine Änderung der Beamtengesetze stark, um auch Extremisten in bestimmten Bereichen des öffentlichen Dienstes zu dulden. Tertium non datur. Es geht nicht an, die Schutzmaßnahmen gegenüber dem Extremismus von rechts zu verstärken gleichzeitig aber entschieden dafür einzutreten, daß Kommunisten im öffentlichen Dienst beschäftigt werden, weil das Grundgesetz eine „antifaschistische" Wertordnung begründe Hellhörigkeit ist überall dort angebracht, wo unter den Feldzeichen des „Antikommunismus'1 oder . Antifaschismus" Anhänger mobilisiert werden sollen. Denn der Begriff „Antikommunist" suggeriert, es reiche für eine demokratische Gesinnung schon aus, gegen den Kommunismus eingeschworen zu sein. Das ist eine notwendige, keine hinreichende Voraussetzung. Schließlich propagieren auch Rechtsextremisten „Antikommunismus". Die gleiche Problematik gilt natürlich umgekehrt für den Begriff Antifaschismus". Links-und rechtsextreme Strömungen müssen unisono abgelehnt werden. So unterschiedlich sie auch sein mögen: Für die Verfechter einer pluralistischen Demokratiekonzeption spielt es nicht die geringste Rolle, mit welcher Rechtfertigung die Freiheit eingeschränkt werden soll. Der Zweck darf niemals die Mittel heiligen, über die Ablehnung des politischen Extremismus muß Einverständnis herrschen. Natürlich werden in einer von Interessengegensätzen und Meinungsverschiedenheiten gekennzeichneten pluralistischen Gesellschaft die Auffassungen darüber weit auseinandergehen, wie der politische Extremismus zu bekämpfen ist. Die Extrempositionen stellen sich folgendermaßen dar:

— Der Extremismus ist mit den Mitteln des Staatsschutzes zu unterbinden. Gegen eine Organisation, die als undemokratisch gilt, muß beim Bundesverfassungsgericht ein Verbotsantrag gestellt werden (Orientierung am Legalitätsprinzip).

— Dem Extremismus kann man nur in der geistig-politischen Auseinandersetzung Herr werden. Institutionelle Maßnahmen sind, sofern sich die extremistische Gefahr in Grenzen hält, schädlich, da sie nicht die Ursachen des Extremismus beseitigen. Es muß im Ermessen der Parteien liegen, ob ein Verbotsantrag gestellt wird (Orientierung am Opportunitätsprinzip). Beide Konzeptionen sind ebenso legitim wie vermittelnde Positionen. Zum Beispiel kann man bei einem Parteienverbot für das Opportunitätsprinzip votieren, beim Komplex der Fernhaltung von Extremisten aus dem öffentlichen Dienst hingegen für das Legalitätsprinzip. Die Ausrichtung an einem der beiden Prinzipien hat logische Konsequenzen. Wer das Legalitätsprinzip präferiert, kann Organisationen nicht als „verfassungsfeindlich" deklarieren, weil er die Möglichkeit hat, einen Verbotsantrag zu stellen. Ein Verfechter des Opportunitätsprinzips hingegen muß (antidemokratische) Organisationen als „verfassungsfeindlich" bezeichnen, da er von einem Verbot keinen Gebrauch machen will. Verzichtet er darauf, so wird der politische Extremismus nicht mehr beim Namen genannt. Hier ist aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit eine strikte Trennung zu beachten, die freilich vielfach nicht beherzigt wird

Wie die überzogenen Kampagnen gegenüber dem demokratischen politischen Gegner zeigen, herrscht eine Lagermentalität vor, welche die faktischen Gegensätze zwischen den demokratischen Parteien hypostasiert und die Energien am falschen Platz bindet. Gewiß, (Schein-) Kontroversen, vor der Wahl beispielsweise, entspringen dem politischen Tageskampf, und grobkörnige Zuspitzungen vor wichtigen Entscheidungen wie dem NATO-Doppelbeschluß sind ein wohl unvermeidlicher Bestandteil des Polit-Rituals Trotz allem kann man sich mit dem gegenwärtigen Zustand nicht zufriedengeben, vergrößert sich doch dadurch „die Diskrepanz zwischen der öffentlichen Darstellung, Vermittlung und Wahrnehmung von Politik und der überwiegend graduellen Struktur eher diskret ablaufender politischer Entscheidungsprozesse Welche Möglichkeiten bieten sich an, um systematisch betriebene Entgleisungen, Verbalinjurien wie verzerrend-irritierende Äußerungen wenn nicht zu vermeiden, so doch einzudämmen? Institutioneile Regelungen sind dafür wohl untauglich Es bleibt im Grunde nur der „Appell" an die Parteien, die öffentliche Meinung und an den — vielzitierten — mündigen Staatsbürger. Hier hat die politische Bildung die Aufgabe, vor den potentiell zerstörerischen Wirkungen solcher Diffamierungs-und Verteufelungskampagnen zu warnen. Wenn der Bürger in hohem Maße Sensibilität an den Tag legt und entsprechende Konsequenzen zieht (im Extremfall: Wahl einer anderen Partei wegen „plumper" Propaganda), werden die Parteien sich vermutlich gewisser Zurückhaltung befleißigen. Diese wird um so größer sein, je wahrscheinlicher ein „Bumerangeffekt" ist: Unfaire Angriffe mobilisieren wohl den eigenen Anhang, rufen bei dem nicht festgelegten Teil der Wähler hingegen ein stärker negatives Echo hervor.

