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Aufstieg und Niedergang des deutschen Kommunismus | APuZ 40/1991 | bpb.de

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APuZ 40/1991 Artikel 1 1914 bis 1990 -Einheit der Epoche Nationalismus, Nationalstaat und nationale Frage in Deutschland seit 1945 Aufstieg und Niedergang des deutschen Kommunismus

Aufstieg und Niedergang des deutschen Kommunismus

Hermann Weber

/ 39 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Der deutsche Kommunismus bezog in der Weimarer Republik seine Stärke nicht zuletzt aus den Schwächen der ersten deutschen Demokratie, vor allem auf sozialem Feld. Die über die Revolution und dann über die Republik enttäuschten Arbeiter bildeten die Basis des deutschen Kommunismus. Krisen. Arbeitslosigkeit und Hunger führten ihm immer wieder hoffnungslose Massen zu. Ihre Ausgrenzung aus der Gesellschaft förderte den Radikalismus, die Gewaltbereitschaft und die Intoleranz bei den Kommunisten. Die blutige Unterdrückung im NS-Unrechtssystem hat diese Tendenzen noch verstärkt. Nach 1945 erfolgte ein neuer Aufschwung: den Kommunisten und dann der SED wurde nicht nur soziale Kompetenz zugestanden, ihr Antifaschismus und das Bekenntnis zur Demokratie brachten zunächst Massenzulauf. Doch schon bald entstand aus der raschen Stalinisierung von SED und DDR ein Dissens zwischen Hegemonialpartei und der Mehrheit der Bevölkerung. Das Machtmonopol und die skrupellose Art der Machtausübung des deutschen Kommunismus in der DDR (die abschreckten und so zugleich den Kommunismus in der Bundesrepublik zur Sekte degradierten), waren verantwortlich für den Niedergang. Da die SED weder Demokratie noch Freiheiten zuließ, fehlten dort der Gesellschaft die notwendigen Innovationen, der Untergang war vorprogrammiert. Die Herrschaft des deutschen Kommunismus, von der Sowjetunion im Kalten Krieg geborgt, ging in der DDR mit dem Kalten Krieg zu Ende.

Der Zusammenbruch der DDR brachte auch das Ende des bisherigen Kommunismus in Deutschland. Zwar beruft sich die PDS weiterhin auf einige herkömmliche Vorstellungen der KPD, betrachtet diese gegenwärtig aber nicht als ihre einzige Traditionslinie. Bei aller Vieldeutigkeit stellt sie grundlegende Strukturdefinitionen des Kommunismus in Frage. So heißt es in den „Thesen zur Programmatik der PDS“: „Sie gesteht niemandem, auch sich selbst nicht, ein Monopol auf Wahrheit zu. Deshalb lehnt sie auch die Theorie und die Praxis der . Partei neuen Typs'ab... Die Partei braucht Basisdemokratie und Vertreterdemokratie.“

Auch wenn innerhalb der PDS eine „kommunistische Plattform" wirkt, in der alten Bundesrepublik die DKP als Sekte weitervegetiert (oder wenn kleine Gruppen oppositioneller Kommunisten wie Trotzkisten oder Rechtskommunisten ihre Tradition fortsetzen), so ist doch der „klassische“ deutsche Kommunismus, der seit den zwanziger Jahren in seiner stalinistischen Ausformung in den Organisationen KPD, später SED, SEW sowie DKP existierte, keine politisch relevante Größe mehr; seine Geschichte ist beendet

Im Rückblick auf die siebzigjährige Historie des deutschen Kommunismus und seine wechselvollen Phasen sollen einige äußere und innere Faktoren -welche Umstände einst seinen Aufstieg begünstigten und welche Strategien und Strukturen letztlich den Niedergang verursachten -systematisiert wer-Überarbeitetes und erweitertes Eröffnungsreferat auf der 24. DDR-Forschertagung am 21. Mai 1991 in Bonn-Röttgen. den, um so generalisierend jene Kategorien zu benennen, die sich in der Geschichte des deutschen Kommunismus als maßgeblich erwiesen. Deshalb soll im ersten Teil kursorisch eine historische Rückschau vor allem auf die Herausbildung der KPD in der Weimarer Republik erfolgen und im zweiten Teil dann eine systematische Betrachtung versucht werden.

Ausgangspunkt ist die These, daß der deutsche Kommunismus -seine Strukturen, Mechanismen und sein Führungskorps -bereits in der ersten Republik geprägt wurde; diese Phase ist daher genauer zu skizzieren. Allerdings sind „Aufstieg und Niedergang" nicht chronologisch zu verstehen, vielmehr ist eine Ungleichzeitigkeit typisch. Die Gründe des Niedergangs sind schon im Aufstieg sichtbar. So wuchs die Mitgliederzahl der KPD von 1919 bis 1932 von 100000 auf 300000 und die Zahl ihrer Wähler von 580000 (1920) auf 6 Millionen. Doch parallel zu diesem quantitativen Aufstieg vollzog sich ein spürbarer qualitativer Niedergang der intellektuellen und programmatischen Bedeutung der Partei -von Rosa Luxemburg zu Ernst Thälmann degenerierte sie politisch. Der Triumph des Mittelmaßes fand seine Fortsetzung dann in der SED. Und auch dort gab es zur gleichen Zeit 1945 bis 1947 nebeneinander stalinistische politische Strukturen, die Zwangsvereinigung der SPD mit der KPD, aber gleichzeitig eine Aufbruchstimmung der Antifaschisten (aus dem KZ oder Exil zurückgekehrt) für ein „besseres Deutschland" sowie eine liberale Kulturpolitik. Diese Ungleichzeitigkeiten signalisierten in erster Linie die verschiedensten Einflüsse von außen auf die kommunistische Bewegung und erst in zweiter Linie kommunistische Taktik selbst.

Zunächst ist daher festzuhalten: Der deutsche Kommunismus war während der 70 Jahre seiner Existenz von zwei Faktoren determiniert; erstens von den Vorgaben des Weltkommunismus, insbesondere der Sowjetunion, zweitens von der Politik und Realität in Deutschland mit ihren unterschiedlichen Perioden wie Weimarer Republik, NS-Regime und den beiden Teil-Staaten ab 1949.

I. Die KPD in der Weimarer Republik

Im Parteiensystem der Weimarer Republik war die KPD nicht konsensfähig: Auf dem äußersten linken Flügel stehend, forderte sie ein „Rätedeutschland“ und die „Diktatur des Proletariats“; sie verwarf den Parlamentarismus und kämpfte gegen sämtliche anderen Parteien. Der Grundwiderspruch der KPD ergab sich indes daraus, daß sie sich einerseits völlig der Kommunistischen Internationale (Komintern) unterzuordnen hatte (als deren Sektion war sie nach den Statuten keine selbständige Partei) und sie damit zunehmend die Vorherrschaft der KPdSU Stalins akzeptierte. Andererseits aber stand die KPD in der Tradition der deutschen Arbeiterbewegung und sie repräsentierte radikale Teile der Arbeiterschaft in Deutschland

In der revolutionären Phase der Weimarer Republik bis 1923 wurde die um die Jahreswende 1918/19 gegründete KPD von einer kleinen Gruppierung zur Massenpartei, der die Machterringung durch einen „revolutionären Aufstand“ aber mißlang. In ihrer Zusammensetzung war die neue Partei heterogen: Einige hervorragende Marxisten standen zwar an der Spitze, doch viele Funktionäre orientierten sich rasch am Leninismus. Der Zulauf anarchistischer und abstrakt-radikaler Kreise führte außerdem zu putschistischen Tendenzen in ihren Reihen. Die KPD mußte ihren Standort zwischen Sozialdemokratie und Syndikalismus erst finden, wobei aber ultralinke Vorstellungen bis 1933 weiterwirkten.

Kurz nach dem Gründungsparteitag wurden Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht und Leo Jogiches ermordet, die deutschen Kommunisten damit ihrer bedeutendsten Köpfe beraubt. Es kam in der Folgezeit zu erbitterten Differenzen zwischen der Führung unter Paul Levi und den ultralinken Kreisen in der Partei.

Zur Massenpartei wurde die KPD dann Ende 1920. Die Radikalisierung der deutschen Arbeiter, die von den Ergebnissen der Revolution ebenso enttäuscht waren wie über die schlimme materielle Lage erbittert, hatte die USPD gestärkt, deren linker Flügel sich dem Kommunismus näherte. Im Oktober 1920 spaltete sich die USPD, schon im Dezember schloß sich deren linker Flügel mit über 350000 Mitgliedern, einem funktionierenden Parteiapparat und zahlreichen Tageszeitungen mit der 80000 Mitglieder zählenden schwachen Parteiorganisation der KPD zusammen. Die Vereinigte Kommunistische Partei bekannte sich zur Kommunistischen Internationale, sie erstrebte die Diktatur des Proletariats sowie ein Rätesystem in Deutschland und begann, ihre Organisation nach den Prinzipien des „demokratischen Zentralismus“ aufzubauen.

Als Sektion der Komintern unterstand die KPD nicht nur der Führung dieser Weltorganisation, sondern wurde damit auch vom sowjetischen Staat unter Stalin abhängig. Zwar hatte sich bei der Gründung der Komintern 1919 gerade der Delegierte der KPD, Hugo Eberlein (im Auftrag der inzwischen ermordeten Rosa Luxemburg), als einziger gegen die Schaffung der neuen Internationale gewandt, doch war die KPD der Komintern sofort beigetreten. Da der Zustrom zur KPD nach 1920 nicht zuletzt wegen der Sympathie vieler linker Arbeiter zur russischen Revolution, zu Sowjetrußland und zur Internationale erfolgte, spielte das Verhältnis der KPD zur Sowjetunion und zur Komintern in den folgenden Jahren eine zentrale Rolle. Bereits 1921 verursachte die sogenannte Märzaktion (ein von der Komintern mitinszenierter Aufstand in Mitteldeutschland) eine tiefe Krise der KPD, die die Problematik der Abhängigkeit der deutschen Kommunisten von der Komintern und Sowjetrußland erkennen ließ

Im Herbst 1923 bereitete sich die KPD auf einen revolutionären Umsturz vor, wobei sie sich am Schema der russischen Oktoberrevolution orientierte. Das Exekutivkomitee der Komintern, das EKKI in Moskau, legte einen Aktionsplan fest; dementsprechend organisierte der Militärapparat der KPD den bewaffneten Aufstand. In Sachsen und Thüringen traten im Oktober 1923 Kommunisten in die Regierungen ein. Nach Absetzung des sächsischen Kabinetts durch die Reichsregierung schien der KPD unter Brandler jedoch der Aufstand nicht mehr durchführbar. Nur in Hamburg kam es zu bewaffneten Auseinandersetzungen; der isolierte Aufstand wurde dort aber rasch niedergeschlagen. Damit war die letzte größere militärische Aktion der KPD in Deutschland zusammengebrochen. Der Partei war es nicht gelungen, durch einen Umsturz an die Macht zu kommen. Die KPD wurde bis zum 1. März 1924 verboten. Schon seit der Anfangsphase der Weimarer Republik wurde die KPD also zunehmend von der Komintern dirigiert und von der Sowjetunion abhängig-Zugleich steigerte sich ihre Gewalttätigkeit und ihr Radikalismus, allerdings nicht zuletzt deshalb, weil die junge und ungefestigte Republik den Kommunisten auf gleiche Weise entgegentrat.

