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Die deutschen Universitäten, der Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit empfohlen! Plädoyer für eine neue Hochschulpolitik | APuZ 15/1998 | bpb.de

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APuZ 15/1998 Forschung und Lehre -das Ideal Humboldts heute Die deutschen Universitäten, der Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit empfohlen! Plädoyer für eine neue Hochschulpolitik „Differenzierte Hochschulen“ Ein Plädoyer für mehr Effizienz und Durchlässigkeit Hochschulreform aus der Sicht der Wirtschaft

Die deutschen Universitäten, der Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit empfohlen! Plädoyer für eine neue Hochschulpolitik

Michael Daxner

/ 20 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Die studentischen Proteste Ende 1997 zwingen zu einer doppelten Reflexion: Wieweit kann sich das „deutsche Modell“ der an Humboldt ideell orientierten Universität auf empirische und ideologische Grundlagen stützen, die seine Erneuerung befördern? Und: wieweit drücken die studentischen Proteste in einer Zeit „dynamischen Stillstands der Hochschulpolitik“ eine in die Zukunft weisende Bedürfnisstruktur der eigentlichen Subjekte von Universität aus? Der Beitrag nimmt auch Bezug auf die Folgen der Studentenbewegung von 1968, die in diesem Jahr eine gewisse Aufmerksamkeit finden werden -einschließlich der Fragen, wie sich das Zukunftsbild dieser Generation von damals unterscheidet und warum sich die breite Öffentlichkeit in einer merkwürdigen Verdrängungsleistung von den Hochschulen als Ort republikanischer Hoffnung abgewandt hat. Die Rezepte für eine mittelfristige Reform der Hochschule liegen auf dem Usch, aber es scheint die richtige Idee directrice zu fehlen. Vorschläge dazu und ein Rekurs auf die von Jürgen Mittelstraß im gleichen Heft vertretenen Forderungen an eine exzellente Universität runden das Plädoyer für verstärktes öffentliches Engagement ab.

I.

Streiks und studentische Protestkundgebungen kennzeichneten die letzten Monate des Jahres 1997 an den Hochschulen. Die studentischen Forderungen, die in teilweise altbekannten, aber auch neuen und phantasievollen Formen vorgetragen wurden, zielten auf bessere Ausstattung, verstärkte finanzielle Unterstützung der Institutionen, eine Verbesserung der sozialen Situation, mehr Binnendemokratie an den hohen Schulen -ein vertrauter Katalog, aber mit vielen neuen Nuancen. Als die Streikwelle Ende Oktober 1997 die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit erreichte, geschah Merkwürdiges: Vom Bundeskanzler über den Bundesminister, die Länderminister, die Rektorenkonferenz bis hin zu den meisten Journalisten fand eine allgemeine Umarmung der protestierenden Studentinnen und Studenten statt, und zugleich tauchte ein Lieblingsgespenst des hochschulpolitischen Diskurses aus dem Nebel historischer Verdrängung: 1968. Die kurzlebige Umarmung ist leicht zu erklären -in einer völlig blockierten Situation, in der weder die Gesetzes-vorhaben zum Hochschulrahmengesetz noch zum Bundesausbildungsförderungsgesetz irgendein relevantes Problem lösen können, wirkte der studentische Aktionismus enorm entlastend: Wenigstens machtjemand etwas.

Je deutlicher sich die Forderungen differenzierten, uneinheitlicher, aber auch radikaler wurden, desto schneller ebbte die Welle der Sympathie bei der politischen Klasse ab, die Öffentlichkeit hielt in ihrer positiven Zuneigung noch etwas länger durch. Auch das studentische Protestpotential, teilweise vom Lehrkörper und den Hochschulleitungen der eigenen Hochschulen unterstützt, teilweise aber auch behindert, spaltete sich in verschiedene Stränge auf. In den letzten Wochen nun ist die Diskussion, ob sich nicht etwa ein neues 1968 an den Hochschulen ankündige, wieder stärker geworden, allerdings unter Prämissen, die sich radikal von denen unterscheiden, die zum Höhepunkt der Studentenbewegung in den sechziger Jahren geführt haben.

II.

