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Bauen und Wohnen Editorial Architektur (Er)Sinnen. Ein Spaziergang mit einer Architektin, einem blinden Kulturwissenschaftler und der Stadt Wohnungspolitische Instrumente ohne Wirkung? Aktuelle Herausforderungen der sozialen Absicherung des Wohnens Generation Miete. Wohnungspolitik, Wohneigentum und Städtebau im Spannungsverhältnis Umverteilung statt Neubau. Skizze einer sozialökologischen Wohnungspolitik "Nicht in meinem Kiez!". Wohnen, Widerstand und soziale Zielkonflikte Marktferne Eigentumsmodelle. Potenziale und Grenzen gemeinwohlorientierter Immobilienentwicklung Bezahlbares Wohnen. Der steinige Weg über das kommunale Bodeneigentum Wien ist anders? Das Modell Gemeindebau

Generation Miete Wohnungspolitik, Wohneigentum und Städtebau im Spannungsverhältnis

Norbert Hiller Oliver Lerbs

/ 13 Minuten zu lesen

Die Wohneigentumsquote unter Jüngeren ist im vergangenen Jahrzehnt markant gesunken. Dies kann als Trend hin zu einer "Generation Miete" gedeutet werden. Um mehr jungen Menschen Wohneigentum zu ermöglichen, müssen sich Wohnungspolitik und Städtebau verändern.

Privateigentum ist ein Grundpfeiler einer auf Freiheit und Selbstverantwortung fußenden Gesellschaft und ein konstituierendes Prinzip unserer Wirtschaftsordnung. Volkswirtschaftlich betrachtet ist das Eigentum an selbstgenutzten Wohnimmobilien besonders wichtig, denn Häuser und Wohnungen sind nicht nur werthaltig, sondern auch die am breitesten in der Bevölkerung verteilte Art von Vermögen.

Mit etwa 45 Prozent liegt die hiesige Wohneigentumsquote deutlich unterhalb des EU-Durchschnitts. Allerdings lässt sich daraus nicht per se ableiten, dass der deutsche Wohnungsmarkt mit Mängeln behaftet wäre. Im Gegenteil: Oft wird Deutschland um seinen qualitativ hochwertigen Mietwohnungsmarkt beneidet. Durch die bessere Verfügbarkeit international vergleichbarer Haushaltsdaten weiß man heute allerdings, dass mehr Wohneigentum nicht nur mit einem höheren Gesamtvermögen, sondern auch mit einer geringeren Vermögensungleichheit in der Bevölkerung einhergeht. Studien zeigen zudem, dass Menschen in Wohneigentum ihr Wohnumfeld oftmals positiver einschätzen, sich überdurchschnittlich häufig sozial und politisch engagieren und psychisch gesünder sind. Neben finanziellen Vorteilen für den Einzelnen bietet Wohneigentum also handfeste soziale Vorteile.

Bemerkenswert ist, dass die Bildung von Wohneigentum seit Beginn des Immobilienbooms in Deutschland unter jüngeren Haushalten deutlich abnimmt. Gemäß den jüngsten verfügbaren Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) gibt es unter den rund 10 Millionen Haushalten mit einer Haupteinkommensperson zwischen 25 und 45 Jahren heute knapp 2,6 Millionen Eigentümerhaushalte. Der Anteil der Wohneigentümer in dieser Altersgruppe liegt also bei etwa 26 Prozent. Damit ist die Wohneigentumsquote in dieser Gruppe um ein Fünftel geringer als noch vor Einsetzen des Immobilienbooms im Jahr 2008 (Abbildung 1). Wäre die Wohneigentumsquote unter jüngeren Haushalten im zurückliegenden Jahrzehnt konstant geblieben, würden heute 625000 mehr dieser Haushalte in Wohneigentum leben. Ähnliche Entwicklungen sind in zahlreichen anderen Ländern Europas und auch in den USA zu beobachten.

Die sinkende Eigentumsquote unter Jüngeren wäre wenig Grund zur Besorgnis, wenn sich die Präferenzen dieser Menschen erkennbar vom Wohneigentum wegbewegen würden. Dies jedoch ist keineswegs der Fall: Repräsentativen Umfragen zufolge ist das eigene Heim nach wie vor die Idealvorstellung vieler Menschen – gerade auch von Jüngeren. Die Erosion des Wohneigentums unter jüngeren Haushalten ist darum eine gesellschaftspolitisch brisante, bislang aber kaum öffentlich diskutierte Konsequenz der langjährigen Immobilienhausse.

