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Die Außenpolitik der USA unter George Bush | APuZ 44/1992 | bpb.de

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Die Außenpolitik der USA unter George Bush

Manfred Knapp

/ 32 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Als George Bush 1989 sein Amt als 41. Präsident der USA antrat, befanden sich die internationalen Beziehungen in einem tiefgreifenden Umbruch. Die Schwerpunkte seiner Außenpolitik wurden weitgehend von den sich überstürzenden Ereignissen beim Niedergang des Sowjet-Kommunismus, der Auflösung des Ostblocks, der Vereinigung Deutschlands und dem Zerfall der Sowjetunion bestimmt. Darüber hinaus fesselten auch die Besetzung Kuwaits durch irakische Invasionstruppen und der daraufhin zu Jahresbeginn 1991 ausgelöste Golf-Krieg sehr stark die Aufmerksamkeit der Washingtoner Regierung, ohne daß bisher die Konflikt-Region des Nahen Ostens befriedet werden konnte. Die Bemühungen Präsident Bushs, nach der Beendigung der Ost-West-Konfrontation eine neue Weltordnung zu begründen, blieben insgesamt noch ohne klare Konturen. Zweifellos konnten sich die USA in den vergangenen vier Jahren als die mit Abstand bedeutendste Weltführungsmacht behaupten; ihre außenpolitische Handlungsfähigkeit war und ist jedoch durch die Relativierung ihrer Stellung in der Weltwirtschaft und durch die Schwächung ihrer heimischen sozioökonomischen Machtbasis eingeschränkt.

I. Die Regierung Bush in einer Phase des weltpolitischen Umbruchs

Als George Bush 1988 zum 41. Präsidenten der USA gewählt wurde, konnte er wie nur wenige seiner Vorgänger eine langjährige außenpolitische Erfahrung vorweisen. Schon vor seiner achtjährigen Amtszeit als Vizepräsident unter Ronald Reagan war er als Chefdelegierter der USA bei den Vereinten Nationen, als Leiter des amerikanischen Verbindungsbüros in Peking und schließlich als zeitweiliger CIA-Direktor mit den internationalen Kräftekonstellationen und mit dem komplizierten legislativen und administrativen Räderwerk der amerikanischen Außenpolitik gut vertraut.

Auf diesen unschätzbar wichtigen Wissens-und Erfahrungsschatz konnte sich Bush stützen, als er in seiner Präsidentschaft unversehens in eine Phase des weltpolitischen Umbruchs geriet. Durch den Niedergang des Kommunismus als geschichtsmächtiger Herrschaftsideologie, die damit engstens zusammenhängende Auflösung des Ostblocks und den Zerfall des Sowjetimperiums war Ende der achtziger und zu Beginn der neunziger Jahre in den überkommenen internationalen Beziehungen ein beispielloser Wendepunkt erreicht. Seine tiefgreifenden Auswirkungen zeigten sich sogleich in Europa und in den gesamten Ost-West-Beziehungen, darüber hinaus auch im asiatisch-pazifischen Raum.

Präsident Bush und die von ihm geführte Regierung nehmen das Verdienst in Anspruch, die amerikanische Außenpolitik sicher und erfolgreich durch das dramatische Finale des Ost-West-Konflikts hindurchgesteuert und während der vergangenen vier Jahre in allen Weltregionen die internationale Führungsrolle der USA eindrucksvoll unter Beweis gestellt zu haben. Die Außenpolitik gilt zu Recht als das Feld der besonderen Stärke der Bush-Administration, wohingegen ihre Leistungsbilanz in der amerikanischen Innenpolitik, insbesondere in der Wirtschafts-und Sozialpolitik, eher als dürftig angesehen wird. Dennoch -oder gerade auch deswegen -ließ es sich Bush bei dem im August 1992 in Houston (Texas) abgehaltenen Nominierungskonvent der Republikaner, der ihm die Kandidatur für eine zweite Amtsperiode angetragen hatte, nicht nehmen, an seinen Anteil bei den in letzter Zeit eingetretenen weltpolitischen Entwicklungen und Ereignissen zu erinnern: Deutschland sei vereinigt, Araber und Israeli führten miteinander Friedensgespräche, die Geiseln im Libanon seien freigelassen, in El Salvador und Nicaragua habe sich die Situation zum Besseren gewendet, die Sowjetunion könne nur noch in Geschichtsbüchern gefunden werden und die Länder Osteuropas sowie des Baltikums seien keine Gefangenen mehr. Im Mittleren Osten sei getan worden, was richtig und notwendig gewesen sei, indem Kuwait befreit und ein Tyrann (Saddam Hussein) jetzt im eigenen Land eingesperrt sei. Und mit besonderem Stolz fügte Bush hinzu, dieser Wahlparteitag sei der erste, auf dem ein amerikanischer Präsident das Ende des Kalten Krieges und den Sieg der Freiheit feststellen könne *

Ungeachtet der Wahlkampfrhetorik beim Aufzählen dieser „Erfolgsserie“ konnte Präsident Bush als Staats-und Regierungschef der allein noch übrig-gebliebenen Supermacht durchaus auf eine Reihe von für die USA und den Westen günstigen weltpolitischen Veränderungen verweisen, bei deren Zustandekommen und Ablauf seine Regierung keine geringen Verdienste und auch Erfolge reklamieren konnte. Allerdings ist bei einer kritischen Betrachtung der außenpolitischen Bilanz der Bush-Administration noch Näheres über die Zusammensetzung und Qualität der einzelnen Maßnahmen zu sagen.

Nach seinem Amtsantritt versuchte Präsident Bush zunächst, den (nach einer Phase verschärfter amerikanisch-sowjetischer Konfrontation) Mitte der achtziger Jahre zugunsten einer intensivierten Ost-West-Entspannung modifizierten außenpolitischen Kurs der Reagan-Administration beizubehalten.Im übrigen war er bestrebt, sich vorsichtig von den in Reagans Amtszeit bekanntgewordenen Affären und illegalen Machenschaften im unmittelbaren Umfeld des Weißen Hauses (Iran-Contra-Affäre) zu distanzieren. Im Vergleich zu seinem Amtsvorgänger war Bushs außenpolitisches Agieren durch einen anfänglich sehr verhalten und unschlüssig wirkenden Pragmatismus gekennzeichnet, der nichtsdestoweniger auf althergebrachten konservativen Grundüberzeugungen beruhte. Während des Präsidentschaftswahlkampfes im Jahre 1988 hatte Bush wiederholt seinen festen Glauben an die „Mission“ eines starken Amerika betont, das sich dem Streben nach Frieden und Demokratie in der ganzen Welt verpflichtet fühle, und auch später bekräftigte er eine vielgehörte außenpolitische Maxime aus den Reagan-Jahren: „Frieden durch Stärke“.

Trotz aller außenpolitischen Kontinuität, die sich am Ende der achtziger Jahre nach den vor allem im Verhältnis zur Sowjetunion unter Gorbatschow erzielten Fortschritten geradezu anbot, praktizierte Präsident Bush von vornherein einen eigenen außenpolitischen Führungsstil. Zu seinen ersten Entscheidungen gehörte, daß er für die für Außen-und Sicherheitspolitik zuständigen Institutionen seines Regierungsapparates eine Reihe höchst qualifizierter Persönlichkeiten gewann, die mit Ausnahme des später ins Gerede gekommenen und dann zurückgetretenen Stabschefs im Weißen Haus, John H. Sununu, allesamt eine mehrjährige Praxis als Politiker oder hochrangige Regierungsbedienstete vorzuweisen hatten. Hierzu zählten u. a. Außenminister James A. Baker III und dessen Stellvertreter Lawrence Eagleburger Sicherheitsberater Brent Scowcroft, Verteidigungsminister Richard B. Cheney und Colin L. Powell als Vorsitzender der Vereinigten Stabschefs. In den vergangenen vier Jahren gehörte es zu den positiven Eigenschaften der Bush-Administration, daß die einzelnen Ressort-Chefs und die Inhaber der wichtigsten außenpolitischen Stabsstellen im Vergleich zu früheren Regierungen relativ gut und gegenüber dem Präsidenten loyal zusammenarbeiteten. Dagegen gestaltete sich unter Bush die Zusammenarbeit zwischen der Exekutive und dem Kongreß eher schwierig. Ist an sich schon das in der amerikanischen Verfassung grundgelegte System der zwischen Präsident und Kongreß bestehenden Machtverschränkung und gegenseitigen Kontrolle auf besondere Kooperationsanstrengungen beider Seiten angewiesen, so wurde durch die Tatsache, daß in beiden Häusern des Kongresses (Senat und Repräsentantenhaus) die Demokraten die Mehrheit hatten, die Führung einer konsistenten Außenpolitik nicht gerade erleichtert. Dies zeigte sich nicht zuletzt in der Haltung der USA zum historischen Niedergang der kommunistischen Regime im Ostblock und zum Zerfall der Sowjetunion.