Ein Blick zurück lohnt: Der Generationenkonflikt, den die erste Friedensgeneration im Nachkriegs-westdeutschland mit ihren Eltern austragen mußte, trug gesellschafts-und kulturpolitische Dynamik von hoher Sprengkraft in sich. Es ging nicht nur um die historische Aufarbeitung der Tatsache, daß eine ältere Generation mit einigem Recht in „Tater“ und „Opfer“ sortiert werden mußte, bevor es zu heilenden Dialogen kommen konnte; es ging auch ganz massiv darum, welche Sozialisation und Erziehung in Westdeutschland nach 1945 geherrscht hatte, damit dieser Konflikt soweit nach hinten verdrängt werden konnte. Wir teilen Stefan Reineckes Beobachtung: „Die 68er, die Kinder der Tätergeneration, machten die Schuldfrage zu dem zentralen Kampfinstrument gegen ihre Eltern. Das fiel oft ungerecht, manchmal ...selbstzerstörerisch aus. Ein Dialog zwischen den Generationen kam, obwohl immer wieder heftig eingeklagt, so gut wie nicht zustande. Unversöhnlich standen sich das beleidigte, störrische Schweigen der Eltern und die wütenden, oft selbstgerechten Anklagen der Kinder gegenüber. So blieb dieser Konflikt ungelöst. Daß die 68er sich oft in die Opferrolle halluzinierten, ... war eher Symptom als Lösung dieses Zustands. Dieser (durchaus zwiespältige) Umgang mit der Schuld hat in den 90em seine Hegemonie verloren -mit wiederum höchst fragwürdigen Ergebnissen.“ Die Rolle der Kinder von Nazi-Opfern war vielleicht noch ambivalenter. Aber bei allen psychologischen Übersteigerungen haben die 68er ein Interesse an Sozialisation und Erziehung provoziert, das angesichts des deutschen Bildungsdünkels ungemein heilsam wirkte: Wie konnte es im Land von Schiller und Goethe zu Auschwitz kommen? Die Verknüpfung dieser Frage mit dem Angriff auf die Bildungsinstitutionen erzeugte eine bis weit ins konservative Lager reichende Verunsicherung, ob nicht tatsächlich das Defizit an Aufklärung und Emanzipation sein Ende haben sollte.

Es wurde deutlich, daß die offiziellen Lehrpläne nicht das waren, wofür sie sich ausgaben: In ihnen, verborgen und maskiert, manifestierten sich die tieferliegenden regulierenden Ideologien ... die verdrängte deutsche Geschichte, das positive technische Weltbild, die Wiederaufbaumentalität, das Ausblenden von Schuld und Scham in den Wissenschaften, die sich dem Nazismus hingegeben haben -all das lag unter der Oberfläche eines scheinbar streng wissenschaftlichen, „positiven“ und „unpolitischen“ Lehrplans. Im Umgang der Menschen untereinander etablierte sich ein fast klassenübergreifender Mittelstand, in dem weniger autoritär geprügelt und befohlen wurde, sondern der subtilere Methoden der Zurichtung gelernt hatte, wie ein Tarnanzug über den noch bestehenden alten psychischen Strukturen.

Die Frage nach dem heimlichen Curriculum und der repressiven Toleranz bürgerlicher Mittelschichterziehung war nicht einfach ein modisches Steckenpferd, sondern gemeinsam mit einer undogmatischen Wiedereroberung des Marxismus und der Psychoanalyse ein Vehikel, die gesellschaftlichen Verhältnisse zu verstehen und für die Zukunft auch zum Tanzen zu bringen (Mehr Demokratie wagen!). Dabei hat die 68er-Generation zugleich die Weltpolitik als teilweise Begründung und Rechtfertigung ihres national konzentrierten antiautoritären Widerstandes entdeckt, als sie auch in der Hochschule den richtigen Ort sah, von dem aus diese komplexe Welt zugleich erklärt, kritisiert und verändert werden sollte. Diese Rollenzuschreibung wird zwar bald nach 1968 wiederum abgetreten, weil die reformierte Hochschule stärker als je zuvor in den kodifizierten Bereich staatlicher Exekutive genommen wurde (Hochschulrahmengesetz 1976), aber das, was sich als „Bewegung“ in der Erinnerung festgesetzt hatte, war untrennbar mit den Hochschulen, der Hochschulpolitik und ihren Auswirkungen verbunden.

Neben spätmarxistischen, überwiegend undogmatischen Theorien, antiimperialistischer Grundhaltung, politischer Psychoanalyse war auch die Erbschaft bürgerlicher Demokratie eine Legitimation der Studentenbewegung. Da berief man sich sehr explizit auf Johann Gottlieb Fichte Wilhelm von Humboldt und Georg Wilhelm Friedrich Hegel und argumentierte durchaus in dem Kontext, den Jürgen Mittelstraß in diesem Heft als „Mythos Humboldt“ erklärt. Wenn es bei dem sozialistischen Ideal um den „neuen Menschen“ geht, so war das „bürgerlich-demokratische Erbe“ nicht nur der Französischen Revolution, sondern auch dem emanzipatorischen Gehalt der deutschen idealistischen Philosophie zugetan, weil sie eine -wenn auch schwer zu verstehende -Autonomie von dem zu versprechen schien, was die 68er mit am heftigsten bekämpften: der Indienstnahme durch gesellschaftliche Interessengruppen (Wirtschaft, Militär, repressiver Staatsapparat) und der Auslieferung an „Sachzwänge“.

