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Die Republikaner. Schneller Aufstieg und tiefer Fall einer Protestpartei am rechten Rand | APuZ 37-38/1990 | bpb.de

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APuZ 37-38/1990 Erklärungsmodelle von Wählerverhalten Deutschland im Übergang: Parteien und Wähler vor der Bundestagswahl 1990 Die Republikaner. Schneller Aufstieg und tiefer Fall einer Protestpartei am rechten Rand

Die Republikaner. Schneller Aufstieg und tiefer Fall einer Protestpartei am rechten Rand

Dieter Roth

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Zusammenfassung

Die Blitzkarriere der Republikaner, die im Januar 1989 mit einem als Sensation empfundenen Gewinn von 7, 5 Prozent der Wähler in Berlin begann, scheint nach den letzten Ergebnissen für diese Partei, bei den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen, bereits am Ende zu sein. Im April 1989 erreichten die Republikaner in Umfragen mehr als 10 Prozent der Wählerstimmen, im Juni 1990 nur noch weniger als 1 Prozent. Trotzdem: Das Jahr 1989 hat aus sozialwissenschaftlicher Sicht die seltene Gelegenheit geboten, den äußersten rechten Rand im Parteien-und Wählerspektrum zu beobachten und die Art und Weise einer möglichen Mobilisierung von Wählern durch eine Partei, die sich das Image einer konservativen und volksnahen nationalen Erweckungsbewegung geben wollte, zu analysieren. Der Aufsatz zeichnet zunächst die Entwicklung der Erfolge der Republikaner in der Bevölkerung von Anfang 1989 bis Sommer 1990 nach. Es folgt eine Beschreibung der sozialstrukturellen Zusammensetzung der Anhängerschaft der Republikaner in den verschiedenen Phasen unterschiedlicher Unterstützung. Dabei zeigt sich, daß die Anhängerder Republikaner strukturell nicht sonderlich auffällig sind, daß es aber sozialstrukturelle Schwerpunkte in der Wählerschaft gibt, die auch beim starken Rückgang der Zustimmung zu dieser Partei nicht völlig verschwunden sind. Eine stärkere Unterstützung der Republikaner durch Wähler mit eher einfachem Bildungs-und Berufsstatus gibt, zusammen mit den gemessenen Einstellungen der Wähler der Republikaner. Aufschlüsse über deren Motive.

Im April 1989 gaben mehr als zehn Prozent der Befragten einer repräsentativen Umfrage (Abbildung an, sie würden sich bei einer Bundestagswahl (wenn zu diesem Zeitpunkt gewählt würde) für die Republikaner entscheiden. Das war der Höhepunkt der Zustimmung für eine Partei am äußeren rechten Rand, die nahezu aus dem Nichts aufgetaucht war, eine Blitzkarriere machte und sich anschickte, Regierungsmehrheiten der Union zu gefährden. Die Öffentlichkeit und die etablierten Parteien waren tief beunruhigt. Die Republikaner machten Schlagzeilen, keineswegs immer positive, aber die Medien beachteten sie.

Abbildung 5: Republikaneranteile nach Geschlecht und Rgionen (in Prozent) Quelle: Forschungsgruppe Wahlen (Anm. 12).

Nach einem Jahr, im April 1990, wollten nach einer repräsentativen Umfrage nur noch etwas mehr als zwei Prozent die Republikaner wählen, im Juni waren es weniger als ein Prozent. Die wenigen Schlagzeilen, die die Republikaner noch machen, behandeln die internen Machtkämpfe und gegenseitigen Beschimpfungen der Parteieliten beim Auflösungsprozeß der Partei 1).

Tabelle 1: Prozentanteil der Republikaner nach Alter, Schulbildung und Geschlecht Quelle: Forschungsgruppe Wahlen (vgl. Anm. 12).

Aus der Sicht der Wahlforscher heißt deshalb das Thema nicht mehr, wer sind die Wähler der Republikaner, sondern: wer waren die Wähler der Republikaner. Trotzdem: Das Jahr 1989 hat aus sozialwissenschaftlicher Sicht die seltene Gelegenheit geboten, den äußersten rechten Rand im Parteien-und Wählerspektrum und die Art und Weise einer möglichen Mobilisierung von Wählern durch eine Partei zu beobachten, die sich das Image einer konservativen und volksnahen nationalen Erweckungsbewegung geben wollte.

Tabelle 2: Prozentanteil der Republikaner nach Alter und Schulbildung Quelle: Forschungsgruppe Wahlen (vgl. Anm. 12).

