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Korporatismus und Konfliktkultur als Ursachen der „Deutschen Krankheit“ | APuZ 29-30/1998 | bpb.de

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APuZ 29-30/1998 Ende der Innenpolitik? Politik und Recht im Zeichen der Globalisierung Korporatismus und Konfliktkultur als Ursachen der „Deutschen Krankheit“ Strukturprobleme der Demokratien zu Beginn des 21. Jahrhunderts

Korporatismus und Konfliktkultur als Ursachen der „Deutschen Krankheit“

Heinz Theisen

/ 19 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Der Korporatismus in Deutschland ist durch die enge Zusammenarbeit des Staates mit den auch untereinander kooperierenden Tarifparteien und Interessenverbänden gekennzeichnet. Die wechselseitige Instrumentalisierung von Staat und Verbänden fördert einerseits die Durchsetzbarkeit staatlicher Politik in der Gesellschaft, andererseits aber auch den Einfluß der Verbände auf den Staat. Dieses gütliche Einvernehmen geht oft auf Kosten ausgeschlossener Dritter wie der Arbeitslosen oder auch auf Kosten der langfristigen Notwendigkeiten einer Zukunftsgestaltung. Die spezifisch deutsche Mischung von starrem Korporatismus und übersteigerter Konfliktkultur funktionierte so lange, wie sich das wirtschaftliche Wachstum auf die verschiedenen Gruppen kompromißhaft verteilen ließ. Durch die Hochtechnologien und die ökonomischen Globalisierungsprozesse sind solche Kompromisse schwieriger geworden. Es droht eine größere Spaltung in Gewinner und Verlierer als bisher. Die Konflikte nehmen zu und verursachen Politikblockaden und Reform-stau. Korporatismus und Konfliktkultur ergänzen sich nicht mehr -sie sind zu unvereinbaren Widersprüchen geworden. Mit Aufrufen zu einer neoliberalen Konflikt-und Wettbewerbsgesellschaft kommen wir der notwendigen Verbindung von Flexibilität und Kooperationswilligkeit jedoch nicht näher. Sie erzeugen vielmehr Ängste und Abwehrhaltungen. Wie das Beispiel der Niederlande lehrt, können auch korporativ geprägte Sozialstaaten sich auf veränderte Konstellationen einstellen, wenn sie die Tugenden eines kooperativen Korporatismus entwickeln. Auf dieser Basis könnten sich Flexibilität, Solidarität und soziale Sicherheit wechselseitig ergänzen.

I. Zur Unvereinbarkeit von Korporatismus und Konfliktkultur

Der Korporatismus in Deutschland -ironisierend „rheinischer Kapitalismus“ genannt -ist durch die enge Zusammenarbeit des Staates mit den auch untereinander oft kooperierenden Tarifparteien und Interessenverbänden gekennzeichnet. Die wechselseitige Instrumentalisierung von Staat und Verbänden fördert einerseits die Durchsetzbarkeit staatlicher Politik in der Gesellschaft, andererseits aber auch den Einfluß der Verbände auf den Staat. Bis in die neunziger Jahre hinein gewährleistete der Korporatismus durch zentralisierte Tarifverträge der Mehrzahl der Arbeitnehmer einen hohen Beschäftigungs-und Einkommensschutz. Eigentumsgarantie, Unternehmensfreiheit, Sozialpflichtigkeit des Eigentums und Tarifautonomie sichern den Korporatismus verfassungsrechtlich ab.

Die Kritik an dem gütlichen Einvernehmen etwa der „Tarifpartner“ richtet sich dagegen, daß deren Kompromisse allzu oft auf Kosten ausgeschlossener Dritter wie der Arbeitslosen und der nachrükkenden Berufsgenerationen oder in ökologischer Hinsicht sogar auf Kosten allgemeiner Zukunftsinteressen gehen. Problematisch ist also nicht die immer wieder gescholtene Breite des korporativen Konsenses, sondern daß er nicht breit genug ist, um auch die Interessen von Dritten und -thematisch -Drittem einzubeziehen. Der Staat der korporativen Gesellschaft sicherte den Binnenkonsens durch massive Transferzahlungen sozial-und industriepolitisch in einem Ausmaß ab, daß ihm heute die Ressourcen für eine aktive Innovationspolitik fehlen. Durch die Wiedervereinigung und die damit verbundene Ausdehnung dieses auf Dauer nicht tragfähigen Modells sind die eigentlich einer ferneren Zukunft zugedachten Belastungen -am fühlbarsten bei der Staatsverschuldung -

unerwartet schnell auf die Gegenwart selbst zurückgefallen.

Die weitgehende Vergeblichkeit der daraufhin einsetzenden politischen Ausbruchsversuche verweist auf die andere Seite der Medaille. Die wechselseitige Instrumentalisierung von Staat und Verbänden verläuft über die Parteien als Transmissionsriemen, so daß eine klare Unterscheidung von „Verbände-“ und „Parteienherrschaft“ nicht möglich ist. Parteien konkurrieren aber im Gegensatz zu den Verbänden um Wählerstimmen und sind damit auf offene Konflikte in einer Weise angewiesen, daß diese zur Not sogar künstlich inszeniert werden müssen.

