Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

Drogenkonsum und Drogenpolitik in Westeuropa. Epidemiologische Befunde im Vergleich | APuZ 9/1995 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 9/1995 Drogenmarkt Deutschland: Die Szene im Wandel Ausstiegswege aus der Sucht illegaler Drogen. Forschungsergebnisse und praktische Konsequenzen Drogenkonsum und Drogenpolitik in Westeuropa. Epidemiologische Befunde im Vergleich

Drogenkonsum und Drogenpolitik in Westeuropa. Epidemiologische Befunde im Vergleich

Karl-Heinz Reuband

/ 20 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Im Beitrag wird der Versuch unternommen, die Drogensituation in westeuropäischen Ländern zu vergleichen. Damit verbunden ist die Frage, inwieweit sich zwischen der jeweiligen Drogensituation eines Landes und seiner Drogenpolitik -hier vor allem bezogen auf die strafrechtliche Situation -Zusammenhänge ergeben. Ein Ergebnis der Bestandsaufnahme ist, daß die Entwicklung in der Bundesrepublik nicht für diese spezifisch ist, sondern einem in vielen anderen Ländern anzutreffenden Muster entspricht. Ein weiteres wichtiges Ergebnis ist, daß sich die vorfindbaren Variationen von Land zu Land nicht auf die jeweils betriebene Drogenpolitik zurückführen lassen. Informelle soziale Normen scheinen eine größere Bedeutung zu haben als formelle legale Normen und Drogenverfügbarkeit. Die Frage kann daher nicht sein: „Welche Effekte erwachsen aus welcher Drogenpolitik?“, sondern: „Unter welchen sozialen und kulturellen Bedingungen führt welche Art von Drogenpolitik zu welchen Konsequenzen?“ Politisch folgt aus den Befunden, daß bei Harmonisierungsbestrebungen in Europa auf der Ebene der Drogengesetzgebung nicht auf Standards für eine „richtige“ oder „falsche“ Gesetzgebung verwiesen werden kann. Die Hoffnung, eine völlig andere Drogenpolitik würde eine Lösung des Problems erbringen, erscheint angesichts ähnlicher Entwicklungsverläufe in Ländern mit unterschiedlicher Drogenpolitik als voreilig und illusorisch. Solange die Elemente der jeweils effektiven Drogenpolitik nicht eindeutig zu bestimmen sind, können keine genauen Handlungsanweisungen gegeben werden. Gleichwohl lassen sich die Befunde des Beitrages auch so deuten, daß Experimente in der Drogenpolitik durchaus machbar und vielleicht auch wünschenswert sind, solange keine gegenteiligen Erfahrungen vorliegen.

I. Einleitung

Tabelle 1: Prävalenz von Drogen/Cannabisgebrauch (jemals im Leben) in der Bevölkerung verschiedener westeuropäischer Länder in den 80er und 90er Jahren Quellen: Ein ausführlicher Nachweis der Quellen findet sich in K. -H. Reuband: Drug Use and Drug Policy in Western Europe, in: European Addiction Research, (1995) 1, S. 32-41. Die zusätzlichen in dieser Tabelle aufgeführten Angaben für Dänemark 1992-1993 stammen von Lau Laursen, Addiction Research Centre der Universität Aarhus, pers. Mitteilung; die finnisch쥤঱Ņ

Drogengebrauch und Drogenabhängigkeit sind seit langem zu einem länderübergreifenden Phänomen geworden. In dieser Weise wird es in zunehmendem Maße auch von den Politikern gehandhabt: Internationale Vereinbarungen über die Bekämpfung des Rauschmittelmißbrauchs werden geschlossen, die Polizeibehörden der einzelnen Länder entscheiden sich für mehr Kooperation. Und im Rahmen der Europäischen Union ist man dabei, die Drogengesetzgebung zu vereinheitlichen. Doch unser Wissen über die Drogenproblematik in den anderen westeuropäischen Ländern -ja selbst in den unmittelbaren Nachbarländern -ist nicht nur spärlich, sondern oft auch falsch.

Aussagen über die Drogenproblematik in anderen Ländern gründen sich gewöhnlich auf bloße Mutmaßungen, die wie Tatsachenfeststellungen behandelt werden. So besteht in vielen Ländern die Neigung, die Drogenentwicklung im eigenen Lande als einzigartig anzusehen und mit der herrschenden Drogenpolitik in Verbindung zu bringen. Wird die Drogenentwicklung als Fehlentwicklung begriffen, so wird daraus auf ein Versagen der jeweils betriebenen Drogenpolitik schlechthin geschlossen und oftmals eine radikale Kehrtwendung verlangt. Daß die geforderte alternative Politik unter Umständen schon in anderen Ländern mit den gleichen, negativen Folgen praktiziert wird, bleibt im Dunkeln.