Manch ein krittelnder Zeitgenosse (zumal aus der jüngeren Generation) sieht die demokratische Ordnung als allzu selbstverständlich an. Verlöre er die Freiheiten, die er heute besitzt und nicht immer würdigt, würde er ihren tatsächlichen Wert erfahren. Daß das nicht geschieht, gehört mit zu den vorrangigen Aufgaben demokratischer Politik. Ein Student, der nach einjähriger Haftstrafe von der DDR in die Bundesrepublik übersiedeln konnte, äußerte sich über seine Eindrücke in der neuen „Heimat" folgendermaßen: „Die Demokratie ist ein zu kostbares Gut, als daß man es leichtfertig aufs Spiel setzen darf; vielleicht kann es nur derjenige richtig schätzen und achten, der selbst erlebt hat, daß es auch anders geht.. Die in Teilen der Friedensbewegung verbreitete Berufung auf ein Wider-standsrecht ist in einer Gesellschaft, die den Austrag alternativer Positionen nicht nur ermöglicht, sondern sogar wünscht, so kühn wie weltfremd Dies ist auch ein Symptom für geistige Verirrung und Verwirrung — ein gesinnungsethischer Moralismus kann so zur Relativierung der Unterschiede zwischen Extremismus und Demokratie beitragen.

Von einer Selbstzerstörung der Demokratie die zum Teil (gerade bei der älteren Generation) kulturpessimistisch an die Wand gemalt wird, ist die Bundesrepublik weit entfernt. Die Notwendigkeit der Bekämpfung des Extremismus kann nicht als Alibi dienen, um gesellschaftsverändernde Politik, die sich im weitgefaßten Rahmen des Grundgesetzes bewegt, ins demokratische Abseits zu stellen. Die so unnachsichtige wie besonnene Ablehnung des politischen Extremismus steht nicht im Gegensatz zu einer Politik, die die Demokratie weiter ausbauen will. übertriebene gesellschaftspolitische Starrheit leistet vielmehr nur dem Extremismus Vorschub. Eine „parteiideologische Funktionale sierung des Grundgesetzes ist ebensowenig angebracht wie das Gegenteil — eine „Bekenntnisorgie" der Parteien, verbunden mit der Behauptung, man stehe selbst fester auf dem Boden der Verfassung als der andere. Das erste führt zu einer parteipolitischen Polarisierung, das zweite zu einem tendenziellen Verzicht auf eigenständige Politik, unter Umständen zur Politikverachtung. Was not tut, sind vielmehr Argumentationshilfen für demokratische Kräfte im Kampf gegen den Extremismus, um zu verhindern, daß politische „Rattenfänger" leichtes Spiel haben.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. E. Fraenkel, Strukturanalyse der modernen Demokratie, in: ders., Reformismus und Pluralismus. Materialien zu einer ungeschriebenen politischen Autobiographie, zusammengestellt und herausgegeben von F. Esche und F. Grube, Hamburg 1973, S. 404— 433.

  2. K. R. Popper, Die offene Gesellschaft und ihre Feinde, Bd. I: Der Zauber Platons (1944), München 19806, S. 174f.

  3. Vgl. K. D. Bracher, Art. „Diktatur“, in: ders. /E. Fraenkel (Hrsg.), Staat und Politik, Neuausgabe, Frankfurt a. M. 1964, S. 79— 82.

  4. Das Begriffspaar der „offenen" und der „geschlossenen Gesellschaft" geht zurück auf den französischen Philosophen H. L. Bergson. K. R. Popper hat die Terminologie von dort übernommen; vgl. Popper, a. a. O. (Anm. 3), S. 269.

  5. Vgl. W. Conze/R. Koselleck/H. Maier u. a„ Art. „Demokratie“, in: O. Brunner/W. Conze/R. Koselleck (Hrsg.), Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, Bd. 1, Stuttgart 1972, S. 821— 899; Chr. Meier, Entstehung des Begriffs „Demokratie“. Vier Prolegomena zu einer historischen Theorie, Frankfurt a. M. 1977 ’.