Diese sozial-ökonomischen Verflechtungen werden noch verstärkt durch die bundesstaatlich bedingten Politikverflechtungen. In ihrem Zusammenwirken haben sie uns in eine „Politikverflechtungsfalle“ getrieben, aus der die herkömmliche Dialektik von Konsens und Konflikt keinen Ausweg findet. Etwa zwei Drittel aller im Bundestag verabschiedeten Gesetze bedürfen mittlerweile einer Zustimmung des Bundesrats. Umgekehrt sind die Kompetenzen der Länder durch die zunehmende Vermischung der Aufgaben, Einnahmen und Ausgaben von Bund und Ländern in einer Weise beschnitten worden, die selbständiges und verantwortliches Handeln immer schwieriger macht. Das Verhältniswahlrecht erzwingt in der Regel Koalitionen für eine Regierungsmehrheit. Im Grunde werden wir von einer Großen Koalition unter Einschluß der F. D. P. regiert bzw. eben nicht regiert. Während die Steuerreform vom Bundesrat und die Einschränkung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall von den Gewerkschaften blockiert werden, laufen gewerkschaftliche Bündnisangebote und Ökosteuern bei Unternehmerverbänden und Regierungsparteien auf. Die Suche nach den Sündenböcken verläuft sich regelmäßig in den Labyrinthen einer systemisch verflochtenen Gesellschaft.

Diese spezifisch deutsche Mischung von Korporatismus und Konfliktkultur funktionierte so lange, wie sich das wirtschaftliche Wachstum relativ ausgewogen auf die verschiedenen Gruppen verteilen ließ. Bis in die neunziger Jahre hinein ist es weitgehend gelungen, Konflikte in einen neuen Konsens zu überführen. Markante Beispiele hierfür sind die Soziale Marktwirtschaft, Mitbestimmung, Wieder-bewaffnung, Westintegration und schließlich auch die Integration der Grünen in das parlamentari- sehe System. Eine wichtige Rolle spielte dabei die Machtteilhabe kleiner Parteien in Koalitionsregierungen in den Bundesländern, aber vor allem der sozialstaatliche Interessenausgleich. Dessen Umverteilungsmöglichkeiten reichen weit in den Mittelstand hinein, ja über Subventionen und Steuervergünstigungen sogar bis zu den Vermögensbesitzern. Im „kooperativen Föderalismus“ gewährten sich Bund, Länder und Gemeinden gegenseitige Hilfe, während sie sich heute gegenseitig zu belasten versuchen. Mit den eingetretenen finanziellen Begrenzungen ist dieser allseitige Interessenausgleich an die Grenzen seiner Möglichkeiten geraten.

Der korporative Konsens gerät jedoch aus der Balance, wenn eine wesentliche Interessengruppe ihn aufkündigt. So zerstörten die zweistelligen Lohnzuwachsforderungen der ÖTV 1973 den sozialliberalen Konsens der Ära Brandt. Die Kanzler Schmidt und Kohl wußten um die Grenzen der Gestaltbarkeit von Politik im Korporatismus und regierten entsprechend pragmatisch und reaktiv. Auch heute nimmt der staatlich abgesicherte Korporatismus des öffentlichen Dienstes eine besonders problematische Stellung ein. Die seit 1992 betriebene „Verschlankung“ des öffentlichen Dienstes wird nicht etwa durch eine solidarische Flexibilisierung der Beschäftigungs-und Einkommensverhältnisse auf möglichst viele Schultern verteilt, sondern vor allem durch die Nichteinstellung der nachfolgenden Berufsgenerationen auf eine -im korporativen Sinne -„sozialverträgliche“ Weise vollzogen. Der Korporatismus droht sich zum Klientelismus zu radikalisieren. Die Zahl der Interessenverbände nimmt zu, ihre Mitgliederzahlen nehmen ab.

Neue Hochtechnologien und Globalisierungsprozesse verkleinern die Zahl der Gewinner und vergrößern die Zahl der Verlierer. Zugleich verringert sich die Konfliktfähigkeit der Verlierer, da die Gewinner den Konflikten räumlich ausweichen können. Die Versuche, Konflikte trotzdem auszutragen, enden in Politikblockaden und Reform-stau. Auch die in der demokratischen Pädagogik so hochgeschätzte „Streitkultur“ läuft ins Leere, da im Streit nur Rechthaberei und Aggression, aber nicht das wechselseitige Lernen gesteigert wird. Oft dient sie nur der Förderung des Sündenbockdenkens, welches angesichts der systemischen und korporativen Vernetzungen ein Anachronismus ist. Korporatismus und Konfliktkultur ergänzen sich nicht mehr -sie sind zu unvereinbaren Widersprüchen geworden.

Die „Deutsche Krankheit“ reicht weit über den Bereich der politischen Entscheidungsträger in die Gesellschaft hinein. Wie gefährlich ein Abweichen der Politiker und Verbandsfunktionäre von den Interessen ihrer Klientel ist, zeigt die zwar nicht belegbare, aber plausible Vermutung, daß die Zustimmung der SPD zur Bahn-und Post-Privatisierung sie 1994 die entscheidenden Stimmen zum Wahlsieg gekostet hat. Diese Verflechtung von Politikern und Wählern läßt die Politikverdrossenheit, so berechtigt sie im Detail oft sein mag, als sehr vordergründig erscheinen.