Im Folgenden soll der Versuch unternommen werden, die Verbreitung von Drogenerfahrung -die Drogenprävalenz -in westeuropäischen Ländern zu beschreiben. Damit verbunden ist die Frage, inwieweit sich zwischen der jeweiligen Drogensituation eines Landes und seiner Drogenpolitik -hier vor allem bezogen auf die strafrechtliche Situation -Zusammenhänge ergeben. Schließlich unterscheiden sich die Länder in Westeuropa zum Teil sehr stark in der Art und Weise, wie mit Drogen umgegangen wird. Dabei repräsentieren die Niederlande den liberalen Endpunkt im Kontinuum des strafrechtlichen Umgangs mit Drogenkonsum, gefolgt lange Zeit von Dänemark, Italien und Spanien Länder wie die Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Norwegen und Schweden stehen mit ihrer eher repressiven Politik am anderen Ende der Skala Während in den Niederlanden der Besitz von Cannabis oder Heroin (unterhalb einer bestimmten Menge) strafrechtlich nicht sanktioniert wird -nicht einmal der Handel mit Cannabis in kleinen Mengen -und Haschisch gar in Coffeeshops ungehindert über Hausdealer verkauft wird, wurde in der Bundesrepublik lange Zeit bereits der Besitz kleinerer Mengen von Cannabis strafrechtlich geahndet und allenfalls auf der Ebene justitiellen Handelns eine Differenzierung vorgenommen

II. Methodik

Tabelle 2: Prävalenz im Gebrauch harter Drogen in ausgewählten westeuropäischen Ländern (ca. 1986) Quellen: Angaben zu den Ziffern (1) bis (4): (1) Statistisches Bundesamt, Jahrbuch der Bundesrepublik Deutschland 1986, Stuttgart 1987, S. 656; (2) WHO: Global Programme on AIDS. Report of the Meeting on HIV Infection and Drug Injecting Intervention Strategies, 18. -20. 1. 1988, Genf; zu den Daten für Österreich und Dänemark vgl. B. Velimirovic, AIDS und Drogenabhängigkeit aus der Sicht des Epidemiologen, in: ゔԵĝ

Die empirische Ausgangsbasis zur Klärung der oben aufgeworfenen Frage ist spärlich. Länder-übergreifende Indikatorenzusammenstellungen gibt es kaum. Es gibt nicht einmal in hinreichendem Maße Arbeiten, die einzelne Länder miteinander in Beziehung setzen oder entsprechende Indikatorensammlungen bieten. Ansätze zu einem internationalen Vergleich haben sich allenfalls -so etwa im Rahmen der Pompidou-Gruppe des Europarates -auf den Vergleich einzelner Städte konzentriert Doch ob die ausgewählten Städte für das jeweilige Land auch repräsentativ sind, ist zweifelhaft und kann in mehreren Fällen eindeutig verneint werden

Im Folgenden sollen die Drogenprävalenz in Westeuropa und ihr Zusammenhang mit der Drögenpolitik auf der nationalen Ebene untersucht werden. Wir wählen die nationale Ebene angesichts der Tatsache, daß sich die Drogenpolitik der Länder in ihrer rechtlichen Regelung primär auf der nationalen Ebene unterscheidet und auf dieser Ebene auch Daten zur Drogenprävalenz existieren. Umfragedaten in der Bevölkerung sowie geschätzte Zahlen über den Umfang der Drogenabhängigen stellen die empirische Basis unserer Analyse dar. Ausgeklammert bleiben die beschlagnahmten Rauschmittelmengen, die Zahl der Personen in Therapie oder auch die Zahl der Drogentoten.

Mehr noch als im Fall der Zahl der polizeiauffälligen Konsumenten dürften die beschlagnahmten Rauschmittelmengen eher etwas über die polizeiliche Aktivität und weniger über die Entwicklung der Drogenszene aussagen. Angaben aus Therapieeinrichtungen über die Zahl der betreuten Klienten schließlich liegen in vielen Ländern auf nationaler Ebene nicht oder nur in einer Weise vor, daß sie für unsere Zwecke unbrauchbar sind. Und bezüglich der Drogentoten sind die Kriterien bei der Bestimmung der „Drogentoten“ und der Erstellung der entsprechenden Statistiken allzuoft von Land zu Land verschieden. Vergleiche lassen sich nur mit großen Einschränkungen anstellen.

III. Prävalenz des Konsums weicher Drogen

Abbildung 1: Verbreitung des Konsums harter Drogen im europäischen Vergleich (ca. 1986). Basis und Quelle: Tabelle 2, die Spalten 3 und 4

Untersuchen wir als erstes, inwieweit die Erfahrungen mit dem Konsum von illegalen Drogen allgemein -in der Regel Cannabis -in den verschiedenen westeuropäischen Ländern verbreitet sind. Repräsentative Umfragen eignen sich derzeit am besten für eine Bestandsaufnahme: Sie beziehen sich auf die Gesamtheit derer, die Drogen nahmen -ungeachtet dessen, ob sie jemals deswegen mit der Polizei oder therapeutischen Einrichtungen in Kontakt kamen und ungeachtet dessen, ob Drogen nur probiert oder fortgesetzt genommen wurden. Auch wenn ein Teil der Befragten mit Konsum-erfahrung diese im Interview nicht angibt, kann man aufgrund der verfügbaren methodologischen Studien davon ausgehen, daß in der Mehrzahl der Fälle der Konsum weicher Drogen (wie Cannabis) eingestanden wird