Natürlich gab es auch da Widersprüche, Spaltungen, vielfältige Strömungen -aber ohne diese Bewegung wäre nicht eingetreten, was heute Anlaß oft kleinmütigen Nachdenkens ist: Die Verpflichtung der Wissenschaft auf ein bestimmtes Bild von gesellschaftlichem Fortschritt, die Instrumentalisierung der kritischen Erkenntnis zur Gesellschaftsveränderung, stehen nicht unbedingt in Übereinstimmung mit zwei Sachverhalten: Zum einen sind oft die „richtigen“ Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gar nicht vorhanden, um die prioritären Erwartungen zu erfüllen, zum anderen gibt es die „richtigen Wissenschaften“ in der erforderlichen Qualität gar nicht. Denn die wissenschaftliche Gemeinschaft orientiert sich in ihren Interessen und Forschungsschwerpunkten, aber auch in ihrer Lehrtradition keineswegs immer an den Relevanzkritierien der Gesellschaft. Dafür gibt es viele Gründe, nicht zuletzt den der Ungleichzeitigkeit: Wissenschaft und Hochschulen sind sehr viel langsamere Systeme, als es die gesellschaftliche Dynamik der Politik und öffentlichen Meinung, aber auch der Auftraggeber, wahrhaben möchte. Zudem versucht die Politik, ihre Prioritäten über das Steuerungsmittel Geld möglichst schnell umzusetzen, und hier wiederum gibt eseinen eindeutigen Vorrang der Forschungspolitik vor dem Studiensystem. In diesem Konflikt gerät oft in Vergessenheit, daß es ja das Studium ist, das die individuellen und kollektiven Interessen vermittelt, das aber auch die Qualitätsstandards der wissenschaftlichen Gemeinschaft in die politischen Prioritätenlisten einträgt. Was wichtig für die Gesellschaft ist, muß nicht von vornherein wichtig für die Lebenserwartungen und biographischen Weichenstellungen jeder Studentin oder jedes Studenten sein. Was von den Hochschulen mit Erfolg an Mitteln und Reputation eingeworben wird, muß nicht immer dem Verständnis von Relevanz und gesellschaftlicher Bedeutung entsprechen, das die Förderer gerne verwirklicht sähen. Nun sind solche Fragen, wie man am Beispiel jedes globalen ungelösten Problems beweisen kann, ohne Wissenschaft und gut ausgebildete Menschen gar nicht sinnvoll zu stellen, geschweige denn zu beantworten. Aber sie werden nicht diskutiert, weil es seit Jahren fast nur um Geld, um Managementreformen, um die verwaltungsorganisatorischen Defizite geht, weil sich auch das Hochschulsystem gegenüber dieser Art der öffentlichen Fragestellung völlig verselbständigt hat. Das heißt nicht, daß solche Fragen in den Hochschulen -bisweilen auf sehr hohem Niveau -nicht diskutiert werden, aber es bedeutet, daß die Hochschulen keine besonders gefragten Akteure in bezug auf die Antworten sind; sie sind jedenfalls nicht Bestandteil einer strategisch auf die Zukunft ausgerichteten Politik.

III.

Wenn wir uns vor Augen halten, was Humboldt und Fichte wollten, wenn wir uns vergegenwärtigen, was 1968 bedeutet, dänn stellen wir darüber hinaus noch etwas ganz anderes fest: den völligen. Verlust einer visionären Dimension der Persönlichkeitsbildung, der Versittlichung durch den Umgang mit Wissenschaft, sei es im Studium, sei es in der Forschung. Kritische Intellektualität und Emanzipation als Ergebnis der Arbeit in und mit Wissenschaft sind keine Kategorien mehr, die mit irgend einer hochschulpolitischen Handlung zu begründen wären, und damit tritt ein paradoxer negativer Effekt ein. Weil Hochschulen durch Politik, Öffentlichkeit und teilweise auch Wirtschaftsverbände behandelt werden wie notwendige, aber kostenintensive Schulen mit einer Zubringerfunktion zu Zwecken, die weit außerhalb ihres Gegenstandes hegen, besteht seitens der Politik keine besondere Neigung, Wissenschaft und Hochschulen umzustrukturieren. Die Hochschulen sollen den Platz behalten, den sie haben, aber kostengünstiger und effektiver werden; damit wäre der pragmatischen Politik Genüge getan. Darm aber kann jedes Consultingunternehmen nicht ganz zu Unrecht den Schluß ziehen, daß jeder einzelne Funktionsträger der Universität in einer verselbständigten Unternehmensstruktur möglicherweise sehr viel effizienter arbeiten würde als innerhalb des schwerfälligen Hochschulsystems.

Besonders fatal ist, daß ja die unternehmerische, wirtschaftliche, auch betriebswirtschaftliche Seite sehr wohl etwas mit dem Ausweis von Qualität zu tun hat: Natürlich lassen sich viele Qualitäten des Wissenschafts„betriebs“ auch in Geld ausdrücken, messen und vergleichen; viel wichtiger noch, sie lassen sich politisch vermitteln -die Menschen müssen schon wissen, was Wissenschaft kostet, damit sie (auf empirischer Grundlage) überlegen können, was ihnen ihr Hochschulsystem wert ist. Nun tut aber die staatliche Wissenschaftspolitik alles dazu, daß diese Diskussion nicht seriös geführt wird. Der Regierungsentwurf zum Hochschulrahmengesetz, die meisten Ländergesetze, aber vor allem die schier aberwitzige Regulierungsflut staatlicher Wissenschaftsverwaltung treffen auf eine Hochschule, die in aller Regel auch nach innen durch die ständische Besitzstandsmentalität und zugleich durch eine gewisse Verantwortungslosigkeit gegenüber der Gesellschaft immobil geworden ist.