Die mit der Kritik an Parteien und Politikern meist verbundene Hoffnung auf die reinigende Kraft direktdemokratischer Willensbildung vermag nicht zu erklären, warum die Klienten mehr am Gemeinwohl orientiert sein sollen als ihre Vertreter. In der Schweiz erweisen sich die Plebiszite als Blockadeinstrument des Volkes gegen die von der politischen Elite des Landes angestrebte stärkere Einbindung des Landes in die internationale Kooperation. Angesichts der exponierten internationalen Lage Deutschlands müssen solche Formen der Willensbildung auf überschaubarere kommunale und landespolitische Horizonte begrenzt bleiben.

Die strukturelle Unabhängigkeit gegenüber diesen Macht-und Interessenvernetzungen in der Beamtenschaft ist durch die Verfilzung von öffentlicher Verwaltung und Parteienstaatlichkeit in ihr Gegenteil verkehrt worden. Die Wissenschaftler haben aufgrund ihrer Neigung zu bestellten Gefälligkeitsgutachten -der spezifische Beitrag der Wissenschaft zum Korporatismus -ihren Kredit als unabhängige Instanz weitgehend verspielt. Die Unabhängigkeit von institutionell ungebundenen Intellektuellen schlägt oft in eine völlige Ignoranz gegenüber den Interessen der Bürger um. Die heute weniger ideologisch denn moralisierend auftretende Weltfremdheit geht -wie bei der um ein Jahrzehnt verzögerten Reform des Asylrechts -bis an die Grenzen der Selbstverleugnung nationaler Interessen. Ein solches abschreckendes Gegen-extrem ist ungeeignet, die Interessenkartelle aufzubrechen. Daß es sich dabei um ein sehr deutsches Phänomen handelt, zeigen die Entwicklungen hin zu einer undogmatischen Linken in England und den USA. Bei einer rot-grünen Koalition droht daher die Politikblockade zwischen Bundestag und Bundesrat schon in die Regierung selbst verlagert zu werden. Eine SPD/FDP-Koalition könnte immerhin das Lagerdenken auflockern helfen.

II. Die Konflikt-und Wettbewerbs-gesellschaft ist keine Alternative

Der Mitgliederschwund bei den Gewerkschaften hat etwa seit Mitte der neunziger Jahre eine neueOffenheit für die Einbeziehung der bis dahin von den Verhandlungstischen ausgeschlossenen Arbeitslosen bewirkt. Das Bündnisangebot der IG Metall sah ausdrücklich Lohnverzicht im Tausch gegen die Einstellung von Langzeitarbeitslosen vor Dieses Angebot ist um so höher zu bewerten, da die Nettoreallöhne in den vergangenen fünf Jahren um 2, 7 Prozent gesunken sind. Gleichzeitig sind die realen Arbeitskosten aber durch den Anstieg der Sozialabgaben um sieben Prozent gestiegen. Die derzeitige Finanz-und Sozialpolitik treibt einen Keil zwischen Brutto-und Nettolöhne

Angesichts dieser Verflechtungsfallen kann es eigentlich nicht verwundern, daß immer mehr Stimmen dazu aufrufen, den gordischen Knoten von Korporatismus und Konfliktkultur durch eine konfliktfähigere Demokratie etwa nach englischem Vorbild und eine sozial ungebundenere Marktwirtschaft nach amerikanischem Vorbild zu durchschlagen. Die Aufrufe der Konflikt-bzw. Marktliberalen für mehr Wettbewerb sind aber einerseits vergeblich und andererseits sogar kontraproduktiv. Weder für eine Abschaffung der Tarifhoheit noch für die Einschränkung der Macht des Bundesrates ist eine erforderliche Zweidrittelmehrheit derzeit in Reichweite. Es fehlt uns am nötigen Konsens, um funktionsfähige Strukturen einer Konfliktgesellschaft nach dem Vorbild der Westminster-Demokratie zu schaffen.

Ein „Umbau des politischen Systems“ ist unter nichtrevolutionären Bedingungen ausgeschlossen -es sei denn, eine Große Koalition würde eigens für diesen Zweck begründet. Eine Große Koalition wird aber gerade von den Befürwortern einer Konfliktgesellschaft strikt abgelehnt. Im Widerspruch zur europäischen Tradition und daher vergeblich sind auch die Beschwörungen des amerikanischen Wettbewerbsmodells im sozial-ökonomischen Bereich, dessen Ergebnisse im Wortsinne zwiespältig sind. Der Aufschwung in den USA hatte sich nach Robert Reich als sehr gut für die fünf Prozent Spitzenverdiener erwiesen und als ziemlich gut für die obere Hälfte der Arbeitnehmer. In der unteren Hälfte hätten die Menschen nicht profitiert. Amerika sei immer noch eine sehr gespaltene Gesellschaft. Das amerikanische Modell bedeute Polarisierung bei den Löhnen und vielfach auch Armut trotz Arbeit; das mitteleuropäische Modell verursache eine relativ hohe Arbeitslosigkeit, erzeuge aber einen höheren sozialen Zusammenhalt. Reich glaubt nicht, daß sich die Optionen auf diese Alternative beschränken sollten