Miete versus Eigentum

Deutschland droht in absehbarer Zukunft eine Krise des umlagefinanzierten Rentensystems, wodurch Wohneigentum für die private Altersvorsorge an Bedeutung gewinnt. Die Niedrigzinsphase hat zudem lange Zeit für zinsgünstige Immobiliendarlehen gesorgt. Warum dann ist die Wohneigentumsquote bei Jüngeren im Sinkflug?

Aus ökonomischer Sicht hängt die Wahrscheinlichkeit, dass ein junger Haushalt Wohneigentum erwirbt, vor allem vom Niveau der Immobilienpreise, dem zur Verfügung stehenden Einkommen und Vermögen sowie den Finanzierungsbedingungen ab. Günstige Hauspreise, hohe Kaufkraft und niedrige Finanzierungskosten machen Immobilien erschwinglich. Steigen die Immobilienpreise stark an und halten die Einkommen nicht Schritt, nimmt die Erschwinglichkeit selbst bei günstigen Kreditzinsen ab, und weniger junge Haushalte können Wohneigentum erwerben. Neben diesen finanziellen Kriterien haben auch Mobilität, persönliche Präferenzen (bestimmt durch Lebensphase und Familiensituation) und Transaktionskosten (in Form von Nebenkosten des Eigentumserwerbs) einen wichtigen Einfluss. Vor diesem Hintergrund ist es ratsam, die Wirkungsbeziehungen dieser Faktoren näher zu betrachten.

Zustrom in Ballungsräume

Laut Statistischem Bundesamt ist die Bevölkerung in Deutschland von 2011 bis 2020 um 2,8 Millionen Einwohner gewachsen. Dieser Anstieg war jedoch räumlich sehr ungleichmäßig verteilt: In den kreisfreien Städten erhöhte sich die Bevölkerung um 6,4 Prozent (rund 1,6 Millionen Menschen), in den Landkreisen dagegen nur um 2,3 Prozent (rund 1,2 Millionen Menschen). Allein die sieben größten Städte Deutschlands wuchsen um 8,8 Prozent beziehungsweise rund 800000 Menschen. Dieser Zustrom hat die Wohnungsnachfrage in Ballungsräumen massiv erhöht.

Gerade für jüngere Haushalte sind Ballungsgebiete immer attraktiver geworden. Ursächlich ist zum einen der technische Fortschritt, der den Bedarf an Arbeitskräften in wissens- und forschungsintensiven Tätigkeiten kontinuierlich erhöht. Die entsprechenden Qualifikationen werden vor allem in den Ballungsräumen nachgefragt, was sich im Lohneinkommen dieser Arbeitskräfte widerspiegelt: Menschen mit (Fach-)Hochschulabschluss verdienen im Berufsleben im Schnitt rund 860000 Euro mehr als Facharbeiter ohne entsprechenden Abschluss. Auch hat sich die Work-Life-Balance solcher Tätigkeiten durch die Flexibilisierung von Arbeitszeiten bis hin zu neuen Potenzialen für das Arbeiten im Homeoffice verbessert. In den Ballungsräumen ansässige Hochschulen bringen qualifizierte Absolventen hervor, Unternehmen umwerben diese Fachkräfte und suchen ihre räumliche Nähe. Dies führt zu einem ausbildungs- und arbeitsplatzbedingten Zustrom zahlreicher junger Menschen in diese Städte und Regionen, auch aus dem Ausland.

Abnehmende Erschwinglichkeit von Wohneigentum

Ein strukturelles Problem, das mit dem anhaltenden Zustrom von Menschen in die Ballungsräume einhergeht, sind massive Preisanstiege für Immobilien. In Städten ist Boden besonders knapp und das Immobilienpreisniveau ohnehin höher. Steigt hier die Nachfrage nach Wohnraum, sind besonders starke Preisanstiege zu beobachten, da die Angebotsseite nur zeitverzögert und in begrenztem Umfang auf den Nachfrageanstieg reagieren kann.