In dieser Situation ist der Aufschrei der protestierenden Studenten nur zu verständlich. Und es gibt Forderungen, die sich so lesen, als hätte ein moderner Fichte sie formuliert. Es ist vielleicht nicht mehr die philosophische Fakultät, die die „eigentliche Universität“ repräsentiert, aber die Studentinnen und Studenten wünschen sich „selbstbestimmtes Studium“, keine Einpassung in ökonomische Zusammenhänge, die für die meisten von ihnen dem Augenschein nach in die Arbeits-und Perspektivlosigkeit führen.

In einem Flugblatt der Studentenvertreter der Technischen Universität Hamburg-Harburg wird gegen eine privatwirtschaftlich organisierte, auslandsorientierte Campusuniversität unter anderem mit dem Argument polemisiert, daß die deutschen Hochschulen bislang gerade wegen ihrer persönlichkeitsbildenden und emanzipatorischen Studienqualitäten, auch wegen ihrer Offenheit im Zugang, so geschätzt waren. Mit einer gewissen Rührung liest sich ein solches Plädoyer, das doch der Abwehr eines noch gefährlicheren Gegners dient, denn ansonsten würden die meisten Studentenvertretungen ja den Hochschulen bescheinigen, daß sie diese wunderbaren Qualitäten, wenn sie sie je besessen hätten, längst verloren haben und die damit verbundenen Ansprüche ohnehin verkauft und verraten sind.

Viele Studentinnen und Studenten suchen etwas ganz Selbstverständliches, nämlich Studium, das heißt qualitätsvoll bestimmte Kommunikation zwischen Lehrenden und Studierenden -da nimmt man eben leicht das Symbol eines überfüllten Hörsaals oder einer ausgefallenen Vorlesung, um drastisch deutlich zu machen, was nicht in Ordnung ist. Die Politik reagiert zynisch, indem sie darüber verhandelt, ob nicht noch ein paar Millionen Mark zusätzlich umgeschichtet werden können. Darum geht es zwar auch, aber doch nur in zweiter Linie. Wie soll denn die Hochschule der Zukunft sein, wenn ich die künftigen Generationen leistungsorientiert und zielgerichtet auf diese Zukunft verpflichten möchte?

IV.

Nehmen wir -im Kontext von Jürgen Mittelstraß -die wesentlichen Bestimmungsstücke einer jeden Reform: institutionelle Einheit von Forschung und Lehre (individuell war sie immer nur idealtypisch angestrebt), Universalität, Transdisziplinarität, Qualität. Dies ist der Kernbestand einer „Gestalt“, einer Leitidee für eine gute Hochschule. Ihre Ergebnisse, schon etwas bodennäher, sollen natürlich auf der einen Seite die für die künftige Produktion und Reproduktion von Gesellschaften nötigen Qualifikationen anlegen, Forschung und Entwicklung muß sich an den Relevanzkriterien und an den Fragestellungen der wissenschaftlichen Gemeinschaften (Scientific Community) gleichermaßen orientieren, und -wie auch heute von den politisch bewußteren Studierenden nachdrücklich gefordert -die Hochschule muß ein Ort kritischer und emanzipatorischer Persönlichkeitsbildung bleiben bzw. werden. Einem solchen Programm soll nicht leichtfertig zustimmen, wer es für unverbindlich hält. Wenn diese Leitsätze ernst gemeint sind -und ernst genommen werden -dann ergeben sich erhebliche Konsequenzen daraus: Wir müssen schleunigst darangehen, die Hochschulen zu Orten zu machen, an denen die

Forderungen, die ich hier benannt habe, selbst zum Gegenstand von Studium und Forschung werden. Es kann nicht angehen, daß Interessenverbände und die staatliche Verwaltung genau diesen Kernbestandteil von Autonomie bis zur Unkenntlichkeit regulieren und ihren eigenen beschränkten Zwecken unterwerfen.