Sofern das neoliberale Mantra von der „Deregulierung, Privatisierung und Globalisierung“ auf Länder übertragen wird, deren volkswirtschaftliche und staatliche Substanzen nicht einmal für minimale Formen der Sozial-und Rechtsstaatlichkeit ausreichen, droht eine Verelendung von großen Bevölkerungsteilen. Als Ergebnis der radikalen, unreguliert verlaufenden Privatisierung in Rußland kontrollieren dort heute sieben Großbanken die Hälfte der Volkswirtschaft. Zehn Prozent der Bevölkerung verfügen über ein Drittel der Einkommen und 31 Millionen Menschen leben unter dem Existenzminimum. Gewiß handelt es sich beim Systemwechsel in Rußland vom totalen Nomenklatura-Korporatismus hin zur Konflikt-und Wettbewerbsgesellschaft um ein Extrem; es sollte uns aber -wie andererseits die korporative Fäulnis in ostasiatischen Ländern -als Lehre dienen, daß es um neue Wege jenseits von Korporatismus und Konflikt gehen muß

III. Die Vision eines zukunftsfähigen Gemeinwohls

Für einen besseren Umgang mit der Dialektik von Konflikt und Konsens wird entscheidend sein, ob es sich auch in Zukunft um Kompromisse auf Kosten Dritter oder um entwicklungsfähige Synthesen unter Einbeziehung langfristiger Gesichtspunkte handeln wird. In einer kooperativen Gesellschaft müßten Konflikte immer auch als Mittel zur Suche nach einem neuen tragfähigen Konsens dienen. Das Ziel des Konflikts ist noch wichtiger als die Art und Weise des Streitens. Doch zunächst müßte sich unsere Gesellschaft überhaupt an einem gemeinsamen Ziel orientieren können.

Visionen von einem zukunftsfähigen Gemeinwohl werden daher unabweisbar. Visionen sind -so Roman Herzog in seiner „Zukunftsrede“ -nichts anderes als Strategien des Handelns Al Gore hat die Bedeutung einer solchen Vision einmal am Beispiel des Ost-West-Konflikts erörtert. Die Koalition freier Staaten hätte mit bemerkenswerter Ausdauer ihre Fähigkeit bewiesen, die Ausbrei-tung des Kommunismus mit militärischen, politischen und wirtschaftlichen Mitteln zu verhindern. Das gemeinsame strategische Ziel sei der Grundzug praktisch aller geopolitischen Strategien und auch der Sozialpolitiken des Westens gewesen. Ohne einen breiten Konsens hätte dieses strategische Denken nicht erfolgreich sein können

Immerhin zeichnet sich in der weltweiten Diskussion um ein „sustainable development" -eine nachhaltige, auf Dauer tragfähige Entwicklung -ein neues Gemeinwohlverständnis ab. Die Weite dieser Vision steht aber in einem bedrückenden Gegensatz zu den sich immer enger zusammenschließenden Klientelinteressen, die den politischen Alltag oft stärker denn je dominieren. Andererseits fühlen sich offenkundig alle relevanten gesellschaftlichen Gruppen von der Vision einer zukunftsfähigen Gesellschaft herausgefordert, weil sie mit ihren unterschiedlichen Dimensionen in der Finanz-und Sozialpolitik, der Wirtschafts-und der Umweltpolitik die unterschiedlichen Schwerpunkte der politischen Gruppierungen umfaßt. Wie nicht zuletzt die Reaktionen auf die Zukunftsrede des Bundespräsidenten gezeigt haben, fehlt es jedoch noch an der entscheidenden Einsicht über den wechselseitigen Zusammenhang dieser Problembereiche. Der Begriff „Zukunftsfähigkeit“ bedeutet im Grunde nichts anderes als das gemeinsame Wohl der gegenwärtig und zukünftig Lebenden. Daß die Konsensfähigkeit dieses Zieles heute in einem umgekehrten Verhältnis zu seiner Durchsetzungsfähigkeit steht, liegt nicht zuletzt an der mangelnden sozialen Zukunftsfähigkeit selbst der wohlhabenden Gesellschaften. Je mehr dort die Schnitt-mengen zwischen den verschiedenen Gegenwartsinteressen verlorengehen, desto mehr drohen die Interessen der kommenden Generationen in den Hintergrund zu treten. Im Umkehrschluß heißt dies, daß eine neue soziale Zukunftsfähigkeit der erste Schritt zu einer auch ökonomischen und ökologischen Zukunftsfähigkeit ist.

IV. Das niederländische Modell eines kooperativen Korporatismus

In den Niederlanden ist es gelungen, verschiedene Ziele gleichzeitig zu erreichen, die in anderen Ländern als unvereinbar gelten Das soziale Sicherungssystem wurde reformiert, ohne daß Leistungen radikal gekürzt werden mußten und dadurch der soziale Konsens gefährdet worden wäre. Die Arbeitslosenquote sank trotz restriktiver Fiskalpolitik von 13 Prozent Mitte der achtziger Jahre auf nur 6, 7 Prozent im Jahr 1996. Privatisierungen öffentlicher Unternehmen spielten bei der Erhöhung der Staatseinnahmen fast keine Rolle. Der gemeinsame Nenner der Reformmaßnahmen war die Flexibilität aller Beteiligten, die wiederum auf einer fortbestehenden sozialen Sicherheit basiert. Die Probleme wurden nicht isoliert, sondern in ihrem Zusammenhang angegangen. So erforderte etwa die drastische Ausweitung der Teilzeitarbeit die Einführung einer von der Arbeitsdauer unabhängigen Grundrente. Solche konzertierten Problemtherapien erfordern vor allem die Kooperation aller Beteiligten.