II. Die USA und die Beendigung der Ost-West-Konfrontation

1. Die Einstellung zu den Umwälzungen in den Staaten Mittel-und Osteuropas und zum Zerfall der Sowjetunion

Schon zu Beginn ihrer Amtszeit wurde die Regierung Bush mit den dramatischen Ereignissen im einstigen Ostblock konfrontiert, die für die betroffenen Staaten und Gesellschaften, aber auch für die internationalen Beziehungen eine tiefe Zäsur bedeuteten. Der rapide Zusammenbruch der kommunistischen Herrschaftssysteme in den Staaten Mittel-und Osteuropas, die damit verbundene Auflösung des östlichen Blocksystems und schließlich der Zerfall der Sowjetunion schufen für die amerikanische Außen-und Sicherheitspolitik neue Rahmenbedingungen. Die Regierung Bush sah sich vor zwei große Aufgaben zugleich gestellt: Einerseits mußte sie zu den sich förmlich überstürzenden Umwälzungen im zerfallenden Sowjetimperium Stellung beziehen, andererseits mußte sie sehr schnell Vorstellungen und Konzeptionen entwickeln, wie sie die entstandene „post-Cold War world“ im Sinne der amerikanischen Interessenlage zu beeinflussen und zu gestalten gedachte.

Sicherlich konnte auch die Regierung Bush den beschleunigten Zerfall der Macht-und Herrschaftsstrukturen im Osten nicht klar voraussehen, obgleich Bush schon in seiner Rede bei seiner Amtseinführung die Überzeugung vertrat, die Ära des Totalitarismus sei vorüber und ihre alten Ideen würden wie Blätter von einem alten, leblosen Baum hinweggefegt Im Verhältnis zu der im Umbruch befindlichen Sowjetunion tat sich die Bush-Administration anfänglich schwer, eine klare Einstellung zu finden. Offensichtlich waren innerhalb des engeren Regierungszirkels in Washington die Meinungen über die Erfolgsaussichten der Reformbemühungen unter Gorbatschow und über die Opportunität einer eventuellen Unterstützung derselben durch die USA geteilt. Bush selbst verhielt sich zunächst eher abwartend und wollte sich von dem agilen sowjetischen Staatspräsidenten anscheinend nicht zu vorschnellen Schritten oder Zugeständnissen drängen lassen. So dauerte es bis zum Frühjahr 1989, ehe Bush sich konkreter zu den künftigen amerikanisch-sowjetischen Beziehungen äußerte. Er sprach sich anerkennend über die von Gorbatschow eingeleiteten Reformprozesse aus und erklärte seine prinzipielle Bereitschaft, über die von den USA gegenüber der Sowjetunion bisher betriebene Politik der Eindämmung hinauszugehen („beyond Containment“)

Auf der Gipfel-Konferenz der NATO-Staaten in Brüssel Ende Mai 1989 legte Präsident Bush eine Reihe neuer Vorschläge zur Abrüstung zwischen den beiden Militärblöcken vor (unter anderem für eine Reduzierung der ausländischen Stationierungsstreitkräfte in Europa), die sogleich vom westlichen Bündnis gutgeheißen wurden; nicht zuletzt auch deshalb, weil dadurch der damals innerhalb der NATO aufgekommene Streit über die Modernisierung der Kurzstreckenraketen und die Reihenfolge der nächsten Abrüstungsschritte beigelegt werden konnte. Wichtiger war freilich, daß die Staats-und Regierungschefs der Mitgliedsländer der Atlantischen Allianz die damals in einigen osteuropäischen Ländern in Gang gekommenen Reformen positiv würdigten und ihre Absicht betonten, die Teilung Europas zu überwinden und eine neue politische Friedensordnung zu schaffen Bei seinem anschließenden Besuch in Deutschland setzte sich Präsident Bush nochmals nachdrücklich für die Überwindung der Teilung Europas und für die Öffnung der damals noch kommunistisch beherrschten Gesellschaften Osteuropas ein. In seiner bemerkenswerten Rede in Mainz Ende Mai 1989 forderte er ausdrücklich dazu auf, die Mauer in Berlin abzubauen und „Glasnost“ auch nach Ost-Berlin zu bringen

Daß diese Forderungen dann ab November 1989 in so stürmischem Tempo verwirklicht werden konnten und in einer ungeahnten Kettenreaktion innerhalb weniger Monate in allen mittel-und osteuropäischen Staaten die Alleinherrschaft der kommu-nistischen Partei-und Machtapparate gebrochen werden konnte, kam wohl auch für die amerikanische Regierung überraschend. Bei aller Genugtuung über die historischen Ereignisse war Präsident Bush jedoch darauf bedacht, dazu beizutragen, daß der Umbruch im Osten und die eingeleiteten Transformationsprozesse nicht außer Kontrolle gerieten. So beeilte er sich bei seinem Treffen mit Gorbatschow Anfang Dezember 1989 in Malta, diesem zu versichern, daß die USA die Entwicklungen nicht zu einer vorsätzlichen Schwächung der Sicherheitsinteressen der Sowjetunion auszunutzen gedächten

Im Hinblick auf die undurchsichtige Lage in der Sowjetunion war die offizielle Haltung Washingtons ansonsten immer noch durch vorsichtiges Abwarten und eine gewisse Unschlüssigkeit gekennzeichnet. Bei ihrem Zusammentreffen Ende Mai/Anfang Juni 1990 in Washington bekräftigten Bush und Gorbatschow ihre Absicht, die amerikanisch-sowjetischen Beziehungen weiter zu verbessern, und sie unterstrichen diese gemeinsame Willenserklärung auch durch die Unterzeichnung mehrerer Abkommen (darunter ein neues amerikanisch-sowjetisches Handelsabkommen) Darüber hinaus bekräftigte auch die Anfang Juli 1990 abgehaltene Gipfelkonferenz des Nordatlantikrats in ihrer „Londoner Erklärung“ (6. Juli 1990) den Wunsch nach einer verstärkten, umfassenden Ost-West-Zusammenarbeit auf der Basis eines generellen Gewaltverzichts Wie sich später zeigen sollte, trug diese NATO-Erklärung nicht unwesentlich zum Einlenken der Sowjetunion bei der Regelung der Frage der Bündniszugehörigkeit des vereinigten Deutschland bei, auf die noch zurückzukommen ist.

In der zweiten Hälfte des Jahres 1990 wurde die Aufmerksamkeit des amerikanischen Präsidenten und seiner engsten außenpolitischen Mitarbeiter und Berater immer stärker durch die nach der Besetzung Kuwaits durch irakische Truppen (2. August 1990) verschärfte Golf-Krise in Anspruch genommen. Dadurch traten beachtliche Ereignisse in den Ost-West-Beziehungen in den Hintergrund, wie die im November 1990 in Paris abgehaltene Gipfelkonferenz der KSZE-Staaten, auf der in mehreren Dokumenten, insbesondere in der „Charta von Paris für ein Neues Europa“, die Periode der Ost-West-Konfrontation und der Teilung Europas für beendet erklärt wurde Von den in der Golf-Region aufziehenden Rauchwolken wurde auch der gleichfalls im November 1990 abgeschlossene Vertrag über die Verringerung der Streitkräfte in Europa verdunkelt, über dessen Auslegung es zwischen den westlichen Vertragspartnern und der Sowjetunion zeitweilig zu erheblichen Mißstimmigkeiten kommen sollte.

