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Politik als moralisches Problem | APuZ 44/1957 | bpb.de

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APuZ 44/1957 Joseph von Eichendorff. Der Dichter und die Wirklichkeit der Geschichte Politik als moralisches Problem Freiherr vom Stein: Ordnung und Freiheit

Politik als moralisches Problem

HANS ROTHFELS

Festrede zur 200-Jahrfeier des Geburtstags des Freiherrn vom Stein, gehalten in der Berliner Kongreßhalle am 26. Oktober 1957

Zum zweiten Mal innerhalb eines Vierteljahrhunderts, tritt aus Anlaß eines äußeren Jubiläums die Gestalt des Freiherrn vom Stein in den breiten Lichtkegel öffentlichen Gedenkens. Daß das heute mit besonderem Nachdruck in Berlin geschieht, der geheimen Hauptstadt deutscher Lande, die zugleich das offenkundigste Symbol ihrer Teilung wie ihrer Zusammengehörigkeit ist, bedarf kaum der ausdrücklichen Begründung. Keines der Stein-Zitate wird bei der 200-Jahrfeier seines Geburtstages vermutlich öfter aufgerufen werden als jene Sätze, die der Reichsfreiherr aus dem Exil in Petersburg am 1. Dezember 1812 an den Grafen Münster schrieb:

„Es ist wir leid, daß E. E. in wir den Preußen vermuten und in sich 'den Hannoveraner entdecken. Ich habe nur ein Vaterland, das heißt Deutschland, und da ich nach alter Verfassung nur ihm und keinem besonderen Teil desselben angehörte, so bin ich auch nur ihm und nidit einem Teil desselben von ganzer Seele ergeben.“

Es wird von der besonderen Bezugnahme auf die alte deutsche Verfassung, die sich in diesem wie in anderen Briefen Stein findet, hier zunächst abzusehen sein, der elementare und verpflichtende Sinn seiner Aussage, seines Bekenntnisses zum ganzen Deutschland steht außer Frage. In der Tat läßt sich zeigen, daß der Lebensbereich des Reichsfreiherm, der um das Lahntal, um Main und Rhein kreiste, und der andere, der für 20 Jahre seinen Mittelpunkt in Westfalen hatte und der die Altersjahre wiederum umfängt, — daß dieser Bereich mit der Ellipse, deren beide Brennpunkte Berlin und Königsberg waren, innerlich zusammengehört, daß also Westen und Osten in Stein zu fruchtbarster Wechselwirkung gelangten. Jede einseitige Reklamation, erst recht jeder Versuch propagandistischer Festlegung des Reichsfreihern von einer tendenziösen Sicht her auf ein abendländisches Kaisertum, auf einen expansiven Nationalstaat, auf ein biologisch verstandenes Deutschtum auf die russische Bundesgenossenschaft oder gar auf die ideologischen Überbauten eines der beiden gesellschaftlichen Systeme, die sich heute bei uns und in der Welt gegenüberstehen, all dies scheitert an seiner höchst eigenwilligen Gestalt und geht an den Grundmotiven seines Denkens und Handelns vorbei, die aus seiner Zeit, einer Zeit des Umbruchs mit starker Verwurzelung noch im alten Europa zu verstehen sind und doch darüber hinaus wirken, weil sie etwa Forderndes haben, untrennbar verbunden mit der Neubegründung unserer politischen und sozialen Existenz.

Mit gutem Recht sind daher im Gedenken an den 100jährigen Todestag Steins im Jahre 1931 die Reichsregierung und die preußische Staatsregierung, der deutsche und der preußische Städtetag zusammengetreten, um die siebenbändige Veröffentlichung des Briefwechsels, der Denkschriften und Aufzeichnungen zu ermöglichen, die als lebendige Quelle des Steinschen Gedankengutes dienen sollten. Die Beteiligung der beiden Städtetage an diesem geschichtswissenschaftlichen Unternehmen rührt an einen zweiten und ebenfalls wohlbekannten Tatbestand, der dem heutigen Festakt in Berlin seinen besonderen Hintergrund gibt, wie er denn von der Freiherr vom Stein-Gesellschaft zusammen mit der Bundesvereinigung der Kommunalen Spitzenverbände veranstaltet ist.

Wie man weiß, ist aus dem gesamten Bereich der Umgestaltung des Staats, der Verwaltung und der Gesellschaft, die sich in die knapp 14 Monate von Steins leitender Staatsmannschaft zusammendrängt, die einzige voll ausgetragene und die eigentlich zentrale Reform die preußische Städteordnung vom 19. November 1808 gewesen. Sie war es, weil nur in ihr und mit vollstem Einsatz von Stein sein Wunschbild des Bürgers, der aus der Sphäre egoistischer und klassenmäßiger Befangenheit durch verantwortliche Teilnahme am Gemeinwesen herausgehoben wird, zu klarstem Ausdruck gelangt ist. Zugleich sollte die städtische Selbstverwaltung die Schule der Nation sein, in der jener Geist gemeinnütziger Tätigkeit erzogen wurde, der den Staat von unten her in einem Stufenbau der Wirkungskreise zu durchdringen und sein obrigkeitliches Wesen mit einem gegliederten genossenschaftlichen Leben zu erfüllen bestimmt war.