In der Phase der Stabilisierung der Weimarer Republik 1924 bis 1928 besaß die KPD politisches Gewicht (100000 Mitglieder und 3, 2 Millionen Wähler 1928), doch blieb die Partei vorrangig mit inneren Auseinandersetzungen beschäftigt. In diesen Jahren kam es zur Wandlung des deutschen Kommunismus, geriet die KPD -wie damals alle kommunistischen Parteien -in die Mühlen der Stalinisierung Stalin war bei den deutschen Kommunisten bis 1923 weitgehend unbekannt. Schon Mitte der zwanziger Jahre beteiligte sich aber auch die KPD am wachsenden Personenkult um Stalin, den sie dann in allen Phasen praktizierte. So wählte der Parteitag 1927 -was vorher nicht üblich gewesen war -ein (natürlich nicht anwesendes) „Ehrenpräsidium“, in das Stalin, aber ebenso Bucharin u. a. kamen. Auch der letzte KPD-Parteitag 1929 nahm (unter „Bravo und langanhaltendem, stürmischem Beifall", wie das Protokoll vermerkte) Stalin in das „Ehrenpräsidium" auf

Nach seinem 50. Geburtstag verbreitete die KPD 1930 eigens eine Broschüre „J. W. Stalin", in der Heinz Neumann (später selbst ein Opfer der Stalinschen Säuberungen) die Kommunisten auf Stalin einschwor: Sie müßten „von Stalin lernen, fest zu sein wie Felsen, hart wie Stahl, kühn und siegesgewiß wie der Bolschewismus"

Doch weitaus schwerwiegender war die parallel mit dem Personenkult einhergehende Stalinisierung des deutschen Kommunismus, die Oktroyierung der von Stalin in der KPdSU und der UdSSR durchgesetzten Strukturen sowie seiner jeweiligen Politik. Die politische Linie der KPD war damals widerspruchsvoll; sie steuerte 1924/25 unter Ruth Fischer, Maslow, Scholem und Thälmann einen ultralinken Kurs, betrieb 1926/27 unter Thälmann und Ernst Meyer eine gemäßigte Realpolitik und schwenkte 1928 unter Thälmann, Remmele und Heinz Neumann erneut um auf ultralinke Positionen. Bei jedem Kurswechsel kam es zu heftigen internen Kämpfen, aus denen stets der Parteiapparat als Gewinner hervorging. Seine Dominanz sowie gezielte Eingriffe der Komintern veränderten die KPD zwischen 1924 und 1929 zu einer stalinistischen Partei.

Dies bedeutete für die KPD den Wandel von einer Partei mit einem hohen Maß an innerer Demokratie in eine disziplinierte Organisation mit strikt zentralisierter Befehlsgewalt. Stalinisierung hieß Veränderung des inneren Aufbaus, Entstehung einer monolithischen, straff durchorganisierten, hierarchischen Partei. In ihr beherrschte die Führungsspitze mit Hilfe des Apparates (vor allem der hauptamtlichen, von der Führung abhängigen Funktionäre) die Mitgliedschaft; die Politik wurde im Sinne und entsprechend den Weisungen der Stalinschen KPdSU praktiziert. Damit änderten sich Charakter und Funktion der KPD. Aus der von Rosa Luxemburg begründeten radikal-marxistischen Partei wurde die stalinistische Apparat-partei, eine Hilfstruppe der UdSSR Stalins.

Das ging allerdings nicht ohne heftige innere Auseinandersetzungen und mehrmalige Auswechslung der Leitungskader ab: Von den 16 Spitzenführern (Politbüro, damals Polbüro genannt) der Zeit 1923/24 befanden sich 1929 nur noch zwei in der Führung (Thälmann und Remmele), nicht weniger als elf waren inzwischen aus der KPD ausgeschlossen worden. Von den 252 Funktionären des Führungskorps von 1924 waren 1929 bereits 105 aus der Partei entweder ausgeschlossen oder ausgetreten, nurmehr 95 übten noch Funktionen aus. Von ihren zu den Reichstagswahlen 1924 nominierten 484 Kandidaten hatte die KPD 1930 nur noch 42 Personen -weniger als zehn Prozent -nochmals aufgestellt. Entsprechend hoch war auch die ständige Fluktuation der Mitgliedschaft

Durch die Stalinisierung entstand in der KPD der Prototyp des Funktionärs, der jederzeit die (oft wechselnde) „Linie" mitmachte, der sich freiwillig unterordnete und als „Parteisoldat" Disziplin übte. Dieser Funktionär war gegenüber dem „Feind" kämpferisch und einsatzbereit, in der Organisation paßte er sich aber an; seine „Parteidisziplin“ bewies mangelnde Zivilcourage -er war typischer Vorläufer der späteren SED-Kader. Die emotionale, geistige und materielle Abhängigkeit der Funktionäre von der Partei und der Komintern begünstigte zugleich die Durchsetzung der Stalini-sierung. So traten in der KPD an die Stelle von Pluralismus, Selbständigkeit, Diskussion und Autonomie Unterordnung, Gläubigkeit, Disziplin und Kommandoherrschaft. Das unkritische Bekenntnis zu Stalin und seinem „Leninismus" beinhaltete, dessen Politik uneingeschränkt als unfehlbar zu akzeptieren.

Auf die UdSSR waren die deutschen Kommunisten immer fixiert. Schon im Dezember 1924 hatte ein KPD-Organ, die „Sozialistische Republik“ in Köln, geschrieben, Kommunisten hätten „nur ein Vaterland und eine Heimat, das ist Sowjetrußland" Thälmann forderte 1929, die KPD benötige eine „feste, militärische“ Disziplin zur „Verteidigung der Sowjetunion“ Mit der Behauptung, die UdSSR sei von einem Krieg bedroht, hat die Parteiführung die KPD stets diszipliniert. In der „geschlossenen Sitzung" des XII. Parteitages 1929 -deren Reden im veröffentlichten Protokoll nicht abgedruckt und daher bislang unbekannt waren -stellte Thälmann die angebliche Kriegsgefahr in direkte Verbindung mit der Bekämpfung der innerparteilichen Opposition: „Wenn es zutrifft, daß die Kriegsgefahr sich mit jedem Tag zuspitzt, wenn wir uns vorbereiten müssen auf den Überfall der imperialistischen Mächte, dann muß es klar sein, daß die Partei gefestigt sein muß gegen alle Feinde." Dabei zog er die Linie zu seiner kurzzeitigen Absetzung im September 1929 (im Zusammenhang mit einer Unterschlagung, der sogenannten Wittorf-Affäre) durch Aktivitäten oppositioneller Gruppen der „Rechten“ und der „Versöhnler“: „Nehmen wir nur den 26. September 1929. War nicht der Klassenfeind in unsere Organisation eingedrungen, hatten wir nicht vorübergehend die Partei dem Gegner ausgeliefert...?“ Zur Durchsetzung der „militärischen Disziplin" diente also „ideologischer Terror“, d. h. jede Kritik an der UdSSR, der KPdSU, vor allem an der Stalin-Führung galt als „Abweichung“, als konterrevolutionär, klassenfeindlich, als Unterstützung der „Kriegstreiber“.

Die stalinistische KPD trug dann von 1929 bis 1933 durch ihre ultralinke Politik und die Spaltung der Arbeiterbewegung ungewollt zum Sieg Hitlers bei. Mit der Weltwirtschaftskrise wuchs der Zulauf zur KPD (1928: 130000 Mitglieder und 3, 2 Millionen Wähler, 1932: etwa 300000 Mitglieder und sechs Millionen Wähler). Gestützt auf verwirrende Faschismus-Theorien (alle Nichtkommunisten -selbst „Abweichler“ unter den Kommunisten zumal aber die Sozialdemokraten wurden als Faschisten denunziert), praktizierte die KPD eine gezielt destruktive Politik. Ungeachtet der heraufziehenden Gefahr des Nationalsozialismus bekämpfte die KPD -den Komintern-Weisungen folgend -die SPD als ihren „Hauptfeind" („Sozialfaschismus“ -These). Sie leugnete den prinzipiellen Unterschied zwischen Weimarer Republik und Hitler-Faschismus und unterschätzte die NSDAP bis zuletzt als eine unter anderen gegnerischen Parteien. Schließlich betrieb die KPD auch eine Spaltung der Gewerkschaften. Die KPD konnte sich trotz dieses Verhaltens in der Weimarer Republik vor allem durch ihr Engagement für die verelendeten unteren Schichten zur drittstärksten deutschen Partei entwickeln. Aber die Anbindung an die Komintern und damit ihre Festlegung auf die Politik Stalins hat 1933 wesentlich zu ihrer Zerschlagung beigetragen.