Unterdessen nährten eine Reihe von Ereignissen in der Sowjetunion (Rücktritt von Außenminister Eduard Schewardnadse im Dezember 1990, Anfang 1991 Anwendung militärischer Gewalt gegen die Unabhängigkeitsbewegungen in den baltischen Republiken) auf seiten der USA die Befürchtung, daß Gorbatschow letzten Endes mit seiner system-öffnenden Reformpolitik scheitern könnte. Dennoch war Bush schließlich damit einverstanden, den in schwere Bedrängnis geratenen Präsidenten der auseinanderbrechenden Sowjetunion zu dem Mitte Juli 1991 in London abgehaltenen Weltwirtschaftsgipfel einzuladen, auf dem Gorbatschow von den versammelten Staats-und Regierungschefs der sieben führenden westlichen Industriestaaten zwar empfangen wurde, aber keine Zusagen für direkte finanzielle Hilfen erhielt. Trotz zunehmender Bedenken hinsichtlich der Durchsetzungsfähigkeit Gorbatschows gegenüber den alten Machtstrukturen in der UdSSR reiste Bush zu seiner wegen des Golf-Kriegs verschobenen Gipfelbegegnung mit Gorbatschow nach Moskau, wo er am 31. Juli 1991 den START-Vertrag Unterzeichnete, mit dem -nach langjährigen Verhandlungen -eine etwa 30prozentige Verringerung der weitreichenden strategischen Atomwaffen beider Seiten erreicht werden sollte

Als wenige Tage nach dem Staatsbesuch des amerikanischen Präsidenten in der Sowjetunion am 19. August 1991 eine Gruppe hochrangiger kommunistischer Funktionsträger einen Putsch gegen Gorbatschow und die ihn unterstützenden Reformkräfte unternahm, verurteilte Bush den Umsturzversuch und warnte nachdrücklich vor den „ernsthaften Folgen“, die dies für die Beziehungen der Sowjetunion zu den USA und zum Westen haben könnte Die Regierung Bush ermutigte die Gegner der Putschisten, allen voran Boris Jelzin, den furchtlos agierenden Präsidenten Rußlands, in deren erfolgreichem Eintreten gegen einen Rückfall in eine zentralistische Diktatur. Danach blieb den USA nicht viel anderes übrig, als den nach der Entmachtung Gorbatschows rasch voranschreiten­ den Zerfall der Sowjetunion weiterzuverfolgen. Dieser erreichte Ende Dezember 1991 mit der Gründung der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) und der gleichzeitigen Auflösung der UdSSR einen vorläufigen Höhepunkt.

Seitdem bemühte sich die Regierung Bush, zu den Nachfolgestaaten der früheren Sowjetunion -dazu zählen auch die drei baltischen Staaten und Georgien, die dem lockeren Staatenbund der GUS nicht beitraten -tragfähige Arbeitsbeziehungen aufzubauen, um für die immensen Probleme gemeinsamen Interesses wenigstens näherungsweise eine Regelung zu finden. Im Mittelpunkt standen dabei drei Prpblemkomplexe, um deren Behandlung oder Entschärfung sich die Washingtoner Außenpolitik in den vergangenen Monaten bemühte: erstens die Kontrolle der in vier Nachfolgestaaten (Rußland, Weißrußland, Ukraine und Kasachstan) befindlichen Atomwaffen und um die Verhinderung der mit diesen Waffen verbundenen Proliferationsgefahren; zweitens die Klärung der schwierigen Fragen nach der Zweckmäßigkeit, den Modalitäten und dem Umfang der von den USA (und anderen Geberländem) an die Nachfolgestaaten zu leistenden Wirtschaftshilfe, um die verschiedentlich dort eingeleitete ökonomische Umstrukturierung nach marktwirtschaftlichen Prinzipien zu unterstützen und nach Möglichkeit einen totalen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Zusammenbruch zu verhindern; drittens schließlich ging es darum, die aus Sicht der USA wichtigsten Nachfolgestaaten als verläßliche Partner bei der Bewältigung weltpolitischer Herausforderungen in anderen Krisenregionen der Welt zu gewinnen.

Für die Bush-Administration stand von vornherein fest, daß Rußland als atomare Großmacht und deren Präsident Jelzin der erste und bedeutendste Adressat ihrer neuen Ostpolitik nach dem Ende der Sowjetunion sein sollte. Bei den Besuchen Jelzins in den USA Anfang Februar 1992 (in Camp David) und Mitte Juni 1992 in Washington stand die ganze Bandbreite der drängendsten Probleme auf der Tagesordnung, wobei Vereinbarungen über die im START-Vertrag festgelegten Obergrenzen hinausgehende Reduktionen in den strategischen Kemwaffenarsenalen und Fragen der Wirtschaftshilfe für Rußland besondere Aufmerksamkeit beanspruchten Was den letzteren Punkt betrifft, hatte die amerikanische Regierung im Januar 1992 eine große Koordinierungskonferenz für die Hilfe des Westens an die GUS einberufen, bei der 47 nationale Delegationen und Vertreter von sieben internationalen Organisationen darüber berieten, wie sie den Staaten der früheren Sowjetunion humanitäre und wirtschaftliche Hilfe zukommen lassen könnten Ungeachtet dieser Initiative und der Anfang Februar 1992 mit maßgeblicher Beteiligung der USA eingerichteten Luftbrücke für humanitäre Hilfslieferungen westlicher Industriestaaten an die 11 Republiken der GUS, wurde immer wieder kritisiert, daß die Hilfsleistungen der USA an die Nachfolgestaaten der früheren Sowjetunion und an die osteuropäischen Länder vergleichsweise niedrig geblieben sind Abgesehen von der innerhalb der USA nach wie vor kontrovers diskutierten Frage der Wirksamkeit eines Eingriffs von außen bei der fundamentalen Umstrukturierung der maroden Planwirtschaftssysteme innerhalb der früheren Sowjetunion, war der amerikanische Kongreß angesichts fehlender Mittel zur Beseitigung zahlreicher wirtschaftlicher und sozialer Notlagen im eigenen Land nicht bereit, höhere Dollar-Beträge zur Besserung der desolaten wirtschaftlichen Verhältnisse in den GUS-Staaten zu bewilligen. Gleichwohl betonten hochrangige Vertreter der Bush-Administration in letzter Zeit immer wieder die besondere Dringlichkeit einer gezielten Unterstützung der GUS.

Bei der amerikanisch-sowjetischen Zusammenarbeit in der Rüstungskontrolle konnten in jüngster Zeit einige bemerkenswerte Fortschritte erzielt werden. Die Regierung Bush versuchte zunächst, die vier atomwaffenbesitzenden GUS-Staaten auf die Einhaltung des START-Abkommens zu verpflichten und verhandelte hauptsächlich mit der russischen Regierung über eine weitere Verminderung der strategischen Nuklearwaffen. Bei der vereinbarten Beseitigung der sogenannten taktischen Atomwaffen beschloß der US-Senat im Dezember 1991 auf Vorschlag der Senatoren Richard Lugar und Sam Nunn, 400 Millionen US-Dollar aus dem amerikanischen Militärhaushalt abzuzweigen und diese Mittel ihrem einstigen Gegner für die Vernichtung dieser Waffen zur Verfügung zu stellen.

Insgesamt betrachtet, zeigte die Regierung Bush in der Endphase des Ost-West-Konflikts und beim Zusammenbruch des Sowjetimperiums Standfe­ stigkeit und ein gutes politisches Augenmaß. Allerdings ist die amerikanische Außenpolitik auf die Frage, ob und wie Gorbatschow von außen geholfen werden sollte, eine klare Antwort schuldig geblieben. Erst spät rang sich die Washingtoner Regierung zu der Erkenntnis durch, daß ohne erhöhte Stabilisierungshilfen aus den relativ wohlhabenden westlichen Industriestaaten die Nachfolgestaaten ihres früheren weltpolitischen Gegenspielers einer noch ungewisseren Zukunft entgegengehen.

2. Die entschlossene Unterstützung der Vereinigung Deutschlands

Bei der Vereinigung Deutschlands verfolgte die Regierung Bush von vornherein eine zielklare, konsequente Linie, die sie in engstem Zusammenwirken mit ihrem Bonner Verbündeten und im Einvernehmen mit Großbritannien und Frankreich durchsetzte. Als kurze Zeit nach Öffnung der Berliner Mauer und der innerdeutschen Grenze Bundeskanzler Kohl im November 1989 die Öffentlichkeit des In-und Auslandes mit seinem „Zehn-Punkte-Programm zur Überwindung der Teilung Deutschlands und Europas“ überraschte, formulierte die Regierung Bush Grundsätze, die sie bei einer nun in den Bereich des Möglichen gerückten Wiedervereinigung Deutschlands gewahrt wissen wollte. Bei der Rückkehr von seinem Gipfeltreffen mit Gorbatschow in Malta Anfang Dezember 1989 legte Präsident Bush bei seinem Treffen mit den Staats-und Regierungschefs der NATO vier deutschlandpolitische Prinzipien dar, die in der Grundsatzrede von US-Außenminister Baker vor dem Presseclub in West-Berlin (12. Dezember 1989) nochmals aufgegriffen wurden. Danach sollte bei einer Regelung der Deutschen Frage erstens die Selbstbestimmung gelten, zweitens sollte die Wiederherstellung der Einheit unter Beibehaltung der Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland gegenüber der NATO und der Europäischen Gemeinschaft und unter Wahrung der Rechte und Pflichen der ehemaligen alliierten Siegermächte erfolgen, drittens sollte die Einheit friedlich und schrittweise herbeigeführt werden, wobei, viertens, in der Frage der territorialen Grenzen die KSZE-Prinzipien gelten sollten