Freilich auch die beschwingteste Jubiläumsbetrachtung kommt an der besorgten Frage nicht vorbei, wieviel oder wie wenig vom Steinschen Wunschbild in seiner Zeit oder gar unter uns Wirklichkeit geworden ist, und sie kann die Feststellung nicht umgehen, daß gerade einige der persönlichsten Züge seines Ideals von Selbstverwaltung, bei der wohlverstandenes Eigeninteresse ins Staatsbürgerliche und Sittliche sich fortsetzt, der Boden entzogen worden ist, oder daß sie, wie Friedrich Meinecke es im Gedächtnisjahr von 1931 aussprach, zwischen den beiden Mühlsteinen der Bürokratie und der Massenbewegung zerrieben worden sind. Nicht wenige der damaligen Reden haben von dem Dilemma Zeugnis gegeben, daß Steins Gedankengut sich nicht in ein bestimmtes Verfassungssystem oder Parteischema und ganz gewiß nicht in die kleine politische Münze des Tages umsetzen läßt, ja daß es sich in seiner wertbeständigen Substanz aus der Dynamik des modernen Staates wie der modernen Gesellschaft steter Bedrohung ausgesetzt sieht. Aber niemand vermochte 1931 vorauszusehen, wie tief die Betrachtung binnen knapp zweier Jahre in diese Substanz einschneiden würde, wie sehr gerade der Begriff des Bürgers in seiner politischen wie seiner sittlichen Selbstbestimmung, ja im Worte selbst herabgewürdigt, wie völlig alles Genossenschaftliche im Zeichen der Volksgemeinschaft denaturiert, alles Gewachsene und Autonome in dem der Gleichschaltung unterdrückt werden konnte. Und doch sollte uns selbst der schlimmste Mißbrauch, der mit der Parole „Gemeinnutz vor Eigennutz“ getrieben worden ist, nicht die tiefe Wahrheit verstellen, die sie in Steins Sinn hatte. Auch sollte in dieser Gedenkstunde nicht vergessen werden, wie sehr gerade in trübsten Jahren das Fortleben bestimmter Überlieferungen, die mit dem Namen des Reichsfreiherrn verbunden sind, und eine erneute Besinnung auf sie Quelle der Kraft und des Widerstands gewesen ist. Das gilt von den Männern der hohen staatlichen und insbesondere der kommunalen Verwaltung, von dem Typus, für den Carl Goerdeler, der zweite Bürgermeister von Königsberg und Oberbürgermeister von Leipzig, stellvertretend steht. Hier ging es um Opposition gegen verbrecherischen Dilettantismus und fanatische Demagogie aus einem Ethos des Berufs, das sich im eigenen Pflichtenkreis für Dinge und Menschen verantwortlich weiß und damit ins Grundsätzliche vorstößt, wie ja auch für Stein Verwaltung zur Politik wird, indem sie das Moralische in sich einbezieht.

Noch deutlicher und bewußter ist der Rückgriff auf Stein bei den zahlreichen Plänen des Goerdeler-Kreises und anderer Widerstandsgruppen, die den Neubau des Reichs sehr stark auf lokale Verwurzelung und sachliche Erfahrung von Eingesessenen stellen wollten, auf eine Auslese des politischen Personals, die im kleinen überschaubaren Bereich des Nachbarlichen beginnt und in Stufen aufsteigt. Ja man kann die engen Gemeinschaften selbst, gesinnungsmäßig verbunden, aus denen der Widerstand und der Erneuerungswille im Dritten Reich so wesentlich lebte, in Steins Sinn ansprechen als die gesund gebliebenen „Zellen des sozialen Körpers, das Wort in einem edleren als dem heute üblichen Sinn genommen. Und schließlich wird nicht zu verkennen sein, daß in einer dieser Zellen, dem Kreisauer Kreis um den Grafen Moltke, sich Sozialisten und Konservative mit Geistlichen beider Konfessionen auf Grundsätze einigten, die in vielem, etwa im Wechselverhältnis zwischen Besitz und Anspruch, den geplanten Betriebsgemeinschaften und Wirt-Schaftskammern, dem Geist und den Forderungen Steins nahe verwandt sind.

