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Der Schriftsteller und die Politik | APuZ 51-52/1973 | bpb.de

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APuZ 51-52/1973 Der Schriftsteller und die Politik Bildungspolitik ohne Bildung? Artikel 1

Der Schriftsteller und die Politik

Benno von Wiese

/ 49 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Der Aufsatz behandelt in seinem ersten Teil das Verhältnis des Schriftstellers zur Politik im Antagonismus von Bewußtsein und Realität. Linksintellektuelle Autoren und ihre Theorien (Wellershoff, Baumgart) bzw. ausgesprochen marxistische (Enzensberger, Weiss) werden beispielhaft herangezogen, um zu erörtern, wie sich heute der Schriftsteller zur „Gesellschaft" und zur „Veränderung der Gesellschaft" auf jeweils typische Weise verhalten kann. Der zweite Teil beschäftigt sich mit den Tendenzen zur Kollektivierung, wie sie im „Autorenreport" und im Schriftstellerverband gefordert werden. Die Frage, ob es keine von der Politik freie Bereiche der Kultur geben kann, wird kritisch erörtert und im Gegensatz zu anderen Auffassungen bejaht. Ein Rückblick auf das Wirkender Gruppe 47 und die früh Verstorbenen (Eich, Celan, Bachmann) grenzt die vorausgegangene Literaturperiode mit ihrer stärkeren Betonung des Ästhetischen und Artistischen gegen den Trend zur Politisierung in den 60er Jahren und heute ab. Der dritte Teil wendet sich dem Gebiet der politischen Lyrik, dem „öffentlichen" Gedicht (Hilde Domin) zu und versucht zu zeigen, daß auch hier auf dichterische Formengebung nicht verzichtet werden kann. Die Grenzen und Gefahren einer rein gesellschaftspolitischen Einstellung werden angedeutet, der schillernde Begriff der „Politisierung" innerhalb der Literatur wird näher differenziert. Der vierte Teil gipfelt in einer kritischen Analyse von drei Preisreden: vom Nobelpreisträger Heinrich Böll, vom Büchner-Preis-träger Peter Handke und vom Nobelpreisträger Alexander Solschenizyn, um an diesen Beispielen nachzuweisen, wie ambivalent und zwiespältig das Verhältnis des Schriftstellers zur Politik auch in unserer Zeit noch ist.

I.

Richard Schwarz: Bildungspolitik ohne Bildung? .......... S. 21

Es gibt nur wenige Worte, die durch allzu häufigen Gebrauch so farblos geworden sind wie heute das Wort „Gesellschaft". Und dennoch spukt es in seiner Unbestimmtheit in zahlreichen Publikationen der verschiedensten Art, sehr häufig in Verbindung mit der vagen Behauptung, daß diese Gesellschaft „verändert" werden müsse. Die Gesellschaft, das sind wir alle, hieß es neulich in einer kulturellen Fernsehsendung. Aber was heißt hier „alle“? Kaum können damit alle Erdenbürger auf diesem Globus gemeint sein; denn sie sind ja gerade nicht in einem einheitlichen gesellschaftlichen System zusammengeschlossen. Die Redeweise von den beiden verschiedenen gesellschaftlichen Systemen der BRD und der DDR ist heute schon Allgemeingut geworden. Das Wort Gesellschaft hat in der Bundesrepublik offensichtlich andere kollektive Vorstellungen verdrängt, die uns früher geläufiger waren, nämlich solche wie Staat und Nation, ganz zu schweigen von den Worten Deutschland oder gar Vaterland. Selbst als poetische Metaphern haben die Vorstellungen vom Vater-oder Heimatland ihre Überzeugungskraft verloren. An ihre Stelle ist das vieldeutige Wort Gesellschaft getreten. Es kann als ökonomische „Basis" verstanden werden, von der aus Veränderungen in Gang gesetzt werden sollen. Aber was für Veränderungen sind das? Müssen nicht zunächst Veränderungen des Bewußtseins vorausgehen, ehe die Wirklichkeit eines bestimmten gesellschaftlichen Systems real umgestaltet werden kann? Oder kann nur die re-volutionäre Veränderung eines solchen Systems neue Prozesse des Bewußtseins einleiten?

Dieser Antagonismus von Bewußtsein und Realität liegt den meisten Überlegungen über die Rolle des Schriftstellers und über sein Verhältnis zur Politik zugrunde. Im ersten Falle, in dem das Bewußtsein die Führung übernimmt, versteht sich der Autor als ein wichtiges Instrument dieser Gesellschaft, der eine bestimmte politische Verantwortung für diese auf sich nehmen muß, da er als Meister des Wortes solche Prozesse der Veränderung gleichsam vorwegnimmt, sie also in einem durch Sprache vorausgegebenen Spielfeld, wenn auch in utopischer Weise, ausprobiert und damit die Voraussetzungen für eine neue gesellschaftliche Realität immerhin vorbereitet.

Der Begriff Gesellschaft wird dann von den Intellektuellen nicht mehr wertneutral gebraucht, sondern verbindet sich mit bestimmten, depravierend gemeinten Zusätzen: z. B. als „spätkapitalistische", als „bürgerliche", als „hierarchisch autoritäre", als „konservativ" erstarrte, als „bürokratische", als „technokratische" und als „Industriegesellschaft" usw. In allen diesen Fällen wird vorausgesetzt, daß die bestehende Gesellschaft den Einzelmenschen in einen Zustand der „Entfremdung" hineingezwungen hat, den kritisch darzustellen und damit womöglich sogar rückgängig zu machen die Aufgabe des Schriftstellers wäre. Das positive Gegenmodell ist dann meist eine nicht mehr formal verstandene demokratische oder darüber hinaus sozialistische Gesellschaft, die jedoch fast immer nur als Entwurf für eine bessere Zukunft konzipiert werden kann. „Gesellschaft" soll sowohl als Sündenbock für vorhandene oder eingebildete Übel dienen wie auch als Utopie für deren Heilung und Überwindung.

Dieser Standpunkt wird heute von einer großen Mehrheit deutscher oder auch ausländischer Autoren eingenommen, die jedoch keineswegs immer Marxisten sind. In ihrer Bereitschaft zur Veränderung der Gesellschaft vertreten sie aber eine linksintellektuelle Position, da der Schriftsteller das Recht zur Kritik habe und den konservativen Autoren nachgesagt wird, sie seien ohne literarische Bedeutung Die „Linksintellektuellen" gehen von der Prämisse aus, daß die Gesellschaft nicht in Ordnung sei — aber wann war sie je „in Ordnung"? — und daß der Schriftsteller mit dazu beizutragen habe, für eine bessere Welt, bzw. für ein besseres gesellschaftliches System als das bestehende einzutreten. Das also wäre die politische Aufgabe des Schriftstellers. Oft freilich wird sie in einem sehr unbestimmten und allgemeinen Sinne formuliert: als Durchsetzung einer sozialen Humanität, als Widerstand gegen das Bündnis von Macht und Gewalt oder als schlichtes Eintreten für die geschundene oder erniedrigte Menschheit. Solche Ziele geben sich allerdings konkreter, sobald sie sich mit einer betont marxistischen Denkweise verbinden, die an das Schema der Klassenkämpfe anknüpft und den „unterprivilegierten Schichten" zu ihrem Recht verhelfen will.

Zunächst wollen wir einige Beispiele von Autoren anführen, die in ihrer Theorie in erster Linie der Veränderung des Bewußtseins den Vorrang geben. Dieter Wellershoff entwickelt in seiner Schrift „Literatur und Veränderung. Versuche zu einer Metakritik der Literatur" daß auch der Schriftsteller, der sich in seiner Studierstube einschließt, seine intime persönliche Arbeit für „gesellschaftlich relevant" halten darf, da er dort keineswegs eine bloß „museale Existenz" zu führen braucht. Denn er behält „ein Spielfeld für ein fiktives Handeln", er vertritt gegenüber der „etablierten Lebenspraxis" „die unausgeschrittenen und verdrängten Möglichkeiten des Menschen und die Unausschöpfbarkeit der Realität und bedient damit offenbar Bedürfnisse nach mehr Leben, nach weiteren und veränderten Erfahrungen, die gewöhnlich von der Praxis frustriert werden." „Die Simulationstechnik der Literatur erlaubt es ihm, fremde Verhaltens-und Denkweisen in seinen Erfahrungsspielraum mit einzubeziehen, also weniger borniert zu sein, und in bezug auf den gesellschaftlichen Zusammenhang weniger normenkonform." Von dieser Position aus rechtfertigt Wellershoff die progressive und experimentelle Einstellung des Autors, das Vorstoßen in einen Fiktionsraum, innerhalb dessen „die Subjektivität total gesetzt" wird.

Durch „imaginäre Kombinatorik" wird „die unmittelbare Erfahrung fiktiv vervielfacht und erweitert". „Der Traum" — so faßt Wellershoff zusammen — „macht der Praxis Vorschläge, hält für und gegen sie den Spielraum möglicher Veränderungen offen".

Dieser Standpunkt behauptet zwar nicht mehr die Autonomie der Kunst, will aber doch die Selbständigkeit des Schriftstellers innerhalb der Gesellschaft bewahren, freilich zugleich mit dem Blick auf seine gesellschaftliche Rolle; der Schriftsteller soll mit Hilfe solcher extremen Subjektivität das Spielfeld für Handeln erweitern und auf diese Weise „Veränderung" anbahnen. Allerdings bleibt es dabei völlig offen, wie nun diese Veränderung eigentlich auszusehen habe. Das Verführerische, das für das heutige Publikum von dem Wort „Veränderung" ausgeht, scheint bereits als politisches Alibi zu genügen. Der Schriftsteller braucht sich nicht für eine bestimmte politische Konzeption zu entscheiden, sein Spiel mit Fiktionen wird aber in unserer gesellschaftlichen Situation vorwiegend Einblik-ke in abweichendes und gestörtes Verhalten, in eine „negative Anthropologie" produzieren. Ein anderes Beispiel gibt uns Reinhard Baumgart mit seinen „Sechs Thesen über Literatur und Politik" Seine Skepsis in „eine neue, allen zugängliche Literatur" ist weit größer, da erst eine neue, „konkret statt formal demokratische Gesellschaft" geschaffen werden müßte. Literatur, die realistisch bleiben will, ist auf „Veränderungen der Gesellschaft" angewiesen. Solange jedoch deren Unterdrük-kungsmechanismus kompliziert und indirekt wirkt wie nach Baumgarts Meinung in den westlichen Ländern, kann auch die Literatur nur indirekt und kompliziert sein. Damit aber bleibt sie „im Getto, politische Literatur ohne politische Wirkung". Den Weg, der sich hier bereits anbietet, nämlich die Absage an alle Literatur um der politischen — sprich revolutionären — Praxis willen, möchte Baumgart jedoch nicht einschlagen. Was dabei heraus-käme, formuliert er pointiert so: „Wenn eine Ohrfeige von Beate Klarsfeld mehr Information vermittelt als ein Band Gedichte von Yaak Karsunke, ist eine Ohrfeige bessere Politik." Auch „Demonstrationen" als politisch symbolische Handlungen bleiben für Baumgart nur „literarisch", das heißt ohne politischen Effekt. Sie ändern vielleicht das Bewußtsein, indem sie es kritischer machen, ändern aber nicht die realen Verhältnisse. Aus dem geschilderten Dilemma sucht Baumgart den Ausweg durch den Sprung in die Utopie und damit in einen neuen, revolutionär verstandenen ästhetischen Irrationalismus. Wie bei Wellershoff wird auch hier die Phantasie zu Hilfe gerufen, um Bereiche-zu produzieren, die über das Bestehende hinausgehen und damit eine „Politisierung der Literatur" statt der bisherigen „Literarisierung" der Politik erreichen sollen. Das Realitätsprinzip stützt sich jetzt nicht mehr auf den Realismus, sondern sucht durch Phantasie neue, positive Modelle zu entwickeln. Offen freilich bleibt dabei, ob die so angestrebte „Politisierung" der Literatur in Wahrheit nicht nur eine andere Gestalt der Literarisierung des Politischen bedeutet.

