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Bildungspolitik ohne Bildung? | APuZ 51-52/1973 | bpb.de

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APuZ 51-52/1973 Der Schriftsteller und die Politik Bildungspolitik ohne Bildung? Artikel 1

Bildungspolitik ohne Bildung?

Richard Schwarz

/ 65 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Wenn Bildung verstanden wird als ein wert-und sinnbestimmtes Geschehen am ganzen Menschen, als die kritische Gewinnung von Maßstäben für das Lebensverständnis und das Handeln, also als eine strukturelle „Formung" der Persönlichkeit über dem Hintergründe einer Kultur-, Wert-, Gesellschaftsund Arbeitswelt, so hat Bildung in heutiger Bildungspolitik kaum einen Stellenwert. Die Kategorien des Wissens, der Selbst-und Mitbestimmung, des Nutzens reichen hier nicht aus. An solchem existentiellen Defizit leidet ebenso die Curriculum-Forschung, wo fundamentale Fragen nach jenen übergreifenden Bildungsaspekten ausgespart bleiben, zugunsten von Lernbezügen für pragmatische Effektivität. Nicht gefragt ist das Problem einer neuen Theorie der Bildungswelt, eines Minimalkonsens von Wertbezügen. Bildungspolitik wird nur gesellschaftspolitisch oder formal gesteuert, wobei der Pluralismus als Alibi für eine angebliche Formalität fungiert. Das Spannungsfeld von Humanität und Technik, Kultur und Arbeit, Allgemeinbildung und Berufsbildung soll allein durch neue pädagogische Konzepte gelöst werden, obwohl hier gar nicht die Pädagogik primär in Rede steht, sondern zwei entfremdete „Lebenssysteme" und Lebensverständnisse. Durch Integration von Schulsystemen, durch integriertes Lernen kann man jene „Dualität" aber nicht harmonisieren, höchstens beide Systeme, das Gymnasium und die Berufsschule in ihrer spezifischen und notwendigen Eigentlichkeit verlieren. Allein mit zweifelhaften Begabungstheorien, gesellschaftspolitischen Rastern, wie Chancengleichheit, Prestige-und Privilegiendenken sind keine „formalen" Rahmenpläne für neue Strukturen im Bildungswesen zu gewinnen. Was hier in Sicht kommt, ist der auch durch die Bewältigung der Massen an Schule und Hochschule kreierte Einheitsschüler, Einheitslehrer, Einheitsprofessor. Mit der „Umfunktionierung" der Universitäten, jenem ärgerlich-bürgerlichen Relikt, zu Gesamthochschulen wird die Unterscheidung von wissenschaftlich, quasi-wissenschaftlich, unwissenschaftlich aufgehoben. Universitäten werden zu disziplinierten und politisierten Fachhochschulen mit einem Warenhauscharakter von Wissen — Bildung hat hier mit Bildungspolitik nichts mehr zu tun, wo oft genug Gesinnungstüchtigkeit anstelle von Leistungstüchtigkeit tritt. Dabei ist die gesellschaftliche Relevanz alles — die Person wird zum Teil im „Prozeß". Bildung aber ist eine Funktion des Menschen, nicht nur der Gesellschaft und der Gesellschaftspolitik. Ein Vakuum in existentiellen Wert-und Sinnfragen markiert die Situation. Emanzipation als Befreiung von der Last unechter Traditionen und von der Unterdrückung der vielen durch Kapital und Macht der wenigen — beides kann legitim sein. Humanistische Bildungsreste tragen nicht mehr ohne übergreifende Maßstäbe als Bildungsziele. Was also ist das heute, die Bildung — in der Bildungspolitik?

Bildung ist heute zu einem Politikum geworden. Bildung wird in einer wissenschaftlich-technischen Welt zu einem Schicksalsbegriff, wovon in einer ökonomisch-technischen Gesellschaft die Zukunft des Menschen abhängt. Allein, es wäre ganz falsch zu meinen, Bildungspolitik heute hätte es zuerst mit Bildnern, Erziehern, Lehrern, mit zuständigen Bil-dungs-und Erziehungswissenschaftlern zu tun. Bildungsfragen werden zum politischen Geschäft. Dies wird betrieben von Experten oder vermeintlichen Experten der Kulturpolitik, von der Gesellschaftswissenschaft, der Psychologie, der Politikwissenschaft, der Verwaltungsbürokratie und von wirtschafts-, fi-nanz-und standespolitischen, weltanschaulichen wie auch von gewerkschaftlichen Interessenvertretungen. Nicht zuletzt aber wurde Bildungspolitik zum Revolutionsfeld in Sachen Umstrukturierung der Gesellschaft, der Systemüberwindung durch Revision überkommener Bildungsziele, Bildungsinhalte, Bildungsmethoden

I. Bildung was ist das eigentlich heute?

I. II. III. IV. V. VI. VII. VIII.

IX. INHALT Bildung — was ist das eigentlich heute?

Curriculum-Forschung und Bildungsziele Bildung zwischen Humanität und Technik

Allgemeine Bildung und berufliche Ausbildung Die angepaßte Lerngesellschaft Formale Inhalte und ideologische Leitlinien Bildung — Person oder Gesellschaft? Wissenschaftspolitik als Tagespolitik Woran glauben wir eigentlich wirklich noch?

Das Wort „Bildung" wird heute vom organisatorischen und technologischen Management reklamiert und damit in seinem gültigen Bedeutungscharakter verfälscht. Bildungsökonomie, Bildungstechnologie, Bildungsstrategie, Bildungsforschung und nicht zuletzt Bildungspolitik haben zwar zum ökonomischen, Soziologischen, Quantitativen, Technologischen einen verfügbaren Bezug, nicht jedoch zu dem Phänomen der Bildung im anthropologischen bzw. existentiellen Verständnis. Die Zeichen dieser Zeit meinen trotz aller Beteuerungen nicht den Menschen als Menschen, sondern den Menschen in seiner prozeßgesetzlich-gesellschaftlichen, in seiner organisatorischen und technischen Apparatur. Was eine kaum noch übersehbare pädagogische, soziologische und psychologische Literatur zu den inneren Bezügen des Menschen und des Menschseins zu sagen hat, ist oft genug von erschreckender Primitivität. Jenes Defizit gilt auch weithin noch von der herrschenden Bildungspolitik.

Hat also Bildung im genuinen Verständnis heute überhaupt noch einen Stellenwert? Ist Bildung nicht ein zusätzlicher Luxus, eine „Art geistiger Hochstapelei"? Ist Bildung nicht Ausdruck eines antiquierten Lebensver-ständnisses, eines kapitalistischen Elite-Begriffs, eine spätbürgerliche Idee, die abzulösen ist von einem „Kommunismus im Geistigen" in dem die Intelligenz, Arbeiter unter Arbeitern, den reibungslosen Fortschritt des technischen Zeitalters überwacht? Und haben Bildungsplanungen wirklich noch etwas mit Bildung zu tun — sofern eben nicht nur die Ausbildung zu Kenntnissen und Fertigkeiten in Rede steht? Ja, ist man sich dort überhaupt immer dieser benannten Probleme bewußt? Wird nicht Bildung auch in westlichen Deklarationen oft genug ohne wesenhaften Hintergrund, nur als Transparent für ein längst verlorenes Bewußtsein genommen, als ein Phantom für ein sogenanntes höheres Menschentum, eine höhere Kulturauffassung oder für ein verschwommenes Humanitäts-Gerede?

Bildung bedeutet den Prozeß und den Habitus eines je besonderen Menschseins als ganzheitlicher Formung. Dies wiederum setzt voraus, daß die Beziehung des Menschen zum Ganzen der Wirklichkeit im Ansatz verwirklicht wird. So wird Bildung zu einem existentiellen sinn-und wertbestimmten Geschehen am Menschen. Es geht um die Gewinnung einer persönlichen Struktur als der Einheit eines Lebensstils. Es geht um die Gewinnung von Maßstäben und fundamentalen Richtungsbestimmtheiten für das Leben des Menschen schlechthin, für seinen Denkansatz, seine Erlebnis-und Fühlweisen, die Beurteilung seiner inneren und äußeren Erfahrungen, für die Richtbilder seines Handelns. Es geht also um Sinn-und Wertmaßstäbe für das Leben als einer je besonderen, aus der Innenwelt der Erbkonstitution und aus der Umwelt der unbewußten Formungen und der reflektierten Stellungnahmen erwachsenen Lebensform. Diese Sinn-und Wertmaßstäbe sind Richtpunkte als strukturelle Sinn-und Wertorientierungen für das Lebensverständnis überhaupt: Echtheit des Wesens als des Lebens aus einer Wurzel heraus, Reifung der Person zur menschlichen Mündigkeit, was sich nicht etwa in politischer Mündigkeit erschöpft, die stete Bemühung um das Verständnis des Inder-Welt-Seins, der jeweiligen Situation und Aufgabe, die Formung zu bewußter Selbstbestimmung. Somit wird Bildung verstanden als eine Synthese der aus welchem „Grunde" auch immer erwachsenen schöpferischen Akte der Selbstgestaltung, der . Formung durch eine kritisch zu erhellende Kultur-, Gesellschafts-, Rechts-und Wertwelt, bzw. auch durch eine bewußt übernommene religiöse Glaubensüberzeugung. Bildung wird dann als die Befähigung des Menschen zur Besinnung über die persönliche und soziale Lebensbestimmung als Daseinsverständnis vor sich selbst wie vor der Welt und ebenso als die Verwirklichung des Menschseins in der Selbst-und Weltgestaltung des Menschen wie in seinen mitmenschlichen und gesellschaftlichen Lebensbeziehungen zu umschreiben sein.

Eine solche Bestimmung der Bildung ist keineswegs im Sinne einer neuhumanistischen Bildungsidee mit ihrem Glauben an die „Ebenbildlichkeit zwischen dem Universum der geistigen Welt und der vollentwickelten . gebildeten'Persönlichkeit des einzelnen Menschen", im Wortsinne Wilhelm von Humboldts als die „Erzeugung eines Universums in der einen Person" zu verstehen. Die seit Humanismus und Aufklärung datierende Bildungsidee als „der Weg der sittlichen und kulturellen Selbstformung des Menschen mit dem Ziel, eine zeitlose Idealität der Person zu verwirklichen, die Existenzweise einer inneren Freiheit zu schaffen, die sich den bloßen Tätigkeitsanforderungen der Welt überlegen weiß" ist in vielfacher Weise problematisch geworden. Wir leben in einem offenen System, das eine Einheit des Weltbildes nicht mehr zuläßt und dazu „die zeitlose Idealität der Person" im Zeichen von Historismus, Existenzialismus und einem Selbstverständnis des Menschen aus und in der lebendig-konkreten Situation fragwürdig werden ließ. Der klassische Begriff der Bildung, der trotz der fundamentalen weltbildhaften, technologischen und sozialen Veränderungen sich bis heute noch immer latent behauptete, beruhte auf der Voraussetzung, daß die Welt ein sinnvoll geordnetes und als solches erkennbares Ganzes sei.

Was aber soll dann heute noch die Rede von der Ganzheitsbezogenheit der Bildung als ihrer zentralen Merkmaligkeit bedeuten, wenn eben das Ganze der Wirklichkeit gar nicht mehr erfahren und deklariert werden kann? Es kann sich nicht mehr um ein materiales Umgreifen des Ganzen der Wirklichkeit handeln, sondern nur um ein Erfassen und Ergreifen von Perspektiven dieser Wirklichkeit durch eine den Lebensbezügen, den Lebens-formen, den Wissenschaften usf. und auch der Bildung vorgeordnete Sinnintention, die allem, was uns „trifft" und „betrifft", einen bestimmenden und orientierenden Bedeutungscharakter verleiht. So werden Sinn, Bedeutung, Wert und Ordnungsstruktur zu den eigentlichen Bildungskategorien. Wie diese „Vorgegebenheit" strukturiert und konstituiert ist bzw. wird, ob sie mit dem je individuellen Lebensverständnis „angelegt", inwieweit dies konzipierbar und überschreitbar ist, ob sie „erworben" bzw. kritisch erhoben und übernommen wird, dies erscheint dann als jenes auch heute zentrale Problem einer das Menschsein je fundamental konstituierenden jeweiligen Weltanschauung, worüber an anderer Stelle eingehend gehandelt wurde 4a).

Wie aber auch immer hierüber befunden wird — Bildung ist nicht ohne Bildungsziel, Bildungsziel nicht ohne ein Weltbild, das wiederum die Weltanschauung weithin trägt. Denn es gibt kein Bildungsbild als Richtbild vom Menschen und seinen Daseinsordnungen ohne Wert-Gesichtspunkte. Und es gibt keine Wert-Gesichtspunkte ohne eine weltanschauliche Voraussetzung und Begründung. Weltanschauung ist freilich nicht gleichzusetzen mit Religion oder Konfession. Weltanschauung besagt vielmehr das Insgesamt aller Stellungnahmen, Erlebnis-und Fühlweisen eines Menschen, seines wissenschaftlichen Weltbildes ebenso wie seines wertbezogenen Lebenszieles, seines Lebensstiles und seiner bewußten oder unbewußten Grundhaltungen zur Welt und zu sich selbst als integrierender Lebensform. So also werden sich Weltbild, Weltanschauung, Menschenbild und Bildungsbild als Bildungsziel jeweils entsprechen müssen. Es gibt weder eine formale noch eine idealfreie oder eine wertneutrale Bildung und Erziehung. Ohne fixierte inhaltliche Zielbestimmung gibt es keine Bildung, keine Erziehung als Weg zur Bildung, wie es ohne Lebensziele keine sinnhafte Existenz geben kann.

Bildungsziele sind Lebensziele. Bildungsziele sind Richtbilder, die immer schon „da" sind, bevor sie wissenschaftlich kritisch reflektiert werden. Es sind vielschichtig gewachsene personale und gesellschaftliche Lebensformen, in denen die geistigen Traditionen, auch als gesellschaftliche Bedingtheiten verstanden, zusammenlaufen und sich verlebendigen. Bildungsziele als normative Leitbilder können wissenschaftlich festgestellt, aber nicht wissenschaftlich aufgestellt werden. Diese Perspektiven sollten hier benannt werden, um zu erweisen, wie absurd der Versuch erscheinen muß, die Omnipotenz der Wissenschaft in Szene zu bringen, wenn nach der Bestimmung des Menschen und seiner Bildung und damit auch seiner Wertwelt gefragt wird.

Der Appell zur „Wiedergewinnung des Erzieherischen" inmitten einer pädagogischen Oberflächenlandschaft von Daten, Planskizzen, Methoden, rentierlichen Ökonomien stößt entweder offene Türen ein oder er übersieht jene Stimmen, die seit vielen Jahren unüberhörbar — wenn auch nicht tagesgerecht — die „innere Schulreform" gegen Organisationstechnik und Verwaltungsbürokratie als das eigentliche Problem unserer Bildungssituation angesprochen, ja beschworen haben. Damals, als in Bildungsplänen nur strategisch und formal geplant wurde, damals aber galten solche Stimmen — auch in Bildungsräten — noch nicht als progressiv-aktuell, ja sie hemmten — wie es hieß — das Bildungsplanungsgeschäft. Heute und hier darf auf unsere damals wie heute gültige These verwiesen werden: „Denn das Problem einer Schulund Hochschulreform ist nicht allein mit soziologischen oder politischen, berufspraktischen oder entwicklungspsychologischen Aspekten zu bewältigen. Wie es von jeher war: Die Frage einer jeweiligen Bildungsreform bleibt grundlegend und bestimmend ein Problem der jeweiligen weltanschaulichen Fundierung einer Bildungs-und Erziehungsebene. Man bleibt im Vorfeld stekken, wenn man diesen Sachverhalt nicht offen benennt und angeht... Worunter wir heute alle leiden, könnte gekennzeichnet werden mit dem Unvermögen, eine ganzheitliche Sinngebung aller Bereiche des Lebens, des Denkens, des Handelns von einem als zentral und jeweils als verbindlich erkannten Maßstab her zu gewinnen ... Die Bemühungen um jene . innere Form'mußten jeder möglichen Bildungsbemühung als Bildungsreform in offener Begegnung notwendig vorausgehen! Ist man sich dessen in allen verantwortlichen Kreisen bewußt? Oder will man mit Organisation, Technik und Planung von neuen Schultypen und Lehrplänen eine mangelnde Idee ersetzen? Bleibt also der Wille zur Reform nur „formal’?" Der Bildungspolitiker müßte also heute keineswegs „ . vorangehen', wo die Wissenschaft zögert oder ausspart" wenn man damals unsere und anderer Gesichtspunkte seitens der Bildungspolitik nicht ausgespart hätte.

II. Curriculum-Forschung und Bildungsziele

Um diese „innere Form" geht es uns, wenn von Bildungszielen und Werthaltungen gesprochen wird.