Der Übergang von einem an institutioneller Sklerose grenzenden Korporatismus, der als „dutch disease“ Eingang in die Sprache fand, zu einem kooperativen Korporatismus wurde 1982 eingeleitet. In den Abkommen zwischen Arbeitgebern, Arbeitnehmern und Regierung wurde eine restriktive Fiskalpolitik mit Lohnzurückhaltung und einschneidenden sozialpolitischen Reformen verbunden. Jede Seite mußte zurückstecken. Die Gewerkschaften verzichteten auf eine automatische Preisdynamisierung der Löhne, und die Arbeitgeber nahmen von ihrem Veto gegen eine Reduzierung der Wochenarbeitszeit Abstand. Dem legendären Abkommen von Wassenaar 1982 folgten 78 weitere Berichte, Leitlinien und Vereinbarungen. Dieser kontinuierliche Prozeß bi-und tripartistischer Verhandlungen wurde 1993 durch das Versprechen erneuert, die Politik der Lohnzurückhaltung zugunsten von Investitionen, Arbeitsplätzen, Arbeitszeitreduzierung und zusätzlichen Aus-und Weiterbildungsmaßnahmen fortzusetzen.

Der Willensbildungsprozeß wurde jedoch nicht nur von gutem Willen und Einsicht getragen. Der niederländische Staat warf von Anfang an seinen „Schatten der Hierarchie“ (Jelle Visser) auf die Verhandlungspartner. Die niederländische Regierung kann einen relativ starken Einfluß auf die Lohnbildung ausüben. Schon die Androhung eines gesetzlichen Lohnstopps führte oft zum Einlenken der Tarifparteien. Mit solchen Drohungen und mit der restriktiven Fiskalpolitik, die u. a. einmal zu einer Absenkung der Beamtenbesoldung um drei Prozent führte, gingen die Regierungsparteien ein hohes Risiko ein, das von den Politikern aber als Berufsrisiko in Kauf genommen wurde.

Diese unpopulären Maßnahmen wurden den Politikern bei Wahlen oft durch massive Stimmenverluste heimgezahlt, so z. B. 1994 bei der Abwahl des erfolgreichen Ministerpräsidenten Ruud Lubbers. Dennoch haben die konkurrierenden Parteien der Versuchung widerstanden, aus machttaktischem Kalkül Widerstandsparolen auszugeben oder -nach gewonnener Wahl -das Steuer in eine andere Richtung zu reißen. Für den derzeitigen Ministerpräsidenten und früheren Gewerkschaftsvorsitzenden Wim Kok bedeutet der notwendige Konsens nicht unbedingt, daß man die Regierungsbank teilen muß. Man könne die Bürger aber nicht von der Notwendigkeit des Umbaus überzeugen, wenn die großen Parteien sich nicht wenigstens in der Einschätzung der Krise einig seien In der Tat sind in dem einschlägigen Zeitraum seit 1982 alle relevanten Parteien des bürgerlichen Parteien-spektrums an den Regierungen beteiligt gewesen.

Konsultation und Mitbestimmung der Arbeitnehmer wurden in den Niederlanden ausgeweitet. Der „Schatten der Hierarchie“ wurde ergänzt durch den „Schatten der Zukunft“. Die Verhandlungspartner hatten begriffen, daß sich ihre Lage ohne Kooperation insgesamt zum Negativen verändern würde. Bei der Analyse und Beschwörung dieses Schattens spielte der als unabhängig respektierte „Sozial-Ökonomische Rat“ eine entscheidende Rolle. Statt auf parteiischen Gutachten konnten die Verhandlungen auf der Basis von Einsichten des neutralen Sachverstands aufbauen.

Die industriegesellschaftlichen Beziehungen in den Niederlanden werden auch heute von korporativen Strukturen getragen, allerdings von einem lernfähigen und kooperativen Korporatismus. Kontinuierliche, aber informell stattfindende Verhandlungs-und Abstimmungsprozesse begründeten ein langfristig angelegtes Vertrauensverhältnis. Die Niederlande sind ein Beispiel dafür geworden, daß auch korporativ geprägte Sozialstaaten sich auf veränderte Konstellationen einzustellen vermögen, wenn sie die Tugenden einer kooperativen Gesellschaft aufbauen und pflegen.