  6. Vgl. zu diesem Begriff: E. Forsthoff, Rechtsstaat im Wandel. Verfassungsrechtliche Abhandlungen 1954— 1973, München 19762.

  7. Vgl. E. Hübner/H. Oberreuter, Parlament und Regierung. Ein Vergleich dreier Regierungssysteme, München 1977, S. 58— 78; W. Steffani, Pluralistische Demokratie. Studien und Praxis, Opladen 1980, S. 117— 147; D. Stemberger, Gewaltenteilung und parlamentarische Regierung in der Bundesrepublik Deutschland, in: K. Kluxen (Hrsg.), Parlamentarismus, Königstein/Ts. 19805, S. 325— 339.

  8. Vgl. E. Fraenkel, Der Pluralismus als Strukturelement der freiheitlich-rechtsstaatlichen Demokratie (1964), in: ders., Deutschland und die westlichen emokratien, Stuttgart-Berlin-Köln-Mainz 19797, 8. 197- 221; H. Oberreuter, Pluralismus und Antipluralismus, in: ders. (Hrsg.), Pluralismus. Grundlegung und Diskussion, Opladen 1980, S. 13- 35. Grundlegend: H. Kremendahl, Pluralismustheorie in Deutschland. Entstehung, Kritik, Perspektiven, Leverkusen 1977.

  9. Vgl. hierzu: J. Linz, Totalitarian and Authoritanan Regimes, in: F. I. Greenstein/N. W. Polsby Lus.), Handbook of Political Science, Bd. 3, Reading (Mass) 1975S. 175— 411.

  10. Vgl. dazu das Standardwerk von K. D. Bracher, ie Auflösung der Weimarer Republik. Eine Studie um Problem des Machtverfalls in der Demokratie, monigstein/Ts. -Düsseldorf 1 978 5.

  11. So J. Freund, Demokratien ohne Demokraten, D G 'Kaltenbrunner (Hrsg.), Rückblick auf die wemokratie. Giß 1977, S. 22. t es Alternativen?, Freiburg-Basel-Wien

  12. Vgl. K. D. Bracher, Zeit der Ideologien. Eine Geschichte politischen Denkens im 20. Jahrhundert, Stuttgart 1982, insbes. S. 331— 350; M. Hättich, Demokratie und Demokratismus — Zum Demokratieverständnis der „Neuen Linken", in: E. K. Scheuch (Hrsg.), Die Wiedertäufer der Wohlstandsgesellschaft. Eine kritische Untersuchung der „Neuen Linken" und ihrer Dogmen, Köln 19683, S. 150— 161.

  13. So die einflußreiche Schrift von H. Marcuse, Repressive Tolerance, in: R. P. Wolff/B. Moore/H. Marcuse, A Critique of Pure Tolerance, Boston 19692, S. 81— 123 (PostScript 1968).

  14. Vgl. H. -D. Bamberg, a. a. O. (Anm. 1), S. 14.

  15. Zur Pluralismuskritik von „links": H. Kremendahl, a. a. O. (Anm. 9), S. 237— 409; W. Steffani, a. a. O. (Anm. 8), S. 59— 61.

  16. Vgl. J. Galtung, Strukturelle Gewalt. Beiträge zur Friedens-und Konfliktforschung, Reinbek 1982. Zur Gewaltdiskussion weiterhin: O. Rammstedt (Hrsg.), Gewaltverhältnisse und die Ohnmacht der Kritik, Frankfurt a. M. 1974; K. Röttgers/H. Saner (Hrsg.), Gewalt. Grundlagenprobleme in der Diskussion der Gewaltphänomene, Basel-Stuttgart 1978; W. Salewski/P. Lanz, Die neue Gewalt und wie man ihr begegnet, Locarno-Zürich 1978.

  17. BVerfGE 2, 12f.

  18. Vgl. die in Anm. 8 aufgeführten Titel und die darin enthaltenen Hinweise.

  19. Anderer Auffassung: H. Grebing, Linskradikalismus gleich Rechtsradikalismus. Eine falsche Gleichung, Stuttgart 1971.

  20. Vgl. H. D. Bracher, a. a. O. (Anm. 13), S. 213-238.

  21. Vgl. ebd., S. 150— 169.

  22. Vgl. dazu allgemein: W. G. Gibowski, Die Bedeutung der Links-Rechts-Dimension als Bezugsrahmen für politische Präferenzen, in: PVS 18, (1977), S. 600— 626; J. A Laponce, Left and Right. The Topography of Political Perceptions, Toronto-Bunalo-London 1981; J. B. Müller, Politische Attitüden links und rechts, in: Civitas, 16 (1979), S. 154— 170.