Schulen, Hochschulen, Lehrpläne und Unterrichtsprogramme sind nur Spiegelbilder von Lebensauffassungen und Lebenspraktiken einer Zeit. Bildungs-und Ausbildungsziele folgen immer den kulturellen Bedingungen und Bewußtseinshaltungen nach, die sie freilich ihrerseits auch wieder mitbestimmen und tragen. . • Im hohen Kurswert steht heute die Curriculum-Forschung, also die Bemühung, die Bildungsinhalte in den Lehrplänen der Schulen neu zu überdenken und zu formulieren Allein, nach welchen Gesichtspunkten soll hier verfahren werden? Was ist noch gültig? Was kann keinen Stellenwert als Wert des Wissens, der Ausbildung und der Bildung mehr beanspruchen? Nach welchen Zielsetzungen sollen also die Ziele der Schulen und Hochschulen zweckbestimmt ausgerichtet werden? Eben dies aber, das Fundamentalproblem der Curriculum-Forschung, nämlich die Frage nach den Bildungszielen des Menschen als Menschen — nicht nur also des tagesgerechten Fach-Menschen —, wird heute kaum ernsthaft und — was noch wichtiger ist — mit den erforderlichen existentiellen Voraussetzungen gestellt.

Curriculum-Forschung leidet heute nicht nur an einem „erzieherischen Defizit" sie leidet viel mehr noch an einem existentiellen Defizit, an dem mangelnden Vermögen, zu fundamentalen Wert-und Sinnbezügen des Menschlichen — nicht nur des Politischen oder Gesellschaftlichen — zu gelangen, an denen auch das Erzieherische sein Leben hat.

Hier aber erscheint genau jenes Vakuum in Bildungsplanungen, Lehrplänen und schon in der Curriculum-Forschung selbst, was nicht ernst genug genommen werden kann. Erst wenn ich um das Ziel der allgemeinen Menschenbildung weiß, kann ich Lehrpläne und Lernziele entwerfen. Ja, Schul-und Hochschulsysteme sind keine politischen Tummelplätze oder Rangierbahnhöfe eines Organisationsmechanismus. Sie sind oder sollten immer Ausdruck sein von fundamentalen richtungsbestimmenden Zielsetzungen des Menschen. Von diesen jeweiligen Zielsetzungen wird es abhängen, ob etwa Geschichtsunterricht nur als Kriegs-und Schlachtengetümmel und als Abfolge von Herrschergeschlechtern oder aber als der Aufweis von kultur-und geistesgeschichtlichen Zusammenhängen oder auch als Entwicklung von Unterdrückungs-und Produktionsprozessen verstanden wird, die — wie es dann heißt — auch das Bewußtsein des Menschen geformt haben. Was sollen noch Latein oder gar Griechisch, sofern darunter nicht nur antike Vokabeln, auch nicht nur sprachliches Verständnis, sondern geistes- und existenzgeschichtliches Erbe verstanden wird? Verstehen wir uns noch aus diesem abendländischen Ursprung? Oder sind dies für uns schon versunkene Kulturen? Was bedeutet uns überhaupt noch die Welt des abendländischen Mittelalters? Sind die Kathedralen nur noch metaphysische Zeugnisse musealen Charakters inmitten einer durch und durch physikalischen neuen Umwelt? Sind die Dichtungen Goethes, Schillers, Hölderlins nur noch literaturgeschichtliche Zeugnisse oder beinhalten sie für uns noch Bildungswerte, das heißt Lebenswerte? Nicht also welche Fakten es gibt, sondern was sie uns bedeuten — dies ist die eigentliche Frage. Dies freilich ist gewiß, daß nicht mehr bestimmte geschichtliche Bilder und Leitbilder, wie die Formen der abendländischen Klassik im Griechentum, im Mittelalter, in der Goe-thezeit, typisiert und verabsultiert werden können, um deren rationale Erkenntnis und Aneignung gleichzusetzen mit der Bildung der Gegenwart. Mit der Analysierung einer geschichtlichen Herkunft und Struktur allein wird noch keine gültige Bildungsform gewonnen, zumal wenn das Kriterium für einen gegenwartsbezogenen Maßstab fehlt. Welcher Stellenwert soll schließlich der Religion zugemessen werden in einer Bildungswelt, die das kritische Bewußtsein allein als Voraussetzung des Reifungsprozesses des Menschen und der Menschheit betrachtet, eben mit dem Ziel der Enthebung von dem Zwang jeglichen Glaubens, da am Ende doch alles wißbar und machbar gemacht werden kann? Sollen die Lebensmaßstäbe als Lebensziele des heutigen Menschen und seine Bildungssysteme allein aus den naturwissenschaftlich-technischen Denkformen oder aus einer gesellschaftlichen Prozeßgesetzlichkeit abgeleitet werden? Sollen also Weltraum-und Nachrichtentechniker, sollen Sozial-oder Erziehungsingenieure uns sagen, was „oben" und „unten" ist, wo unsere Wertziele liegen, die uns ein sinnhaftes Leben und eine entsprechende Bildung verbürgen? Sollen jene Bildungsnormen an der Retorte, dem Atom, der Zündkerze gewonnen werden?

Es bleibt uns also die Frage: Was ist das Maß dieser Werte und worauf gründen sich ihre Maßstäbe? Gibt es außer oder über dem Einkommen, dem Fortkommen, dem Auskommen, den gesellschaftlichen Fortschritten, worin die ungeschriebenen Zielvorstellungen derzeitiger sogenannter Bildungsbemühungen sich weithin zu erschöpfen scheinen, noch andere Werttafeln, welche die „Neue Welt" und den „Neuen Menschen" kennzeichnen oder gar tragen sollten? Wenn dann von neuen Moralen gesprochen wird, die ein neues Zeitalter notwendig fordert, worin sollen ihre Grundbezüge, mehr noch ihr Verpilichtungscharakter für den Menschen erhoben und begründet werden? Gilt hier das im Trend der fortschrittlichen Zukunft und ihrer veränderten gesellschaftlichen Verhältnisse Notwendige als das kritisch-rational Vernünftige? Was aber ist verbindlich notwendig und was ist allgemein verbindlich vernünftig? Etwa und offenbar doch nur das Nützliche? Oder sind neue Wertbilder auch in der Bildungsebene nur „Richtpunkte für eine Planskizze der Organisation der Industriegesellschaften", Normen und Modelle also, um mit unserer Vorstellungswelt die Gesellschaft zu normieren oder besser: von der Gesellschaft normiert zu werden? Wenn das Ziel der Erziehung nur „das intellektuelle Training sozialer Rollen ist", so bleibt für ein bezeichnetes existentielles Bildungsund Erziehungsanliegen kein Raum mehr.

Bildung und Erziehung sind nur möglich im Medium umschriebener existentieller Positionen. Kein Mensch kann auf die Dauer ohne einen tragenden Sinn leben, geschweige denn bilden und erziehen. Das Gerede von den Errungenschaften des modernen Einzelseins und dem Leben in „offenen Horizonten" mit dem „planmäßigen" und plangerechten Erfinden von neuen Werten trägt nicht. Feste, bergende Horizonte sind aber nicht mehr da. Wir leben in einer neuartigen Situation, wofür die alten Sinn-und Werttafeln weithin abgelehnt werden, zumindest aber unverbindlich bleiben, wofür jedoch noch keine neuen Normen vorhanden sind, die ja weder kulturpolitisch noch planungstechnisch „gemacht" werden können — es sei denn als konventionelle Übereinkünfte, die im Tiefenbezirk unverbindlich bleiben. Hier aber bleibt die Frage an uns als die Feststellung: Bildung ist nicht lösbar von der Vorfrage nach den tragenden Werten und Haltungen, die verpflichten können, aber auch verpflichten müßten

Uns geht heute die Frage an, welche Fachgebiete welche Bildungswerte in dieser Stunde beinhalten und ermöglichen, wobei zuerst ein Generalnenner für das, was Wert ist, was Bildungswert sein soll, fixiert werden müßte. Die Wahl der Fächer und ihr jeweiliger In-halt ist keineswegs gleichgültig, er hat vielmehr immer schon —• auch ungewollt — eine je richtungsbestimmende Bedeutung für den Bildungshorizont. Mit Formalia ist hier nichts getan. Wir fragen ganz konkret: Was, in welchen Bezügen und in welchen Sinngehalten uns derzeitige und mögliche neue Schulfächer für die Bildung der Person als Person und als gesellschaftliches Wesen heute und morgen bedeuten. Was uns hier angeht, sind nicht nur Lernziele für Unterrichtsabschnitte, sondern Lernziele für die Menschenbildung, was nicht verwechselt werden sollte Fragwürdig wurde die innere Zuordnung der Fächer und ihrer Lehrinhalte zu übergreifenden Kriterien — hier offenbart sich die eigentliche Bildungskrise als eine Lebenskrise, die sich in der Schule als Motivationskrise des Lernens anzeigt: Lernen — warum dies und nicht das andere? Lernen — wozu? Zum besseren Weltverständnis, zur sozialen Kommunikationsfähigkeit, zur politischen Mündigkeit, zur beruflichen Fertigkeit? Mit alledem gibt sich die Jugend heute nicht immer zufrieden. Man fragt nach existentiellen Bezügen des Lernens und des Gelernten, danach also, wonach Bildungspolitik fast niemals fragt.

Was heute als vorrangige Aufgabe erscheint, wäre eine neue Theorie der Bildungswelt, ein System der Inhalte der Curricula, eben ein neuer Bildungskanon. Dies wäre die eigentliche, mit formalen „Rahmen" allein nicht zu lösende offene Diskussion. Hier wird gefragt nach dem, was Tradition und Gegenwart, Fortschritt und Zukunft für die geistesgeschichtliche und die naturwissenschaftliche Wertwelt, für unser Daseinsverständnis und unser moralisches Lebensregister bedeuten. Voraussetzung für solche Entscheidungen sind zumindest die Kenntnis der prägenden geistigen Überlieferungen, einer Prägung, der sich niemand — gewollt und ungewollt — entziehen kann, sowie die Kenntnis der geschichtlich zu erhebenden Sinn-und Wertfragen in Zeugnissen der Kultur in ihren geistigen, religiösen, gesellschaftlichen Motivationen und Verflechtungen.

Allgemeine Bildung mußte also auch heute einen unverzichtbaren Kanon von -Grundwissen aus den oben benannten Bezügen, einschließlich der naturwissenschaftlichen Bereiche, beinhalten. Kulturelle Manifestationen sind aus ihrer Zeitsituation heraus zu verstehen und zugleich zur Gegenwart in Beziehung zu setzen, um auch hieraus Maßstäbe für unser Lebensverständnis zu gewinnen — das also, was wir Bildung nannten.

Es wird von den „verborgenen Gemeinsamkeiten" gesprochen, die einen Minimalkonsens in Fragen der Werthaltungen als Grundlage für Menschenbildung und Bildungsziele ermöglichen könnten Doch solche Gemeinsamkeiten erweisen sich zumeist als höchst different, wenn man über die gemeinsamen Vokabeln hinaus nach den fundamentalen Prämissen fragt, die den Bedeutungscharakter von Freiheit, Recht, Menschenwürde in den je differenten weltanschaulichen Positionen begründen. Doch dies ist nicht nur ein abendländisches Problem. Diese Frage nach der „Einen Welt" als nach einer möglichen Gemeinsamkeit der Werterfahrungen, der Denkformen, der Lebensformen, des Selbst-und Weltverständnisses ist ein weltweites Problem, worüber anderswo eingehend gehandelt wurde

Wenn es nun gewiß auch kein „Traumziel universeller Konsensbildung in formalistischen, alle Bürger beteiligenden Verfahren" gibt, wenn es ebenso keine verbindliche Wertwelt als Prämisse für die Bildungswelt mehr gibt, so bleibt dennoch der Rückbezug auf „angestammte" Formen und Weisen des Ethos, der Gesittung, die noch aus dem offenen oder verkappten, dem ebenso christlich-gezeichneten wie abendländisch-komplexen „Werthorizont" stammen. Ohne diese trotz allem immer noch unser Dasein tragenden Lebensformen wäre heute die menschliche Existenz auch in der modernen Welt nicht — oder noch nicht? — denkbar. Das gilt selbst noch für die im Widerpart stehenden Positionen, die auch daran ihr Leben haben.

Warum aber wird in fast allen Lagern schamhaft verschwiegen, daß wir noch alle heute über einer hohen abendländischen Kulturtradition leben, in Dichtung, Kunst, Philosophie und anderswo? Gibt es keinen Mut mehr, sich zu Werten zu bekennen, weil sie zwar human wären, aber nicht mehr auf der progressiven Tagesordnung einer weit überstrapazierten Industriegesellschaft stehen? Die Geschichts-losigkeit unserer produzierten Welt zielt auf die Vertreibung der geschichtlichen Wissenschaften, ja des geschichtlichen Bewußtseins überhaupt, aus den Klassenzimmern und Hör-sälen. Geschichtslosigkeit aber war immer ein Zeichen der Barbaren.

III. Bildung zwischen Humanität und Technik

Was heute im Lebens-und Bildungsraum noch unbewältigt blieb, ist die Spannung zwischen Humanismus und Technizismus, wenn diese Typologie erlaubt erscheint. Hier bedrängt im besonderen Maße die infolge des Fehlens eines tragenden Kriteriums für das Lebensverständnis noch unbewältigte Frage nach dem, was aus der Tradition an Bildungsgehalten noch gültig sein soll und was als überholt eliminiert werden muß. Gehört doch die bewußte Traditionslosigkeit zum Erscheinungsbild der heutigen jüngeren Generation. Ihre Vergangenheit projiziert sich nicht auf die Zukunft, weil diese keine Konsonanz mit ihr hat. Dieser Traditionsbruch meint Glaubens- und Kulturtradition ebenso wie Ethos, Gesellschaftsform, Gesittung, die die menschliche Existenz getragen haben.

C. P. Snow hat mit seiner bedeutsamen Rede „Die zwei Kulturen und die wissenschaftliche Revolution" eine zwar schon traditionelle, aber für die Gegenwart und die Zukunft des Menschen, seine Kultur und Gesellschaft, seine Bildung und seine Lebensform fundamentale Thematik über dem Hintergründe unserer gegenwärtigen Situation ins Bewußtsein gerufen. Die Kluft zwischen Naturwissenschaft und Geisteswissenschaft als zwei sich nicht mehr verstehende Welten ist zu Recht als ein Schicksalsproblem des Westens — und schon nicht nur mehr des Westens — verstanden worden. Wenn Snow recht hätte, daß die westliche Welt von der überkommenen Kultur noch dirigiert wird, „in einem Ausmaß, das durch das Auftreten der naturwissenschaftlichen Kultur wenig geschmälert wird" — wäre es dann nicht an der Zeit, die „literarische Kultur", das heißt schlechthin unsere abendländische geistesgeschichtliche Tradition, abzulösen durch eine „naturwissenschaftliche Kultur", die dann die gültige Programmierung des künftigen Menschen wäre?

Der historisch-humanistischen ist eine naturwissenschaftlich-technische Bildungsform gegenübergetreten. Wenn eine gültige humanistische Bildung den Menschen zur freien Persönlichkeit erziehen will, die sich in der Gesellschaft verstehen und entscheiden kann, so lehrt eine naturwissenschaftliche Bildung den Menschen, die Natur zu begreifen und aus dieser Erkenntnis Macht zu gewinnen. In beiden steht der Mensch tatsächlich: in der Naturordnung und in der Ordnungsform der Gesellschaft Von hier aus wird ein „Naturwissenschaftlicher Humanismus" konstituiert als jene naturwissenschaftlich-technische Formung, die aber in allen Stadien den Blick auf den Menschen und die Gesellschaft richtet. Allein es muß fragwürdig bleiben, ob dieses harmonisierende Ziel so einfachhin aufgeht. Denn mit dem technologischen Phänomen als durchgängiger Lebens-und Bil-dungsform, mit der technischen Revolution als Bildungsprinzip sind doch auch die freie Persönlichkeit und die Gesellschaft weitgehend heute selbst „technisiert" worden, was ganz konkret verstanden werden muß. In unserer fortschreitenden Technokratie wurde die industrielle Revolution als „Ersatzziel der Welterlösung" begriffen.

