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Zur betrieblichen Vermögensbeteiligung Eine Erwiderung auf Claus Schäfer | APuZ 39/1978 | bpb.de

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APuZ 39/1978 Artikel 1 Wirtschaftspolitische Gipfelkonferenzen Versuch einer internationalen „konzertierten Aktion" Betriebliche Vermögensbeteiligung -aus der Sicht der Gewerkschaften Eine Stellungnahme zum Beitrag vonH. -G. Guski/H. J. Schneider in B 10/78 Zur betrieblichen Vermögensbeteiligung Eine Erwiderung auf Claus Schäfer Konservativ-ordoliberale Wohlfahrtsstaatskritik und das Konzept der Neuen Sozialen Frage Sozialpolitik mit unterschiedlichen Vorzeichen Eine Erwiderung auf den Beitrag von Siegmar Mosdorf

Zur betrieblichen Vermögensbeteiligung Eine Erwiderung auf Claus Schäfer

Hans-Günter Guski /Hans J. Schneider

/ 11 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Aus Politik und Zeitgeschichte, B 39/78, S. 31— 35

In seinem Aufsatz zur betrieblichen Vermögensbeteiligung setzt sich Claus Schäfer überwiegend mit dem von uns verfaßten Beitrag, der in der Beilage Heft 10/77 veröffentlicht worden ist, kritisch auseinander. Schäfers Darlegungen zeigen dabei ein gewisses Maß an unrichtigen Behauptungen und falschen Interpretationen der Ergebnisse unserer Bestandsaufnahme der betrieblichen Vermögensbeteiligung auf, das geeignet ist, die Diskussion um dieses wichtige gesellschaftspolitische Thema eher zu verwirren als aufklärende Informationen zu liefern.

Es ist daher begrüßenswert, daß die Redaktion der „Beilage" hiermit Gelegenheit zu einer Erwiderung bietet. Auf diese Weise kann das vielschichtige Thema „Mitarbeiter-Kapitalbeteiligung" aufgehellt und einer breiten Leserschaft verständlicher gemacht werden.

Der für die Entgegnung zur Verfügung stehende Raum gestattet allerdings keine komplette Antwort auf alle strittigen Fragen. Deshalb kann an dieser Stelle nur schwerpunktartig auf die wichtigsten unterschiedlichen Auffassungen eingegangen werden.

Schäfer begründet die Kritik der Gewerkschaften gegen die betriebliche Vermögensbeteiligung zum einen mit „grundsätzlichen Bedenken" und zum andern mit „vielfältigen Gefahren für die Arbeitnehmer und den Staat“; in einem dritten Teil versucht Schäfer den Nachweis zu führen, daß die Gewerkschaften einhellig die Beteiligung der Arbeitnehmer am betrieblichen Vermögen ablehnen. Auf diese drei Themenkreise wollen wir kurz eingehen.

Zu den grundsätzlichen Bedenken Schäfers grundsätzliche Bedenken gipfeln in der Behauptung, die Arbeitnehmer hätten praktisch keine materiellen Vorteile, weil sie den überwiegenden Teil der Mittel zur Begründung einer Kapitalbeteiligung selber aufbringen müssen.

Die Ergebnisse unserer Bestandsaufnahme zeigen jedoch ein völlig anderes Bild: Im mittelständischen Bereich werden die Kapitalanteile der Mitarbeiter in überwiegendem Maße (in rund 90 ®/o der Fälle) von den Unternehmen finanziert, davon in zwei Drittel aller Fälle sogar ausschließlich Warum verschweigt Schäfer diesen Tatbestand? Statt dessen spricht er nur die Besonderheiten beim Erwerb von Belegschaftsaktien an.