In den folgenden Monaten war die Regierung Bush bestrebt, den in den beiden erstgenannten Prinzipien enthaltenen potentiellen Widerspruch durch entsprechende Willensäußerungen der deutschen politischen Repräsentanten gegenstandslos werden zu lassen. Als sich nach dem Jahreswechsel 1989/90 sehr rasch abzeichnete, daß eine Vereinigung der beiden deutschen Staaten wegen des unaufhaltsamen Verfalls der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Ordnung in der DDR früher als zunächst angenommen erfolgen würde, sprachen sich die USA als erste der vier Sieger-und Besatzungsmächte nachdrücklich für die schnellstmögliche Schaffung der deutschen Einheit aus. Nachdem sich im Februar 1990 (auf der „Open-Skies“ -Konferenz im kanadischen Ottawa) die vier Mächte zusammen mit den Vertretern der beiden deutschen Staaten auf die Einberufung einer sogenannten „Zwei-plus-Vier“ -Gesprächsrunde zur Behandlung der sogenannten „äußeren Aspekte“ der deutschen Einheit und Fragen der Sicherheit der Nachbarstaaten geeinigt hatten, sicherte Präsident Bush Bundeskanzler Kohl bei dessen Besuch im gleichen Monat in Camp David die volle Unterstützung Washingtons bei der Wiedervereinigung zu In den folgenden sieben Monaten, während der in den Zwei-plus-Vier-Gesprächen zahlreiche schwierige Klippen zu überwinden waren, setzte sich Bush in einer persönlichen Telefon-Diplomatie und in zahlreichen Begegnungen mit anderen führenden Staatsmännern sowie mit der britischen Premierministerin Margaret Thatcher dafür ein, Besorgnisse oder Befürchtungen über die künftige Rolle eines wiedervereinigten Deutschland abzubauen oder zu überwinden.

Begreiflicherweise war für alle Verhandlungspartner, besonders für die Sowjetunion, die Frage der NATO-Mitgliedschaft des vereinten Deutschland ein sehr schwieriger, zentraler Verhandlungspunkt. Präsident Bush und Bundeskanzler Kohl hatten sich schon bei ihrem Camp-David-Treffen darauf festgelegt, daß auch ein vereinigtes Deutschland Vollmitglied der NATO bleiben sollte; im übrigen machte Bush damals im Beisein Kohls deutlich, daß die USA die bestehende deutsch-polnische Grenze als endgültig betrachte.

Nachdem die NATO mit ihrer bereits erwähnten Londoner Erklärung vom Juli 1990 in versöhnlichen, an die Adresse Moskaus und Osteuropas gerichteten Tönen ihre Wandlungsfähigkeit und Friedfertigkeit erneut demonstriert hatte, konnten wenige Tage später (in den Gesprächen zwischen Kohl und Gorbatschow im Kaukasus) zur Genugtuung der westlichen Bündnisführungsmacht die Widerstände der Sowjetunion gegen die von Washington nachdrücklich erstrebte NATO-Zugehörigkeit des vereinten Deutschland endgültig überwunden werden.

Bei der Überweisung des am 12. September 1990 Unterzeichneten „Vertrag(s) über die abschließende Regelung in bezug auf Deutschland“ an den US-Senat hob Präsident Bush hervor, es sei selten einem US-Präsidenten vergönnt gewesen, dem Senat ein Abkommen zur Ratifizierung vorzulegen, das so wie der vorliegende abschließende Deutschlandvertrag die über vierzig Jahre lang verfolgten nationalen Ziele der USA erfülle

3. Neue sicherheitspolitische Herausforderungen in Europa

Die Regierung Bush war mit besonderem Nachdruck an einer dauerhaften Verankerung des wiedervereinigten Deutschland in der NATO interessiert, weil sie das alte transatlantische Bündnis nach wie vor als das wichtigste Instrument zur Durchsetzung amerikanischer Interessen in Europa ansah und das vereinigte Deutschland in dieser Weltregion voraussichtlich eine noch größere Rolle spielen würde Es lag auf der Hand, daß die USA nach dem Ende der Ost-West-Konfrontation in Europa vor einer Reihe neuer sicherheitspolitischer Herausforderungen standen Noch ehe der Ost-West-Konflikt mit dem Scheitern des Sowjet-Kommunismus, der Selbstauflösung des Warschauer Pakts, der Liquidation des ebenfalls erfolglosen östlichen Rates für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und mit der Hinwendung der ehemaligen Ostblockstaaten zur westlichen Demokratie und Marktwirtschaft zu Ende gegangen war, kamen in dem alten Kontinent mitsamt seinem angrenzenden asiatischen „Hinterland“ eine Vielzahl lange überdeckter alter und einige neue Konfliktpotentiale zum Vorschein, die zusammen mit den konflikthaltigen „Altlasten“ aus der Zeit des Kalten Krieges einer dringlichen Vorsorge und Bearbeitung bedurften.

Für die Regierung Bush kam es zu Beginn der neunziger Jahre vor allem darauf an, das Atlantische Bündnis an die veränderte Lage anzupassen. Eine wichtige Etappe auf diesem Weg war das im November 1991 verabschiedete neue Strategiekonzept der NATO Die Bush-Administration war in den bündnisinternen Beratungen stets darum bemüht, bei ihren Verbündeten keine Zweifel am Weiterbestehen der sicherheitspolitischen Präsenz Amerikas in Europa aufkommen zu lassen, auch wenn die amerikanischen Stationierungskräfte in letzter Zeit schon beträchtlich reduziert worden sind. Bei der Revision der überkommenen amerikanisch-europäischen Bündnis-und Sicherheitspolitik fielen außerdem besonders zwei Fragen ins Gewicht:

Zum einen mußte zur Befriedigung der Sicherheitsinteressen der nunmehr ungebundenen ehemaligen Ostblockstaaten eine Regelung gefunden werden. Auf Initiative Bakers und des damaligen deutschen Außenministers Hans-Dietrich Genscher wurde im Dezember 1991 mit der Gründung eines lockeren Nordatlantischen Kooperationsrats, dem neben den NATO-Staaten die früheren Ostblockländer und die Nachfolgestaaten der Sowjetunion angehören, eine Übergangsregelung geschaffen Daneben gab es noch die nach den zahlreichen Staats-Neugründungen heute über fünfzig Mitgliedsländer umfassende KSZE, deren Existenzberechtigung und Nützlichkeit die USA durchaus anerkannten, solange sie nicht in ernsthafte Konkurrenz zur NATO gesetzt wurde.

Zum anderen liegt ein nach wie vor ungelöstes Problem innerhalb des alten westlichen Lagers in der seit langem kontrovers diskutierten Frage nach der Schaffung einer mehr oder weniger eigenständigen (west-) europäischen „Verteidigungsidentität“. Seitdem die Mehrzahl der zwölf EG-Staaten neuerdings die auch im Maastrichter Vertrag über die Europäische Union niedergelegte Absicht verfolgt, die Westeuropäische Union (WEU), der bis auf Irland, Dänemark und Griechenland sämtliche EG-Staaten angehören, als Basisorganisation zur Durchführung einer europäischen Sicherheits-und Verteidigungspolitik zu reklamieren, gibt es von seiten der transatlantischen Bündnisführungs­ macht Bedenken und Einsprüche; Washington befürchtet, daß dadurch tendenziell die NATO und mithin der amerikanische Einfluß in Europa geschwächt werden könnte. Wie empfindlich die USA auf sicherheitspolitische Emanzipationsversuche einzelner ihrer europäischen Partner reagieren, zeigte sich erst kürzlich wieder an den aufgeregten amerikanischen Reaktionen auf die geplante Errichtung eines deutsch-französischen „Eurokorps“

Die Regierung Bush vertrat während der vergangenen Jahre wiederholt die Auffassung, daß Nordamerika und Europa bei der Regelung der aktuellen und künftigen Sicherheitsprobleme in Europa und in der Welt weiterhin auf eine enge Zusammenarbeit angewiesen seien. Die Tragödie der fortdauernden Bürgerkriege im ehemaligen Jugoslawien bestätigt diese These. Nachdem Washington einige Zeit die gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen den verfeindeten Volksgruppen als fernes europäisches Problem zu betrachten schien, fühlte sich die Regierung Bush seit der Einschaltung der UNO gemeinsam mit den EG-Staaten doch zu einem verstärkten Engagement gezwungen, ohne daß bisher dem Blutvergießen Einhalt geboten werden konnte.