In einer neuen, nur vom Menschen rational und künstlich gemachten technischen Welt mußte der Mensch sich selbst verlieren, weil er auch selbst in die seinem personalen Sein wesensfremde Welt einbezogen wurde. Eine solche Industriekultur bewirkt notwendig eine „ganz ins Innere greifende Form der Entfremdung, ein Leben, von dem man sagen könnte, daß es nicht mehr von innen her lebt, sondern von außen gelebt wird, ein Mensch, von dem man sagen könnte, daß er ohne Ich auskommt und daß es ihm dabei ganz gut geht"

Wenn ein Zeichen der Humanität die Freiheit der Person ist, sei diese Freiheit heute als Emanzipation, als Autonomie oder als Freisetzung im Sinne jener positivistischen Theorie verstanden, welche sich auf die rationale Organisation der Gesellschaft beschränkt und dadurch die Humanität der Person scheinbar unbestimmt und unberührt läßt so bleibt hier die Frage, welche Chance dem Einzelnen innerhalb der Apparatur der modernen Arbeitswelt für diesen Eigenbezirk noch bleibt. Wenn der Einzelne nur mehr eine Teilfunktion hat an irgendeinem Platz im Plan des Ganzen, den er weder entwirft noch gestaltet, wenn seine Arbeit sich nur als organisierbare, schematisierbare Tätigkeit darstellt, die andere planmäßig vorformen und regulieren und kontrollieren, wenn er also alles aus zweiter Hand erhält und nicht selbst in der Lage ist, wesentliche Erfahrungen zu machen, so kann nur noch von „Surrogatformen individueller Freiheit" gesprochen werden, als „Unbeteiligtheit der Person an dem schematisierten Getriebe“ vom „Ersatz der personalen Verantwortung durch vorgeplante Funktionen", was ebenso nur als Surrogatform von Verantwortung erfahren werden kann. Der Mensch befreite sich zwar von Naturgewalten und Sklaverei, wurde jedoch zugleich einem anderen Entfremdungs-und Dirigierungsprozeß der industriellen und gesellschaftlichen Organisation und Manipulation unterworfen, der ihn seiner Humanität beraubte.

Hier aber gewinnt jene für den heutigen Menschen charakteristische Zweigleisigkeit auch bildungstheoretisch ihre entscheidende Perspektive. Technische Intelligenz und menschliche Bildung, Arbeitsund Berufswelt und menschliche „private" Sphäre liegen auf verschiedenen, ja konträren Ebenen. Menschliches Existential kann sich offenbar nur noch in der Intimsphäre vollziehen durch eine reine Scheidung der Ebenen: Der Kern des Menschen soll sich frei halten von den ihn bedrängenden anonymen Apparaturen, Mächten und Institutionen. Humanität wird doch weithin zum Reservat der Privatperson. Ein neuer Humboldt — wider Willen?

Diese Zeit ist eine von technischen Strukturen und Konturen gezeichnete Zeit. Gefordert wird von mechanistischen Programmen der gefühlsfreie, kritisch wägende, präzis funktionierende Kontrollmensch. Ein reines Intellekt-Wesen also, das kritisch sich aller Affekte, Gefühle, Stimmungen usf. zu enthalten hat. Wir fragen: Ein technisierter Mensch? Nicht nur die Bewußtseinsstrukturen, sondern die menschliche Struktur als Habitus überhaupt werden womöglich „umgeschichtet", eben strukturell verändert? Wenn es noch einen Zweifel geben könnte, ob Wissen eine strukturelle Wesensverwandlung des Wissenden bewirkt, so könnte diese Generation hierfür zum Zeugnis werden. Problematisch bleibt dann, wie man noch den ganzen Menschen in seinen ebenso menschlichen Wesenskomponenten der emotionalen Lebensgrundschicht und seiner existentiellen Tiefenbezirke bewahren kann, und zwar als Dominante bewahren kann.

Ein „Naturwissenschaftlicher Humanismus" bedürfte verbindlicher Richtbilder, die nicht aus dem naturwissenschaftlichen Bereich stammen — soll das Humane an ihm nicht Illusion bleiben. Allein, hier liegt die eigentliche Problematik. Sind doch Technizismus und Kollektivismus offenbar notwendig korrespondierende Erscheinungen. So führen aber alle naturwissenschaftlichen und technologischen Bemühungen und Errungenschaften eher von einer wahren Menschlichkeit weg, wenn es nicht gelingt, diese Ergebnisse und Fortschritte in unseren existentiellen und ethischen Lebenssinn einzuordnen und organisch einzubeziehen. Denn die Entscheidung, die uns heute abgefordert wird, fällt im Bereich des Menschlichen, und dies heißt weit mehr als „Ingenieurgeist", als Technik und Organisation, Wirtschaft und Machtinteressen, Gebrauchs-und Verbrauchsstandpunkt. Es kann keine technische Intelligenz geben, die dem Anliegen der Humanität gegenüber neutral bleiben, die gleichwohl in einer außerhalb ihrer selbst gelegenen Humanität ihre Ergänzung finden könnte

Es besteht Einmütigkeit darüber, daß der Mensch sich mit der modernen Technik eine Welt geschaffen hat, in der er seine Menschlichkeit „nur unter extremen Bedingungen wahren kann". Differenzen bestehen jedoch darüber, ob die Radikalität, mit der der Mensch heute vor die Frage nach seinem Menschentum gestellt ist, „Aufstieg und Emanzipation, . . . eine höhere Form seiner selbst" bedeutet. Die neue Menschlichkeit des Menschen wird darin gesehen, daß die von ihm geschaffene Maschinenwelt die Herrschaft über die Geschichte möglich macht. Dies sei „die Menschlichkeit der Technik". Die Bedrohung der Menschlichkeit sei jedoch durch die „Ideologisierung der Technik", welche „die entgötterte Welt selber zum Mythos" macht, ebenso gegeben. Es geht also um das Maß, um die Gewinnung eines Maßstabes.

Ebenso gewichtig aber erscheint auch diese andere Überlegung. Angst und geheime Abwertung der neuen Wirklichkeiten und Ansprüche im gesellschaftlichen, ökonomischen und technischen Bereich wurzeln in der Auffassung, daß -dies alles als Pragmatismus zu verwerfen sei. Mit der Entwicklung jener wohl auch wesenhaft deutschen Idee der inneren Freiheit und damit oft einer nur inneren Welt, in der der Mensch dem Guten, Wahren, Schönen um seiner selbst willen zu dienen fähig würde, verfiel jeder Gedanke der Nützlichkeit, ja auch der Gedanke der Anwendung in der wissenschaftlichen Forschung, der Disqualifizierung. Gewiß aber gibt es auch einen gültigen Stellenwert des Nützlichen und des Technischen im Ordo der Wert-stufen. Die eigentliche Frage lautet anders: Ob dieser Wert die oberste Stelle einnimmt, welchen Rangwert er also besitzt im Verhältnis zu anderen “ Werten und Gesichtspunkten — hier liegt die Vorentscheidung, die nicht ausgelassen werden kann. Denn in jedem Fall steht das Nützliche, das Pragmatische in einem durchaus anderen Aspekt. Sein Bedeutungscharakter ist aber notwendig mitbestimmend für jede Fixierung und Bildungsbemühung überhaupt.

Nur angedeutet zu werden vermag hier jene an anderer Stelle näher abgehandelte entscheidende bildungstheoretische Frage ob die Bildung der Persönlichkeit von jedem Fachgebiet aus bzw. von jeder dominanten Fachperspektive, also den historisch-gerichteten Geistes-und Kulturwissenschaften und den Natur-und Handlungswissenschaften, in gleicher Weise erreicht werden kann. Oder gibt es a priori schon eine Rangordnung der Fachgebiete und ihrer Lebens-und Bildungsperspektiven, analog einer möglichen Rangordnung der Werttafeln? Wird nicht der Mensch, der vom technischen Phänomen seinen Ausgang nimmt, notwendig ein anderes Kolorit seines gesamtmenschlichen Habitus, seines Selbstverständnisses und seiner Lebens-und Bildungsform gewinnen, als wenn der Ansatz von den Bezirken der Kunst, der Geschichte, den Traditionsbezügen der Kultur, der Religion her genommen wird? Und kann überhaupt jeder Mensch von jenen beiden bezeichneten Perspektiven in gleicher Weise wirksam angesprochen werden? Oder gibt es gar differente „Menschentypen", die nicht hur in ihren Interessen-und Begabungsrichtungen, sondern schon in ihrer Bewußtseinsstruktur, das heißt in ihrem jeweiligen „Organ" für je differente Werthaltungen, ja in ihrem „vorgegebenen" Lebensverständnis anders „angelegt" sind — und dies trotz moderner Begabungstheorien?

Wenn allgemeine Bildung als „Kompetenz" verstanden wird, als „sprachliche Kompetenz, kritische Kompetenz, formal-abstraktive Kompetenz und soziale Kompetenz" bzw. als „Zielvorstellung humaner Qualität", so bedeutet dies — wie es heißt — Selbständigkeit, nicht Abhängigkeit; es bedeutet das Vermögen, „zuständig zu sein für ein Leben, das der geistigen und materiellen Kultur der Gesellschaft entspricht und sie zu fördern vermag". Allein, die humane Dimension wird damit in zentralen Bedeutungsfeldern nicht erreicht. Genau hier aber beginnt unsere Frage nach dem Humanum, nach der Humanität als Ziel der Bildung.

Humanität steht im Welthorizont im Zeichen eines höchst differenten Anspruchs, je nach ihren weltanschaulichen Voraussetzungen und Begründungen. In diesem Bezug kann es keine Verständigung und Harmonisierung geben. Ein „freischwebender''Humanismus muß ebenso eine Illusion bleiben, wie es eine Humanität ohne eine je bestimmte weltanschauliche oder religiöse Verhaftung nicht gibt Humanität ist im Zeichen des Evangeliums und des Atheismus verkündet worden.

Was uns aber möglich erscheinen und angestrebt werden sollte, ist die Verständigung über die Anerkennung bestimmter Merkmale und Haltungen, welche fixierte sittliche Forderungen und soziale Verhaltensweisen umschreiben, die als Humanität Gültigkeit haben können, unabhängig von ihren jeweiligen Verwurzelungen, Begründungen und Motivationen. Hierfür könnten jene Bestimmungen einer Humanitätsgesinnung zum Anspruch erhoben werden, die als besondere Kennzeichen solcher Gesinnung zu bezeichnen wären.

Wie schwierig es auch sein mag, die Idee der Menschlichkeit gültig zu fixieren, so können doch hierfür diese Merkmale gelten: Humanität meint nicht nur Recht und Möglichkeit zur Selbstbehauptung, sondern zumindest ebenso die Bereitschaft zum „Dienst", zur Selbsthingabe, wenn diese Termini noch erlaubt sind.

Zur Hilfeleistung in der Not, zur Solidarität als Nachfolgekraft der Nächstenliebe aber bedarf es keiner Kompetenz, keiner Selbst-und Mitbestimmung — es sei denn für die soziale Tat. Es bedarf der Selbstbesinnung auf das Maß des Menschen und des Menschlichen im immanenten und transzendenten Bezug, des Gewissensbezuges in einem Wert-und Lebensregister, der Gesinnungstreue, der Ehrfurcht vor dem Leben, der Disziplin, des Bewußtseins um Verantwortung für andere, den anderen. Dies könnte uns als ein Merkmal der Unterscheidung einer humanen Gesinnung und Tat, einer sogenannten humanen Lebensqualität gelten: Nur was ein Mensch unter Absehen von seiner Person für einen Men-sehen, eine Gruppe, eine Sache, eine Idee usf. zu tun bereit ist, könnte jene Perspektive anzeigen, die sich als „Humanität" bezeugt. Und dies gilt für alle Bereiche des Lebens, für den privaten ebenso wie für den beruflichen, für den religiösen ebenso wie für den politischen Lebensbezug.

Als Zeichen der Menschlichkeit sollen ebenso gelten: die Zurückhaltung vor der Innerlichkeit des Menschen, die Ehrfurcht vor allem, was ihm heilig ist, die Duldsamkeit für fremde Eigenart und fremde Meinung Wenn dabei die inhaltlichen Bedeutungsverschiedenheiten auf Grund jeweilig verschiedener Verwurzelung dieser Tafeln oft nur noch Richtbilder zu belassen vermögen, so werden sie doch noch von hoher Bedeutung sein können. Eine solche Bemühung sollte nicht nur den abendländischen Raum, sondern ebenso jene Kulturwelt einbeziehen, die diesen Tafeln eine menschliche, eine entsprechende religiöse bzw. weltanschauliche Disposition zu leihen vermag.

Man spricht heute von einem „Tugendvakuum", ohne daß die fundamentale Frage nach dem existentiellen Vakuum des Menschen mitbedacht würde. Denn die Frage nach dem Wesen des Menschen, der Dinge, ja die Frage nach dem Sinn der menschlichen Existenz, sind für viele keine Fragen mehr, die selbst sinnvoll wären. Das Fragen verkürzt sich auf das Vorfindbare, das Machbare, das Brauchbare, das „Aussprechen des nackten Daseins" Allein jene Fragen „letzter Stellungnahmen" unserer nicht nur gesellschaftlichen, sondern zuerst menschlichen Daseinsorientierung und Daseinsbestimmung galten jedenfalls bis dahin als Zeichen des Humanum, der Humanität. Ob eine solche Humanität in Bildungstheorie und Bildungspolitik noch einen entsprechenden Stellenwert hat?

Humane Bildungspolitik wird daran zu messen sein, inwieweit sie über und durch die Politik der Bildung einen entsprechenden Stellenwert einräumt.

IV. Allgemeine Bildung und berufliche Ausbildung

Wie also ist in der konkreten Bildungsebene der Verhältnisbezug von Humanität und Technik zu bestimmen? Genau um diese Frage geht es heute bei der Diskussion um den Status von allgemeiner Bildung und beruflicher Ausbildung in den Bildungsplanungsbüros, nicht zuletzt in den Gewerkschaften und Betrieben. Die Auseinandersetzungen um jene beiden Perspektiven haben längst das Gewicht von weltanschaulichen, parteipolitischen und ideologischen Interessenkämpfen angenommen.

Es geht hier also darum, ob es eine Integration von Menschenbildung und Fachbildung geben kann, ob Menschenbildung durch Fach-bildung erreicht bzw. durch Fachbildung ersetzt werden kann oder aber welcher Stellenwert der allgemeinen Bildung für die Berufsbildung zugesprochen werden muß. Dies aber ist — wie alle fundamentalen Probleme der Bildung — zuerst gar keine pädagogische oder gar politische Frage. Es ist eine vordem zu entscheidende Frage des Lebens-und Weltverständnisses. über die bildungstheoretische und bildungspolitische Integration, über das „integrierte Lernen" von allgemeiner Bildung und beruflicher Ausbildung, ist bisher vielfach nur Formales ausgesagt worden. Humanisierung des Menschen in seiner Arbeitswelt und schon in seiner beruflichen Ausbildung verbleibt weithin noch in der Programmatik.

Fragwürdig wäre Schule heute als eine praxisferne Insel. Doch ebenso fragwürdig ist die Rede von der grundsätzlich allgemeinbildenden Qualität der beruflichen Ausbildung. Berufsausbildung als Weg zur Menschenbildung? Hierfür gilt uns als unabdingbare Voraussetzung: Ohne einen sinngebenden Maßstab für die menschliche Existenz in ihren personalen und gesellschaftlichen Bezügen und damit auch für die Bildung als „innere Form" des Menschen und des Menschlichen vermag die fachlich-berufliche Ausbildung als Weg zur Bildung keine Gültigkeit zu gewinnen. Wie man diese fundamentalen Bildungselemente in Bezug setzen soll und kann zur beruflichen Ausbildung und umgekehrt — hierüber ist seit Litt, Weinstock, Spranger bis heute viel diskutiert worden, worüber hier nicht näher gehandelt werden kann Ge-nau hier aber finden wir uns in jener zunehmend bedrängenden Spannung von Humanität und Technik, Kultur und Arbeit, Bildung und Beruf, ja von Menschlichkeit und einer weithin unmenschlichen Arbeitswelt. Jedenfalls aber kann diese Frage nicht durch Kraftakte mit der Schaffung neuer organisatorisch und gesellschaftspolitisch geleiteter Gesamt-Systeme gelöst werden. Jene Hoffnung, man baue ein Haus, dann wird es schon in der rechten Weise verwendet werden, trägt nicht. Nach den inneren Baugesetzen, nach den wert-und sinnbestimmten Inhalten wird gefragt, nicht nach formalen Strukturplänen, welche das Eigentliche offen lassen und damit bildungstheoretisch und bildungspolitisch gefährliche Situationen schaffen ‘können.

Ein neues pädagogisches Konzept für die Integration von Allgemeinbildung und Berufsbildung? Was heißt dies, wenn von einem „logischen Annäherungsprozeß — nicht von einem einseitigen Anpassungsprozeß" — die Rede ist? Welche Logik ist hier gemeint? Etwa eine solche, welche die heute mehr denn je bedrängenden „Entfremdungen" von Humanität und Technik zur Versöhnung bringt — oder gar zwingt? Solche Denkweisen gehen doch an der eigentlichen Problematik vorbei. Soziokulturelle Entwicklungen sind höchst komplexe, nicht zuletzt auch geistesgeschichtliche, jedenfalls nicht nur ökonomische Geschehnisse. Sie'sind geworden, nicht „gemacht" worden. Auch pädagogische Konzepte können sie nicht machen, weil es nirgendwann pädagogische Konzepte gab und gibt — ohne fundamentale, d. h. weltanschauliche Prämissen, die eben auch nicht „gemacht" werden können.