  23. Statt dessen schlägt Lipset eine Rechts-Links-Dimensionierung des politischen Extremismus parallel zum demokratischen Spektrum vor: S. M. LiP set, Soziologie der Demokratie, Neuwied-Berlin 1962, S. 131— 189.

  24. Vgl. H. J. Eysenck, The Psychology of Politics (1954), London 19695, S. 111.

  25. Dafür beispielhaft: R. Kühnl, Formen bürgerlicher Herrschaft: Liberalismus — Faschismus, Reinbek 1971.

  26. Vgl. etwa H. Mommsen, in: Totalitarismus und Faschismus. Eine wissenschaftliche und politische Begriffskontroverse, München 1980, S. 18— 27; E. Hennig, Faschismus vor 1933 und nach 1945. Anmerkungen zu einem Kampfbegriff, in: G. Paul/B. Schoflig (Hrsg.), Jugend und Neofaschismus. Provokation oder Identifikation, Frankfurt a. M. 1979, S. 64— 74.

  27. Dazu generell K. D. Bracher, Zeitgeschichtliche Kontroversen. Um Faschismus, Totalitarismus, Demokratie, München 19804.

  28. Vgl. H. D. Klingemann/F. U. Pappi, Politischer Radikalismus. Theoretische und methodische Probleme der Radikalismusforschung, dargestellt am Beispiel einer Studie anläßlich der Landtagswahl 1970 in Hessen, München-Wien 1972. Der Wort-gebrauch wurde übernommen bei: Infratest Wirtschaftsforschung GmbH, Politischer Protest in der Bundesrepublik Deutschland. Beiträge zur sozial-empirischen Untersuchung des Extremismus, Stuttgart-Berlin-Köln-Mainz 1980; siehe auch: M. Kaase/H. D. Klingemann, Art. „Radikalismus", in: M. Greiffenhagen/S. Greiffenhagen/R. Prätorius (Hrsg.), Handwörterbuch zur politischen Kultur der Bundesrepublik Deutschland, Opladen 1981, S. 393— 395.

  29. Vgl. etwa: W. Maihofer, Politische Kriminalität in: M. Funke (Hrsg.), Extremismus im demokratischen Rechtsstaat. Ausgewählte Texte und Materialien zur aktuellen Diskussion, Bonn 1978, S. 327 bis 334.

  30. Vgl. M. Funke, Extremismus und offene Gesellschaft — Anmerkungen zur Gefährdung und Selbstgefährdung des demokratischen Rechtsstaates, in: ebd., S. 15— 46.

  31. Vgl. noch: E. K. Scheuch, Theorie des Rechtsradikalismus in westlichen Industriegesellschaften, in: Hamburger Jahrbuch für Wirtschafts-und Gesellschaftspolitik, 12 (1967), S. 11— 29; später ders„ Die NPD als rechtsextreme Partei, in: Hamburger Jahrbuch für Wirtschafts-und Gesellschaftspolitik, 15 (1970), S. 321— 333; ders., Politischer Extremismus in der Bundesrepublik, in: Rl Löwenthal/H. -P. Schwarz (Hrsg.), Die zweite Republik. 25 Jahre Bundesrepublik Deutschland — eine Bilanz, Stuttgart 1974 3, S. 433— 469, insbes. S. 462 f.

  32. Vgl. J. Cropsey, Radicalism and its Roots, in: Public Policy, 18 (1970), S. 301— 319; G. Lagneau, „Radicalism", „Radicalisme". Essai didentification des idologies radicales, in: LAnne Sociologigue, 22 (1972), S. 129— 152; N. Rotenstreich, On Radicalism, in: Philosophy of the Social Sciences, 4 (1974). S. 169— 182.

  33. Vgl. K. Gerteis, Radikalismus in Deutschland vom 16. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts, in: Trierer Beiträge, 11 (1982), S. 30— 38; A. Meusel, Der Radikalismus, in: Kölner Vierteljahreshefte für Soziologie, 4/5 (1924/26), S. 44— 68.