In Ermangelung international vergleichender Untersuchungen zur Drogenprävalenz ziehen wir aus den einzelnen Ländern Umfragen mit in etwa vergleichbarer Methodologie heran -Umfragen, die sich auf die Drogenerfahrung jemals im Leben beziehen. Diese beinhalten in der Regel den Gebrauch von Cannabis. In Ermangelung einer hinreichend großen Zahl von Studien unter Jugendlichen mit identischer Alterszusammensetzung verwenden wir Umfragen aus der Gesamtbevölkerung, d. h. mit Befragten im Alter von in der Regel 16 bzw. 18 Jahren an aufwärts. In einigen wenigen Fällen beziehen wir zusätzlich auch noch Studien mit ein, in denen das Alter der Befragten nach oben hin begrenzt ist. Wir beschränken uns auf Umfragen aus den achtziger und neunziger Jahren, da allein für diese Zeit in einer Vielzahl von Ländern entsprechendes Material vorliegt; für die siebziger Jahre ist die Datenlage spärlicher. Die meisten Umfragen stützen sich auf eine Randomstichprobe der Bevölkerung im Alter ab 15 bzw. 18 Jahren, bei der nach dem Prinzip des Zufalls ausgewählt wird. Bei einer Minderheit von Umfragen erfolgt die Stichprobenziehung nach dem Quotenverfahren: Dem Interviewer werden bestimmte soziale Merkmalskombinationen der zu befragenden Person vorgegeben, er hat die Personen mit diesen Merkmalen auszuwählen und zu befragen. In der Regel treten zwischen Randomstich-proben und Quotenstichproben keine größeren Unterschiede im Antwortverhalten auf. Nur dann, wenn der Zugang zu den Personen im Rahmen der Quotenvorgaben in erster Linie über Straßeninterviews erfolgt, sind -aufgrund des spezifischen Lebensstils von Personen mit Drogenerfahrung -größere Verzerrungen zu erwarten: Das Ausmaß an Drogenerfahrung in der Bevölkerung wird überschätzt. Von einer derartigen Überschätzung dürfte z. B. in Spanien im Fall der vom EDIS Institut durchgeführten Umfragen auszugehen sein. Demgegenüber unterliegen die CIS-Umfragen keinen vergleichbaren Störgrößen, sie erbringen die realistischeren Werte und dürften sich daher eher für den internationalen Vergleich anbieten.

In den meisten Umfragen wurde das mündliche Befragungsverfahren eingesetzt, in einigen Studien telefonische oder auch postalische Befragungsverfahren. Welches Verfahren gewählt wird, hat für die Schätzung der Drogenprävalenz z. T. durchaus bedeutsame Konsequenzen. So erbringen Telefonbefragungen in der Regel die geringsten Werte für Drogengebrauch, die höchsten Werte finden sich bei postalischen Erhebungen, mündliche Verfahren nehmen eine Zwischenstellung ein Der Grund für das relativ schlechte Abschneiden von Telefoninterviews dürfte im reduzierten Gefühl von Anonymität und Kontrolle über die Interviewsituation auf seiten des Befragten liegen.

Weil die unterschiedlichen Vorgehensweisen die Schätzung der Drogenprävalenz mitbestimmen, sind diese beim Vergleich über die Zeit und von Land zu Land mit zu bedenken. Manche Unterschiede haben allein darin ihren Grund. So wurde in Dänemark z. B. 1989/90 eine Umfrage per Telefon zum Drogengebrauch durchgeführt, 1992/93 geschah dies -weitgehend auf der Grundlage der gleichen Indikatoren -mündlich. Die höheren Werte in der neueren Umfrage scheinen auf den ersten Blick einen Anstieg des Drogengebrauchs zu signalisieren, doch dürften sie realiter eine Folge der unterschiedlichen Erhebungsmethode sein. Hätte man auch 1989/90 die Umfrage mündlich durchgeführt, wären die Drogenwerte wohl bereits zum damaligen Zeitpunkt höher ausgefallen. Analog sind im übrigen auch die Werte des IPSO Instituts für die Schweiz einzustufen. Sie wurden im Rahmen von Telefonbefragungen erhoben und dürften daher Minimalschätzungen repräsentieren.

Welcher Art sind nun die Ergebnisse? Wie man der Tabelle 1 entnehmen kann, gibt es zwischen den verschiedenen Ländern in Westeuropa eine bemerkenswert große Ähnlichkeit in der Verbreitung der Drogenerfahrung. In der Bundesrepublik, den Niederlanden, Großbritannien und Schweden (berücksichtigt man die jeweilige Alterszusammensetzung der Umfrage vermutlich auch in Frankreich und Österreich) geben in den achtziger Jahren zwischen fünf und zehn Prozent der Bürger an, bereits einmal Drogen genommen zu haben. In den neunziger Jahren liegen die entsprechenden Werte in der Regel etwas höher. So erbringt z. B. die neueste bundesdeutsche Umfrage von 1994 einen Wert von 14 Prozent. Eine vertiefende Analyse unter Verwendung einer eigenen Umfrage von 1987 zeigt, daß dieser Anstieg im wesentlichen durch das Auftreten neuer Geburtenjahrgänge (Kohorten) bedingt wird. Die älteren Kohorten behalten ihren Wert bei. Am höchsten liegen die Anteile für Drogengebrauch in unserer Übersicht in Dänemark. Doch ganz gleich wie hoch sie im europäischen Kontext sein mögen, sie liegen doch unterhalb der entsprechenden Werte in den USA, wo 1988 33 Prozent der Bevölkerung im Alter ab 12 Jahren jemals Marihuana probiert hatten