Es heißt, die autonome Entwicklung von Kultur und Arbeit sei durch keine integrierende Kraft überbrückt worden, da die Dualität von allgemeiner Bildung und beruflicher Bildung selber zum System geworden sei Allein, indem man jene Dualität selbst integriert, das heißt in einem Schulsystem vereinigt, besteht die Gefahr, beides in seiner spezifischen Eigentlichkeit zu verlieren. Addition ist doch keine Integration. Die angestrebte Integration von allgemeiner Bildung und Berufsausbil-düng in der Sekundarstufe II bedeutet nichts weniger als die gewollte Zerstörung des künftig noch mit drei Schulklassen verbleibenden Restes der gymnasialen Bildung, jenes ärgerlichen Relikts abendländischer bzw. bürgerlicher Tradition. Einer bestimmten staatsautoritären Ideologisierung der allgemeinen Bildung über den Weg bzw. durch den Ersatz der Berufsbildung stünde dann nichts mehr im Wege. Daß die Humanisierung des Menschen nicht abseits von der heutigen realen Welt erfolgen kann, ist evident, daß sie nicht abseits vom „Beschäftigungssystem" — was ist das eigentlich konkret? — in Schulen gymnasialen oder realgymnasialen oder auch musischen Stils erfolgen kann, ist eine durch Erfahrung nicht gestützte These. Gymnasiale Bildung ist doch heute nicht nur sprachwissenschaftlich-geschichtlich, sondern ebenso naturwissenschaftlich und gesellschaftskund-lich orientiert.

Umstritten ist heute das zum Politicum datierte Axiom, daß berufliche Ausbildung den gleichen Rang und den gleichen Wert haben soll wie die allgemeine Bildung. Man spricht von der Chance und Verpflichtung, über die Berufsausbildung den Weg zu beruflicher und sozialer Mündigkeit zu eröffnen. Man spricht von der Leistungsbereitschaft, dem Verantwortungsbewußtsein, von Fleiß und Zuverlässigkeit als gemeinsamen Bildungszielen der allgemeinen und der beruflichen Bildung was gewiß für beide Bildungsarten gewichtig ist, was aber nicht das Spezifische der allgemeinen Bildung ausmacht. Nicht schulische Integration sollte das Ziel sein, sondern die Einbeziehung berufsbildender Komponenten in die gymnasiale Bildung wie die Einbeziehung allgemeinbildender Komponenten in die Berufsbildung. Im Hinblick auf die menschliche Wertigkeit sollten beide Schularten gleichwertig sein. Im Hinblick auf die funktionale Bedeutsamkeit für die Kultur und Gesellschaft bedürfte es doch der notwendigen Differenzierung, wenn jenes lebenswichtige Anliegen nicht einer Gleichheits-

und Klassenideologie zum Opfer fallen soll.

Gesellschafts-und berufsbezogene Erfordernisse sind unbestritten. Dennoch sollte jene innere Freiheit, die sich den bloßen Tätigkeitsanforderungen der Welt überlegen weiß, die also ihren Ausweis nicht an Pragmatismus, an Verwertungsdenken und Tagesgeschäften hat, allerdings nicht nur zum Negativum abgewertet werden. Denn dieses „Negati-vum" erscheint uns geradezu als der unverzichtbare Kern jeder Menschenbildung. Wenn der Mensch nicht mehr in seiner menschlichen Qualität angenommen und gewürdigt wird, wenn nur noch die Funktions-und Leistungsqualität gelten, die ihn in eine meßbare Wertigkeit hineinzwingen, dann erscheint die Frage nach dem Wesen, dem Wert, dem Sinn von Bildung und Erziehung nur noch als eine rhetorische Bestätigung unseres radikalen Bildungsverlustes. Ein wertrelativistischer Bildungspragmatismus weist zurück auf den englischen Behaviorismus und führte zum amerikanischen Sozial-Darwinismus und zum Faschismus — eine Perspektive, die nicht ganz außer acht bleiben dürfte. Sollte Helmut Schelsky

wohl recht haben mit der These: „So widerwärtig es dem traditionellen deutschen Kulturbewußtsein klingen mag: das Schulwesen einer modernen Gesellschaft gehört wahrscheinlich mehr zur . Wirtschaft', zur . Außenpolitik'oder . Innenpolitik'als zum Verwaltungsbereich der . Kultur'"? -Eine solche Perspektive mag vielleicht realistisch gesehen sein, bedeutet aber dennoch die Auslieferung der Bildung an die vitalen Lebensbedürfnisse. Schulen sind nicht nur produktive und ökonomische staatliche Rentabilitätsbetriebe. Soll also Schule nur noch eine Vermittlungsfunktion haben zwischen der Welt des Kindes und der des Erwachsenen, in der man sich auf die Spielregeln und Organisationsformen der Industriegesellschaft berufskundlich und polytechnisch vorbereiten soll — eben in Anpassung an die geltende Lebensstruktur, was heute weithin Wirtschaftsstruktur bedeutet? Schule ist doch keine sachgerechte Unterrichtsfabrik. Gibt es doch auch noch ganz andere Perspektiven, die die Lebens-und Bildungswelt des Menschen bestimmen können. Es gibt ein Ziel der Schule, das jenen Menschen sucht und zu seiner Formung helfen will, der aus der Kraft der „selbsterrungenen Wahrheit" lebt, ohne die Diktatur des Nur-Lebensnotwendigsten — ein Ziel, das ihm über einer abendländischen und weltweiten Kulturtradition und einer gegenwartsund zukunftsbezogenen Lebensdiktion die Maßstäbe und Leitlinien zur eigenständigen kritischen Lebensorientierung an die Hand gibt.

V. Die angepaßte Lerngesellschaft

Bis an die Schwelle der modernen Zeit, die wir mit dem industriellen und atomaren Zeitalter ansetzen, war Bildung in Mythos, Religion und Weltanschauung einer mehr oder minder statischen Gesellschaft und ihres Lebensgefühls immer gebunden an große Einzelne oder Gruppen, die repräsentativ und weitaus stellvertretend Vorbilder und Richtbilder der Daseinsinterpretation bedeuteten und damit Inhalte und Formen auch der Bildung intendierten. Das Bildungsproblem in der gegenwärtigen Situation gerät jedoch in eine ganz neue Pespektive. Gewiß gibt es auch heute noch solche Einzelnen und solche Gruppen. Doch es erhebt sich die Frage, ob es noch diese fixierte menschliche Repräsentation einer Bildungswelt gibt, die sich in den „Gebildeten" dokumentiert. Dies ist offenbar nicht mehr der Fall. Mit der neuen, durch die Naturwissenschaften und ihre Technik bestimmten Welt wurde auch für die Bildungsidee ein offener Horizont geschaffen. Das heutige Elite-Problem wird doch unter ganz anderen Perspektiven gesehen, wobei nicht zuletzt der Status des Funktionärs-und Managertums eine bestimmende Rolle spielt. Die Dynamik ständig neuer Forschungsergebnisse, technischer, ökonomischer, sozialer und auch global-politischer Konstellationen hebt notwendig jenes status-gebundene Bildungsdenken auf, fordert das ständige Mit-und Umdenken, die permanente Bildung als endlosen „Prozeß".

Man spricht von einer neuen „Lerngesellschaft". Lernen und Umlernen sind heute unerläßlich, doch gewichtiger noch erscheint die Frage nach dem Sinn des Lernens in der Gesamtheit des Lebensgeschehens. Didaktik und Unterrichtsmethodik sind gewichtig. Noch gewichtiger aber erscheint die Frage nach dem „Stoff", dem Inhalt dessen, was gelernt werden soll in seinen letzthin anthropologischen Bezügen. Ein solcher Hinweis ist im Bildungsjournal der Glorifizierung und Mythisierung des Didaktischen heute gewiß nicht überflüssig, wenn Wissen und Wissenschaft nicht mehr in Inhalten, sondern nur in einem kritisch-rationalen Verfahren bestehen sollen.

Doch bietet die moderne „Lerngesellschaft" mit der Auflage einer fortwährend sich erneuernden Anpassungsfähigkeit an eine sich wandelnde Welt allein schon einen möglichen Weg oder Ausweg? Diese heute verkündete „Anpassung an die Anpassung" als „Adaptation in Permanenz" der progressiven Lerngesellschaft bedeutet letzthin die Preisgabe jeder personalen Verantwortung und jeder tieferen Besinnung über die eigentlich menschliche Bestimmung der Lebensbezüge überhaupt. Wenn dabei von der Notwendigkeit einer neuen „Verhaltenssicherung" als einziger Zielvorstellung der Erziehung gesprochen wird, so bleibt die Frage offen: Wo liegen denn in jener neuen Lerngesellschaft die Unterscheidungsmerkmale, die Kriterien, die Maßstäbe für dieses Verhalten, für diese „Sicherheit" des Verhaltens, für die neuen Wertvorstellungen und Denkmodelle der Zukunft? Etwa nur in den jeweiligen statistisch zu erhebenden Verhaltensmustern einer Verhaltens-, Sozial-und Arbeitspsychologie? Oder eher noch in dem opportunen Gebrauchs-und Verbrauchsstandpunkt? Gilt also nur noch der pädagogische Grundsatz, mit schnellerem Lernen in einer sich schneller wandelnden Welt durch sachgerechte Anpassung „mitzukommen"?

Die praktikable Mittelmäßigkeit der Argumente also ist gefragt, sie „kommt an" — auch in den Bildungsplanungsbüros. Die opportune Wandlungsfähigkeit der Ansichten und Stellungnahmen ist heute ein höchst positiv bewertetes Merkmal der Flexibilität, der Wendigkeit, der Situationsund Praxisnähe und der Anpassungsfähigkeit. Gereifte und gewachsene Überzeugungen, die als Konstitutiv charakterologischer Echtheit galten und durchgehalten werden sollten, stehen dabei nicht mehr auf der Tagesordnung dessen, was man „Haltung", „Persönlichkeit" oder „Grundsätze" genannt hat. Diese charakterologischen Dissonanzen zeitigten ebenso die Merkmale der Brutalität im gesellschaftlichen und politischen Leben einer absoluten Leistungsgesellschaft wie der Banalität in massenmedialen Kulturindustrien. Die Primitivisierung eines Lebens-und Verhaltensstils hat die Maße eines Zeitstils angenommen, der Organisierung, Institutionalisierung, Betriebsamkeit und clevere Erfolgstüchtigkeit in katastrophaler Weise mit „Kultur", berechnende Intelligenz mit Geist verwechselt, wobei etwa das Ziel der Erziehung allein zum „Fertigmachen" zum Bestehen gegenwärtiger und künftiger wechselnder Lebensumstände degradiert wird.

Dann sind die Markierungen klar — dann wären zweitausend Jahre abendländischer Gei33 stesgeschichte nur eine überfällige vergebliche Bemühung gewesen. Der Mensch der Zukunft sei der Theoretiker und Praktiker der absoluten Anpassungsfähigkeit, bedeutet: den Menschen, der dann nichts mehr anderes will, als seinen Nachholbedarf der Tierwelt gegenüber endlich einzuholen, seine Mängel zu kompensieren. Entsprechend dem allgemeinen Trend, alles Machbare machbar zu machen, kann der Versuch gelten, durch pädagogische Technologie den Prozeß der Bildung nur noch als Information, als Lernprozeß zu verstehen, zu organisieren, zu rationalisieren, zu funktionalisie-ren. Voraussetzung dafür bietet die keineswegs wissenschaftlich als evident erwiesene These von der äußerst breiten Plastizität der Dispositionen in jedem Menschen. Begabung wird nicht mehr vorrangig als genetische Konstitution verstanden. Man glaubt an die Möglichkeit, jeden mit fast allem „begaben“ zu können. Eine durch wissenschaftliche Einseitigkeit gewonnene gesellschaftspolitische Ideologie, welche auch dem Gutachten „Begabung und Lernen" des Deutschen Bildungsrates zugrunde liegt Und wenn das Bewußtsein nicht mehr gegebene Voraussetzung wäre als der angestammte „Kern" der Person, vielmehr erst hervorgebracht, das heißt „gemacht" würde, so könnte der Mensch im Prozeß einer planmäßigen Umstrukturierung in eben diesem „Kern" verän-dert werden — bis in sein Selbstverständnis, seine Erlebnisweisen, seine Entscheidungen, seine Bedürfnisbefriedigung, seine Lebensauffassung. Sozialisation heißt hier das Zauber-wort für eine Veränderung des Menschen mit den Mitteln der mehr oder minder manipulierten Einübung — nicht der kritischen Reflexion, was gewiß kein Novum ist in den Praktiken der Erziehung, der Gesellschaften, der Religionen wie der Weltanschauungen überhaupt. Verbessert wurden nur die psychologischen, technischen und massenmedialen Methoden. Neues Lernen heißt dann der Versuch: Bewußtseinsveränderung bewirken. Hier und jetzt aber meint Bewußtseinsveränderung auch jenes andere Evangelium eines kämpferischen Glaubens an die Befreiung von kapitalistischer Unterdrückung und von Bildung, Erziehung und Schule als von Produkten eines bürgerlich-elitären Herrschaftswillens. Dies wiederum ist der Prozeß einer neuen, fast durchgängigen ober-und unterschwelligen Bildungspolitik mit sehr fixierten Zielen. Eine Kulturrevolution westlicher Prägung. Gewiß ist dieser Prozeß vielschichtig und strategisch abgestuft: von berechtigten sozialen Begründungen bis zur agitatorischen Manipulation und bis zur der Strategie zur In-Besitz-nahme der Institutionen — eine Methode, die einer terroristischen Intoleranz mittelalterlicher Intentionen und Praktiken kaum nachsteht.

VI. Formale Inhalte und ideologische Leitlinien

Pädagogische Programme sprechen auch noch von Bildung, so auch der Strukturplan des Deutschen Bildungsrates Allein, hier glaubt man, mit Rücksicht auf die Pluralismen der Lebens-und Weltanschauungen mit formalen Rahmenplänen auskommen zu können. Schule wird hier zuerst nicht mehr als Stätte der Bildung und Erziehung, sondern als Organisation von Lernprozessen verstanden, welche ihrer Zielsetzung objektiv kontrollierbar sein sollen. Was also sind diese Ziele, die — wie es im wissenschaftlichen Terminus heißt — operationalisierbar, das heißt kontrollierbar genannt werden? Kooperatives, -kri tisches, problemlösendes, gesellschaftliches und Leistungsverhalten — dies sind Leerformeln, die mit beliebigem Inhalt ausfüllbar sind. Was hier vermieden wird, ist jede inhaltliche Fixierung. Was geboten wird, ist nur eine Funktionsbestimmung. Was fehlt, ist der Hinweis auf eine Sinn-und Wertproblematik, darauf also, was jeweils das bildende inhaltliche Kriterium für jeweilige Lernziele ausmachen soll. Ja, es wird dieses Fehlen in dem benannten Strukturplan nicht einmal als Mangel erfahren und diskutiert. Kann dennoch hier ein gesamtes Schulsystem nur formal neu strukturiert, die Schularten und das Gymnasium abgeschafft werden — ohne neue inhaltliche Zielbestimmungen für die Menschenbildung? An den Lehrinhalten und ihren Deutungen wird sich diese Schulreform entscheiden — nicht an Organisationsformen. Was soll die formale Rede von der Entfaltung der Person, der Wertorientierung, der Standortfindung als Bildungszielen, wenn kein Bild der Person, kein Wert, kein Standort mehr bezeichnet wird, weil man vor lauter demokratischen Pluralismen keinen Singular mehr kennt? Daß es heute keinen repräsentativen, von allen zu beherrschenden „Katalog" von Bildungswissen mehr gibt, ist nicht neu. Eine prinzipiell allen zugängliche „Lernfähigkeit" ist jedoch kein Ersatz. Unverzichtbar und erstrangig für alle Bildungsplanungen bleibt hier die orientierende Fundamentalfrage nach einem noch verbindlichen Minimalkatalog von Bildungswissen, das kritisch und historisch human-verbindliche Werthaltungen inhaltlich zu fixieren hätte, wovon schon die Rede war.

Richtig ist, daß es heute wie gestern überhaupt keine Aussagen über Lern-und Bildungsziele gibt, die nicht von einem jeweiligen weltanschaulichen Vorzeichen bestimmt sind. Denn es gibt keine nur formalen Ziele, weil es keine neutralen Sachverhalte gibt. Hierin liegen Irrtum und Irreführung von so-genannten formalen Rahmenrichtlinien — übrigens auch von nur formalen Demokratien. Doch — so fragen wir — sind diese Zielsetzungen des Strukturplans und anderswo wirklich nur formal? Gibt es also keine inhaltlichen Bildungsziele bei unseren Bildungsplanungen? Eine solche Frage ist im Grunde falsch gefragt. In Wirklichkeit wird doch auch heute gar nicht ohne offene oder geheime Zielsetzungen geplant, Ziele, die keineswegs nur in formalen und quantitativen Zweckbestimmungen bestehen. Es wäre ein verhängnisvolles Mißverständnis, wenn dies nicht erkannt würde. Denn auch die neuen Leitbilder, die heute angeboten werden und offenbar bestimmten Auffassungen über neue Bildungsplanungen für Schule und Hochschule in weitem Felde zugrunde liegen, sind ebenso noch Bildungsziele als Lebensziele, das heißt, daß beide Zielsetzungen unter dem normierenden Gewicht eines ganz bestimmten Daseinsverständnisses stehen. Zugrunde liegen meistens Lebensüberzeugungen, die in die Linie bestimmter ökonomisch-pragmatischer Weltanschauungen weisen und sich als soziologische Weltansicht, ja oft genug als neue Heilslehren verstehen. Soziologisierung des Bildungsdenkens, Begründung der Bildungsziele in der gesellschaftlichen Verfaßt-heit unserer Zeit mit der utilitaristischen Anpassung als oberstem Ziel, mit dem neuen intellektualistischen Axiom „Lernen statt Bildung und Erziehung" — hiermit wird trotz aller pluralistischen Askese auch in dem benannten Strukturplan und anderswo eine sehr umschriebene Bildungstheorie geboten.

