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Zwischen Marx und Stalin Kritische Anmerkungen zur marxistischen Periodisierung der Weltgeschichte | APuZ 41/1974 | bpb.de

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APuZ 41/1974 Artikel 1 Zwischen Marx und Stalin Kritische Anmerkungen zur marxistischen Periodisierung der Weltgeschichte Geschichte in Wissenschaft und Unterricht heute Gedanken zu einer nach-historistischen Konzeption der Geschichtswissenschaft und zur sozialen Funktion des Geschichtsunterrichts Bemerkungen zum Geschichtsunterricht im Übergang: Gesellschaftslehre als Alternative? Die Krise des Geschichtsunterrichts und ihre Vermarktung

Zwischen Marx und Stalin Kritische Anmerkungen zur marxistischen Periodisierung der Weltgeschichte

Imanuel Geiss

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Zusammenfassung

Die jüngsten Dogmatisierungen des Marxismus in der . allerneusten'Linken provozieren den Versuch, das gängige marxistische Periodisierungsschema auf seine Brauchbarkeit zur Erfassung des welthistorischen Prozesses zu überprüfen. Es erweist sich, daß das marxistische Fünf-Stadien-Schema (Urgesellschaft oder Urgemeinschaft, Sklavenhaltergesellschaft, Feudalismus, Kapitalismus, Sozialismus) nur eine sozio-ökonomische Auffüllung des traditionellen formalen Periodisierungsschemas ist (Vorgeschichte, Alte Geschichte, Mittelalter, Neuzeit, Zeitgeschichte). In seiner von Marxisten wie „Marxisten" (im Sinne Engel's) kritiklos akzeptierten Form stammt es zudem gar nicht von Marx oder Engels, die selbst nur eher Arbeitshypothesen denn rigide Dogmen formuliert hatten. Die Dogmatisierung erfolgte vielmehr erst durch Stalin in den Jahren 1933 bis 1938. Das marxistische Periodisierungsschema — so bestechend es auf den ersten Blick wirken mag — hält einer kritischen Überprüfung nicht stand, weil es zu viele unterschiedliche Faktoren in eine angeblich universal gültige Periodisierungsordung pressen will. Trotzdem ist der Marxsche Ansatz fruchtbar, Formen der wirtschaftlichen Produktion und der ihnen entsprechenden sozialen und politischen Strukturen als Kriterien für die Unterteilung des historischen Prozesses zu nehmen — allerdings nicht in rein chronologisch eingeteilten Epochen, bei denen jede die nächste zwangsläufig determiniert, sondern eher kategorial angeordnet in drei Entwicklungssträngen, die unterschiedlich früh einsetzen und nebeneinander weiterbestanden bzw. heute noch weiterbestehen.

, Wir kennen nur eine einzige Wissenschaft, die Wissenschaft der Geschichte.“ (Karl Marx)

Heide Barmeyer Geschichte in Wissenschaft und Unterricht heute. Gedanken zu einer nachhistoristischen Konzeption der Geschichtswissenschaft und zur sozialen Funktion des Geschichtsunterrichts ... Gerhard Schneider Bemerkungen zum Geschichtsunterricht im Übergang: Gesellschaftslehre als Alternative? ........................................ S. 23 S. 37

Marxismus zwischen Verketzerung und Dogmatisierung Die traditionelle deutsche Geschichtswissenschaft zeichnete sich durch dogmatische und ideologisierte Feindschaft gegenüber dem Marxismus schlechthin aus. Seit der massiven Verdächtigungskampagne gegen Karl Lamprecht Ende des 19. Jahrhunderts traf der Bannstrahl der Orthodoxie alle, die auch nur von Ferne in Verdacht geraten waren, irgend etwas mit Marxismus oder Sozialismus zu tun zu haben Die krisenhafte Unsicherheit seit dem Aufstieg der Sowjetunion zur Weltmacht und der Etablierung funktionierender Staaten kommunistischer Prägung seit 1945 gab der früher kaum wissenschaftstheoretisch begründeten Ablehnung im Zeichen des Kalten Krieges eine zusätzliche, ideologische und politische Dimension.

Da ein erheblicher Teil theoretischer Bemühungen um die Geschichte außerhalb der deutschen bzw. bundesdeutschen Geschichtswissenschaft in kritisch-rationaler Auseinandersetzung mit dem Marxismus oder in Rezeption seiner rationalen Elemente erfolgte, erklärt sich das inzwischen konzedierte Theoriedefizit (ähnlich wie in der Politik) in der bundesdeutschen Geschichtswissenschaft aus der bisherigen Perhorreszierung des Marxismus oder auch nur marxistischer Ansätze. Während sich seit Beginn der Studenten-bewegung 1967 vor allem jüngere Historiker bemühen, eine seit einem Jahrhundert verschleppte Auseinandersetzung mit dem Marxismus nachzuholen, rücken aber aus der nachwachsenden Generation Studenten heran, die mit einem verkürzten und dogmatisierten Verständnis eines aktionistisch und voluntaristisch verkrüppelten Vulgärmarxismus ei-nen neuen Konformismus pseudo-marxistischer Observanz zu erzwingen suchen, dazu oft noch ohne Bereitschaft zur streng wissenschaftlichen Arbeit an empirischem Material im klassischen Sinn.

Dagegen waren die Arbeiten von Marx und Engels in außergewöhnlich hohem Maße historischer Natur oder sind von historischen Fragen durchsetzt — vom „Kommunistischen Manifest" bis zum „Kapital" Die zeitge-schichtlichen Arbeiten von Marx und Engels bieten noch immer den bequemsten und lesbarsten Einstieg in das Werk beider Autoren, somit in den Marxismus überhaupt. Schon die Tatsache, daß heute für rund eine Drittel der Menschheit in den kommunistischen Ländern und für eine wachsende Zahl in der übrigen Welt der Marxismus zur offiziellen oder als gültig akzeptierten Lehre (mit teilweise schon wieder institutionalisierten und ritualisierten Zügen) geworden ist, verbietet länger die Ignorierung oder Verketzerung des Marxismus. Wer ihn ernst nehmen will, braucht sich deswegen nicht in neue dogmatische Schemata hineinpressen zu lassen. Marx und Engels wehrten sich, solange sie konnten, selbst gegen solche Kanonisierung, namentlich gegen sogenannte „Marxisten“ (die Anführungszeichen stammen von Engels), die flinkes Herunterbeten von standardisierten Formeln als Ersatz für die Mühe, sich historische Kenntnisse zu erwerben, ausgaben und ausgeben

Jüngste Erfahrungen in der Diskussion an bundesdeutschen Universitäten zwingen dazu, künftig zwischen „Marxisten“ — ganz im Sinne von Marx und Engels — und Marxisten zu unterscheiden. Als Marxisten gelten jene, die mit Marx’schen Kategorien arbeiten, selbst wenn sie sie ebenfalls partiell dogmatisiert haben mögen, d. h., diese nicht mehr kritisch hinterfragen oder hinterfragen lassen. Insgesamt aber sind sie noch für Diskussionen offen und haben teilweise auf einigen Bereichen, z. B. in der Geschichtswissenschaft, Ergebnisse erzielt, die denen der bisherigen Wissenschaft überlegen sein können. Zumindest markieren dort marxistische Historiker seit Jahrzehnten die internationale Spitze auf einigen Spezialgebieten (Christopher Hill für die Englische Revolution, Albert Soboul für die Französische Revolution, Eric Hobsbawm generell für moderne Wirtschafts-und Sozial-geschichte). Als „Marxisten“ dürfen dagegen solche Vertreter des „wissenschaftlichen Sozialismus“ gelten, die behaupten, nur der „wissenschaftliche Sozialismus" sei überhaupt wissenschaftlich, während die „bürgerliche Wissenschaft" unwissenschaftlich sei, und „bürgerliche Wissenschaft“ ist für sie alles, was von ihren voluntaristisch gesetzten Dogmen abweicht. Namentlich versuchen sie bei anderen, aus der partiellen Akzeptierung Marxscher Elemente den Zwang zu politischem Konformismus in ihrem Sinn herauszupressen (übrigens ganz ähnlich wie — nur mit umgekehrtem Vorzeichen — auf der anderen Seite des politischen Spektrums die Vertreter der konservativen Orthodoxie). Marxismus gilt daher für die folgenden Ausführungen nur als wissenschaftliche Methode, nicht als politisches Kampfprogramm und schon gar nicht als Weltanschauung mit heilsgeschichtlichen Dimensionen.

Die doppelte Frontstellung gegen die abtretende konservative Orthodoxie und gegen eine heraufziehende möchte-gern-revolutionäre Orthodoxie und pseudo-marxistische Dog-matik erschwert somit eine rationale Diskussion: Den Konservativen waren schon teilweise übernahmen Marxscher Methoden von jeher suspekt; die un-und vorwissenschaftliche Praxis der pseudo-marxistischen Orthodoxie mit Rückfällen in die Autoritäten zitierende Scholastik des Mittelalters scheint sie vollends zu diskreditieren. Dagegen denunziert die neue extreme „Linke" das Festhalten an intellektuellem Niveau und wissenschaftlicher Leistung — selbst bei Verwertung der fruchtbaren Aspekte im Marxismus — bereits als „bürgerliche Wissenschaft", „Positivismus" oder gar „politische Disziplinierung“.

Trotzdem ist eine kritische Reflexion über die brauchbaren Elemente im Marxismus längst überfällig. Sie sollte sich nicht durch kunschlüssiges Denken in ideologisch-politischem Konformismus oder durch kurzfristige politische Bedenken aus der einen oder anderen Ecke des politischen Spektrums in unserer Gesellschaft von dem abhalten lassen, was nötig geworden ist.

Zur Periodisierung der Weltgeschichte durch den Marxismus Bei allen sich auf Marx und Engels berufenden Strömungen unserer Zeit — also beim historischen Materialismus marxistischer wie „marxistischer“ Natur — spielt die bekannte Aufeinanderfolge der sog. Produktionsweisen eine zentrale Rolle: Urgesellschaft (oder Urgemeinschaft), Sklavenhaltergesellschaft, Feudalismus, Kapitalismus, Sozialismus bzw. Kommunismus, gelegentlich bereichert um die auf Marx zurückgehende Variante der sog. „asiatischen Produktionsweise“. In der Praxis erweist sich das Fünf-(bzw. Sechs-) Stadien-Schema als ein komplettes Scheina zur Periodisierung der Weltgeschichte mit schwerwiegenden ideologischen und damit auch politischen Konsequenzen. Denn die Lehre von den aufeinanderfolgenden Produktionsweisen, von denen jede „fortschrittlicher" gewesen sei als die vorausgegangene und sich stets nur auf revolutionärem Wege durchsetzen konnte, legt auch fest, daß eben die konsequentesten Anhänger dieser Lehre selbst „fortschrittlich" in einem heilsgeschichtlichen Sinne sind, weshalb alle anderen Feinde des Fortschritts für die Menschheit sind (wie auch immer dieser „Fortschritt definiert sein mag).

Das Fünf-Stadien-Schema ist somit zentraler Bestandteil des sog. „historischen Materialis mus“ oder „Marxismus" oder „Marxismus-Leninismus" oder des „wissenschaftlichen Sozialismus", weil es Kernstück der marxisti-schen Politischen Ökonomie ist. Da die Politische Ökonomie, so wie sie von Marxisten wie „Marxisten" gelehrt und gelernt wird, primär eine historische Wissenschaft ist, was übrigens auch einer Forderung von Engels nachkäme, hat nun auch der Historiker ein kritisches Wort in der Überprüfung dieses Periodisierungsschemas mitzureden. Wenn Vertreter des „wissenschaftlichen Sozialismus" gleich welcher Spielart ihren Anspiuch auf Wissenschaftlichkeit wirklich ernst nehmen, dürfen sie in der notwendigen wissenschaftlichen Debatte nur sachliche Argumente gelten lassen, dürfen keine Kanonisierung eines Lehrgebäudes praktizieren, das vor jeder wissenschaftlichen Kritik gefeit sein soll.

Erst eine unbefangene und gerechte Würdigung der wissenschaftlichen Leistung von Marx und Engels auch für die Geschichtswissenschaft macht deutlich, wo ihre Grenzen liegen, wo sie vor allem durch auf sie sich berufende spätere Theoretiker oder Dogmatiker so einseitig festgelegt und dogmatisiert, d. h. jeder Diskussion entzogen wurden, daß die Verzerrungen und die Dogmatisierung leicht auf Marx und Engels selbst zurückfallen. Das gilt besonders vom Fünf-Stadien-Schema des sog. „wissenschaftlichen Sozialismus“. Eine genauere Analyse zeigt nämlich, daß Marx und Engels vor über einem Jahrhundert im wesentlichen nur locker und unverbindlich formulierte Stichworte in die Debatte warfen, provisorische Rahmen anboten, die sie selbst nicht näher inhaltlich ausfüllten. Zwei Versuche zu inhaltlicher Ausfüllung blieben absichtlich unveröffentlicht, offenbar, weil sich beide der Unzulänglichkeit ihrer gedanklichen Klärungsversuche bewußt waren. Die eigentliche Ausfüllung erfolgte erst durch Stalin, der bekanntlich kein Historiker war. Seine „wissenschaftliche" Autorität sollte daher schon deshalb, von politischen Gründen ganz abgesehen, für eine angeblich so kritische Richtung wie den „wissenschaftlichen Sozialismus" gleich welcher Spielart nicht unanfechtbar sein.