Die ultralinke Politik der KPD-Führung war zeitweise erfolgreich, weil sich das Heer verzweifelter Arbeitsloser ständig vergrößerte und viele radikalisierte Menschen ihre Hoffnung nurmehr auf diese Partei setzten. Viel schwerwiegender war aber die Tatsache, daß die der Sozialdemokratie gegenüber feindselige Politik der KPD den Riß innerhalb der Arbeiterbewegung vertiefte. Dabei vollzog ihr Politbüro unkritisch jede Weisung Stalins. Typisch dafür war, daß die KPD-Leitung entgegen vorherigen Bedenken auf Anordnung der Komintern und somit Stalins im Juli 1931 einen Volksentscheid -sogar gemeinsam mit Deutschnationalen und Nationalsozialisten -gegen die sozialdemokratisch geführte Regierung Preußens mittrug und 1932 wiederum gemeinsam mit den Nationalsozialisten in Berlin einen größeren Streik der Straßenbahner organisierte. An ihrer verhängnisvollen Generallinie hielt die KPD-Spitze trotz einzelner taktischer Varianten bis 1933 fest

Erleichtert wurde der Partei dies durch die Staatsmacht, die gegen die Kommunisten härter vorging als gegen die für die Republik weit gefährlicheren Nationalsozialisten. Polizeiaktionen gegen die KPD (allein 1932 über tausend) waren damals ebenso an der Tagesordnung wie das häufige Verbot kommunistischer Zeitungen. In den letzten drei Jahren der Republik wurden 170 Kommuni-sten von der Polizei erschossen. Die einseitige Haltung der Justiz war offensichtlich; sie war Klassenjustiz gegenüber den Kommunisten. Solche Umstände haben die Kommunisten weiter radikalisiert. Selbst die unsinnige und verheerende These der KPD-Führung: „Brüning hat eine absolute Diktatur eingerichtet wie sie die Nationalsoziali-sten nicht absoluter schaffen können" wurde nun von den Mitgliedern der Partei kritiklos akzeptiert. So gerieten nicht nur Führung und Funktionäre der KPD, sondern auch Mitglieder und Anhänger in einen immer schärferen Gegensatz zum Staat von Weimar, von dem sich große Teile der Arbeiterschaft entfremdeten.

II. Die KPD im Widerstand

Der Widerstand gegen Hitler forderte von den deutschen Kommunisten die größten Blutopfer, doch ihr Kampf gegen die NS-Gewaltherrschaft zeigte nur geringe Wirkung. Die Hitlerdiktatur hatte die deutschen Kommunisten von allen politischen Gruppierungen am frühesten verfolgt. Tausende ihrer Funktionäre und Mitglieder verloren von 1933 bis 1945 ihr Leben; sie wurden hingerichtet, in Konzentrationslagern ermordet, angeblich „auf der Flucht erschossen“ oder in den Selbstmord getrieben. Nach realistischen Berechnungen wurden bereits 1933/34 60000 Kommunisten inhaftiert; 1935 verhafteten die NS-Staatsorgane 15000 kommunistische Widerstandskämpfer. Insgesamt befanden sich nach Angaben der früheren SED-Geschichtsschreibung von den rund 300000 KPD-Mitgliedern des Jahres 1932 etwa 150000 mehr oder weniger lange in Haft. Bereits in den beiden ersten Jahren des NS-Regimes wurden etwa 2000 deutsche Kommunisten ermordet; bis Kriegsende soll deren Zahl auf 20000 gestiegen sein

Die brutale Unterdrückung der deutschen Kommunisten, ihre Verfolgung nach 1933 hat diese Bewegung auf zweierlei Weise geprägt: Aus ihrer politischen Minderheitenposition in der Weimarer Republik geriet sie in Hitler-Deutschland in die Rolle des erbarmungslos verfolgten Außenseiters. Nicht zuletzt dadurch wurde die nationale Identität der deutschen Kommunisten (anders als etwa bei den französischen Kommunisten) gestört und statt dessen die emotionalen Bindungen an die Sowjetunion verstärkt. Zum anderen entwickelte sich aus dem Haß auf den Faschismus ein militanter Antifaschismus, der eine ideologische Grundlage der KPD bildete. Indes war selbst der Antifaschismus der Parteidisziplin untergeordnet: Der Hitler-Stalin-Pakt 1939 rief bei den deutschen Kommunisten zwar einen Schock hervor, doch die überwiegende Mehrheit der kommunistischen Emigranten paßte sich auch dieser Politik an. Die bitteren Erfahrungen mit der NS-Gewaltherrschaft haben der kommunistischen Politik dann vor allem nach 1945 ihren Stempel aufgedrückt.

Aber selbst diejenigen deutschen Kommunisten, die vor Hitler in die Sowjetunion flüchten konnten, wurden verfolgt; sie gerieten in die blutigen Säuberungen Stalins. Von den führenden politischen Emigranten kamen dort über 60 Prozent ums Leben. Nicht wenige wurden nach dem Hitler-Stalin-Pakt den Nazis ausgeliefert. Es war die besondere Tragik dieser Kommunisten, daß sie von „eigenen“ Leuten, von sowjetischen Sicherheitsorganen, verhaftet, gefoltert und oft auch ermordet wurden. Von der obersten Spitzenführung der KPD, dem Politbüro, fielen sogar mehr Personen den Stalinschen Säuberungen zum Opfer als dem Hitler-Terror

Diese stalinistischen Verfolgungen -und ebenso die später innerhalb der SED -vollzogen sich nach dem Schema, das sich bereits in der Weimarer Republik während der innerparteilichen Auseinandersetzungen -dem Kampf gegen „Abweichler" -abgezeichnet hatte.

III. Die SED als Hegemonialpartei

Im Jahre 1945 konnte die KPD als erste Partei wieder an die Öffentlichkeit treten und trotz großer personeller Verluste die Organisation rasch aufbauen. Nun erhielt sie die Möglichkeit, mit anderen Parteien zu kooperieren -nicht nur, weil sich Kommunisten im Widerstand als Antifaschisten ausgewiesen hatten, sondern auch, weil die KPD offiziell ihre Programmatik änderte und sich 1945 für die Errichtung einer parlamentarischen Demokratie einsetzte

Sowohl die Zwangsvereinigung von KPD und SPD zur SED in der SBZ als auch eine erneute Stalinisierung des deutschen Kommunismus mit Beginn des Kalten Krieges führten zu seiner getrennten Entwicklung: In der DDR übte die SED als Hegemonialpartei die Diktatur aus, in der Bundesrepublik war die KPD isoliert und wurde 1956 verboten.

Die SED als herrschende Partei ließ den gleichen Widerspruch erkennen wie einst die alte KPD: Theorie und Praxis befahl letztlich die KPdSU, aber den Alltag der Partei prägten weitgehend die realen Zustände in Deutschland. Hier können die einzelnen Etappen der Entwicklung des deutschen Kommunismus nach 1945 nicht näher behandelt werden Als wesentlich bleibt festzuhalten, daß sich nach einer Periode des Aufstiegs schon bald sein Niedergang abzeichnete, der lediglich von der Machtfülle der SED im Staat überdeckt wurde. Aufstieg und Niedergang sind auch in den einzelnen Phasen der SED-Geschichte nachzuweisen: 1. Als sozialistische Massenpartei von 1946 bis 1948 erfaßte die Einheitspartei rund zwei Millionen Mitglieder (16 Prozent der erwachsenen Bevölkerung). Die Kommunisten hielten sich vorerst formal an die Zugeständnisse, die sie den Sozialdemokraten bei den Vereinigungsverhandlungen gemacht hatten: keine Festlegung auf den Leninismus, keine Übernahme des sowjetischen Modells, aber Bekenntnis zu einem besonderen deutschen und demokratischen Weg zum Sozialismus. Mit dem Anspruch vom antifaschistischen Neuaufbau stieg die SED zu einer starken Organisation auf.

In der praktischen Politik der SED jedoch setzten sich die Kommunisten mehr und mehr mit ihrer Ideologie und ihren Organisationsprinzipien durch. Als die Sowjetunion nach Ausbruch des Kalten Krieges 1947/1948 in den von ihr beherrschten Ländern offen die Stalinisierung forcierte (kommunistischer Putsch in Prag, Kominformresolution gegen Jugoslawien und den „Titoismus"), war in der SED der Umformungsprozeß zur kommunistischen Kaderpartei unter sowjetischer Vormundschaft schon in vollem Gange. Immerhin hatte bereits die 8. Tagung des Parteivorstandes der SED im Januar 1947, als die Partei offiziell noch nicht auf Lenin und Stalin eingeschworen war, des Todestages Lenins gedacht. Anton Ackermann führte in seiner Gedenkrede u. a. aus: „Der Weg ist für dieses Land (die UdSSR, d. V.) klar, Lenin hat ihn aufgezeigt und Stalin setzt sein Werk fort.“ Ende 1947 warnte Pieck dann vor einer „Überhandnahme politischen Agententums und Versuche, in Parteien einzudringen“ und hat so bereits damals Säuberungen signalisiert. 2. Die Periode der Stalinisierung der SED 1948 bis 1955, in der die SED in eine „Partei neuen Typus" nach dem Vorbild der KPdSU umgewandelt wurde, brachte die Übertragung des sowjetischen Modells auf die DDR. Den Ländern Osteuropas und der SBZ/DDR wurde, zum Teil mit Hilfe blutiger Säuberungen (Rajk-Prozeß in Ungarn, Kostoff-Prozeß in Bulgarien, Slansky-Prozeß in der Tschechoslowakei), das stalinistische System aufgezwungen. Aus der SED wurden 150000 Mitglieder ausgeschlossen und Schauprozesse vorbereitet. Nach dem Slansky-Prozeß in Prag beschloß das Politbüro der SED auf seiner Tagung am 25. November 1952: „Aus den Rundfunkmitteilungen über den Prozeß gegen das imperialistische Verschwörer-zentrum in der Tschechoslowakei geht hervor, daß Paul Merker, Eisler, Schrecker und andere Verbindungen hatten. Das Politbüro beauftragt die Organe der Staatssicherheit, unverzüglich die Untersuchung darüber durchzuführen. " Die „Sozialistische Einheitspartei Deutschlands" ist damals in eine kommunistische Kaderpartei verwandelt worden. In ihr galt der „Sozialdemokratis- mus" als ein politisches Verbrechen und das frühere Bekenntnis zum „besonderen deutschen Weg zum Sozialismus“ wurde nun als antisowjetische Abirrung gebrandmarkt.

Mit der Gründung der DDR im Oktober 1949 erhielt die SED schrittweise die Staatsgewalt von der sowjetischen Besatzungsmacht. Die durch Stalins Tod im März 1953 und den Aufstand vom 17. Juni 1953 ausgelöste Krise verunsicherte die SED-Führung zwar vorübergehend, ließ aber die stalinistischen Strukturen im Kern unversehrt. Ulbricht nutzte die Krise sogar aus, um sich seiner Widersacher (Hermstadt, Zaisser, Ackermann u. a.) zu entledigen und seine Macht zu festigen.