Die neuen Rahmenrichtlinien von Hessen

und Nordrhein-Westfalen bieten aufschlußreiche Pespektiven. Wenn die Hauptleistungen des Schülers in der politischen Beteiligung und Relevanz gesehen werden, müssen die Maßstäbe in den Verhaltensleistungen, nicht in den Denkleistungen liegen. Verhalten aber meint hier nicht etwa charakterologische Befunde, sondern politische Mündigkeit und gesellschaftliche Kommunikation. Selbstbestimmung und Mitbestimmung sind die zentralen Richtwerte, welche Maßstab und Gesichtspunkt für Auswahl, Bildungswert und Lebenswert des Unterrichtsstoffes bestimmen, wobei das emanzipatorische Interesse an sozialer Gerechtigkeit im Sinne eines moralischen Absolutismus allein an der Selbstgerechtigkeit gemessen wird. Was gut und böse ist, was gerecht und ungerecht ist — dies wird in eigener Instanz entschieden. Schulwissen, so Literatur, Gesellschaftslehre mit Geschichte und Geographie wie auch der Kunstunterricht, wird an jenen Normen orientiert; die Inhalte des Unterrichts, der „Unterrichtsstoff" werden ihres genuinen Charakters beraubt und unter jenes Kriterium gezwungen. Alle Texte und Fakten sind abzutasten auf ihren system-erhaltenden oder systemüberwindenden, auf ihren herrschaftsstabilisierenden oder progressiven Inhalt. Doch haben wir einen anderen ideologischen Raubbau nicht noch im wachen Gedächtnis? Dies aber sind nachprüfbare Erfolge von bestimmten Soziologen und Politologen, wobei Brandstifter jetzt nach Löschgeräten rufen und sich damit als Retter der Kultur feiern wollen.

Die gesellschaftspolitische Relevanz ist alles. Die Politisierung wird total, der Eigenbereich des Menschen wird „sozialisiert", der Privatsphäre enthoben — wie eben bei allen totalen Politisierungen gestern und heute. Jene neuen Schulpläne setzen als Ziel die Veränderung der politischen Ordnung. Ein integrierter politischer Bereich läßt keinen Raum mehr für individuelle Freiheitsräume und bringt die Gefahr des politischen Konflikts als tägliche Lebensform auch in die Familie und den privaten Bereich. Konflikt ist die Zentralkategorie für alle gesellschaftlichen Phänomene. Konflikte müssen immer und überall erfahren werden, soll nicht der Verdacht entstehen, daß eine Stabilisierung von Herrschaft angestrebt oder der private Raum entpolitisiert werden soll Im Zeichen eines sozialistischen Absolutismus und einer Konfliktideologie wird vom Schüler verlangt, daß er lernen muß, formale demokratische Spielregeln und Rechte vorübergehend außer Kraft zu setzen, damit demokratische Verhältnisse gesichert oder verbessert werden könnten — so in dem Entwurf zu den Rahmenrichtlinien für den Politischen Unterricht von Nordrhein-Westfalen. Auf demokratischem Wege wird zur Illegalität aufgefordert. Dies bedeutet eine ernste Krise im demokratischen Selbstverständnis. Schule mit solcher Ideologisierung des Unterrichts und der Verhaltensweisen wird zum Revolutionsfeld. Soll doch das Grundgesetz auch im systemverändernden Sinne interpretierbar sein: eben als radikale Beanspruchung der legalen individuellen Freiheitsrechte der Person, auch wenn diese gegen die vermeintlich illegale Obrigkeitsund Staatsmacht durchzusetzen sind.

Während der Drucklegung dieses Beitrages sind die Hessischen Rahmenrichtlinien für Gesellschaftslehre mit einem neuen „Entwurf"

korrigiert worden, um — wie es heißt — „Mißverständnisse" auszuräumen. Das waren keine Mißverständnisse, das war marxistische Indoktrination. Jetzt sollen Lernfeld und Lernmethoden verfassungskonform werden. Konflikte sollen nicht mehr nur als zentrales Lebens-element der Gesellschaft zur Förderung des Klassenkampfbewußtseins erfahren werden. Doch Konflikte bleiben fast alles. Harmonie, Liebe, Solidarität, Konsens bleiben zumindest verdächtig, problematisch. Erziehung zum Fremdheits-und polaren Feindschaftsdenken — bis hinein in die Familie. Solche „Sozialtherapie" an der Jugend, deren Entwicklungsstand eine solche Konfliktserfahrung noch gar nicht zuläßt, ist unverantwortlich. Wenn jedoch auch noch die frühere, in Erprobung befindliche Fassung jener Richtlinien in Geltung bleiben soll, so wird diese hessische Bildungspolitik unglaubwürdig. Allein das Signal ist und bleibt gestellt — trotz sporadischer Revisionen. Wenn man von der Fragwürdigkeit jener ideologischen Kriterien absieht, bedeuten jene Richtlinien den Versuch, übergreifende Gesichtspunkte für Lernziele zu finden — freilich nicht für Bildungsziele, die in einer ganz anderen Tiefendimension gründen müßten als jene letzthin ichbezogenen Rechtsansprüche von Selbst-und Mitbestimmung. Eine gravierende Frage ist auch, ob durch die Aus'wähl und die thematische Zuordnung von Unterrichtsstoffen nicht dem Schüler (und dem Lehrer?) schon nicht mehr überprüfbare Kriterien vorgeordnet werden, das heißt, daß es sich hier um eine ideologische Manipulation zur Durchsetzung eines bestimmten Systems, eben des sozialistischen Lebens-und Welt-verständnisses handelt. Doch Kriterien, Tendenzen und Richtlinien gab es schon immer in jedem Bildungskanon in der Schulgeschichte — so im Christlichen beider Konfessionen, im Liberalismus der Aufklärung, im Nationalsozialismus, im Marxismus jedweder Prägung, im pragmatischen Utilitarismus usf. Gewichtig ist dabei nur immer, welcher Freiheitsraum als Entscheidungsmöglichkeit auch über das den jeweiligen Kriterien Entgegenstehende noch belassen wird und praktisch akzeptiert wird. Für das Bildungswissen bedeutet dies, daß mit der Schutzbestimmung für die Würde des Menschen für den Geltungsbereich des Grundgesetzes Schranken gesetzt worden sind, welche „Überwältigung" und Indoktrination nicht zulassen, wobei unter Überwältigung „Formen und Inhalte von Erziehung und Unterricht verstanden werden, die durch Konditionierung, Überredung, Einschüchterung, Emotionalisierung, durch Verzerrung oder Verkürzung von Sachverhalten die Persönlichkeitsrechte des Aufwachsenden beeinträchtigen"

Linksextreme Argumentationen zeigen überdies eine merkwürdige Paradoxie an: Emanzipation als Selbstbefreiung von allen Bindungen, Zwängen, Ängsten, Traditionen, vom Leistungsdruck und ökonomischen Mechanismen. Was hier als Wert-und Sinnmaßstäbe dieser emanzipierten Freiheit erscheint, die doch — und hier das Paradox — höchst individualistische altliberale Züge trägt, will schlecht in das Sozialisierungssystem hineinpassen. Oder sagt man Gesellschaft und meint — sich selbst? Wovon befreien — das wissen wir jetzt. Aber wozu und wohin sich befreien? Zur neuen Lebensqualität? Aber was ist das für ein neues Leben, das sich nur im Selbstbefreiungsprozeß erfüllt? Normen sind hier insoweit gültig, als sie die Selbstbefreiungsrechte und damit — wie man jedenfalls vorgibt — auch die soziale Gerechtigkeit intendieren und garantieren. Doch Leistung ist verpönt — das machen die anderen. Alle sprechen von Rechten — von Pflichten spricht niemand. Mitbestimmung im Bildungsbereich soll — wie es heißt — frei sein von besonderen Rechten und Privilegien wie Sachverstand, Erfahrung oder „bornierter Wissenschaftsfreiheit". Das bedeutet Absage an jede sachgerechte Behandlung von Bildungs-und Kulturfragen. Richtig und wahr, frei, gerecht und sachgerecht ist das, was der Gesinnungsideologie entpsricht. Wozu dann noch Sachverstand und Erfahrung, die ja Privilegien sind? Eine höchst autoritäre und primitive neue Klassengesellschaft — im Namen der Gesellschaft. Was dies heißt? Dies heißt: die Herrschaften wechseln — die Herrschaft bleibt! Dies gilt jedoch ebenso für jene breite neue Klasse der Neureichen in einer spätbürgerlichen Feudalgesellschaft — auch hier haben sich nur die Herrschaftstitel verändert.

VII. Bildung — Person oder Gesellschaft?

Im Grunde markieren gegenwärtig auch die Bildungsfrage und die Bildungspolitik mit der Spannung zwischen Personalismus und Kollektivismus ein zentrales Anliegen, das geradezu als Angelpunkt unserer existentiellen und politischen Situation bezeichnet werden kann.

Die vielberufene „Persönlichkeit" trägt längst den Bildungsprozeß nicht mehr. Allein hier erscheint dann die andere zudringliche Problematik, daß mit der gesellschaftlichen Priorität oder gar Omnipotenz die Nivellierung des individuellen Selbstseins des Menschen zugunsten der Typisierung und konformistischen Anpassung an die standardisierten und automatisierten Erfordernisse des „Ganzen" ein sogenannter Massenmensch heraufkommt, der kein eigentlich menschliches Zentrum mehr besitzt. Das „Kollektiv" ist jedoch nicht nur ein Charakteristikum östlicher Ideologien.

Im Grunde betrifft diese existentielle und pädagogische Situation, die sämtliche Bildungsbemühungen und Institutionen angeht, die Frage nach der Stärke des Einflusses sozialer Wandlungen auf die Ausbildungsmodelle als Leitbilder, vor allem auch in der Berufsbildung. Entscheidend bleibt: Sollen die Ziele der Erziehung und Bildung vor den neuen Anforderungen der Gesellschaft und Arbeitswelt ihre Gültigkeit verlieren? Sollen also neue Ziele und Leitbilder, die von neuen soziologischen und ökonomischen Bedingtheiten und Ansprüchen diktiert werden, aufgerichtet werden? Oder sind gar Bildung und die normgebenden Bildungswerte mit Notwendigkeit dem gesellschaftlichen Wandel unterworfen, weil schon die Bewußtseinsstrukturen sich jeweils entsprechend den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Prozessen ändern?

Gewiß sind die Formen geistiger Akte, in denen Wissen und Bildung gewonnen werden, durch die Struktur der Gesellschaft mitbedingt. Es kann nicht mehr übersehen werden, daß Haltungen und Handlungen des Menschen, ja selbst seine sittlichen Grunderfahrungen, sein gesamtseelisches Gestimmtsein, auch der jeweiligen gesellschaftlichen Gruppe entspringen, der er eben gesamtmenschlich zugehört. Für die Bildung und Erziehung bedeutet dies, daß hier, in dem sozialen Gefüge, in seinen Ordnungsformen und Werthaltungen, der eigentliche Ort der pädagogischen Besinnung und Wirksamkeit ansetzen muß. Das „soziale Relief", das als „beherrschende Stellungen" und als gesellschaftliches Abhängigkeitsverhältnis in jedem Gemeinschaftsleben eingelagert ist, erscheint als ein pädagogisches Faktum.

Das „ewig liberale Urprinzip" hat Eduard Spranger als das „Haltmachen des Staates vor den Rechten des Menschen als Menschen überhaupt" bestimmt. Jede Bildung für die Gesellschaft wird nicht nur eine Bildung eines „genormten" Gesellschaftswesens sein können, sofern man eben den Gesellschaftsprozeß nicht als den überindividuellen anonymen determinatorischen Welt-und Heilsprozeß der Menschheit anzusehen vermag. Und hieran Wird sich jede Bildungspolitik eindeutig entscheiden müssen: ob der Mensch als solcher mehr ist als ein „Teil" der Gesellschaft, ob also zuerst die Person in ihrer personalen Existenz mit der ihr eigenen Würde, der Freiheit, der Unverletzlichkeit, der Ehrfurcht vor der Intimsphäre gefunden und nach diesem ihrem eigenen wesensgemäßen „Urbild" gebildet werden muß, um dann erst dem Dienst an der Gesellschaft verbunden zu werden. Daß dies wiederum nur in der und durch die Gesellschaft möglich sein wird, ist heute klar erkannt worden. Doch die Proklamierung des „Normalmenschen" als Bildungsfall muß notwendig die Einebnung aller individuellen Markierungen und schließlich als Ergebnis von Schule und Hochschule eine erschreckende „Typisierung bei einem Minimum an Bildungseffekt" bewirken.

Der Prozeß der Personwerdung geschieht niemals in der Isolation. Immer und notwendig sind Person und Gemeinschaft beziehungsweise Gesellschaft schon korrelativ aufeinander bezogen. Doch eine gesellschaftliche Priorität als Richtbild auch für die existentiellen Eigenbezüge der Person und damit für ihre Sinn-und Werttafeln muß notwendig zur Entmündigung der Person führen — sei dies durch die Gewalt eines ideologischen Systems, wie im Osten, oder durch seelischen Substanzverlust, durch eine „existentielle Auszehrung", wie im Westen. Daß dazu jedoch auch im Westen derselbe Kollektivierungsprozeß als „Prozeß." der Ideologien, der Lebensstile als geistig-seelische, ökonomische und auch weltanschauliche Perspektiven längst im Gange ist, scheint viel zu wenig bewußt zu werden. Die Frage, ob dann wirklich von einem „Pluralismus" in diesen letzten Bezügen im Westen gesprochen werden kann, erscheint uns als eine höchst zeitgemäße Betrachtung. Wenn nun schon der Mensch als Person fragwürdig wurde, so wurde die Rede von der „Persönlichkeit" geradezu als restaurativ und individualistisch, ja als „asozial" verdächtigt. Sollte dies seinen Grund auch darin haben, daß Persönlichkeiten als gewachsene, gereifte und geformte Gestalten heute selten geworden sind? Oder duldet ein Nivellierungsprozeß der Mittelmäßigkeit solche herausragenden Menschen nicht mehr, weil sie eben nicht konform, nicht mittelmäßig sind und dabei als Störungsfaktoren in einem doch völlig falsch verstandenen Demokratisierungsprozeß erfahren werden? „Persönlichkeiten" können dann nur noch als Funktionäre gedacht werden, die als legitime Vollstrecker von Gruppeninteressen auftreten. Dieses Grundaxiom aber verbindet bei allen differenten Voraussetzungen alle absoluten Sozialismen: Der Mensch ist nur soviel wert, wie er für die Gesellschaft wert ist. Und auch sonstige Reden vom mündigen und urteilsreifen Menschen erhalten den Stellenwert ihrer Mündigkeit und Reife nicht mehr aus dem, was man personale Existenz genannt hat.

Wenn in den benannten Hessischen Rahmen-richtlinien für Gesellschaftslehre (S. 8) als Ziel des Unterrichts bezeichnet werden, „das Selbstverständnis und die Handlungsfähigkeit im Sinne von Selbst-und Mitbestimmung" zu fördern, so markieren hier „Selbstverständnis" und „Handlungsfähigkeit" gesellschaftliche und gesellschaftspolitische Kategorien, welche Ortsbestimmung, Stellenwert, Ziele und Methoden, Handlungsund Entscheidungsraum im gesellschaftlichen und politischen Feld — und nur in diesem — betreffen. Dies gilt analog auch für die Hessischen Rahmenrichtlinien für den Deutschunterricht. Es sind damit also keine existentiellen Kategorien benannt, die den Menschen als Menschen und das Menschliche im personalen Wert-und Sinnbezug, gewissermaßen also in dem „Reservat" eines persönlich-privaten Freiheitsraumes betreffen. Hier genau liegt die Weichenstellung: ob und daß und inwieweit ein solcher Raum wirklich und möglich ist und ob und wie er gegen die'totale gesellschaftliche und politische Relevanz bewahrt und geschützt werden soll und kann. Es scheint jedoch, als ob das Schwinden der Freiheit sich — trotz aller Beschwörungen von Freiheiten und Emanzipation — als ein nicht mehr aufhaltbarer Weltprozeß erfüllt.