Der Nachweis der inhaltlichen Auffüllung und Dogmatisierung durch Stalin sollte jedoch Marx und Engels nicht völlig freisprechen von den Schwächen des Periodisierungs-Schemas, das auf ihre provisorische Arbeitshypothese zurückgeht. Schon ihre Weigerung, ihre inhaltlichen Klärungsbemühungen zu publizieren, weist auf ihr intellektuell redliches Schwanken in dieser Frage hin. Tatsächlich zeigt sich im Licht des inzwischen weiter fortgeschrittenen historischen Prozesses und der angelaufenen historischen Forschung, daß die Stichworte von Marx und Engels, so fruchtbar sie als intellektuelle Provokationen gewesen sein mögen, heute durch nuancierende Überlegungen abgelöst werden sollten, die dem komplexen historischen Prozeß eher gerecht werden. Es geht also nicht um den vermessenen Anspruch, den „Marxismus“ oder „wissenschaftlichen Sozialismus" (was immer darunter verstanden sei) oder Marx und Engels schlechthin zu widerlegen, sondern die theoretische Reflexion an einem, wenn auch wichtigen Punkt, weiterzutreiben, als es Marx und Engels damals möglich war, vor allem, weil sie die revolutionierenden Konsequenzen der Industrialisierung zwar in ihren Anfängen sahen, aber in ihrer vollen Auswirkung und in ihren Formen nur ahnen und noch nicht als historische Realität übersehen konnten.

Vormarxistische Periodisierungsversuche Das Bedürfnis nach einer Periodisierung der Weltgeschichte, also nach der Suche von Orientierungspunkten aus der Vergangenheit für die Gegenwart, ist so alt wie das schriftlich überlieferte Nachdenken von Menschen über ihre Vergangenheit selbst, ist also schon bei den alten Babyloniern, Chinesen und Griechen zu finden. Allen Versuchen ist gemeinsam, daß sie die fast natürliche Ansicht widerspiegeln, die jeweils über ihre Vergangenheit reflektierende Gesellschaft stünde im Zentrum der Welt. Periodisierungsschemata mußten daher stets in Konflikt mit den historischen Fakten geraten, wenn sie explizit oder implizit den Anspruch auf universale Gültigkeit nach Raum und Zeit beanspruchten. Solchen Tücken ist bisher auch das marxistische Periodisierungsschema nicht entgangen, das gegenüber allen vorausgegangenen das rationalste und am ehesten wissenschaftliche war. Aber jeder Versuch, die dort gewonnenen Einsichten vertikal nach vorwärts und rückwärts, horizontal über die gesamte Erde auszuweiten, muß zu unauflöslichen Widersprüchen mit der historischen Realität führen. Das marxistische Periodisierungsschema stellt einen erheblichen relativen Fortschritt gegenüber allen bisherigen Periodisierungsversuchen dar, weil es als Kriterien für die Einteilung in Perioden im Prinzip objektivierbare, in Raum und Zeit allgemeingültige Faktoren benutzt — Umfang und Qualität der Produktion durch menschliche Arbeit. Davor galten subjektive und letzten Endes willkürliche oder nur formale Kriterien zur Periodisierung der Weltgeschichte — das goldene, silberne, eherne (Kupfer bzw. Bronze) und eiserne Zeitalter von den Babyloniern bis zu den Griechen, später modifiziert in der Lehre von den vier aufeinanderfolgenden Weltreichen (Assyrer, Meder-Perser, Makedonier, Römer), seit Hieronymus (340/350-420) mit der apokalyptischen Vorstellung des Christentums vom Ende der Welt nach dem Untergang des römischen Reichs modifiziert und kombiniert.

Mit dem Aufkommen der Renaissance bildete sich etwa ab 1440 die noch heute gängige Vorstellung von Altertum — Mittelalter — Neuzeit, die Ende des 17. Jahrhunderts durch Ch. Cellarius in drei Werken gleichsam kodifiziert wurde: „Historia antiqua" (1685), „Historia medii aeve" (1688) und . Historia nova" (1696) Das aus dem mediterran-europäischen Bereich gewonnene Dreier-Schema mehr formaler Natur wurde im Laufe der Zeit in sich verfeinert oder untergliedert (z. B. „Spätantike„Früh-, „Hoch-, „Spätmittelalter"; „Frühe Neuzeit"), nach vorwärts und rückwärts ausgedehnt („Vor-und Frühgeschichte" einerseits, „Zeitgeschichte" andererseits), geographisch auf andere Regionen übertragen, (z. B. „indisches Mittelalter" oder „chinesisches Mittelalter"), sogar auch auf andere Perioden (z. B. die Antike) ausgedehnt, so daß die Rede vom „griechischen Mittelalter" in der Antike sein konnte. Im gleichen Ausmaß, wie die Geschichte der Menscheit durch die Ausbreitung des Kapitalismus und Imperialismus, anschließend in den Gegenbewegungen des Sozialismus und Anti-Imperialismus immer mehr auch räumlich zu einem — wenn auch dialektischen, d. h. aus mannigfachen Widersprüchen und Konflikten bestehenden — historischen Prozeß zusammen-wuchs, wurde auch die Unzulänglichkeit der formalen Periodisierungsversuche immer deutlicher. Die Periodisierungsproblematik bei Marx und Engels Hegel sprach, noch ganz in der antik-christlichen Tradition, von den Zeitaltern der vier Reiche (orientalisches, griechisches, römisches, germanisches Reich). Ansätze zu einer Art Periodisierung bei Marx und Engels erscheinen so wie eine materialistische Ausfüllung des Hegelschen Periodisierungsschemas, das sich noch an politischen Formen orientierte. Dagegen nahmen Marx und Engels die Formen der Produktion als Kriterien zur Strukturierung des historischen Prozesses, der zur Bildung der kapitalistischen oder bürgerlichen Produktionsform führte. Nirgends aber stellten sie ein festes Periodisierungsschema auf, gar mit dem Anspruch auf zeitlich universale und räumlich lückenlose Geltung. Vielmehr beschränkten sie sich bewußt auf den europäisch-mediterranen Bereich, mit nur gelegentlichem Seitenblick auf Asien. Wer sich daher für sein marxistisches Periodisierungsschema mit solchen Prätentionen auf Marx und Engels beruft, trägt dafür die Beweislast. Selbst wenn der Beweis durch Aufspürung einschlägiger Zitate doch noch gelänge, so wären auch Marx und Engels keine unfehlbaren Autoritäten, vor denen der Historiker in Ehrfurcht zu erstarren und selbständig zu denken aufzuhören hätte. Bei allem Respekt vor der überragenden intellektuellen Leistung von Marx und Engels — als wirkliche Wissenschaftler waren sie die ersten, die sich eine Kanonisierung ihrer Ansichten verbaten. Elemente theoretischer Art des historischen Materialismus tauchen bereits 1845 in dem gemeinsamen Frühwerk von Marx und Engels „Die Deutsche Ideologie“ auf. Wesentlich und eigentlich kaum bestreitbar ist die Feststellung, daß elementare Voraussetzung für die Geschichte nicht nur die Existenz des Menschen ist, sondern auch Umfang und Art der materiellen Produktion, mit der er seine Existenz fristet. Zweifelhafter, weil in ihrer zugespitzten Abstraktion so nicht haltbar und auch prompt der späteren Dogmatisierung ausgeliefert, ist die These, daß „alle Kollisionen der Geschichte ihren Ursprung in dem Widerspruch zwischen den Produktivkräften und der Verkehrsform" (d. h. in dem Begriff der Produktionsverhältnisse des späteren Marx) hätten, und dieser Widerspruch müsse jedesmal in einer Revolution eklatieren" Marx und Engels haben jedoch ihr Manuskript seinerzeit nicht veröffentlicht, wohlweislich, wie sie selbst sahen. Nicht nur äußere Gründe verhinderten die Drucklegung. Die inneren verriet Marx freimütig und selbstkritisch im Vorwort „Zur Kritik der Politischen Ökonomie“ (1859): „Wir überließen das Manuskript der nagenden Kritik der Mäuse um so williger, als wir unsern Hauptzweck erreicht hatten — Seibverständigung“ Und Engels fügte in seinem Vorwort zu „Ludwig Feuerbach'(1888) über die „Darlegung der materialistischen Geschichtsauffassung“ nicht minder bescheiden hinzu, sie beweise nur, . wie unvollständig unsre damaligen Kenntnisse der ökonomischen Geschichte noch waren" So unvollständig sie damals noch gewesen sein mögen — die Lektüre beider Manuskripte macht deutlich, wieviel Marx und Engels damals — 1845/46 — tatsächlich schon wußten, jedenfalls in vielen Punkten mehr, als deutsche Geschichtsstudenten lange Zeit lernen konnten (und viele heute lernen wollen).

Auf keinen Fall findet sich dort ein Periodisierungsschema, es sei denn, man wolle die noch ganz unausgegorenen Ausführungen der beiden revolutionären , Twens’ über die unterschiedlichen „Betriebsweise(n) der ackerbau-enden, industriellen und kommerziellen Arbeit (Patriarchalismus, Sklaverei, Stände, Klassen)“ zu Vorstufen aufwerten, ferner über die „verschiedenen Entwicklungsstufen der Teilung der Arbeit" als „verschiedene Formen des Eigentums", nämlich „Stammeseigentum“, . antike(s) Gemeinde-und Staatseigentum", das „feudale oder ständische Eigentum"

Wohl aber enthält die „Deutsche Ideologie“ ebenso wie „Ludwig Feuerbach" zahlreiche Hinweise auf die Bedeutung von so elementaren Faktoren wie Vermehrung der Bevölkerung und der Produktion für das Weitertreiben des welthistorischen Prozesses, ferner auf die überragende Bedeutung der Industrialisierung für die moderne Geschichte mit ihren die bisherige agrarische Gesellschaft umstür-zenden Konsequenzen Beide Faktoren lassen sich zu einer undogmatischen, auf Kenntnis der historischen Fakten basierenden Weiterentwicklung der Marx-Engelsschen Ansatzes verwenden, ohne deswegen von ihnen in Abhängigkeit zu geraten.

Erste publizierte Ansätze für ein „marxistisches" Periodislerungsschema finden sich, noch ganz locker formuliert, 1848 zu Beginn des Kommunistischen Manifests. Nach dem berühmten einleitenden Satz: „Die Geschichte aller bisherigen Gesellschaft ist die Geschichte von Klassenkämpfen“ folgt, durch einen Absatz getrennt und deutlich nur als Aufzählung von Illustrierenden Beispielen gedacht, eine Reihung antagonistischer Klassenelemente, dazu noch im metaphorischen Singular: „Freier und Sklave, Patrizier und Plebejer, Baron und Leibeigener, Zunftbürger und Gesell, kurz, Unterdrücker und Unterdrückte ..." Die Beispiele sind alle dem europäisch-mediterranen Bereich entnommen und geben noch kein Material für ein allseitig umfassendes Periodisierungsschemas her. Inden „Grundrissen der Kritik der Politischen Ökonomie“ unterscheidet Marx 1858 zwar mehrere „Epochen ökonomischer Gesellschaftsformationen", aber noch immer ohne umfassende Periodisierungsambitionen. Zudem setzt er an der einzigen Stelle, wo er solche Unterschiede nebeneinanderreiht, ökonomische Gesellschaftsformationen auch mit Formen des Eigentums gleich:

„Eigentum meint also ursprünglich — und so in seiner asiatischen, slawischen, antiken und germanischen Form — Verhalten des arbeitenden (produzierenden) Subjekts (oder sich reproduzierenden) zu den Bedingungen seiner Produktion oder Reproduktion als den seinen. Es wird daher auch verschiedene Formen haben nach den Bedingungen dieser Produktion."

Bei der inhaltlichen Ausfüllung dieses Rahmens einige Seiten zuvor verzichtet Marx auf jede Formulierung, die eine chronologische Aufeinanderfolge suggerieren könnte. So spricht er zwar vom nomadisierenden „Hir-* tenwesen", das „die erste Form der Existenz-weise" gewesen sei (mit „Existenzweise" ist schon wieder ein weiterer Begriff eingeführt, der als synonym zu „ökonomischen Gesellschaftsformationen“ verstanden werden muß), aber nach der antiken Form leitet er zur „germanischen“ so über: „Eine (andere) Form des Eigentums der arbeitenden Individuen, selfsustaining members of the Community, an den Naturbedingungen ihrer Arbeit ist das germanische“. Außerdem weist das Auftauchen einer „slawischen“ Form des Eigentums als Synonym für „Produktionsweisen“ oder „ökonomische Gesellschaftsformationen" auf eine zusätzliche Offenheit und Lockerheit der Formulierungen hin. Nichts ist rigide festgeschrieben, alles noch tastend und keineswegs selbstsicher dogmatisch formuliert, in sich auch problematisch genug. Wie wenig sich Marx in diesem Punkt festlegen wollte, beweist die Tatsache, daß er die „Grundrisse“ selbst nie veröffentlichte, so daß sie erst posthum aus seinem Nachlaß als Rohmaterialien zur „Kritik der Politischen Ökonomie“ erschienen.