In diesem Zusammenhang ist es zwar richtig zu sagen, in den meisten Fä. len seien beim Erwerb von Belegschaftsaktien sog. Eigenleistungen (d. h. Aufwendungen aus laufenden Einkommen oder von Ersparnissen) erforderlich, Schäfer vergißt jedoch auch hier die Ergebnisse der Praxis zu erwähnen: In der Mehrzahl (rund 63 °/o) übertragen die Unternehmen ihren Mitarbeitern die Belegschaftsaktien zum mindestens halben Kurswert, von den sonstigen unternehmerischen Nebenleistungen abgesehen

Nur durch Weglassen dieser Fakten und gleichzeitiges Zitieren unserer Aussagen „beim Erwerb von Belegschaftsaktien sind Eigenleistungen die Norm . . ." kann Schäfer beim sachkundigen Leser den doppelten falschen Eindruck erwecken, daß erstens die meisten Unternehmen wenig beisteuern und zweitens die Mitarbeiter dementsprechend das meiste selber beim Erwerb von Belegschaftsaktien aufbringen. Dabei hat Schäfer sogar selbst — allerdings an anderer Stelle — auf die Tatsache hoher finanzieller Zuschüsse für die Arbeitnehmer beim Kauf von Belegschaftsaktien hingewiesen: „Die Summe dieser Begünstigungen dürfte je nach Familienstand und Steuersatz zwischen 60 und 80 °/o der für den Kauf der Belegschaftsaktien aufzuwendenden Beträge liegen.“

Berücksichtigt man also diese von Schäfer selbst getroffene Feststellung und die von uns aufgezeigten Unternehmensleistungen, dann ergibt sich zweifelsfrei, daß auch die Arbeitnehmer in Aktiengesellschaften in der Regel ihren Aktienkauf überwiegend aus anderen Quellen als ihrem Einkommen bzw. ihrer Ersparnisse finanzieren können.

Zu den Gefahren einer Ausdehnung der Beteiligungsmodelle

Ein zentraler Kritikpunkt in Schäfers Argumentation gegen die betriebliche Vermögensbeteiligung ist die Frage des Liquiditätszuwachses, der auf Kosten des Staates und der Arbeitnehmer erkauft werde. So unterstellt Schäfer, „in erster Linie wollen die Arbeitgeber über betriebliche Beteiligungen die dem Betrieb zur Verfügung stehenden Geldmittel erhöhen“ und fragt zugleich, „warum ein solcher Liquiditätszuwachs vom Staat und von den Arbeitnehmern finanziert werden sollte anstatt von den Unternehmen und ihren Eigentümern selber . .

Dazu ist folgendes zu bemerken: Der Liquiditätseffekt ist keineswegs so erheblich, wie Schäfer vorgibt, selbst wenn er in diesem Zusammenhang auf eine unserer Veröffentlichungen hinweist Das Zitat, auf das sich hier Schäfer beruft, enthält dort lediglich ein allgemeines Zahlenbeispiel, um dem Leser das Zustandekommen eines Liquiditätszuflusses vor Augen zu führen. Aus dem für diesen Zweck gewählten Zahlenbeispiel den Schluß zu ziehen, daß ein derartiger Liquiditätseffekt sich jedesmal bei einem Mitarbeiter-Kapitalbeteiligungsmodell einstellt, zeugt geradezu — seltsamerweise — von einem unkritischen Verhalten.

Zur Verdeutlichung: Nach heute gültigen Steuersätzen muß ein Unternehmen bei einer Gewinnspitze von 100 DM ca. 700/0 versteuern. Wird diese Gewinnspitze in eine Zuwendung an die Mitarbeiter, also als Lohnkosten, umgewandelt, so fällt gegenwärtig eine durchschnittliche Steuerbelastung von 300/0 an. Damit ergibt sich ein Steuervorteil in Höhe von 40%; ein Finanzierungseffekt, der manchmal erzielbar ist, aber keinesweg immer. Denn in vielen Fällen sind bei der Transformation von Gewinnen in Lohneinkommen auch Sozialversicherungsanteile zu leisten, ein Tatbestand, der gerade in Gewerkschaftskreisen bekannt sein sollte.

In dem zitierten Zahlenbeispiel würde dies also bedeuten, daß der Arbeitgeber noch 16, 5% Sozialversicherungsanteile abführen muß und er den Arbeitnehmer-Anteil in gleicher Höhe noch einmal zu zahlen hätte. Zusammen mit einer 30%igen Lohnsteuer ergeben die zusätzlichen 33 % Sozialversicherungsanteile eine Gesamtbelastung an Steuern und Sozialabgaben in Höhe von 63 %. Gegenüber einer Belastung von 70 % ohne eine Mitarbeiterbeteiligung ist dies wahrlich kein so erheblicher Finanzierungseffekt, der Herrn Schäfer berechtigen würde, von erheblichen Gefahren an Einnahmeausfällen der öffentlichen Hand zu sprechen.