Gleichwohl wird man wieder wie 1931 der Versuchung widerstehen müssen, die Verknüpfungspunkte zwischen dem Reichsfreiherrn und unserer Gegenwart irgendwie auf eine kurzschlüssige Formel zu bringen und sie im Äußeren, im Organisatorischen oder Institutionellen sehen zu wollen, erst recht der Versuchung, uns selbst in der Nachfolge gleichsam wohlwollend auf die Schulter zu klopfen. Wohl läßt sich mit Recht sagen, daß der dezentralistische und föderalistische Aufbau der westdeutschen Bundesrepublik Steins Gedanken in manchem näher steht als es der Weimarer Staat tat, -daß es auch Stein in seinem Verfassungsdenken um konservative Gegengewichte gegen jede mögliche Art von Diktatur ging. Wohl kann man auf Artikel 38 des Grundgesetzes verweisen, der die Abgeordneten des Bundestages als Vertreter des ganzen Volkes bezeichnet, „an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen", — einen Artikel, der in ungebrochener Linie auf die erste Formulierung dieses Prinzips in einem Paragraphen der Städteordnung von 1808 zurückgeht. Vielleicht ist dies wirklich nicht nur, wie man gemeint hat, ein Überbleibsel aus der Mottenkiste des Honoratiorenparlaments, sondern als Postulat unveraltbar und als Schranke gegenüber dem Kollektiven noch heute von potentieller Bedeutung.

Aber wer wollte leugnen, daß ein solches Einzelstück und eine solche Forderung in einer geistigen, politischen und sozialen Umwelt stehen, die der Reichsfreiherr nicht vorausgesehen und ganz gewiß nicht gewünscht hat. Der egalitären Demokratie und dem Parteienstaat stand er denkbar fern. Er war ein Gegner fürstlicher Allmacht und zeitweise der Dynastien überhaupt. Aber was er Freiheit und Bürgertum nannte, war durchfärbt von einem englisch-nordwestdeutschen Ideal des „mit Grundbesitz angesessenen Eigentümers", das war die Schicht, die vermöge ihres natürlichen Interesses am Gemeinwesen auch die städtische Selbstverwaltung im wesentlichen tragen sollte. Bei allem Verständnis für die sozialen Schäden seiner Zeit, bei aller leidenschaftlichen Abneigung gegen inhaltlos gewordene Privilegien hatte Stein für das Avancieren der Massen und ihre Probleme die entschiedenste Abneigung. So schrieb er, als die Juli-Revolution die neuen Kräfte der Gesellschaft ans Licht trieb: „Wir leben in einer Zeit, wo man weniger vom Despotismus der Fürsten als dem aufständischen Proletarier zu fürchten hat.“ Das war nicht reaktionäre Altersstimmung, sondern entsprach der steten Grundgesinnung einer in der alteuropäischen Adelswelt geprägten geschichtlichen Gestalt, die ihr ganzes Leben hindurch gegen alle Gleichmacherei und allen unsittlichen Egoismus stand, mochten sie von oben oder von unten kommen.

Nur wenn man dieser geschichtlichen Gestalt kein fremdes Gewand mit dem Faltenwurf späterer Jahrzehnte überwirft, wenn man sie in ihrer großartigen Einmaligkeit wie ihrer zeitlichen Bedingtheit aufzufassen sucht, darf man hoffen, des Übergeschichtlichen und Unbedingten gewahr zu werden, das aus ihr spricht und das uns allerdings in einer Epoche besonders nahe wiederum anrührt, in der es, ebenso wie es für Stein der Fall war, im Einzelleben, in der staatlichen Organisation, in der Gruppierung der Mächte um Grundsätzliches der Gesinnung und um Entscheidungen prinzipieller Art geht. Der Reichsfreiherr würde vermutlich gesagt haben: um Gut oder Böse. Das ist in Zeiten sogenannter „Realpolitik“, die in der Nachfolge Bismarcks den — übrigens auch bei ihm — durchaus fruchtbaren Zusammenhang zwischen Weltanschauung und Politik zerschnitten wähnten, oft als befremdend empfunden worden. Immerhin hat man von jeher beachtet, — und das wird nun ausdrücklich als Thema aufzunehmen sein —, daß für Stein Politik in hohem Maße eine Angelegenheit des Charakters und des sittlichem Bewußtseins war. Das heißt gewiß nicht, daß er in einer Welt der Illusionen lebte oder die Wirklichkeit sich idealistisch verklärte. Er kam nicht von der Studierstube und nicht vom Rednerpult, sondern von der nüchteren Prosa täglicher Verwaltungsarbeit her, er hatte 25 Jahre preußisches Beamtendasein hinter sich im Bergbau und in der Landwirtschaft Westfalens, im Zoll-und Fabriken-, im Handels-und Staatsschulden-Wesen, ehe er zu einer führenden Figur im Staate wurde, und zeit seines Lebens wetterte er gegen die deutsche Metaphysik und Metapolitik, die das Herz leer ließen und mit ihren Gespinsten nur das Handeln lähmten. Er stand fest genug auf der Erde, um das Recht des Kreatürlichen rundweg anzuerkennen. Man müsse, hat er einmal gesagt, „Stillung der sinnlichen Lebensbedürfnisse als notwendige Stütze" haben, um „das eigentliche Leben, das geistige, sittliche zu leben.“