Der Kalte Krieg und die Instabilität des Regimes (die der 17. Juni 1953 gezeigt hatte) brachten aber auch eine stärkere Bindung vieler Funktionäre an das System. Schließlich mußte für sie ein Untergang der DDR nicht nur die erstrebte neue Gesellschaft, sondern auch die schon erreichten eigenen Positionen und Privilegien gefährden. 3. In der Zeit von 1956 bis 1961 bremste die Ulbricht-Führung jede Entstalinisierung. Als Chruschtschow auf dem XX. Parteitag der KPdSU im Februar 1956 mit seiner Geheimrede über Stalins Verbrechen die Entstalinisierung einleitete, traf dies die unvorbereitete SED wie ein Schock. Auch jetzt versuchte Ost-Berlin noch, die Kritik an Stalin auf das Unumgängliche zu beschränken und die Diskussion auf Wirtschaftsprobleme abzulenken. um der Auseinandersetzung über eigene stalinistische Machenschaften auszuweichen. Doch mit der Rückendeckung des „Tauwetters“ in der Sowjetunion, ermutigt durch radikale antistalinistische Ansätze in Polen und in Ungarn, wuchs in der SED die Opposition gegen den Ulbricht-Kurs. Unter Intellektuellen (Harich-Gruppe), aber auch in der Parteiführung (Schirdewan und Wollweber) bildeten sich Gruppierungen, die eine Abkehr vom Stalinismus und die Ablösung Ulbrichts forderten sowie neue Konzeptionen eines „dritten Weges“ diskutierten. Nach der Niederschlagung der Ungarischen Revolution durch sowjetische Panzer im November 1956 gelang es Ulbricht erneut, die Oppositionsströmungen durch Verhaftungen und Maßregelungen ihrer Anführer zu beseitigen und seine eigene Position nochmals zu stabilisieren. 4. Die Spätphase der Herrschaft Ulbrichts von 1961 bis 1971 erwies sich nach dem raschen Ende einer ökonomischen Initiative („Neues Ökonomisches System der Planung und Leitung“) 1963 bereits als ein weiterer Abschnitt des spürbaren Niedergangs in der Geschichte der SED. Nicht einmal das Ziel, das System funktionstüchtig zu machen, wurde erreicht. Die Abriegelung der DDR durch den Mauerbau 1961 -eine Bankrotterklärung des Stalinismus -verhalf der SED zu einer den anderen osteuropäischen kommunistischen Parteien vergleichbaren Lage: Die Grenzen waren jetzt gesperrt, damit die Massenflucht unterbunden, die eingeschlossene Bevölkerung mußte sich arrangieren. Nach der Zerschlagung demokratischer Ansätze im Kommunismus -in der ÖSSR 1968 -erfolgte auch in der DDR eine Stagnation des deutschen Kommunismus und setzte sich sein unaufhaltsamer Niedergang fort. 5. Ideologisch orientierte sich ab 1971 die Honekker-Führung zunächst wieder stärker an der KPdSU. Ulbrichts Sonderthesen wurden revidiert, die Hegemonie der sowjetischen Partei wieder voll akzeptiert. Aufgrund ideologischer Aufweichungserscheinungen forderte Honecker die strikte „Abgrenzung“ von der Bundesrepublik. Es gab keinerlei Einschränkung der „führenden Rolle“ der SED; die Partei konnte ihre Dominanz auf allen Gebieten eher noch erweitern.

Aus den vielfältigen ideologischen und organisatorischen Problemen der SED im „realen Sozialismus“ ergaben sich mehrmals wechselnde Konzeptionen in Gesellschaft, Wirtschaft, Kultur und Politik und daraus resultierten sowohl personelle als auch strukturelle Veränderungen innerhalb der Partei selbst Der DDR fehlte vierzig Jahre lang die breite Unterstützung durch die eigenen Bürger. Die Hegemonie der SED beruhte immer auf den Instrumenten der Macht des Staates, aber vor allem auf der Bestandsgarantie durch die Sowjetunion.

In der alten Bundesrepublik, in der die KPD in den ersten Jahren regional noch beachtlichen Wählereinfluß besaß (1947 in Nordrhein-Westfalen 15 Prozent), ging die Mitgliederzahl und ebenso der Wähleranteil (Bundestagswahl 1949 5, 7 Prozent, 1953 zwei Prozent) der Kommunisten radikal zurück; die Partei war schon vor ihrem Verbot 1956 zu einer Sekte geschrumpft.

IV . Kategorien des Aufstiegs und Niedergangs des deutschen Kommunismus

Als maßgebliche Rahmenbedingungen für Aufstieg und Niedergang des deutschen Kommunismus sind neben Krisen und Stagnation in Deutschland deutlich die Vorgaben der Komintern bzw.der Sowjetunion zu erkennen. Außerdem lassen sich die zentralen Kategorien und Strukturdefekte, die in der Geschichte des deutschen Kommunismus bestimmend waren und seine Stärken wie Schwächen erklären, systematisch nachweisen: 1. Der Radikalismus Der deutsche Kommunismus entstand, als im und nach dem Ersten Weltkrieg radikale Kreise sich von der Sozialdemokratie abspalteten. Radikalismus prägte so schon den Beginn der kommunistischen Bewegung. Das Ziel -die sozialistische Gesellschaft -wollte sie mit revolutionären Mitteln, durch Radikalität erreichen. Daß jedoch solche linksradikalen Tendenzen untauglich für die praktische Politik waren, kritisierte Rosa Luxemburg schon auf dem Gründungsparteitag der KPD am 30. Dezember 1918, als sie bei der Diskussion über die Wahlbeteiligung der Mehrheit der Delegierten zurief: „Ich habe die Überzeugung, Ihr wollt Euch Euren Radikalismus ein bißchen bequem und rasch machen.. ." Daß mit Radikalismus zwar in Krisenzeiten Anhänger zu gewinnen waren, aber damit keine dauerhafte Politik zu gestalten sei, bestätigte Curt Geyer in seiner Analyse schon 1923: „Er ist der Ausfluß der Ungeduld der Massen, die nicht auf allmähliches Wachsen von Organisationen und Wahlstimmen und allmählich sich auswirkende Ergebnisse parlamentarischer Reformarbeit warten wollen, sondern durch Willen und Ungestüm und Gewalt glauben, in der Gegenwart für die Gegenwart alles erreichen zu können." Und Geyer folgerte daraus: „Der Radikalismus ist daher eine äußerst labile Bewegung. Er hängt ab von der momentanen Lage und Stimmung der Massen."

Jeder Umschwung der Massenstimmung wirkte auf die Organisation und Politik der KPD zurück. Die politischen und ökonomischen Krisen der Weimarer Republik sowie deren Unfähigkeit, breite Kreise der Arbeiterschaft in den Staat zu integrieren, förderten die Radikalisierung von Arbeitern und vor allem Arbeitslosen und machten die KPD zur Massenpartei. Indessen hat andererseits deren Radikalismus verhindert, daß die KPD in der von ihr umworbenen Arbeiterschaft und erst recht in der Bevölkerung mehrheitsfähig oder auch nur koalitionsfähig wurde, denn die Mehrheit der Arbeiter lehnte ihn ab und blieb bei der SPD.

In der Politik der KPD führte der generelle Radikalismus zu Schwankungen zwischen ultralinken Positionen und realpolitischen Ansätzen. Obwohl schon 1920 als „Kinderkrankheit" theoretisch verworfen diente der Radikalismus doch als Basis einer ultralinken, abenteuerlichen KPD-Politik, die dann ab 1930 zum Untergang der Partei entscheidend beitrug. Arthur Rosenberg hat hier das Kernproblem der KPD gesehen: „Die KPD betrieb seit 1928 eine lärmende Agitation, die ganz auf die Bedürfnisse utopisch-radikaler Erwerbsloser eingerichtet war. Den Arbeitern im Betrieb, die doch immerhin auch noch existierten, den Angestellten, den Intellektuellen und Mittelschichten bot die Partei nichts. Mit wachsender Arbeitslosigkeit gewann die KPD einen gewissen Anhang unter Erwerbslosen, die vor allem wünschten, daß ihr Elend laut in die Welt hinausgeschrien wurde. Aber das ist keine Grundlage, auf der die Revolution durchgekämpft und ein sozialistisches Gemeinwesen errichtet werden kann."

Neben dem Dilemma, als deutsche Arbeiterpartei sowjetische Interessen vertreten zu wollen und zu müssen, zeigte sich noch ein zweiter Grundwiderspruch: Als Massenpartei konnte die KPD ja nicht nur eine verbalradikale Revolutionsideologie vertreten, sie mußte außerdem praktische Tagespolitik betreiben. Dieser immanente Kontrast bestimmte immer wieder die Situation der KPD. Aber die Partei suchte ihre Identität im Radikalismus; Kompromißlosigkeit galt als politische Tugend, die radikale Haltung des Alles oder Nichts schien allein angemessen. So blieb auch die Abgrenzung von der SPD gewahrt, auf die die deutschen Kommunisten als ihre Konkurrenz und Gegnerin stets fixiert waren. Sie verstand sich als eine revolutionäre Partei, also als eine Bewegung, die „für das Morgen existiert" Opponierende Jugendliche und kämpferische Geister, die nicht resignieren wollten, dachten, in der KPD ihre politische Heimstätte zu finden. Selbstbewußte Arbeiter, die nicht nur für materielle Besserungen eintraten, sondern in erster Linie nach gesellschaftlicher Gleichberechtigung und Anerkennung ihrer Menschenwürde verlangten, wurden von dem klassenkämpferischen Auftreten und den programmatischen Zielen der KPD angezogen. In den dreißiger Jahren sahen auch progressive Intellektuelle, Künstler und Schriftsteller die Kommunisten als einzige Alternative zur Gefahr des Faschismus.

Neben der Nachahmung des sowjetischen Ideals widerspiegelte der Radikalismus der KPD die deutsche Realität. Waren doch -anders als etwa in England -weder demokratische Verhaltensweisen noch Kompromißfähigkeit im Kaiserreich eingeübt oder praktiziert worden, und sie galten dann auch in der Weimarer Republik nicht als positive Eigenschaften.