Schäfer kritisiert alle die Stimmen, die einen Ausbau fiskalischer Förderung bei betrieblichen Anlagen fordern, weil damit „innerhalb der Sparförderung ein nicht gerechtfertigtes Zweiklassenrecht von Sparformen eingerichtet würde mit privilegierten betrieblichen Anlagen und diskriminierten nichtbetrieblichen Sparformen". In diesem Zusammenhang unterstellt uns Schäfer (leichtfertig oder vorsätzlich?), daß wir in der staatlichen Prämierung der Belegschaftsaktie ebenfalls eine Systemwidrigkeit sehen. So zitiert uns Schäfer aus der Bestandsaufnahme „Nur einmal wird zugestanden, daß die Belegschaftsaktie zusätzlich zur Sparprämie und zur Arbeitnehmersparzulage . konkurrenzlos'und systemwidrig privilegiert ist." Nur derjenige Leser, der das Zitat überprüfen kann, wird Schäfers „Beweisführung" entlarven.

Aufschlußreich für Schäfers Vorstellung von einem sachlichen Dialog ist auch die folgende Argumentation: Schäfer behauptet, „soweit betriebliche Beteiligungen durch Umwandlung von Gewinn in einbehaltenen Lohn finanziert werden sollten, ist die Zusätzlichkeit dieser , Leistung'fragwürdig. Denn die betriebliche Beteiligung konkurriert, wenn sie trotz aller Vorkehrungen irgendwann einmal zur Auszahlung und damit zur Belastung für das Unternehmen führt, prinzipiell mit allen anderen betrieblichen Leistungen des Arbeitgebers für die Arbeitnehmer ..." (S. 24). Dieses Zitat ist deshalb für Schäfers Vorgehen kennzeichnend, weil es zeigt, daß er sich ganz bestimmter Halbwahrheiten bedient, um seine Beweise in eine von ihm gelenkte Richtung führen zu können. Erinnern wir uns: Als es Schäfer darum ging, ein Übermaß von Eigenleistungen der Arbeitnehmer herauszuheben, stellte er seine Argumentation nur auf die Belegschaftsaktionäre ab, weil sie mit 700 000 von 800 000 beteiligten Arbeitnehmern den weitaus größten Teil darstellen; die Praxis im übrigen Unternehmensbereich ließ er jedoch in seiner Argumentation unberücksichtigt. Jetzt, da es Schäfer darum geht, auf mögliche Leistungsverschlechterungen seitens der Unternehmen hinzuweisen, wenn die Zahlungsmittel nämlich für eine eventuelle Auszahlung der Beteiligung verwendet werden müssen, klammert Schäfer den überwiegenden Bereich der Belegschaftsaktionäre (unausgesprochen) aus. Das muß er auch, denn seine Argumentation kann sich auf die Aktienbeteiligung deshalb nicht beziehen, weil bekanntlich eine Aktie niemals an das Unternehmen zurückzuzahlen ist. Mithin kann die Ausgabe von Belegschaftsaktien auch niemals zu einem von Schäfer befürchteten Liquiditätsabfluß beim Unternehmen und somit auch niemals zu einer finanziellen Belastung des Unternehmens „irgendwann einmal" führen.

Was jedoch Schäfers Befürchtungen für die in mittleren Unternehmen beteiligten Arbeitnehmer betrifft, so zeichnet sich dort inzwischen ein Trend ab, der die Kapitalbeteiligungen der Arbeitnehmer in diesem Bereich der Stellung einer Aktie angleichen soll: Um die Kapitalbasis der Unternehmen sicherzustellen, werden nach und nach innerbetriebliche Börsen eingerichtet. Dadurch wird Liquiditätsentzug vermieden. Denn Käufe und Verkäufe von Beteiligungen spielen sich vorwiegend im Kreise der Belegschaft ab. In unserer Bestandsaufnahme haben wir über diese Vorgänge ebenfalls berichtet Auch bei der Kritik an der Möglichkeit eines sog. aufgeschobenen Zuflusses argumentiert Schäfer pauschal und erweckt wiederum so den falschen Eindruck, als ob dieser Tatbestand für sämtliche Beteiligungsunternehmen gelte. So behauptet Schäfer, daß bei Erfolgsanteilen grundsätzlich Steuer-und Sozialanteile erst bei freier Verfügbarkeit, also zum Beispiel nach Ablauf einer fünfjährigen Bindungsfrist, zu zahlen wären. Das ist sachlich unzutreffend.