III. Die USA als Ordnungsmacht im Nahen Osten

1. Die Entscheidung zur militärischen Intervention gegen die irakische Aggression

Bei dem anders gelagerten Konflikt in der Golf-Region zeigte die Regierung Bush dagegen von vornherein ein ostentatives Regelungsinteresse. Für die USA stand sehr viel auf dem Spiel: die Sicherheit verbündeter Staaten, allen voran Israels und auch Saudi-Arabiens, die Aufrechterhaltung der Ölversorgung, die Ahndung des Völkerrechtsbruchs, und schließlich sollte ein unberechenbarer, gefährlicher Diktator unbedingt an einer weiteren Machtentfaltung in dieser Krisenregion gehindert werden. Präsident Bush war entschlossen, die Besetzung Kuwaits durch Truppen des Iraks unter allen Umständen -notfalls auch mit militärischen Mitteln -rückgängig zu machen, und er zeigte dabei Führungsbereitschaft, auch außenpolitischdiplomatische und militärische Führungsstärke. Nachdem die zwölf an die Adresse Bagdads gerichteten UNO-Resolutionen mit der zuletzt ultimativen Aufforderung zum sofortigen Rückzug erfolglos geblieben waren, entschied sich Bush gemeinsam mit den Verbündeten der eigens zu diesem Zweck zusammengerufenen Golf-Koalition zur militärischen Gewaltanwendung gegen die Aggressoren. Mit der Operation „Wüsten-sturm“ war nach sechswöchigem Krieg im Januar/Februar 1991 das Ölscheichtum am Persischen Golf befreit -zumindest von den Invasionstruppen Saddam Husseins

Trotz des militärischen Erfolgs der von den USA geführten Golf-Koalition war und bleibt die Nahostpolitik der USA umstritten. Nur bei vordergründiger Betrachtung reagierte die Regierung Bush in der Golf-Krise lediglich auf einen „klassischen“ Aggressionsfall, indem sie mit einer geschickten, multilateralen Diplomatie unter Einschaltung der Vereinten Nationen die ungewöhnliche Golf-Koalition zustandebrachte und sie zum großen gemeinsamen Gegenschlag gegen den Aggressor ins Feld führte. Der Konflikt wurde jedoch dadurch noch nicht gelöst.

Fehler und Versäumnisse lagen bereits im Vorfeld der Schwierigkeiten, in die die Washingtoner Nahostpolitik geraten war. Ein großer Fehler der USA war, daß sie zu lange mit dem Potentaten in Bagdad in der irrigen Hoffnung zusammengearbeitet hatten, ihn als leicht steuerbares Gegengewicht gegen den revolutionären Iran und im Bedarfsfall auch gegen Syrien ins Feld bringen zu können. Auf diese Weise konnten sich einige westliche Firmen (darunter insbesondere auch deutsche), die mit skrupellosen Geschäften die Militärmacht des Irak unkontrolliert aufbauen halfen, im stillschweigenden Einvernehmen mit der undurchsichtigen Regierungspolitik fühlen. Schwere Versäumnisse der USA und anderer im Nahen Osten engagierter Mächte entstanden auch insofern, als sie insgesamt zu wenig zur Regelung des israelisch-arabischen Dauerkonflikts und zum Abbau der in dieser Krisenregion nach wie vor fortbestehenden ungerechten Macht-und Gesellschaftsstrukturen beigetragen haben. Erst dadurch war es möglich, daß sich Saddam Hussein zeitweilig als selbsternannter Schirmherr und Verfechter der Rechte der islamisch-arabischen Welt in Szene setzen konnte.

Zweifel an der Bushschen Politik gegenüber dem Irak stellen sich auch dann ein, wenn man die kaum verhüllte Aufforderung an die aufstandsbereiten Kurden und Schiiten zum Sturz des irakischen Diktators bedenkt, die die beiden Volks-gruppen in eine noch verzweifeltere Lage brachte. Die späte Hilfestellung von außen durch die Errichtung einer Schutzzone für die Kurden im Norden und die Flugverbotszone im Süden zum Schutz der von Saddams Luftwaffe bedrohten Schiiten weist auf die nach wie vor mißliche, ungelöste Konfliktlage hin.

2. Bemühungen um Verhandlungsregelungen: die neue Nahostkonferenz

Die Regierung Bush zog aus den Erfahrungen der Golf-Krise insoweit Konsequenzen, als sie sich sogleich nach dem Ende der Kriegshandlungen unter Nutzung ihrer im Golf-Krieg verbesserten Beziehungen zum arabischen Lager intensiv um die Anbahnung neuer Friedensgespräche zwischen Israel und seinen arabischen Nachbarn bemühte. In seiner Rede vor dem Kongreß über das Ende des Golf-Kriegs rief Bush Anfang März 1991 dazu auf, an der Schaffung neuer Möglichkeiten für Frieden und Stabilität im Nahen Osten zu arbeiten; ein umfassender Friede müsse sich auf die Resolutionen 242 und 338 des UN-Sicherheitsrats und das Prinzip „Land für Frieden“ gründen *Der amerikanische Präsident konnte sich mit dieser Initiative auch auf eine prinzipielle Zustimmung der Sowjetunion berufen, nachdem er schon bei seinem Treffen mit Gorbatschow im September 1990 in Helsinki eine Zusammenarbeit bei der Entschärfung und Regelung der Krisenlage im Nahen Osten vereinbart hatte.

In der Folgezeit gelang es Außenminister Baker mit Unterstützung seines damaligen sowjetischen Kollegen Boris Pankin, die gegnerischen Staaten und Parteien zur Teilnahme an einer neuen Nahostkonferenz zu bewegen, bei der sich erstmalig Israeli, Syrer, Libanesen, Jordanier und eine Vertretung der Palästinenser (die in die jordanische Delegation aufgenommen wurde) am Verhandlungstisch gegenübersaßen. Die neue Nahostkonferenz wurde Ende Oktober 1991 unter der gemeinsamen Schirmherrschaft und in Anwesenheit von US-Präsident Bush und des damaligen sowjetischen Staatspräsidenten Gorbatschow in Madrid eröffnet und kam bis Anfang September 1992 zu insgesamt sechs Verhandlungsrunden zusammen. Zu Beginn der sechsten Runde in Washington hatte es deutliche Fortschritte in den bilateralen Verhandlungen zwischen Israel und den einzelnen arabischen Delegationen gegeben. Dazu trug wesentlich die von den USA nachdrücklich unterstützte kompromißbereitere Haltung der seit Juli 1992 amtierenden neuen israelischen Regierung unter Ministerpräsident Yitzhak Rabin bei. Unter dessen nationalkonservativem Vorgänger Yitzhak Schamir war es dagegen zwischen Tel Aviv und Washington wegen der umstrittenen israelischen Siedlungspolitik in den besetzten arabischen Gebieten häufig zu Auseinandersetzungen gekommen, in deren Verlauf die USA zeitweilig eine für Israel bestimmte US-Finanzhilfe und Kreditbürgschaft zurückgehalten hatten. Bei seinem Treffen mit Rabin im August 1992 in den USA erzielte Präsident Bush Einvernehmen über die grundsätzlichen Prinzipien für die Gewährung von US-Anleihegarantien in Höhe von bis zu zehn Milliarden US-Dollar, die Israel zur Unterstützung der Einbürgerung neuer jüdischer Einwanderer (vorwiegend aus der früheren Sowjetunion) dienen sollen

IV. Die USA und der „Rest der Welt“

In den vergangenen vier Jahren war die Außenpolitik der Regierung Bush in erster Linie mit den Auswirkungen des Zusammenbruchs des Sowjetimperiums und mit den kriegerischen Auseinandersetzungen in der Krisenregion des Persischen Golfs und des Nahen Ostens beschäftigt. Trotz dieser durch die weltpolitischen Ereignisse bestimmten Schwerpunktbereiche wollte und konnte sich die Regierung Bush von den verschiedenen Wind-und Wetterzonen der übrigen Welt nicht abwenden. Deshalb sind hier wenigstens die wichtigsten außenpolitischen Aktivitäten der Bush-Administration im Verhältnis zu den drei großen Entwicklungskontinenten und den sie umgebenden Weltregionen kurz darzustellen.