Eine Konsequenz aus der Leitidee ist eine radikale Entstaatlichung der Hochschule. Das heißt nun gerade nicht ihre Privatisierung, weil ja dann die gleiche Engführung, nur in einer anderen Interessenkonstellation, die Folge wäre. Es geht vielmehr darum, daß die Öffentlichkeit aus der Überlegung, was ihr Hochschulen wert sind, auch die entsprechenden Konsequenzen ziehen kann. Das bedeutet aber, daß die Hochschulen in einen direkten Austausch mit den Bürgerinnen und Bürgern dieser Gesellschaft treten müssen, daß sie sehr wohl ihre Leistungen ausweisen, daß sie in ganz anderem Maße als bisher zur Rechenschaft gezogen werden müssen für das, was sie tun -daß sie aber auch dafür verlangen können, daß diese Öffentlichkeit, die ja unter anderem auch aus Steuerpflichtigen besteht, aber eben nicht nur, sich dafür stark macht, daß Hochschulen nicht einfach zur Disposition gestellt werden, daß ganze Wissenschaftsgebiete entweder verschwinden oder mit drittklassigen Wissenschaftlern besetzt werden, weil kein Geld und keine hochschulpolitischen Strategien vorhanden sind. Das ist es, was ich an anderer Stelle als die Überführung der Hochschulen in öffentliches Eigentum und als republikanischeIdee bezeichnet habe Die Menschen einer Gesellschaft müssen sich bewußt sein, daß die Hochschulen ihr Eigentum sind -und mit Eigentum geht man pfleglich um. (Die jetzige Wissenschaftsverwaltung geht mit den Hochschulen eher so um wie die frühere DDR mit ihren volkseigenen Betrieben.) Eine weitere Konsequenz betrifft auch die Veränderung der demokratischen Struktur: Wenn ich die treuhänderische Unterstützung der Eigentümer, also der Öffentlichkeit möchte, dann muß diese Öffentlichkeit mitbestimmen dürfen, welche Schwerpunkte und Strukturen sich in den Hochschulen entwickeln sollen. (Das darf so wenig ein Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit sein, wie er jetzt dem Staat oder Interessengruppen zustände; ich bin davon überzeugt, daß es weniger Eingriffe in die Autonomie über ein Kuratorium oder einen Hochschulrat gibt, als sich jetzt ein anmaßender Konzeptbeamter eines Ministeriums erlauben kann.) Nun mag hier der Eindruck entstehen, die Schuldzuweisung erfolge einseitig in Richtung der staatlichen Verwaltung. Auch hier gibt es ein Sowohl-als-auch: Entgegen vorschnellem Augenschein sind sehr viele Wissenschaftspolitiker aller Parteien mittlerweile mit einem solchen Konzept einverstanden. Sie geben überhaupt schlechte Feindbilder ab, weil sie ja objektiv unter zwei einander ergänzenden Pressionen stehen: Das sind auf der einen Seite Pressestimmen aus dem wohl beschränktesten Zirkel der Politik, der Finanzministerkonferenz; und auf der anderen Seite aus den Hochschulen selbst, wo entgegen allen reformerischen Forderungen und Aktivitäten doch die ständische Immobilität viele Fortschritte zunichte macht. Insofern sollte man ein sehr feines Ohr für die Kritik der protestierenden Studenten am Professoriat haben. Dabei geht es nicht nur um tatsächliche mißbräuchliche Machtstrukturen, sondern implizit um einen berechtigten und vehementen Angriff auf die Aufspaltung der Universität in die vier jetzt eingebunkerten „Gruppen“

Und es sage keiner, es gäbe keine Rezepte. Es gibt hinreichend viele durchdachte und teilweise erprobte Reformansätze, daß wir getrost jeder Hochschule eine ganze Palette von Reformen zur Auswahl geben können. Bundes-und landesrechtlich muß nur ganz wenig geregelt werden: eine Herausnahme des gesamten wissenschaftlichen Personals aus dem Beamten-und Angestellten-recht des öffentlichen Dienstes und die Einführung eines neuen wissenschaftsspezifischen Dienst-rechts. Die völlige personal-und dienstrechtliche Hoheit der Hochschulen mit den damit verbundenen Risiken, ein Vertragssystem zwischen Studierenden und Lehrenden, das die wechselseitigen Rechte, Pflichten und Leistungen regelt, den Ersatz staatlichen Genehmigungshandelns durch Akkreditierung und transparente Evaluation. Alles andere können die Hochschulen, begleitet von der Öffentlichkeit, tatsächlich selbst -wenn nur die Überzeugung vorherrscht, daß es unterhalb von Exzellenz keinen Anspruch geben soll. Aber nicht alles, was exzellent ist, muß „oben“ angesiedelt sein.

Eine Antwort auf diese Überlegungen ist die Differenzierung des Hochschulsystems Bislang sind unsere Hochschulen von einer geradezu verblüffenden formalen Homogenität, was ihre gesetzlichen Rahmenbedingungen, ihre Personalstruktur, ihre Studien-und Prüfungsordnungen sowie ihre Finanzverwaltung betrifft. Wenn wir von Kunst-hochschulen, einigen theologischen Fakultäten und Spezialhochschulen absehen, dann gibt es nur Universitäten und Fachhochschulen.

Sofort erwarte ich den Einwand, daß ja innerhalb dieser beiden Gruppen die Qualitätsunterschiede deutlich zutage lägen, daß man große alte Universitäten wie Heidelberg oder Marburg nicht mit Neugründungen oder nordrhein-westfälischen Gesamthochschulen vergleichen dürfe, und die formellen wie informellen Rankinglisten kursieren ja nicht erst seit gestern. Das ist richtig, aber nur die eine Seite der Wahrheit. Die andere ist, daß eben für Göttingen und Lüneburg, für Vechta und die TU München, für die Fachhochschule Köln und die Bergakademie Freiberg die gleichen gesetzlichen Rahmenbedingungen gelten, daß allen Hochschulen mehr oder weniger das starre, leistungsfeindliche Dienstrecht mit einer obsoleten Personalstruktur eigen ist und daß die Studien-und Prüfungsordnungen einen Grad von Gleichförmigkeit erreicht haben, der allenfalls durch die Qualitätsunterschiede der einzelnen Fächer an verschiedenen Hochschulen gebrochen wird.