Tatsache ist vielmehr — und auch darauf haben wir in unserer Bestandsaufnahme klar hingewiesen —, daß der sog. aufgeschobene Zufluß nur für den Fall des Arbeitnehmerdarlehens, also einer schuldrechtlichen Beteiligung, gilt, nicht jedoch für die gesellschaftsrechtlichen Beteiligungsformen. Wir haben nachgewiesen, daß in der Bundesrepublik Deutschland von den rund 800 000 beteiligten Arbeitnehmern lediglich 26 000 (!) Darlehensgeber ihres Unternehmens sind Aber noch nicht einmal bei der Hälfte dieser Beteiligten haben sich die Unternehmen darum bemüht, den Liquiditätsvorteil über die Anwendung des Zuflußprinzips auszuschöpfen. Damit wird auch an dieser Stelle deutlich, daß Schäfers Theorie, die Unternehmen führten betriebliche Beteiligungen vor allem deshalb ein, weil sie sich zusätzliche Liquidität beschaffen wollen, durch die Praxis widerlegt ist.

Eine weitere Gefahr in der Ausdehnung betrieblicher Beteiligungspraxis sieht Schäfer in dem Ausfall an Steuern und Sozialabgaben, „weil der Einnahmeausfall beim Staat entweder zur Einschränkung öffentlicher Leistungen oder zur Erhöhung generell von Steuern und Abgaben führen muß", wodurch die materielle Lage der Arbeitnehmer verschlechtert werde.

Eine derartige Betrachtungsweise aus dem Munde eines Gewerkschaftlers muß verwundern. Denn bei betrieblichen Beteiligungen handelt es sich im Grunde um nichts anderes als um Einkommenserhöhungen der Arbeitnehmer, mithin einen Vorgang, der sich alljährlich in jeder Tarifrunde zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern abspielt. Folglich müßte dann Schäfers Argumentation auf jede Erhöhung der Tariflöhne und -gehälter angewandt werden, da es sich hier um den gleichen Vorgang handelt. Kein Mensch wird jedoch auf den Gedanken kommen, daß eine Erhöhung der Löhne und Gehälter gleichzeitig die materielle Lage der Arbeitnehmer verschlechtere, weil dadurch beim Staat Steuern ausfallen und er sie durch Steuererhöhung oder sonstige Erhöhungen von Abgaben wieder hereinbringen muß.

Dieses Beispiel macht besonders deutlich, wie verkrampft die Einwände von Schäfer gegen die betriebliche Beteiligung wirken. Im übrigen hat der ehemalige Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Offergeld, — ein gewiß unverdächtiger Zeuge — in einem Interview des Bayerischen Fernsehens am 16. Dezember 1976 sich ebenfalls gegen die Theorie des Ausfalls an Einnahmen durch innerbetriebliche Beteiligungen gewandt. Offergeld wörtlich: „Zum einen entwickeln sich die Modelle langsam, zum anderen müssen Sie sehen, daß sich natürlich eine Verbreiterung der Eigenkapitalbasis ergeben wird, bei den Betrieben ein durchaus erwünschter Effekt, daß sich auch Produktivitätssteigerungen ergeben können bei derartigen Modellen, so daß zum Teil diese Steuerausfälle, von denen Sie sprachen, kompensiert werden auf der anderen Seite."