Hingabe an gemeinnützige Zwecke

Eben auf dieses eigentliche Leben kam es Stein indessen an, für sich selbst und für ein Volk, dem Ruhe als erste Bürgerpflicht gepredigt wurde, auf ein Sich-Anschließen an überegoistische Ziele, für die das Biologisch-Materielle nur als Voraussetzung dient. Hier wird ein Stück des Zeitlosen greifbar, das mit der geschichtlichen Persönlichkeit Steins verwachsen ist, inmitten aller Zeitlichkeit, inmitten auch all der oft erörterten Einflüsse, die auf ihn wirkten. Sie rühren nicht an das Eigenste, das Moralische in Stein. In den ersten Sätzen der Selbstbiographie, die er auf Wunsch des bayerischen Kronprinzen niederschrieb, wird als Erbschaft des Elternhauses neben den Ideen von Religion, Vaterlandsliebe, Standes-und Familienehre in schlichten Worten genannt: „die Pflicht, sein Leben zu gemeinnützigen Zwecken zu verwenden.“

Das ist in der Tat ein Leitmotiv gewesen für Stein selbst und für das, was er im gegliederten Aufbau des Volksganzen zu verwirklichen strebt. Durch Hingabe an gemeinnützige Zwecke wird der öffentliche Dienst sittlich und Verwaltung damit zur Politik, zu einer Sache des Charakters, der nach Steins Auffassung auf dem religiösen wie auf dem vaterländischen Geist beruht. Er würde nicht zugegeben haben, daß die Politik nach einem allzu geläufigen Wort den Charakter verderbe, obwohl ihm die Erfahrung, gegen sein eigenes ethisches Maß handeln zu müssen, nicht erspart geblieben ist; für ihn konstituierte vielmehr der Charakter recht eigentlich das Politische.

Es wird das hier in der biographischen Entwicklung nur eben anzudeuten sein. Schon in einem der frühesten Briefe an den Jugendfreund Reden bekennt sich der 25jährige zum „Ekel vor der Polierarbeit bloß meckanisdier Geschäfte“, aber auch zur Überzeugung, daß keine Leidenschaft die ruhige Zufriedenheit gewähren kann, die „eine beständige bestimmte Tätigkeit für das allgemeine Beste gibt“. Gemeinnützige Tätigkeit taucht in den Zeugnissen immer wieder als Maßstab für sich und andere auf, sie sei die erste Pflicht des Menschen, heißt es wohl einmal mit scharfer Wendung. Es ist die Aussicht auf solche Tätigkeit gewesen, die Stein 1780 in den preußischen Staatsdienst geführt hat, in die Bergwerksverwaltung zuerst, die unter einem unbürokratischen Vorgesetzten eben aufblühte und ihn ansprach, durch die Gewähr steter Fühlung mit praktisch tätigen Menschen und der freien Natur.

Auf lange hinaus bewahrte er gegenüber dem norddeutschen Territorialstaat, dem er diente, eine innere Wahlfreiheit, in der sich der Protest gegen seinen mechanistischen Aufbau mit der Verehrung für den großen König mischt. Noch 10 Jahre später spricht Stein in einem Brief von der Idee, sich zu expatriieren, aber, so fügt er hinzu, „noch sind mir meine Dienstverhältnisse lieb wegen der Gelegenheit, so sie mir geben, zu gemeinnütziger Tätigkeit“. Sie hat ihn verwurzeln lassen, in Westfalen zuerst und durch Westfalen im preußischen Staat. Sie sah ihn 20 Jahre lang als Leiter der Bergwerke, als Kammerdirektor und Kammerpräsident, sie brachte ihn in fruchtbare Berührung mit den im Westen noch lebendigen Resten ständischer und bäuerlicher Selbstverwaltung. Sie bestärkte ihn im Glauben an ein unverbogenes Menschentum, das sich nicht gefügig duckt oder nach Gunstbezeugung hascht, sondern in seiner natürlichen Würde ruht. So wie er es noch im Alter von seinen Westfalen gesagt hat: „Wenn ich hier meinen geringsten Nachbar nicht grüße, so grüßte er mich auch nicht.“

Fragt man nach den Ansätzen der Reform in diesen 20 Jahren, so wäre vielerlei zu erwähnen, die Befreiung der Domänenbauern, an der Stein tatkräftig mitwirkte, sein Vorschlag, die Knappschaftsältesten von den Bergleuten selbst wählen statt vom Bergamt einsetzen zu lassen, überhaupt und immer wieder sein Drängen auf Verbindung der Eingesessenen mit der Administration. Aber der politische Atem fährt in all das doch erst hinein in der Abwehr zunächst der französisch-revolutionären, dann der napoleonischen Überflutung. Höchst charakteristisch für den Verwaltungsbeamten Stein, wie er über alle Kompetenz-und Ressortfragen hinweg, verantwortungsfreudig den Widerstand gegen den Einbruch in das Rheinland zu organisieren sucht, in elementarem vaterländischem Empfinden, empört über die Entwürdigung und Erniedrigung der deutschen Nation, in leidenschaftlichem Protest gegen die Feigheit der Höfe, die Lauheit der Kabinettsdiplomatie, die Mattigkeit der 'Kriegführung. Aber nicht weniger charakteristisch ist, wie dies Nationale sich sofort ins Sittliche und Religiöse erhöht, ja daraus, d. h.