  34. Bundesministerium des Innern (Hrsg.), betrifft: Verfassungsschutz '80, Bonn 1981, S. 5 f.

  35. Bundesministerium des Innern (Hrsg.), betrifft: Verfassungsschutz '82. Bonn 1983, S. 7.

  36. Vgl. W. Wolf, Der Wahlkampf, Köln 1980, S. 219.

  37. Ebd.

  38. Ebd., S. 186.

  39. So J. Agnoli, Die Transformation der Demokratie, Frankfurt a. M. 1968, S. 40.

  40. Vgl. statt vieler U. Schmiederer/H. Becker-Panitz, Pepsi-oder Coca Cola?, in: Links, (1976) 6, S. 22. Auch die im Januar 1982 verbotene rechtsextreme „Volkssozialistische Bewegung/Partei der Arbeit" schrieb in einem ihrer Pamphlete: „Der Unterschied zwischen SPD/FDP und CDU/CSU ist genau so groß wie zwischen Coca-und Pepsi-Cola. Inhalt ist gleich, nur die Flaschen ändern sich." Zit. nach D. Strothmann, Die tiefen Wurzeln, in: Die Zeit vom 5. Februar 1982.

  41. R. Löwenthal, Stabilität ohne Sicherheit, in: Der Monat, 30 (1978) 271, S. 77.

  42. Zit. nach G. Wewer, Zur Problematik von Wahlkampfabkommen: Das Beispiel der Vereinbarungen vom 19. März 1980, in: ZParl, 11 (1980), S. 271.

  43. Th. Ellwein, Das Regierungssystem der Bundesrepublik Deutschland, Opladen 19774, S. 198 (Hervorhebungen von Ellwein).

  44. Wolf, a. a. O. (Anm. 37), S. 227 f.

  45. Vgl. Stenographische Berichte der Plenarsitzungen des Deutschen Bundestages, 7. Wahlperiode, 79. Sitzung vom 14. Februar 1974, und 80. Sitzung vom 15. Februar 1974, S. 5002— 5109, 5139— 5205.

  46. Vgl. hierzu: E. Benda, Abschließende Äußerungen, in: ders. /W. Maihofer/H. -J. Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Berlin-New York 1983, S. 1333 bis 1338; H. Vorländer, Verfassung und Konsens. Der Streit um die Verfassung in der Grundlagen-und Grundgesetz-Diskussion der Bundesrepublik Deutschland, Berlin 1981, S. 111— 136; W. Horn, Verfassung als Parteiprogramm? Anmerkungen zur Kontroverse um das Grundgesetz nach 25 Jahren, s 3A 8 Politik und Zeitgeschichte, B 51— 52/74, S. 3-16

  47. A Dregger, a-a. O. (Anm. 46), S. 5005.

  48. H Schuchardt, a. a. O. (Anm. 46), S. 5102.

  49. Vgl. für Einzelheiten: Stenographische Berichte ber Plenarsitzungen des Deutschen Bundestages, 8 Wahlperiode, 21. Sitzung vom 12. Februar 1981, S. 890— 900. K

  50. Vgl. Die Anti-Terror-Debatten im Parlament. Protokolle 1974— 1978, zusammengestellt und kommentiert von H. Vinke und G. Witt, Reinbek/Hamburg 1978.

  51. Vgl. H. Vinke, Mit zweierlei Maß. Die deutschen Reaktionen auf den Terror von rechts. Eine Dokumentation, Reinbek 1981. Allerdings ist die Kommentierung und Zusammenstellung nicht frei von Einseitigkeiten. Weiterhin: Th. Wittke, Mit zweierlei Maß? Über Ursachen und Ausprägungen unterschiedlicher Reaktionsmuster auf den Terrorismus von links und rechts in der Bundesrepublik, in: Liberal, 24 (1982), S. 187— 197.

  52. Freilich sind rühmliche Ausnahmen zu verzeichnen. Vgl. etwa O. K. Flechtheim/W. Rudzio/F. Vilmar/M. Wilke, Der Marsch der DKP durch die Institutionen. Sowjetmarxistische Einflußstrategien und Ideologien, Frankfurt a. M. 1980.

  53. Vgl. U. Backes/E. Jesse, Totalitarismus — Extremismus — Terrorismus. Ein Literaturführer, Opladen i. E.

  54. Es ist abgedruckt unter dem Titel „Die (un) heimliche Staatsgewalt. Thesen und Forderungen zur Reform des Verfassungsschutzes mit einem begründeten Memorandum", vorgelegt von der Humanistischen Union, in: Vorgänge, 21 (1982) 55, S. 75 bis 113.

  55. Ebd„ S. 79.

  56. Ebd., S. 80.

  57. Ebd., S. 83.

  58. Vgl. Presse-und Informationszentrum des Deutschen Bundestages (Hrsg.), Datenschutz. Erster Tätigkeitsbericht des Bundesbeauftragten für den Datenschutz, Bonn 1979, S. 74.