Noch krasser zeigte sich die politische Labilität des Radikalismus nach 1945. Die KPD lehnte ihn zwar (wie später die SED) offiziell ab, doch er schlug in ihrer Politik immer wieder durch. Daraus ergab sich eine Isolierung der Kommunisten; diese Distanz verstärkte den Gegensatz zwischen ihnen und der Mehrheit der Bevölkerung. Mit der Stalinisierung der KPD und später der SED war dann die Machteroberung und Machterhaltung in den Mittelpunkt gerückt und damit „Radikalismus“ auf die Ausübung staatlicher Gewalt konzentriert worden. 2. Die Gewalt In den Jahren des Ersten Weltkrieges war blutige Gewalt gerechtfertigt und belohnt worden; nach dem Krieg schien sie nun auch als Mittel der Politik selbstverständlich und wurde alltäglich. Die Kommunisten, die sich an der gewaltsamen russischen Revolution und dem russischen Bürgerkrieg orientierten, heroisierten Gewalt als „notwendige“ politische Maßnahme. Im „Spartakus-Programm“ der KPD von 1918 hatte Rosa Luxemburg noch geschrieben, die proletarische Revolution bedürfe keines Terrors, sie sei „kein verzweifelter Versuch einer Minderheit, die Welt mit Gewalt nach ihrem Ideal zu modeln“; zugleich aber sollte „der Gewalt der bürgerlichen Gegenrevolution" die „revolutionäre Gewalt des Proletariats entgegengestellt" werden Und auch 1923 beabsichtigte die KPD, „mit diktatorischer Gewalt alle Widerstände der Gegenrevolution“ niederzuschlagen

Vor allem mit der Stalinisierung des Kommunismus wurde bei dessen Anhängern ein undifferenziertes Freund-Feind-Schema bestimmend. Die Militanz steigerte sich, Organisationen wie der „Rote Frontkämpferbund“ zeigten eine Militarisierung der Bewegung, die auch nach dessen Verbot 1929 weiterging und noch nach 1945 prägend blieb. Auch die Komintern bekannte sich eindeutig zur Gewalt. In ihrem Programm von 1928 wurde die „entschlossene Anwendung der Gewalt des Proletariats", die „gewaltsame Vernichtung der bürgerlichen Macht" als notwendiges Vorgehen proklamiert

Schließlich hatten nicht nur das russische Vorbild, sondern auch die praktischen Revolutionserfahrungen in Deutschland nach 1918, die gewaltsamen politischen Auseinandersetzungen auf der Straße ab 1930, vor allem aber die brutale Unterdrückung der Kommunisten durch den Terror der Nationalsozialisten ihr Verhältnis zur Gewalt geprägt. Als demokratische Formen in der Politik bestimmend wurden, beharrten sie weiter auf inzwischen längst überholten Vorstellungen. Folglich überschätzten die deutschen Kommunisten stets die Rolle der Gewalt; ihre Gewaltbereitschaft zeigte ein gebrochenes Verhältnis zur Demokratie. Nachdem sie über die Macht verfügten, behielten sie diese Ansichten bei. Nun benutzten sie als herrschende Minderheit die Instrumente des Staates zur Verfolgung politischer Gegner, Kritiker, ja selbst nur Andersdenkender. Dies alles kennzeichnete den stalinistischen Kommunismus als ein brutales Gewaltregime. 3. Intoleranz und Verfolgung Die Kommunisten fühlten sich im Besitz einer absoluten „historischen Wahrheit“, sie hatten danach „immer recht" und sie behaupteten nach 1945 sogar, zu den „Siegern der Geschichte“ zu gehören. So entstand vielfach ein durch primitives Freund-Feind-Denken sowie Intoleranz charakterisierter autoritärer Typ des kommunistischen Funktionärs. Zu den Merkmalen kommunistischen Verhaltens gehörte das ständige „wachsame“ Aufspüren von „Feinden" und die sich daraus ergeben-de Verfolgung politischer Gegner, „Abweichler“ und schließlich Andersdenkender, Die geringe Lernfähigkeit führte zur Intoleranz, die oft in Willkür und Repression endete. Das bedeutete schon in der Weimarer Republik Parteiausschluß und Diskriminierung kommunistischer Opponenten, ab 1929 Bekämpfung aller Nichtkommunisten als „Faschisten". Seit der Machtübertragung 1948 zählten dann Unterdrückung, politische Säuberungen und Verfolgungen zum alltäglichen Instrumentarium des SED-Regimes.

Repressalien waren diesem System immanent, sie sind keineswegs etwa als „Betriebsunfälle" zu verharmlosen. Die Ideologie des Stalinismus brauchte immer ein Feindbild. Einschüchterung und Angst dienten zwar zur Abschreckung des „Feindes", waren aber zugleich auch elementare Methoden der Disziplinierung von Anhängern und Funktionären. Damit wuchs den „Säuberungen" eine zentrale Bedeutung zu. Sie betrafen in erster Linie Gegner des Systems. Für die Entwicklung der SBZ/DDR ist hierbei typisch, daß die Verhaftungen bürgerlicher und vor allem sozialdemokratischer Oppositioneller darauf abzielten, das SED-Regime zu konsolidieren. Aber durch die systematische Hetzjagd sowohl gegen aktive als auch potentielle Gegner sowie flächendeckende Bespitzelung wurde darüber hinaus ein Klima der Angst geschürt. Der willkürliche Terror des Staates gegen nichtkonforme Bürger sollte abschrecken und so verhindern, daß sich dort Opposition artikulierte oder gar sammelte.

Zunehmend gerieten selbst Funktionäre der kommunistischen Hegemonialpartei in die Maschinerie der Repressalien. Anfangs solche, die früher irgendeiner „abweichenden" Gruppe angehört hatten, dann schon bald „Abweichler" von der gerade gültigen Parteilinie, und schließlich mußten auch Sündenböcke für Schwächen des Systems herhalten. Die stalinistischen Schauprozesse in Ungarn, Bulgarien und der SSR (sowie in der DDR bereits insgeheim vorbereitete Schauprozesse) waren dabei spektakulärste Indizien dieser innerkommunistischen Verfolgungen. 4. Die Ideologie Das völlig ideologisierte Bewußtsein der deutschen Kommunisten vermittelte Optimismus und gab ihnen Siegesgewißheit („Gesetzmäßigkeit der Geschichte"); es sollte jedoch vor allem ein „richtiges" Verhältnis zur Macht fördern. Ihr Anspruch, im Besitz absoluter Wahrheit zu sein, sorgte bei der „Avantgarde" für elitäre Überheblichkeit und verursachte Realitätsverluste. Ihr „Marxismus-Leninismus" beruhte auf vereinfachten Thesen. Stalins primitive, aber recht einprägsame Aussagen „Über dialektischen und historischen Materialismus" wirkten jahrzehntelang als eine Art Pseudoreligion. Auch die politische Theorie war im wesentlichen von Klischees und Dogmen durchdrungen, hatte sie doch vorrangig ideologischer Rechtfertigung zu dienen.

Schon 1932 stellte ein kritischer Beobachter fest: „Kein Anhänger der KPD vermag den Bannkreis seiner Ideologie zu durchbrechen. Als subjektive Idealisten vermögen die KPD-Leute die Welt und die eigene Existenz immer nur durch die traditionellen, vorgefaßten Meinungen, Dogmen und , Axiome'ihrer Partei zu betrachten... Niemals bildete eine voraussetzungslose marxistische Erkenntnis der Wirklichkeit, immer bildeten dagegen die subjektiven, marxistisch umkleideten Wünsche und Theorien der KPD die Grundlage und den Ausgangspunkt ihres jeweiligen Handelns.“

Die Simplifizierung der kommunistischen Ideen zeigte sich auch im Personellen, im geistigen Niedergang der jeweiligen Führungsgruppen. Von der überragenden marxistischen Theoretikerin Rosa Luxemburg gegründet, befanden sich nach ihrer Ermordung an der Parteispitze zunächst noch theoretisch bedeutsame Köpfe wie Paul Levi, August Thalheimer oder Karl Korsch. Doch im Zuge der Stalinisierung wurde der KPD-Vorsitzende Ernst Thälmann, der Stalin nachplapperte, zum ideologischen „Führer" der Partei hochstilisiert. Später galten Walter Ulbricht, Erich Honecker oder Leute wie Kurt Hager als theoretische „Koryphäen" der SED. Es war indes nicht nur der Verlust herausragender Persönlichkeiten, der den programmatischen Niedergang des deutschen Kommunismus signalisierte, sondern die immer weiter verflachenden ideologischen Thesen, die die theoretischen Konzeptionen verdrängten. Gerade die Ausschaltung der Opposition und damit die Unterdrückung theoretischer Auseinandersetzungen führten zur Durchsetzung des geistigen Mittelmaßes bei Parteileitungen und angepaßten Funktionären.

Weil im deutschen Kommunismus selbständiges Denken und Kreativität verschwanden, stärkte der ideologische Glaube die Arroganz der Macht, die freilich mit weitverbreitetem Untertanengeist gekoppelt war. Es wurde den Funktionären ja nicht nur suggeriert, sie seien „Avantgarde“, „Vorhut“ und „Elite“, sondern durch ständige Schulungen und selektive Faktenvermittlung galt es, diese Überheblichkeit und die streng hierarchisch zugewiesenen Privilegien zu stützen. Andauernde ideologische Indoktrinationen sollten ferner keinen Raum für Zweifel, Skrupel oder Skepsis lassen; so blieb als Ausflucht oft nur Zynismus. Die Ideologie diente stets sowohl der Täuschung wie der Selbsttäuschung. Nach 1945 sollte ein im Rahmen des Meinungs-und Medienmonopols der SED hierarchisch zugeteiltes Herrschaftswissen (d. h. je höher eine Funktion, desto breiterer Zugang zu Informationen wurde gewährt) ermöglichen, sich dem „inneren Kreis“ zugehörig zu fühlen, besser als der „Normalbürger“ informiert zu sein, über ihm zu stehen. Für die deutschen Kommunisten blieb ein Axiom: Ihre Führung, im Besitz der historischen Wahrheit, handle stets nach der „Gesetzmäßigkeit der Geschichte“ und deshalb habe die Partei auch „immer recht“. Aus diesem Grund hatte die DDR auch der -parteilichen -Geschichtsschreibung immer große Bedeutung beigemessen, denn diese sollte der Führung die fehlende Legitimation liefern 5. Der Fortschrittsglaube Die Kommunisten waren insofern vom „Marxismus-Leninismus" geformt, als sie sich der Durchsetzung des Fortschritts verpflichtet fühlten, sich als linke, progressive Bewegung verstanden. Das brachte ihnen neben radikalem sozialen Engagement in der Weimarer Republik und dem Kampf gegen Hitler zahlreiche Anhänger, deren Werte-haltung und Aktivitäten von der Fortschrittsidee getragen wurden. Das erstaunliche Engagement der Kommunisten für ihre Partei, die Begeisterung, mit der sie sich für „ihre Sache“ einsetzten, sowie die Bereitschaft, Opfer auf sich zu nehmen, wurde vom Fortschrittsglauben gespeist. Stets fühlten sich die Kommunisten einer „verschworenen Gemeinschaft" zugehörig. Das rührte aus der Tradition der Geheimbünde, aber vor allem aus der Illegalität der KPD 1919-1923 und insbesondere dem Widerstandskampf und Exil nach 1933. Auch entsprechend der russischen „Tradition" wurde diese Gemeinschaft als etwas Positives gesehen. Damit verband sich zusehends die Meinung, das „Kollektiv" sei dem Individuum gegenüber vorrangig; die „Partei“ wurde als „Heimat" empfunden, freiwillige Unterordnung war somit selbstverständlich.