aus dem Gegensatz gegen ein verdammenswertes revolutionäres System, seine eigentliche Rechtfertigung zieht. Was in Frankreich seit 1789 geschah, hat Stein zunächst mit sachlichen Interessen beobachtet, er war nicht unempfindlich für den Aufbruch spontaner Kräfte, er wird ebenso wie die militärischen Reformer in Preußen davon zu lernen suchen, freilich in sehr eigener Weise, mit einem bezeichnenden Vorrang des Pflichtgedankens vor dem Rechtsgedanken, in einem groß gedachten Versuch, den Egoismus zu bannen, indem der Reichsfreiherr nach seiner Art die Hauptursache des Abgleitens der Revolution in Gewaltherrschaft, Terror und Angriff nach außen sah. Schon 1793 ist ihm Frankreich „das Land der Anarchie und Sittenlosigkeit“, seine Hauptstadt „der Sitz aller Scheußlichkeiten“. Dies moralisierende Urteil bleibt sich gleich durch die Jahre hin, es bestätigt sich in Betrachtungen zur französischen Geschichte und zum französischen Nationalcharakter, und es erreicht den Gipfelpunkt im Anringen gegen das napoleonische Regime, das für Stein Tyrannis im Inneren und despotischer Anspruch über Europa hin war, — in beidem das böse Prinzip schlechtweg, so wächst der Befreiungskampf, in dessen Vorbereitung Stein eintritt, vollends ins Moralisch-Religiöse empor, er wird zur Entscheidung letztlich zwischen Gott und dem Teufel.

Wir sind aus gutem Grunde heute empfindlich gegen die allzu nahe Vermischung des Vaterländischen mit dem Religiösen, und kein Historiker wird Steins Urteile so unterschreiben wollen. Aber aus dem ethischen Kern seines Wesens sind sie nicht wegzudenken. Und entsprachen sie nicht — in höchst persönlicher Form — der tatsächlichen Zweiteilung Europas, die in damaligen wie in heutigen Kategorien — nur mit Umkehrung der Fronten — eine zwischen Freiheit und Unfreiheit war? Zudem, wenn Stein die eine Seite schwarz sah, so war er weit entfernt, die andere weiß zu finden. Nur Ansätze zu einer besseren Ordnung lagen aus altdeutscher Zeit bereit, die es zu entwickeln galt, im Kampf gegen Lässigkeit und Sinnlichkeit, im Aufruf zu gemeinnützigem Handeln, als der stärksten diesseitigen Hilfskraft im Ringen mit der Sünde. Von dieser Sicht her war der unsittlich mähende Despotismus von außen, dem der Befreiungskampf galt, nur das Spiegelbild eines Despotismus von innen. Nur deshalb war eine unterdrückende Weltherrshaft möglich geworden, weil der fürstliche Obrigkeits-und Beamten-staat den deutschen Charakter gelähmt und Menschen gebildet hatte, denen in Steins Worten ein „freudloses Hinstarren jeden seelischen Aufschwung nimmt".

Belebung des Gemeingeistes und Bürgersinns

Stein selbst, seit 1804 Minister des Akzisen-und Fabriken-Departments in Berlin, gehörte zu denjenigen, die der immer wieder in Kapitulationen endenden Neutralitätspolitik Preußens scharf entgegentraten und auf Krieg drängten. Sehr bezeichnend wiederum sah er den Grund der Schwäche des Staates nicht in einem Machtdefizit, sondern in harakterlichen Mängeln, in einem moralischen Defizit. So richtete sich seine erste Reformdenkschrift gegen das Regieren im Dunkeln, durch die Kabinettsräte, die ihm sittlich verderbte Höflinge waren; in männlichem Bedürfnis nah klarer Verantwortung forderte er einen Staatsrat aus Fahministern gebildet, der damit aus einer obersten Verwaltungsbehörde zu einer politischen Instanz, zum Ansatz einer konstitutionellen Vertretung gegenüber dem König werden sollte. Praktish gab dieser nah der äußeren Niederlage Steins Forderungen weitgehend nah, aber der Reihsfreiherr beharrte so unerbittlich auf dem Grundsätzlichen seiner Stellungsnahme, daß es im Januar 1807 zum Brüh kam. Indem Stein dem König nah aller dynastischen Begriffswelt und aller Dienst-pragmatik als „widerspenstiger, trotziger, hartnäckiger und ungehorsamer Staatsdiener“ ersheinen mußte, wird im Gegenbild das Eigenste deutlih, das er einzusetzen hatte.