Natürlich sind die Verhältnisse in Deutschland anders als die niederländischen. Es geht auch nicht darum, diese einfach zu kopieren, aber man könnte sehen, in welche Richtung wir uns weiterzuentwickeln haben. Im direkten Vergleich zu den Niederlanden fehlen in Deutschland -ein Sozial-Ökonomischer Rat, dessen Unabhängigkeit und Sachautorität von allen Parteien und Verbänden respektiert wird, -Politiker, die das Risiko einer Wahlniederlage als Teil ihres Berufsrisikos ansehen, -Verbandsfunktionäre, die Einsicht in das langfristige Gemeinwohl zeigen statt nur Forderungen an andere zu stellen, -gesetzliche Möglichkeiten des Eingriffs in die Lohnpolitik, um Druck auf die Tarifparteien ausüben zu können, -eine Lernkultur statt einer nur die Rechthaberei und die Aggressivität fördernden Streitkultur,

-ein nüchterner, kaufmännischer Sinn für das notwendig Neue statt einer sozialromantischen Orientierung am Wünschenswerten, -ein Denken in Zusammenhängen, aus dem „unvereinbare“ Wege wie Flexibilität und Solidarität hervorgehen können, -die Bereitschaft zum Konsens zwischen Parteien, auch wenn diese nicht zusammen regieren,

-die Bereitschaft, Sündenbocksuche durch systemisches Denken zu ersetzen, sowie -Unternehmen, die den Wert langfristiger sozialer und rechtsstaatlicher Stabilität in eine Relation zu den kurzfristigen Wettbewerbszwängen stellen.

Mit der isolierten Vernunft eines oder sogar beider Tarifparteien ist, wie das deutsche Beispiel der ansteigenden Lohnnebenkosten trotz realer Lohn-absenkungen zeigt, nicht viel gewonnen. Letztlich geht es vielmehr um die gesamtgesellschaftliche Kooperationsfähigkeit, die in der deutschen Mischung von Korporatismus und Konfliktkultur unter den neuen Rahmenbedingungen verlorengegangen ist.

V. Europa als Ausweg aus der „Deutschen Krankheit“

Dem Korporatismus und der Konfliktkultur gleichermaßen entgegengesetzt ist die Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank und des Bundesverfassungsgerichts. Diese Institutionen zeigen, daß das Gemeinwohl sektoral vor dem Einfluß der Interessengruppen und Parteien und damit vor dem Eigennutz geschützt werden kann. In einer Demokratie muß die Reichweite solcher Institu tionen begrenzt werden. Unter dieser Voraussetzung wäre jedoch eine Ausweitung von Kompetenzen unabhängiger Fachleute denkbar, etwa in Gestalt eines bei Fragen von langfristiger Bedeutung zumindest mit Vetorechten ausgestatteten „Zukunftsrates“ oder eben eines „Sozial-Ökonomischen Rates“.

Doch auch die Unabhängigkeit und Entscheidungskompetenz nationaler Institutionen enden vor den Kompetenzen entsprechender europäischer Institutionen. Es wird sich daher langfristig im europäischen Kontext erweisen, ob die Politik die in einem Jahrhundert mühsam erkämpfte und heute zunehmend geringer werdende Souveränität gegenüber den sozial-ökonomischen Partikular-interessen zurückgewinnen kann. Ein Hinweis auf diese Möglichkeit bietet etwa die von der EU-Kommission wegen Wettbewerbsverzerrung gegenüber dem Volkswagenkonzern verhängte Strafe von 202 Millionen DM, an die eine nationale Regierung nicht einmal mehr zu denken gewagt hätte. Die Strukturen des Staatenverbundes Europäische Union unterscheiden sich von den korporativen Strukturen der meisten Mitgliedsstaaten vor allem dadurch, daß die Kommissare und Ministerräte vergleichsweise gut geschützt sind vor einem allzu großen Einfluß des Parlamentes und damit der Parteien und Verbände.

Dem Verlust nationaler oder regionaler politischer Kompetenzen an Europa steht der Gewinn europäischer Kompetenzen vor den globalen wirtschaftlichen Prozessen gegenüber. Über die Ebene der Union könnte die verlorengegangene Souveränität der Politik im Nationalstaat auf einer höheren Ebene wiedererlangt werden. „Mehr Demokratie“ auf dieser Ebene würde hingegen unvermeidlich mehr Korporatismus und mehr Konfliktkultur bedeuten, weil es nicht vorstellbar ist, wie 320 Millionen Menschen in einem echten parlamentarischen System ohne die Transmissionsriemen Verbände und Parteien regiert werden können. Bevor an eine weiter gehende Demokratisierung Europas gedacht werden kann, müßten erhebliche Fortschritte in der dann auf europäischer Ebene nötigen Kooperationsfähigkeit der Verbände und Parteien erzielt worden sein.

Mit den Kompetenzen des Ministerrates und der Kommission würde auch der Einfluß der nationalen Regierungen entscheidend geschwächt. Die nationalen Regierungen verlören darüber auch noch die ihnen verbliebenen Gestaltungsmöglichkeiten über die europäische Ebene. Die Fluchtwege aus den nationalen Souveränitätsverlusten wären verstellt. Es spricht mithin wenig dafür, die gegenwärtigen Entscheidungsstrukturen zu demokratisieren. Mit der langfristig zu erwartenden Einführung eines generellen Mehrheitsprinzips im Ministerrat wird man eher noch die Effizienz der intergouvernementalen Entscheidungsstrukturen zu stärken versuchen.