Im berühmten Vorwort „Zur Kritik der Politischen Ökonomie" von 1859 heißt es gar: „In großen Umrissen können asiatische, antike, feudale und modern bürgerliche Produktionsweisen als progressive Epochen der ökonomischen Gesellschaftsformation bezeichnet werden." Es heißt also ausdrücklich nicht: Das waren die chronologisch aufeinanderfolgenden Produktionsweisen (= ökonomische Gesellschaftsformationen) überhaupt, sondern sie gelten nur als „progressive Epochen". Die gewählte Formulierung legt nahe, daß es auch nicht-progressive Epochen gab. Damit entfällt, zumindest impliziert, der Anspruch auf zeitlich lückenlose Gültigkeit eines wie auch immer gearteten daraus abgeleiteten Periodisierungsschemas. Dogmatisierung und versuchte Abwehr Marx und Engels mußten sich in ihren späten Jahren immer wieder dagegen verwahren, sie hätten mehr geleistet, als die Entstehung des bürgerlichen Kapitalismus in Westeuropa aus dem historischen Prozeß im europäisch-mediterranen Bereich seit der Antike rekonstruiert und analysiert zu haben. Gegen einen russischen Kritiker des „Kapital" wandte Marx in diesem Sinne 1877 ein: „Er muß durchaus meine historische Skizze von der Entstehung des Kapitalismus in Westeuropa in eine geschichtsphilosophische Theorie des allgemeinen Entwicklungsganges verwandeln, der allen Völkern schicksalsmäßig vorgeschrieben ist, was immer die geschichtlichen Umstände sein mögen, in denen sie sich befinden, um schließlich zu jener ökonomischen Formation zu gelangen, die mit dem größten Aufschwung der Produktivkräfte der gesellschaftlichen Arbeit die allseitigste Entwicklung des Menschen sichert."

Und Marx fügt in Klammern als ironisches Paradoxon hinzu: „Das heißt mir zu viel Ehre und zu viel Schimpf antun." Mit anderen Worten: Marx war realistisch und selbstbescheiden genug, zu erkennen, daß die scheinbare Ehre, mit seiner regional begrenzten Analyse ein allseits umfassendes Periodisierungssystem erfunden zu haben, ihm eher Lächerlichkeit („Schimpf") als Ehre eingetragen hätte. Aus dem vergleichenden Studium von historischen Beispielen zur Illustrierung des historischen Prozesses, so ließ Marx gelten, „wird man leicht den Schlüssel zu dieser Erscheinung finden", [hier der Entwicklung der römischen Plebejer zum Proletarier („faulenzender Mob") einerseits, zur „auf Sklavenarbeit beruhende Produktionsweise" andererseits], Aber, so fügt Marx ausdrücklich hinzu: „Man wird niemals dahin gelangen mit dem Universalschlüssel einer allgemeinen geschichtsphilosophischen Theorie, deren größter Vorzug darin besteht, übergeschichtlich zu sein." Marx selbst wollte also ausdrücklich keine „allgemeine geschichtsphilosophische Theorie" der Periodisierung konstruiert haben. Er wehrte sich nicht nur subjektiv gegen eine solche Überhöhung seiner theoretischen Leistung. Er hatte auch objektiv recht: Marx hat keine als Periodisierungs-Schema gemeinte oder interpretierbare allgemeine, in ihrer Abstraktion „übergeschichtlich" wirkende Theorie hinterlassen.

Nach dem Tod von Marx führte Engels die Abwehr gegen alle Kodifizierungs-und Dogmatisierungsversuche fort. Mit dem berühmten Brief an Joseph Bloch vom 21. September 1890, in dem sich Engels temperamentvoll gegen das Mißverständnis oder gegen die Verkürzung verwahrte, als sei das „ökonomische Moment" nur „das einzig bestimmende" 1, schrieb er auch neueren „Marxisten" (die Anführungsstriche bei Engels im Original!) einiges ins Stammbuch, was sich auch viele der inzwischen allerneuesten „Marxisten" hinter die Ohren schreiben sollten: „Des weiteren möchte ich Sie bitten, diese Theorie in den Originalquellen und nicht aus zweiter Hand zu studieren ... Daß von den Jüngeren zuweilen mehr Gewicht auf die ökonomische Seite gelegt wird, als ihr zukommt, haben Marx und ich teilweise selbst verschulden müssen. Wir hatten, den Gegnern gegenüber, das von diesen geleugnete Hauptprinzip zu betonen, und da war nicht immer Zeit, Ort und Gelegenheit, die übrigen an der Wechselwirkung beteiligten Momente zu ihrem Recht kommen zu lassen. Aber sowie es zur Darstellung eines historischen Abschnitts, also zur praktischen Anwendung kam, änderte sich die Sache, und da war kein Irrtum möglich. Es ist aber leider nur zu häufig, daß man glaubt, eine neue Theorie vollkommen verstanden zu haben und ohne weiteres handhaben zu können, sobald man die Hauptsätze sich angeeignet hat, und das auch nicht immer richtig. Und diesen Vorwurf kann ich manchen der neueren . Marxisten'nicht ersparen, und es ist da denn auch wunderbares Zeug geleistet worden."

Was Engels zuvor von der unzulässigen Verkürzung auf das nur Ökonomische bei Handhabung des Basis-Überbau-Modells geschrieben hatte, gilt sinngemäß auch auf das von späteren „Marxisten“ (die teilweise 1890 schon längst geboren waren) aus Marx herausgepreßte „marxistische" Periodisierungs-Schema: „Sonst (d. h., ließe man alle die anderen Faktoren im überbau, die Engels ausführlich aufzählt, weg, I. G.) wäre die Anwendung der Theorie auf eine beliebige Geschichtsperiode ja leichter als die Lösung einer einfachen Gleichung ersten Grades.“

Genau das, wogegen sich Engels kurz vor seinem Tode so energisch wehrte, tun heute viele „Marxisten": Sie benutzen einige Formeln (Basis-Überbau, Produktivkräfte, Produktionsverhältnisse, Produktionsweise usw.), die sie, oft mit geringen historischen Kenntnissen, glauben, auf fast jede beliebige historische oder gegenwärtige Gesellschaft anwenden zu können. Da sie sich ohnehin im sicheren Besitz des (von Marx gerade geleugneten) über-geschichtlichen „Universalschlüssels" zur Erkenntnis der Geschichte wähnen, ist für sie „die Anwendung der Theorie auf eine beliebige Geschichtsperiode" in der Tat leichter als die Lösung einer einfachen Gleichung ersten Grades“, weil es für sie eben keine Unbekannte gibt. Da Marx und Engels sich gegen die sie verkürzenden, simplifizierenden und dogmatisierenden „Marxisten" nicht mehr wehren können, scheint es angebracht, sie vor ihren übereifrigen Nachbetern zu schützen, die so den rationalen und wissenschaftlich fortschrittlichen Ansatz von Marx und Engels durch ihre Dogmatisierung diskreditieren, nämlich die Gewinnung von objektiven Kriterien zur Einteilung, d. h. Periodisierung des historischen Prozesses aus der ökonomischen Entwicklung und den daraus resultierenden sozialen und politischen Konsequenzen. Alle Äußerungen von Marx und Engels zur Frage „vorkapitalistischer Produktionsweisen", vor allem Sklaverei und Feudalismus, sind zudem aus einer (nicht nur für die damalige Zeit) ungeheuren Kenntnis der damals wichtigsten historischen Literatur sowie aus intimer Kenntnis antiker wie mittelalterlicher Quellen gespeist, wie die z. T.sehr ausführlichen und noch heute mit großem Gewinn zu lesenden Analysen zeigen Einer der führenden westdeutschen Althistoriker hat ihnen ausdrücklich bescheinigt, daß sie z. B. erstmals die Althistorie auf die Bedeutung wirtschafts-und sozialgeschichtlicher Faktoren hinwiesen, während allerdings ihre Aussagen generellen Charakters zu einer Zeit entstanden, als sie notwendig die gerade durch ihren stimulierenden Beitrag später entstandenen neuen Forschungen über Wirtschafts-und Sozial-geschichte der Antike noch nicht kennen konnten

Die Nachfolger von Marx und Engels im revolutionären Prozeß — vor allem Stalin — haben ohne solche umfassenden Kenntnisse einige bei Marx und Engels vorhandene Elemente ein-fach zusammengefügt und in den Rang von axiomatischen Lehrsätzen erhoben, die von der Wissenschaft nicht mehr kritisch zu hinterfragen, sondern nur noch zu beweisen, von den Laien und politischen Anhängern kritiklos zu glauben waren. Lenin, dessen Stärke in der Analyse des zeitgenössischen Imperialismus lag, ferner in der Entwicklung einer aus den besonderen Bedingungen Rußlands entwickelten Revolutionstheorie samt praktischer Anwendung durch Parteiarbeit und Revolution selbst, äußerte sich nur einmal, nach geglückter Revolution, 1919 in einer Vorlesung „über den Staat" zur Periodisierungs-Problematik: „Die jahrtausendelange Entwicklung aller menschlichen Gesellschaften in ausnahmslos allen Ländern zeigt uns eine allgemeine Gesetzmäßigkeit ...derart, daß wir zuerst eine Gesellschaft ohne Klasse haben, die ... Urgesellschaft, dann ... die Gesellschaft der Sklavenhalter. Dieses Stadium hat das ganze moderne zivilisierte Europa durchlaufen ... (in der) Leibeigenschaft... (hat sich) die Form der Beziehungen zwischen den Menschen ... geändert ... In der Gesellschaft der Leibeigenschaft (entstand) . . . die Klasse der Kapitalisten ... Den Übergang der Gesellschaft von den Urformen der Sklaverei zur Leibeigenschaft und schließlich zum Kapitalismus müssen Sie stets im Auge behalten" Die Aussage ist, genau besehen, in sich widersprüchlich, weil sie eingangs die universale („allgemeine") „Gesetzmäßigkeit" ankündigt und postuliert, anschließend aber meist nur von Europa spricht.

Stalins Fünf-Stadien-Schema Die eigentliche Fixierung und Dogmatisierung der bei Marx und Engels noch gleichsam flüssigen und flexiblen Elemente erfolgte erst durch Stalin. Er war weder Wissenschaftler noch Historiker, da er nie eine Wissenschaft studierte und sich auch nicht durch von der Wissenschaft anerkannte wissenschaftliche Arbeiten schriftlich, d. h. gedruckt und allgemein zugänglich, ausgewiesen hat. Im gleichen Maße, in dem er seine persönliche Herrschaft zur Diktatur ausbaute, entfaltete er auch den Ehrgeiz, selbst als Theoretiker und Klassiker des von ihm so genannten „Marxismus-Leninismus“ in die Geschichte einzugehen. Dazu eignete sich insbesondere die Frage der Periodisierung. Stalin kombinierte die meisten der bei Marx und Engels vorzufindenden Elemente zu einer Periodisierung mit dem bereits im „Kommunistischen Manifest“ nur so hingeworfenen Gedanken, daß der Klassenkampf in den verschiedenen Epochen „jedesmal mit einer revolutionären Umgestaltung der ganzen Gesellschaft endete oder mit dem gemeinsamen Untergang der kämpfenden Klassen“ Stalin ließ einfach die — immerhin genannte — historische Alternative („gemeinsamer Untergang der kämpfenden Klassen") weg und erhob die erste Hälfte der Aussage zum Lehrsatz, daß sich der Übergang von einer Gesellschaftsformation zur anderen stets durch eine Revolution vollzogen habe Dazu mußte er jedoch „die Revolution der Sklaven" beim Untergang der Antike ebenso erfinden wie „die Revolution der leibeigenen Bauern" zur Beseitigung der „Feudalherren". Stalin führte diese Neuerung in seiner „Rede vor den Stoßarbeitern der Kollektivwirtschaften" im Jahre 1933 ein. Die beiden zentralen Abschnitte sind so instruktiv und kurz, daß sie eine vollständige Zitierung rechtfertigen. Zur Erläuterung seiner These, daß die Oktoberrevolution die erste Revolution gewesen sei, die „es sich zum Ziel gesetzt" hatte, „jegliche Ausbeutung abzuschaffen und alle und jede Ausbeuter und Unterdrücker zu beseitigen", griff Stalin auf die Geschichte zurück: „Die Revolution der Sklaven beseitigte die Sklavenhalter und hob die Sklaverei als Form der Ausbeutung der Werktätigen auf. An die Stelle der Sklaven-halter setzte sie aber Feudalherren und die Leibeigenschaft als Form der Ausbeutung der Werktätigen. Die einen Ausbeuter wurden durch andere Ausbeuter abgelöst. Die Revolution der leibeigenen Bauern beseitigte die Feudalherren und hob die Leibeigenschaft als Form der Ausbeutung auf. Sie setzte jedoch an ihre Stelle Kapitalisten und Gutsbesitzer, die kapitalistische und gutsherrliche Form der Ausbeutung der Werktätigen. Die einen Ausbeuter wurden durch andere Ausbeuter abgelöst.“ — Das war bereits alles. Nicht ausdrücklich ausgesprochen, aber impliziert war die Allgemeingültigkeit sowohl der Aufeinanderfolge der beiden Gesell-

schaftsformationen als auch die Kombination mit einem wie auch immer gearteten revolutionären Vorgang. Jedes Mal drängt sich aber der Verdacht auf, daß Stalin nur einen partikularen Vorgang (ob real oder nur in seiner Phantasie abgelaufen) unbewußt für die gesamte Menschheit verallgemeinerte. Im antiken Fall dachte er an Italien, wo es aber, wie inzwischen auch die sowjetische Altertumsforschung einräumt, nie eine Sklavenrevolution gab, die mit dem Römischen Reich auch die Sklaverei gestürzt hätte Im anderen Fall dachte er offenbar, wie die Kombination vom Sturz der „Leibeigenschaft“ mit . Kapitalisten und Gutsbesitzer“ nahelegt, an Rußland, für das das Stalinsche Modell angehen mag.