1. Lateinamerika: Militärintervention in Panama, Kampf gegen die Drogen-Mafia, Fortschritte bei der Stabilisierung der Lage in Mittelamerika

Ursprünglich hatte sich Präsident Bush für seine Lateinamerika-Politik ehrgeizige Ziele gesetzt. Der groß angekündigte Feldzug gegen den interna-tionalen Drogenhandel war anfänglich mit der Erwartung verbunden, dem verbrecherischen Treiben der Drogen-Mafia in Kolumbien, Bolivien, Peru und anderswo endlich das Handwerk zu legen. Trotz beträchtlicher Anstrengungen unter Einsatz ganzer Hundertschaften von Polizisten, Tausender Soldaten und zahlloser Zivilfahnder blieben die Erfolge gegen die Drogen-Produzenten und -Händler mehr als bescheiden.

In einem spektakulären Fall gelang es den USA jedoch, einen notorischen Drogen-Gangster zu fangen und hinter Schloß und Riegel zu bringen. Das Mißliche an der ganzen Angelegenheit lag allerdings darin, daß der dingfest gemachte Drogenkriminelle namens Manuel Antonio Noriega jahrelang amerikanischen Behörden zu Diensten war und zum Zeitpunkt seiner Festnahme als Militärmachthaber und Ministerpräsident in Panama fungierte. Präsident Bush beorderte im Dezember 1989 eine größere amerikanische Invasionsstreitmacht in die Kanalrepublik, um, wie es in einer präsidentiellen Verlautbarung hieß, dort das Leben amerikanischer Staatsbürger zu schützen, demokratische Zustände wiederherzustellen, die Integrität der Kanalverträge zu wahren und General Noriega vor Gericht zu stellen Über das Pro und Kontra der Gefangennahme Noriegas auf ausländischem Boden ließe sich noch streiten, wenn nicht die ganze ledernackige US-Militärintervention so sehr an einen Rückfall in die Zeit des unglückseligen Yankee-Imperialismus erinnert hätte.

Eher Positives ist dagegen aus Mittelamerika zu berichten, wo sich die Lage in El Salvador etwas und in Nicaragua nach den freien Präsidentschaftswahlen im Februar 1990 deutlich verbesserte. Allerdings ließen die zivilen Hilfsaktionen der USA zum wirtschaftlichen Wiederaufbau der von langjährigen Bürgerkriegen schwer gezeichneten Länder viel länger auf sich warten, als seinerzeit die US-Militärhilfe an die Contras.

2. Der asiatisch-pazifische Raum, insbesondere die Beziehungen zu Japan und zur Volksrepublik China

Das Ende des Ost-West-Konflikts und der Untergang der Sowjetunion als einer den USA ebenbürtigen militärischen Weltführungsmacht hatte natürlich auch Auswirkungen auf die Mächte-und Kräftekonstellationen im weiten, zergliederten asiatisch-pazifischen Raum. Der große politische Sieg der USA im Kalten Krieg machte die amerikanische Vormachtstellung in dieser fernöstlichen Weltregion gewiß nicht einfacher. Für die Asien-und Pazifik-Politik der USA ergab sich die Notwendigkeit einer neuen Positionsbestimmung, die jedoch von der Regierung Bush noch nicht vorgenommen wurde Dies läßt sich am Beispiel der amerikanischen Beziehungen zu Japan und zur Volksrepublik China verdeutlichen.

In der amerikanischen Asien-Politik nimmt das Verhältnis zur Wirtschaftsweltmacht Japan eine Schlüsselstellung ein, dessen war sich auch die Bush-Administration durchaus bewußt. Allerdings dürfte der nach mehrmaligen Verschiebungen im Januar 1992 durchgeführte Besuch von Bush in Japan nicht zur vollen Zufriedenheit des amerikanischen Präsidenten ausgefallen sein. Und dies nicht nur, weil Bush nach den vorausgegangenen Stationen seiner Reise nach Australien, Singapur und Südkorea ausgerechnet in der japanischen Hauptstadt einen Schwächeanfall erlitt. Die Unpäßlichkeit des US-Präsidenten erhielt unversehens eine symbolische Bedeutung für den aus Washingtoner Sicht sehr unbefriedigenden Zustand der amerikanisch-japanischen Handelsbeziehungen, die schon seit etlichen Jahren ein hohes amerikanisches Defizit aufweisen. Bush wollte sich bei seinem Japan-Besuch vor allem für eine weitere Öffnung der japanischen Märkte für amerikanische Waren und Dienstleistungen einsetzen, mußte aber mit eher mageren Ergebnissen zurückkehren. Die bei Bushs Japan-Besuch (am 9. Januar 1992) verkündete Tokio-Deklaration über eine amerikanisch-japanische „globale Partnerschaft“ verriet einschließlich der darin enthaltenen Aktionspläne eigentlich nur das eine, nämlich daß sich die USA bei der erforderlichen Neukonzeption ihrer Asien-Politik, vor allem im Verhältnis zu ihrem machtvollen wirtschaftlichen Spitzenkonkurrenten, noch ganz am Anfang befinden

Dies zeigte sich im Grunde auch in der amerikanischen Haltung zur Volksrepublik China. Der brutalen Unterdrückung der Studenten-Proteste im Juni 1989 auf dem Tienanmen-Platz in Peking begegnete die Regierung Bush nur mit vergleichsweise mildem Tadel. Jedenfalls wollte sie die noch unter den alten weltpolitischen Rahmenbedingungen Anfang der siebziger Jahre (unter Nixon/Kissinger) angebahnten Beziehungen zu der kommunistischen Großmacht nicht abreißen lassen. Gegen die starken Bedenken des Kongresses gewährte sie schon bald nach den blutigen Ereignissen der Volksrepublik wiederum die uneingeschränkte Meistbegünstigung. US-Außenminister Baker räumte nach seinem Besuch in China im November 1991 ein, daß es zwischen Washington und Peking trotz einiger Zugeständnisse von seiten der chinesischen Führung noch große Differenzen im Bereich der Menschenrechtsfragen gäbe; größere Fortschritte konnte er dagegen auf dem Felde der Nichtverbreitungspolitik für Atomwaffen (Beitritt Chinas zum Atomwaffensperrvertrag) und für militärisch nutzbare Raketentechnologie vermelden Mit der wahlkampfbedingten Entscheidung Bushs im September 1992, den Verkauf von 150 in den USA produzierten F-16-Kampfflugzeugen an Taiwan zu genehmigen, kündigte sich allerdings wieder eine Verschlechterung der Beziehungen zum kommunistischen China an Eine konsistente Politik der USA für die asiatisch-pazifische Region war in den vergangenen Jahren noch nicht zu erkennen.

3. Afrika: sporadische Aufmerksamkeit für einen geschlagenen Kontinent

In ihrer Afrika-Politik entfaltete die Regierung Bush keine größeren Initiativen. Freilich bemühte sie sich darum, daß die in einigen afrikanischen Ländern bestehenden und teilweise vom Ost-West-Gegensatz zusätzlich angeheizten Konflikte abgebaut oder, wie beispielsweise der im Mai 1991 beendete langjährige Bürgerkrieg in Angola, beigelegt werden konnten. Darüber hinaus suchte Washington auf die weiße Minderheitenregierung in Südafrika einzuwirken, das dortige Apartheids-Regime endlich abzuschaffen und der schwarzen Bevölkerungsmehrheit die ihr lange vorenthaltenen Menschen-und Bürgerrechte zuzugestehen. Ansonsten zeigten sich die USA wiederholt bereit, in akuten Notlagen bedrohte afrikanische Völker mit humanitären Hilfsaktionen wie zuletzt in Somalia zu unterstützen.

V. Die Regierung Bush und die „Neue Weltordnung“

Präsident Bush versuchte, die beiden Schwerpunktbereiche seiner Außenpolitik, die Abwicklung der Endphase des alten Ost-West-Konflikts und das militärische Einschreiten in der Golf-Krise, konzeptionell zu verbinden und daraus Perspektiven für eine außenpolitische Gesamtstrategie für die „post-Cold War world“ abzuleiten. Er folgte damit einer Neigung einiger seiner Amtsvorgänger, die mit der Formulierung und Propagierung der nach ihnen benannten außenpolitischen „Doktrinen“ der amerikanischen Weltpolitik Richtung und Ziel weisen wollten.

Ausgangspunkt in Bushs Überlegungen war die Erfahrung, daß auch nach dem Ende des Kalten Krieges im internationalen System keineswegs von selbst der Frieden eingekehrt war. Vielmehr habe gerade die Besetzung Kuwaits durch den Irak im Sommer 1990 die ständige Gefährdung des Welt-friedens und der internationalen Sicherheit gezeigt. Nach der Überwindung des Ost-West-Konflikts sei es nun aber besser als in der Vergangenheit möglich, bei einer entschlossenen Zusammenarbeit der Staatengemeinschaft Aggressoren entgegenzutreten und in Zukunft eine „Neue Weltordnung“ zu etablieren.