  59. Was hier an einem Beispiel von „links" dargelegt worden ist, hätte auch an einem von „rechts“ gezeigt werden können; vgl. etwa die Sammlung von Aufsätzen aus der Zeitschrift " Criticon’ A Schrenck-Notzing/A Mohler (Hrsg.), Deutsche Identität, Krefeld 1982. So beschränkt sich Kurt Heißig („Der Zeitgeist sucht nach Opfern", S. 104 bis 124) nicht auf eine Kritik der umstrittenen „Sinus" -Studie, wonach 13 Prozent der wahlberechtigten Bürger der Bundesrepublik ein geschlossenes rechtsextremes Weltbild haben sollen, sondern attackiert Martin Greiffenhagen, der das aufbereitete Material zur Verwendung empfiehlt, ohne daß gründliche psychologische und soziologische Kenntnisse erforderlich sind. Laut Heißig sei damit „der Gedanke einer unausgewogenen und damit letztlich totalitären Erziehung nicht mehr weit (ebd., S. 124), obwohl Greiffenhagen eigens vor Fehlinterpretationen warnt, „damit nicht das gesamte rechte politische Spektrum in den Verdacht des Rechtsextremismus gerät". So M. Greiffenhagen, Vorwort, in: „Wir sollten wieder einen Führer haben .... Die SINUS-Studie über rechtsextremistische Einstellungen bei den Deutschen, Reinbek 1981, S. 13.

  60. Vgl. nur: Adolf Hitler in einer Geheimrede auf der „Ordensburg" Sonthofen vor dem „Politischen Führernachwuchs" am 23. November 1937, in: H. Picker, Hitlers Tischgespräche im Führerhauptquartier, Stuttgart 1981 A S. 488 f.

  61. Vgl. Programm der Kommunistischen Partei Deutschlands (Marxisten-Leninisten), (Stand: 6. Januar 1983).

  62. So M. Kühnen in einer Rede am 22. April 1978, abgedruckt bei: K. -K. Rabe (Hrsg.), Rechtsextreme Jugendliche. Gespräche mit Verführern und Verführten, Bornheim-Merten 1980, S. 147.

  63. Programm der Deutschen Kommunistischen Partei, hrsg. vom Parteivorstand der Deutschen Kommunistischen Partei, Düsseldorf 1978, S. 6.

  64. Vgl. Bundesministerium des Innern, a. a. O. (Anm. 36), S. 29

  65. Vgl.: Die Friedensbewegung plant die Blockade des Hamburger Hafens, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) vom 23. 8. 1983, S. 4; Die Unfriedlichen in der Friedensbewegung, in: FAZ vom 25. 8. 1983, S. 4; Die DKP — Manager der Friedensbewegung, in: FAZ vom 31. 8. 1983, S. 4. Aufruf der „kommunistischen Parteien auf deutschem Boden", in: FAZ vom 28. 9. 1983, S. 4. Besonders auch: R. Bahro, Die DKP in der Friedensbewegung und das Elend des Minimalkonsens, in: taz vom 19. 10. 1982, S. 9; ders., Wahnsinn mit Methode. Uber die Logik der Blockkonfrontation. Die Friedensbewegung, die Sowjetunion und die DKP, Berlin 1982, S. 96— 143.

  66. Programm der NPD, Düsseldorfer Programm — Neufassung 1973, S. 6f.

  67. Die entsprechenden Belege bei P. Dudek/H. -G. Jaschke, Die Deutsche National-Zeitung. Inhalt, Geschichte, Aktionen, München 1981, insbes. S. 58 bis 77, 98— 124.

  68. Bundesministerium des Innern, a. a. O. (Anm. 36), S. 119.

  69. Die . Aktion Ausländerrückführung" beispielsweise erzielte bei der hessischen Landtagswahl im September 1983 nur magere Erfolge: das beste Ergebnis im Wahlkreis Fulda mit 0, 4%, das schlechteste im Wahlkreis Frankfurt IV mit 0, 2% oder 124 Stimmen (nach: FAZ vom 27. 9. 1983, S. 5). Vgl. auch: G. Deckert, Ausländerstopp. Handbuch gegen Überfremdung, Kiel 1981.

  70. Vgl. dazu W. Elfferding, Notiz zum Diskurs des „Heidelberger Manifest", in: Das Argument, 25 (1983), 138, S. 254— 260; H. Kühnert Rassistische Klänge. Was sich deutsche Professoren bei der Unterschrift unter das „Heidelberger Manifest" dachten, in: Die Zeit vom 5. 2. 1982, S. 61 (Abdruck des „Manifestes" anbei).

  71. Vgl. W. Alff, Der Begriff Faschismus, in: ders. Der Begriff Faschismus und andere Aufsätze zur Zeitgeschichte, Frankfurt a. M. 1971, S. 14— 50; siehe insbes. E. Nolte (Hrsg.), Theorien über den Faschismus, Köln-Berlin 19702.