Der kämpferische Einsatz der KPD für eine „bessere Welt“, ihre Opposition gegen überholte Strukturen der Gesellschaft zeigten sie als eine fortschrittliche Partei. Die Kritik am bestehenden wirtschaftlichen und politischen System war eine „Stärke des deutschen Kommunismus" Doch diese progressive Kraft wurde durch die kommunistische Strategie verspielt. Der Massenanhang, die kraftmeierische Sprache der Parteiführung sowie der Kampfgeist der Funktionäre und Mitglieder ergaben ein schiefes Bild, schufen Täuschung und Selbsttäuschung. Die KPD erwies sich als untauglich, das vorhandene Potential zu einer konstruktiven, fortschrittlichen Alternative zu gestalten; sie verharrte in der Negation. Trotz erheblichen Zulaufs an Mitgliedern und Wählern (ihr höchster Stimmenanteil waren 17 Prozent im November 1932) blieb die KPD letztlich isoliert.

Bei seiner Gründung stand der deutsche Kommunismus noch ganz in der Tradition der freiheitlichen deutschen Arbeiterbewegung, deren programmatische progressive Ziele er sich zu eigen machte: Frieden, soziale Gerechtigkeit, Solidarität, Demokratie und Emanzipation des arbeitenden Menschen. Allerdings wurden die Friedens-vorstellungen rasch im Sinn der sowjetischen Außenpolitik instrumentalisiert („Krieg dem imperialistischen Krieg“, Verteidigung des „sowjetischen Vaterlandes“). Die Idee der Demokratie wurde durch die Losung von der „Diktatur des Proletariats“ ersetzt, die in Wahrheit Diktatur der Partei bedeutete und im Stalinismus zur totalitären Diktatur der Parteiführung verkam. Vom Ruf nach sozialer Gerechtigkeit blieb später durch Privilegien und neue Ungerechtigkeiten unter dem SED-Regime wenig übrig. Die Forderung nach Emanzipation aller wurde schließlich als „Gleichmacherei“ verpönt. Anstelle früherer Utopien und Ideale trat also vorrangig eine Politik der Nützlichkeit zur Machterringung. Herrschaftssicherung hieß nunmehr das allein erstrebte Ziel, und so war der deutsche Kommunismus spätestens seit den fünfziger Jahren nur noch ideologisch eine progressive Bewegung. Die tatsächlichen reaktionären Züge waren dann wichtige Gründe für seinen Niedergang. 6. Der soziale Impetus Das traditionelle Streben nach sozialer Gerechtigkeit, nach Überwindung der Klassengesellschaft, das die Kommunisten von der Arbeiterbewegung übernommen und radikal ausgeprägt hatten, trug wesentlich zu ihrem Aufstieg bei. Damit gewannen sie in der Klassengesellschaft der Weimarer Republik eine beachtliche Anhängerschaft und einen stabilen Kern von Funktionären. Ihr soziales Engagement war es, das -trotz aller Wandlung des deutschen Kommunismus -das Parteigerüst zusammenhielt. Die immer wieder gerühmten Aktivitäten der Kommunisten, ihr sprichwörtlicher Einsatz für die Arbeiter im Betrieb oder die Arbeitslosen an den Stempelstellen waren Ausdruck dieser Haltung. Gerade wegen des radikalen sozialen Impetus wurde die KPD für viele „kleine Leute" mehr als nur eine Partei neben anderen, sie bot ihnen weit mehr als das Gefühl politischer Zusammengehörigkeit. Ähnlich wie die freiheitliche Arbeiterbewegung im Kaiserreich mit einer Subkultur umgeben war, so besaß auch die KPD ihr eigenes Umfeld. Damit kam es aber auch zu einer Lagermentalität, gerieten die Kommunisten in eine Art Getto-Situation. Nicht zuletzt deshalb wurde ihr Verhalten vorwiegend von internen Problemen der kommunistischen Bewegung geformt. Dies erleichterte der KPD die Disziplinierung ihrer Reihen, denn seit den zwanziger Jahren gab es die Angst, aus der Partei -der „Heimat" -vertrieben zu werden. Solche emotionalen Bindungen förderten bei den Funktionären -zusätzlich neben materieller Abhängigkeit -die Bereitschaft zur Unterwerfung unter die jeweilige Führung und deren Politik. Andererseits war die Mitgliederfluktuation der KPD sehr groß. Vermutlich waren in den 14 Jahren der Weimarer Republik insgesamt mehr als eine Million Menschen zu irgendeinem Zeitpunkt Mitglied der Partei, obwohl der Höchststand in den Jahren 1921 und 1932 nur bei 350000 Mitgliedern lag. Der soziale Impetus dürfte entscheidend für den Beitritt sowie bei den bis zu sechs Millionen Wählern für die Zustimmung zur Politik gewesen sein. Bei nicht erfüllten Erwartungen bot er umgekehrt oft auch den Anlaß zum Austritt.

Die kommunistische Ideologie sah zwei zentrale wirtschaftliche Maßnahmen als Voraussetzung einer sozial gerechten Ordnung: Verstaatlichung der Privatwirtschaft und deren zentrale Planung. Als Vorbild für diese Forderungen galt immer eindeutiger die Kommandowirtschaft der Sowjetunion. In der Weimarer Republik sahen Millionen Erwerbslose während der Krise in den sowjetischen Fünfjahrplänen, im „Land ohne Arbeitslose" ein Vorbild. Doch nach dem Zweiten Weltkrieg war gerade die ineffektiv arbeitende Staatswirtschaft ein Grund des Niedergangs. Dabei hatte die KPD 1945 für Deutschland zunächst eine andere Wirtschaftspolitik proklamiert („Völlig ungehinderte Entfaltung des freien Handels und der privaten Unternehmerinitiative auf der Grundlage des Privateigentums“

Nach ihrer Stalinisierung wurde für die SED das sowjetische Wirtschaftsmodell (bis in die Einzelheiten, etwa die Nachahmung der Stachanow-Aktivisten durch die Hennecke-Bewegung) zur allgemeinen Grundlage. Das war neben der ungünstigeren Ausgangslage (hohe Reparationsleistungen) der Hauptgrund für das ökonomische Zurückbleiben gegenüber der Marktwirtschaft der Bundesrepublik. Wie in der UdSSR erwiesen sich auch in der DDR die verstaatlichte Wirtschaft und zentralistische Planung einer politischen Diktatur als untauglich, ein effektives Wirtschaftssystem zu betreiben. In der Krise der siebziger Jahre brachte die Stagnation Mißerfolge, und da in der DDR nur noch von der Substanz gezehrt wurde, stand die Wirtschaft und damit das politische Regime in den achtziger Jahren vor einem Desaster. Weder der ideologische Anspruch von der „Einheit von Wirtschafts-und Sozialpolitik“ noch die scheinbaren sozialen Errungenschaften konnten den Ruin des DDR-Wirtschaftssystems und damit auch das Ende des deutschen Kommunismus aufhalten.

Der soziale Impetus war im Stalinismus verschwunden, der Begriff „realer Sozialismus" diente der ideologischen Verschleierung der Herrschaftsverhältnisse. In der Geschichte der Arbeiterbewegung bedeutete Sozialismus Emanzipation des Menschen, Selbstbestimmung der arbeitenden Menschen in einer solidarischen Gesellschaft. Dies beinhaltete außer politischer Demokratie und Rechtssicherheit ebenso Freiheitsrechte eines jeden Individuums. Der „reale Sozialismus" der DDR reduzierte sich in Wahrheit auf die Allmacht der Parteiführung der SED, hatte also mit der Tradition des Sozialismus wenig zu tun. Ebenso diente die Berufung auf die Ideen von Marx der Verschleierung der DDR-Wirklichkeit. Die SED überging, daß Engels einst -übereinstimmend mit Marx -„auf die Explosivkraft der demokratischen Ideen und den der Menschheit angeborenen Drang nach Freiheit" verwiesen hatte 7. Das Verhältnis zur Macht Die deutschen Kommunisten begnügten sich keineswegs -wie andere Parteien -mit einer Beteiligung an der Macht; sie beanspruchten aufgrund ihrer Ideologie die absolute Macht und diese dannnicht etwa nur auf Zeit. Zunächst galt, daß sie Macht dazu benötigten, um ein neues politisches und ökonomisches System („Rätediktatur“ und geplante Wirtschaft) zu errichten mit dem Ziel des .. Aufbaus des Sozialismus“. Seit der Stalinisierung des deutschen Kommunismus verschwanden die humanistischen Werte, und so erhielt die Machterringung und deren Sicherung eine andere Qualität, wurde zum Selbstzweck. In der Weimarer Republik mißlang den deutschen Kommunisten die Machteroberung nach russischem Vorbild. Doch mit Hilfe der sowjetischen Besatzungsorgane konnten sie nach 1945 in der SBZ/DDR schrittweise die Herrschaft übernehmen und besaßen schließlich das Machtmonopol.