VI. Vorboten eines kooperativen Korporatismus in Deutschland

Die für Deutschland derzeit unvermeidliche Flucht auf die europäische Ebene berührt fast nur die staatlichen Aufgabenbereiche. Wie das niederländische Beispiel lehrt, kann die Komplexität heutiger Lebenswelten aber weder allein „von oben“ noch basisdemokratisch „von unten“ und schon gar nicht aus der Alleinherrschaft eines Teilsystems wie der Ökonomie bewältigt werden. Abgesehen davon, daß es gar nicht möglich ist, die alten korporativen Strukturen in den Nationalstaaten zu zerschlagen, ist es nicht einmal wünschenswert. Der Korporatismus bietet eine unverzichtbare Basis, um die tendenzielle Beziehungslosigkeit der gesellschaftlichen Teilsysteme wie der Wissenschaft oder der Wirtschaft zu vermeiden.

Bei der notwendigen kooperativen Ausgestaltung des Korporatismus kommt den sogenannten neuen sozialen Bewegungen bzw. Nichtregierungsorganisationen der Zivilgesellschaft eine entscheidende Rolle in der erforderlichen Ergänzung des Korporatismus zu. Insbesondere die Umweltverbände haben zielsicher die Lücken besetzt, die in der primär an materiellen Eigeninteressen ausgerichteten korporativen Konfliktkultur ausgespart bleiben. Sie versuchen, die Einflußdefizite der schlecht oder gar nicht organisierten Minderheits-und Zukunftsinteressen zu beheben, indem sie sozialen Minderheiten und nachfolgenden Generationen eine Stimme geben.

Dabei verharren sie oft in der selbstgerechten Rolle des protestierenden Anklägers. Selbst das Engagement für die Rechte anderer leidet oft an einer Überakzentuierung von Rechten und einer Vernachlässigung entsprechender Pflichten. Die aus den USA kommende Bewegung der Kommunitarier stellt hingegen das verlorene Gleichgewicht zwischen Rechten und Pflichten in den Mittelpunkt. Ihnen zufolge geht es nicht nur umMitbestimmung, sondern auch um aktive Mitwirkung des Bürgers, nicht nur um seine Rechte und Interessen, sondern auch um seine Pflichten und Verantwortlichkeiten, nicht nur um kurzfristige Bedürfnisse, sondern auch um langfristige Notwendigkeiten. Die mangelnde soziale Zukunftsfähigkeit des Sozialstaates wird auch aus dem Mißverhältnis zwischen betreuendem Staat und betreuten Bürgern abgeleitet. Anders als die Marktliberalen sehen sie die Lösung der Probleme des Sozialstaates jedoch nicht primär in der Privatisierung und im Gewinnprinzip, sondern in dem „dritten Weg“ eines verstärkten bürgerschaftlichen Engagements.

Aber auch die ausgeschlossenen Dritten beginnen, sich z. B. in der Arbeitslosenbewegung selbst zu Wort zu melden. Die Arbeitslosigkeit rückt zunehmend von einem Randgruppenphänomen in die Mitte der Gesellschaft. In Frankreich -wo diese Bewegung ihren Ausgang nahm -gibt es bereits mehr Menschen ohne Arbeitsplatz als Gewerkschaftsmitglieder. Zwei Drittel der Bevölkerung empfanden daher dort auch Sympathien für die Proteste. 78 Prozent der Bevölkerung haben einen Arbeitslosen in der Familie oder im engsten Freundeskreis. 38 Prozent waren mindestens einmal selbst arbeitslos, und 33 Prozent fürchteten, in den kommenden Monaten ihren Job zu verlieren

Doch auch die Initiativen, Kampagnen und Selbsthilfetätigkeiten leiden an einem strukturellen Handlungsproblem, welches sie allein kaum zu durchbrechen vermögen. Dafür wird es einer kooperativen Zusammenarbeit von neuen Bewegungen und alten Korporationen bedürfen. So wie die Staatenwelt auf den großen UNO-Konferenzen die Nichtregierungsorganisationen zu Hilfe ruft, so erfordert die allein mögliche komplementäre Ergänzung von kurzfristigen und langfristigen Eigeninteressen, von gegenwartsbezogenem Eigennutz und zukunftsfähigem Gemeinwohl die Kooperation entsprechender Willensbildungsträger.

Von bloßen Protesten werden die ausdifferenzierten Funktionssysteme nur symbolisch angefochten. Sie brauchen Hilfe, um ihre eigenen Sachzwänge zugunsten allgemeiner Gesichtspunkte ergänzen zu können. Aus dieser Perspektive sind Konflikte ein Mittel, um Kooperationsfähigkeit zu erzwingen. Die heroischen Tage von Greenpeace oder Robin Wood sind allerdings vorbei. Heute stemmen sich ihre Aktivisten auch nicht mehr einer als Gegner verstandenen Industriegesellschaft entgegen; sie sind vielmehr -beispielsweise als Umweltminister -in sie integriert. Umweltsenatoren wie Fritz Vahrenholt wechseln wiederum in den Vorstand der Shell-AG, weil sie dort Umwelttechniken besser als von der staatlichen Ebene aus glauben vorantreiben zu können.