Die bei Wellershoff und Baumgart auftretenden Schwierigkeiten sind offensichtlich. Der Schriftsteller kann im Grunde für eine neue Gesellschaft nicht viel tun, er bleibt Einzelgänger, Literat und Individualist. Da er aber als Linksintellektueller der „Innerlichkeit", dem „Idealismus", dem bürgerlichen Bildungsmuseum und der Tradition des 19. Jahrhunderts eine radikale Absage erteilen will, muß er die Rolle, die ihm in der Gesellschaft zufällt, neu formulieren. Jedoch kann er nur durch das „Wort", nicht durch die „Tat" wirken. Der Glaube an dieses Wort ist aber vom Basis-Denken aus bereits zweifelhaft geworden, so daß ihm nur der Ausweg bleibt, Bewußtseinsmodelle zu entwerfen, von denen man sich eine Einwirkung auf den gesellschaftlichen Prozeß verspricht. Freilich geschieht das meist bereits mit schlechtem Gewissen, da in Wahrheit die ästhetische Ausgangsposition nur scheinbar verlassen wurde. Mag das politische Fernziel sich auch noch so „progressiv" oder gar „revolutionär" geben, es realisiert sich vorerst für den Schriftsteller und sein Publikum nur im Bereich des Ästhetischen.

Das haben die betont marxistischen oder neomarxistischen Autoren deutlich erkannt und polemisch ausgebeutet. Im wachsenden Maße bauen sie eine Gegenposition auf, die um der Politik willen auf die Zertrümmerung der Literatur ausgeht, wenigstens jener Literatur, die sich noch „kreativ" und als Leistung einzelner Individuen versteht. Der abstrakten Bilderstürmerei der Gesellschaftsrevolutionäre haben freilich Autoren wie Grass und Böll eine deutliche Absage im Namen der Vernunft und der staatsbürgerlichen Pflichten erteilt, aber der starke Einfluß der links von links stehenden Schriftsteller, die sich so gut auf „Indoktrinierung" verstehen — vor allem auf die Jugend —, ist trotzdem unverkennbar. Die Epoche einer wohltuenden Entideologisierung, die auf das Übermaß an Ideologie während des Nationalsozialismus folgte, scheint vorerst vorüber. Lange Zeit konnte vor allem die Gruppe 47 die Auffassung vertreten, daß das formale sprachliche Experiment zugleich gesellschaftlichen Fortschritt bedeute. Von Hans Magnus Enzensberger jedoch wird das bereits radikal abgelehnt. „Heute", so formuliert er bedenkenlos in „Gemeinplätze, die Neueste Literatur betreffend" „liegt die politische Harmlosigkeit aller literarischen, ja aller künstlerischen Erzeugnisse überhaupt offen zutage: schon der Umstand, daß sie sich als solche definieren lassen, neutralisiert sie. Ihr aufklärerischer Anspruch, ihr utopischer Uberschuß, ihr kritisches Potential ist zum bloßen Schein verkümmert." Das ist eine eindeutige Absage an alle „Kunst", die Goethe noch als das höchste Glück der Menschen bezeichnen konnte. Kunst vermag für die Revolution der Gesellschaft nichts zu leisten, und nur auf diese politische Aufgabe und auf nichts anderes kommt es an. Neomarxisten wie Adorno und Marcuse haben dieses Verhältnis freilich sehr viel dialektischer gesehen, aber auch sie werden von den jungen Bilderstürmern bereits als „idealistisch" und spätbürgerlich abqualifiziert Weitgehend* soll alles Schreiben von Gedichten, Erzählungen und Dramen nach Enzensberger heute „nutzund aussichtslos" geworden sein. Nötig hingegen wäre eine „Kulturrevolution" — der Vergleich mit dem China Maos drängt sich auf —, deren „militante Gruppen" „gegen die mächtigen kulturellen Apparate" vorzugehen haben.

Was Enzensberger vorschwebt, ist eine gemeinsame Praxis, die mit der individuellen Urheberschaft des Buches bricht und statt dessen „das politische Analphabetentum" durch eine kollektiv betriebene Vereinigung von theoretischer und praktischer Arbeit ersetzt. Ludwig Börne und Rosa Luxemburg werden als Vorläufer genannt, Günter Wallraffs Reportagen aus deutschen Fabriken, Bahman Nirumands Persien-Buch, Ulrike Meinhofs Kolumnen, Georg Alsheimers Bericht aus Vietnam sind für Enzensberger die, wenn auch bescheidenen Stationen auf diesem Weg, der auch die Medien Funk, Film und Fernsehen einspannen will in eine Produktion, in der das dokumentarische oder fiktive Material nur „Vorlage" ist für gemeinsame Arbeitsvorgänge. „Der Autor hat als Agent der Massen zu arbeiten. Gänzlich verschwinden kann er erst dann in ihnen, wenn sie selbst zu Autoren, den Autoren der Geschichte geworden sind."

Es ist erschreckend zu sehen, zu welcher absurden Absage an die „Kunst" hier ein Autor gelangt ist, der immerhin Gedichte von so reiner poetischer Schönheit geschrieben hat wie „kirschgarten im schnee" oder so apokalyptische wie „das ende der eulen" und der darüber hinaus durch die Demontage von Zusammenhängen, durch den überraschenden Einbau von Redensarten oder auch von Satz-und Wortteilen usw. die moderne Lyrik im Umkreis einer nicht nur klagenden, sondern anklagenden Aussage erheblich gefördert hat. Die gleiche Zwiespältigkeit spiegelt sich im literarischen Werk eines heute berühmten, eindeutig marxistischen Autors: Peter Weiss.

Seine „ 10 Arbeitspunkte eines Autors in der geteilten Welt" Arbeitspunkte eines Autors in der geteilten Welt" 9) reden zwar im Ichton, suchen aber dennoch die Individualität des Künstlers möglichst auszuklammern. Statt dessen tritt der unkritisch behauptete Gesichtspunkt des Klassenkampfes in den Vordeigrund. Das angebotene Rezept ist denkbar einfach: „Die Richtlinien des Sozialismus enthalten für mich die gültige Wahrheit." Der Eigenwert der Kunst hat hinter ihrem Zweck zurückzutreten; „zu einer Revolution der Gesellschaftsordnung gehört auch eine revolutionäre Kunst". So einfach ist das, so simpel. Aber dabei bleibt völlig in der Schwebe, wie sich das eine zum anderen verhält. Muß die Revolution des Klassenkampfes vorausgehen, damit diese revolutionäre Kunst entstehen kann oder soll die revolutionäre Kunst selbst eine solche Revolution der Gesellschaftsordnung bewirken?

Welche Antwort darauf findet sich in Weiss'letztem Drama „Hölderlin" ? Nicht ein Schriftsteller, sondern ein Dichter steht hier als einzelner der weitgehend entwerteten Epoche seiner Zeit gegenüber, und dieses gilt nicht nur vom fürstlichen Absolutismus und von den Formen des Frühkapitalismus, sondern auch von der Philosophie des Idealismus und der Dichtung Goethes und Schillers. Das alles wird als „eiskalte Zone des Bestehenden" charakterisiert und karikiert, aus der sich der revolutionäre Dichter-Held — Weiss faßt Hölderlin als einen Jakobiner auf — gewaltsam befreien möchte, aber nicht befreien kann, so daß ihm am Ende als einziger Ausweg nur die tragische Flucht in den Wahnsinn übrigbleibt.

Ein neuer Weltzustand wird gefordert, der mit den Mitteln der Gewalt erzwungen werden muß. Die Schlußszene fingiert eine Begegnung zwischen Hölderlin und Marx, in der Hölderlin mit seiner „visionären Formung tiefster persönlicher Erfahrung" als Vorläufer eines Karl Marx aufgefaßt wird; dieser sei dann später den konsequenten Weg der historischen Analyse gegangen. Wie sieht hier ein zeitgenössischer Autor sich selbst? Ebenso wie Hölderlin ist er auf der Flucht aus einer eiskalten und tötenden Welt, ebenso wie dieser hat er sich gleichsam geopfert und selbst „verbrannt" um der universalen dichterischen Utopie willen, die nach wie vor in die revolutionäre Praxis der Massen erst umgesetzt werden müßte. Der Dichter, der Todfeind aller einseitigen Existenz, setzt hier ein Zeichen der Hoffnung in einer sonst überall zur Hölle gewordenen unmenschlichen und zugleich automatenhaften Welt. Aber diesem Dichter fehlt wie Empedokles, wie Hölderlin selbst und wie erst recht dem Autor Weiss die Basis für seine revolutionären Ansprüche. Vergeblich sucht sich der aus dem Bürgertum stammende Dichter aus der Idee „herauszusprengen"; vergeblich sucht er den Anschluß an den proklamierten Klassenkampf. Er bleibt nach wie vor auf der Flucht, auf der Flucht, so müssen wir fragen, wohin?

Dieser Dichter, der weder Genie noch Narr sein will, aber dennoch vordeutend sich im verklärten Wunschbild eines Hölderlin noch einmal als eine Erlöserfigur auffaßt, hat im Grunde seinen Ort in der Gesellschaft verloren, steht im Fluchtpunkt und versucht von hier aus den Sprung von einer negativ gesehenen wirklichen Welt in die utopische Heilsvorstellung, die freilich jetzt nicht mehr christlich, auch nicht mehr ästhetisch, sondern mit Hilfe der marxistischen Ideologie politisch interpretiert wird.

Die Widersprüche dieses Dramas sind offensichtlich. Sie müssen überall dort entstehen, wo der Primat der Politik ins Absolute erhoben wird und der Autor dennoch den Anspruch auf eine unbegrenzte dichterische Freiheit behaupten will. Denn Dokumentar-Theater ist dieses Drama ganz gewiß nicht, auch, wo es sich diesen Anschein gibt. Ja, Weiss nimmt den von ihm radikal abgelehnten bürgerlichen Heldenkultus selber wieder auf und macht den Autor, ob er nun Hölderlin oder Weiss heißt, von neuem zu einer herausgehobenen Heldenfigur, die mit der dichterischen Revolution den Weg zur politischen Erlösung der Menschheit vorbereiten will. Indessen: der Held scheitert.

II

Der freiwillig-unfreiwillige Individualismus des „Marxisten" Weiss versuchte die Kunst noch zu retten. Aber es sind trotzdem nur wenige Schritte weiter, und das literarische Werk wird dann nicht nur seiner Autonomie, sondern auch seiner Existenzberechtigung beraubt. Dann entsteht jene Literatur ohne Literatur, die ihre genaue Parallele in den Bestrebungen einer in Soziologie umgewandelten Literaturwissenschaft findet, in der die Literatur ihres eigenen Gegenstandes — und dieser Gegenstand kann nur Sprache und Literatur sein — mehr oder weniger beraubt wird Auch die neuesten Versuche, z. B. im Bereich des Theaters, zur alten Schaubude zurückzukehren, auf dem Theater selbst zu improvisieren oder darüber hinaus ein revolutionäres Straßentheater zu schaffen, das der Agitation und der Demonstration mit „Pop" und „AgitProp" dienen soll, also direkt politisch wirken will, ändern nichts daran, daß hier nur Realität und Theater miteinander vermischt werden, mag auch das „happening" dabei auf alle ästhetischen und ethischen Kategorien verzichten. Die Grenzen der noch „poetisch" verstandenen „Politik" und der „politisch" verstandenen „Poesie" verwischen sich dabei bis* zur Unkenntlichkeit, und am Ende kapitulieren die Künstler vollends, wenn sie die Wirklichkeit selbst zum Kunstakt stempeln wollen. Tendenzen in dieser Richtung einer Entmachtung des schreibenden Individuums zugunsten des Kollektivs oder der Kollektiv-Fassade, bzw. einer Entmachtung der Literatur zugunsten der Politik, spiegeln sich nicht nur in der zeitgenössischen Romantheorie, sondern auch sehr deutlich in dem von Karla Fohrbeck und Andreas J. Wiesand herausgegebenen Buch „Der Autorenreport" Im Vorwort von Rudolf Augstein wird ein Satz Martin Walsers zitiert: „Wir müssen das traditionelle Dichter-und Schriftstellerbild einfach überwinden. Wir müssen in den Medien, in denen wir arbeiten an unseren Arbeitsplätzen, mit allen, die dort arbeiten, organisiert sein." Jedoch ist Walsers Haltung nicht so eindeutig, wie es hiernach scheinen könnte. Die von Grass klar vollzogene Trennung von staatsbürgerlichem Wirken und schriftstellerischer Arbeit lehnt er mit Nachdruck ab. Das politische Engagement des Schriftstellers muß sich nach seiner Meinung nicht in nutzloser Propaganda und ebenso nutzlosen Protesten, sondern in seinem Werk niederschlagen. Walsers Sympathien gelten dabei der außer-parlamentarischen Opposition, der Studenten-revolution und dem Eintreten für eine radikale Demokratisierung. Dennoch kommt er in seinen eigenen Werken von den Schwierigkeiten nicht los, in die er sich gerade durch die literarische Produktion verstrickt sieht. Seine Begabung liegt in der Parodie, in der surrealistischen oder auch realistisch kritischen Darstellung von Bewußtseinszuständen, deren gesellschaftliche Hintergründe mitreflektiert werden. Aber das alles geschieht in einer sehr subjektiven, ausgefallenen, oft auch wortakrobatischen Weise. So kann man in seinen Büchern eigentlich nur lesen, wie es jeweils um ihn, um Martin Walser, „momentan steht" Mag er es nun wollen oder nicht, er ist und b'leibt trotz seiner immer entschiedeneren Annäherung an den Kommunismus ein ausgesprochener Individualist, der seine privaten Schwierigkeiten hat; als organisierten Arbeiter im Kollektiv kann man sich ihn nicht recht vorstellen.