Trotz guter Qualifikation und hoch entlohnter Arbeitsplätze können die Einkommen, die jüngere Haushalte erwirtschaften, immer weniger mit den steigenden Preisen für selbstgenutztes Wohneigentum Schritt halten. Ein Indiz dafür ist die finanzielle Erschwinglichkeit, die den typischen Kaufpreis eines Eigenheims mit dem durchschnittlichen jährlichen Haushaltsnettoeinkommen ins Verhältnis setzt (Abbildung 2). Gerade in den Ballungsräumen hat sich diese Kennzahl im vergangenen Jahrzehnt deutlich zu Ungunsten potenzieller Wohneigentumserwerber entwickelt: In den wichtigsten Ballungszentren ("A-Städte") sind heute im Schnitt 14 (!) Jahreseinkommen nötig, um den typischen Kaufpreis eines Eigenheims zu finanzieren. Im Jahr 2010 reichten noch knapp acht Jahreseinkommen aus. In Großstädten mit nationaler und regionaler Bedeutung ("B-Städte") stieg der entsprechende Wert von knapp sechs auf über neun Jahreseinkommen. Bundesweit gesehen sind derzeit im Schnitt fast acht Jahreseinkommen nötig, während vor zehn Jahren noch fünf Jahreseinkommen reichten.

Finanzierung zunehmend schwierig

Proportional zu den im vergangenen Jahrzehnt gestiegenen Kaufpreisen sind die Eigenkapitalanforderungen an junge Ersterwerber gewachsen. Nur äußerst selten können diese Haushalte den erstmaligen Erwerb von Wohneigentum aus eigenen Ersparnissen finanzieren, etwa nach einem größeren Erbe. Im Regelfall ist ein Immobilienkredit erforderlich. Diese Kredite werden in Deutschland nach wie vor unter recht konservativen Bedingungen vergeben. So gilt aus Bankensicht eine Eigenkapitalquote von 20 bis 30 Prozent der Gesamtkosten (einschließlich Erwerbsnebenkosten) häufig als Mindestanforderung. Das geforderte Eigenkapital kann so schnell mehrere 100000 Euro erreichen. Zu dieser "Vermögensrestriktion" stößt oftmals eine "Einkommensrestriktion": Selbst bei Zusammenlegung mehrerer Einkommen reichen die Einkünfte jüngerer Menschen immer seltener aus, um die finanzielle Belastung eines Darlehens zu tragen.

Urbanes Wohnen junger Familien

Zusätzlich zu den gestiegenen Kaufpreisen hat auch die längere Ausbildungsdauer vieler junger Menschen den Zeitpunkt, bis das nötige Eigenkapital angespart worden ist, nach hinten verschoben. Im heutigen Ausbildungs- und Arbeitsmarkt besteht zudem ein großer Wunsch nach Mobilität und Flexibilität. Wohneigentum kann hier zunächst als "Klotz am Bein" empfunden werden – das Wohnen zur Miete passt deutlich besser zur Lebenssituation. Erst mit der Familiengründung – die ebenfalls zunehmend später erfolgt – sinkt tendenziell der Wunsch nach Mobilität. Mit der Anzahl der Familienmitglieder wächst zudem der Bedarf an Wohnfläche. Dies spricht grundsätzlich für die Bildung von Wohneigentum, da erwerbbare Eigenheime typischerweise über deutlich größere Wohnflächen verfügen als Mietwohnungen – und zudem oft auch über Außenflächen wie Gärten oder Garagen.

Die Kehrseite für junge Familien in beliebten Städten sind jedoch die häufig prohibitiv hohen Kosten des Wohneigentums. Infolgedessen werden Mietverhältnisse zwangsläufig akzeptiert, obwohl die Lebensbedingungen zunehmend schwieriger werden. Ausweichmöglichkeiten bestehen höchstens durch Umzug ins nähere Umland, wo die Kaufpreise etwas günstiger ausfallen. Dies wiederum bedeutet jedoch höhere Pendelkosten und einen Verzicht auf lieb gewonnene Annehmlichkeiten, sodass jüngere Menschen auch nach abgeschlossener (Hochschul-)Ausbildung und erfolgter Familiengründung häufig urban wohnen bleiben, statt wie in früheren Jahrzehnten in ländlichere Gebiete abzuwandern. Ein Blick in die Bevölkerungsstatistik belegt dies: Parallel zur sinkenden Wohneigentumsquote unter Jüngeren ist die Anzahl der in Landkreisen lebenden jüngeren Erwachsenen im vergangenen Jahrzehnt leicht zurückgegangen, wohingegen sie in den kreisfreien Städten erheblich anstieg. Zugleich ist vor allem in den Städten die Bevölkerung unter 18 Jahren substanziell gewachsen (Abbildung 3).