Mag aus Sicht der Angebotsseite, also des Staates und der Hochschulpolitik, bereits ein hohes Maß an Differenzierung vorhanden sein, so ist dies aus Sicht der nachfragenden Studentinnen und Studenten sicherlich nicht der Fall. Alle deutschen Hochschularten sind von Gesetz und staatlicher Verwaltung wegen auf eine studentische Normal-biographie hin ausgerichtet, die es bereits seit Jahrzehnten nicht mehr gibt. Bei einer Studienbeteiligung von über 35 Prozent der betreffenden Altersgruppen ist doch nicht zu erwarten, daß die Studierenden die gleichen schmalen Karriereaspirationen aufweisen, wie sie noch zu Beginn der sechziger Jahre vorherrschend waren (Auch dies markiert einen bemerkenswerten Unterschied zu den 68em: Damals standen die Hochschulen erst vor der großen quantitativen Expansion, und für jeden rebellierenden Studenten, auch wenn er sich als Berufsrevolutionär fühlen mochte, war im Prinzip ein privilegierter Arbeitsplatz reserviert; das hat sich gründlich verändert, die Privilegien der Absolventinnen und Absolventen liegen heute auf ganz anderen Ebenen.)

Wenn die Hochschulen den studentischen Biographie-bzw. Berufserwartungen gerecht werden sollen, dann muß das gesamte System enthomogenisiert werden. Einheitlichkeit, selbst die Rechtseinheit der Rahmenregelungen, ist kein Wert, schon gar nicht angesichts der Globalisierung des internationalen wissenschaftlichen Netzwerks. Es ist sehr viel wichtiger, daß die unterschiedlichen Lebensperspektiven der millionenfach nachfragenden Studierenden entsprechend ernst genommen werden.

Hier erwarte ich wiederum Protest, weil diesem Argument ja entgegengehalten wird, daß die Leistungs-und Qualitätsstandards von guter Wissenschaft nur einen bestimmten Typus von Studierenden ertragen. Ich halte dagegen, daß erstens nicht jede Nachfrage zum Erfolg führen muß -erwachsene Studierende haben das Recht auf Scheitern wie jeder andere erwachsene Mensch auch; zweitens die Erfolgsprognosen der etablierten Wissenschaft doch nicht sicherer sind als die scheinbar so abwegigen Vorstellungen großer studentischer Gruppen -denken wir daran, wie mühselig sich bestimmte Disziplinen gegenüber der alten Fach-tradition durchsetzen mußten. Drittens haben die Hochschulen, das wurde bereits betont, nicht nur die Aufgabe der instrumenteilen Qualifikation, sondern auch einer Persönlichkeitsbildung -und deshalb müssen sie auch solche Studentinnen und Studenten willkommen heißen, denen es weniger um einen Abschluß -also eine öffentliche Lizenzierung ihrer Leistungsfähigkeit -geht als um eine Kontaktphase mit Wissenschaft, die für ihre Biographie wichtig ist.

Damit rede ich nun gerade nicht der billigen studentischen Formel vom „selbstbestimmten Studium“ das Wort, und schon gar nicht einer leistungsverweigernden Beliebigkeit. Vielmehr gibt es wissenschaftliche Antworten, „Arrangements“ für die meisten der nachgefragten Studienformen. Wir sollten die Hochschulen ermutigen, gegeneinander in den Wettbewerb um solche Nachfrage-gruppen zu treten, denn dann können die Leistungsvereinbarungen viel spezifischer ausgehandelt werden als im jetzigen Einheitsbrei. Für die Studierenden bedeutet dies, daß sie sich den Regeln der von ihnen gewählten Hochschule sehr viel verbindlicher verpflichtet fühlen müssen, wenn diese Hochschule ihnen ein nachfragegerechtes Angebot serviert. Jedenfalls ist diese Begründung für ein differenziertes Hochschulsystem wesentlicher tragfähiger als das kurzatmige Fordern der Wirtschaft nach einem möglichst bruchlosen Einpassen der Absolventinnen und Absolventen in die bestehende Berufsstruktur.

Nun gibt es viele studentische Stimmen, die den Nachfrageansatz durchaus akzeptieren würden, aber letztlich doch die staatliche Vereinheitlichung wünschen, weil sie den unbeschränkten Wechsel zwischen Hochschulen -die Binnenmobilität -für einen hohen Wert halten. Diese Mobilität ist ein hoher Wert, aber es ist doch unsinnig anzunehmen, daß alle Studierenden zu jedem Zeitpunkt wechseln sollen und wollen; derzeit jedenfalls ist dies schon aus sozialen Gründen viel zu wenig der Fall, und in Zukunft wird ja die Nachfrageorientierung der einzelnen Hochschulen das jeweilige Auswahlfeld beschränken. (Eine solche Beschränkung kann durchaus durch verstärkte internationale Vernetzung der Studiengänge kompensiert werden.)

Diese Differenzierung ist also einerseits ein Marktmodell, das Angebot und Nachfrage gleichermaßen berücksichtigt, und andererseits verweist es gerade auf die Qualitäten der Hochschulen jenseits des Marktes: Nur in einem enthomogenisierten System kann man transdisziplinäre Strukturen, wie sie seit langem für die Reform gefordert werden, ohne große Probleme verwirklichen.

VI.