Die Aufgabe, wie er sie sah, hat er während der Zeit erzwungender Muße in einer genialen Skizze umrissen. Auch sie, als Nassauer Denkshrift berühmt geworden, geht von der praktischen Erfahrung des in den Geshäften Bewanderten aus, sie entwickelt niht ein gedanklih vorgefaßtes System. Sehr nühtern werden die Shäden der bisherigen Verwaltung geshildert, ihre Belastung durh kleinlihe Gegenstände und den Dienstmechanismus, die Fremdheit zentral gelenkter Beamter gegenüber dem Lande, mit dem sie in keiner natürlihen Verbindung stehen, der Mietlingsgeist einer besoldeten Bürokratie. Und demgegenüber noh einmal die Berufung auf Steins Diensterfahrung, die ihn von der Vortrefflichkeit zweckmäßig gebildeter Stände überzeugt habe, von der Wohltätigkeit der Selbstverwaltung in Kreisen und Provinzen, durch gewählte Magistrate, durh Zuziehung ständisher Deputierter zu den Regierungskollegien. Es ist hier, daß die Erfahrung in das Postulat umshlägt: All dies, so erklärt Stein, sei ein kräftiges Mittel „die Regierung durdt die Kenntnisse und das Anselten aller gebildeten Klassen zu verstärken, sie alle durch Überzeugung, Teilnaltiue und Mitwirkung bei den Nationalangelegeniteiten an den Staat zu knüpfen, den Kräften der Nation eine freie Tätigkeit und eine Richtung auf das Gemeinnützige zu geben, sie von inüfligem sinnlichem Genuß oder von leeren Hirngespinsten der Metaphysik oder von Verfolgung bloß eigennütziger Zwedie abzulenken und ein gut gebildetes Organ der öffentlichen Meinung zu erhalten . .

Noh einmal ruft sih Stein gleichsam zurück, indem er auh auf die materiellen Vorteile der Ersparnisse an Verwaltungskosten und Beamtenapparat verweist, aber sofort und mit dem vollen Nahdruck auf dem Ethish-Politischen fügt er hinzu:

„Viel widttiger ist die Belebung des Gemeingeistes und Bürgersinns, die Benutzung der sdtlafenden oder falsch geleiteten Kräfte und der zerstreut liegenden Kenntnisse, der Einklang zwischen dem Geist der Nation, ihren Ansiditen und Bedürfnissen und denen der Staatsbehörden, die Wiederbelebung der Gefühle für Vaterland, Selbständigkeit und Nationalehre."

Es wird aus solhen Zitaten vollends deutlih, daß es für Stein in der Politik des Reformjahres um eine doppelseitige Pädagogik gleihsam ging, niht nur um die Verlebendigung des Staates durch einen von unten her ihn erfüllenden Geist, der, in seinen Worten, „nur durch unmittelbare Teilnahme am öffentlidten Leben sich bildet, zunächst aus Liebe zur Genossensdtaft, zur Gemeinde, zur Provinz entspringt und sich stufenweise zur Vaterlandsliebe erhebt.“ Ebenso ging es ihm um die Ausbildung des eigentlichen Menshen. Es ist bekannt, daß Stein sih wiederholt zu den Prinzipien der Pestalozzishen Pädagogik bekannt hat.

„Was Erziehungsanstalten für die Jugend“, so shrieb er noch in späteren Jahren, „das ist Anteilnahme an staatlidien Angelegenheiten für den Älteren“, er wird zuletzt genötigt, „seine Aufmerksamkeit und Fähigkeit von dem Persönlichen auf das Gemeinnützige zu wenden.

Die Frage, wie weit diese Gesinnungen und Prinzipien im Neubau von Staat und Gesellschaft Verwirklihung fanden, ist hier nur noh eben zu streifen. Als Stein der Rückberufung bedingungslos folgend im Oktober 1807 nach Memel kam, fand er das Edikt über die Bauern-befreiung schon fast vollendet vor. In der äußersten östlichen Provinz, in die der preußische Staat sich zurückgestaut sah, waren eigene Reform-gedanken lebendig, auh sie ethish und volkswirtshaftlih zugleich, von Kant und dem Nationalökonomen Kraus aufs stärkste angeregt.

Sie zielten auf persönlihe Freiheit und Menshenwürde, auf Heraustreten aus der Unmündigkeit, auf Lösung der Bindungen an Boden, Stand und Geburt. Stein konnte durh seinen Einsatz bewirken, daß das Oktober-Edikt sofort auf den ganzen Staat ausgedehnt und ein bestimmtes Maß von Bauernshutz beibehalten wurde, damit der wirtshaftlih Schwächere niht der neuen Freiheit zum Opfer fiel. Bauern-reform sollte zugleich Adelsreform sein gegen Latifundien wie gegen Zwergbesitz. Aber der Unterbau von ländlicher Gemeindevertretung und Kreisverfassung blieb unerfüllt, erst recht die Weiterführung über Provinzialstände zur Nationalrepräsentation. Und die Freiheit des Güter-verkehrs kam unter Hardenberg schließlich nicht dem Bauernstand, sondern dem Grundadel zugute.