Bush malte in mehreren Reden die Grundzüge und Konzeptionselemente der von ihm verkündeten „Neuen Weltordnung“ aus Danach sollte dem Völkerrecht und der Rechtsstaatlichkeit mehr Geltung verschafft, die Rolle der Vereinten Nationen gestärkt und den Aggressionen potentieller Friedensbrecher mit dem entschiedenen kollektiven Einsatz zureichender Machtmittel begegnet werden. Im übrigen enthielt das von Bush vertretene Weltordnungskonzept auch die Verheißungen der Demokratieideale, für die eine universelle Gültigkeit beansprucht wurde. Hinsichtlich der Verteilung der Führungsfunktionen innerhalb der neuen Systemordnung schien Bush einerseits eine stärkere Beteiligung der langjährigen Verbündeten der USA ins Auge gefaßt zu haben, als er beispielsweise Deutschland und auch Japan ausdrücklich eine Teilhabe an der weltpolitischen Führung anbot („Partner in der Führung“ bzw. „globale Partnerschaft“). Andererseits ließ er jedoch in seinen Verlautbarungen über die „Neue Weltordnung“ keine Zweifel daran aufkommen, daß den USA als der einzig übriggebliebenen Supermacht die eigentliche Führungsrolle und Ausnahmestellung zukommen müsse.

Nüchtern betrachtet, blieben die von Präsident Bush vorgetragenen Vorstellungen über die Errichtung einer „Neuen Weltordnung“ sehr vage und schemenhaft Enthielt der skizzierte weltpolitische Entwurf an sich schon einige grundsätzliche Widersprüche und Ungereimtheiten, so lag ein bedeutendes Manko darin, daß die gewandelten Relationen der amerikanischen Gesellschaft zu ihrer internationalen Umwelt zu wenig berücksichtigt wurden. Hinzu kam, daß das Konzept der schon seit vielen Jahren zu beobachtenden Relativierung der Stellung der USA in der Weltwirtschaft -und damit einer der entscheidenden Voraussetzungen der amerikanischen Außenpolitik -kaum Rechnung trug.

Dabei hatten die USA gerade auch während der Präsidentschaft Bushs die zunehmend enger gewordenen Grenzen ihrer außenwirtschaftlichen Handlungsfähigkeit erfahren. Als sich zum Beispiel die Washingtoner Regierung nach dem gescheiterten Putsch in Moskau endlich zu einer aktiveren Unterstützung der sich auflösenden Sowjetunion und ihrer Nachfolgestaaten entschlossen hatte, verhinderten die leeren Kassen des Schatzamtes und ein auf die vorrangige Behebung der inneramerikanischen Wirtschaftsmisere fixierter Kongreß eine größere materielle Stützung der im ehemaligen Ostblock mühsam in Gang gekommenen Reformprozesse. Auch bei der Vertreibung der irakischen Invasoren aus Kuwait waren die USA auf die finanziellen Beiträge ihrer Verbündeten zur Kriegskasse dringend angewiesen. Bei seinem Japan-Besuch mußte Bush sich schon fast wie ein Bittsteller um erleichterte Marktzugänge für die ins Hintertreffen geratene US-Exportwirtschaft mit dem Ziel bemühen, die entstandenen Ungleichgewichte abzubauen. Schließlich belegen auch die seit 1975 alljährlich veranstalteten Weltwirtschaftsgipfel, daß die USA bei der dabei ver-suchten Steuerung der Weltwirtschaft von der Kooperationsbereitschaft der sechs anderen führenden Industriestaaten mit Einschluß der Europäischen Gemeinschaft in wachsendem Maße abhängig geworden sind. Im übrigen zeigte auch die bremsende Haltung der Regierung Bush auf dem Umweltgipfel in Rio de Janeiro im Juni 1992, daß die USA längst nicht mehr auf allen existentiell wichtigen Problemfeldem an der Spitze des Fortschritts marschieren

Gewiß versuchte die Regierung Bush in den vergangenen vier Jahren, die unter erheblichem ausländischen Konkurrenzdruck stehende Außenwirtschaft der USA zu stärken, um die seit Jahren auftretenden Minuszeichen in den Bilanzen zum Positiven zu wenden. Die Crux dabei war, daß die Wirtschaftsbeziehungen zum Ausland in erheblichem Maße von der amerikanischen Binnenwirtschaft abhängig sind. Auf diesem Felde aber hinterläßt die Bush-Administration bekanntlich die größten Enttäuschungen. Nicht nur, daß der versprochene Abbau des hohen jährlichen Budget-Defizits und der akkumulierten Staatsschulden nicht gelungen ist, auch bei der allgemeinen Entwicklung der US-Binnenwirtschaft lag und liegt vieles im argen, gleichgültig ob es sich um die Spät-folgen der „Reaganomics“ oder um die eigenen Versäumnisse im Bildungswesen, der Gesundheitsfürsorge, der unzureichenden Sozialleistungen in den großen Städten und vor allem um die schlechte Ertrags-und Beschäftigungslage der heimischen Wirtschaft handelt.

Vor diesem prekären Hintergrund bemühte sich die Regierung Bush um so mehr, das verlorengegangene außenwirtschaftliche Terrain mit allen Mitteln zurückzugewinnen. Insgesamt gesehen hatte sie dabei nur bescheidene Erfolge. So wird die geplante Errichtung einer neben Kanada auch Mexiko umfassenden Nordamerikanischen Freihandelszone (NAFTA) die in Übersee erlittenen Verluste nicht kompensieren können. Mit der Europäischen Gemeinschaft, die bis Ende 1992 ihren großen Binnenmarkt vollendet haben will, und mit Japan liegen die USA schon seit Jahren im Streit über die Einhaltung der Wettbewerbsregeln für den internationalen Waren-und Dienstlei-stungsverkehr. Trotz erheblicher Anstrengungen war es bis zum Herbst 1992 nicht gelungen, die seit 1986 laufende Uruguay-Runde des GATT über eine weitere Liberalisierung des Welthandels abzuschließen Die von Bush während des Präsidentschaftswahlkampfes den amerikanischen Farmern gegebenen Subventions-Versprechungen dürften sich für einen baldigen Abschluß dieser zähen Verhandlungen als eine zusätzliche Belastung erweisen. Versucht man abschließend, aus dem vorstehenden Überblick über die Außenpolitik der Regierung Bush in den Jahren 1989-1992 ein erstes Fazit zu ziehen, so ist folgendes hervorzuheben: Präsident Bush und seiner Regierung ist es gelungen, in einer dramatischen weltpolitischen Umbruchsphase die Weltführungsrolle der USA umsichtig und sicher zu behaupten. Die Regierung Bush trug viel dazu bei, daß die Auflösung des Sowjetimperiums sowie der stürmische Abbruch der Mauern und Institutionen des Kalten Krieges bisher in halbwegs kontrollierbaren Bahnen verlief. Sie handelte zielstrebig, als sich die Chance der Wiedervereinigung Deutschlands bot, und setzte sich gemeinsam mit ihrem deutschen Verbündeten entschieden dafür ein, daß das vereinte Deutschland in der gewachsenen Staatengemeinschaft des Westens verankert blieb. In den außereuropäischen Krisenregionen betrieb sie -überwiegend mit militärischen Mitteln -Krisenmanagement, dessen Ergebnisse sich allerdings in Zukunft erst noch zu bewähren haben. Unter der Präsidentschaft Bushs praktizierten die USA einen außenpolitischen Führungsstil, der eine größere Konsultations-und Kooperationsbereitschaft im Verhältnis zu den alten und neuen Partnern erkennen ließ. Für den Entwurf einer neuen außenpolitischen Gesamtstrategie zur Bewältigung der Probleme der soge-nannten „post-Cold War world“ fehlten der Regierung Bush die Zeit, die Energie und auch die Ideen. Der welterfahrene 41. Präsident der USA stand an einer Epochenwende der amerikanischen Außenpolitik: Er förderte die friedliche Beendigung des alten Ost-West-Konflikts, er war jedoch nicht zugleich Begründer einer „Neuen Weltordnung“.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Text der Abschlußrede Bushs vor dem Parteikonvent der Republikaner, in: U. S. Policy Information and Texts (künftig: USPIT), Nr. 105, 24. 8. 1992, S. 4.