In keinem Fall lassen sich beide Vorgänge zu einem universalen, zeitlich wie räumlich allgemeingültigen Periodisierungsschema ausweiten. Genau das tat Stalin aber nur fünf Jahre später, als er das für viele zeitgenössische „Marxisten" noch immer gültige Periodisierungsschema dekretierte — in seiner Schrift . über dialektischen und historischen Materialismus" Nachdem Stalin Grundelemente der materialistischen Geschichtsauffassung (Produktionsinstrumente, Produktivkräfte, Produktionsverhältnisse, -weisen usw.) ganz so erläutert hatte, wie es noch heute in den gängigen marxistischen Lehrbüchern geschieht führte er den Ansatz zum Periodisierungsschema erstmals ein: „Auf verschiedenen Entwicklungsstufen bedienen sich die Menschen verschiedener Produktionsweisen oder, gröber gesprochen, führen sie eine verschiedene Lebensweise. Im urwüchsigen Gemeinwesen besteht eine Produktionsweise, unter der Sklaverei eine andere, unter dem Feudalismus eine dritte Produktionsweise usw. Dementsprechend sind auch die GesellschaftsOrdnung der Menschen, ihr geistiges Leben, ihre Anschauungen, ihre politischen Einrichtungen verschieden ... Das bedeutet, daß die Entwicklungsgeschichte der Gesellschaft vor allem die Entwicklungsgeschichte der Produktion ist, die Geschichte der Produktionsweisen, die einander im Laufe der Jahrhunderte ablösen, die Entwicklungsgeschichte der Produktivkräfte und der Produktivverhältnisse der Menschen."

Mit der Wendung von den „Produktionsweisen, die einander im Laufe der Jahrhunderte ablösen", ist eine chronologische Abfolge der Produktionsweisen eingeschlossen. Zum mindesten muß die Formulierung in diesem Sinne so verstanden werden und wurde bisher von „Marxisten“ auch so gehandhabt. Auf eine Bestimmung des dialektischen Verhältnisses zwischen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen bzw. Produktionsweisen folgt „ein schematisches Bild der Entwicklung der Produktivkräfte von den ältesten Zeiten bis auf unsere Tage“, d. h. „von groben Stein-werkzeugen" bis zur „modernen maschinellen Großindustrie". Und nun folgt die Entfaltung des seitdem gängigen Fünf-Stadien-Schemas, jeweils mit einigen zusätzlichen Erläuterungen, die hier aus Raumgründen teilweise weggelassen werden: „Die Geschichte kennt fünf Grundtypen von Produktionsverhältnissen: die Produktionsverhältnisse der Urgemeinschaft, der Sklaverei, des Feudalismus, des Kapitalismus, des Sozialismus. In der Urgemeinschaft war die Grundlage der Produktionsverhältnisse das gesellschaftliche Eigentum an den Produktionsmitteln ... Hier gibt es keine Ausbeutung, keine Klassen. In der auf Sklaverei beruhenden Gesellschaftsordnung ist die Grundlage der Produktionsverhältnisse das Eigentum des Sklavenhalters an den Produktionsmitteln, aber auch an dem Produzenten, dem Sklaven . .. Hier gibt es bereits keine gemeinsame und freie Arbeit aller Mitglieder der Gesellschaft im Produktionsprozeß, hier herrscht die Zwangsarbeit von Sklaven, die von den nichtarbeitenden Sklavenhaltern ausgebeutet werden. Daher gibt es auch kein Gemeineigentum an den Produktionsmitteln sowie an den erzeugten Produkten ... In der Feudalordnung ist die Grundlage der Produktionsverhältnisse das Eigentum des Feudalherrn an den Produktionsmitteln und beschränktes Eigentum an dem Produzenten, dem Leibeigenen ... Neben dem Feudaleigentum existiert das individuelle Eigentum des Bauern und des Handwerkers an den Produktionsinstrumenten und an seiner auf persönlicher Arbeit beruhenden privaten Wirtschaft ... In der kapitalistischen Gesellschaftsordnung ist die Grundlage der Produktionsverhältnisse das kapitalistische Eigentum an den Produktionsmitteln ohne Eigentum an den Produzenten, den Lohnarbeitern ... Neben dem kapitalistischen Eigentum an den Produktionsmitteln besteht das Privateigentum des von fronherrlicher Abhängigkeit befreiten Bauern und Handwerks an den Produktionsmitteln, das auf persönlicher Arbeit beruht und in der ersten Zeit weit verbreitet ist... In der sozialistischen Gesellschaftsordnung, die vorerst nur in der Sowjetunion verwirklicht ist, ist die Grundlage der Produktionsverhältnisse das gesellschaftliche Eigentum an den Produktionsmitteln ... Das ist das Bild der Entwicklung der Produktionsverhältnisse der Menschen im Verlaufe der Geschichte der Menschheit.“

Selbst Stalin nahm vielleicht noch nicht einmal explizit die universale Gültigkeit seines Fünf-Stadien-Schemas an, denn er sprach einleitend nur von fünf „Grundtypen", was im Original kursiv (nämlich „Grund") gesetzt war. Seine Formulierung ließ also rein theoretisch noch die Möglichkeit anderer Typen zu, die eben nicht Grundtypen waren. Tatsächlich fielen in der späteren Ausführung des Fünf-Stadien-Schemas andere Typen weg, vor allem die von Marx einst als Möglichkeit in die Debatte geworfene „asiatische Produktionsweise", die seit ungefähr einem Jahrzehnt als Beweis einer angeblichen Überwindung des Stalinschen Dogmatismus wieder auftaucht, ohne jedoch mehr als eine nur regionale Modifizierung des ansonsten weiter beibehaltenen Fünf-Stadien-Schemas von Stalin zu bedeuten Selbst Stalin führte den Revolutionsmechanismus noch nicht ganz rigide ein, denn nach ihm vollzog sich der Übergang von einer Produktionsweise zur anderen nur „gewöhnlich auf dem Wege des revolutionären Sturzes der alten Produktionsverhältnisse und der Herstellung und Veran-kerung neuer“ Ausnahmen wären also theoretisch denkbar gewesen, fielen aber später bei der Kanonisierung des Schemas unter den Tisch, wie sich beim Übergang von der Sklavenhalterordnung zum Feudalismus zeigt, wo eine solche Ausnahme am ehesten hätte zugelassen werden müssen.

Die Kritik am Fünf-Stadien-Schema Das „marxistische“ Periodisierungsschema, ob in seiner Fünf-Stadien-oder Sechs-Stadien-Variante (nämlich unter Einschluß der asiatischen Produktionsweise), geht also in seiner als integraler Bestandteil des sog. „wissenschaftlichen Sozialismus" und „MarxismusLeninismus“ geronnenen Form in Wirklichkeit nicht auf Marx oder Engels zurück, sondern auf Stalin. Das sollte jeder wissen, der damit hantiert oder gar andere darauf einzuschwören versucht, unter Berufung auf „den“ historischen Materialismus. So bestechend das Periodisierungsschema auf den ersten Blick erscheinen mag, so unzulänglich wird es als historisches Erklärungsmodell, wenn es vier Ansprüche auf einmal zu erfüllen vorgibt: 1. Allgemeine Gültigkeit in der zeitlichen Dimension.

2. Allgemeine Gültigkeit in der räumlichen Dimension.

3. Kombination mit dem Revolutionsmechanismus zur Erklärung des Übergangs von der eine Stufe zur anderen. 4. Die angenommene „Progressivität" der aufeinanderfolgenden Epochen oder Produktionsweisen.

Daß zumindest die ersten drei Ansprüche gleichzeitig gemeint sind, beweisen Formulierungen z. B. im „Lehrbuch der Politischen Ökonomie" aus der Sowjetunion von 1954, das in einem frühen Stadium der Bremer Diskussion unwidersprochen in die Debatte geworfen wurde, weil es angeblich richtige Ansichten formuliere. Es behandelt „die vorkapitalistischen Produktionsweisen" in ausführlicher Durchführung des von Stalin vorgegebenen Schemas: „Die Produktion der Urgemeinschaft", „Die auf Sklaverei beruhende Produktionsweise", „Die feudale Produktionsweise“, „Die kapitalistische Produktionsweise“.

Als „Urgemeinschaft" (bei anderen marxistischen Autoren auch „Urgesellschaft“ oder „Urgemeinde“ genannt) gelten die Periode des Sammelns, Jagens sowie Fischens und die ersten Anfänge der agrarischen Produktion, denen gesellschaftlich die Gentil-(oder Stammesordnung) entspricht. Der „Übergang von Steinwerkzeugen zu Metallwerkzeugen" wird in der Epoche der Sklavenhalterordnung behandelt Das gilt zwar für den Bereich des antiken Orient, aber außerhalb der antiken Hochkulturen vollzog sich der Übergang von Stein-zu Metallwerkzeugen, z. B. aus Bronze und Eisen, noch in einer Stufe, die sonst der „Urgemeinschaft“ zugerechnet wird, z. B. bei Kelten und Germanen, bei denen es gleichwohl damals auch schon Sklaven gab. Hier zeigt sich zum erstenmal, wie die krampfhafte Ausweitung punktuell richtiger Aussagen (z. B. Übergang von Stein-zu Metallwerkzeugen in den mit Sklaven im großen Stil arbeitenden antiken Hochkulturen) auf übrige Bereiche (wie sie im universalen Anspruch zumindest impliziert ist) mit den historischen Fakten in Konflikt gerät. Die Grundschwierigkeit im „marxistischen“ Periodisierungsschema liegt u. a. darin, daß hier historische Elemente und Vorgänge aus verschiedenen Zeiten und Räumen jeweils zu einem abstrakten Modell, gleichsam zu einem Idealtypus einer sog. „Produktionsweise", systematisch zusammengefügt werden, um das vorgegebene Schema zu „beweisen". Diese Art „Marxismus" geht also nicht historisch vor, wie En-gels einst von der Politischen Ökonomie gefordert hatte sondern (meist ohne besondere Geschichtskenntnisse) nur theoretisch und systematisch, was prompt zur Dogmatisierung führt.

Die gleiche Unvereinbarkeit von dogmatisiertem Schema mit den historischen Fakten zeigt sich auch beim Ende der Sklavenhalterordnung. Unter der fetten Zwischenüberschrift „Der Klassenkampf der Ausgebeuteten gegen die Ausbeuter. Die Sklavenaufstände. Der Untergang der Sklavenhalterordnung" heißt es wörtlich: „Der Gegensatz zwischen den Klein-produzenten und den adligen Großgrundbesitzern rief eine demokratische Bewegung unter den Freien hervor, die die Beseitigung der Schuldknechtschaft, die Neuaufteilung des Bodens, die Liquidierung der Privilegien der grundherrlichen Aristokratie und die Übergabe der Macht an den Demos (das heißt an das Volk) zum Ziel hatte.“

Hier hat nun eine blühende Phantasie Elemente aus den unterschiedlichsten Epochen zusammengemixt — aus der griechischen Geschichte (Demos bzw.demokratische Bewegung), aus der römischen Geschichte (Neuaufteilung des Bodens), während wir uns mit der „grundherrliche(n) Aristokratie" (genauer: „grundherrschaftlichen") schon im mittelalterlichen Feudalismus befänden. Nach ei-nem Verweis auf die Sklavenaufstände im alten Rom, die jedoch 500— 600 Jahre vor Untergang des Weströmischen Reichs (476 n. Chr.) stattfanden, heißt es lapidar: „Im Römischen Reich hatte die auf Sklaverei gegründete Produktionsweise ihre höchste Entwicklung erreicht. Der Untergang des Römischen Reiches war zugleich der Untergang der Sklavenhalterordnung überhaupt. An die Stelle der Sklavenhalterordnung trat die Feudalordnung."

Da neuerdings solche Ansichten für wahr befunden, weil von „Marxisten" unwidersprochen geblieben waren, lohnt es sich, hier die historische Kritik anzufügen: Von einer Revolution der Sklaven als Träger des ökonomischen und gesellschaftlichen Fortschritts, die erst den Übergang zur (angeblich) fortschrittlicheren Produktionsweise des Feudalismus ermöglichte, ist zwar nicht dem Buchstaben nach, wohl aber der Sache nach die Rede. Selbst die sowjetische Althistorische Forschung hat inzwischen eingeräumt, daß es keine einheitliche, gar noch fortschrittliche „Klasse“ der Sklaven gab, die Träger einer „Sklavenrevolution", wie sie Stalin 1933 erfunden hatte, daß es überhaupt keine Sklavenrevolution gab, die das Ende der Sklavenhalterordnung hätte herbeiführen können wie sie noch das „Lehrbuch für Politische Ökonomie" von 1954 suggeriert. Es hieße in der Tat den Begriff „Revolution" auf unerträgliche Weise aufzublähen und damit untauglich zu machen, wollte man als „Revolution" eine Periode von 550— 600 Jahren bezeichnen, ohne „progressive“ oder gar „revolutionäre“ Klasse, ohne revolutionäres Ziel oder Programm, das irgendwo formuliert und in sich konsequent verfolgt worden wäre, also ohne revolutionäres Subjekt.