Der Trend des Autorenreports jedoch ist extrem antiindividualistisch. Untersucht wird hier „die Situation von Wortproduzenten im Hinblick auf ihre Gemeinsamkeiten als Kommunikatoren, was den Verzicht auf traditionell ästhetische Wertungen und auf Vorstellungen von einer . Berufung'notwendig impliziert" übersetzt man diese komplizierte Ausdrucksweise in einfaches Deutsch, so heißt das: auf die Frage nach der literarischen „Qualität" und nach der Individualität des Schaffens wird hier bewußt verzichtet; es geht lediglich darum, „Autoren als Gruppe zu erfassen und beim Wort zu nehmen". Die „Worturheber", wie sie jetzt genannt werden, denn Dichter wollen sie schon längst nicht mehr sein, auch Schriftsteller klingt noch zu einzelgängerisch, schließen sich nunmehr in einer nicht unerheblichen Zahl in der Gewerkschaft Druck und Papier zusammen und erstreben darüber hinaus den Anschluß an eine allgemeine Mediengewerkschaft.

Es ist ein langer Weg, der von der Vorstellung des Dichters als „Genie" über den „Narr" innerhalb und außerhalb der Gesellschaft — dessen Kritik nur zu ihrer Belustigung diente —, bis zu jener „Solidarität"

innerhalb der Gewerkschaft, zur „Einigkeit der Einzelgänger" (Böll) geführt hat. Geopfert wurde dabei die Vorstellung von der Unabhängigkeit des frei schaffenden Schriftsteller-berufes. Im Zwielicht zwischen eigenem Unternehmertum und abhängigem Arbeitsverhältnis erschien die sogenannte Freiheit mehr und mehr als bloße Illusion, und der Schriftstellerverband proklamierte nunmehr „das Ende der Bescheidenheit" (Böll), das heißt das Recht der Schriftsteller auf bessere Bezahlung, auf „Mitbestimmung" innerhalb der Verlage, auf Abschaffung der Mehrwertsteuer, auf Altersversorgung usw. Die Dokumentation der beiden Schriftstellerkongresse, herausgegeben von ihrem Vorsitzenden Dieter Lattmann unter dem Titel „Einigkeit der Einzelgänger" und „Entwicklungsland Kultur" spiegelt den Prozeß der fortschreitenden „Demokratisierung", angespornt von den anerkannt Erfolgreichen: Heinrich Böll Günter Grass Siegfried Lenz und Martin Walser, außer denen die Teilnehmerliste an die fünfhundert Namen von sehr verschiedenartigen „Worturhebern" verzeichnet: freie Autoren, Journalisten, Kritiker, Verfasser von Essays und Leitartikeln bis zu den verschiedensten Mitarbeitern an Rundfunk und Fernsehen. Es ist die gleiche heterogene Vielheit, die uns auch im „Autorenreport" entgegen-tritt. Freilich wäre es interessant zu wissen, wer hier alles fehlt. Auf bedeutende Namen wie. Ernst und Friedrich Georg Jünger Carl Zuckmayer Wolfgang Koeppen Marie Luise Kaschnitz Elias Canetti, Karl Krolow, Joseph Breitbach, Wolfgang Hildesheimer Arno Schmidt Uwe Johnson und Christoph Meckel stößt man in den Teilnehmer-listen jedenfalls nicht.

Alle sind sich darin einig, daß sich der Schriftsteller heute „politisieren", das heißt in diesem Falle gewerkschaftlich organisieren muß, um seine wirtschaftlichen Rechte in einer kapitalistischen Industriegesellschaft durchzusetzen. Einige, vor allem ältere wie Hans Erich Nossack tun es mit Skepsis, aber auch sie glauben, daß man nur so dem „enthumanisierten Dasein" des „Apparates" entrinnen kann; auch sie sind der Meinung, daß es ein „Anachronismus" wäre, die Macht der Verlagsmonopole zu ignorieren und sich nicht um den ungeheuren Markt der „visuellen Kommunikation" zu kümmern. „Es gibt keine von Politik unberührten Freiräume im kulturellen Terrain. Es hat sie auch niemals gegeben", so hat es Dieter Lattmann mit bemerkenswerter Deutlichkeit formuliert

Wer wollte wagen, ihm zu widersprechen? Er würde sich ja dem Verdacht aussetzen, zu den wenigen, noch nicht ausgestorbenen Rechtsintellektuellen zu gehören oder ein Gegner der Demokratie zu sein oder — und das wäre fast das Schlimmste — sogar aus Bayern zu stammen. Ich wage es trotzdem. Zwar würde ich Lattmann zustimmen, wenn er den Begriff der Politik hier in einem sehr weiten und allgemeinen Sinne meinte. Ich befürchte jedoch, das ist nicht der Fall, Steht nicht hinter diesen Worten, nur etwas vorsichtiger ausgedrückt, die gleiche kollektivistische Haltung, wie sie Peter Schneider extrem antiindividualistisch und klassenkämpferisch formuliert hat: „Es kann keiner mehr alleine am Schreibtisch sitzen und schreiben, alleine in seinem Atelier malen, alleine Musik machen, sondern er muß sich genau klar-werden, in welchen organisatorischen Zusammenhang er seine Fähigkeiten stellt und in welchen Schichten, welchen Gruppen der Gesellschaft er solche Veränderungen in Gang setzen will." Dagegen stelle ich die ebenso apodiktische Behauptung: es muß sogar von der Politik unberührte, vom einzelnen Autor getragene Freiräume der Kultur geben, wenn Kultur mehr sein soll als ein politischer Zusammenschluß von Interessengruppen. Niemand wird etwas dagegen einzuwenden haben, wenn Schriftsteller ihre gesellschaftliche Situation auch politisch verstehen und ihre realen Chancen in der Gesellschaft der Bundesrepublik durchzusetzen suchen. Darüber hat vor allem Günter Grass kluge und richtige Dinge gesagt. Dennoch muß die totale Politisierung des schriftstellerischen Wirkens zur Verarmung führen, weil sie jene Bereiche unterschlägt, die sich der Politik entziehen und die nach wie vor zu ihrer Existenz des schriftstellerischen Wortes bedürfen, Im Handeln bleibt der Mensch stets eingeschränkt; im Denken und Dichten braucht er die individuelle Freiheit. Die „Einigkeit der Einzelgänger“ — und hier müßten mir eigentlich gerade die Schriftsteller zustimmen — finde ich dort nicht mehr wünschenswert, wo der einzelne nicht mehr gemeinsame gesellschaftliche Interessen vertritt, sondern eigene Literatur produziert. Denn Literatur hervorzubringen, und zwar gute Literatur, ist nach wie vor die „kreative" Aufgabe des Schriftstellers, wie man es jetzt bezeichnenderweise nennt, da man in diesem Bereich „bescheiden" bleibt und nicht mehr den Mut hat, das anspruchsvolle und anrüchig gewordene Wort „schöpferisch" zu gebrauchen. Der begrüßenswerte Zusammenschluß der Schriftsteller sollte nicht zum Triumph der Mittelmäßigkeit führen und zu jener Geringschätzung der geistig verstandenen „Elite", die dann mit Vorliebe als „undemokratisch" angeprangert wird. Heinrich Heine war ein überzeugter Demokrat, aber schon er wandte sich entschieden dagegen, wenn „ein guter Stil" „als etwas Aristokratisches verschrien" wurde, und verspottete in seiner „Einleitung zum Don Quixote" jene häufig zu hörende Behauptung, der echte Demokrat habe wie das Volk zu schreiben, „herzlich schlicht und schlecht".

Was die Absage an alles Ästhetische und seine Qualitäten zugunsten der Politisierung in Wahrheit bedeutet, Verraten Formulierungen auf dem Schriftstellerkongreß wie folgende: „Niemand wird Schaden nehmen, wenn die Qualität der Literatur schwankt; aber alle werden Schaden nehmen, wenn die Qualität der Politik zu wünschen übrigläßt" (Siegfried Lenz) Den Satz halte ich für grundfalsch. Wenn die Qualität der Literatur „schwankt", und das tut sie heute schon seit langem, dann ist es die Literatur selbst, die Schaden nimmt, und die oft noch sehr viel fragwürdigere „Qualität der Politik" — vielleicht läge es manchmal näher, von „Korruption der Politik" zu sprechen — ist gewiß nicht dadurch zu retten, daß sich die Literaten ihrer erbarmen. Oder ein anderer Satz: wir müssen „mit einer wachsenden Zahl von Schriftstellern rechnen ..., für die emanzipatorisch-politisches Denken eine Selbstverständlichkeit" ist „bis in Inhalte und Ziele ihrer ästhetischen Produktionen hinein" (Jörg Drews) Es wäre recht betrüblich, wenn dies die kulturelle Folge der „Einigkeit der Einzelgänger" wäre. Gehört es nicht zum produktiven Pluralismus der schriftstellerischen Produktion, daß es nach wie vor Autoren gibt und auch geben sollte, die dem „emanzipatorisch-politischen Denken" in ihrer literarischen Produktion eine Absage erteilen? Günter Grass schlägt vor, die Schriftsteller der Zukunft könnten etwa vom „langsamen Tod des Bodensees", von „Umweltverlust und Umweltschutz" usw. erzählen und zwar „abseits vom gängigen Jargon und ohne vorgefaßte dogmatische Diktion" Natürlich können und dürfen sie das, wenn sie dazu Lust verspüren sollten, aber ebenso können und dürfen die Liebe, der Eros, der Mythos, die Religion, die Natur, ja sogar ihr persönliches Privatleben ihr weiterer Erzählinhalt bleiben, und sie brauchen dabei noch nicht einmal auf eine „realistische" Darstellungsweise eingeschworen zu sein. Wohl konnte Brecht den eindrucksvollen Vers schreiben: „Was sind das für Zeiten, wo /Ein Gespräch über Bäume fast ein Verbrechen ist. /Weil es ein Schweigen über so viele Untaten einschließt!" Aber es ist an der Zeit, sich daran zu erinnern, daß nicht allein die „Untaten" zur Domäne des Schriftstellers gehören, ja sogar zum Bereich seiner Verantwortung, sondern auch jener Umkreis, in dem der Mensch noch nicht oder nicht mehr eine „entfremdete" Existenz zu führen braucht. Das heißt noch keineswegs, auf kitschige und unredliche Weise eine angeblich „heile" Welt verklären.