Rolle von Zuwanderung eher begrenzt

Ein Teil der sinkenden Wohneigentumsquote unter Jüngeren erklärt sich auch dadurch, dass sich der Anteil der Bevölkerung mit ausländischer Staatsangehörigkeit im vergangenen Jahrzehnt infolge von Zuwanderung deutlich erhöht hat: um 4,2 Millionen Menschen beziehungsweise von rund 14 Prozent im Jahr 2011 auf etwa 21 Prozent im Jahr 2020. Zugewanderte Haushalte können sich wegen eines im Durchschnitt geringeren Qualifikationsniveaus, Einkommens und Vermögens seltener Wohneigentum leisten als einheimische Haushalte. Da zugewanderte Haushalte vorwiegend den jüngeren Altersklassen angehören und sich darüber hinaus bevorzugt in Ballungsräumen niederlassen, in denen Mietwohnungsmärkte dominieren, sinkt automatisch auch die Wohneigentumsquote unter Jüngeren. Neben größeren und vielseitigeren Arbeitsmärkten bieten Ballungsräume eine höhere Zahl an sozialen Einrichtungen und Netzwerken, die gerade Migranten den Einstieg in die Gesellschaft erleichtern. Der Effekt der Zuwanderung sollte jedoch nicht überschätzt werden: Die Erosion des Wohneigentums unter Jüngeren setzte bereits lange vor 2015 ein und wurde durch Zuwanderung insofern zwar verstärkt, nicht jedoch strukturell verursacht.

Verzerrte Wohnungspolitik

Nach unserem Dafürhalten kommt der Bau- und Wohnungspolitik bei der Erklärung der fallenden Wohneigentumsquote unter Jüngeren ein entscheidender Einfluss zu. Diese Politik ist in Deutschland tendenziell an den Interessen der Mieterhaushalte ausgerichtet: Während steigende Immobilienpreise zum Beispiel in den USA von einer Mehrheit der Politiker begrüßt werden, da vergleichsweise viele Menschen über Immobilienvermögen verfügen, führen sie in Deutschland fast im gesamten Parteienspektrum zu Besorgnis.

In einer repräsentativen Demokratie mag dies nicht überraschen, denn die Mehrzahl der Wahlberechtigten wohnt in Deutschland zur Miete. Allerdings hat sich die wohnungspolitische "Verzerrung" zugunsten des Mietwohnens im zurückliegenden Jahrzehnt nochmals verstärkt: Wohnungspolitische Maßnahmen wie etwa die Mietpreisbremse, die Förderung von Sozialwohnungen oder die mehrfache Aufstockung des Wohngelds machen den Erwerb von Wohneigentum im Vergleich zum Mieten gerade in Ballungszentren ökonomisch zunehmend unattraktiv. Auf der anderen Seite fallen beim Erwerb von Wohneigentum hohe Grunderwerbsteuern an, die in zahlreichen Bundesländern in den vergangenen Jahren zudem mehrfach erhöht wurden. Anders als in zahlreichen anderen Ländern sind Hypothekenzinsen für Eigentümerhaushalte darüber hinaus nicht steuerlich absetzbar. Dies ist zwar einkommensteuersystematisch konsistent, in Anbetracht der zahlreichen und zunehmend ausgebauten Mietförderungen jedoch nachteilig. Aktuelle makroökonomische Simulationsstudien zeigen, dass die nationale Wohneigentumsquote ganze 15 Prozentpunkte höher sein könnte, wenn die Wohnungspolitik an diesen entscheidenden Stellschrauben eigentumsfreundlicher ausgerichtet wäre.

Unter den bau- und wohnungspolitischen Initiativen der vergangenen Jahre war lediglich das 2018 eingeführte Baukindergeld eine Maßnahme mit dem expliziten Ziel der Eigentumsförderung. Ob und inwieweit das Baukindergeld jedoch tatsächlich zu einer Erhöhung der Wohneigentumsquote in der Zielgruppe führt, ist umstritten. Letztlich handelt es sich um eine finanzielle Subvention der Wohneigentumsnachfrage, die auf ein weitgehend unelastisches Angebot trifft. Sie dürfte daher tendenziell eher zu Preissteigerungen und Mitnahmeeffekten führen, als effektiv zu mehr Wohneigentum bei jüngeren Familienhaushalten beizutragen.