Jene noch tiefer greifende Frage, ob das Individuum in unserer konformistischen Gesellschaft überhaupt noch zu dieser Personalität fähig ist, ob das geistig-seelische „Instrumentarium der Person" überhaupt noch hierzu ausreicht angesichts der unübersehbaren neuen Dimensionen der Wirklichkeit, ja, ob überhaupt die Person ihre traditionell verbürgte Höherwertigkeit gegenüber dem gesellschaftlichen Kollektiv zu behaupten noch imstande ist, betrifft ein fundamentales Lebensproblem unserer Zeit, das nicht nur die Bildung angeht. Dies aber hieße die Frage erheben, ob Bildung, die über die Jahrtausende trotz ihrer gesellschaftlichen Bindungen im abendländischen Kulturraum mit der individuellen Personalität identifiziert wurde, in der Zukunft etwa nur noch als überindividuelle, überpersonale kollektive beziehungsweise kollektivierte Bildung verstanden werden könnte, wie dies deklariert wird Unter solchen Voraussetzungen wird verständlich, aus welchen Gründen heute die sogenannte Bildungsforschung, Bildungsplanung und Bildungspolitik weithin zur Domäne von Interessengruppen und Managern werden konnten, die zwar von dem eigentlichen Bildungsverständnis der wissenschaftlich und existentiell pädagogischen Relevanz im Sinne überkommener und gegenwärtiger Bemühungen oft genug nicht berührt sind, die aber als Wortführer von Gruppen und ober-und unterschwelligen „Bewegungen" mit Hilfe von gesteuerten Meinungsbildungen in die Popularität des Tages hinaufgespielt und „aufgebaut" wurden bzw. sich als Wortführer organisierter Macht-und Interessengruppen selbst in Szene gesetzt haben, wenn heute — wie es Karl Jaspers pointierte — jene gewählt werden, die sich selber wählen. Denn Bildungsfragen wurden — wie aber wohl schon immer — zu Macht-fragen, Interessenfragen, Klassenfragen, letzthin also zu weltanschaulichen Standortfra-gen. Daß dabei Gehalt und Gestalt nicht unbedingt von hohem Rang des Geistes und des Menschentums als Transparente der verkündeten neuen Bildungsideologien in Frage stehen müssen, ergibt sich schon daraus, daß eine solche Ranghöhe in einem nivellierenden Tagesbedürfnis oft gar nicht gefragt ist und auch gar nicht ankäme, worauf aber doch heute alles ankommt. Denn der Mensch und seine Angebote gelten heute weithin doch nur so viel, als sie gelten, das heißt in der öffentlichen Meinung an Macht-und Bedeutungscharakter zu gewinnen vermögen. Dies gilt auch noch für die Bildungsebene. Es bedarf jedoch dabei kaum einer besonderen Begründung, daß auch diese neuen Bildungsideologien, wie ebenso alle Bildungsideen der Neuzeit, im Bedeutungsgewicht von neuen Heilslehren für den Menschen stehen. Denn dies hat unsere heutige Bildungsbemühung der Neuzeit, von Comenius über Rousseau, Goethe bis zu Makarenko, gemeinsam, nämlich den Versuch, anstelle des genuin christlichen Erlösungsglaubens der Menschheit einen neuen Heilsweg zu begründen in dem Mythos vom Neuen Menschen, der durch plangerechte Bildung und Erziehung erreicht werden soll.

Die Bestimmung unserer Bildung wird somit eine Maßstabsfrage sein, ob der Mensch mehr ist als ein Wesen, das getestet, gemessen, gefertigt und funktionsgerecht „eingesetzt" werden kann. Ob also das wesenhaft Menschliche vor allen Anpassungen, Sozialstrukturen, Fachausbildungen und ökonomisch-technischen Anforderungen rangiert. Wo dieser fundamentale Grundsatz im Gewicht als in der Rangfolge der Ziele gemindert wird, liegt die Gefahr einer Deshumanisierung des Menschen und des Menschlichen in naher Konsequenz. Eine Gesellschaft, die nur dem Tages-bedürfnis lebt und in solchen Kategorien plant, gibt sich selbst auf — trotz aller Planungen und Investitionen. Allein auf Grund gesellschaftspolitischer Fakten ist die Bildungsfrage nicht lösbar. Die Bildungsfrage muß auch in der Bildungspolitik den Menschen als Menschen zum Richtmaß nehmen, der immer mehr ist als nur eine Funktion der Gesellschaft oder der Wissenschaft, des Staates oder irgendwelcher machtpolitischer Interessen.

VIII. Wissenschaftspolitik als Tagespolitik

Bewußtseinsveränderung aber auch an den Hochschulen. Ein Blick auf eine bestimmte Hochschulpolitik zeigt die Möglichkeit an, daß nicht nur Leistungstüchtigkeit, sondern auch „Gesinnungstüchtigkeit''den neuen „Einheitsprofessor" machen kann — Professoren für die wissenschaftliche Provinz der Massenfertigungskurse. Hier wird auch ein Motor der Demokratisierungsbewegung sichtbar, sofern sie sich fälschlich als Bewegung zur Gleichschalterei versteht. Hier ereignet sich die Inthronisation der rentierlichen Mittelmäßigkeit mit der Zerstörung der Universitäten als Stätten einer — wie es heißt — bürgerlichen Wissenschaftsgesinnung und mit der Inflation von „übergeleiteten''Hochschulen ohne eigentlichen Hochschulcharakter. Mit dem gesellschaftspolitisch motivierten Angriff auf Wissenschaft und Universität, gewissermaßen „von unten her", von den in ihrer ursprünglichen Aufgabenstellung höchst notwendigen Fachschulen, Akademien usf., wird im „Gesamt“ keine breitere wissenschaftliche Ebene gewonnen, wohl aber mit der Befriedigung des Sozialprestiges angeblich Unterprivilegierter die eigentlich wissenschaftliche Ebene in ihrem Kern zerstört, eben weil wissenschaftliche Qualifikation nicht auf dem Gesetzeswege verordnet werden kann. Darum also müssen Leistungsnachweise fallen, damit jene allzu vielen, die nicht entsprechend wissenschaftlich qualifiziert sind und auch möglicherweise nicht qualifizierbar wären, zu Professoren „übergeleitet" werden können und damit an der „Gruppen-Universität“ eine bestimmte Mehrheit garantieren — und dies kraft politischer Hoheitsakte. Hochschullehrer jetzt auch noch ohne qualifizierte Promotion und zusätzliche wissenschaftliche Leistungen? Ein billiger Ausverkauf eines unverzichtbaren Berufsstandes. Damit sind auf viele Jahre hinaus die Stellen besetzt, die Gewinnung von ausgewiesenen qualifizierten Professoren ist dadurch unmöglich geworden. Wer wollte wohl behaupten, daß Pläne und Maßnahmen der Bildungspolitik nichts mit der ideologischen Umstrukturierung von Hochschulen, mit dem Kampf um das klassenlose Prestige und die klassenlose Besoldung, das heißt hier auch mit der Nivellierung von freiheitlichen, wissenschaftlichen und finanziellen Wertskalen zu tun haben? , Analoges wäre für die Hintergründe zur Vereinheitlichung der Lehrämter an den Schulen zu sagen. Der „Einheitslehrer" ist doch zumindest auch eine berufspolitische Ideologie — man sollte dies doch nicht nur mit demokratischen und schulsystematischen Idealen retouchieren! Dies gilt ebenso für eine bestimmte Begründung der Gesamtschule, wenn man bestehende Schularten als Ausdruck einer Klassengesellschaft disqualifiziert. Wer hindert eigentlich heute wen, die Realschule oder das Gymnasium zu besuchen, sofern er die entsprechenden Leistungsvoraussetzungen vorweist? Und was stünde dem entgegen, daß in der für alle Schüler gemeinsamen verbindlichen Vorschulund Grundschulzeit alle nur erdenklichen Mittel und Wege zu jedweder Kompensation eingesetzt werden, um chancengleiche Startgerechtigkeit für den Übertritt in eine weiterführende Schule zu ermöglichen? Und warum sollte nicht die Möglichkeit bestehen, die Durchlässigkeit zwischen den derzeitigen Schularten noch vielseitiger zu verbreitern? Wie auch immer eine Diskussion zwischen Pro und Contra über die Gesamtschule geführt werden mag, mit jenen Gründen allein, wie auch mit bisherigen Erfahrungen und Praktiken, läßt sich Gesamtschule nicht begründen. Ist der schulischen Demokratisierung wirklich schon Genüge getan, wenn alle Schüler unter einem Dach unterrichtet werden? Aber sind nicht „Stufen", „Züge" in einer Gesamtschule auch schon wieder über-und unterprivilegierende Unter-scheidungs-„Klassen"? Ohne jede Unterscheidung und Abstufung in einer geistigen und leistungsgebundenen Skala geht es offenbar nicht. Geistige Bezüge und Vermögen lassen sich auch in Demokratien nicht demokratisieren, sofern man darunter nicht eine konformistische Einebnung verstehen will. Wenn man andererseits den Stufenlehrer schafft und dann gleichzeitig die Gesamtschule verhindern will, so ist das eine schulpolitische Paradoxie. Nach Verlautbarungen des Deutschen Gewerkschaftsbundes soll die integrierte Gesamthochschule allen Arbeitnehmern offen-stehen. „Die Qualifikation erweist sich" — wie es hier heißt 46a) „im Studium". Danach sind die herkömmlichen Voraussetzungen der Reifeprüfung, die durch vielfache und auch teilweise fragwürdige Sonderwege ersetzt werden können, ohnedies keine Bedingung mehr für dieses Hochschulstudium. Baukastensysteme und nur fachspezifische Voraussetzungen ersetzen jedoch keine organischen Bildungssysteme. Wenn bis dahin die Gymnasien als berufsvoibereitende, nicht aber nur als berufskundliche Bildungsstätten galten, so bedeuten jene Vorschläge im Grunde die Verabschiedung der gymnasialen Grundbildung als Fundament für das Hochschulstudium. Dessenungeachtet muß der oben bezeichnete Vorschlag geradezu als absurd erscheinen, es sei denn, man meint eine leistungsnivellierende Gesamt-Volkshochschule. Doch solche Anliegen werden ja von den Flügeln dieser Zeit emporgetragen, in der das Geistige weithin vom Management, von Gruppeninteressen, vom Mythos der Zahl und des Gleichheits-Prestiges, von organisatorischer Verplanung abgelöst wurde. Was für die Bildungsinstitutionen insgesamt gelten kann, daß sie mangels fundamentaler inhaltlicher Zielgesichtspunkte weithin zu Wissenschaftszentren mit Warenhauscharakter wurden, gilt nicht zuletzt für die Universität und die wissenschaftliche Hochschule. Ob man nicht ehrlicher hier von berufskundlichen Fach-Hochschulen im abgestuften Ausbildungsverband mit massenmäßigen Fertigungsmethoden sprechen sollte? Soll nur studiert werden, damit mehr produziert wird?

Eine in diesem Zusammenhang zu erhebende aktuelle Frage betrifft die Akademisierung von Berufen, die schon nach ihrem Ausbildungsgegenstand keinen gültigen Bezug zur wissenschaftlichen Qualifikation aufzuweisen vermögen. Die dadurch bedingte Aufwertung von neuen „Hochschulen" muß eine Nivellierung und Entwertung dessen bedeuten, was bis dahin als „wissenschaftlich" galt. Gleichzeitig aber ist die nachhaltige Tendenz erkennbar, den Hochschullehrern die Restbestände ihrer grundgesetzlich garantierten Freiheit unter der Firmierung von zeit-und gesellschaftsbedingten neuen Hochschulgesetzen offen oder versteckt durch staatlich-obrigkeitliche Kompetenzanreicherung aufzuheben, die Universitäten nur noch zu Ausbildungsstätten für funktionale Berufsgruppen, die Hochschullehrer aber zu weisungsgebundenen Ausbildungsfunktionären im Gruppen-verband zu degradieren. Die Universität und mit ihr ihre Dozenten werden gewiß in hohem Maße dem Dienst an der Gesellschaft verpflichtet sein müssen, ohne jedoch nur . Befehlsempfänger'von gesellschaftlichen Machtträgern zu sein, sofern eben dieses Gesellschaftliche zudem noch verpflichtenden

Normencharakter beanspruchen könnte und damit die Freiheitsgarantie des Hochschullehrers aufzuheben geeignet wäre. Denn Universität ist nicht nur eine Funktion der Gesellschaft, auch nicht nur ein arbeitsteiliger Großbetrieb im gewerkschaftlichen Verband. Letzthin wird die Universität, auch noch in der berufswissenschaftlichen Ausbildung, freie Stätte des freien Geistes sein — oder aber sie gerät in die Linie der Schulungsburg für gelenkte Berufe mit mittelbar oder unmittelbar gelenkten Ideologien In der freien Wissenschaft geht es um die Wahrheit, im parlamentarischen Staat geht es letzthin um die Mehrheit, die nicht immer die Wahrheit zu bedeuten braucht. Wahrheit aber ist nicht eine Funktion der Gesellschaft, sondern der menschlichen Existenz

Wissen und Wissenschaft sollen an der Universität nicht nur in sich verschlossene Ziele bleiben; sie sollen ebenso einen je sittlichen Wert anzeigen, der die Person-Findung ermöglicht; sie sollen an der Universität nicht ohne Bezug zum künftigen Beruf bleiben Allein mit massenmäßigen Ausbildungskursen wird die Universität heute einer ihrer wesenhaften Aufgaben beraubt, der wissenschaftlichen Forschung und einer dieser entsprechenden Lehre — es sei denn um den Preis eines oft nicht mehr verantwortlichen „Kompromisses". Wenn das zudringliche Problem des Massenstudiums und neuer Erfordernisse einer industriellen Arbeitswelt neue Formen und Wege der beruflichen Ausbildung geboten erscheinen läßt, so wäre zur Rettung der Universität als Universität eine institutionelle Unterscheidung und Trennung von wissenschaftlichen Forschungsund Lehrstätten und nicht-wissenschaftlichen Bildungsstätten dringend geboten gewesen. Doch das Gegenteil ist der Fall. Das Konzept der Gesamthochschule, worin „wissenschaftlich" und „quasi-wissenschaftlich" und „nicht wissenschaftlich" in gleitenden „Stufen" ineinanderfließen, muß das Ende der Universität bedeuten, was heute von maßgebenden Seiten aus ideologischen Gründen auch beabsichtigt ist. Dann aber sollte man daneben — wie anderswo — zumindest Universitäten höheren Grades errichten, wenn nicht die Forschung in staatliche und privatwirtschaftliche Forschungsinstitute abwandern soll und wenn die Universitäten und die Hochschullehrer ohne das Fundamentale der Forschung nicht ihre „Höhe" sehr bald verlieren sollen. Die Wege dahin sind schon frei und eifrig praktiziert. Im Zuge des Gestaltwandels des Wissens wurden Wissen und Wissenschaft zu pragmatischen Größen, deren Stellenwert nur noch in der Brauchbarkeit sich fixiert. Forscher und Dozenten wurden zu Funktionären, zu Produzenten brauchbarer Richtigkeiten. Information und Dokumentation sind das, was heute „Bildung" heißen könnte: Information als Vermittlung von Wissensstoffen und Tatsachen als „Richtigkeiten". Die Sache tritt an die Stelle der Person. Man lebt dabei von der Illusion, daß es tatsächlich eine objektive Information gäbe, die am ehesten im Teamwork und vom Apparat vermittelt wird. Zwar wird mehr denn je von „kritischer Rationalität" gesprochen. Es wird aber nicht gefragt nach dem Kriterium, nach dem Richtbild, nach dem Maßstab dieser Kritik. Auch jene neue kritische Rationalität und jene Informationen leben von je fixierten Vorentscheidungen des Lebensverständnisses. Die immer wiederholte These von der objektiven Information gehört doch eher in das Reich der ideologischen Märchen. Genau dies aber ist unsere Situation, die das Menschliche durch den Apparat, auch im Wissenschaftsbetrieb, zu ersetzen und abzulösen begonnen hat.

Jene verbreitete Haltung, die durch die Übertragung naturwissenschaftlicher Denkformen und Methoden auf die Geisteswissenschaften, die Kultur-und Gesellschaftswissenschaften wie auf die Lebensmodelle und Lebensformen überhaupt sich als die Wissenschaft schlechthin zu bestätigen sucht, ist mit der Ersetzung des Qualitativen durch das Quantitative die ebenso fundamentale wie eindimensionale und unkritische „Umstrukturierung" überhaupt. Die vermeintlich restlose Ausschaltung des Wertproblems aus dem Erkenntnisverfahren und seinen Ergebnissen ist das folgenreiche Mißverständnis jener Wissenschaftsidee.