  72. Vgl. Art. „Faschismus", in: Marxistisch-leninistisches Wörterbuch der Philosophie, hrsg. von G. Klaus und M. Buhr, Band 1, Reinbek 1972 3, S. 403.

  73. Vgl. ebd., S. 404: „So wäre es auch grundfalsch, davon zu sprechen, daß sich die Grenzen zwischen Neofaschismus, rechter Gefahr im allgemeinen und den anderen bürgerlichen Parteien verwischen.

  74. Vgl. exemplarisch: R. Kühnl, Die von F. J. Strauß repräsentierten politischen Kräfte und ihr Verhältnis zum Faschismus. Ein Gutachten, Köln 1980; Präsidium der WN/Bund der Antifaschisten (Hrsg.), Rechtsentwicklung und Neofaschismus in der Bundesrepublik Deutschland, Frankfurt a. M. 1980; M. Weißbecker, Der Faschismus in der Gegenwart: Grundlagen — Erscheinungsformen — Aktivitäten — Organisationen, in: K. Drobisch u. a„ Faschismus in Deutschland. Faschismus der Gegenwart, Köln 1980, S. 249— 279.

  75. Vgl. beispielsweise die — kontroverse — Faschismusdiskussion, in: Ästhetik und Kommunikation, 9 (1978) 2, S. 59— 122.

  76. Vgl. nur: Antifaschismus-Kommission des KB (Hrsg.), Wer mit wem? Braunzonen zwischen CDU/CSU und Neonazis. Ein Nachschlagewerk für Antifaschisten, Hamburg 1981; N. Neumann/J. Maes, Der geplante Putsch. Die Rechte in der BRD — ihre Hintermänner und ihre Organisation, Hamburg

  77. Mit weiteren Belegen: Dudek/Jaschke, a. a. O. (Anm. 68), S. 146— 156.

  78. Vgl. ebd., S. 156— 159.

  79. Zitiert nach: P. Meier-Bergfeld, Die Bündnispolitik der Deutschen Kommunistischen Partei, in: Bundesministerium des Innern (Hrsg.), Sicherheit in der Demokratie. Die Gefährdung des Rechts-staats durch Extremismus, Köln-Berlin-Bonn-München 1982, S. 91.

  80. Vgl. E. -P. Müller, Die Bündnispolitik der DKP. Ein trojanisches Pferd, Köln 1982.

  81. Vgl. Innere Sicherheit, hrsg. vom Bundesministerium des Innern, (1983) 68, S. 4— 14.

  82. Vgl. O. K. Flechtheim u. a., a. a. O. (Anm. 53).

  83. Bundesministerium des Innern, a. a. O. (Anm. 36), S. 85.

  84. Vgl. ebd., S. 78— 97.

  85. Vgl. ebd., S. 138.

  86. Vgl. ebd., S. 141.

  87. Ausgeklammert bleibt beispielsweise das diffizile Problem der fließenden Grenze zwischen Demokraten und Extremisten. So klar die Trennungslinie theoretisch zu ziehen ist, so schwierig sieht die Unterscheidung mitunter in der Praxis aus.

  88. Dazu noch immer wichtig: R. Leicht, Grundgesetz und politische Praxis. Parlamentarismus in der Bundesrepublik, München 1974, insbes. S. 131-141.

  89. Vgl. H. Maier, a. a. O. (Anm. 46), S. 5090.

  90. Vgl. Komitee für Grundrechte und Demokratie (Hrsg.), Ohne Zweifel für den Staat. Die Praxis zehn Jahre nach dem Radikalenerlaß, Reinbek 1982 S. 116— 129 (mit ausführlichen, nach Bundesländern gesondert aufgeführten Zahlenangaben).

  91. Vgl. P. Frisch, Extremistenbeschluß, Leverkusen 1977 S. 11 — 13.

  92. Vgl. H. Maier, Unser Recht auf treue Beamte. Zur Kritik am „Radikalenbeschluß", in: FAZ vo® 15. 6. 1976.

  93. Vgl. etwa G. Stuby/M. Kutscha, Handhaben gegen den Neofaschismus in Grundgesetz und Völkerrecht, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, 25 (1980), S. 1169— 1181.