Der Schriftsteller mag heute wie auch früher politisch unfrei sein — ob ihm gewerkschaftliche Organisation hilft, diesen Zustand abzuändern, bleibt abzuwarten. In der Perspektive vom bloßen „Worturheber", der es mit der „Ware" Buch und dem „Rohstoff Geist" zu tun hat, liegt jedoch etwas Verengendes. Ich jedenfalls bin nicht in der Lage, mir den „Geist", der immer auch etwas mit „Form" zu tun hat, als einen bloßen „Rohstoff" vorzustellen. Es ist bezeichnend, daß in Diskussionsrunden dieser Art die Frage des Ranges nicht mehr erörtert wird. Die Verdrängung der verpönten Begriffe und Werte von einst, Innerlichkeit, Genie, individuelle Schöpferkraft, Dichtertum, Nation, Mythos, Schönheit usw. zugunsten einer politisch-gesellschaftlichen Aufklärungsarbeit, einer Kommunikation der Medien und einer auf die Praxis gestellten „Information" wird allerdings verständlich, wenn man die Vorgeschichte kennt: den Zusammenbruch des fatalen Bündnisses von Konservativismus und Rechtsradikalismus nach dem zweiten Weltkrieg. Die großen Verklärungsworte hatten damit ihren Kredit verloren.

III

Was zunächst darauf folgte und heute als restaurative Adenauer-Epoche an den Pranger gestellt wird, war innerhalb der Literatur das fruchtbare Wirken der Gruppe 47, die politisch keineswegs rechtsgerichtet war. Erstaunlicherweise ist es jetzt bereits Geschichte geworden. Der frühe Tod Paul Celans durch Selbstmord (1970), der Tod Günter Eichs (1972) und der tragische, erst kürzlich erfolgte Tod von Ingeborg Bach-mann sind Stationen auf dem Weg einer Literatur, die bereits in den sechziger Jahren allzu gewaltsam durch den neuen Trend zur Politisierung abgelöst wurde. Damals erreichte die Dichtung ihren Höhepunkt in der Lyrik. Gewiß: diese Literatur war nicht eigentlich revolutionär; ja, sie knüpfte in mancher Hinsicht noch an die romantische Tradition der Naturlyrik des 19. Jahrhunderts an. Dabei traten allerdings jetzt abstraktere Sprachformen mehr hervor als bisher; die Lyrik wurde kom-plizierter und intellektueller; sie sah sich an die Grenze des Sprachlosen gedrängt, weil das, was sie sagen wollte, sich nicht mehr auf herkömmliche Weise aussprechen ließ. Sehr häufig wurden jetzt Sprache und Sprachlosigkeit selber zum Gegenstand des Gedichtes. Der Bezug auf das private Ich blieb trotzdem erhalten, wenn auch die Bilder und die Metaphern sich verschlüsselter darbieten. Das politische Zeitschicksal wurde jedoch keineswegs ausgespart, wohl aber individuell artikuliert.

Günter Eich faßte Gedichte „als trigonometrische Punkte oder als Bojen" auf, „die in einer unbekannten Fläche den Kurs markieren", Und Schreiben ist für ihn „die Entscheidung, die Welt als Sprache zu sehen" Gedankliche Prozesse münden hier in eine oft kühne, verfremdende Metaphorik. Eich stand an der Grenze von Tradition und Neubeginn; auf der einen Seite noch surreale Fabeln, traumhafte und magische Bereiche in lyrischer Folge, vor allem im Hörspiel zu dramatischen Bildern verdichtet; auf der anderen das Spielen mit paradoxen Wort-und Begriffsverknüpfungen, das übersetzen aus der Welt der Dinge in die Welt der Sprache; auf der einen Seite nach wie vor die Betonung der privaten Existenz, auf der anderen das nie erlahmende Interesse am Öffentlichen und damit auch am Politischen.

Ausgesprochener „Dichter" war Paul Celan. Er löste die Sprache radikal von ihrem Real-bezug. Mit Hilfe der „absoluten Metapher" suchte er eine Sphäre anzusprechen, die, sofern man sie direkt angeht, nicht mehr ansprechbar ist. Inmitten der völligen Verlorenheit des Menschen galt ihm nur noch die Sprache als „unverloren", auch sie freilich ständig davon bedroht, ins völlige Verstummen gedrängt zu werden. Für solche Lyrik mußten sehr komplizierte Mittel eingesetzt werden, nicht nur die inzwischen längst gebräuchlich gewordenen der Verfremdung. Dinge und Sachen werden bei Celan zusammengeführt, die „nörmaler" weise nicht zusammengehören, weil ihnen kein Gegenbild in der Erfahrung entspricht. Aufgabe der lyrischen Dichtung ist es, durch Sprache eine Wirklichkeit zu entwerfen, die jenseits unserer sonstigen, bereits abgenutzten Erfahrung liegt. Celans hochentwickelte, oft schwer verständliche Artistik einer poesie pure — sie verdankt vieles den französischen Symbolisten — ist ein Endpunkt, der bereits den Standort des lyrischen Ichs und seiner Klage verlassen hat. Das Gedicht verrätselt sich bis an jene Grenze, wo der immer noch gemeinte, wenn auch dunkle „Sinn" sich gegen die Alltagssprache und gegen den Sprachgebrauch durchsetzen muß.

Auch Ingeborg Bachmann hat die Verwundungen und Schmerzen erlebt, die die Zeit dem einzelnen zufügt. Mit dem immer wiederkehrenden Motiv der Verlorenheit des Menschen in einer „Nachgeburt der Schrecken", mit dem Wissen um die Alltäglichkeit des Unerhörten, mit der Klage um die Gefährdung des Humanen überhaupt stand sie stellvertretend für eine ganze Generation von Lyrikern: Lyrikern einer „unheilen" Welt, die dennoch die Sehnsucht nach dem urtümlich Heilen behalten haben. Horst Bienek hat ihr in der FAZ am 18. Oktober 1973 einen sehr persönlichen Nachruf gewidmet. Er betont darin, daß ihr Schreiben noch eine Notwendigkeit bedeutete und zugleich einen Vorstoß bis an die äußerste Grenze der Wahrheitsfindung, aber immer mit dem Blick auf das Ganze, auf das Absolute, das Alleinige. Aber er sieht auch, wie unmodern diese so schnell berühmt gewordene Schriftstellerin bereits heute zu sein scheint im Umkreis einer politisierten Literatur, die gewiß nicht mehr, wie sie es wollte, das „Gegenwärtige" mit dem „Mythischen" verbinden möchte oder alltägliche Situationen in Bereiche des „Dämonischen" zu steigern sucht. „Märchentante", so hat sie Wondratschek verächtlich in „Text + Kritik" genannt.

Dennoch ist diese Literatur der Eich, Celan und Bachmann noch keineswegs so abgetan, wie es die politisierenden Autoren von heute meinen. Fragen der künstlerischen Qualität wurden in der Gruppe 47 sehr ernst genommen und lebhaft diskutiert. Sie hatte ihre Sache auf die persönliche Existenz und nicht auf einen proklamierten Klassenkampf gegründet. Marie Luise Kaschnitz schrieb bereits 1945 in der Zeitschrift „Die Wandlung" den Satz nieder: „Kehren wir noch einmal zurück an die Schwelle des wachen Lebens. Beginnen wir wieder mit dem Worte Ich..." Adorno freilich, der es für „barbarisch" hielt, nach Auschwitz noch ein Gedicht schreiben zu wollen entschied anders: „Bei vielen Menschen ist es schon eine Unverschämtheit, wenn sie ich sagen." Aber die These Adornos wurde bereits durch Celans „Todesfuge" widerlegt, die man kaum in die Sparte politische Lyrik einordnen kann und die trotzdem ein Gedicht ist, das von Auschwitz, wenn auch in verschlüsselten Metaphern, zu reden wagt und insofern höchste politische Bedeutung besitzt. Humanität beginnt erst dort, wo der Mensch Ich zu sagen wagt, und ohne Humanität ist keine Kunst möglich. Der Mut zum Alleinsein, die unvermeidliche Isolation des Schriftstellers, das Bekenntnis zu den Geheimnissen des menschlichen Herzens und des Gewissens sind keineswegs, wie man uns heute oft einreden will, „reaktionär“ oder verstiegene, durch Aufklärung abgetane Romantik. Sie gehören zu jenen Phänomenen, ohne die keine „Kunst" auf die Dauer weiterbestehen kann. Sie appellieren in erster Linie an das Individuum und bestimmen von hier aus seine gesellschaftliche, aber auch seine außergesellschaftliche Rolle. Sollte nicht gerade die freilich schwer auszuhaltende Spannung zwischen diesen beiden Polen eine der Vorbedingungen für das fruchtbare schriftstellerische Wirken sein?

Verständlicherweise wird das besonders deutlich im Umkreis der Lyrik als der gattungsmäßig am stärksten ichbezogenen Ausdrucksform. Hilde Domin hat darauf hingewiesen, daß eigentlich alle Gedichte ihrer Natur nach „öffentlich" sind, aber sie hat sich ebenso mit Nachdruck gegen eine poesiefeindliche „thematische Programmierung" gewandt. Der „Bewußtseinsindustrie des Antiestablishments" stellt sie die Frage nach der möglichen Freiheit des Menschen und seines Menschseins gegenüber. Ihre Forderung nach „Kommunikation" — hinter der noch die Existenzphilosophie Karl Jaspers’ steht, so wie die Bachmann die Philosophie Heideggers und Wittgensteins voraussetzt — meint etwas gänzlich anderes als Enzensberger, wenn er sich um den Apparat „kommunikativer" Medien bemüht. Nicht um „Steuerung von Gruppen" geht es Hilde Domin, sondern um die freie Sprache, die sich gegen jede Verfügbarkeit, gegen jedes „Mitfunktionieren" wendet. Die Gedichte sind für sie die Sache selbst. Wer sie nachvollzieht, ändert nicht die Umstände, nicht die Gesellschaft, sondern sich selbst, und eben damit wird er zur Freiheit der Entscheidung fähig. Das ist die gleiche, noch im Existenzialismus verankerte Position, wie sie auf verwandte Weise die Bachmann, mit moralischen Vorzeichen aber auch der Dramatiker Rolf Hochhuth vertritt.

Die bedenklichen Seiten der Politisierung beginnen dort, wo man gegen diese Funktion des Gedichtes eine propagandistisch gemeinte politische Lyrik ausspielt und dem angeblichen bloßen „Formalismus" und der „Hermetik des Ästhetischen" seine Absage zugunsten des inhaltlich Aktuellen erteilt. Walter Hin-derer verlangt in seinem Aufsatz „Probleme politischer Lyrik heute" das Abgehen vom literarischen Experiment, wie es noch bei Grass, Rühmkorff, ja selbst bei Erich Fried vorherrschend sei, und fordert statt dessen vom politischen Gedicht die klar verständliche, objektbezogene Darstellung. Ein solches Gedicht soll an politische Praxis und Aktion anknüpfen, trotzdem aber im, wenn auch begrenzten, Umkreis seiner Darstellungsmittel seinen „ästhetischen" Wert behalten. So praktikabel das klingen mag, in der Bewertung des Einzelfalls führt es zu geradezu grotesken Resultaten. Ob dem von Hin-derer als Musterbeispiel herausgestellten propagandistischen Machwerk von Peter Schütt „Die Vergangenheit des Kanzlers" auch nur der geringste ästhetische Wert zukommt, darüber lohnt es sich kaum zu streiten. Wer das . trotzdem behauptet, sollte einmal Brechts Verse „Rückkehr" zum Vergleich heranziehen, um wieder Maßstäbe zur Beurteilung politischer Lyrik zu bekommen. Politische Lyrik, so hat Albrecht Schöne überzeugend nachgewiesen wird gerade dort ihren eigentlichen Rang erreichen, wo sie „im Dienst politischer Wirkungsabsicht und unbeschadet dieses Auftrags zugleich doch die mit der politischen Tendenz gesetzten Schranken übersteigt"; denn „das Humane" ist nicht nur „ein Wesenszug der Kunst", sondern sogar „eine Bedingung des Kunstwerks".