Auffällig ist, daß in Europa jene Länder nicht nennenswert differieren, die sich in ihrer Drogen-politik grundsätzlich unterscheiden: Die Niederlande haben eine ähnliche Drogenverbreitung in der Bevölkerung wie die Bundesrepublik. Obwohl in den Niederlanden der Konsum von Haschisch strafrechtlich nicht sanktioniert wird und Kleinhandel an öffentlichen Orten de facto legalisiert ist, ist der Verbreitungsgrad nicht höher. Diese Ähnlichkeit, so belegen weiterführende Analysen, betrifft ebenso die Drogenprävalenz unter Jugendlichen wie die Häufigkeit des Konsums, das Einstiegsalter und die Situation des Erstkonsums Eine liberale Drogenpolitik -selbst wenn sie mit einer hohen Zugänglichkeit zu Drogen einhergeht-muß offenbar nicht notwendigerweise zu erhöhtem Drogengebrauch führen. Ändererseits finden sich überproportional hohe Werte für Drogenerfahrung in Dänemark und eine Zeitlang auch in Spanien -zwei Länder, die ebenfalls lange Zeit eine liberale Drogenpolitik betrieben haben, so daß an dieser Stelle als erste Schlußfol-gerung nur bleibt: Eine unterschiedliche Drogen-politik kann, wie der Vergleich Bundesrepublik -Niederlande zeigt, offenbar mit ähnlichen Prävalenzwerten einhergehen. Und eine ähnlich geartete Drogenpolitik kann, wie der Vergleich der Niederlande mit Dänemark belegt, mit unterschiedlichen Prävalenzwerten einhergehen. Die Frage ist daher nicht: Welche Drogenpolitik führt zu welchen Konsequenzen? Sie muß lauten: Unter welchen Bedingungen führt welche Art von Drogenpolitik zu welchen Konsequenzen?

IV. Prävalenz des Konsums harter Drogen

Abbildung 2: Prävalenz von DrogeiWCannabisgebrauch jemals im Leben und Prävalenz im Gebrauch harter Drogen im europäischen Vergleich.

Nun ist die Verbreitung von Cannabis nur ein Aspekt des Drogenphänomens, ein anderer -der gewöhnlich als der eigentlich zentrale angesehen wird -liegt in der Verbreitung des Heroingebrauchs. Zwei Arten von Indikatoren stehen uns für dessen Messung zur Verfügung. Der erste stützt sich auf die offiziell geschätzte absolute Zahl von Konsumenten harter Drogen, der andere auf eine international vergleichende Umfrage, in der nach der Kenntnis von Personen im Verwandten-und Bekanntenkreis gefragt wurde, die aufgrund ihres Drogengebrauchs „krank oder süchtig wurden, also unfähig zu einem ganz normalen Leben oder Arbeiten“. Eine hohe Verbreitung von Drogenabhängigkeit in einem Land müßte sich in einem hohen Anteil von Befragten mit Kenntnis eines Drogenabhängigen niederschlagen. ) Beide Indikatoren sind methodisch nicht ohne Probleme. Die offiziellen Schätzungen gründen sich auf eine z. T. höchst problematische Datenbasis (aus den Bereichen der Polizei und/oder Therapie) und eine darauf aufbauende, oft ziemlich willkürliche Hochrechnung. Die Daten über die Kenntnis von Konsumenten harter Drogen wiederum setzen eine Sichtbarkeit des Konsums voraus. Je konzentrierter der Konsum an bestimmten Orten ist, desto größer ist das Potential an Verzerrung Gleichwohl -solange die Daten mehr oder minder in gleicher Weise von Land zu Land verzerrt sind, dürfte die Rangordnung der Länder im Ausmaß des Drogengebrauchs die gleiche sein. Weil die beiden Indikatoren mit unterschiedlichen Verzerrungen einhergehen, müßte das Vertrauen in die Resultate umso größer sein, je konsistenter die jeweiligen Rangreihen sind.

Die absolute und die relative Zahl der Konsumenten harter Drogen sind für die Zeit um 1986 -die Zeit, für die wir sowohl über Schätzungen als auch Umfragedaten zu diesem Thema verfügen -in Tabelle 2 zusammengestellt. Wie man der Übersicht entnehmen kann, variieren die Schätzungen z. T. erheblich je nach Land, nicht selten auch innerhalb eines Landes. In der Bundesrepublik schwanken die Schätzungen der Konsumenten harter Drogen (gewöhnlich mit der Zahl der Abhängigen gleichgesetzt) in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre zwischen 50000 und 100000, in den Niederlanden zwischen 15 000 und 20000. Für die Länder, für die variierende Schätzungen bestehen, haben wir einen mittleren Wert errechnet und ihn der Berechnung der relativen Drogenprävalenz -pro 100000 Einwohner -zugrunde gelegt.

Zusätzlich zur relativen Zahl der Konsumenten harter Drogen haben wir den Prozentsatz der Personen aufgeführt, die einen Konsumenten harter Drogen kennen. Hierbei wird unterschieden zwischen „Konsum harter Drogen jemals im Leben“ und „aktuellem Konsum“. Angesichts der Tatsache, daß das Wissen um aktuellen Konsum eine detaillierte Kenntnis erfordert, welche von der Häufigkeit des Kontakts mitbeeinflußt wird, ziehen wir den Indikator „Konsum jemals im Leben“ vor, um die Länder nach dem Ausmaß an Drogenproblemen zu ordnen.

Wie man Abbildung 1 entnehmen kann, zeigt sich dann, daß die geschätzte relative Zahl der Heroinabhängigen pro Land und die relative Verbreitung der Kenntnis von Abhängigen in der Tat bemerkenswert parallel verlaufen: Die Länder, in denen besonders viele Befragte Abhängige kennen, sind zugleich die Länder mit hoher relativer Zahl Abhängiger. Italien und Spanien erweisen sich dabei als die Länder mit dem höchsten Anteil an Konsumenten harter Drogen, Deutschland, die Niederlande oder auch Dänemark weisen eine eher geringe Quote auf. Es gibt offenbar -wie weiterhin durch die Einbeziehung weiterer Länder, für die es lediglich offizielle Schätzungen gibt, deutlich wird -einen Nord-Süd-Gegensatz in der Verbreitung von Drogenproblemen. Die Länder in den nördlichen und mittleren Teilen Europas nehmen dabei die niedrigen Rangplätze ein, die Länder in Südeuropa die höchsten.