Städtebau und Stadtplanung

Neben der Wohnungspolitik sind auch der Städtebau und die Stadtplanung derzeit wenig eigentumsfreundlich ausgestaltet. Wohneigentum wird in Deutschland weit überwiegend in Ein- und Zweifamilienhäusern sowie Reihenhäusern begründet. Gerade in Ballungsräumen ist das Angebot an entsprechenden Objekten sehr knapp. Die in Verbindung mit Flächeneinsparzielen und städtebaulichen Leitbildern stark auf Mehrfamilienhäuser und die Realisierung möglichst großer Bebauungsdichten ausgerichtete Stadtplanung erschwert die Wohneigentumsbildung. Dabei ist dies keineswegs naturgegeben, wie das europäische Ausland zeigt: In Spanien oder auch in den Niederlanden ist Wohneigentum im Geschosswohnungsbau sehr viel verbreiteter, sodass die Wohneigentumsquote selbst in den dicht besiedelten Städten deutlich höher ist als hierzulande. Eine Ausnahme bildet hier Bremen: Aufgrund der stadtbildprägenden Verbreitung der vergleichsweise eigentumsfreundlichen "Bremer Häuser" (ursprünglich als Einfamilienhäuser konzipierte Reihenhäuser), ist die Wohneigentumsquote Bremens deutlich höher, als Größe und Bevölkerungsdichte dieser Stadt es vermuten lassen würden. Im Neubau werden allerdings auch hier – wie letztlich in allen deutschen Großstädten – derzeit überwiegend Mietwohnungen in Geschossbauweise realisiert.

Wohneigentum und Vermögensbildung

Am deutschen Wohnungsmarkt herrscht heute eine Insider-Outsider-Problematik: Wer während (beziehungsweise: trotz) des Booms Wohneigentum bilden konnte, profitierte von anhaltend steigenden Immobilienpreisen. Auf der anderen Seite sind immer breitere Schichten der jüngeren Bevölkerung faktisch vom Zugang zu Wohneigentum ausgeschlossen worden. Der Wohnungsmarkt droht so zum Katalysator einer bereits bestehenden hohen Ungleichheit bei den Haushaltsvermögen zu werden.

Dass sowohl auf individueller als auch auf gesamtstaatlicher Ebene ein positiver Zusammenhang zwischen Wohneigentum und Vermögensbildung besteht, ist empirisch gut belegt. Bei der gesellschaftspolitischen Interpretation dieses Befunds besteht höchstens das Problem eines möglichen Selbstselektionseffekts: Menschen können eher und besser zu Wohneigentümern werden, wenn sie ohnehin schon viel sparen und vergleichsweise vermögend sind. Eine aktuelle Untersuchung internationaler Ökonomen deutet jedoch darauf hin, dass der Erwerb von Wohneigentum in der Tat ursächlich für eine erhöhte Vermögensbildung ist. Die Studie nutzt als Forschungsdesign ein Quasi-Experiment in Form großflächiger Privatisierungen kommunaler Wohnungen in Schweden und zeigt, dass "zufällig" zu Wohneigentümern gewordene Mieter ihr Verhalten im Vergleich zur Kontrollgruppe so änderten, dass sie zunehmend Wohnungsvermögen aufbauten, mehr arbeiteten und mehr sparten. Nicht nur eine größere Vermögensbildung an sich, sondern wohl auch eine gleichmäßigere Vermögensverteilung könnte also durch mehr Wohneigentum unter Jüngeren erreicht werden.

Wie ist das zu erklären? Aus psychologischer Sicht gleicht der kreditfinanzierte Erwerb von Wohneigentum einer freiwillig gewählten Weichenstellung, durch die das individuelle Sparverhalten nicht nur für Jahre geprägt, sondern in Teilen sogar erzwungen wird. Vielen Menschen, insbesondere jüngeren, fehlt mitunter die Selbstkontrolle, gesetzte Sparziele einzuhalten. Die Folge ist eine zu geringe Ersparnisbildung sowohl auf individueller als auch gesamtgesellschaftlicher Ebene.