Mehr vom Eigensten Steins wirkte in der neuen Behördenorganisation sich aus, in der Absage an das, was er den „Buralismus“ nannte, an das französisch-einzelbeamtliche Präfektursystem, in der Betonung kollegialisch-genossenschaftlicher Ordnung, vor allem im Versuch, Männer des praktischen Lebens an die Ministerien und Provinzialregierungen anzugliedern, überhaupt in der Verklammerung von Ehrenamt und Bürokratie. In die lokale Sphäre sollte die letztere nach dem Wunsch Steins überhaupt nicht herunterreichen. Das war für ihn ein Grundgedanke der Städteordnung, in der, wie berührt, der reinste Guß gelang. In der Übereinstimmung des Reichsfreiherrn mit seinen ostpreußischen Mitarbeitern, vor allem dem Königsberger Polizeidirektor Frey, versinnbildlichte sich das Zueinandertreten staatlicher und genossenschaftlicher Überlieferungen. Schon von Westfalen aus hatte Stein beachtet, daß in den Städten auf kolonialem Boden, in fremder nationaler Umwelt, — er nannte Thorn und Danzig — sich korporatives Leben frischer erhalten hatte als sonst unter absolutistischem Druck. In Königsberg aber war es das staatliche Beamtentum selbst, das schon vor 1806 Hand anlegte, um das gesunkene Bürgertum zu kräftigen. Die Notzeit brachte dann den Durchbruch zu Entwürfen für eine städtische Repräsentation, nicht mehr von den Zünften gewählt und an ihre Aufträge gebunden, sondern berechtigt und befugt, für die Gemeinde zu sprechen und zu handeln. Nicht-Annahme der Wahl sollte als Mangel an Bürgersinn und Ehrgefühl gelten. Man sieht hier die gleichen ethischen Grundvorstellungen, die auch in Stein lebendig waren, wie denn in der Städteordnung die Verweigerung ehrenamtlichen Dienstes mit Strafe belegt wurde. In Königsberg zog dieser Moralismus seine besondere Nahrung aus der geistigen Luft der Kantschen Philosophie. Es ist der Polizeidirektor Frey gewesen, der dann über Steins Nassauer Pläne hinaus die Stellung der Stadtverordneten so erhöhte, daß zum ersten Male auf preußischem Boden das konstitutionelle Modell Wirklichkeit wurde: eine Stadtregierung aus der gesetzgebenden Versammlung hervorgehend, die ihr gegenüber das vollste Budget-und Kontrollrecht hat.

Von ferne erinnert das an die französische Verfassung von 1790. Aber zugleich wird der tiefe Unterschied und das sehr Eigene deutlich, auf das es Stein und seinen Mitarbeitern ankam. Während im französisch-zentralistischen Staatstypus die Stadt nur ein zahlenmäßiger Ausschnitt der einen unteilbaren Nation war, legte die preußische Reform gerade allen Nachdruck auf Gliederung und körperschaftliches Eigenleben. Jede Stadt hat ihr besonderes Statut, und die neuen Wahl-körper, die Bezirke, sollten auf alle Weise, namentlich vermöge des Geistes nachbarlicher Solidarität zu korporativer Selbständigkeit erweckt werden. In vielen Einzelheiten der Städteordnung findet man Steins Liebe für die Lokalvernunft, für die kleinen Einheiten, die zu höherer Verantwortung erziehen, für die Brunnenstuben eines gesunden öffentlichen Lebens. Immer wieder findet man den Appell an Ehrenhaftigkeit und Bürgermoral. So hat Stein schließlich in der endgültigen Fassung der Städteordnung den König es als Kerngedanken aussprechen lassen, daß es gelte, „das bisher nach Klassen und Zünften sich teilende Interesse an einem Vereinigungspunht zu sammeln und durch Teilnahme Gemeinsinn zu erregen und zu erhalten."