  2. Im August 1992 bat Präsident Bush seinen langjährigen Vertrauten Baker, den Posten des Stabschefs im Weißen Haus zu übernehmen und gleichzeitig als sein oberster Wahlkampforganisator zu fungieren; Bakers Stellvertreter Eagleburger wurde die Leitung des State Department übertragen.

  3. Vgl. USPIT, Nr. 14, 23. 1. 1989, S. 2.

  4. Ebd., Nr. 63/A, 17. 5. 1989, S. 1-5; deutsche Übersetzung der Ansprache des Präsidenten vom 12. 5. 1989 über die Beziehungen der USA zur Sowjetunion, in: Europa-Archiv, 44(1989) 12, S. D 331-D 334.

  5. Vgl. Europa-Archiv, 44 (1989) 12, S. D 337ff.

  6. Vgl. Text der Rede Bushs am 31. 5. 1989 in Mainz, ebd., S. D 356-D 361.

  7. Vgl. Europa-Archiv, 45 (1990) 2, S. D 39ff.

  8. Vgl. ebd., 45 (1990) 18, S. D 461 ff.

  9. Vgl. ebd., 45 (1990) 17, S. D 456-D 460.

  10. Vgl. ebd., 45 (1990) 24, S. D 607ff.

  11. Vgl. ebd., 46 (1991) 17, S. D 432ff.

  12. Vgl. USPIT, Nr. 112, 21. 8. 1991, bes. S. 3-10; Süddeutsche Zeitung und Frankfurter Allgemeine Zeitung jeweils vom 20. 8. 1991.

  13. Vgl. USPIT, Nr. 015, 1. 2. 1992, S. 35-42; Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 3. 2. 1992, S. 1 und 2; USPIT, Nr. 074, 17. 6. 1992; Nr. 75, 19. 6. 1992; Nr. 076, 22. 6. 1992; Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 17. 6. 1992, S. 1 und 2 sowie vom 16. 6. 1992, S. 15.

  14. Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 24. 1. 1992, S. 1 und 2, sowie vom 25. 1. 1992, S. 3.

  15. So stellten die USA der Sowjetunion und ihren Nachfolgestaaten von September 1990 bis Januar 1992 Finanzhilfen von (umgerechnet) insgesamt 8, 3 Mrd. DM zur Verfügung, wohingegen die Bundesrepublik Deutschland im gleichen Zeitraum Hilfen im Umfang von rund 73 Mrd. DM bereitstellte (Hamburger Abendblatt vom 13. 4. 1992).

  16. Vgl. Michael H. Haltzel, Amerikanische Einstellungen zur deutschen Wiedervereinigung, in: Europa-Archiv, 45 (1990) 4, S. 127-132; Text der Rede Bakers vom 12. 12. 1989, ebd., S. D 77-D 84.

  17. Vgl. USPIT, Nr. 30, 26. 2. 1990, S. 3-16; Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 26. und 27. 2. 1990.

  18. Vgl. Treaty on the Final Settlement with Respect to Germany and a Related Agreed Minute, Message front the President of the United States Transmitting The Treaty on the Final Settlement..., September 26, 1990, Senate, 101st Gong., 2d Sess., S. 3.

  19. Vgl. Steven Muller/Gebhard Schweigier (Hrsg.), Front Occupation to Cooperation. The United States and United Germany in a Changing World, New York-London 1992; Dieter Mahncke (Hrsg.), Amerikaner in Deutschland. Grundlagen und Bedingungen der transatlantischen Sicherheit. Mit einem Vorwort von Gerhard Stoltenberg, Bonn-Berlin 1991.

  20. Vgl. Gebhard Schweigier, Die USA und die neuen sicherheitspolitischen Herausforderungen in Europa, in: Manfred Knapp (Hrsg.), Transatlantische Beziehungen. Die USA und Europa zwischen gemeinsamen Interessen und Konflikt, Stuttgart 1990, S. 151-198. Zum globalen Gesamt-kontext der nationalen Sicherheitspolitik der USA siehe: National Security Strategy of the United States, The White House, August 1991.

  21. Einzelheiten hierzu in: Europa-Archiv, 47 (1992) 2, S. D 29ff., und ebd., 47 (1992) 14, S. D 457ff..

  22. Vgl. Erklärung über die konstituierende Tagung des Nordatlantischen Kooperationsrats, in: Europa-Archiv, 47 (1992) 2, S. D 87f.; ebd., 47 (1992) 14, S. D 457ff..

  23. Vgl. Karl-Heinz Kamp, Ein Spaltpilz für das Atlantische Bündnis? Das deutsch-französische „Eurokorps“, in: Europa-Archiv, 47 (1992) 15-16, S. 445-452.

  24. Vgl. Lothar Rühl, Der Krieg am Golf. Militärischer Verlauf und politisch-strategische Probleme, in: Europa-Archiv, 46 (1991) 8, S. 237-246; Gert Krell/Bemd W. Kubbig (Hrsg.), Krieg und Frieden am Golf. Ursachen und Perspektiven, Frankfurt/M. 1991.

  25. Vgl. Text der Rede Bushs vor dem US-Kongreß am 6. 3. 1991, in: Europa-Archiv, 46 (1991) 9, S. D 218-D 220.

  26. Vgl. USPIT, Nr. 100, 12. 8. 1992, S. 21-29.

  27. Vgl. ebd., Nr. 2, 5. 1. 1990, S. 13f.

  28. Vgl. Emst-Otto Czempiel, Die USA und Asien, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 27/92, S. 3-11.

  29. Siehe die Dokumentation der Reise von Präsident Bush nach Japan, in: USPIT, Nr. 004, 10. 1. 1992, S. 3-10, 13-22, und Nr. 005, 13. 1. 1992, S. 3-10, 15-33.

  30. Foreign Policy OverView, Hearing before the Committee on Foreign Relations, United States Senate, 102d Cong., 2d Sess., February 5, 1992, S. 42-44.

  31. Vgl. USPIT, Nr. 110, 4. 9. 1992, S. 19-22. In der offiziellen Begründung für das Rüstungsgeschäft gibt es Hinweise darauf, daß dabei auch stabilitätspolitische Gesichtspunkte im Hinblick auf die Kräftekonstellation in Ostasien eine Rolle gespielt haben könnten. Vgl. hierzu auch Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 12. 9. 1992, S. 12.

  32. Siehe insbesondere seine Rede am 1. 10. 1990 vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen, in: USPIT, Nr. 135, 2. 10. 1990, S. 19ff.; seine Botschaft zur Lage der Nation am 29. 1. 1991, in: Europa-Archiv, 46 (1991) 5, S. D 119ff.; seine Reden am 6. 3. 1991 nach der Beendigung des Golf-Kriegs, in: ebd., 46 (1991) 9, S. D 218ff., und am 13. 4. 1991 auf dem Luftwaffenstützpunkt Maxwell (Alabama), in: ebd., 46 (1991) 10, S. D 254ff., sowie am 23. 9. 1991 vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen, in: ebd., 47 (1992) 9, S. D 333ff.

  33. Vgl. Knud Krakau, Außenbeziehungen der USA, 1945-1991, in: Willi Paul Adams/Emst-Otto Czempiel u. a. (Hrsg.), Länderbericht USA, Bd. I, Geographie, Geschichte, Politische Kultur, Politisches System, Wirtschaft, Bonn 19922, S. 216-248, hier S. 247 (Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung, Bd. 293/1).

  34. William K. Reilly, seit 1989 Leiter der US-Umweltbehörde, räumte rückblickend in einem Zeitungsinterview ein, daß die Regierung Bush dem Umweltgipfel nicht die Priorität gegeben hatte, die er verdient hätte (Süddeutsche Zeitung vom 28. 8. 1992, 8. 22).

  35. Einzelheiten hierzu bei Andreas Falke, Die Einstellung und Strategie der USA in der Uruguay-Runde, in: Benno Engels (Hrsg.), Weiterentwicklung des GATT durch die Uruguay-Runde? Zielsetzungen und Probleme der Verhandlung zu den „neuen“ Themen sowie zum Agrar-und Textil-bereich, Hamburg 1992, S. 63-78.

Weitere Inhalte

Manfred Knapp, Dr. phil., geb. 1939; seit 1983 Professor für Politikwissenschaft, insbesondere Internationale Beziehungen, an der Universität der Bundeswehr in Hamburg. Veröffentlichungen u. a.: (Hrsg.) Transatlantische Beziehungen. Die USA und Europa zwischen gemeinsamen Interessen und Konflikt, Stuttgart 1990; (Hrsg. zus. mit Gert Krell) Einführung in die Internationale Politik, München -Wien 19912; (Hrsg.) Konzepte europäischer Friedensordnungen, Stuttgart 1992.