Es gibt jedoch Mechanismen, die dieses Selbstkontrollproblem überwinden können. Die moderne Verhaltensökonomik kennt dafür den Begriff des "Commitment Device", ins Deutsche am treffendsten übersetzt mit "Hilfsmittel zur freiwilligen Selbstbindung": Die Verpflichtung, ein Hypothekendarlehen tilgen zu müssen und in dieser Form Immobilienvermögen aufzubauen, bremst die eigene Ungeduld (oder sogar Unvernunft) und ist vermutlich gerade deshalb für jüngere Haushalte ein besonders effektives Mittel zu Vermögensbildung und Altersvorsorge. Aus gesellschaftspolitischer Sicht erscheint es somit erstrebenswert, auch jüngeren Menschen in Ballungsräumen wieder verstärkt Zugang zu diesem "Commitment Device" zu verschaffen.

Wie weiter?

Eine kritische Auseinandersetzung mit der sinkenden Wohneigentumsquote unter Jüngeren beginnt damit, dass diese als gesellschaftspolitisches Problem wahrgenommen wird. Auch in den kommenden Jahren werden weniger Menschen zwischen 25 und 45 Wohneigentum bilden können als in früheren Generationen. Dies gilt erst recht in Zeiten steigender Zinsen und Baukosten im Zusammenhang mit Inflation und Ukraine-Krieg.

Die vermutlich aussichtsreichste Möglichkeit, diesen Trend zu stoppen, wäre eine erhebliche Verbesserung der finanziellen Erschwinglichkeit des Eigentumserwerbs, und zwar insbesondere für jüngere Menschen in beliebten Ballungsräumen. Dazu müsste die in den vergangenen Jahren vornehmlich auf das Wohnen zur Miete ausgerichtete Bau- und Wohnungspolitik angepasst, vor allem aber das verfügbare Angebot eigentumsfreundlicher Wohnobjekte im Städtebau wieder spürbar vergrößert werden.

Im Hinblick auf nachhaltige Staatsfinanzen erscheint es wenig sinnvoll, angesichts heute bestehender Förderungen des Mietwohnens pauschal höhere Subventionen für (angehende) Wohneigentümer zu verlangen. Aus ökonomischer Sicht wäre es viel sinnvoller, die hohen Erwerbsnebenkosten für junge Ersterwerber abzusenken und vor allem im Städtebau wieder mehr eigentumsfreundlichen und finanziell erschwinglichen Neu- und Umbau zu erlauben. Politikern und Stadtplanern möchte man zurufen, dass Wohneigentum nicht immer das freistehende Einfamilienhaus am Stadtrand oder in der ländlichen Umlandgemeinde sein muss: Auch im Geschosswohnungsbau ließen sich durchaus mehr familienfreundliche Eigentumswohnungen realisieren, die im Rahmen des Vorrangs der Innen- vor der Außenentwicklung auch zentrumsnah sein können. Ein solcher Paradigmenwechsel müsste allerdings von der Bundes- bis hin zur Kommunalpolitik breitflächig gewollt sein – eine bessere Erfüllung vorhandener Wohnbedürfnisse und positive Effekte auf die Vermögensverteilung wären es wert.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. Leo Kaas/Georgi Kocharkov/Edgar Preugschat, Wealth Inequality and Homeownership in Europe, in: Annals of Economics and Statistics 136/2019, S. 27–54.

  2. Vgl. William M. Rohe/Mark Lindblad, Reexamining the Social Benefits of Homeownership after the Housing Crisis, Joint Center for Housing Studies, Harvard University 2013.

  3. Vgl. u.a. Lindsay B. Flynn, The Young and the Restless: Housing Access in the Critical Years, in: West European Politics 2/2020, S. 321–343; Laurie S. Goodman/Christopher Mayer, Homeownership and the American Dream, in: Journal of Economic Perspectives 1/2018, S. 31–58; Kim McKee et al., "Generation Rent" and the Fallacy of Choice, in: International Journal of Urban and Regional Research 2/2017, S. 318–333.

  4. Vgl. Stefan Kaiser, 84 Prozent der Deutschen wollen lieber ein Eigenheim statt Miete zahlen, 20.8.2018, Externer Link: http://www.spiegel.de/a-1223288.html.

  5. Vgl. Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Fortschreibung des Bevölkerungsstandes, regionale Tiefe: Kreise und kreisfreie Städte, Externer Link: http://www.regionalstatistik.de/genesis//online?operation=table&code=12411-01-01-4&bypass=true&levelindex=1&levelid=1667204327402#abreadcrumb.