Wie schon im Fall des Gebrauchs weicher Drogen läßt sich ein Zusammenhang mit der Drogenpolitik -sowohl gegenüber weichen als auch harten Drogen -nicht feststellen. In den Niederlanden wird bekanntlich der Gebrauch von Cannabis toleriert,um -so die offizielle Argumentation -den weichen und den harten Drogenmarkt zu trennen

Dennoch ist das Ausmaß an Drogenabhängigkeit mit dem in der Bundesrepublik, in der traditionell eine stärker repressive Drogenpolitik betrieben wird, vergleichbar. Zugleich weist Spanien einen etwas höheren Wert als die Niederlande auf -trotz einer ebenfalls vorhandenen Tendenz, den Besitz, von Cannabis und z. T. auch harter Drogen zu tolerieren.

V. „Umsteigeraten“ von Cannabis auf harte Drogen

Angesichts der Tatsache, daß Cannabis gewöhnlich die erste illegale Droge im Rahmen von Drogenkarrieren darstellt, könnten Variationen in der Verbreitung von Cannabis eine mögliche Erklärung für die Verbreitung des Konsums harter Drogen sein. Und in der Tat ist dies eine in der Literatur durchaus nicht seltene Annahme. So behauptet z. B. Denise Kandel, daß die Verbreitung des Konsums harter Drogen eine Funktion des Konsums weicher Drogen ist. Je höher die Prävalenzrate für den Konsum weicher Drogen liege, desto größer sei auch diejenige für harte Drogen Nach dieser Konzeption stellt Cannabis die erste Stufe in einer Drogensequenz dar -eine notwendige, Wenn auch nicht hinreichende Bedingung auf dem Weg zur Abhängigkeit von Heroin und anderen Drogen. In dieser Hinsicht ähnelt Kandels Theorie der klassischen Theorie von Cannabis als Einstiegsdroge (wenngleich sie damit nicht völlig identisch ist).

Wie plausibel diese modifizierte Version der Einstiegsthese auf den ersten Blick auch erscheinen mag, sie ist nicht ohne Probleme. Auch wenn Cannabis heutzutage die erste illegale Droge in den meisten westlichen Industriegesellschaften darstellt, ist dies nicht immer der Fall gewesen. In Deutschland -wie in vielen anderen westlichen Ländern -herrschten statt des Cannabis zunächst bis weit in die sechziger Jahre hinein die Amphetamine vor. Sie stellten (von Alkohol und Nikotin einmal abgesehen) die Drogenart dar, die als erste probiert wurde. Erreichbarkeit und das Image der Droge scheinen letztlich darüber zu entscheiden, welche Droge zu einem gegebenen Zeitpunkt als erste probiert wird und die Ausgangsbasis späterer Drogenkarrieren konstituiert. Die Drogensequenz scheint -wie verschiedene Analysen nahelegen -weniger durch pharmakologische Eigenheiten der jeweils vorher genommenen Droge als durch die Erreichbarkeit und Definition der Droge in der Drogensubkultur geprägt zu sein. Nicht das objektive, sonderndas subjektive Risiko der Drogeneinnahme bestimmt -in Kombination mit milieubedingtem Drogenzugang -den Verlauf'1.

Aber könnte es nicht sein, daß Kandels Theorie zumindest für die Zeit stimmt, nach der sich der Cannabisgebrauch etabliert hat und Cannabis die zuerst genommene illegale Droge repräsentiert? Um diese Hypothese zu prüfen, machen wir von den Umfragedaten zur Prävalenz des weichen Drogenkonsums Gebrauch und setzen sie mit den Schätzungen für den Konsum harter Drogen in Beziehung. Wir verwenden dabei die offiziell geschätzte Zahl der Konsumenten harter Drogen anstelle der Umfragedaten, weil in dieser Weise die Einbeziehung eines größeren Kreises von Ländern ermöglicht wird und unsere vorherige Analyse zudem eine funktionale Äquivalenz der beiden Indikatoren nahelegte. Im Fall der Umfragedaten, die Aussagen über die Verbreitung von weichem Drogenkonsum (in Form von Cannabis) erlauben, verwenden wir -sofern verfügbar -diejenigen aus der

Periode 1986 bis 1988. Wo mehrere Daten für diese Zeit vorliegen, greifen wir auf den Durchschnittswert zurück. Und wo nur frühere oder spätere Umfragen existieren, setzen wir diese statt dessen in der Analyse ein.

Die Ergebnisse sind in Abbildung 2 enthalten: Es wird deutlich, daß es keinen eindeutigen Zusammenhang zwischen der Verbreitung weicher Drogen -wie Cannabis -und dem Konsum harter Drogen gibt. Zwar zeichnen sich die Schweiz und insbesondere Spanien durch überproportionale Werte sowohl für den Gebrauch weicher Drogen als auch den Gebrauch harter Substanzen aus. Doch weist andererseits Dänemark als Land mit der höchsten Cannabisprävalenz in unserer Übersicht durchaus durchschnittliche Werte für den Konsum harter Drogen auf. Dieses Ergebnis bedeutet entweder: Es gibt keine eindeutige Beziehung zwischen der Prävalenz weicher und der Prävalenz harter Drogen. Oder es bedeutet, daß eine solche Beziehung besteht, diese aber allenfalls Wahrscheinlichkeitsbezüge repräsentiert -Ausnahmen („Ausreißer“) könnten die Regelmäßigkeit der Beziehung stören und Zusammenhänge komplexer Natur bewirken.