Denn es gibt keine „reinen" Tatsachen, es gibt immer nur schon je gedeutete Tatsachen, deren vorzeichenhafte Deutung auch kritisch niemals ganz überschritten werden kann, wo es um letzte Stellungnahmen, das heißt um Sinnbezüge und Maßstabsgebundenheit geht. Uns scheint dabei, daß jene positivistische Wissenschaftsauffassung mit ihrer unbefragten Zerspaltenheit in sinn-und wertneutrale „Fortschritte" als notwendige Folge einer ebenso „schizophrenen" menschlichen Existenzleere, eines „existenziellen Vakuums", zu deuten bliebe. Hier nun halten wir wirklich an der Grenze ganz anderer Bereiche und Wirklichkeiten. Haben doch heute die Positionen des Wissenschaftsverständnisses fast den Gewißheitsgrad von Glaubensüberzeugungen angenommen, die jeweils ihre fundamentale Lebensüberzeugung dokumentieren. So tief greift also das Problem um die heutige Universität, in dessen spiegeligem Brennpunkt sich der unbewältigte Lebenshintergrund unserer Zeit gültig abzeichnet

Wenn man die Frage stellt, ob die Universität als solche heute noch einen Stellenwert hat, so bliebe nur die Antwort: Die Universität, sofern man damit auch Bildungsvorstellungen verbindet, ist längst nicht mehr am Leben. Was heute noch lebt, ist der Versuch zur Organisation von höheren Berufsschulen, wobei über das jeweilige Fach hinaus der Mensch als Mensch und damit die Menschenbildung kaum noch Ansätze zur Verwirklichung zu finden vermögen — und dies im Namen einer sachund fachgerechten „reinen Objektivität". Schon vor fast fünfzig Jahren hat Max Scheler diese noch moderne These vertreten: „Kleine Gelehrte ohne Weltkontakt und leere Intellektualisten, denen unverdautes und im Berufe unanwendbares gelehrtes Wissen im Bauche klappert, verlassen so in Menge die Universität. An Wissen reich, an Stellungnehmen-Können und Verantwortlichkeits- und Mitverantwortlichkeitssinn . .. arm — das ist der Eindruck, den unsere die Universität verlassende akademische Jugend leider so oft dem objektiven Auge macht."

Gesellschaftliche Gruppen suchen über die politischen, staatlichen, wirtschaftlichen Kräfte ihre Auffassungen über Zweck und Aufgabe der Hochschulen zur Geltung zu bringen. Danach habe die Hochschule in einer östlichen Terminologie „nach Art und Umfang meßbare und bestimmbare gesellschaftliche Aufträge" zu erfüllen, die besonders in der Fertigstellung und Bereitstellung von Berufs-nachwuchs als Techniker, Juristen, Lehrer usf. bestehen, also allein in der Produktion von Funktionären mit bestimmten Kenntnissen und Fertigkeiten, ganz abgesehen von den Aufträgen zur industriellen Verwertung bis zur Kriegswaffe. Eine solche reine „Berufsund Materialideologie" des „Hochschulbedarfs" weiß nichts mehr und will auch nichts mehr wissen von Bildungsbezügen der Universität. Diese Funktionalisierung der Hochschule ist seit langem im Gange, ohne daß dabei bemerkt würde, in welchem Maße die Unterschiede zu östlichen Hochschulideologien bereits gefallen sind. Steht nicht im Osten und im Westen bei jenen Diktionen die Plan-soll-Erfüllung von Hochschulen und Hochschullehrern allein noch Pate, jedoch mit dem Unterschied, daß in westlichen Pluralismen keine fundamentale bzw. weltanschauliche Ausrichtung mehr vorhanden ist? Fast entmutigend muß dann die Feststellung erscheinen, daß kein Massenstaat, kein Sozialstaat bisher den Versuch unternommen habe, „die Bildung nicht seinen kalten Bedürfnissen unterzuordnen", wobei aber immer die Überzeugung von der Unmöglichkeit, in einem solchen Staate Menschen zu bilden statt auszubilden, vorausgeht

Andere Kapitel, die den Menschen als Menschen betreffen, gelten weithin als noch geduldete, überholte Residuen, die in dem Wissenschaftsbegriff der naturwissenschaftlichen Gesetzlichkeit und Verifizierbarkeit keinen gültigen Stellenwert mehr finden. Mit anderen Worten: Der Mensch als Subjekt ist aus der 'Wissenschaft verbannt, es sei denn, er werde noch als Objekt von Forschungsvorhaben benötigt.

Jene Befürchtung ist bedrängend, wonach die in den Schulen propagierte Lernziel-Ideologie an der Universität gravierende Folgen haben muß, wenn das Studium und damit notwendig auch die Forschung nur auf die didaktische Ausrichtung, Auswahl und Beschränkung abzielt. Denn Wissenschaften müssen von der Sache her wie auch im Hinblick auf den menschlichen Existenzbezug systematisiert werden, nicht aber nur von Vermittlungsproblemen und Ausbildungsfragen. Eine angestrebte totale Didaktisierung müßte den Tod einer unabhängigen Forschung und Lehre be- deuten, sofern nur noch das didaktisch „Verwertbare" Forschungs-und Lehrgegenstand würde.

Grundsätzlich bleibt uns in dieser Stunde die Frage: Sollen Hochschulen und Universitäten, die einst Zentren des geistigen Lebens waren, von denen auch die kulturellen und politischen Kräfte ihre Impulse und ihren Richtungssinn erhielten, heute diese Triebkräfte nur politischen oder gesellschaftlichen Gruppen überlassen? Das Hochschulamt ist belastet mit der Verantwortung eines eminent politischen Auftrages: in der hier noch garantierten Freiheit der Idee und des Wortes den Wirkungsanspruch fundamentaler Richtbilder in der Gesellschaft zur Geltung zu bringen. Dies bedeutet, daß dem Wissenschaftler nicht nur die Aufgabe zufallen kann, Tatsachen zu finden und „auf Bestellung" dem öffentlichen Raum bereitzustellen, sondern daß zugleich die Sinn-und Wertperspektiven seiner Ergebnisse und die Zielrichtung ihrer Verwirklichung verantwortlich auch schon dem universitären Raum zugehören. Ob dieser dazu fähig ist? Aber sind denn andere, etwa die Politiker, Gesellschaftsund Wirtschaftsfunktionäre, Generäle und Journalisten, eher dazu befähigt — nur weil sie gerade die Macht haben? Sitzen wir heute nicht alle in demselben Boot, das über der Bodenlosigkeit unserer Existenzsituation noch keine neuen Ufer eines neuen tragenden Lebensbewußtseins in Sicht hat? Aber haben solche Gedanken im politischen Raum überhaupt einen zentralen Stellenwert? Und wer hat schon ohne einen Partei-oder Kommunikationsapparat überhaupt noch die Möglichkeit zu einer regulierenden Intervention. Wer heute nicht organisiert ist, das heißt also auch „Linientreue" beweist, hat keinen Geist mehr zu haben. Ist das nicht autoritäre Manipulation?

Offenbar sucht man einen Hauch von Universitas der Universität dadurch noch zu retten, daß man heute von organisch zusammengehörenden Fachbereichen — anstelle von Fakultäten — spricht. Doch Universitas ist nicht nur mit organisatorischen, administrativen und gesetzlichen Methoden zu gewinnen. Sie hat weit tiefere Begründungen: Wenn in der Gegenwart der Verlust der inneren Einheit des Menschen als einer strukturellen Einheit im Hinblick auf die Sinn-und Lebenszusammenhänge als das bezeichnendste Phänomen angesprochen wird, wenn schließlich der Hochschullehrer oft genug nur noch von einem „geistigen Existenzminimum" hinsicht-43 lieh seiner „universellen Fundierung" lebt, d. h. auch im Hinblick auf interdisziplinäre Wert-und Sinnbezüge seines Fachgebietes, so bliebe zu sagen: Wahre geistige Existenz ist doch nur dann gegeben, wenn der innere Abstand genügend groß ist, um die Horizontfragen, die übergreifenden Fragen als Sinnfragen zu erreichen. Ohne das Bewußtsein um den sinngebundenen Ort einer Einzeldisziplin im Ganzen der Universitas gibt es wohl hohe Gelehrsamkeit, aber keine eigentlich geistigen Bezüge. Für den Lehrbetrieb bedeutet dies: das bewußte Aufspüren jener „Ansatz-steilen" in jedem wissenschaftlichen Fachgebiet, aus denen heraus für den Studierenden erst die Entscheidungen und Stellungnahmen zu den letzten übergreifenden als den über-fachlichen Fragen möglich werden können Hierzu der Chirurg Ferdinand Sauer-bruch „Heute haben die Wissenschaften und insbesondere die Medizin ihre Grenzen wieder entdeckt, und beide suchen nach Fäden, die sie mit einer übergeordneten Weltanschauung verbinden ... Hier liegt eine Aufgabe, deren Lösung höher zu werten ist als alle Fachleistungen." — Ob ein solcher Optimismus heute wirklich begründet ist?

Die in hohem Maße bildungspolitische Frage ist nicht, ob der Mensch sklavisch dem Fortschritt der Wissenschaft zu dienen hat, sondern ob die Wissenschaft der echten Entfaltung des Menschen zu dienen vermag. Diese Vorentscheidung scheint notwendig, sollen nicht die Rollen des Menschlichen vertauscht werden. Wenn das Bewußtsein um ein in jener Richtung fixierbares Bild der Wissenschaft verlorengeht, ist auch die abendländische Universität verloren — trotz aller neuen Universitäten. Schon im Jahre 1923 hat Werner Jaeger die Frage erhoben: „Wozu erhalten wir den menschlichen Leib, wozu erbauen wir Maschinen und häufen Mittel über Mittel, wenn wir an den Zweck selbst nicht mehr glauben, an die Entfaltung des höheren Lebens im Menschen?"

Die Diskussionen um die Universitäten neuen Typs bleiben also im Vorfeld stecken, wenn man meint, mit Änderungen der Organisation, des Studienbetriebes, der Neugliederung diese Aufgabe schon bewältigt zu haben. Der Ruf nach neuen Universitäten zeitigte dann auch in den als fortschrittlich fixierten Programmen gar keine wesentlich neuen Perspektiven. Jene Rezepte reichen doch allein nicht aus, um Wissenschaft und Universität einen neuen tragenden Sinn zu geben. Man muß eben zuerst wissen, was eine Universität strukturell ist und sein soll, dann erst kann man sie auch gesetzlich formulieren. Gewiß aber ist sie wesenhaft und strukturell mehr als eine Höhere Fachschule oder ein gesellschaftsrevolutionäres Kaderfeld, mehr auch als ein herrschaftsabbauender „Demokratisierungsprozeß", wobei in einem rechtsfreien Raum jene das Herrenwort führen wollen, die selbst noch um das wissenschaftliche Buchstabieren bemüht sind.

Wilhelm von Humboldts Konzeption von Wissenschaft und Bildung ist anachronistisch — obwohl man oft heute nur den halben Humboldt kennt! Allein die auch heute ebenso gültige zentrale Frage nach den möglichen Funktionen und Zusammenhängen von Wissenschaft und Bildung bzw. von Bildung durch Wissenschaft ist in der bundesdeutschen Hochschulpolitik, in den neuen weithin staatsautonomen, weder forschungsnoch bildungsfördernden Hochschulgesetzen nicht einmal mehr angesprochen worden. Die Perspektive einer Hochschul-Bildung bleibt also jetzt leer und wird in die Requisiten-kammer überholter Wissenschaftsbegriffe verwiesen. Die Frage nach den Bezügen von Wissenschaft und menschlicher Existenz wird nicht gestellt, über das Gesellschaftliche kommt man nicht hinaus. Denn mit dem Menschen als Menschen kann man nichts mehr anfangen in einer polit-ökonomischen Ausbildungswelt. Gewisse stereotypische Vokabeln wie Wissenschaft, Bildung, Mündigkeit usf. in Präambeln solcher Gesetze wirken als Alibi für ein Vakuum in Fragen, mit denen im Grunde jede Besinnung über eine Hochschulgesetzgebung erst beginnen sollte. Bildung wurde hier zu einem Fremdwort, das — wenn es überhaupt als Feigenblatt vorkommt — nicht mehr übersetzbar erscheint, weil offenbar jeder Zugang zu der inneren Problematik als zu den existentiellen Sinnbezügen der Universität, Hochschule, Wissenschaft und Studium verlorengegangen ist. Wer Wissenschaft als Prozeß des Fortschritts der Gesellschaft, der Emanzipation, der Selbst-und Mitbestimmung besitzt, der — so würden heute die „Zahmen Xenien" Goethes abzuwandeln sein — hat auch die neue Religion.

Sollte es wirklich zwischen der „Einsamkeit und Freiheit" einer den Geschäften des Tages enthobenen Hohen Schule und dem pragmatischen Verwertungsprinzip im Sinne von Universitäten als Produktionsfabriken für tages-gerechte Information und rentable Dokumentationsspeicher keine Wissenschafts-und bildungstheoretische und damit keine entsprechende bildungspolitische Ortsbestimmung mehr geben? Wäre dies nicht das ebenso fatale wie ehrliche Eingeständnis eines existentiellen Leerlaufs?

IX. Woran glauben wir eigentlich wirklich noch?

Was sich heute abzeichnet, ist ein Kampf der Interessen, der Mächte, der Klassen. Bildungsinstitutionen als Bedarfsdeckungsfabriken für Wirtschaft, Technik, Verwaltung usf.? Oder als Kampffeld für die befreiende Emanzipation zu einer herrschaftsfreien Gesellschaft? Oder als Befestigung für kulturelle, weltanschauliche und parteipolitische Positionen? Oder Schule und Hochschule im Verständnis einer neuen globalen Humanität technologischer Prägung, das heißt ohne Bezug zur Sinnfrage der Existenz? Oder Schule und Hochschule mit Bildungszielen, die „das Klasseninteresse der lohnabhängig Arbeitenden" (GEW) zu berücksichtigen haben?

Immer zielten Bildung und Ausbildung auch auf Neuorientierung, Veränderung. Dies war immer zugleich geistes-und kulturgeschichtlich wie gesellschaftspolitisch bedingt. Das Neue an der heutigen Situation scheint der Ernst und die Radikalität zu sein, mit der Bestehendes im Bildungskanon und Lebensregister kritisch und auch notvoll in Frage gestellt wird. Zum anderen . aber ist eine besondere Merkmaligkeit jene Brutalität, mit der ein gesellschaftlich-ideologischer Umsturz in Szene gesetzt wird, zugleich mit der Parole einer bildungspolitischen Demokratisierung der Massen. Beides zielt auf Befreiung. Das eine von der Last unzeitgemäßer Traditionen, das andere von der Unterdrückung der vielen durch Kapital und Macht der wenigen. Beides kann Legitimität beanspruchen, sofern nicht eine Versklavung der Person und des Gewissens betrieben wird. Das Experiment der Moderne ist die Demokratisierung der Kultur. Dies wäre eine Neuigkeit in der Geschichte. Das Experiment wird der Fragezeichen nicht entbehren.

Wir leben heute weithin in einer existentiellen Bodenlosigkeit. Ein Vakuum in fundamentalen Lebens-und Sinnfragen markiert weithin die Intelligenz — auch an deutschen Hochschulen —, eine weltanschauliche Situation, die einem neuen Mythos des 20. Jahrhunderts offene Türen bietet. Die aggressive Dynamisierung, der Ruf nach permanenter Bewußtseinsveränderung, nach ständigem Autoritätsabbau, der Schrei nach dem Neuen um jeden Preis scheinen uns Merkmale einer Flucht nach vorn zu signalisieren. Der Leerlauf der Fortschrittsideologie lähmt. Maßnahmen gibt es heute genug. Die Welt, auch die wissenschaftliche Welt, erstickt geradezu in Organisation, Management, statistischen Dokumentationen — auch in den Bildungsplanungen. Allein auf den Maßstab für diese Maßnahmen käme es mehr denn je heute an, in einer progressiv sich Überschlagenden Welt, die zwar in einem Leerlauf des Automaten „Kultur", den man sich gebaut hat, über ungeheure Mittel verfügt, die aber nichtsdestoweniger um den Sinn dieser Mittel nicht mehr weiß. Mit der Verwandlung der Welt in ein unendliches Netz von Kausalitäten und Prozessen wird die eine Frage gar nicht mehr gestellt: zu welchem sinngebenden Endzweck dies alles sein soll. Was das heißt? Es heißt: daß in Kausalitäten, nicht in gewissentlichen Verantwortungen gedacht wird. Menschen werden im Zeichen des Fortschritts heute zu psychischen und soziologischen Automaten degradiert — und sie fühlen sich dabei ganz wohl. Wird ihnen doch eben jene persönliche Verantwortung abgenommen durch das Kollektiv, das verschiedene Gestalten annehmen kann. Dem theoretischen, aber weltanschaulich fundierten Atheismus des Ostens entspricht ein zumindest praktischer und geheimer Atheismus oder Nihilismus des Westens

Eine Nation, eine Kultur, wir alle leben von jener geistigen Welt, welche eine geistige Elite gestern und heute geschaffen hat — in den Denkleistungen, in der Kunst, in der Religion, in der Technik jedweden Bereichs. Geist aber hat sein Maß am Ethos. Vom Ethos aber lebt und mit dem Ethos stirbt auch die Kultur. Und dies genau betrifft die heutige kritische Lebensfrage unserer Bildung als das Fundamentale unserer humanen Existenz/Doch menschliche Existenz ist innen leer geworden; die Moralen bieten keinen Halt mehr. Das Unbehagen an dieser Zeit greift nach der Emanzipation, der Befreiung von äußeren und inneren Unfreiheiten, wie nach einem Erlösungsmythos. Offenbar aber kommt eine traditionsbezogene Bildungsbemühung über überlieferte Bildungsreste in bezug auf Bildungsinhalte und Bildungsziele nicht mehr hinaus. Diese Welt lebt von Relikten aus Humanismen verschiedener Prägung, aus der Beschwörung einer Integration ihrer Lebenstafeln in die technische Welt. Religiöse und überkommene weltanschauliche Maßstäbe und Fundamente für. Bildungsziele und Inhalte stehen weithin wie museale Kulturmonumente und konventionelle Lebensformen im Raum, wie privat neben den heute bedrängenden Problemen und dem erdrückenden Lebensgetriebe. Dies sagt nichts aus über Gültigkeit und Ungültigkeit solcher Maßstäbe, wohl aber über ihre mangelnde Wirkmächtigkeit — nicht zuletzt infolge unglaubwürdiger Praktiken. über einem solchen Hintergründe gewinnen die Bildungskämpfe einen dramatischen Charakter. Auf allen Fahnen aber sollte die gewissentliche Frage stehen: Woran glauben wir eigentlich wirklich noch, wenn wir Bildungspläne machen? Und was ist das eigentlich heute — die Bildung, welche die Politik wirklich meint, wenn sie Bildungspolitik macht?