  6. Vgl. Heiko Stüber, Qualifikation zahlt sich aus, Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, IAB-Kurzbericht 17/2016. Der Lohnabstand wird durch aktuelle Daten der Entgeltstatistik der Bundesagentur für Arbeit weiterhin bestätigt. Vgl. Bundesagentur für Arbeit (Hrsg.), Blickpunkt Arbeitsmarkt: Akademiker/-innen, Nürnberg 2022, Kapitel 1.6.

  7. Vgl. Bulwiengesa, RIWIS Datenbank, Berlin 2022.

  8. Laut Statistischem Bundesamt sind Mütter bei der Geburt des ersten Kindes heute durchschnittlich 30,5 Jahre alt. Vor zehn Jahren lag das entsprechende Alter noch bei 28,9 Jahren.

  9. Vgl. Mathias Sinning, Homeownership and Economic Performance of Immigrants in Germany, in: Urban Studies 2/2010, S. 387–409.

  10. Vgl. Kerstin Tanis, Regional Distribution and Location Choices of Immigrants in Germany, in: Regional Studies 4/2020, S. 483–494. Der Anteil der Bevölkerung mit ausländischer Staatsangehörigkeit ist mit knapp 20 Prozent in den kreisfreien Städten heute etwa doppelt so hoch wie in den Landkreisen.

  11. Vgl. Leo Kaas et al., Low Homeownership in Germany – A Quantitative Exploration, in: Journal of the European Economic Association 1/2021, S. 128–164.

  12. Vgl. Carolin Schmidt, The Quest for Affordable Owner-occupied Housing in Germany, in: Journal of European Real Estate Research 3/2019, S. 365–379.

  13. Vgl. Pekka Sagner, Verbreitung von Wohneigentum in Deutschland, in: Otto Depenheuer/Eckhart Hertzsch/Michael Voigtländer (Hrsg.), Wohneigentum für breite Schichten der Bevölkerung, Berlin 2020, S. 1–19. Etwa drei Viertel aller Wohneigentümer leben in einem dieser drei Immobilientypen.

  14. Vgl. Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Fertigstellung neuer Wohngebäude und Wohnungen in Wohngebäuden nach Zahl der Wohnungen, regionale Tiefe: Kreise und kreisfreie Städte, Externer Link: http://www.regionalstatistik.de/genesis//online?operation=table&code=31121-01-02-4&bypass=true&levelindex=1&levelid=1667205999446#abreadcrumb.

  15. Vgl. Klaus Adam/Panagiota Tzamourani, Distributional Consequences of Asset Price Inflation in the Euro Area, in: European Economic Review 89/2016, S. 172–192.

  16. Vgl. Kaas/Kocharkov/Preugschat (Anm. 1).

  17. Vgl. Paolo Sodini et al., Identifying the Benefits from Home Ownership: A Swedish Experiment, National Bureau of Economic Research, Working Paper 22882/2016. "Zufällig" bedeutet hier, dass gesetzgeberische Änderungen dazu führten, dass bestimmte Mieterhaushalte gerade noch das Eigentum an ihrer Wohnung begründen durften, während andere, ansonsten vergleichbare Mieterhaushalte dies nicht mehr konnten.

  18. Vgl. Kathrin Schlafmann, Housing, Mortgages and Self-Control, in: The Review of Financial Studies 5/2021, S. 2648–2687.

  19. Vgl. Reiner Braun, Bedeutung des Wohneigentums für die Altersvorsorge, in: Depenheuer/Hertzsch/Voigtländer (Anm. 13), S. 213–232, hier S. 217.

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ist Professor für Volkswirtschaftslehre, Kosten- und Leistungsrechnung sowie Wirtschaftlichkeitsrechnung an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen (HSPV NRW). Er lehrt und forscht vor allem zu wirtschaftswissenschaftlichen Grundlagen des Verwaltungshandelns, Wohnungspolitik und Regionalökonomik.
E-Mail Link: norbert.hiller@hspv.nrw.de

ist Professor für Volkswirtschaftslehre und Rechnungswesen an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen (HSPV NRW). Er lehrt und forscht vor allem zu wirtschaftswissenschaftlichen Grundlagen des Verwaltungshandelns, Wohnungspolitik und Kommunalfinanzen.
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