VI. Intervenierende Mechanismen

Welcher Art auch immer die wahren Beziehungen zwischen der Prävalenz von Cannabis und dem harten Drogengebrauch sein mögen -zumindest für die Länder, die hier betrachtet worden sind, ist klar, daß nicht nur die Drogenpolitik gemischte Effekte auf die Prävalenz, sondern daß auch die Prävalenz von Cannabis gemischte Effekte auf die Zahl der Abhängigen hat. Selbst wenn beide Einflußfaktoren gemeinsam berücksichtigt werden und wir den Prävalenzwert für Cannabisgebrauch kontrollieren, scheinen die gesetzlichen Rahmenbedingungen der Drogenpolitik weiterhin ohne Wirkung auf die Verbreitung des Drogengebrauchs zu sein. Schweden, Deutschland und die Niederlande z. B. erweisen sich in der Verbreitung des harten Drogengebrauchs als weitgehend ähnlich -trotz der unterschiedlichen Art und Weise, in der in diesen Ländern mit weichem und hartem Drogengebrauch umgegangen wird. Andere Faktoren als die Drogenpolitik dürften von Bedeutung sein und die spezifischen Muster der Drogenprävalenz erklären.

Welche intervenierenden Faktoren wirksam sind, ist unbekannt. Theoretisch könnten sie vom Drogenangebot bis hin zur Drogennachfrage einschließlich der informellen Normen und Einstellungen der Bevölkerung reichen. Weil es jedoch an vergleichbaren Daten für die meisten Länder in bezug auf die hier relevanten Fragen fehlt, müssen wir uns an dieser Stelle mit dem Vergleich einzelner Länder begnügen. Dabei ergeben sich Zweifel an der -in der Literatur so stark betonten -Bedeutsamkeit des Drogenangebots: Obwohl Drogen -insbesondere Cannabis -in den Niederlanden in den mehr als 2500 Coffeeshops leicht erhältlich sind, ist die Prävalenzrate für Erwachsene ebenso wie für Jugendliche mit der in Deutschland, wo kein derartiges Angebot existiert, identisch. Soziokulturelle Faktoren ebenso wie spezifische lokale Besonderheiten haben vermutlich einen größeren Einfluß als Drogenpolitik und das Drogenangebot. Sie mögen denn auch erklären, warum manche Länder mit einer liberalen Drogenpolitik überproportional hohe Raten für Drogenprävalenz und Drogenabhängigkeit aufweisen, während das in anderen mit vergleichbarer Liberalität nicht der Fall ist. Auffällig ist, daß die Verbreitung von Drogenabhängigkeit in den Ländern besonders groß zu sein scheint, die lange Zeit wirtschaftlich unterentwickelt waren und die eine hohe Arbeitslosigkeit aufwiesen. Wenn rasches ökonomisches Wachstum stattfindet -wie in einigen dieser Länder, etwa Italien und Spanien, in den sechziger und siebziger Jahren -kann dies zu einem Zustand der „Anomie“ führen, wie Emile Dürkheim einst vermutete entweder unter denen, die plötzlich wohlhabend geworden sind, oder unter denen, die ökonomisch weiterhin in ungünstiger Lage verbleiben. Es könnte ebenfalls von Bedeutung sein, in welcher Phase des Drogen-gebrauchs als Massenphänomen welche Art von Politik implementiert wird, und es mag weiterhin bedeutsam sein, in welcher Kombination von Maßnahmen dies geschieht.

Manches spricht dafür, daß den informellen Normen in der Gesellschaft für die Verbreitung und Erscheinungsformen des Drogengebrauchs eine zentrale Bedeutung zukommt und sie ein stärkeres Gewicht haben als die formellen Normen auf der Ebene des Rechts und der Drogenpolitik. So zeichnen sich etwa die Niederländer -trotz andersgearteter Drogenpolitik -durch eine ähnlich negative Einstellung zum Konsum von Cannabis aus wie die Deutschen. Sie schreiben zwar dem Cannabisgebrauch etwas seltener Risiken zu, als die Bundesbürger dies tun, gleichwohl glauben sie mehrheitlich an die Existenz von Risiken. Und die Mehrheit plädiert zudem für eine Bestrafung des Cannabisgebrauchs Unter Umständen liegt hierin auch der Grund, warum die Drogenprävalenz in den Niederlanden trotz hoher Drogen-verfügbarkeit als Ganzes niedrig geblieben ist: Drogen zu konsumieren gilt -gesamtgesellschaftlich gesehen -als Abweichung von der Norm. Wer zu Drogen greift, begibt sich außerhalb des Spektrums gesellschaftlich akzeptierter Verhaltensweisen. Die besonders starke Belastung Spaniens mit Drogenproblemen mag ebenfalls etwas -wenn auch in anderer Form -mit gesamtgesellschaftlichen Normen und spezifischen Normen der Jugendkultur zu tun haben. Der Drogengebrauch könnte durch eine soziokulturelle Umbruchsituation mitbegünstigt worden sein: So setzte mit dem Zusammenbruch des Franco-Regimes in Spanien eine Art soziokulturelle „Revolution“ ein, in deren Gefolge die bisherigen Normen und traditionellen Autoritäten in Frage gestellt wurden Eine derartige Situation könnte, wie der Soziologe Rene König einst vermutete die Bereitschaft begünstigen, mit neuen Erfahrungen und alternativen Lebens-stilen, einschließlich Drogengebrauch, zu experimentieren.