Im Übergang zum Feudalismus gab es also keine wie auch immer geartete Revolution. Auch die Behauptung ist schlicht falsch: „Der Untergang des Römischen Reiches war zugleich der Untergang der Sklavenhalterordnung überhaupt.“ Der Satz ist, wenn Worte noch einen Sinn haben, nur so zu verstehen, daß mit dem Untergang des Römischen Reichs die Sklaverei und die damit verbundenen politischen Strukturen „überhaupt", also generell — mithin in der gesamten Welt — verschwunden seien. Davon kann jedoch keine Rede sein. Sklaverei existierte sogar nach dem Untergang des Römischen Reichs auf früher römischem Boden weiter, z. B. auf der iberischen Halbinsel, erst recht im Oströmischen Reich und außerhalb des Römischen Reichs, von Persien bis China, mit dem Einbruch der Araber auch im arabischen Großreich, später im Osmanischen Reich, nach der Entdeckung der Neuen Welt auch in Amerika, dort als Grundlage der Groß-Plantagenwirtschaft. Sklaverei existierte also bis in die Neuzeit hinein in so weiten Teilen der Erde, daß es unsinnig ist, mit dem Ende des Weströmischen Reichs, also einem Ereignis von insgesamt nur regionaler Bedeutung, die „Sklavenhalterordnung überhaupt“ untergehen zu lassen.

Diesen Widersinn hat die neueste Auflage des sowjetischen Lehrbuchs der „Politischen Ökonomie“ auch erkannt und selbst modifizierend und einschränkend auf das Weiterleben der Sklaverei in weiten Teilen der Welt hingewiesen ohne zu merken oder einzuräumen, daß damit das gesamte Periodisierungssystem nach den fünf Produktionsweisen ins Wanken gerät, zumal das Ende der Sklavenhalterordnung doch wieder auf 476 n. Chr. verlegt wird Das Kapitel „Die feu-dale Produktionsweise" in der Fassung von 1954 versucht zwar, wenigstens nachträglich einige Elemente der Elastizität einzuführen: »Die Epoche des Feudalismus umfaßt eine lange Periode. In China bestand die Feudal-ordnung mehr als zweitausend Jahre. In den Ländern Westeuropas erstreckte sich der Feudalismus über Jahrhunderte, vom Untergang des Römischen Reiches (5. Jahrhundert) bis zu den bürgerlichen Revolutionen in England (17. Jahrhundert) und in Frankreich (18. Jahrhundert)."

Aber damit ergeben sich neue Widersprüche. Was zuvor, beim Ende der Sklavenhalterordnung, als Ereignis von universalhistorischer, eben epochestiftender Bedeutung erschienen war (»Untergang der Sklavenhalterordnung überhaupt"), erscheint plötzlich nur noch als regionales Ereignis, was es tatsächlich auch nur war, kann dann aber keine universale Gültigkeit beanspruchen. Auch die Fortführung der Analye gerät wieder schief: „Die Macht der Sklavenhalter wurde gestürzt, die Sklaverei trat ab. Die großen, auf Sklavenarbeit beruhenden Latifundien und Handwerksstätten zerfielen in kleine Teile.“ Zumindest die großen Latifundien Italiens hatten sich schon längst vor dem Untergang des Weströmischen Reichs durch das Kolonatsystem wieder zersetzt, also gerade durch ein Element, das zur späteren Feudalordnung überleitete, jedenfalls dort, wo es solche Latifundien gab, nämlich in Italien. Die nachfolgende Analyse leidet wieder unter dem Versuch, in das abstrahierende Modell einer „feudalen Produktionsweise" Elemente aus den unterschiedlichsten Perioden zu einem einheitlichen System zusammenzuzwingen, ohne daß es gelingen würde, eine historisch korrekte Vorstellung von dem Prozeß zu geben, der sich in dieser Epoche tatsächlich vollzog.

Nicht hier im „Lehrbuch", aber im mündlich noch weiter depravierten „Marxismus", wird als Charakteristikum der aufeinanderfolgenden Produktionsweisen das Element der „Progressivität" genannt, worunter die Ausweitung der Produktivkräfte und der Produktion gemeint ist. In diesem Sinn war, im Verhältnis zur Antike, der Feudalismus jedoch zunächst ausgesprochen degressiv, weil er das Ergebnis des Rückfalls fast auf das Niveau der der Barbarei gerade entrinnenden germanischen, slawischen usw. Stämme war. Erst um 1400 hatte Europa — vor allem dank Wieder-anknüpfung der Handelsbeziehungen zum noch immer ökonomisch und zivilisatorisch überlegenen Orient etwa ab dem 10. Jahrhundert und dank Rezipierung der intellektuellen Leistungen der Antiken durch bewußtes Wiederanknüpfen an sie in der „Renaissance“ (d. h. „Wiedergeburt") — allmählich wieder ungefähr das Produktions-und Zivilisationsniveau der Antiken erreicht, woraus sich später in Westeuropa mit der Industrialisierung zunächst der Kapitalismus entwickelte. Davor lag die entscheidende Wende in der Wieder-aufwärtsentwicklung etwa um 1200.

Demnach hätte also zwischen dem Entstehen der angeblich so progressiven feudalen Produktionsweise um 500 und ihrer erst wirklich „progressiven" Phase (im engen Sinne der steigenden Produktion und Produktivität) eine Lücke von über 700 Jahren geklafft. Anders ausgedrückt: Uber die Hälfte ihrer Dauer wäre die feudale Produktionsweise gegenüber der vorausgegangenen, der antiken oder Sklavenhalterordnung, gar nicht „progressiv" gewesen, was nicht gerade für die Plausibilität des Periodisierungsschemas, gekoppelt mit der angeblichen „Progressivität“ der aufeinanderfolgenden Produktionsweisen, spricht, ganz abgesehen von der Revolutionsproblematik. Die Wirkung der tatsächlich stattgefundener Bauernaufstände in Europa vom 14. Jahrhundert bis zum deutschen Bauernkrieg 1524/25 bestand keineswegs darin, „daß sie die Grundpfeiler des Feudalismus erschütterten und schließlich zur Abschaffung der Leibeigenschaft führten". In England und Frankreich löste sich zwar in der Tat die Leibeigenschaft im späten Mittelalter auf, aber es wäre erst noch zu beweisen, daß dies ausschließlieh oder auch nur überwiegend als Konsequenz der in jedem Fall niedergeworfenen Bauernaufstände geschah. In Deutschland jedenfalls war die Leibeigenschaft schon weitgehend verschwunden, als der Bauernkrieg im Süden und Südwesten Deutschlands ausbrach, und führte dort eher im Rückschlag zu einer stärkeren Abhängigkeit der Bauern von ihren Grundherren, verglichen mit dem früheren Status — eine Entwicklung, die in Ostdeutschland (ohne Bauernkrieg) in der sog. .zweiten Leibeigenschaft“ ihre Entsprechung fand.

In Rußland und China erschütterten um die Mitte des 19. Jahrhunderts in der Tat große Bauernaufstände das feudal-absolutistische Regime, aber beide Länder waren nun einmal nicht Zentren der Entwicklung hin zum Kapitalismus, wohl aber im 20. Jahrhundert der proletarischen Revolution. In Westeuropa vollzog sich der Durchbruch zum Kapitalismus in der Tat mit gewaltsamen Revolutionen, die zwar von bäuerlichen Schichten mit getragen waren (in England von Freibauern = Yeomen, in Frankreich 1789 durch die Erhebung der Bauern), aber die politische Führung lag von vornherein beim Wirtschaftsbürgertum, so daß die bürgerlichen Revolutionen nur teilweise agrarischer Natur waren und schon gar nichts mit dem Aufstand noch „leibeigener Bauern", die es im England des 17. nicht mehr und im Frankreich des 18. Jahrhunderts kaum noch gab, gegen die Leibeigenschaft praktizierende Feudalherren zu tun hatten.

Somit erweist sich das gesamte „marxistische" Periodisierungsschema als historisch unhaltbar, soweit es als allgemeingültiges und lückenloses Periodisierungsschema gelten will. Es hätte einen begrenzten Erklärungswert nur insoweit, als es sich mit einem systematisch-kategorialen Charakter begnügen würde, also als Ansammlung von Beispielen für Grundtypen in der Geschichte vorgekommener Produktionsweisen. Der Verzicht auf chronologische Lückenlosigkeit und globale Allgemeingültigkeit ist aber nirgends so deutlich ausgesprochen, daß er von sich aus erkennbar wurde, weder bei Lenin oder Stalin noch in den aus Stalinschem Geist geschriebenen Lehrbüchern der „Politischen Ökonomie" 36a). Erst im Laufe der Bremer Diskussionen 1973/74 konzedierten „Marxisten" (im Sinn von Engels 1890) plötzlich auf sachliche Einwände, daß das Fünf-Stadien-Schema, von dem bisher nur die Rede war, nicht im Sinne einer chronologischen Abfolge zu verstehen sei.

Abgesehen davon, daß die Bremer „Marxi36a) sten" damit die Richtigkeit einer Position anerkannten, die zunächst Stein des Anstoßes gewesen war, geraten sie damit von neuem, wenn auch auf andere Weise, in Konflikt mit den Tatsachen: Gerade im etablierten Marxismus — z. B.der Sowjetunion und der DDR, auf den sie sich, wenn es gerade in die Argumentation paßt, gern berufen — wurde das Fünf-Stadien-Schema als Periodisierungsschema mit universaler Gültigkeit angewandt, das höchstens lokale oder regionale Varianten aufwies. Die Praxis marxistisch-kommunistischer Geschichtsschreibung bis in Handbücher und Lexika hinein beweist es ebenso wie die — offensichtlich bisher noch nicht widerrufene — theoretische Darlegung, dazu noch ex cathedra vom gegenwärtig wohl prominentesten Historiker der Sowjetunion bei einem so repräsentativen Anlaß wie dem Internationalen Historikerkongreß 1960 als all-gemeingültige Position für die marxistische Geschichtswissenschaft vorgetragen Pro-fessor E. M. Zhukov lieferte lediglich eine ausführlichere und wissenschaftlich nuanciertere Version des Stalin-Modells. Er führte, offenbar ohne den Widerspruch zu merken, als fünf „lange fortschrittliche Perioden in der Geschichte des menschlichen Fortschritts" nur die bekannten fünf Produktionsweisen vor. Da er keine anderen Perioden nannte, können sie nicht (durchweg) „fortschrittlich" gewesen sein; wenn es auch nicht-fortschrittliche gab, so bleiben sie ungenannt. Gravierender ist, daß rein logisch die fünf „fortschrittlichen" Epochen dann nicht die alleinigen sind, folglich das Periodisierungsschema lückenhaft ist, also nicht universale Gültigkeit aufweist, was nun einmal der Anspruch von Versuchen zur „Periodisierung der Weltgeschichte“ (so Zhukov im Titel seines Referats selbst) sein sollte.

Zhukov vertrat 1960 sogar noch die These vom stets revolutionären Sprung aus einer Epoche (= Produktionsverhältnisse) in die nächste, so daß er sogar den Übergang zur Klassengesellschaft als „revolutionärer Natur" charakterisieren konnte Da sich dieser „Übergang“, zumal auf globaler Ebene, auf Jahrtausende erstreckte, wäre der Begriff „revolutionär" hier auf extreme Weise aufgebläht, zumal Zhukov noch nicht einmal zu erkennen gab, daß selbst er „revolutionär" hier wohl nur im übertragenen, metaphorischen Sinn gemeint haben kann. Immerhin, die Laxheit in der Verwendung des Revolutionsbegriffs bleibt. So kann es auch nicht überraschen, daß Zhukov 1960 sogar noch vor einem internationalen Fachpublikum die Stalin-sehe Erfindung der Sklavenrevolution zur Beendigung der Sklavenhaltergesellschaft eloquent verteidigte die nur wenige Jahre später selbst die sowjetische Althistorie wieder fallen ließ

Ganz geheuer konnte es dem sowjetischen Historiker doch nicht sein. Offensichtlich spürte er die Lückenhaftigkeit und Unzulänglichkeit seines Periodisierungsschemas, denn am Ende seines Referats — das, wie gesagt, repräsentative Verbindlichkeit in der Darlegung der marxistischen Position beanspruchte — fiel Zhukov etwas hilflos auf das traditioßelle Periodisierungsschema von alter, mitteil’) alterlicher, neuer und neuester Geschichte zurück Als Ergänzung zur sozio-ökonomischen Dimension hielt er also die rein chronologische Dimension, die gerade quer zur Kategorie der Produktionsweisen stand, offenbar für unentbehrlich. Noch nicht einmal der Anspruch des historischen Materialismus ist eingelöst.