Es wäre jedenfalls völlig illusorisch zu glauben, man könne die , Vertreter der Gegenwart im Konflikt besiegen. Regierungen und Parlamente spielen in diesen Zusammenhängen derzeit keine Rolle, weil sie sich völlig von den Verbänden und Parteien abhängig gemacht haben. Um so mehr hängt in den nächsten Jahren von den geistig-moralischen Erneuerungskapazitäten der Verbände und Parteien ab. Die Dialektik von Krise und Chance erlaubt die Hoffnung auf wesentliche Bewußtseinsschübe bei ihren Mitgliedern, da auch deren einst stabile gesellschaftliche Rollen und Besitzstände zunehmend von den Modernisierungsprozessen erfaßt werden. Zudem hat die korporative Konfliktkultur in Deutschland ein Stadium erreicht, welches eine wesentliche Änderung der Verhältnisse unausweichlich macht.

Ein kooperativer Korporatismus würde seine organisatorische Ausgestaltung in lagerübergreifenden „Bündnissen für Arbeit“ und schließlich in den die sozial-ökonomischen Themen übergreifenden „Bündnissen für Zukunft“ finden. In der intensiven Suche nach Möglichkeiten einer nachhaltigen Entwicklung werden wichtige Grundlagen für spätere Zukunftsbündnisse gelegt. Für die Umsetzung dieser Konzepte werden die Parteien, die diesen zivilgesellschaftlichen Prozessen noch weit hinterherhinken, unverzichtbar sein.

Auch ihre destruktive Große Koalition zwischen Regierungsparteien und Bundesratsmehrheit ließe sich mit etwas mehr Einsicht und etwas mehr gutem Willen in eine konstruktive Große Koalition umgestalten. Nur gemeinsam hätten die Volksparteien eine Chance, dem unmittelbaren Druck der ihnen jeweils nahestehenden Interessenverbände standzuhalten. Solange die SPD den Forderungen der IG-Bergbau nach dauerhaften Subventionen folgt und umgekehrt die CDU die Mengenproduktion der Landwirtschaft vor der ökologischen Landwirtschaft schützt, läßt sich unser Land weder sozial noch ökologisch erneuern. Erst mit der dann gegebenen Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat ließen sich strukturelle Reformen etwa des Föderalismus ernsthaft in Erwägung ziehen und damit ein dauerhaft arbeitsfähiges Verhältnis von Regierung und Opposition in die Wege leiten.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Fritz W. Scharpf, Versuch über Demokratie in Verhandlungssystemen, Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung (MP 1FG), Discussion Paper 92/9.

  2. Vgl. Klaus Zwickel, „Bündnis für Arbeit“, in: IG Metall direkt, Nr. 21 vom 8. 11. 1995.

  3. Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 6. 2. 1998.

  4. Vgl. das Interview mit Robert Reich, in: Die Zeit vom 12. 12. 1997.

  5. Vgl. Heinz Theisen, Rußland und die Grenzen der Globalisierung, in: ders. /Klaus Erdmann (Hrsg.), Gibt es eine gemeinsame Zukunft? Die öffentlichen Verwaltungen Rußlands und Deutschlands im Transformationsprozeß, Brühl 1998.

  6. Vgl. Roman Herzog, Aufbruch ins 21. Jahrhundert, in: Universitas, (1997) 12.

  7. Vgl. Al Gore, Wege zum Gleichgewicht, Frankfurt/M. 1992, S. 267 ff.

  8. Ich folge hier Jelle Visser/Anton Hemerijck, A Dutch Miracle, Amsterdam 1997; vgl. auch die Studie der Niederländischen Botschaft, Wirtschafts-und Sozialreformen in den Niederlanden. Zur Wende am Arbeitsmarkt ohne Kündigung des sozialen Konsenses, Bonn 1997; Lothar Funk/Albrecht Winkler, Konsensmodell Niederlande: Ein sozial-und beschäftigungspolitisches Vorbild für die Bundesrepublik Deutschland?, in: Eckhard Knappe/Albrecht Winkler (Hrsg.), Sozialstaat im Umbruch, Frankfurt/M. -New York 1997, S. 151 ff.

  9. Vgl. das Interview mit Wim Kok, in: Die Zeit vom 4. 4. 1997.

  10. Einen Überblick über den Korporatismus in anderen Staaten Europas findet sich bei Philippe C. Schmitter/Jürgen R. Grote, Der korporatistische Sisyphos: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, in: Politische Vierteljahresschrift, (1997) 3, S. 531 ff.; wichtige Hinweise zu den Unterschieden des niederländischen und des fast schon mafios verstrickten belgischen Korporatismus verdanke ich Prof. Jacobus Delwaide, Brüssel.

  11. Vgl. Wolfgang Proissl, Revolte der Verlierer, in: Die Zeit vom 5. 2. 1998.

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Heinz Theisen, Dr. phil., geb. 1954; 1992-1997 Professor für Politikwissenschaft an der Fachhochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung in Brühl; seitdem Professor für Politikwissenschaft an der Katholischen Fachhochschule Nordrhein-Westfalen in Köln. Veröffentlichungen u. a.: Eigennutz und Gemeinwohl, in: Die politische Meinung, (1997) 9; Auf Kosten der Zukunft. Die Herrschaft der Verbände, in: Universitas, (1998) 1; (Hrsg. zus. mit Klaus Erdmann) Gibt es eine gemeinsame Zukunft? Die öffentlichen Verwaltungen Rußlands und Deutschlands im Transformationsprozeß (i. E.).