Fussnoten

Fußnoten

  1. Diesen Ausführungen liegen teilweise Gedanken eines Vortrages zugrunde, der vom Verf. am 14. 10. 1973 über den Südwestfunk (Die Aula), den Süddeutschen Rundfunk (Lebendige Wissenschaft) und den Schweizer. Rundfunk gehalten wurde. Vgl. auch Verf., Leben wir in einer Bildungskrise?, in: DUZ 24/1970.

  2. R. Gruenter, Die Zukunft unserer Bildungsanstalten, in: Sind wir noch das Volk der Dichter und Denker?, hrsg. v. G. Kalow (1964), S. 121.

  3. Vgl. H. Freyer, Die Wissenschaften des 20. Jahrhunderts und die Idee des Humanismus, in: Merkur XV (1961). S. 113. Zum Weiterwirken von Humboldts Kategorien der Persönlichkeit, Ganzheit, Harmonie, Universalität, Totalität in der sozialistischen Bildungstheorie vgl. u. a. Fr. Hofmann, Allgemeinbildung. Eine problemgeschichtliche Studie (1966), S. 127 ff.

  4. H. Schelsky, Bildung in der wissenschaftlichen Zivilisation, in: Die Philosophie und die Frage nach dem Fortschritt, hrsg. v. H. Kuhn und Fr. Wiedmann (1964), S. 124.

  5. H. Maier, „Bildungsreform" in der Sackgasse — was nun?, in: HPI 23/24 (1972), S. 14.

  6. Vgl. Verf., Prinzipien der Bildung in der gegenwärtigen Situation, in: Markierungen, hrsg. v. P. Hastenteufel (1964), S. 14 ff.; ders. schon entsprechend in: Wissenschaft und Bildung (1957).

  7. H. Maier, a. a O.

  8. Curriculum soll sich von den Lehrplänen dadurch unterscheiden, daß es von klar definierten und überprüfbaren Lernzielen ausgeht. Vgl. Deutscher Bildungsrat (Hrsg.), Empfehlungen der Bildungskommission. Strukturplan für das Bildungswesen (1970), S. 30. Vgl. u. a. bes. S. B. Robinsohn, Bildungsreform als Reform des Curriculums (1967); H. A. Hesse/W. Manz, Einführung in die Curriculumforschung (1972).

  9. H. Maier, Zwischenrufe zur Bildungspolitik (1972), S. 29.

  10. Vgl. u. a. E. R. Lehmann-Leander, Die Bildungsfächer Griechisch und Latein, in: Erziehung zum Menschen. Erziehung und Unterricht an der Höheren Schule, hrsg. v. W. Danielsen (1954); H. Hahne, Zukunft ohne Latein und Griechisch?, in: FAZ v. 27. 3. 1965: „Auf dem Wege zu einer Weltintegration geraten wir jedoch aus der Mitte unserer selbst. Nichts ist mehr selbstverständlich. Niemandem wird an der Bewahrung des abendländischen Humanismus gelegen sein, wenn wir uns selbst mit ihm aufgeben . . . Obwohl die Antike zum Wesentlichen unserer Herkunft gehört, wird man sich damit abfinden, daß die Zukunft des Ganzen ohne spezifische Einwirkung des abendländischen Humanismus gedacht werden muß."

  11. Vgl. u. a. Hat die Religion Zukunft?, hrsg. v. O. Schatz (1971), S. 197.

  12. Vgl. Verf., Leben wir in einer Moralkrise?, in: Wissenschaft und Weltbild, 4/1972.

  13. Mit dem viel diskutierten „exemplarischen Lernen" ist nichts gewonnen, solange das jeweilige Kriterium für das Exemplum nicht ausgewiesen ist. Hierzu, insbesondere zu der Frage des Verhältnisses des Einzelnen zum Ganzen vgl. Verf., Wissenschaft und Bildung, S. 122 ff. über das Einzelne, das Spezielle, das Fach führt kein Weg zum Sinnbezug des Ganzen, wenn um diesen nicht schon vordem gewußt wird. Denn das „Fach an sich" erschließt keine übergreifenden Wert-und Sinngesichtspunkte — außer in ideologischer Verabsolutierung.

  14. Ein solcher Minimalkonsens ist gewiß nicht im Sinne von J. Habermas über die (an Kant gewonnene?) These einer „kommunikativen Ethik" als „Theorie der kommunikativen Kompetenz" zu erreichen. Dies gilt besonders für die Absicht, „die Allgemeinheit der zulässigen Normen und die Autonomie der handelnden Subjekte" zu sichern. So J. Habermas, in: J. Habermas/N. Luhmann, Theorie der Gesellschaft oder Sozialtechnologie — Was leistet die Systemforschung? (1971), S. 101 ff.; ders. Legitimationsprobleme im Spätkapitalismus (1973).

  15. Vgl. das vom Verf. herausgegebene und mit-verfaßte internationale Symposium zum Selbstverständnis des heutigen Menschen, „Menschliche Existenz und moderne Welt", woran 73 Gelehrte aus 21 Nationen mitgewirkt haben. Teil I: XVI, 810 S., Teil II: X, 885 S„ Berlin/New York 1967. Hierin Verf., Probleme der menschlichen und geschichtlichen Existenz in der modernen Welt, Teil II, S. 638— 848.

  16. H. Maier, Zwischenrufe zur Bildungspolitik, S. 26.

  17. Die Zwei Kulturen (und ein Nachtrag) (1967). Snow hat seine Thesen dann revidiert, indem er die Kluft zwischen den Zwei Kulturen in einen Unterschied zwischen zwei Weisen des Verstehens umwandelt: Verstehen als Prinzip der Übereinstimmung (das Voraufgehende wird in das Neue inkorporiert als Fortschritt) und Verstehen als eine in jeder Zeit vom Einzelnen je besonders zu leistende Interpretation von Kulturgütern. Vgl. C. P. Snow, The Case of Leavis and the Serious Case, in: Times Literary Supplement vom 9. 7. 1970.

  18. Fr. Dessauer, Streit um die Technik (1956), S. 295.

  19. A. Plank, Der naturwissenschaftliche Humanismus als philosophische Grundhaltung des Ingenieurs, in: VDI-Zeitschrift 93, S. 7.

  20. H. Freyer, Geist und Industriekultur, zit. n. J. Bodamer, Wege zu einem neuen Ich (1964), S. 15.

  21. Vgl. G. Rohrmoser, Humanität in der Industriegesellschaft (1970), S. 71 ff.

  22. H. Freyer, Das sozial Ganze und die Freiheit des einzelnen unter den Bedingungen des industriellen Zeitalters (1957), S. 29 f.; ders., Die Idee der Freiheit im technischee Zeitalter, in: Freiheit der Persönlichkeit (1958), S. 53 ff.

  23. Th. Litt, Naturwissenschaft und Menschenbildung (1954); ders., Technische Intelligenz und menschliche Bildung (1957).

  24. H. Blankertz, Die Menschlichkeit der Technik, in: Westerm. Päd. Beiträge, 10/1964, S. 460.

  25. Verf., Bildungskrise und menschliche Existenz, in: Menschliche Existenz und moderne Welt, Teil I, S. 361 ff.

  26. H. Krings, Neues Lernen (1972), S. 56.

  27. Vgl. Verf., Humanismus und Humanität in der modernen Welt (1965); ders., Probleme der menschlichen und geschichtlichen Existenz in der modernen Welt, a. a. O., S. 779 ff.

  28. O. Fr. Bollnow, Die Forderung der Menschlichkeit (1961); E. Spranger, Erziehung zur Menschlichkeit, in: Die berufliche Ausbildung (19534), S. 145 ff.; Fr. Medicus, Menschlichkeit (1951), S. 300 ff.; A. Schweitzer, Die Kraft der Humanitätsgesinnung, in: Mensch und Menschlichkeit (Kröner 1956).

  29. K. Jaspers, Die geistige Situation der Zeit (19475), S. 105.

  30. Vgl. Verf., Wissenschaft und Bildung, a. a. O.

  31. Th. Dams, Lerninhalte und Entscheidungsstrukturen als „neuralgische" Probleme einer Reform der beruflichen Erstausbildung, in: Die berufsbil-dende Schule 23 (1971), S. 475.

  32. H. Krings, Neues Lernen, S. 44.

  33. W. Braun, Berufsbildung als politische Verantwortung, in: Bildungspolitik, hrsg. v. B. Martin u. B. Vogel (1973), S. 67.

  34. J B. Heydorn, Probleme der Humanistischen Bildung, hrsg. v. K. Ringshausen (1965), S. 19 ff.

  35. Anpassung oder Widerstand? (1961), S. 178.

  36. Zur Kritik dieser Begabungstheorie vgl. u. a. W. Arnold, Kritische Bemerkungen zum Struktur-plan für das Bildungswesen (1971), S. 13 f.; ferner das Votum von mehr als 50 anerkannten Wissenschaftlern, u. a. von den Nobelpreisträgern Francis Crick, John Kendrew, Jacques Monod, John Northrop, in: American Psychologist (7/1972), die sich gegen die Unterdrückung und Diffamierung der Vererbung als wesentlichen Elements menschlichen Verhaltens wenden. In jene Linie gehören ebenso und Hans Eysenck. Vgl. auch Arthur Jensen jetzt: I. Eibl-Eibesfeld, Der vorprogrammierte Mensch. Die Erblehre als bestimmender Faktor im menschlichen Verhalten (1973). über die Grenzen der Erziehbarkeit: M. Liedtke, Evolution und Erziehung (1972), S. 190 ff. Hierher gehört auch die fragliche These vom Lernen als bestimmender Akt der Änderung der internationalen Bedingungen des Verhaltens, also der Persönlichkeitsmerkmale, bzw. als Konstruktänderung. Dazu u. a.: K. J. Klauer, Revision des Erziehungsbegriffs (1973), S. 31 ff.

  37. Deutscher Bildungsrat, Strukturplan für das Bildungswesen (1970). Zur Kritik u. a. F. Pöggeler, Bildungspolitische Konsequenzen des „Strukturplans", in: Tidjschrift voor Opvoedkunde, Jg. 16, Nr. 3, S. 152 ff.; J. Homeyer, Zum Strukturplan des Deutschen Bildungsrates, in: ibw Journal, Jg. 8, Nr. 11; H. Bauer, Das Ende des deutschen Gymnasiums (1973), S. 43 ff.

  38. Der Hess. Kultusminister, Rahmenrichtlinien (Sekundarstufe I: Gesellschaftslehre und Deutsch) (o. J.); vgl. dazu u. a. Fr. Minssen, Legitimationsprobleme in der Gesellschaftslehre — Zum Streit um die Hessischen Rahmenrichtlinien, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, Beilage zur Wochenzeitung „Das Parlament" Nr. 41/73 v. 13. 10. 73 und die ausgedehnte Diskussion.

  39. Richtlinien für den Politischen Unterricht. Hierzu Fr. Minssen, a. a. O., S. 20 f.

  40. Zu dieser Konflikts-Theorie die Diskussion von Th. Nipperdey (FAZ v. 24. /25. 10. 1973) und R. Dahrendorf (FAZ v. 1. 12. 1973).

  41. Fr. Minssen, a. a. O., S. 17.

  42. Bericht über den Bildungskongreß der Jungsozialisten (FAZ v. 24. 10. 1973).

  43. Was ist Liberalismus? in: Universitas VIII (1953), S. 453; ders., Gedanken zur staatsbürgerlichen Erziehung (o. J.), S. 47.

  44. W. Kohlschmidt, Wider das Schulmonopol des Staates, in: Die Sammlung, Jg. VII (1955), S. 397.

  45. E. Fink, Bildungstheorie der Technischen Bildung (Ms.des Südwestfunks v. 18. 10. und 25. 10. 1959), S. 26.

  46. K. Jaspers, Das Kollektiv und der einzelne, in: Mensch und Menschlichkeit (1956), S. 74.

  47. Vgl. Verf., Idee und Verantwortung der Universität, in: Universität und moderne Welt. Ein internationales Symposium, hrsg. und mitverfaßt von R. Schwarz (1962), S. 139— 205; ders., Situation und Krise der heutigen Universität, in: DUZ 1/1965;

  48. Vgl. K. Ulmer (Hrsg.), Die Wissenschaften und die Wahrheit (1966).

  49. Vgl. Verf., Wissenschaft und Bildung, S. 208 ff.

  50. Vgl. Verf., Wissenschaft und menschliche Existenz, in: Menschliche Existenz und moderne Welt, Teil I, S. 87— 130.

  51. Universität und Volkshochschule, in: M. Scheler, Die Wissensformen und die Gesellschaft, Ges. Werke, Bd. 8, Bern 19602, S. 392.

  52. J. Fischer, Versuch über die Wirkungen massen-staatlicher und sozialstaatlicher Tendenzen auf das Hochschulwesen, in: DUZ 6/1960, S. 8.

  53. H. Thielicke, Das Schlagwort von der Hochschulreform (Ms.des NWDR, 1958).

  54. Vgl. Verf., Universitas und Universität — sind sie heute überholt?, in: DUZ 12/1969; ders., Prinzipien einer interdisziplinären Forschung, in: DUZ 24/1971; ders., Theorie einer interdisziplinären Wissenschaft, in dem vom Verf. unter Mitwirkung von 40 Fachgelehrten hrsg. „Internationales Jahrbuch für interdisziplinäre Forschung", Bd. I/II, (W.de Gruyter) Berlin/New York 1974.

  55. Das war mein Leben (1956), S. 447 f.

  56. Stellung und Aufgabe der Universität in der Gegenwart, in: Humanistische Reden und Vorträge (19602), S. 86.

  57. Zur Kritik der These von H. Schelsky (Bildung in der wissenschaftlichen Zivilisation, a. a. O., S. 122 ff.) vgl. Verf., Wissenschaft und menschliche Existenz, a a. O., S. 105 ff.

  58. Zum Ganzen unserer Situation vgl. Verf., Die Zukunft des Menschen als Problem und Aufgabe heute, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament, Nr. 51— 52 vom 21. 12. 1968, S. 3— 62.

Weitere Inhalte

Richard Schwarz, Dr. phil., geb. 29. Mai 1910 in Hagenau/Elsaß, deutsche und österreichische Staatsangehörigkeit, Studium (Philosophie, Psychologie, Pädagogik, Germanistik, Geschichte, Religionswissenschaft) in Würzburg, Breslau, Köln, Bonn, Greifswald, Frankfurt/M., Staatsprüfungen für Volks-, Mittel-und Höhere Schulen, Studienrat (1942), Lehrtätigkeit (1943— 1951). Privatdozent für Philosophie an der Universität Würzburg (1949), o. Professor für Psychologie und Pädagogik an der Staatl. Phil. -Theol. Hochschule Bamberg (1951), o. Professor für Pädagogik und Kulturphilosophie und Vorstand des Instituts für Pädagogik an der Universität Wien (1958), o. Professor für Pädagogik und Interdisziplinäre Grenzfragen der Wissenschaften, Vorstand des Instituts für Pädagogik I und Leiter der Interdisziplinären Forschungsstelle für anthropologische und soziokulturelle Probleme der Wissenschaften an der Universität München (1963). Zeitw. Vorsitzender des Schulausschusses der Österreichischen Rektorenkonferenz und der Bayerischen Schulkommission, Mitglied der österreichischen UNESCO-Kommission; Dr. -Ludwig-Gebhard-Wissenschaftspreis (Bayreuth 1957). Zu den Veröffentlichungen des Verf. siehe die Literaturangaben in den Fußnoten des Aufsatzes.