VII. Schlußbemerkungen

Wir haben in dieser Arbeit versucht, auf der Basis international vergleichbarer Daten eine Bestandsaufnahme der Drogensituation in Westeuropa vorzunehmen. Dabei hat sich gezeigt, daß die Entwicklung in der Bundesrepublik nicht für diese spezifisch ist, sondern ein in vielen anderen Ländern anzutreffendes Muster darstellt. Als besonders gewichtiger Befund ergab sich: Die vor-findbaren Variationen von Land zu Land lassen sich nicht auf die dort jeweils betriebene Drogen-politik zurückführen. Dies schließt nicht aus, daß Analysen zu anderen Aspekten des Drogen-gebrauchs andere Zusammenhänge erbringen. Und ausgeschlossen ist ebenfalls nicht, daß vertiefende Analysen unter Einschluß historischer Verläufe manche der beobachteten Zusammenhänge auflösen. Politisch folgt aus unseren Befunden, daß bei Harmonisierungsbestrebungen in Europa auf der Ebene der Drogengesetzgebung nicht auf Standards für eine „richtige“ oder „falsche“ Gesetzgebung verwiesen werden kann. Die Hoffnung, eine völlig andere Drogenpolitik würde zu einer Lösung des Problems führen, erscheint angesichts ähnlicher Entwicklungsverläufe in Ländern mit unterschiedlicher Drogenpolitik als voreilig und illusorisch. Solange man die Elemente der jeweils effektiven Drogenpolitik nicht eindeutig bestimmen kann, können keine genauen Handlungsanweisungen gegeben werden. Gleichwohl lassen sich unsere Befunde auch so deuten, daß Experimente in der Drogenpolitik durchaus machbar und vielleicht auch wünschenswert sind, solange keine gegenteiligen Erfahrungen vorliegen.

Forschungspolitisch folgt aus den Befunden, daß vor allem den sozialen und kulturellen Mechanismen mehr Beachtung geschenkt werden muß, welche über die Genese und Entwicklung des Drogen-gebrauchs bestimmen. Die bis heute anhaltende einseitige Förderung klinischer und individualpsychologischer Arbeiten hat zur Folge gehabt, daß die sozialwissenschäftliche -und hier vor allem die empirisch ausgerichtete -Erforschung des Drogengebrauchs in der Bundesrepublik defizitär und rudimentär geblieben ist und Spekulationen und bloße Mythen die drogenpolitische Diskussion maßgeblich bestimmen. Was im Bereich der Forschung für die Zukunft notwendig erscheint, sind insbesondere Untersuchungen, die von vornherein ländervergleichend angelegt sind und sich auf vergleichbare Indikatoren stützen. Und was zum anderen nötig ist, sind ländervertiefende Analysen, in denen die Entwicklung des Drogengebrauchs und der gesellschaftlichen Reaktion rückblickend und zugleich prospektiv analysiert wird.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Italien und Spanien haben zwischenzeitlich ihre liberale Politik gegenüber Cannabis rückgängig gemacht (vgl. W. Raith, Das italienische Drogen-Desaster, in: Die Tageszeitung vom 19. November 1988, S. 3; A. Bauer, Der kurze Sommer der Legalisierung, in: Die Tageszeitung vom 3. Juni 1992, S. 19). In Dänemark, wo im Stadtteil Christiania der Stadt Kopenhagen Drogen frei zu kaufen sind, haben Polizei-maßnahmen inzwischen ebenfalls die Handlungsmöglichkeiten eingeschränkt. Die im folgenden behandelte Zeitperiode ist eine, in der die liberale Politik in diesen Ländern jedoch noch Gültigkeit hatte. Die Auswirkungen unterschiedlicher rechtlicher Regelungssysteme kann mithin sehr wohl mit unseren Daten geprüft werden.

  2. Vgl. H. J. Albrecht, Criminal Law and Drug Control: A Look at Western Europe, in: International Journal of Comparative and Applied Criminal Justice, (1986) 10, S. 17-40; ders. /A. v. Kalmthout, European Perspectives on Drug Policies, in: dies. (Hrsg.), Drug Policies in Western Europe, Freiburg 1989, S. 425-473.

  3. Vgl. A. Kreuzer/C. Gebhardt/M. Maasen/M. Stein-Hilbers, Drogenabhängigkeit und Kontrolle. Kriminologische Untersuchung über die Phänomenologie des Heroinkonsums und der polizeilichen Drogenkontrolle, BKA Forschungsreihe, Wiesbaden 1981; K. -H. Reuband, Drogenkonsum und Drogenpolitik. Deutschland und die Niederlande im Vergleich, Leverkusen 1992.

  4. Vgl. Council of Europe: Multi city study, Strasbourg 1987 und 1994.

  5. Im Rahmen der Multi-City-Studie der Pompidou-Gruppe werden Städte verglichen, die -wie z. B. Amsterdam oder Hamburg -für ihr Land nicht repräsentativ sind, sondern besonders stark mit dem Drogenproblem belastet sind. Durch die Erweiterung auf zwei Städte pro Land -wie zwischenzeitlich z. T. geschehen -wird das Problem der Repräsentativität ebenfalls nicht gelöst.

  6. Vgl. K. -H. Reuband, Soziale Determinanten des Drogengebrauchs. Eine sozialwissenschaftliche Untersuchung des Gebrauchs weicher Drogen in der Bundesrepublik Deutschland, Opladen 1994, S. 51 ff.