Die Differenzierung ist ein pragmatischer Vorgang, dessen politische Konsequenzen aber über den Anlaß hinausreichen. Der Verzicht auf eine einheitliche Hochschullandschaft bedeutet noch nicht, daß alle staatlichen und gesamtgesellschaftlichen Regelungsmechanismen außer Kraft gesetzt werden müssen. Ganz im Gegenteil: Wenn nationalstaatliche Hochschulsysteme sich zunehmend in supranationale -etwa auf europäischer Ebene -und regionale auflösen, dann haben bestimmte nationalstaatliche Handlungsprämissen durchaus ihre Berechtigung, zum Beispiel in unserem System der Primat des Offenhaltens der Hochschulen und die soziale Gleichheit aller Studierenden zu Beginn ihres Studiums (wenigstens als Zielvorstellung). Dem widerspricht in gewisser Weise die Ausdifferenzierung der Hochschulen, die sich ja finanziell und organisatorisch immer weiter auseinanderentwickeln werden und sollen. Ihr Gemeinsames wird nicht einfach durch Grundwerte oder die Idee der guten Hochschule gebildet, sondern auch durch eine Aufgabenverteilung zwischen Staat, Gesellschaft und Individuen. Auf absehbare Zeit und mit guten Gründen wird es bei der staatlichen Grundfinanzierungspflicht für die Hochschulen bleiben, ob in der jetzigen föderalen Struktur oder in anderer Form, sei dahingestellt. Staatliche Finanzierung bedeutet nun aber nicht, daß die finanzielle Unbeweglichkeit der staatlichen Anstalt ohne jeden Spielraum erhalten bleiben muß (dazu Näheres in Kapitel VII).

Es bietet sich also an, daß Hochschulen, die im Prozeß der Ausdifferenzierung ihre Stärken, Schwerpunkte, aber auch Leerstellen entwickeln, nur noch einen bestimmten Ausschnitt der Nachfrage befriedigen können. Es wäre fatal, wenn dies zu einer neuen Spezialisierung führen würde, bei der nicht nur die Übergänge erschwert wären, sondern das Prinzip der dynamischen, transdisziplinären Vernetzung auf der Strecke bleiben müßte. Deshalb bietet sich gerade wegen der Differenzierung die Bildung regionaler Hochschulverbünde an, die unabhängig von den politischen Grenzen ihre Gestalt aus dem Ensemble der sozialgeographischen und kulturellen Umgebung, aber auch der entsprechenden pragmatischen Entfernungskoordinaten erhalten. Das wichtigste Prinzip eines solchen Regionalverbundes ist es, das größtmögliche wissenschaftliche Angebot in der bestmöglichen Vernetzung bei kürzesten Wegen so flexibel wie möglich anzubieten und zugleich ressourcenschonend und wirtschaftlich zu agieren. Dann werden über vernünftige Entfernungen Studierende und Lehrende, aber auch Bücher und Dienstleistungen zwischen verschiedenen Standorten reisen, dann wird es bestimmte zentrale Einrichtungen in einer Region nur an einem Ort konzentriert geben, während andere Bereiche durchaus selbständig bleiben können.

VII.

Selbständigkeit ist das Stichwort für den letzten Abschnitt dieser Überlegungen. Mit kaum einem Begriff der Hochschultheorie wurde in Deutschland so viel Schindluder getrieben wie mit dem der „Autonomie“. Es ist geradezu die Lebenslüge der sich auf Humboldt berufenden deutschen Universität, daß sie im Vergleich zu anderen Hochschulsystemen nach wie vor eine besonders ausgeprägte und wirksame Autonomie genieße. Was immer Humboldt intendiert haben mochte, spätestens seit den Karlsbader Beschlüssen von 1819 findet Hochschulautonomie nur in den Grenzen staatlichen Regulierungsverständnisses statt. Das heißt, daß das Selbstergänzungsrecht des Professoriats seine Grenze regelmäßig im staatlichen Auswahl-und Berufungsakt findet, daß es Finanzautonomie nur in sehr engen Grenzen gegeben hat und gibt, daß die Personalstruktur nicht nach den Erfordernissen der wirtschaftlichen Tätigkeit, sondern nach der staatlichen Laufbahnphilosophie, also leistungsfeindlich, organisiert ist. Nun weiß ich sehr wohl, daß es in den Zeiten, da Deutschland keine Diktatur war, und natürlich seit 1945 in besonderem Maße, sehr wohl eine relativ große autonome Sphäre im Bereich der Forschungs-und Studieninhalte sowie der Methoden gibt. (Die Eingriffe in die Autonomie sind hier subtile, schmerzhafte und weniger leicht zu verortende.)

Aber zurück zu dem beklagten Defizit: Die Entscheidungen über Personal, Finanzen, Organisationsstruktur und letztlich auch die Entscheidung über Studiengänge und Lizenzen (Staatsprüfungen) liegen beim Staat. Erst in den letzten Jahren, nicht zuletzt unter dem Druck ausländischer Konkurrenzmodelle, hat sich dies gelockert. Sowohl der Regierungsentwurf als auch der Alternativentwurf der Bündnisgrünen sehen vor, daß Hochschulen in Zukunft nicht mehr zwingend staatliche Anstalten sein müssen. Es reicht, wenn sie Körperschaften des öffentlichen Rechtes sind. Die eigentliche Autonomie verträgt sich überhaupt nicht mit dem Anstalts-und Behördencharakter, sondern sie ist, gerade als Folge auch der kantischen Philosophie, an die Form des „Unternehmens“ gebunden. Es herrscht in der politischen Diskussion hier ein teilweise gewolltes, teilweise ignorantes Mißverständnis vor. Wer die Qualität der Autonomie an die Unternehmensform bindet, dem wird vorgeworfen, er betreibe die Ökonomisierung der Hochschule, das heißt ihre Auslieferung an die jeweilige wirtschaftliche Realität. Selbst wenn dies so wäre, stimmte das Argument noch immer nicht. Die Unternehmensform ist identisch mit einer Handlungsstruktur, die nur im Spezialfall des Geschäfts-betriebs den Ökonomismusvorwurf bestätigen würde.