Zweifellos stellt das Fünf-Stadien-Schema gegenüber den früheren Periodisierungsversuchen durch die Einführung objektivierbarer Kriterien — Art der materiellen Produktion und Form der sich daraus ergebenden gesellschaftlichen und politischen Konsequenzen — sicherlich einen erheblichen Fortschritt dar. Aber es ist eben nicht gut genug. In Wirklichkeit ist es nur der scheinbar geglückte Versuch, das traditionelle chronologisch-formale Periodisierungsschema (Altertum, Mittelalter usw.) durch sozio-ökonomische Kategorien inhaltlich aufzufüllen, nun aber erweitert um Vorgeschichte und Zeitgeschichte: Der Vor-oder Frühgeschichte entspricht die Periode der Urgemeinschaft (oder Urgesellschaft), dem Altertum die antike Produktionsweise (Marx) bzw. die Sklavenhalterordnung (Stalin samt „Lehrbücher"), dem Mittelalter die germanische bzw. feudale Produktionsweise, der Neuzeit der Kapitalismus, der Zeitgeschichte der Sozialismus. Der primär materialistische Anspruch ist keineswegs eingelöst, weil sich die Periodisierung nach Produktionsweisen in Wirklichkeit nur im vorgegebenen Rahmen des formalen traditionellen Periodisierungsschemas bewegt. Dazu erscheinen logisch in sich andersartige Kategorien als Kriterien zur Bestimmung einer Epoche (oder Produktionsweise): „Urgesellschaft“ ist halb formal, halb inhaltlich und deckt sich ungefähr mit einer Entwicklungsstufe, 'die sich formal als prä-agrarisch, inhaltlich als das Stadium der Sammler, Jäger und Fischer umschreiben läßt, noch ohne übergreifende soziale oder gar politische Strukturen, weshalb auch der Begriff „pre-class society“ einen wesentlichen Aspekt richtig trifft.

Mit „Sklavenhaltergesellschaft“ und „Feudalgesellschaft" werden besondere Aspekte der agrarischen Klassengesellschaft zu eigenen Epochen erhoben. Der Urgesellschaft, so vage der Begriff auch sein mag, würde viel eher als Bezeichnung für die nächste Epoche eine Kategorie entsprechen, die tatsächlich die materielle Produktion widerspiegelt, die nun einmal überwiegend agrarisch (Ackerbau und Viehzucht) war. Statt dessen stammen die Kriterien zur Bezeichnung von angeblich selbständigen Epochen (auch noch getrennt durch die traditionelle Zäsur 476 n. Chr. aus dem von der marxistischen Lehre so genannten „Oberbau", nämlich aus der Sphäre der Rechtsverhältnisse. Ähnlich deckt der Begriff „Kapitalismus“ nur die juristische Eigentums-form ab, unter der sich die inhaltlich wesentliche Veränderung der Neuzeit, die Industrialisierung, vollzog, nämlich als privates Eigentum an, später private Verfügung über die Kapitalien, die für die durch die Industrialisierung entstandenen, gesellschaftlich ausschlaggebenden Produktionsmittel unerläßlich sind. „Sozialismus" schließlich meint nur das genaue Gegenteil, also das gesamtgesellschaftliche Eigentum an den (ausschlaggebenden) Produktionsmitteln, damit auch an den Kapitalien, die auch im Sozialismus für die Errichtung von Industrien unentbehrlich sind.

Skizze einer Alternative Eine Alternative läßt sich im Augenblick nur ansatz-und versuchweise entwickeln, um sie der wissenschaftlichen Kritik und Diskussion auszusetzen. Sie kann den richtigen Ansatz bei Marx, mit primär wirtschafts-und sozial-geschichtlichen Kategorien zu arbeiten, die in sich objektivierbar und so wissenschaftlich überprüfbar sind, aufgreifen und konsequenter weiterentwickeln, als dies „Marxisten“ seit Marx taten. Wenig hilfreich sind demgegenüber Periodisierungsversuche von Historikern und Sozialwissensdiaftern, die den einen oder anderen, ebenfalls meist nur untergeordneten Aspekt des historischen Gesamtprozesses zum Maßstab für die Etablierung allgemeingültiger Epochenunterteilungen erheben Einen sinnvollen Ansatz bietet die Kategorie der „industriellen Revolution", wenn sie in aller Vorsicht und stets im Bewußtsein des metaphorischen Charakters dieser Bezeichnung benutzt wird. Denn „industrielle Revolution" leitet hin zur Unterscheidung zwischen den beiden elementaren Formen materieller Produktion, die in unserer Zeit aufeinanderprallen — der agrarischen und industriellen, mit allen ihren gesellschaftlichen, politischen und ideologischen Konsequenzen. Zur Kennzeichnung einer Epoche empfiehlt es sich daher, nach der Bezeichnung der ökonomischen Basis unbedingt auch die Charakterisierung der gesellschaftlichen Strukturen und politischen Herrschaftsformen hinzuzuziehen. Die Bezeichnungen werden zwar so komplizierter und umständlicher, dafür böten sie, bei allem Zwang zur notwendigen Abstraktion, doch den Vorteil, von vornherein der Komplexität des historischen Prozesses in seinen unterschiedlichen Phasen besser gerecht zu werden.

Je universaler in Raum und Zeit der Gültigkeitsanspruch eines wie auch immer gearteten Periodisierungsschema sein will, um so lockerer und zugleich umfassender muß es formuliert sein, um einerseits die Verabsolutierung regionaler Entwicklungen zu vermeiden (bei uns die vielzitierte „europazentrische" Sehweise hervorrufend) und andererseits Raum für regionale Besonderheiten zu lassen. Geht man konsequent von der Art aus, wie sich Menschen ihren Lebensunterhalt primär zu verschiedenen Zeiten verschafften, so zeichnen sich im Grunde nur drei Produktionsformen ab: die prä-agrarische (mangels eines besseren Ausdrucks vorläufig für sammeln, jagen und fischen), die agrarische und die industrielle. Jeder Produktionsform entspricht eine gesellschaftliche und politische Struktur. Auf der prä-agrarischen Stufe ist sie noch nicht existent im eigentlichen Sinne, weil noch nicht über die Großfamilie oder Horde hinausgreifend. Auf der agrarischen Stufe entspricht der materiellen Produktion eine wie auch immer benannte oder modifizierte aristokratische Struktur, auslaufend in eine wie auch immer genannte monarchische Spitze. Jedenfalls ist die Gesellschaft streng hierarchisch geordnet. Als Bezeichnung würde sich die agrarisch-aristokratisch-monarchische Ordnung (oder „Gesellschaftsformation" oder „Produktionsweise“ oder wie auch immer) anbieten.

Die industrielle Produktionsform ist gegenwärtig im Grunde noch in ihrer Entfaltung, eben in der „Sattelzeit“ (Koselleck) der „industriellen Revolution" als komplizierter und spannungsreicher Übergang von der agrarisch-aristokratisch-monarchischen Formation. Bisher zeichnen sich zwei Phasen deutlich ab: eine bürgerlich-kapitalistische und eine sich aus ihr entwickelnde proletarisch-sozialistische (kommunistische). Als übergeordnete Merkmale weisen beide auf der gemeinsamen Basis der industriellen Produktion konträr zu einanderstehenden Unter-Formationen die Tendenz oder den Anspruch zur (wie auch immer inhaltlich definierten) demokratischen Gesellschaftsstruktur auf, für die sich im 20. Jahrhundert die Republik als die übliche Staatsform durchgesetzt hat. Abgekürzt ließe sich daher die jüngste Gesellschaftsformation als industriell-republikanisch-demokratisch bezeichnen, jedoch mit zwei Varianten, einer älteren (bürgerlich-kapitalistischen) und einer jüngeren (proletarisch-sozialistischen). Beide haben sich jeweils auf revolutionärem Weg durchgesetzt und stehen in konfliktreicher Spannung zueinander.

Jede Formation ist zwar insoweit universaler Natur, als sie in der Vergangenheit die gesamte Menschheit erfaßte (prä-agrarische) oder fast total erfaßte (agrarisch-aristokratisch-monarchische Ordnung) oder die Tendenz hat, sich über die gesamte Erde zu verbreiten (industriell-demokratisch-republikanische Ordnung), wenn die Menschheit und die Erde das überlebt. Aber die drei Kategorien taugen nicht zu einer zugleich universalen und chronologischen Periodisierung regionaler oder nationaler Gesellschaften. Denn beim Auftreten der zweiten und dritten Epoche besteht die erste bzw. zweite noch fort, wenn auch mit immer weiter sinkender Bedeutung ökonomischer und damit politischer Natur.

Es hilft auch wenig weiter und trägt eher zur Verwirrung bei, wenn versichert wird, daß bei der Periodisierung nur das überwiegende Auftreten einer neuen Gesellschaftsformation (im marxistischen Sinne) gemeint sei. Denn nach welchen Kriterien wird das angebliche „überwiegen" festgestellt? An Hand der Zahl derer, die an der neuen Produktionsweise beteiligt sind? überwiegen des Bruttosozialprodukts, das die neue Produktionsweise gegenüber der alten erzielt? Und wie will man das berechnen? Ober geht es um die politische Vorherrschaft derer, die in der neuen Produktionsweise produzieren? In jedem einzelnen Fall kämen unterschiedliche Daten als Zäsuren für die Periodisierung in Frage, wobei noch zwischen nationaler, kontinental-regionaler und globaler Ebene zu unterscheiden wäre. Die notwendige Klärung ist m. E. noch nie erfolgt und ist vielleicht auch gar nicht möglich. Zu viele Faktoren wären zu berücksichtigen, und eine allseits befriedigende Einigung würde sich unter den Gelehrten wohl kaum erzielen lassen. Da wäre ein ehrliches „Non possumus“ schon besser: Nach dem bisherigen Stand des historischen Prozesses wie der historischen Forschung ist ein lückenloses Periodisierungsschema der Weltgeschichte, das auch den Fakten gerecht wird, nicht in Sicht. Die Entwicklung der Weltgeschichte ist daher in drei Strängen zu sehen, die zu unterschiedlichen Zeiten und an unterschiedlichen Orten einsetzen und zur Gegenwart hin auslaufen, ohne ganz zu verschwinden: Auf der prä-agrarischen Stufe lebten einst alle damals vorhandenen Menschen in allen Gegenden, die Menschen ernährten. Der Übergang zur agrarisch-aristokratisch-monarchischen Epoche begann vor etwa 10 000 Jahren zunächst mit regionalen Schwerpunkten in Asien (Jordantal, Mesopotamien, Zentralasien, Indien, China) und Afrika (Ägypten), also im Bereich der orientalischen Hochkulturen, während die weniger entwickelten „Barbarenstämme" zwar den Übergang zur agrarischen Produktion gerade noch schafften, aber aus eigener Kraft schon nicht mehr die entsprechenden sozialen und politischen Strukturen einer vollausgebildeten Aristokratie und Monarchie, sondern nur in Ansätzen, die der barbarischen Vorstufe der Völker der Hochkulturen (z. B. Sumerer) auf ihrem prä-zivilisatorischen Niveau entsprach.

Außerdem bleibt zu beachten, daß Teile der Menschheit den Übergang zur agrarischen Lebensweise nicht mitmachten und als Busch-männer, Pygmäen und andere „Rückzugsvölker“ in agrarisch uninteressante Randgebiete (Gebirge, Sümpfe, Wälder) abgedrängt wurden, wo sie teilweise bis in unsere Gegen-wart noch mehr schlecht als recht dahinvegetieren. In der agrarisch-aristokratisch-monarchischen Epoche gab es alle Formen möglicher Arbeit innerhalb der agrarischen Produktionsweise: gebundene und freie Arbeit, direkt mit der agrarischen Produktion verknüpft (natürlich in der ganzen Epoche überwiegend), aber auch schon nur noch indirekt oder überhaupt nicht mehr. Es gab also freie und leibeigene Bauern, mit allen Zwischenformen, es gab freie und hörige Landarbeiter und es gab stets Sklaven, auch wieder in höchst unterschiedlicher Form. Es gab individuelles und kollektives Eigentum am Boden und den agrarischen Erzeugnissen

Daneben gab es, vor allem in den als ökonomischen und politischen Zentren entstehenden Städten, Handwerker und Kaufleute, dazu Gelehrte und Künstler. Die herrschende Klasse war eine wie auch immer geartete, sich rekrutierende und bezeichnende Aristokratie, von Stammesadel auf der tribalen Stufe bis zur Feudalaristokratie gegen Ende der agrarisch-aristokratischen Epoche. Die politische, oft auch die geistliche Spitze der hierarchisch geordneten Struktur bestand aus einem wie auch immer gearteten Monarchen, vom „Herzog" der germanischen Stämme, der nur für den Kriegsfall gewählt wurde, bis zum erblichen König oder Kaiser von der Antiken bis zur Neuzeit.

Die verschiedenen Formen freier und gebundener agrarischer Arbeitskraft traten in unterschiedlichen Regionen zu unterschiedlichen Zeiten in wechselndem Stärkeverhältnis zu einander auf, das auf den Wert Null sinken oder sich ihm annähern mochte, wie Sklaverei in Westeuropa während des Mittelalters. Insgesamt sind aber die Unterschiede in den Eigentumsformen (individuelles und kollektives) und den Organisationsformen der gebundenen oder freien agrarischen Arbeit im Verhältnis zur wie auch immer strukturierten herrschenden Klasse und ihrer politischen Spitze, der Krone, zu verschiedenen Zeiten in verschiedenen Ländern so subtil und kompliziert, daß sie keinen Stoff für eine weitere Periodisierung mit übergreifendem Anspruch abgeben.