Den sittlichen Geist der Nation heben

Man wird sehr wohl sagen können, daß in der denkbar liberalsten Bemessung der Selbstverwaltungsrechte die Ergebnisse dieses Erziehungsprozesses schon vorausgenommen wurden. Enttäuschungen konnten nicht ausbleiben, und Zurückschneidungen namentlich in der Verfügungsfreiheit über das Gemeindevermögen waren unvermeidbar. Man wird weiter, wie das eingangs berührt worden ist, gewiß nie vergessen dürfen, wie stark das Steinsche Modell bürgerlichen Lebens historisch bestimmt war, und was alles an sozialem und psychologischem Wandel zwischen damals und heute liegt. Aber ob deshalb das, was einmal fruchtbare geschichtliche Wirklichkeit war, und als solche fortgezeugt nun zum alten Eisen gehört? Keine freiheitliche Ordnung kann vom Rahmenwerk der Institutionen her begründet oder gegen den Angriff des Totalitären von innen wie von außen aufrecht erhalten werden, wenn — um zwei Stein-Zitate entsprechend umzukehren —, das „Merkmal des Bürgers“ nicht mehr „Teilnahme an dem Gewirre der menschlichen Angelegenheiten“ ist, sondern nur noch „Erwerb und Genuß“

oder wenn der Staat „keinen sittlichen Zweckzusammenhang“, sondern nur „einen Landwirtschaftlichen-oder Fabrikenverein“ darstellt.

Die Städteordnung ist das einzige Reformgesetz, das Steins Unterschrift trägt. Wenige Tage nach ihrem Erlaß setzte der Eingriff Napoleons seiner preußischen Laufbahn ein Ende. Eben dies gehört im ganzen ja zum Wesen der Reform, daß ihr der Imperator jeden Tag den Boden entziehen konnte, wie umgekehrt, daß sie mit allen Einzelmaßnahmen auf einen nahen Tag der Erhebung zielte. In seiner Autobiographie stellt Stein das durchaus voran:

„Man ging“, heißt es da, „von der Hauptidee aus, den sittlichen, religiösen, vaterländischen Geist in der Nation zu heben, ihr wieder Mut, Selbstvertrauen, Bereitwilligkeit zu jedem Opfer für Unabhängigkeit von fremden und für Nationalehre einzuflößen, um die erste Gelegenheit zur Unternehmung des blutigen, wagnisvollen Kampfes für beides zu ergreifen.“

Diese Gelegenheit schien sich mit den österreichischen Vorbereitungen zum Krieg und dem Aufstand in Spanien zu bieten. Stein, der sich monatelang diplomatisch um eine Milderung der Notlage Preußens bemüht hatte und nur noch die Alternative völliger Einpassung in ein Satellitendasein oder revolutionärer Erhebung sah, trat für die letztere mit aller Leidenschaft ein, mehr um der sittlichen Pflicht des Widerstands als um unmittelbarer Erfolgsaussicht willen. Aber weder das Handwerk des Diplomaten noch das des Verschwörers waren seinem Wesen gemäß. Ein unvorsichtiger Brief gab Napoleon neue Druckmittel gegen Preußen in die Hand und die Möglichkeit, im Zusammenwirken mit Steins inneren Gegnern die Entlassung des gefährlichen Ministers zu erzwingen. Als Geächteter mußte er bei Beginn des Jahres 1809 außer Landes gehen.

Das führt auf einen letzten Ausblick. Wie das Exil äußerlich Stein von jeder Bindung an einen deutschen Einzelstaat löste, so tritt auch in seinen Gedanken und Aufrufen nun das Gemeinsam-Vaterländische beherrschend hervor. Es wurden eingangs die Sätze aus seinem Brief vom Dezember 1812 über „das eine Vaterland" zitiert, denen sich andere ähnliche anschließen ließen. Man hat darob wohl Stein als den ersten rein nationalen Staatsmann der deutschen Geschichte gefeiert.

Aber das Freisein von allen partikularen Interessen — mit allem Gepäck hinter sich geworfen — ist nicht das einzige, was uns den Reichs-freiherrn ehrwürdig macht. Daneben steht — und keineswegs doch wohl für uns so befremdend heute — jene aufs stärkste fortwirkende Über-zeugung vom Eingeflochtensein aller Politik und ganz gewiß des deutschen Schicksals in einen weltanschaulichen Dualismus, in eine Entscheidung zwischen Prinzipien menschenwürdigen und menschenunwürdigen Lebens. Im Rahmen einer solchen universalen Konzeption konnte nationale Selbständigkeit nicht ein letzter Wert sein. Wohl wirkten in dieser Auffassung altertümliche Elemente aus der weltbürgerlichen Bildungswelt des 18. Jahrhunderts nach, aber zugleich greift sie erregend voraus, und unrealistisch war sie in der großen Krise der Jahre 1812— 15 ganz gewiß nicht. Audi damals bildete die Frage der Befreiung und der Einheit Deutschlands den Schlüsselpunkt im Ringen um die Befreiung Europas und eine neue Solidarität der europäischen Völker. Es fochten Deutsche in russischen, in englischen, in spanischen Reihen, Fügsamkeit oder Erhebung war im ganzen Satellitenbereich umkämpft, es zogen sich Gesinnungsfronten über Staaten und Nationen hin. So hat es Gneisenau im Herbst 1812 in Worten ausgesprochen, die uns heute weniger überraschend sind, als sie einem nationalstaatlichen Jahrhundert sein mußten, und die gewiß ganz im Sinne Steins waren:

Fussnoten

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