Sicherlich wird es in Zukunft immer mehr betriebswirtschaftliche Extensionen von Hochschulen geben, und das ist auch ganz in Ordnung so, weil ja hier vergesellschafteter Reichtum nicht nur in Form der privaten Mitnahmeeffekte angeeignet werden soll, sondern Hochschulen können ruhig in ihrem Dienstleistungsbereich auch Geld verdienen, das wiederum ihren Aufgaben zugute kommt. Aber im Kernbereich sind sie keine Geschäftsbetriebe, sondern Wissenschaftsunternehmen, deren Autonomie gerade den beiden hervorragenden Zwecken dienen soll, die sie von allen anderen Institutionen unterscheiden: der Wissenschaftsfreiheit in Forschung und Studium sowie der Heranbildung neuer Generationen wissenschaftlich verständiger und kompetenter Menschen. Nur aus dieser Unabhängigkeit von unbilligem Zwang ergibt sich ja die berechtigte Forderung der Hochschulen, Akteure und nicht bloß Objekte einer Diskussion zu sein, die den Standort Deutschland nicht auf einen Marktkonkurrenten unter vielen reduziert.

An dieser Stelle können wir dann doch die Forderungen der aufgeklärten Philosophen wieder übernehmen, indem wir die Massenausbildung, die problemlösungsorientierte Forschung, die Dienstleistung zum Zwecke der Annäherung von Experten und Laienkulturen als ein Modell nehmen, das Hochschulen wiederum glaubwürdig macht; das es wert erscheinen läßt, mehr Geld -unter finanziellen Opfern in anderen Bereichen -in Wissenschaft und Studium zu investieren; das den kulturellen Beitrag zur Stabilisierung eines sozial und ökologisch höchst gefährdeten Gemeinwesens erkennen läßt. Es wäre fatal, wenn diese Perspektive opportunistisch ausgeschlagen würde. Dann liefe nämlich auch dieser demokratische Staat -nach den Erfahrungen der Weimarer Republik zum zweiten Mal -Gefahr, nicht nur seine Jugend zu verlieren, sondern eine Zukunft zu verspielen, von der ein Großteil der protestierenden Studentinnen und Studenten immerhin noch glaubt, daß sie nicht ganz aufgebraucht ist.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Stefan Reinecke, Neue Wahlverwandtschaften, in: TAZ vom 15. Januar 1998, S. 15.

  2. Eine persönliche Reminiszenz des Autors am Rande: Ausgerechnet Fichtes „Wissenschaftslehre“ haben wir 1966 als Raubdruck verbreitet, als es um die demokratische Tradition der theoretischen Pädagogik ging. Das „Copyright“ übertrugen wir einem Verlag „Zerschlagt das bürgerliche Copyright“, Wien -Berlin -Havanna. Der Zugang zum Lemmittelbuch war durchaus von analoger Bedeutung wie heutige Forderungen frustrierter Studierender, die vor leeren Bibliotheksregalen stehen.

  3. Vgl. Michael Daxner, Entstaatlichung und Veröffentlichung. Die Hochschule als republikanischer Ort, Köln 1991.

  4. Das Gesetz schreibt als homogene Statusgruppen die Professoren, die wissenschaftlichen Mitarbeiter, die Studierenden und die Mitarbeiter im technischen und Verwaltungsdienst vor. Es ist sofort einsichtig, daß je nach Entscheidungsmaterie die Interessen dieser vier Gruppen nicht zur Deckung zu bringen sind. Die in Fragen von Lehre und Forschung bindend vorgeschriebene Mehrheit der Professoren ist in vielen Fallen sachlich nicht gerechtfertigt und frustriert den legitimen Mitwirkungswillen der übrigen Gruppen.

  5. Anmerkung der Redaktion: Siehe hierzu den Beitrag von Heike Solga in diesem Heft: „Differenzierte Hochschulen“. Ein Plädoyer für mehr Effizienz und Durchlässigkeit.

Weitere Inhalte

Michael Daxner, Dr. phil., geb. 1947; 1974-1986 Professor für Hochschuldidaktik an der Universität Osnabrück; seit 1986 Präsident der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. Veröffentlichungen u. a.: Ist die Uni noch zu retten?, Reinbek 1996; Die Universität muß eine politische Instanz werden, in: Universitas, 52 (1997) 612; Das neue Hochschulrahmengesetz -(k) eine Hoffnung auf Erneuerung, in: Kritische Justiz, (1998) 1.