Der Feudalismus, der im Stalinschen Periodisierungsmodell zur Charakterisierung einer ganzen Produktionsweise diente, war nur die europäische Variante der aristokratischen Herrschaftsform, fand allerdings in Teilen Afrikas und Asiens unter vergleichbaren ökonomischen Verhältnissen vergleichbare Entsprechungen. Andererseits umspannt die agrarisch-aristokratische Epoche, neben der sog. Sklavenhalterordnung und dem Feudalismus, auch noch die von Marx erfundene Verlegenheitskategorie der „asiatischen Produktionsweise“. Da sich die industriell-demokratisch-republikanische Gesellschaftsordnung auf Weltmaßstab noch nicht vollständig oder auch nur überwiegend durchgesetzt hat, befinden wir uns seit dem Aufstieg des kapitalistischen Prinzips in einer Ubergangsphase, die sich annähernd als „industrielle Revolution“ bezeichnen läßt, weil sie, ausgehend von Nordengland/Südschottland im 18. Jahrhundert, als integrierende historische Elemente auch politische Revolutionen umfaßt, die aus den Spannungen zwischen agrarischer und industrieller Produktionsweise mitsamt ihren sozialen und politischen Konsequenzen entstanden und in absehbarer Zukunft auch weiter entstehen werden. Der Kapitalismus erscheint so mit seiner spannungsproduzierenden Mischung von agrarischen und industriellen Elementen in der ökonomischen Basis wie im sozialen, politischen und ideologischen überbau als historisch früheste Periode innerhalb der Ubergangsphase, mit ihrer welthistorischen Aufgipfelung im Imperialismus um 1900. Seit 1917 sieht sich der Kapitalismus — ausgelöst u. a. durch das Entstehen der Industrie und der damit verbundenen Industriearbeiterschaft, aber auch durch die beiden Weltkriege als zunächst inner-imperialistische Konflikte — vom proletarisch-revolutionären Prinzip herausgefordert und bereits erheblich reduziert.

Um der begrifflichen Klarheit und methodischen Sauberkeit willen empfiehlt es sich daher — gerade in sinnvoller Weiterentwick-lung des Marxschen Ansatzes —, ökonomische Produktionsformen und die ihnen entsprechenden gesellschaftlichen und politischen Strukturen als Kriterien für eine objektivierbare Einteilung des historischen Gesamtprozesses zu wählen und auf alle Ambitionen, ein lückenloses und universales Perio-disierungsschema aufzustellen, endgültig zu verzichten. Die historische Realität ist zu komplex, als daß sie sich über einen so groben Kamm wie das Fünf-Perioden-Schema scheren ließe, eben weil die verschiedenen Produktionsformen und ihre gesellschaftlich-politische Entsprechungen nach ihrem Auftreten jeweils zugleich neben den älteren Formen existierten und existieren. Es gibt somit keine säuberliche und totale chronologische Trennung, schon gar nicht auf universaler Ebene, weil neue Entwicklungen nicht schlagartig auf der ganzen Erde zum Durchbruch kamen, sondern zunächst an wenigen Regionen oder Orten begrenzt. So konnte das Phänomen der ungleichmäßigen Entwicklung entstehen, das ebenfalls zuerst von Marx beschrieben wurde. Es erklärt die Spannungen und Verwerfungen zwischen unterschiedlich entwickelten Gesellschaften, die sich in gewaltsamen Konflikten der verschiedensten Art umsetzten.

Ein Modell von sich ineinanderverschlingenden Strängen ökonomisch-gesellschaftlich-politischer Entwicklung würde rationale Ansätze von Marx und Engels im Lichte der inzwischen autgelaufenen zusätzlichen historischen Kenntnisse gegenüber der Frühzeit von Marx und Engels weiterentwickeln, namentlich die Betonung ökonomischer Faktoren, ohne in den öden Ökonomismus und Dogmatismus des Stalinschen Fünf-Stadien-Schemas zu verfallen, weil es stets die dialektische Entwicklung zu den sozialen, politischen und intellektuellen Faktoren berücksichtigen würde, die überhaupt erst zusammengenommen die Totalität unserer historischen Existenz ausmachen. Das neue Modell bliebe offen für zukünftige Entwicklungen. Es hätte Raum für die dynamische Entwicklung in der Geschichte, namentlich der beiden elementaren Faktoren Zunahme von Weltbevölkerung und der von ihr hervorgebrachten materiellen Produktion. Ohne den Krampf, allenorts „Revolutionen“ zur Erklärung von tiefgreifenden Veränderungen erfinden zu müssen, wäre es möglich, bei der nun tatsächlich alles umwälzenden Umstellüng von der agrarischen zur industriellen Produktionsform den Faktor Revolution rational in die historische Analyse einzuordnen. Als Revolution sollte nur der gewaltsame Ausbruch von politischen Spannungen gelten, die bei ökonomischen Transformationsprozessen entstanden, ohne daß entsprechende politische Konsequenzen in einem evolutionären Prozeß gefolgt wären, dergestalt, daß der gewaltsame Ausbruch tatsächlich solche unterbliebene politische Veränderungen dauerhaft nachholte

Gerade in der großen Übergangszeit von der agrarischen zur industriellen Produktion zeigt sich an Hand der stattgefundenen Revolutionen, wie nützlich das Modell zur Unterscheidung zwischen den älteren agrarischen und jüngeren industriellen Elementen ist, weil eben aus den Divergenzen zwischen modernen ökonomischen und traditionellen gesellschaftlichen und politischen Faktoren jene Spannungen entstanden, die zu Revolutionen führten. In unterschiedlicher Stärke läßt sich das gleiche Prinzip der spannungsproduzierenden Elemente sowohl beim Entstehen der bürgerlichen Revolutionen seit der Englischen Revolution im 17. Jahrhundert als auch bei den proletarischen Revolutionen im 20. Jahrhundert beobachten. In den bürgerlichen Revolutionen reichte schon das erste Auftreten industrieller Faktoren aus, um auf revolutionärem Wege den Durchbruch des industriellen Prinzips in kapitalistischer Form zu ermöglichen. Während sich die ersten Industriestaaten (England, Frankreich, Belgien, USA) nach ihren frühindustriellen Anfangsrevolutionen einigermaßen evolutionär weiterentwickelten, entstanden in den beiden größten Agrarstaaten (Rußland und China) aus den Anfängen der Industrialisierung und unter dem Druck einer enormen Bevölkerungszunahme auf dem Land jene Spannungen, die früher oder später in die proletarisch-kommunistische Revolution einmündeten Die gleiche Kombination von gezielter Industrialisierung und Bevölkerungsexplosion im Agrarsektor wiederholt sich gegenwärtig in den Entwicklungsländern.

Politische Konsequenzen Die Tendenzen zur weiteren Durchsetzung der industriellen Produktionsform mit tiefgreifenden sozialen und politischen Konsequenzen auf der gesamten Erde sind unübersehbar. Die industriell-demokratisch-republikanische Ordnung hat also auch die Tendenz zur globalen Verbreitung, wie die beiden vorausgegangenen Grundformen menschlicher Lebensweise zuvor, die prä-agrarische und die agrarisch-aristokratisch-monarchische. Aber in doppelter Weise bleibt die Zukunft offen: Der ganze historische Prozeß kann durch eine gewaltige und gewaltsame Katastrophe kriegerischer oder ökologischer Art so unterbrochen werden, daß es danach keine nennenswerte menschliche Entwicklung oder Geschichte mehr gäbe. Wird eine solche Katastrophe vermieden, so stehen immer noch zwei Varianten für die inhaltliche Ausfüllung einer vollindustrialisierten Weltgesellschaft zur Wahl: eine egalitäre mit einem Maximum an demokratischen Freiheiten, oder eine neue Hierarchisierung politischer Macht, wie sie als abschrekkendes Modell George Orwell in seinem Zukunftsroman „ 1984" vorführte. Der Sieg revolutionärer oder kommunistischer Parteien braucht durchaus nicht automatisch „progressiv“ (über die Steigerung der Produktivkräfte hinaus) zu wirken. Je dogmatischer verengt und intoleranter die Träger einer solchen „sozialistischen" Revolution sind, um so bedrohter erscheint in ihren Händen jenes Element, auf das auch noch so fortschrittliche Sozialisten und Kommunisten nicht verzichten sollten — die Freiheit für das Individuum.

Um so wichtiger wird auch die Gewinnung eines rationalen Bilds von der Vergangenheit, da es politische Rückwirkungen auf die Gestaltung der Zukunft hat. Das u. a. aus der Kritik am marxistischen Periodisierungsschema entwickelte Modell zur Einteilung des historischen Prozesses mit Hilfe von objektivierbaren Kriterien würde den richtigen Ansatz von Marx und Engels aufgreifen, mit wirtschafts-und sozialgeschichtlichen Kategorien zu arbeiten, ohne in die Schwäche des marxistischen Periodisierungsschemas und in die dogmatisierende Scholastik post-Marx'scher Schulen zu verfallen. Der fortschreitende Grad der (bisherigen) Naturbeherrschung, ausgedrückt in der Steigerung der Produktivkräfte, ließe sich mitsamt den sie bedingenden Formveränderungen und gesellschaftlichen Konsequenzen als Maßstab für die Untergliederung des historischen Prozesses benutzen, ohne deswegen einem naiven Wachstumsfetischismus zu verfallen, der Wachstum an sich noch immer als „Fortschritt" ausgibt, nachdem schon längst die dialektischen Rückwirkungen der Uberindustrialisierung (in kapitalistischer wie sozialistischer Gestalt) sichtbar geworden sind. Es würde möglich, in diesem (bisherigen) Wachstumsprozeß die innere Einheit der Weltgeschichte zu erkennen, ohne damit ihren Sinn, gar als heilspolitischen „Fortschritt“, festlegen zu wollen. Die permanente Zunahme an Bevölkerung und Produktivkräften wäre als Inhalt des historischen Prozesses zu begreifen, ohne deswegen in hymnische Begeisterungsstürme auszubrechen, weil er uns heute und morgen mit Überbevölkerung und Uberindustrialisierung vor schwere Probleme gestellt hat, die möglicherweise zu katastrophalen Explosionen führen können. Eine rationale Analyse dieses gewaltigen historisch-politischen Prozesses könnte politische Konsequenzen haben, weil z. B. die revolutionären Spannungen und Konflikte unserer Zeit nicht mehr als Teufelswerk erschienen, sondern als erklärbare Ergebnisse aus historischen Transformationsprozessen. Innerhalb der notwendig gewordenen globalen Gesellschaftsanalyse, zu der die Geschichtswissenschaft die historische Dimension beisteuern sollte und kann, hat auch die von Marx herkommende Methode historischer und politischer Analyse ihren legitimen, ja gewichtigen Platz — aber ohne neue Dogmatisierungen und Tabuisierungen, wie in den kommunistischen Staaten und bei neo-marxistischen Strömungen im Westen mit einem verkürzten und dogmatisierten Geschichtsverständnis, das, jedenfalls mit dem gängigen Fünf-Perioden-Schema zur Periodisierung der Weltgeschichte, in Wirklichkeit von Stalin stammt. Der potentiell fruchtbare Anteil des von Marx herkommenden Geschichtsverständnisses zur rationalen Erklärung unserer globalen Menschheitssituation läßt sich nur im dialektischen Prozeß einer offenen Diskussion und Kritik fruchtbar machen, der keine Dogmatisierungen und Tabuisierungen, gleich welcher Provenienz, anerkennt.

So gerät das Aufbrechen von vorhandenen Dogmatismen durch den wissenschaftlichen Diskussionsprozeß auch zur Einübung in die jederzeit notwendige intellektuelle Klarheit, wissenschaftliche Disziplinierung und politische Tolerenz, ohne die ein noch so technisch perfekter „Sozialismus" unakzeptabel bleiben sollte.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. jetzt auch Manfred Asendorf, Aus der Auf-Knarung in die permanente Restauration. Gesichtswissenschaft in Deutschland, Hamburg 1974, vor allem S. 15— 50.

  2. Karin Rittner, „Das Kapital“ als historische und als Gegenwartsanalyse. Möglichkeiten für Historiker, „Das Kapital" zu lesen, in: I. Geiss/Rainer Tam-China (Hrsg.), Ansichten einer künftigen Geschichtswissenschaft, Bd. 1, München 1974, S. 140— 152; Dieter Groh, Karl Marx, in: Deutsche Historiker IV, hrsg. von Hans-Ulrich Wehler, Göttingen 1972, S. 25— 39.

  3. Vgls. 9.

  4. Vgl. Georg Spitzelberger/Claus D. Kernig, Periodisierung, in: Sowjetsystem und demokratische Gesellschaft. Eine vergleichende Enzyklopädie, Bd. IV, Freiburg, Basel, Wien 1971, Sp. 1135— 1159; für diese Fragen ebenda, Sp. 1136— 1140; ferner die Artikel „Periodisierung" und „Universalgeschichte" in: Das Fischer Lexikon. Geschichte, hrsg. von Waldemar Besson, Frankfurt/Main 1961.

  5. K. Marx/F. Engels, Die Deutsche Ideologie, Marx-Engels-Werke. Berlin-DDR 1973 (weiter zitiert als MEW), Bd. 3, S. 73 f.

  6. K. Marx, MEW, Bd. 23, S. 10.

  7. MEW, Bd. 21, S. 264; dort auch noch einmal das in Anm. 6 nachgewiesene Zitat.

  8. MEW, Bd. 3, S. 22— 24.

  9. Ebenda, S. 21: „Diese Produktion tritt erst ein mit der Vermehrung der Bevölkerung." S. 31: „Dieses Hammel-oder Stammbewußtsein erhält seine weitere Entwicklung und Ausbildung durch die gesteigerte Produktivität, die Vermehrung der Bedürfnisse und die Beiden zum Grunde liegende Vermehrung der Bevölkerung.“ Für die Industrialisierung vgl. S. 45 f„ S. 60.