Wenn Offergeld hier Produktivitätssteigerungen in einem gewissen Umfang bei betrieblichen Beteiligungen unterstellt, so hat diese Annahme nichts zu tun mit dem angeblichen Leistungsdruck, den Schäfer als eine weitere Gefahr sieht. Natürlich streben viele Unternehmen das Ziel an und sprechen es ganz offen aus, mit der Beteiligung auch die Motivation der Mitarbeiter zu erhöhen. Inwieweit dies verwirklicht wird, ist bisher weder in der Praxis noch in der Theorie nachgewiesen worden. Aber auch bei allen Modellen, in denen dieses Ziel geäußert wird, wird stets betont, daß es sich hier um keine „Leistungspeitsche" handelt, sondern um die Vorstellung, daß die Mitarbeiter durch die Beteiligung freiwillig bereit sind, sich verstärkt zu engagieren.

Eine solche Annahme basiert auf der Vermutung, daß kapitalbeteiligte Mitarbeiter eine veränderte Einstellung ihrem Unternehmen gegenüber einnehmen, daß also auf diese Weise kostensparender produziert werden kann, daß mehr mitgedacht wird, weil ein zusätzliches Interesse geweckt worden ist. Um es ganz deutlich zu sagen: Der Arbeitnehmer braucht keineswegs schneller oder hastiger zu arbeiten, braucht sich also physisch in keiner Weise mehr anzustrengen, um trotzdem die Produktivität zu erhöhen.

Zur Position der Gewerkschaften Es fällt Schäfer offensichtlich schwer, der Öffentlichkeit eine einheitliche ablehnende Haltung der Gewerkschaften zu offerieren. Er versucht es daher zunächst mit einem Ablenkungsmanöver, indem er auf das Arbeitgeber-lager hinweist und sagt, daß dort keinesfalls alle Gruppierungen einstimmig für einen Ausbau der betrieblichen Vermögensbeteiligung auf der Grundlage von Tarifverträgen votieren. Schäfer glaubt, daß wir eine uneinheitliche Haltung bei den Arbeitgebern verschweigen wollen, indem er schreibt, daß „bezeichnen derweise ein echter Streit innerhalb des Arbeitgeberlagers über die tarifpolitische Strategie bei betrieblichen Beteiligungen unerwähnt" bleibt Diese Behauptung ist leicht zu widerlegen. In der Beilage vom 10. September 1977, B 36/77, von Schäfer in seinem Aufsatz zitiert und damit auch gelesen (!), heißt es auf Seite 29: „Der Kernpunkt des Arbeitgeberplans, der in den eigenen Reihen nicht unumstritten ist und in seiner detaillierten Ausgestaltung noch im einzelnen diskutiert wird ..." Bleibt nur noch die Frage, kann oder will Schäfer nicht richtig lesen?

Eine Einigkeit der Gewerkschaftsmeinung zu demonstrieren fällt nicht leicht angesichts der klaren Äußerungen, die die Vorsitzenden der Gewerkschaften Chemie, Papier, Keramik und Bau-Steine-Erden — wir berichteten darüber in der Beilage vom 11. März 1978 — gemacht haben. Wenn Herr Sperner sagt, er habe nie geglaubt, daß die Arbeitgeber ein Modell entwickeln würden, „das die Gewerkschaften nur abzuschreiben brauchen", dann ist es geradezu absurd und offenbart ein gar seltsames Sprachverständnis, eine derartige klare Zustimmung in der Sache lediglich als „Stilfrage" abzutun.

Auch der von Schäfer angeführte Hinweis, daß der IG-Bau-Vorsitzende, Rudolf Sperner, zu einem späteren Zeitpunkt gesagt habe, „daß heute aufgrund einer veränderten wirtschaftlichen Situation in der Baubranche wie einer Verhärtung der Bauarbeitgeber in der Tarif-politik für die IG-Bau Vermögenspolitik und erst recht betriebliche Beteiligung kein Thema ist“ (S. 27), kann kein Beweis für eine Änderung der Grundsatzhaltung sein. Sperner sagt nur, daß aufgrund einer derzeit veränderten wirtschaftlichen Situation betriebliche Beteiligung kein Thema sei, d. h. doch umgekehrt, wenn die wirtschaftliche Situation wieder günstig ist, dann kann betriebliche Beteiligung wieder ein Thema sein.