Wenn man der Gruppe 47 vorgeworfen hat, sie habe die „Hermetik des Ästhetischen" bis an die Grenze des „Musealen" und des „Sprachlosen" getrieben, so wird umgekehrt die inzwischen vollzogene radikale Zuwendung zum engagierten Zeitgedicht um die Auseinandersetzung mit künstlerischen Fragen und Prinzipien nicht herumkommen. Auch die nicht mehr klagende, sondern die anklagende Lyrik, deren sozialistisches Engagement sich der gedanklichen Dialektik und des lehrhaft Parabolischen bedient, die die Provokationen liebt, die Paradoxien, die Widersprüche bis zum gewollten Auseinander-klaffen von Ton und Inhalt braucht für ihr ironisches Rollenspiel und ihre Nähe zum Grotesken jene ästhetischen Stilmittel und kombinatorischen Vexierspiele und das sprachliche Raffinement, ohne die sich die Verhaltensweisen bestimmter Menschen und Menschengruppen in der Gesellschaft nicht entlarven lassen. Mit einem Wort: sie bedarf der „Kunst", und erst die artistische Leistung, nicht aber die so oder so gerichtete Tendenz entscheidet über den Wert solcher Ausdrucksformen. Wer die Literatur, sei es nun Lyrik oder Prosa oder Drama, durch die Forderung einengt, sie habe sich in erster Linie für die „unterprivilegierten Schichten" — welche sind das eigentlich? — einzusetzen, tut gut daran, das auf einem anderen, rein politischen Wege in Gang zu bringen, denn diese „unterprivilegierten Schichten" wollen zum mindesten bisher keine Literatur, die ihre Ängste und Nöte darstellt, sondern genau umgekehrt eine, die ihnen eine „heile" Welt vorgaukelt, in der noch Wunschbefriedigung, wenn auch nur scheinbar, erreicht werden kann. Dafür sorgen im reichen Ausmaß so manche, auch angeblich kritische Fernseh-Familiensendungen und so mancher Bestseller der Trivialliteratur. Was man auch gegen Johannes Mario Simmel sagen kann, in seiner Art ist er heute der „Volksschriftsteller" und nicht die engagierten Autoren mit der komplizierten Terminologie und den fast über-entwickelten Form-und Sprachexperimenten von Helmut Heißenbüttel über Walser bis Enzenberger. Selbst so erfolgreiche Autoren wie Grass, Böll und Lenz, die noch wirklich erzählen können, werden in ihren schon zu Privilegien gewordenen Einnahmen — denn sie stehen ja selbst auf den als kapitalistisch angeprangerten Bestsellerlisten — von der breiten Schicht des Bürgertums getragen, das es sich mit Schmunzeln gefallen läßt, wenn sich auch antibourgeoise Affekte zu seinen Ungunsten entladen.

Wieweit die nicht ästhetische, sondern gesellschaftspolitische Zielsetzung der von dem Autor Max von der Grün begründeten Gruppe 61, die die Rezeption der industriellen Arbeitswelt fordert, das heißt eine Literatur nicht nur von Arbeitern, sondern auch für Arbeiter, über den „bürgerlichen" Charakter der zeitgenössischen Literatur wirklich hinausführt, bleibt vorerst abzuwarten. Der Verband deutscher Schriftsteller sympathisiert zwar durchaus mit Bestrebungen, wie sie im „Werkkreis Literatur der Arbeitswelt" gefördert werden sollen. Von dort erfolgt die Aufforderung an die „Kollegen und Kolleginnen", aus dem „isolierten Elfenbeinturmdasein" herauszutreten und „ihre Arbeit in die organisierten Arbeitsmethoden des Werkkreises" einzubringen Gemeint ist damit eine sozial verbindliche Literatur, die auf kollektiver Grundlage hergestellt und gemeinsam diskutiert und veröffentlicht wird. Der Weg dürfte nicht allzu weit sein, der von hier aus zu einer unter dem Systemzwang des Sozialismus stehenden und damit bestimmten politischen Normen gehorchenden Literatur führen könnte. Der schillernde Begriff einer nicht nur formalen „Demokratisierung" läßt sich durchaus als Mittel zu diesem Endzweck gebrauchen. Freilich bleibt nach wie vor die Frage, ob eine solche Literatur wirklich dem breiten Strom der Trivialliteratur vorgezogen würde, die den Arbeitern ein Gegenbild zu ihrer Arbeitswelt zu suggerieren sucht und dabei genau berechnete emotionale Wirkungen erzielen will.

An die Stelle einer Literatur, die sich in erster Linie mit den Produktionsverhältnissen und mit der Ideologie des Klassenkampfes beschäftigt, oder einer, die in kleinbürgerliche Trivialität absinkt, sollte auch und gerade für Arbeiter eine treten, die ihren universalen Charakter behält und den Leser mit den Grunderfahrungen des Menschen, z. B. mit der Begegnung des Lebens mit dem Tode und den Gesetzen der Menschlichkeit, konfrontiert, so wie sie der russische Autor Solschenizyn gefordert hat.

IV

Offensichtlich bedarf der meist nur diffus gebrauchte Begriff der „Politisierung" einer näheren Differenzierung. In einem sehr allgemeinen Sinne ist mehr oder weniger jede Dichtung auch politisch, da sie ja in erster Linie vom Menschen und seiner jeweiligen Welt handelt, das Politische aber zur Existenz des Menschen unvermeidlich mitgehört. Jedoch geht die Totalität eines dichterischen Werkes zugleich darüber hinaus, denn ebenso hat sie es mit jenen Seiten der menschlichen Existenz zu tun, die sich dem politischen Verfügen gerade zu entziehen suchen. Selbst die Dichtung des l’art pour l’art, z. B. die des George-Kreises oder die poesie pure Celans oder der Symbolisten steht noch in einem politischen Kontext, da sie bereits eine, wenn auch negativ gemeinte Antwort auf bestimmte Gegebenheiten der modernen Zivilisation und auf soziale Bedingungen der Gesellschaft voraussetzt. Auch der einsame Mensch, sei er nun Dichter, Mönch oder Eremit, auch die Zuwendung zur „Innerlichkeit" oder zur Esoterik erlesener Zirkel sind insofern nicht unpolitisch, als sie Positionen vertreten, die nur in ihrer Entgegensetzung zu einer wie auch immer verstandenen Gesellschaft verständlich sind. Jedoch große Romane wie Goethes „Wahlverwandtschaften", Manzonis „Die Verlobten", Dostojewskijs „Dämonen", Tolstois „Krieg und Frieden", Musils „Mann ohne Eigenschaften" sind gewiß nicht um einer politischen Tendenz willen geschrieben; sie wollen auch nur in seltenen Ausnahmefällen gesellschaftliche Veränderungen hervorrufen; sie entwerfen vielmehr das Bild einer Welt im ganzen und erreichen damit eine durch die Kunst gewonnene Erkenntnis. Das Politische im engeren Sinne gehört zwar auch dazu, aber es ist nicht Selbstzweck. Das schließt freilich nicht aus, daß von bedeutenden Dichtungen der Weltliteratur, vor allem über weitere Zeiträume hinweg, auch ungewollte, große politische Wirkungen ausgehen konnten.

Ein zweiter Aspekt der Politisierung ergibt sich mit der von uns bereits erörterten Situation des Schriftstellers in seiner Nation, seinem Land, seiner Gesellschaft. Sehr häufig werden dabei freilich die Möglichkeiten des Schriftstellers zu politischer Wirkung von ihm selbst oder von seinem Publikum überschätzt, und es wird zu wenig in Rechnung gezogen, wie oft die politisierenden Autoren auf diesem Feld nur ahnungslose Dilettanten sind, die den Aufgaben der Politik in Wahrheit gar nicht gewachsen wären. Die klare Trennung von politischer Tätigkeit und schriftstellerischem Wirken ist dann redlicher. Trotzdem ist es durchaus möglich, daß der Schriftsteller eine moralische Instanz zu sein vermag.

Damit ergibt sich als dritter Aspekt der, den man die „öffentliche Verantwortung des Schriftstellers" genannt hat. Jedoch muß gerade hier zwischen dem Schriftsteller als Staatsbürger, der sich wie Grass und Lenz für die Bundesrepublik und für die Sozialdemokratie engagiert, und dem schriftstellerischen Werk unterschieden werden, das ja keineswegs nur Propaganda für eine bestimmte, sei es nun regierende oder nicht regierende Partei sein will. Außerdem müßten eigentlich die Vorkämpfer eines demokratischen Parlamentarismus jedem Schriftsteller das Recht zubilligen, als Staatsbürger auch für eine andere Partei einzutreten, ohne daß er darum bereits „borniert" genannt werden darf. Solchen Spielraum lassen die Schriftstellerverbände zwar meist nach links und sogar noch links von links durchaus gelten, aber es wäre an der Zeit, dem Schriftsteller auch eine „konservative" Position zu gestatten, von der zur Zeit pauschal behauptet wird, sie sei in jedem Falle unproduktiv. Der Begriff des „Konservativen" sollte jedoch von seiner negativen Vorbelastung allmählich befreit werden, um die nach wie vor legitimen Ansprüche konservativen Denkens — und zwar quer durch die „Parteien" hindurch — weiter vertreten zu können. Diese sind: die Einsicht, daß auch jedes „progressive" Weiterschreiten die Bewahrung des „alten Wahren" nicht entbehren kann; das Festhalten an der undoktrinär verstandenen Geschichtlichkeit des menschlichen Daseins Und damit auch an der eigenen Erinnerung und schließlich nicht zuletzt die Verteidigung der einzelnen Person gegen das personfeindliche Schema der Klassenkämpfe. Das alles steht in keinerlei Widerspruch zu der Forderung nach kritischer Reflexion über die Voraussetzungen des eigenen Standortes. In den Schriftstellerverbänden aller Art sind „Konservative" freilich heute unerwünscht, sie könnten ja auch die gemeinsam abgegebe-nen politischen Erklärungen in einigen Fällen empfindlich stören. Wie verträgt sich das aber mit dem Geist der Freiheit, der so lautstark von vielen linksintellektuellen Gruppen verkündet wird?

Außerdem sollte der Begriff der „öffentlichen Verantwortung" nicht jenen anderen Begriff der Verantwortung verdrängen, den gerade der Schriftsteller der Sprache, dem Wort und seinem literarischen Werk gegenüber hat. Man mag den Glauben an die „Schönheit" heute für antiquiert halten, aber Schönheit, die durchaus auch den Gegenpol des Häßlichen miteinschließen kann, bzw. Kunst, bleibt auch dann noch eine über das Politische hinausgehende Macht, wenn man sie negiert, weil man sie nicht mehr hervorbringen kann. Ja, es ist sogar zu fragen, ob sie nicht gerade dann eminent politisch im positiven Sinne wirken kann, wenn sie sich von ihrem Eigen-recht nichts abhandeln läßt. Das ist keineswegs nur ein Vorurteil von „Germanisten", die von Berufs wegen angeblich dazu verpflichtet sein sollen, noch an die „Dichter" zu glauben. Auch Brecht wünschte sich „die Grazie" für seinen Vers. Und Stendhal schrieb den Satz nieder: „Für mich ist Schönheit in allen Zeitaltern die höchste Eigenschaft des Nützlichen." Dostojewskijs Bekenntnis: „Die Schönheit wird die Welt erlösen" mag man hybrid finden. Aber immerhin hat sich heute noch ein so großer, gewiß nicht unpolitischer Autor wie Solschenizyn dazu bekannt.

Natürlich bedarf es dafür weit mehr als jener von Dieter Lattmann geforderten „Versachlichung" der Literatur durch „Information" oder als jener Absage Martin Walsers an das „heruntergekommene theologische Talmi . schöpferisch'" oder als des Aberglaubens an die „Kommunikationstechniken" oder als der Absage an die „Individualität" als eines angeblichen „Privilegs". Günter Grass und Heinrich Böll und ihre Gefolgschaft wehren sich spöttisch gegen die Redensart vom Schriftsteller als dem „Gewissen der Nation". Sie haben endgültig genug von den großen Worten, die ohnehin nur Relikte einer längst überholten Auffassung der liberalen, elitären und antiaufklärerischen Leitbilder eines versinkenden Bürgertums zu sein scheinen.