  10. K. Marx, Grundrisse der Kritik der Politischen Ökonomie, Berlin (Ost) 1953, S. 395.

  11. Ebenda, S. 375 f.; das folgende Zitat S. 380.

  12. MEW, 13, S. 9.

  13. MEW, 19, S. 111, Brief an die Redaktion der „Otetsdiestwennyje Sapiski".

  14. Ebenda, S. 112.

  15. MEW, 37, S. 462— 465, das Zitat S. 463.

  16. Ebenda, S. 464 f., vgl. auch Engels an Conrad Schmidt v. 5. 8. 1890, MEW 37, S. 436: „Ganz wie Marx von den französischen . Marxisten'der letzten 70er Jahre zu sagen pflegte: , Tout ce que je sais, cest que je ne suis pas Marxiste'.“ (Alles was ich weiß, ist, daß ich kein Marxist bin.)

  17. Ebenda, S. 463.

  18. Z. B. Friedrich Engels, Anti-Dühring, MEW, Bd. 20; ders., Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staates, MEW Bd. 21, S. 27— 173; K. Marx/F. Engels, Die deutsche Ideologie, MEW Bd. 3, S. 17— 77.

  19. Fr. Vittinghoff 1960, nach Norbert Brockmeyer, Arbeitsorganisation und ökonomisches Denken in der Gutwirtschaft des Römischen Reiches, Diss. phil. Bochum 1968, S. 38; dort, S. 33— 70, auch eine Analyse der wichtigsten Äußerungen von Marx, Engels, Lenin und Stalin zur Frage der antiken Sklaverei, mithin zum wunden Punkt im „marxistischen Periodisierungsschema", und der marxistischen Alt-historie.

  20. Lenin-Werke, Bd. 29, S. 465 ff.

  21. Im Anschluß an den Satz aus dem „Kommunistischen Manifest“ über die Klassengegensätze.

  22. Stalin stand möglicherweise unter dem Eindruck der erst 1932 in Moskau auf deutsch, 1933 auf russisch erschienen „Deutschen Ideologie". Das kommt davon, wenn man im Übereifer Manuskripte von Autoren posthum veröffentlicht, die jene bewußt gar nicht veröffentlichen wollten, um sie anschließend in den Kanon der Heiligen Schriften aufzunehmen. Ähnliches gilt für die „Grundrisse zur Kritik der Politischen Ökonomie", die im Grunde nur ein vorläufiges Rohmanuskript darstellen.

  23. J. W. Stalin, Rede auf dem ersten Unionskongreß der Stoßarbeiter der Kollektivwirtschaften

  24. E. M. Staerman, Progressive und reaktionäre Klassen im spätrömischen Kaiserreich, in: Manfred Kossok (Hrsg.), Studien über die Revolution, Berlin (Ost) 1969, S. 19— 32.

  25. U. a. abgedruckt in: J. W. Stalin, Fragen des Leninismus, S. 647— 679. Die „Vorbemerkung" zu dem Sammelband weist darauf hin: „Vom Genossen Stalin für den . Kurzen Lehrgang der Geschichte der KPdSU (B)'geschrieben, September 1938".

  26. Vor allem das Lehrbuch der Akademie der Wissenschaften der UdSSR, Institut für Ökonomie: Politische Ökonomie, Berlin (Ost) 1955, mit der heute gültigen erweiterten zweibändigen Ausgabe: Lehrbuch Politische Ökonomie, Bd. 1: Vorsozialistische Produktionsweisen, Bd. 2: Sozialismus, Frankfurt/Main 1972.

  27. J. W. Stalin, Dialektischer und historischer Materialismus, in: Fragen des Leninismus, S. 666; die folgenden Zitate ebenda, S. 669 f., 670— 674.

  28. Dazu Ahlers, Donner, Kreuzer, Orbon, Westhoff, Die vorkapitalistischen Produktionsweisen, Erlangen 1973, hier das Kapitel „Die asiatische Produktionsweise", S. 21— 46. Um sogleich kein Miß-

  29. J. W. Stalin, ebenda, S. 677.

  30. Lehrbuch der Politischen Ökonomie 1954, S. 33. 1954, S. 33.

  31. „Die politische Ökonomie ist somit wesentlich eine historische Wissenschaft. Sie behandelt einen geschichtlichen, d. h. einen stets wechselnden Stoff; sie untersucht zunächst die besonderen Gesetze jeder einzelnen Entwicklungsstufe der Produktion und des Austausches und wird erst am Schluß dieser Untersuchung die wenigen, für Produktion und Austausch überhaupt geltenden ganz allgemeinen Gesetze aufstellen können" (Anti-Dühring, MEW, 20, S. 136 f.). Vgl. auch Engels an C. Schmidt, 5. 8. 1890, (oben Anm. 16) (S. 436 f.): „überhaupt dient das Wort . materialistisch'in Deutschland vielen jüngeren Schriftstellern als eine einfache Phrase, womit man alles und jedes ohne weiteres Studium etikettiert, d. h., diese Etiketten aufklebt und dann die Sache abgetan zu haben glaubt. Unsere Geschichtsauffassung aber ist vor allem eine Anleitung beim Studium, kein Hebel der Konstruktion ä la Hegelianertum. Die ganze Geschichte muß neu studiert werden. . . . Statt dessen aber dient die Phrase des historischen Materialismus (man kann eben alles zur Phrase machen) vielen jüngeren Deutschen nur dazu, ihre eigenen relativ dürftigen historischen Kenntnisse — die ökonomische Geschichte liegt ja noch in den Windeln — schleunigst systematisch zurechtzukonstruieren und sich dann sehr gewaltig vorzukommen. Und bei uns läuft im Augenblick viel . linke'Phrase umher, die sich, im Besitz der alleinseligmachenden Wahrheit, .sehr gewaltig vorzukommen'beliebt."

  32. Lehrbuch der Politischen Ökonomie 1954, S. 43; das folgende Zitat S. 44.

  33. Vgl. oben Anm. 18, dort S. 19: „Die Frage, ob im spätrömischen Kaiserreich eine progressive Klasse als Trägerin neuer Verhältnisse existierte, spielte eine große Rolle in den Diskussionen über das Wesen des Übergangs von antiker zur feudalen Gesellschaft. Wenn man diesen Übergang als eine Revolution definiert, so müßte es diese Klasse gegeben haben, die nach der Revolution zur herrschenden Klasse wurde. Wenn aber keine revolutionäre Klasse existierte, so wird auch die These von der Revolution am Ende der antiken Welt zweifelhaft und man kann eher von einem langsamen, einige Jahrhunderte dauernden Übergang zum Feudalismus sprechen. Diese Fragestellung ist das Resultat einer gewissen Reaktion gegen die Theorie der Sklavenrevolution’, die mehrere Jahre in unserer Wissenschaft herrschte, aber sich all

  34. Lehrbuch für Politische Ökonomie 1970 S. 82.

  35. Ebenda, S. 82: „Im Jahre 476 unserer Zeitrechnung brach das von den Aufständen der ausgebeuteten Massen (vor allem der Sklaven) bis ins Innerste erschütterte und geschwächte Weströmische Reich unter den Schlägen der sog. Barbaren-

  36. Lehrbuch für Politische Ökonomie 1954, S. 48 f.; die folgenden Zitate S. 49, 70.

  37. Z. B. Joachim Streisand, Deutsche Geschichte von den Anfängen bis zur Gegenwart. Eine marxistische Einführung, Köln 1972; es handelt sich hier um eine Lizenzausgabe der Originalausgabe Berlin (Ost), 1970. Noch deutlicher in: Weltgeschichte. Die Länder der Erde von A bis Z, Leipzig 1967. Dort lauten die Zwischenüberschriften bei den Länderübersichten im allgemeinen (z. B Frankreich) so: „Urgesellschaft, Feudalismus, Frankreich in der Blütezeit des Kapitalismus". Bei Italien beginnt der historische Überblick mit der „Ablösung der Sklavenhaltergesellschaft durch den Feudalismus“, mit der für unseren Zusammenhang instruktiven, weil den Lehrbüchern widersprechenden, Variante: „Die Sklavenhalterordnung blieb zunächst nach dem Eindringen der Germanen (476), die lediglich ein Drittel der Gutsländer der römischen Sklavenhalter beschlagnahmten, erhalten”, S. 359.

  38. E. M. Zhukov, „The Periodization of World History“, XIe Congres International des Sciences Historiques, 21. — 28. 8. 1960, Rapports, I, S. 74— 88, vor allem S. 74: „The basic contents of the report is to explain, and provide theoretic grounds for, the periodization of world history which has been accepted by Soviet scholars of history and which in our belief is shared by Marxist scholars of history in other countries beyond the confines of the Soviet Union.“

  39. Ebenda, S. 78.

  40. Ebd.

  41. Ebenda: „The present gtmte of the Science of history makes it possible, foconsider that the first revolutionary transition Fom slavery to feudalism took place in ancient Cbina. There is no unanimity Chinese scholar t • to the exact date of that ^ess" Audi S. P ’.

  42. E. M. Zhukov, ebenda, S. 84: „It is impossible to speak of periodization of world history being guided by the sole concept of the existence of one or another social-economic formation. It is impossible, since the peoples of our planet have been through the definite stages of historical process at different times. Suffice it to recall that at present, in our days, not only are socialism and capitalism co-existing in the world, but in a number of countries there are still present different types of feudal, slave and even primitive communal relations. Therefore, the Marxist periodization of world history, which naturally cannot ignore the actual variety of social-economic relations which exist simultaneously, does not reject the traditional conventional subdivision of history into the ancient, medieval, new and modern. However, these concepts are deciphered in conformity with Marxist understanding of the rules of social development.“

  43. E. M. Zhukov, ebenda, S. 76.

  44. Ebenda, S. 84 f.; vgl. auch E Engelberg, Probleme der gesetzmäßigen Abfolge, a. a. O., S. 163 f. Aus dem Aufsatz geht u. a. hervor, daß es auch in der DDR marxistische Historiker gibt, die „Sklavenhaltergesellschaft“ und „Feudalismus" zu einer einzigen, agrarisch geprägten Gesellschaftsformation zusammenfassen möchten, eine Tendenz, gegen die Engelberg heftig protestiert.

  45. Einen Überblick gibt der Artikel „Periodisie rung“, in: Das Fischer Lexikon. Geschichte, hrsg. von Waldemar Besson. Frankfurt 1961, S. 245— 269. Als neueres Beispiel vgl. jetzt Darcy Ribeiro, Der zivilisatorische Prozeß, Frankfurt/Main 1971.

  46. Dieser schlichte Tatbestand findet sich sogar im Lehrbuch der Politischen Ökonomie 1970, S. 75, wieder, ohne daß daraus Konsequenzen wenigstens für eine Lockerung des starren Schemas gezogen werden. Für die „Sklavenhaltergesellschaft des alten Orients" erfährt der Leser, daß es dort sehr wohl auch eine „freie Landbevölkerung" gab, ferner: „Häufig gab es zwischen der Lage der Bauern und der Sklaven kaum einen Unterschied." Erst in der „antiken Sklaverei“, d. h. in Griechenland und Rom, war es soweit, „daß die Sklavenarbeit im System der gesellschaftlichen Produktion gegenüber der Arbeit der freien Produzenten überwog". Welchen Sinn hat es dann, eine ganze Epoche nach einem Merkmal zu benennen — überwiegen der Sklaverei, wie immer man das auch messen mag —, das nur während eines relativ kurzen Teils der Gesamtperiode vorherrschte?

  47. Für eine historische Analyse vgl. inzwischen I. Geiss/R. Tamchina (Hrsg.), Ansichten einer künftigen Geschichtswissenschaft, Bd. 2: Revolution. Ein historischer Längsschnitt, München 1974.

  48. Hierfür die beiden Beiträge von Karl-Heinz Schlarp über die Oktoberrevolution, Helmut Bley über die Chinesische Revolution in dem in Anm. 46 genannten Band.

Weitere Inhalte

Imanuel Geiss, Dr. phil., geb. 1931 in Frankfurt/Main; Professor für Neuere Geschichte an der Universität Bremen. Veröffentlichungen u. a.: Der polnische Grenzstreifen. Ein Beitrag zur deutschen Kriegszielpolitik im Ersten Weltkrieg, Hamburg und Lübeck 1960 (polnische Ausgabe, Warszawa 1964); Julikrise und Kriegsausbruch 1914. Eine Dokumenten-sammlung, 2. Bde., Hannover 1963/64; Juli 1914.. Die europäische Krise und der Ausbruch des Ersten Weltkriegs, München 1965 (dtv 293); Gewerkschaften in Afrika, Hannover 1965; Panafrikanismus. Zur Geschichte der Dekolonisation, Frankfurt/Main 1968; Die Afro-Amerikaner, Frankfurt/Main 1969; Studien über Geschichte und Geschichtswissenschaft, Frankfurt/Main 1972 (edition suhrkamp 569); Was wird aus der Bundesrepublik? Die Deutschen zwischen Sozialismus und Revolution, Hamburg 1973; (mit Rainer Tamchina, Hrsg.), Ansichten einer künftigen Geschichtswissenschaft, 2 Bde., München 1974.