  7. Versuche, auf der Basis von Jugendumfragen Vergleiche anzustellen (vgl. u. a.: A. Kokkevi, Illicit drug abuse among adolescents in Western European countries, in: Community Epidemiologie Working Group (Hrsg.), Epidemiological trends in drug abuse. Proceedings December 1989, Rockville, Md., 1990, S. III. und S. 48-57) scheitern an der Unvergleichbarkeit der Alterskategorien. Nur durch eine Sekundäranalyse der Originaldaten sind Vergleiche möglich (vgl. z. B. K. -H. Reuband [Anm. 3]). Eine jüngst publizierte Übersicht über Umfragen in den Ländern, die Bestandteil der Multi-City-Studie sind (vgl. Council of Europe 1994 [Anm. 4]), ergibt ebenfalls zahlreiche Beschränkungen. Manche Jugendumfragen -wie die von Hamburg im Jahr 1975 (vgl. K. -H. Reuband [Anm. 6]) -sind nicht einbezogen. Umfragen in der Gesamtbevölkerung sind zudem unvollständig aufgeführt.

  8. Vgl. J. P. Sandwijk/I. Westerterp/S. Musterd, Het Gebruik von Legale en Illegale Drugs in Amsterdam, Amsterdam 1988; K. -H. Reuband (Anm. 3).

  9. Vgl. K. -H. Reuband, Survey methods as a monitoring In­ strument, in: Garretsen HFL/van de Goor LAM/Kaplan CD/Korf DJ/Spruit IP/de Zwart WM (eds): Illegal drugs. Research methods for hidden populations. Proceedings. Invited Expert meeting, Utrecht-Rotterdam 1993, S. 22-27.

  10. Vgl. NIDA: National Household Survey on Drug Abuse: Population Estimates 1988. U. S. Department of Health and Human Services, Rockville, Ind., 1989, S. 23.

  11. Vgl. K. -H. Reuband (Anm. 3).

  12. Vgl. K. -H. Reuband, Informanteninterviews als Mittel der Dunkelfeldforschung, in: Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform, 73 (1990), S. 294-304.

  13. Vgl. E. L. Engelsmann, Die Auswirkungen der holländischen Drogenpolitik, in: D. Thommen (Hrsg.), Drogen-problematik im Wandel, Lausanne 1987, S. 96-101; C. F. Rüter, Die strafrechtliche Drogenbekämpfung in den Niederlanden, in: Zeitschrift für die gesamten Strafrechtswissenschaften, 100 (1988), S. 385-404.

  14. Vgl. D. B. Kandel/R. Faust, Sequence and stages in patterns of adolescent drug use, in: Archives of General Psychiatry, 32 (1975), S. 923-932.

  15. Vgl. K. -H. Reuband, Vom Haschisch zum Heroin? Soziokulturelle Determinanten der Drogenwahl, in: Sucht-gefahren, 36 (1990), S. 1-17.

  16. Vgl. E. Dürkheim, Der Selbstmord. Neuwied-Berlin 1973, (zuerst französisch 1893).

  17. Vgl. dazu eingehender K. -H. Reuband (Anm. 3).

  18. Vgl. M. Vicent, Die Stadt der neuen Herrlichkeit, in: Merian, Madrid 1990, S. 29-31.

  19. Vgl. R. König, Leben im Widerspruch. Versuch einer intellektuellen Biographie, Frankfurt am Main 1984, S. 71.

  20. Zu den Forschungsdefiziten siehe Karl-Heinz Reuband, Forschungsdefizite im Bereich des Drogengebrauchs, in: Sucht. Zeitschrift für Wissenschaft und Praxis, 39 (1993), S. 48-57. Auch das jüngst aufgelegte Forschungsförderungsprogramm des Bundesministeriums für Forschung und Technologie (BMFT) zu Fragen der Sucht ändert daran nichts -es erweist sich bei näherem Hinsehen als Ausdruck eines bloßen symbolischen Aktionismus und nicht als ernstgemeinter Versuch, das Forschungsdefizit zu beheben. Denn mit der Förderung einiger ausgewählter Projekte geht eine rigide Abschließung gegenüber anderen Projekten und Neuanträgen einher: Über mehrere Jahre hinweg wird es unmöglich sein, beim BMFT überhaupt noch einen Antrag im Suchtbereich zu stellen. Schließlich gibt es auch beim Bundesministerium für Gesundheit keine Ansätze zur Förderung sozialwissenschaftlich ausgerichteter Grundlagenforschung. Die Vernachlässigung ist um so gravierender, als die Defizite der Forschung seit langem bekannt sind und bereits seit den siebziger Jahren in Publikationen wiederholt auf die Notwendigkeit einer aktiven Forschungsförderungspolitik hingewiesen wurde.

Weitere Inhalte

Karl-Heinz Reuband, Prof. Dr. phil. habil., geb. 1946; Studium der Soziologie, Psychologie und Sozialpädagogik an den Universitäten Hamburg und Köln; Professor für Soziologie an der Technischen Universität Dresden; Gründer und Vorsitzender der „European Social Science Research Group on Drug Issues“. Veröffentlichungen u. a.: Drogenkonsum und Drogenpolitik. Deutschland und die Niederlande im Vergleich, Opladen 1992; Soziale Determinanten des Drogenkonsums, Opladen 1994; (Hrsg. zus. mit F. U. Pappi und H. Best) Die deutsche Gesellschaft in vergleichender Perspektive. Festschrift für Erwin K. Scheuch, Opladen 1995.