Vielleicht sehen sie die Situation doch nicht ganz richtig. Schriftsteller wie Lessing, Schiller und Hofmannsthai konnten sehr wohl noch das „Gewissen" ihrer Nation sein. Das verliert erst dort seinen Sinn, wo es das Bewußtsein einer solchen Nation weit weniger gibt und an seine Stelle der sehr viel allgemeinere Begriff der Gesellschaft getreten ist. Die Absage an das Schöpferische gewinnt erst ihren geschichtlichen Stellenwert, wo dieser Maßstab lächerlich wird angesichts einer großen Armee von Worturhebern, denen in der Tat kein „Genius" mehr beisteht, wenn sie den „Rohstoff Geist" auf möglichst routinierte und Erfolg versprechende Weise gesellschaftlich umsetzen wollen. Ganz auf das „Kreative", auf Phantasie und Schärfung der Sinne können glücklicherweise auch sie nicht verzichten. Rationalisierung, Information, Aufklärung und Kritik reichen allein nicht aus, solange es Schriftsteller gibt und geben wird, die wir Dichter nennen dürfen, auch, wenn sie es für sich selbst entschieden ablehnen sollten. Waren und sind etwa Fontane, Thomas Mann und heute Solschenizyn keine Dichter? Und auch, wenn wir lieber das Wort Schriftsteller für sie einsetzen, um dem abgeschmackt Musealen des spätbürgerlichen Dichterkultus zu entgehen: an ihrem geistigen Rang ändert das nichts; denn, was sie geschaffen haben, ist nicht politisierte Worturheberei, sondern Kunst, die eine ungleich größere Kraft im Spiel der politischen Kräfte gewesen ist und auch weiter bleiben wird als das Kollektiv, wie es uns der „Autorenreport"

anbietet.

Es ist verständlich, daß viele Autoren von heute die Kluft zwischen dem Schriftsteller und der Gesellschaft schließen wollen, aber das Schließen dieser Kluft ist paradoxerweise ebenso zu wünschen wie zu fürchten; zu wünschen, weil der einzelne Autor, sei er nun Dichter oder Schriftsteller, doch mehr sein sollte als bloß ein „Narr" in unserem gemeinschaftlichen Leben; zu fürchten, weil mit der völligen Assimilierung des Autors durch die Gesellschaft dieser das Beste aufgegeben hätte, was wir ihm zu danken haben, nämlich das Faktum, daß es die Existenz des nicht angepaßten und des eben darum auch individuellen, sich frei verantwortenden Menschen auch und gerade in einer demokratischen Gesellschaft weiter geben wird, weiter geben muß. Hierzu hat wiederum Günter Grass kluge, und, wie ich meine, zutreffende Bemer15 kungen gemacht, Schriftsteller seien „exzentrische Einzelwesen", „auch wenn sie sich auf Tagungen zusammenrotten". Sie können, wenn sie wollen, durchaus „demokratischen Kleinkram betreiben" und damit innerhalb der Politik „Kompromisse anstreben"; das „Gedicht" aber „kennt keine Kompromisse", obwohl wir von Kompromissen leben müssen. „Wer diese Spannung tätig aushält, ist ein Narr und ändert die Welt"

V.

Wir haben nach dem Verhältnis des Schriftstellers von heute zur Politik gefragt; die Frage läßt sich auch umkehren: Wie steht der Politiker von heute zum Schriftsteller? Ludwig Erhards verärgerter Ausspruch über die „kleinen Pinscher" ist uns in fataler Erinnerung geblieben. Der von der CDU geführten Regierung ist es niemals gelungen, zu den „Intellektuellen", die sie nicht ernst nahm, ein richtiges Verhältnis zu finden. Willy Brandt gelang das weit besser. Die freiwillige Bürgerinitiative gab auch bedeutenden deutschen Autoren die Möglichkeit, sich in den Dienst des Wahlkampfes für die SPD zu stellen. In seiner Rede auf dem Schriftstellerkongreß in Stuttgart am 21. November 1970 betonte der Bundeskanzler mit Nachdruck, daß es zur Demokratie gehöre, „die Kluft zwischen Volk und Behörde, auch zwischen Bürger und Parlament durch genaue Sprache" zu überbrücken. Die Frage, ob die Politik die Schriftsteller brauche, beantwortete er daher mit einem klaren Ja. Die Chance des Schriftstellers sei es, „ein Bild vom heute lebenden, vom ganzen Menschen erscheinen zu lassen, der in den Wissenschaften notgedrungen aufgespalten werden muß". Das Zusammenwirken von Schriftstellern und Politikern stände unter dem gemeinsamen Ziel, daß „nicht abermals die Vernunft an der Ignoranz scheitern" darf.

Dieses harmonisierende Gemälde verdeckt jedoch die Kluft, die die Schriftsteller von den Politikern oder auch umgekehrt jene von diesen trennt. Staatstreue Bindung braucht zwar keinem Schriftsteller zu schaden, aber sie schwächt auch zuweilen die Kraft, die er aus dem geistigen Widerstand gegen das jeweilige Establishment gewinnt. Die Politiker wiederum werden in den meisten Fällen die schriftstellerischen Utopien in ein wirkungsloses Reich der Träume verabschieden. Das gelegentliche „Gespräch" zwischen den beiden Gruppen kann über diese Gegensätze nicht hinwegtäuschen: Der Politiker wird die Schriftsteller nur solange schätzen, als sie sich für die Zwecke seiner staatlichen Führung gebrauchen lassen, der Schriftsteller von Rang wiederum bleibt im machtpolitischen Bereich mehr oder weniger exterritorial. Diese Spannung wird freilich erst dort gefährlich, wo der Staat einen „totalitären" Anspruch erhebt. Niemand wird von den Politikern verlangen, daß sie etwas von Literatur verstehen müssen, das wird immer nur ein einzelner Glücksfall sein; hingegen sollte der heute fast durchgängig erhobene Anspruch, der Schriftsteller habe sich in erster Linie oder gar ausschließlich mit der Politik zu beschäftigen, nicht unwidersprochen hingenommen werden. Ein Autor muß seine Sache auch noch jenseits der Politik oder sogar gegen sie vertreten dürfen. Sie ist ihrer Natur nach weit universaler. „Vernunft" allein wird in vielen Fällen dafür nicht genügen. Ein Schriftsteller läßt sich nicht nach politischen Maßstäben beurteilen, sondern nur nach den Gesetzen, die er für sich selber anerkennt.

Wie ambivalent in Wahrheit auch heute das Verhältnis des Schriftstellers zur Politik ist, das wollen wir abschließend an drei besonders herausgehobenen Fällen zeigen. Der zur Zeit prominenteste deutsche Schriftsteller ist der Vorsitzende des internationalen Pen, der Nobelpreisträger Heinrich Böll. Als junger, sich mit Vorliebe der satirischen Kurzform bedienender Autor hatte er sein Bekenntnis zur „Kriegsheimkehrer-und Trümmerlitera-tur" abgelegt. Seine Kritik galt schon damals der verwalteten Welt, bald danach dem „Wirtschaftswunder" und einer weltlich gesinnten katholischen Kirche. Er argumentierte jedoch nicht so sehr als zorniger Schriftsteller, sondern trat als ein Autor auf, dessen „Auge" „menschlich und unbestechlich" sein wollte. Seine Entscheidung fiel zugunsten einer „Ästhetik des Humanen" und verband sich mit einer wohltuenden Verteidigung des Humors. Die für Böll charakteristische Mischung von Weichheit und Zeitkritik, von Sentimentalität und Moralität ließ ihn zum repräsentativen Dichter der deutschen Nachkriegszeit werden. Dazu mochte auch seine Sympathie für das „Kleine-Leute-Milieu" beigetragen haben, von dem allein — nach Bölls Meinung — in unserem Zeitalter noch lebens-echt erzählt werden kann. Später ging der Spielraum seiner Darstellung darüber hinaus. Mit der Geschichte von den drei Generationen in einer rheinischen Großfamilie „Billard um halbzehn“ (1959) erreichte er einen gewissen Höhepunkt seines literarischen Schaffens. Immer mehr nahm Böll auch persönlich, wenn auch auf heftig umstrittene Weise, zu aktuellen gesellschaftspolitischen Vorgängen Stellung; er sprach sich kritisch über die Polizei der Bundesrepublik aus und brachte Verständnis für die Radikalen auf, ohne sich jedoch mit ihnen zu identifizieren. In allen diesen Fällen wußte er das moralische Gewicht seiner Person in die Waagschale zu legen. Anfang Mai 1973 hielt er als Nobelpreisträger in Stockholm seine Rede „Versuch über die Vernunft der Poesie“ Diese Rede — das muß leider gesagt werden — war enttäuschend. In ihr spiegelte sich die Krise einer „bürgerlichen" Literatur, die nicht mehr den Mut hat, sich zum Bürgertum zu bekennen.

Vielmehr versuchte Böll in einer vermischenden und verknäuelten Ausdrucksweise jedem mehr oder weniger recht oder auch unrecht zu geben. Paradoxerweise setzte er mit einer Verteidigung des Irrationalen ein, mit jenem sich der Vernunft entziehenden „Rest Unberechenbarkeit", den er in freilich sehr unbestimmter Weise sowohl als „Ironie" und „Fiktion", aber auch als „Poesie", „Gott" und „Widerstand" bezeichnete. War nicht schon dies ein Konglomerat von Widersprüchen?

Böll glaubte, diesen „Rest" überall finden zu können, vom ausführlich und idyllisch beschriebenen eigenen Arbeitstisch und seiner Historie bis zum Brückenbau, zum Brötchen-backen und zur angeblichen „Mystik des Geldes", dies alles kulminierend im Unberechenbaren des schriftstellerischen Werkes, das nicht in ein politisches Engagement eingespannt werden darf. Kürzer hatte das bereits der Dänenprinz Hamlet bei Shakespeare gesagt: „Es gibt mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, als Eure Schulweisheit sich träumen läßt."

Solches Eintreten für das Irrationale der Poesie mit der Absage an alle Bilderstürmerei konnte man sich gefallen lassen; fatal freilich wurde es dort, wo es noch ganze Bereiche der Zivilisation wie Telefonrechnungen, Policen und Geldscheine usw. überschwemmte. Im weiteren Verlauf seiner Rede wurde Böll aggressiver. Seine heftigen Affekte galten dem Rationalismus des Abendlandes, das heißt zugleich dem Kolonialismus, Imperialismus und Kapitalismus, sie galten ferner den „amtlichen Verwaltern Gottes", dem Katechismus und der Knechtung durch das Pfäffische, sie galten allen Gestalten und Formen staatlicher oder kirchlicher Unterdrückung. Mit einem bemerkenswerten Salto mortale wurde nunmehr das Irrationale der Poesie, wie es nach seiner Meinung bei den Indianern einst noch seine naturhafte Heimat gefunden hatte, nunmehr in eine „Vernunft der Poesie" umgedeutet; die Kunst erwies sich als ein besonders gutes und listiges Versteck gegen die Vorherrschaft einer Klassen-Gesellschaft. Mit einer solchen Kunst sei aber nicht eine „privilegierte", eine „bürgerliche Instanz" gemeint.

Die Alternativen: konservativ-fortschrittlich oder auch nichtengagierte-engagierte Literatur sind nach Bölls Meinung Schein-Alternativen. Die Stärke einer ungeteilten Literatur sei die „Internationalität" ihres „Widerstandes".