In der Ideologie wurde die Allmacht der Parteiführung nicht thematisiert, sondern behauptet, die „Arbeiterklasse“ verfüge über die Macht; die Diktatur der SED wurde als „Sozialismus“ umgedeutet. Damit hatte sie auch einen besonderen ethischen Maßstab für die eigene Hegemonie aufgestellt: Sittlich war danach alles, was „zur Errichtung der Grundlagen des Sozialismus beiträgt“ und entsprechend „unsittlich und unmoralisch" waren alle Versuche, „den sozialistischen Aufbau zu hemmen“ Die „neue Moral" zur Sicherung der Herrschaft war allzu simpel -sollte sie doch verschleiern, daß frühere Ideale einer besseren Gesellschaft der Macht geopfert worden waren. Hier gilt die Einschätzung Flechtheims: „Im Gegensatz zum Faschismus wollte der Kommunismus ursprünglich die tradierten autoritären Grundwerte durch ein neues humanistisches Ethos der Gerechtigkeit, Gleichheit und Brüderlichkeit ersetzen. Als sich jedoch der Kommunismus im Verlauf seiner Entwicklung zum herrschenden Regime institutionalisierte, ohne daß es ihm dabei gelang, ein freiheitlich-egalitäres Gemeinwesen zu schaffen, wuchs die Enttäuschung über die ursprünglichen Ideale und verwandelte sich in eine recht zynische Verehrung von Macht und Erfolg, Effizienz und Ordnung.“

Die SED wurde zur Hegemonialpartei, zum Vorherrschafts-und Führungsorgan der DDR. Im Besitz der Macht hatte für sie erstens die Sicherung der Hegemonie -mit stetig wachsendem Führungsanspruch -oberste Priorität; zweitens duldete sie weder Kontrolle noch Teilung der Macht (die Blockparteien waren schon bald zu Mitläuferorganisationen degradiert), und sie wußte erst recht, ihre legale Ablösung zu verhindern. Ihre seit 1968 in der DDR-Verfassung verankerte „führende Rolle“ „legalisierte“ den Absolutheitsanspruch. Drittens erlaubte sie keine pluralistischen Tendenzen (sämtliche Massenorganisationen fungierten als Befehlsempfänger) und verweigerte innerparteiliche Demokratie: Allein die Parteispitze dirigierte die hierarchisch strukturierte SED. Damit bestimmte sie viertens als uneingeschränktes Führungsorgan nicht nur im Staat, sondern ebenso über das gesamte öffentliche Leben (ja, sie versuchte sogar, sich in die Privatsphäre der Bürger einzumischen).

Zur Sicherung ihrer Macht benutzte die SED grundsätzlich drei Methoden, die bereits in der UdSSR Stalins entwickelt worden waren: a) Die Neutralisierung: „Unpolitische“ Menschen, die weder Gegner noch Anhänger des Systems waren, sollten bei wachsendem Wohlstand und einem Mindestmaß an persönlichem Freiraum „passiv“ bleiben. b) Die Indoktrination: Die Ideologie des „Marxismus-Leninismus“ sollte als Bindeglied der herrschenden Eliten fungieren und durch Bewußtseinsbildung zugleich neue Anhänger gewinnen. Diese Ideologie diente der Führung -neben der Anleitung des politischen und sozialen Handelns -als Rechtfertigungs-und Verschleierungsinstrument. c) Der Terror: Die Verfolgungen des Staatssicherheitsdienstes und der Justiz richteten sich gegen eine Minderheit, die aktiv eine Änderung des Systems anstrebte. Terror, Willkür und Bespitzelung schufen eine Atmosphäre der Angst, um jede oppositionelle Regung zu verhindern. 8. „Demokratischer Zentralismus“

Das Organisationsprinzip, das die kommunistische Bewegung zusammenhalten und ihre Machteroberung -wie später die Herrschaftssicherung -ermöglichen sollte, war der von Lenin entwickelte „demokratische Zentralismus“. In der Praxis wurden vor allem in der Stalin-Ära die demokratischen Elemente (Wahlen, Rechenschaftspflicht der Führungen, Entscheidung durch Mehrheitsüber Minderheitspositionen) zu Schein-Ritualen; übrig blieb ein bürokratischer Zentralismus. Die von Stalin befohlene Organisationsstruktur hatte die KPD schon früh übernommen, und später ist sie von der SED allen Leitungsebenen und Apparaten oktroyiert worden.

Das kommunistische Herrschaftssystem war durch seinen straffen hierarchischen Aufbau gekenn-zeichnet; alle Befehlsstränge liefen strikt von oben nach unten. Die Machthebel der SED-Führung waren: a) der eigene Parteiapparat (mit seinen hauptamtlichen Parteifunktionären und ehrenamtlichen Helfern); b) der Staatsapparat (Regierung, Verwaltung, Wirtschaft, Kultureinrichtungen, Armee, Medien); c) die Justizorgane und vor allem die politische Polizei (in der DDR das Ministerium für Staatssicherheit), die unmittelbar die Verfolgungsmaßnahmen ausführten; d) die Massenorganisationen und Blockparteien, die den Auftrag befolgten, als „Transmissionsriemen" Verbindungen zu allen Bevölkerungskreisen zu halten, sie zu beeinflussen und zu dirigieren.

Der „demokratische Zentralismus" diente der straffen Anleitung dieser Schalthebel durch die SED-Spitze, bei der alle Fäden zusammenliefen. Außerdem hielt er die Organisation der Führungspartei selbst zusammen.

Für Kommunisten hieß ein entscheidendes Kriterium des „demokratischen Zentralismus" Partei-disziplin, d. h. ihre willenlose Unterordnung unter die „Linie der Partei", also der Parteiführung. Die Disziplin war verbunden mit einer Isolierung der Funktionäre, die aus Angst vor der streng verpönten „Fraktionsarbeit“ kritisch-abweichende Gedanken kaum äußerten, geschweige denn zu diskutieren wagten. „Parteidisziplin" und „Fraktionsverbot“ machten den Zentralismus perfekt. Mit solchen Instrumenten konnte die vergreiste Honecker-Führung noch bis zum Schluß die „monolithische" Einheit der Partei aufrechterhalten, obwohl seit den Gorbatschowschen Reformen auch bei Funktionären der SED Unsicherheit entstanden war und sogar Unruhe herrschte. 9. Das Faschismus-Trauma Die verfehlte ultralinke Politik von 1929 bis 1934 und die bitteren Erfahrungen unter der Hitler-Diktatur, deren Terrorherrschaft Tausenden von Kommunisten das Leben kostete, wirkten als „Faschismus-Trauma" im deutschen Kommunismus weiter. Belastet durch Erinnerungen an eine -uneingestandene -Mitschuld am Sieg des Nationalsozialismus und bestimmt vom Willen zur Verhinderung einer neuen „faschistischen“ Unterdrückung der Kommunisten hat dieses Trauma die Entscheidungen der SED-Führung nach 1946 maßgeblich beeinflußt. Obwohl inzwischen eine ganz neue Generation herangewachsen war, behandelte die Führung die Bürger der DDR auch in den siebziger und achtziger Jahren so, als ob sie in ihrer Mehrheit den „befohlenen“ Antifaschismus gefährdeten. Auch aus diesem Mißtrauen gegenüber großen Bevölkerungsteilen ist der flächendeckende Überwachungsstaat erklärbar.

Dies hat jedoch nichts mit der Bedeutung des kommunistischen Widerstandskampfes gegen die NS-Diktatur zu tun. Die Zeit 1933 bis 1945 war eine heroische Phase der Geschichte des deutschen Kommunismus -trotz aller Schwächen und Fehler. Die Tragödie der kommunistischen Widerstandskämpfer bestand darin, daß sie mutig gegen den faschistischen Terror kämpften, zugleich aber einer Bewegung angehörten, die selbst auf die alleinige Macht, die Diktatur ihrer Partei, abzielte und völlig von der Sowjetunion abhängig war, die also letztlich keine demokratische Alternative zur Hitler-Diktatur bilden konnte. Doch diese politische Bewertung der KPD kann die moralische Würdigung der kommunistischen Widerstandskämpfer nicht schmälern. Der kommunistische Widerstand gehört als legitimer Teil zur deutschen Widerstandsbewegung gegen das Nazi-Regime. 10. Der Stalinismus Er blieb die entscheidende Kategorie für den Kommunismus in Deutschland. Die Stalinisierung des deutschen Kommunismus brachte außer der Einschwörung auf die UdSSR -die Idealisierung der Sowjetunion und Stalins -die Übernahme der dortigen Methoden von Verfolgungen und „Säuberungen" und formte schließlich den erwähnten Typ des der Parteiführung ergebenen deutschen Kommunisten. Der Stalinismus im allgemeinen Sinne war ein gesellschaftspolitisches System, die Diktatur der allmächtigen Parteiführung, die mit Hilfe der politischen Polizei regierte. Insbesondere mit den „Säuberungen" der dreißiger Jahre in der Sowjetunion hatten sich dann die beiden krassen Merkmale des Stalinismus im engeren, speziellen Sinne herausgebildet: Erstens die Willkürherrschaft, gekennzeichnet durch völlige Rechtsunsicherheit. Die despotische Gewalt war in der Realität weder durch Institutionen beschränkt noch von unten kontrollierbar. Als wesentliche Machtinstrumente dienten die Geheimpolizei und blutige „Säuberungen". Zweitens gehörte zum Absolutismus Stalins ein byzantinistischer Kult um seine Person, der seine Übermacht widerspiegelte.Dieses Herrschaftssystem wurde nach 1945 auf die osteuropäischen Länder und auch auf die SBZ bzw. DDR übertragen. Erst nach Stalins Tod, insbesondere nach den Enthüllungen seiner Verbrechen auf dem XX. Parteitag der KPdSU 1956, begannen kommunistische Parteien schrittweise und mehr oder weniger intensiv, durch eine „Entstalinisierung" sowohl den Personenkult als auch das Willkürregime, also den speziellen Stalinismus, zu überwinden. Weitgehend unberührt davon blieb indes die Grundlage des Terrors, die Macht-konzentration bei der Hegemonialpartei. Die charakteristischen Merkmale des Stalinismus beherrschten das gesellschaftspolitische Leben auch in der DDR und wurden nie grundsätzlich in Frage gestellt: a) Das ideologische Dogma: „Die Partei hat immer recht“. b) Die Organisationsstruktur des hierarchischen „demokratischen Zentralismus“. c) Das Prinzip der Kaderpolitik mit der „Nomenklatur“. d) Das Erziehungs-, Informations-und Organisationsmonopol von Partei und Staat.

Waren die deutschen Kommunisten seit den zwanziger Jahren durch die Komintern ganz auf die Sowjetunion eingeschworen, so hatten sie mit „deutscher Gründlichkeit“ schon früh den sowjetischen Stalinismus kopiert. Welche „typisch deutschen“ Eigenschaften den Stalinismus in der DDR noch verschärften, ist vorläufig nur anzudeuten: die „ordentliche“, preußisch-straffe Organisation; ein oft „tierischer“ Ernst; vor allem die bürokratische Handhabung stalinistischer Mechanismen. Charakteristisch waren Untertanenmentalität mit „strammstehen“, freiwillige Einordnung und prompte Ausführung der einmal gegebenen Befehle. Erwähnt sei auch die allzu große Bereitwilligkeit vieler Intellektueller, dem System unkritisch zu dienen und dabei offensichtliche demokratische Defizite zu ignorieren. Fehlende Konfliktbereitschaft und mangelnde Zivilcourage waren auffällig zumindest im Vergleich zu den Verhältnissen in Polen oder in einigen anderen kommunistisch regierten Ländern. Deshalb gehen Versuche, für den Verlauf der Entwicklung in der DDR allein „die Russen“ verantwortlich zu machen, völlig an der Realität vorbei.