Hermann Adam, ehemals Referent im WSI, jetzt Leiter des Buchverlags im gewerkschaftseigenen Bund-Verlag, hat zur betrieblichen Vermögensbeteiligung wie folgt geschrieben: „Die Gewerkschaften werden vermutlich nicht umhin können, alsbald ihr prinzipielles Nein gegenüber betrieblichen Beteiligungsmodellen aufzugeben, wenn sie nicht Gefahr laufen wollen, von der tatsächlichen Entwicklung überrollt zu werden.“ Auch dieses Zitat ist wahr-lich kein Beitrag zur Demonstration einheitlicher Gewerkschaftshaltung.

Kürzlich wurde bekannt, daß der vermögens-politische Sprecher der CDU/CSU Bundestagsfraktion, die sich für eine Förderung der betrieblichen Beteiligung einsetzt, den DGB-Vorsitzenden Vetter zu einem Gespräch eingeladen hat, das nach der Sommerpause stattfinden soll. In der Presse hieß es dazu: „Vetter hat in einem Brief an Pieroth angedeutet, daß der Gewerkschaftsbund . möglicherweise'mit der Opposition eine . gewisse Verständigung'über die Eigentumspolitik erreichen könnte" Diese Meldung zeigt eine gewisse Kompromißbereitschaft in der vermögenspolitischen Frage und deutet zumindest auf eine Überprüfung bisheriger Standpunkte hin.

Fassen wir kurz zusammen: Auch wir behaupten keineswegs, daß die betriebliche Vermögensbeteiligung der Weisheit letzter Schluß sei. Aber wenn wir das Ziel einer breiteren Streuung des Produktivvermögens ernsthaft erreichen wollen, dann scheint der betriebs-bezogene Weg unter allen möglichen Varianten die beste Lösung zu sein. Denn dieser Weg stellt eine praktikable Möglichkeit dar, soziale Gegensätze zu überwinden und Unternehmens-Vorteile mit Arbeitnehmervorteilen zu verknüpfen. Insofern ist es schwer verständlich, daß Gewerkschaften immer noch betriebliche Arbeitnehmerbeteiligungen ablehnen.

Zumindest aber sollte man sich nicht im Ringen um die bestmögliche Ausgestaltung dieses Weges durch Voreingenommenheit und leichtfertige Unterstellungen gegenseitig blockieren. Ein bißchen mehr Bereitschaft, auf die Argumente des anderen genau hinzuhören, ein wenig mehr Konzilianz in der Auseinandersetzung täten der Sache gut, um letztlich unsere bewährte Wirtschafts-und Gesellschaftsordnung gemeinsam systemkonform weiterzuentwickeln und zu verbessern. Die Gewerkschaften tragen eine große Verantwortung. Ihr Beitrag hierzu ist gefordert.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Guski/Schneider, Betriebliche Vermögensbeteiligung in der Bundesrepublik Deutschland — eine Bestandsaufnahme, Köln, 1977.

  2. Guski/Schneider, a. a. O., S. 60, Tabelle 16.

  3. Guski/Schneider, a. a. O., S. 76 ff.

  4. Vgl. Schäfer, in: WSI Mitteilungen Heft 10, 1977, S. 600.

  5. Unterstreichung von den Verfassern.

  6. Vgl. Hans-Günter Guski, Probleme der Vermögensbildung aus der Sicht der Arbeitnehmer, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament, Nr. B 36/77, vom 10. September 1977, S. 27.

  7. Guski/Schneider, a. a. O., S. 75.

  8. Hervorhebung von den Verfassern.

  9. Guski/Schneider, a. a. O., S. 148.

  10. Guski/Schneider, a. a. O., S. 119.

  11. Guski/Schneider, a. a. O., S. 43.

  12. Hervorhebung von den Verfassern.

  13. Hermann Adam, Erwartungen der Arbeitnehmer an die Vermögenspolitik, in: Sparkasse, Stuttgart, Heft 6/1978, S. 196.

  14. Vetter, Verständigung möglich, in: FAZ vom 2. August 1978, S. 11.

Weitere Inhalte

Hans-Günter Guski, Dr. sc. pol., seit 1970 Leiter des Referats Vermögensbildung und Vermögenspolitik im Institut der deutschen Wirtschaft, Köln. Hans J. Schneider, Dr. rer. pol., seit 1975 geschäftsführender Gesellschafter der Gesellschaft für innerbetriebliche Zusammenarbeit GIZ; Schriftleiter der Fachzeitschrift . personal“.