Wie Böll diesen auffaßt, verrät folgender hochpolitischer Satz: „Es mag für einen politischen Häftling oder auch nur isolierten Oppositionellen etwa in der Sowjetunion falsch oder gar wahnsinnig erscheinen, wenn man in der westlichen Welt gegen den Vietnamkrieg protestiert — man mag das psychologisch verstehen für ihn da in seiner Zelle oder seiner gesellschaftlichen Isolation —, und doch müßte er erkennen, daß die Schuld der einen nicht aufgerechnet werden kann gegen die Schuld der anderen, daß, wenn für Vietnam demonstriert wird, für ihn mitdemonstriert wird!" Das ist aber eine sehr utopische und insofern rein „dichterische" Form von Politik, deren reale Chancen ich nicht zu sehen vermag. Böll freilich versteht es, alles auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen, den Atheisten Arrabal und den Christen Solschenizyn, den Protest gegen den Vietnamkrieg und die USA sowie das Eintreten für die Leiden der in der Sowjetunion verfolgten Schriftsteller, den diesseitigen Realismus und den Glauben an den verkörperten Gott. Wer sollte einer solchen „Vernunft der Poesie" nicht zustimmen, die das alles zuwege bringt! Aber gelingt, ihr das wirklich? Weicht nicht eine solche Rationalisierung des Irrationalen den politischen Entscheidungen gerade aus, indem sie sie ins Unbestimmte verlagert? Böll bekennt sich weder zu einer eindeutig ästhetischen Position, die das Eigenrecht der Poesie vor der Übermacht der Politik zu schützen versucht, noch zu einer radikal politischen, die die Politisierung des Schriftstellers so weit vorwärtstreibt, daß der Anspruch der Poesie mehr oder weniger zerstört wird. Gewiß: eine solche vermittelnde, linksliberale Haltung zwischen Poesie und Politik macht Böll vielen sympathisch, zumal sie sich mit einem sittlichen Gewissen verbindet. Das alles ließ ihn, ob nun gewollt oder nicht gewollt, zu einer Art Heilsfigur in der Bundesrepublik werden. Aber es fragt sich, ob diese „Internationalität", die nicht „Neutralität" sein will, ob dieser Versuch, das Irrationale der Kunst zu retten, indem es in ein „vernünftiges" Versteck des Widerstandes gegen die „Arroganz" der Vernunft uminterpretiert wird, nicht dadurch zum Scheitern verurteilt ist, daß er sich zu sehr nach zwei Seiten offenzuhalten versucht. Er kommt dem bürgerlichen Bedürfnis nach dem „Schönen" durch die Verklärung der Poesie entgegen, aber er erteilt zugleich dem Bürgertum und seinen „Privilegien" eine Absage. Was dabei übrigbleibt, ist eine merkwürdige Mischung von Nostalgie und Progressivität. Böll preist die „Demut", begehrt aber zugleich gegen Demütigungen von oben — welcher Art sie auch seien — leidenschaftlich auf. Läßt sich das allzu Allgemeine und Unbestimmte dieser Haltung wirklich als die von Böll bejahte „internationale Bewegung nach einer klassenlosen oder nicht mehr klassenbedingten Literatur" interpretieren? Ist sie nicht vielmehr die etwas larmoyant geratene Klage des Bürgertums über seine in der Geschichte erlittenen Verluste?

Ende Oktober 1973 hielt der junge Peter Handke (geb. 1942), dem die Deutsche Akademie zu Darmstadt den angesehenen Büchnerpreis verliehen hatte, seine Rede „Wie wird man ein politischer Mensch?" Peter Handke stand bisher im Zwielicht von Subjektivität und Gesellschaftskritik. Damit galt er als politisch „links". Seine Abneigung, in seinen Dramen nach bisher üblichen Mustern und Schablonen zu verfahren, wurde als „progressiv" gewertet. Sehr bald freilich änderte sich dieses Publikumsbild ins Gegenteil. Handkes Aufsätze „Die Literatur ist romantisch" (1966) und „Ich bin ein Bewohner des Elfenbeinturms" (1967), deren Titel keineswegs ironisch gemeint sind, wurden ihm ebenso wie seine Dichtungen als „Formalismus", „Romantizismus", als „Rückzug in die Innerlichkeit", als Schriftstellerei mit mangelnder „gesellschaftlicher Relevanz" angekreidet. In der Tat waren dort Sätze zu finden, die dem „Engagement" und der Politisierung des Schriftstellers eine unmißverständliche Absage erteilen: „Ein engagierter Schriftsteller kann ich nicht sein, weil ich keine politische Alternative weiß zu dem, was ist, hier und woanders (höchstens eine anarchistische)." Oder: „Es interessiert mich als Autor übrigens gar nicht, die Wirklichkeit zu zeigen oder zu bewältigen, sondern es geht mir darum, meine Wirklichkeit zu zeigen (wenn auch nicht zu bewältigen)." Ein „Zweck" für die Kunst sei ein Unding, Kunst wäre ihrem Wesen nach „Form" und als solche „höchstens ein ernsthaftes Spiel" Da jedes „Engagement" durch die literarische Form „entwirklicht", „überspielt" wird, sei der Begriff des politischen Engagements — so polemisiert Handke gegen Sartre — auf die Kunst überhaupt nicht anwendbar. Ein Autor wie Handke schreibt nicht, um die Welt zu ändern; er will im Schreiben sich über sich selbst klar-werden, sich kennenlernen und Organe der Aufmerksamkeit und Sensibilität ausbilden. Auf der ganzen Linie ist das die Absage eines auf sich selbst gestellten Künstlers an den Prozeß der Politisierung und Kollektivierung.

Will er nun doch ein „politischer Mensch" werden? Die Antwort konnte weder ein klares Ja oder Nein sein. Es ist freilich schwer, sich heute als Schriftsteller dem ungeheuren Druck der politischen Wirklichkeit zu entziehen. Das weiß auch Handke. Er gibt zu, politische Aktionen nur wie „Sportreportagen" verfolgt zu haben, aber er fühlte sich dennoch „betroffen", wenn „die Politik blutig wurde". Allerdings fand er kein Verständnis für den dialektischen Sprung, der zwischen „Opfern" und „Opfern" jeweils so spitzfindig zu unterscheiden wußte. Ausdrücklich erklärt er, er sei bis jetzt unfähig, „eine in jeder Einzelheit politische Existenz zu führen". So wird man auch seinen kreatürlichen Ekel vor der Macht, die aus der Gewalt ein „Ritual" machen kann, eher als primär menschlich, nicht aber als politisch verstehen müssen.

Den Totalitätsansprüchen der Begriffe, das heißt also auch den Ideologien, stellt er in einer keineswegs hochmütigen Weise seine dichterische Existenz gegenüber. Diese vermag die Existenz anderer noch an sich selbst zu verspüren, wenn auch eher „als Schauspieler, der sich verkörpert, schaudernd und doch fast mit einem Wohlgefühl". Damit wandelt sich die Frage Handkes: wie wird man ein politischer Mensch? in die ihn weit mehr betreffende: wie wird man ein poetischer Mensch? Seine Antwort lautet: „Wenn ich jemandem Mitgefühl, soziale Aufmerksamkeit, Freundlichkeit und Geduld beibringen will, befremde ich ihn nicht, mit der abendländischen Logik, sondern versuche ihm zu erzählen, wie es mir selber einmal ähnlich erging, das heißt, ich versuche mich zu erinnern."

Es wäre ganz verkehrt, diese Position als einen bequemen Rückzug ins rein Ästhetische mißzuverstehen. Dieser junge Autor hat das allzu Künstliche unserer modernen Welt bis in die Sprache hinein auf fast erschreckende Weise wahrgenommen. Seine Berufung auf die subjektive Erfahrung will sich von hier aus den Weg auf ein neues, noch nicht verbrauchtes Allgemeines offenhalten. Er setzt sich mit Nachdruck für das Recht des Künstlers ein und macht von seinem eigenen subjektiven Ort aus sichtbar, was dieses Künstler-und Dichtertum in unserer unter politischen Zwängen und sprachlich unglaubhaft gewordenen Gemeinplätzen stehenden Welt noch bedeuten kann. Formulieren wir es paradox: Ein politischer Mensch kann Handke nur werden, indem er seinen Weg als unpolitischer Schriftsteller unbeirrt weitergeht.

Unser drittes und letztes Beispiel liegt außerhalb des deutschen Sprachbereichs. Der Nobelpreis des Jahres 1970 wurde dem russischen Schriftsteller Alexander Solschenizyn zuerkannt. Seine Nobelpreisrede durfte aus politischen Gründen nicht gehalten werden, aber man kann sie in russischer und deutscher Sprache nachlesen Sie ist ein ebenso politisches wie poetisches Dokument. Poetisch ist sie, weil sie in einer gehobenen, sich dem Dichterischen annähernden Sprache re-det. Erst die Macht des Wortes gibt der vorgetragenen Überzeugung Evidenz. Politisch ist sie, weil hier ein einzelner, nur auf das Wagnis seines Glaubens gestellt, für seinen eigenen riesenhaften Staat eine nicht nur literarische, sondern vor allem moralische Herausforderung bedeutet. Wenn irgendeiner, so könnte er vielleicht die These von der Ohnmacht des Geistes widerlegen. Ein totalitäres System der Macht und Gewalt vermag Solschenizyn wie jeden anderen auch verschwinden zu lassen oder gar umbringen; aber seine Worte und Werke lassen sich nicht auslöschen, sie leben weiter. Bereits damit ist Solschenizyn ein eminent politischer Fall.

Seine Nobelpreis-Rede setzt jedoch nicht mit der Politik, sondern mit der Kunst ein. Was er dabei zu sagen hat, könnte man voreilig als „konservativ" diffamieren. Ist ja doch auch die Prosa seiner großen Romane nicht modern experimentell, sondern knüpft an bedeutende russische Erzähltraditionen des 19. Jahrhunderts an. Von einer „gesellschaftlichen" Relativierung der Kunst hören wir bei ihm nichts. Vielmehr heißt es geradezu emphatisch: „Durch die Kunst werden uns manchmal — nur andeutungsweise und für Augenblicke — Offenbarungen zuteil, wie sie der denkende Verstand nie erzielen kann.“ Das so verstandene Kunstwerk „trägt sein Prüfmaß in sich selbst", es schöpft aus der Wahrheit und ist daher auch nach Jahrhunderten nicht widerlegbar. Solschenizyn schreckt nicht davor zurück, die „abgedroschene Parade-Formel" von der Dreieinigkeit des Wahren, Guten und Schönen noch einmal ernst zu nehmen. Er steht also weit entfernt von jenen deutschen „Worturhebern", die den „Rohstoff Geist" als „Ware“ in den Medien verkaufen wollen. Konservativ ist, so scheint es zunächst, auch seine Auffassung von der Bestimmung der Schriftsteller: „Sie sind es, die der Sprache ihres Volkes Ausdruck geben — dem gültigen Inbegriff der Nation und selbst des Bodens, der von einem einheitlichen Volk bewohnt wird, im Glücksfall auch der nationalen Seele." Das alles sieht nach einer bei uns längst versunkenen Terminologie aus. Jedoch geht Solschenizyns Begriff der „Kommunikation" weit darüber hinaus, er appelliert an die verbindende Kraft der Weltliteratur über die Kontinente hinweg; hier überträgt die Kunst „die ganze Fracht fremder lebenslanger Erfahrung mit allem Gewicht, allen Farben und Säften, erschafft sie aufs neue die von anderen ge19 machte Erfahrung — und bewirkt, daß man sie als eine eigene annimmt".

Dieser dem Materialismus, der Indoktrinierung und dem intoleranten Radikalismus der Jugend absagende Glaube an die Kunst, der die Rede von ihrem Untergang nur für Geschwätz hält, gewinnt aber erst seine Profilierung durch die sehr realistische Einsicht dieses Schriftstellers in die zerreißenden Gegensätze zwischen den Nationen, den Klassen und den Rassen. Der Autor malt das geradezu apokalyptische Bild eines Zeitalters, das keine allgemeingültigen Begriffe vom Guten und von der Gerechtigkeit mehr anerkennt, das alles dies für fließend und wandelbar hält und nur noch die egoistischen Interessen der jeweils eigenen Partei verfolgt. Er sieht die Gefahren, die durch die Intoleranz, die Indoktrinierung und „die Zerschneidung des Informationsstromes zwischen den Teilen unseres Planeten" entstehen.