  94. Vgl. in diesem Sinne M. Kutscha, Verfassung und „streitbare Demokratie". Historische und rechtliehe Aspekte der Berufsverbote im öffentlichen Dienst, Köln 1979; G. Stuby, Das Berufsverbot als " affe gegen die verfassungsrechtlichen Grundlagen der Demokratie, in: U. Mayer/G. Stuby (Hrsg.), Bas lädierte Grundgesetz. Beiträge und Doku-Wente zur Verfassungsgeschichte 1949— 1976, Köln

  95. So spricht sich H. H. Klein, Staatsrechtler und Bundestagsabgeordneter der CDU, für das Legalitätsprinzip aus, etikettiert im selben Zusammenhang aber nicht verbotene Parteien als „verfassungsfeindlich"; vgl.ders., Verfassungstreue und Schutz der Verfassung, in: Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer, 37 (1979), S. 71, S. 73f.; D. Grimm hingegen plädiert für das Opportunitätsprinzip und gleichzeitig dafür, daß allen legalen Parteien ebenso wie ihren Mitgliedern keine Nachteile erwachsen; siehe D. Grimm, Politische Parteien, in: E. Benda/W. Maihofer/H. -J. Vogel, a. a. O. (Anm. 47), S. 338 f.

  96. Mag CDU-Generalsekretär Heiner Geißler auch die Solidarität der Demokraten im Auge haben und bestimmte Entwicklungen innerhalb der Sozialdemokratie zu Recht brandmarken, so ist die Art und Weise seiner ausfallenden Kritik kein Beitrag zur Verteidigung der Demokratie.

  97. U. Sarcinelli, Grundsatzpolitische Kontroversen der Bundestagsparteien als Versuche gegenseitiger Positionsfixierung, in: H. Kaack/R. Roth (Hrsg.), Handbuch des deutschen Parteiensystems, Band 2, S. 98f. (Hervorhebung von Sarcinelli).

  98. Vgl. etwa die Kritik am Wahlkampfabkommen und der Schiedsstelle von G. Wewer, Regeln für den Wahlkampf? in: Gegenwartskunde, 31 (1982), S. 21— 31; ders., Den Wahlkampf befrieden?, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 14— 15/82, S. 29— 46.

  99. Vgl. hierzu W. Wolf, a. a. O. (Anm. 37), insbes. S. 220— 226. Der Autor nennt (ebd., S. 224) als typische Beispiele für diesen Effekt die Attacken Adenauers im Bundestagswahlkampf 1961 gegenüber dem Kanzlerkandidaten der SPD (z. B. „Brandt alias Frahm") oder die ressentimentgeladenen Reden Erhards im Jahre 1965 gegenüber bestimmten Schriftstellern („Pinscher und Uhus").

  100. M. Bothe, Die Acht-Stunden-Ideologie, in: G. Finn/L. Julius (Hrsg.), Von Deutschland nach Deutschland. Zur Erfahrung der inneren Übersiedlung, Bonn 1983, S. 68.

  101. Vgl. jüngst die Beiträge von K. Kröger, M. Kriele, T. Rendtorff und C. Arndt, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 39/83, S. 3— 11, S. 12— 24, S. 2531, S. 32— 41. Auch die „Humanistische Union“ proklamiert kein Widerstandsrecht gemäß Art. 20, 4 GG, sondern ein gewaltfreies Widerstandsrecht im Sinne des zivilen Ungehorsams: „Gewaltfreies Widerstehen ist ein Bürgerrecht". „Aus einer Entschließung der Humanistischen Union“, in: Kritische Justiz, 16 (1983), S. 343.

  102. Vgl. mit diesem Tenor W. Leisner, Demokratie — Selbstzerstörung einer Staatsform?, Berlin 1979; ders., Die demokratische Anarchie. Verlust der Ordnung als Staatsprinzip?, Berlin 1982.

  103. So treffend M. Kriele, Das Grundgesetz im Parteienkampf, in: ders., Legitimationsprobleme der Bundesrepublik, München 1977, S. 133 (Hervorhebung von Kriele).

  104. B. Hirsch, a. a. O. (Anm. 46), S. 5026.

  105. Vgl. hierzu W. Becker, Die Freiheit, die wir meinen. Entscheidung für die liberale Demokratie, München 1982.

Weitere Inhalte

Uwe Backes, geb. 1960, Studium der Politikwissenschaft, Geschichtswissenschaft und Germanistik; Doktorand im Fach Politikwissenschaft an der Universität Trier. Veröffentlichungen u. a.: Totalitarismus — Extremismus — Terrorismus, Opladen i. E. (mit Eckhard Jesse); Der neue Rechtsextremismus in der Bundesrepublik Deutschland, in: Neue Politische Literatur 27 (1982) 2, S. 147— 201. Eckhard Jesse, Dr. phil., geb. 1948; Dipl. -Politologe, Hochschulassistent im Fach Politikwissenschaft an der Universität Trier. Veröffentlichungen u. a.: Die Demokratie der Bundesrepublik Deutschland, Berlin 19826; Literaturführer: Parlamentarische Demokratie, Opladen 1981; Die Gestaltung des Wahlrechts in der Bundesrepublik Deutschland (erscheint 1984); Herausgeber der Buchreihe „Beiträge zur Zeitgeschichte“ (mit Peter Haungs).