Es waren vielmehr die vielfältigen Strukturdefekte des deutschen Kommunismus, die zu seinem Untergang führten. Seine Politik läßt nur geringe Lernfähigkeit erkennen. Programmatik, Strategie, aber auch seine Organisationsstrukturen entsprachen nicht den aktuellen Notwendigkeiten, sondern waren oft überholt und veraltet. Die Form der „absolutistischen Integrationspartei“ (Sigmund Neumann) hatte sich bereits am Ende der Weimarer Republik überlebt, erst recht nach 1945. Ihre Strategie des „Hauptstoßes" gegen die Sozialdemokratie hatte die KPD von der Anfangsphase 1919-1923 bis zur Schlußphase 1929-1933 weiter-geschleppt; den ab 1930 notwendigen „Kampf gegen Hitler“ machte die KPD erst 1935 zur zentralen Losung. Radikalismus und Gewalttätigkeit wurden ebenso wie die Idee des „Bürgerkrieges“ von den Anfängen Weimars auf die Zeit nach 1945 übertragen. Die ideologische Überzeugungsarbeit blieb bei den Praktiken der zwanziger Jahre stehen. Zentralismus und Monopolherrschaft -längst überholt -existierten bis zum Schluß.

Maßgebend blieb das Verhältnis zur UdSSR. Die deutschen Kommunisten waren Internationalisten; ihre Organisation war als Gegenbewegung zum Chauvinismus in und nach dem Ersten Weltkrieg entstanden. Doch die frühe Identifizierung mit der russischen Revolution und die daraus erwachsene Rußlandgläubigkeit führte dann vor allem in der Stalin-Ära dazu, daß der Internationalismus als Unterordnung unter der Sowjetunion und den Stalinismus instrumentalisiert wurde. Der historische Aufstieg des deutschen Kommunismus war weitgehend von der Unterstützung der Sowjetunion abhängig. Dies traf noch mehr zu für seine Herrschaft in der DDR. Als diese 1989 wegfiel, kam es nicht nur zu seinem Niedergang, sondern zum Zusammenbruch.

Die Diktatur der SED, der hierarchische Aufbau nach dem Organisationsprinzip des „demokratischen Zentralismus“, der krasse Widerspruch zwischen Theorie und Praxis erwiesen sich als Strukturfehler des Systems. Das Fehlen von politischer Demokratie, von Rechtssicherheit und Meinungsfreiheit sowie die Bevormundung, ja Entmündigung der Bevölkerung bei ständigem Gegensatz zwischen Anspruch und Wirklichkeit verhinderten nicht nur einen Konsens zwischen Regierten und Regierenden, sondern verunsicherten zunehmend sogar die kommunistischen Funktionäre selbst. Auch die in den sechziger Jahren weltweiten ökonomischen, gesellschaftlichen und politischen Krisen vermochte die DDR mit den SED-Mechanismen nicht zu bewältigen. Der Zusammenbruch war somit eine Folge der eigenen Strukturdefekte und der aktuellen politischen Situation.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Historische Kommission beim Parteivorstand der PDS, Thesen zur Programmatik der PDS. Ms.. o. O. und o. J. (1991), S. 22.

  2. Bei den letzten Bürgerschaftswahlen in Hamburg im Juni 1991 kandidierten sowohl PDS/Linke Liste wie DKP. Die PDS erhielt 3713 Stimmen, d. h. 0, 5 Prozent, die DKP gar nur 680 Stimmen oder 0, 1 Prozent; vgl. Frankfurter Rundschau vom 4. Juni 1991.

  3. Vgl. zum Forschungsstand Hermann Weber, Kommunismus in Deutschland 1918-1945, Darmstadt 1983.

  4. Vgl. dazu Sigrid Koch-Baumgarten, Aufstand der Avantgarde. Die Märzaktion der KPD 1921. Frankfurt/M. -New York 1986: außerdem Werner T. Angress. Die Kampfzeit der KPD 1921-1923, Düsseldorf 1973.

  5. Vgl. zu den Einzelheiten Hermann Weber. Die Wandlung des deutschen Kommunismus. Die Stalinisierung der KPD in der Weimarer Republik. 2 Bde.. Frankfurt/M. 1969.

  6. Vgl. Bericht über die Verhandlungen des XI. Parteitages der Kommunistischen Partei Deutschlands (Sektion der Kommunistischen Internationale). Essen. 2. bis 7. März 1927. Berlin 1927. S. 11: Protokoll der Verhandlungen des XII. Parteitages der Kommunistischen Partei Deutschlands (Sektion der Kommunistischen Internationale). Berlin-Wedding, 9. -16. Juni 1929. Berlin 1929. S. 12.

  7. Heinz Neumann. Vorwort in: J. W. Stalin. Hamburg-Berlin 1930, S. 9.

  8. Vgl. H. Weber (Anm. 5). Bd. 2. S. 51ff.

  9. Sozialistische Republik vom 10. Dezember 1924.

  10. Protokoll 10. Plenum des Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale. Juli 1929, Hamburg-Berlin o. J. (1929), S. 560.

  11. Institut für Geschichte der Arbeiterbewegung, Zentrales Parteiarchiv, 11/26, Bl. 506f. (Geschlossene Sitzung des XII. Parteitages der KPD 1929).

  12. Vgl. dazu Hermann Weber. Hauptfeind Sozialdemokratie. Strategie und Taktik der KPD 1929 bis 1933, Düsseldorf

  13. Hunger-Diktatur in Brüning-Deutschland. Zur IV. Notverordnung, hrsg. vom ZK der KPD, o. O. und o. J. (Berlin, Ende 1931), S. 14.

  14. Vgl. Horst Duhnke, Die KPD von 1933 bis 1945, Köln 1972, S. 525.

  15. Vgl. Hermann Weber. „Weiße Flecken" in der Geschichte. Die KPD-Opfer der Stalinschen Säuberungen und ihre Rehabilitierung, Frankfurt/M. 19902.

  16. Vgl. Werner Müller. Kommunistische Partei Deutschlands (KPD), in: SBZ-Handbuch. Staatliche Verwaltungen, gesellschaftliche Organisationen und ihre Führungskräfte in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands 1945-1949. Im Auftrag des Arbeitsbereiches Geschichte und Politik der DDR an der Universität Mannheim und des Instituts für Zeitgeschichte München herausgegeben von Martin Broszat und Hermann Weber, München 1990, S. 440ff.

  17. Vgl. zum Forschungsstand Hermann Weber. Die DDR 1945 bis 1986. München 1988, S. 105ff.

  18. Institut für Geschichte der Arbeiterbewegung (IfGA). Zentrales Parteiarchiv. IV 2/17.

  19. IfGA. Zentrales Parteiarchiv, Nachlaß Pieck. NL 36. 739. BI. 25.

  20. IfGA, Zentrales Parteiarchiv, J IV 2/2/249. (Protokoll Nr. 149/52 des Politbüros des Zentralkomitees am 25. November 1952), Bl. 3.

  21. Vgl. Peter Christian Ludz. Parteielite im Wandel. Funktionsaufbau, Sozialstruktur und Ideologie der SED-Führung. Köln-Opladen 1968. S. 26ff.

  22. Der Gründungsparteitag der KPD. Protokoll und Materialien. hrsg. von Hermann Weber. Frankfurt/M. 1969. S. 99.

  23. Curt Geyer. Der Radikalismus in der deutschen Arbeiterbewegung. Ein soziologischer Versuch. Jena 1923, S. 62.

  24. Lenins Schrift gegen die ultralinken Kommunisten erschien in der deutschen Übersetzung mit dem Titel: Der »Radikalismus«, die Kinderkrankheit des Kommunismus, Leipzig 1920.

  25. Arthur Rosenberg, Entstehung und Geschichte der Weimarer Republik. Frankfurt/M. 1955. S. 467.

  26. Sigmund Neumann, Die deutschen Parteien. Wesen und Wandel nach dem Kriege. Berlin 1932. S. 89.

  27. Der Gründungsparteitag (Anm. 22). S. 296f.

  28. Bericht über die Verhandlungen des HI. (8.) Parteitages der KPD (Sektion der Kommunistischen Internationale). Abgehalten in Leipzig vom 28. 1. bis 1. 2. 1923. Berlin 1923. S. 417.

  29. Programm der Kommunistischen Internationale. Angenommen vom VI. Weltkongreß am 1. September 1928 in Moskau. Hamburg-Berlin 1928, S. 36.

  30. Die später weit verbreitete Schrift erschien zuerst als Teil der „Geschichte der KPdSU (B) -Kurzer Lehrgang". Moskau 1939. S. 126-159.

  31. Walter Rist. Die innere Krise der KPD. in: Neue Blätter für den Sozialismus. (1932) 3. S. 134.

  32. Vgl. dazu Hermann Weber. Aufbau und Fall einer Diktatur. Kritische Beiträge zur Geschichte der DDR, Köln 1991, S. 207 ff.

  33. S. Neumann (Anm. 26), S. 97.

  34. So hieß es im programmatischen Aufruf der KPD vom Juni 1945. Vgl. Der deutsche Kommunismus. Dokumente, hrsg. und kommentiert von Hermann Weber. Köln-Berlin 1963, S. 435.

  35. Marx/Engels. Werke. Bd. 9, Berlin (Ost) 1960. S. 17.

  36. So der Sekretär des ZK der SED, Otto Schön, in: Einheit. 10(1955), S. 988.

  37. Ossip K. Flechtheim, Vergangenheit im Zeugenstand der Zukunft, Berlin 1991, S. 311.

  38. Vgl. H. Weber (Anm. 32), S. 64ff.

Weitere Inhalte

Hermann Weber, Dr. phil., geb. 1928; Professor für Politische Wissenschaft und Zeitgeschichte an der Universität Mannheim, Leiter des Arbeitsbereichs DDR-Geschichte am Mannheimer Zentrum für europäische Sozialforschung. Veröffentlichungen u. a.: Die Wandlung des deutschen Kommunismus, 2Bde., Frankfurt/M. 1969; Geschichte der DDR, München 1985; Die DDR 1945-1986, München 1988; (Hrsg, mit Martin Broszat) SBZ-Handbuch. Staatliche Verwaltungen, Parteien, gesellschaftliche Organisationen und ihre Führungskräfte 1945-1949, München 1990; Aufbau und Fall einer Diktatur. Kritische Beiträge zur Geschichte der DDR, Köln 1991; DDR, Grundriß der Geschichte 1945-1990, Hannover 1991.