Welche Rolle hat in dieser grausamen, dynamischen, explosiven Welt der Schriftsteller? Ist er nicht jenen jeweils verschiedenen Wertskalen ausgeliefert, die die Völker trennen und sie oft auch unfähig machen, die Leiden anderer, entfernterer zu begreifen? Ist er nicht machtlos? Solschenizyn hat ja am eigenen Leibe erfahren, was politische Verfolgung bedeutet, was es heißt, der Gewalt ausgeliefert zu sein und sich mit Kolonnen von Strafgefangenen von Lager zu Lager zu schleppen. Aber seine Kraft wurde dadurch nicht gebrochen, und er vermochte dennoch „durch einen Spalt" jenen Überblick zu gewinnen, der „die ganze Welt" sichtbar und erkennbar macht. Daher ist sein Bekenntnis zur Kunst keine weltfremde, „idealistische"

oder gutbürgerliche Tirade, sondern die aktive und damit auch politische Warnung vor dem Verlust der Maßstäbe im Hader der Parteien und in einer den Menschen so oder so erniedrigenden Umwelt. Erst das gibt diesem Bekenntnis seine Substanz. Es wird glaubhaft durch die Leiden und das dennoch Ungebrochene der Person, die hinter ihm steht. Eben dies ließ den Dichter zum Ärgernis werden nicht nur für die Sowjetunion, sondern auch für die DDR. Was er schreibt, hat öffentlichen Charakter, mag es auch noch so sehr auf persönlicher Erfahrung beruhen. Die Wirkung seiner Romane war vielleicht gerade darum so groß, weil sie nicht „reaktionäre Tendenz-dichtung" darboten, wie ihnen im Osten vorgeworfen wurde, sondern die Wahrheit enthüllten, erblickt im Spiegel der Dichtung. Der Schriftsteller kann heute — so meint Solschenizyn — nicht mehr in das Private und Innerliche ausweichen, „er ist mitschuldig an allem Bösen, das in seinem Land oder von seinem Volk verübt wird", es wäre Vermessen-heit, sich „nicht verantwortlich zu erklären für die Geschwüre der heutigen Welt".

Aber was soll er dagegen tun? Die Antwort, die dieser bedeutende Autor gibt, fordert keineswegs wie manche der deutschen Linksintellektuellen die Politisierung der Literatur unter Preisgabe der Kunst. Im Gegenteil! Die Chance des Schriftstellers besteht darin, daß die Gewalt nicht ohne die Lüge fortexistieren kann, dem Schriftsteller aber der Sieg über die Lüge möglich ist. Solschenizyns Appell an die Schriftsteller der ganzen Welt schließt mit einem russischen Sprichwort:

Ein einziges Wort der Wahrheit kann die ganze Welt auiwiegen.

Den Maßstab der Kunst, der hier aufgerichtet ist, mag man bezweifeln, zumal er identisch ist mit dieser einen Person, die ihn vorgelebt hat. über den Rang dieses Mannes sollte man sich einig sein. Seine Position wurzelt noch jenseits der Politik in der Kunst und in der Religion. Aber, was er als Schriftsteller schuf, hat trotzdem oder sogar gerade deswegen weitreichende politische Konsequenzen gehabt. Daher möchte ich an das Ende meiner Betrachtungen einen kühnen, herausfordernden Satz von ihm aus seinem Roman „Der erste Kreis der Hölle" stellen: „Ein großer Schriftsteller ... ist so etwas wie eine zweite Regierung. Darum hat auch keine Regierung je die großen Schriftsteller geliebt, sondern nur die kleinen."

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. Der Autorenreport, Reinbek 1972, (= Autorenreport), VIII. Kap.: „Selbstverständlich stehe ich links", S. 401 ff.

  2. Köln/Berlin 1969. Die nachfolgenden Zitate nach dem Auszug: Fiktion und Praxis, in: Poesie und Politik. Zur Situation der Literatur in Deutschland, hrsg. v. Wolfgang Kuttenkeuler, Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz, (Sprache und» Literatur 73) S. 329— 340. Der auch im folgenden wiederholt herangezogene wichtige Quellenband = Kuttenkeuler.

  3. Kuttenkeuler, S. 336.

  4. In: Tintenfisch 3, Jahrbuch für Literatur, hrsg. von Michael Krüger und Klaus Wagenbach, Berlin 1970, Kuttenkeuler, S. 358— 366.

  5. Kuttenkeuler, S. 362.

  6. In: Kursbuch 15 (1968), hrsg. von Hans Magnus Enzensberger, Frankfurt/M, Kuttenkeuler, S. 319— 328, das Zitat S. 325.

  7. So z. B. in der reichlich verworrenen Einleitung zu dem von Peter Stein herausgegebenen Buch: Theorie der politischen Dichtung, München 1973, S. 39 ff. Auf die dort auch gegen Arbeiten von mir geführte Polemik, die heute 40 Jahre (!) zurückliegen, verzichte ich zu antworten.

  8. Hans Magnus Enzensberger, Baukasten zu einer Theorie der Medien, in: Kursbuch 20 (1970); Kuttenkeuler, S. 367— 374, das Zitat dort S. 374. Zu Enzensberger vgl. ferner: Deutsche Dichter der Gegenwart, Berlin, 1973: Edgar Lohner, S. 531— 544.

  9. In: Materialien zu Peter Weiss'Marat/Sade, zusammengestellt von Karlheinz Braun, Frankfurt 1967, Kuttenkeuler, S. 293–298

  10. Zu Peter Weiss vgl. Peter Michelsen, in: Deutsche Dichter der Gegenwart, S. 292— 325; ferner Benno von Wiese in: Der andere Hölderlin. Materialien zum , Hölderlin'-Stück von Peter Weiss, Frankfurt 1972, S. 217— 246.

  11. Darüber Benno von Wiese: Der Gegenstandsschwund in der deutschen Literaturwissenschaft, in: Acta Germanica, Bd. 5, 1970, S. 1— 11, ferner: Ist die Literaturwissenschaft am Ende? FAZ, Nr. 239 vom 13. Oktober 1973.

  12. Reinbek 1972.

  13. Zu Martin Walser vgl. Thomas Beckermann, in: Deutsche Dichter der Gegenwart, S. 563— 588.

  14. Vgl. Martin Walser: Engagement als Pflichtfach für Schriftsteller, in: Martin Walser, Heimatkunde. Aufsätze und Reden, Frankfurt 1968; Kuttenkeuler, S. 304— 318, dort S. 315: Die Schriftsteller „bringen in ihren Büchern ihre eignen Schwierigkeiten zum Ausdruck" usw.

  15. Autorenreport, S. 21.

  16. Vgl. zu dieser Thematik Benno von Wiese: Dichter, Schriftsteller, Narren, in: Literatur und Dichtung, hrsg. von Horst Rüdiger, Stuttgart 1973, S. 93— 106.

  17. München 1971 und 1973.

  18. über Heinrich Böll vgl. Marcel Reich-Ranicki, in: Deutsche Dichter der Gegenwart, S. 326— 340.

  19. über Günter Grass ebenda Wilhelm J. Schwarz, S. 560— 572.

  20. über Siegfried 'Lenz ebenda Colin A. H. Russ, S. 545— 559.

  21. über Ernst Jünger ebenda Rolf Schroers, S. 83— 97; über Friedrich Georg Jünger vgl. Erwin Jaeckle, S. 98— 109.

  22. über Carl Zuckmayer ebenda Siegfried Sudhof, S. 64— 82.

  23. über Wolfgang Koeppen ebenda Wolfdietrich Rasch, S. 210— 230.

  24. über Marie Luise Kaschnitz ebenda Lotte Köhler, S. 153— 167; über Elias Canetti ebenda Manfred Durzak, S. 195— 209; über Karl Krolow ebenda Klaus Jeziorkowski, S. 395— 412.

  25. über Wolfgang Hildesheimer ebenda Dierk Rodewald, S. 277— 291.

  26. über Arno Schmidt ebenda Gerhard Schmidt-Henkel, S. 261— 276.

  27. über Uwe Johnson ebenda Albert Berger, S. 647— 661.

  28. über Hans Erich Nossack ebenda Wendelin Schmidt-Dengler, S. 138— 152.

  29. Schriftsteller in der Wohlstandsgesellschaft, in: Tribüne 10 (1972), Kuttenkeuler, S. 391— 395, das Zitat S. 392.

  30. Autorenreport, S. 365.

  31. Entwicklungsland Kultur, München 1973, S. 68.

  32. Ebenda, S. 82.

  33. Einigkeit der Einzelgänger, München 1971, S. 31.

  34. Uber Paul Celan vgl. Beda Allemann, in: Deutsche Dichter der Gegenwart, S. 436— 451.

  35. Uber Günter Eich ebenda Susanne Müller-Hanpft, S. 341— 353.

  36. Uber Ingeborg Bachmann ebenda Edgar Marsch, S. 515— 530.

  37. Der Schriftsteller vor der Realität, in: über Günter Eich, hrsg. v. S. Müller-Hanpft, Frankfurt 1970, S. 19.

  38. Kulturkritik und Gesellschaft, in: Prismen, 1963, S. 26.

  39. Zitiert nach Rolf Hochhuth: Soll das Theater die heutige Welt darstellen?, in: Kuttenkeuler, S. 287.

  40. Zu Hilde Domin vgl. Horst Meller, in: Deutsche Dichter der Gegenwart, S. 354— 368, ferner: Das politische Gedicht und die Öffentlichkeit, in: Kuttenkeuler, S. 375— 384.

  41. Zu Rolf Hochhuth vgl. Gerhard Weiss, in: Deutsche Dichter der Gegenwart S. 619— 631, vgl. ferner für sein betontes Eintreten für den einzelnen den in der Anmerkung 39 genannten Aufsatz; ferner Hans Joachim Schrimpf, Die Schaubühne als moralische Anstalt betrachtet. Zum politisch engagierten Theater im 20. Jahrhundert: Piscator, Brecht, Hochhuth, in: Untersuchungen zur Literatur als Geschichte, Festschrift für Benno von Wiese, Berlin 1973, S. 559— 578.

  42. In: Kuttenkeuler, S. 91— 136.

  43. Die politische Lyrik im 20. Jahrhundert, Göttingen 19723, dort auch auf S. 54 das obengenannte Gedicht von Brecht „Rückkehr" (Sonst in: Gedichte 6, Frankfurt 1969, S. 9).

  44. Zu Helmut Heißenbüttel Elisabeth Endres in: Deutsche Dichter der Gegenwart, S. 469— 480.

  45. Entwicklungsland Kultur, S. 109.

  46. Dazu weiteres bei Eberhard Lämmert, in: Kuttenkeuler, S. 43— 68.

  47. Zitiert nach Autorenreport, S. 373.

  48. In: über das Selbstverständliche, Politische Schriften, München 1969, Kuttenkeuler, S. 299— 303, die zitierte Stelle S. 303.

  49. Schriftsteller und Politik als Partner in der Verantwortung für Staat und Gesellschaft, Kuttenkeuler, S. 385— 390.

  50. Abgedruckt in der FAZ am 3. Mai 1973, die angeführten Zitate sind diesem Abdruck entnommen.

  51. Uber Peter Handke vgl. Peter Pütz, in: Deutsche Dichter der Gegenwart, S. 662— 675.

  52. Abgedruckt in der Süddeutschen Zeitung vom 27. /28. Oktober 1973, die nachfolgenden Zitate nach dieser Vorlage.

  53. Peter Handke, Prosa — Gedichte —• Theater-stücke — Hörspiel — Aufsätze, Frankfurt 1969, S. 270 und 269.

  54. Ebenda, S. 281.

  55. A. Solschenizyn, Nobel-Preisrede über die Literatur 1970, München 1973; vgl. ferner: Der Fall Solschenizyn. Briefe, Dokumente, Protokolle, Frankfurt 1970.

  56. Der erste Kreis der Hölle, Frankfurt 1968, S. 474.

Weitere Inhalte

Benno von Wiese, Dr. phil. und Dr. h. c., geb. am 25. Sept. 1903 in Frankfurt/Main; Studium der Fächer Philosophie, neuere deutsche Literatur-geschichte und Soziologie; als Dozent und später als o. Professor für neuere Germanistik seit 1929 an den Universitäten Bonn, Erlangen, Münster und Bonn tätig; seit 1970 emeritiert. Hauptwerke: Die deutsche Tragödie von Lessing bis Hebbel, Hamburg, zuerst 1948, 8. Aufl. 1973; Die deutsche Novelle von Goethe bis Kafka, Interpretationen, l. Band Düsseldorf 1956, 2. Band ebenda 1962; Friedrich Schiller, Stuttgart 1959; Eduard Mörike, Tübingen/Stuttgart 1950; Karl Immermann, Homburg a. d. Höhe 1969. — Zum 70. Geburtstag erschien die Festschrift: Untersuchungen zur Literatur als Geschichte, hrsg. v. V. J. Günther, H. Koopmann, P. Pütz und H. J. Schrimpf, Berlin 1973, darin auch ein ausführliches Verzeichnis der Schriften von Benno von Wiese, S. 579— 598.