Die Zielsetzung dieses Aufsatzes ist nicht, ein Erklärungsmodell für die Erscheinung der Republikaner anzubieten sondern sehr viel bescheidener zunächst die Entwicklung der Erfolge der Republikaner in der Bevölkerung nachzuzeichnen, dann eine Beschreibung der sozialstrukturellen Zusammensetzung der Anhängerschaft in den verschiedenen Phasen unterschiedlicher Unterstützung und zuletzt aus den abweichenden Haltungen der Anhänger der Republikaner Hinweise auf mögliche Motive ihrer Wahl zu bekommen. Trotzdem soll dabei auch die Frage beantwortet werden, ob der Grund des Erfolgs der Republikaner eher Ausdruck eines Protestes war oder ob diese Partei auch aus ideologischen Gründen gewählt wurde.

I. Die Wahlerfolge der Republikaner

Abbildung 1: Republikaneranteiler insgesamt (in Prozent) Quelle: Forschungsgruppe Wahlen, monatliche Umfragen für das Politbarometer im Auftrag des ZDF, jeweils ca. 1000 Befragte, repräsentativ für die Bundesrepublik.

Seit dem spektakulären Erfolg der Republikaner bei den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus am 29. Januar 1989 bei denen sie aus dem Stand heraus 7, 5 Prozent der Stimmen erreichten, ist diese Partei bei vier Kommunalwahlen, drei Landtagswahlen und einer bundesweiten Wahl, der Europawahl im Juni 1989, angetreten. Allerdings gelang es der Partei nicht, sich zu den Kommunalwahlen flächendeckend zur Abstimmung zu stellen, auch nicht in ihrem „Stammland“ Bayern.

Tabelle 3: Prozentanteil der Republikaner in Berufsgruppen Quelle: Forschungsgruppe Wahlen (Anm. 12).

Das Ergebnis der Berliner Wahl überraschte nicht nur die Berliner selbst, sondern auch Politiker, Publizisten und nicht zuletzt die Meinungsforscher. In der Endphase des Wahlkampfes zeichnete sich zwar ein Achtungserfolg der Republikaner als rechte Protestpartei ab (vier Prozent hatte die Forschungsgruppe Wahlen für die Republikaner in ihrer Blitz-umfrage vor der Wahl gemessen); daß sie jedoch auf 7, 5 Prozent klettern würden, war von niemandem erwartet worden. Die Republikaner, die bis zum Jahresende 1988 kaum jemandem bekannt waren, lebten kurz vor der Wahl von einem Medien-spektakel, das sich im Anschluß an einen umstrittenen Wahlspot der Partei entspann, der sich allein auf das Thema der Ausländerangst konzentrierte. Auf solche Provokationen der äußersten Rechten folgten tumultartige Antworten der äußersten Linken, die Medien stiegen voll ein — und die Republikaner waren bekannt. Für die Wähler dieser Partei gab es in den Umfragen vor der Wahl eigentlich nur zwei Themen. Das erste und wichtigste war die Ausländerproblematik und das zweite, davon abgeleitet, die fehlenden (Sozial-) Wohnungen. Die Republikaner waren in Berlin eine „Ein-Problem-Partei“, wobei man jedoch nicht vernachlässigen sollte, daß die Sympathien — die ihnen aufgrund des Ausländerthemas zugewachsen sind — vor dem Hintergrund einer allgemeinen diffusen politischen Unzufriedenheit dieser Wählerschicht zu verstehen sind. Einige Unruhe hat der überproportional hohe Erfolg der Republikaner bei den Jungwählern in Berlin ausgelöst. Wie sich erst später herausstellte, handelt es sich dabei jedoch um ein Großstadt-Phänomen. Bundesweit haben die Republikaner nur leicht überdurchschnittlich Erfolg bei Jungwählern.

Tabelle 4: Prozentanteil der Republikaner nach Kirchgang Kirchgang Quelle: Forschungsgruppe Wahlen (Anm. 12).

Nur sechs Wochen nach dem Berliner Erfolg kandidierten die Republikaner bei den ersten Kommunalwahlen nur in zwei der 21 Kreise und in keiner der fünf kreisfreien Städte Hessens. Trotz sich anzeigender Unterstützung seitens der Wähler, hatten sie weder die organisatorischen Möglichkeiten, das Personal und die Kandidaten noch die Zeit zur Einberufung von Parteiversammlungen zur formalen Erfüllung der Voraussetzungen für die Kandidatur.

Tabelle 5: Prozentanteil der Republikaner nach Gewerkschaft Quelle: Forschungsgruppe Wahlen (Anm. 12).

Statt der Republikaner schöpfte die NPD, dort wo sie antrat, die mit der Regierungspolitik im Bund und im Land Unzufriedenen ab. Die NPD zog in Frankfurt mit 6, 6 Prozent der Stimmen ins Stadtparlament ein. Eine Umfrage unmittelbar vor dem Wahltag zeigte, daß das Potential für die Republikaner ungefähr doppelt so hoch war. Das entsprach etwa ihrem zweistelligen Erfolg im Rhein-gau-Taunus-Kreis. Der zweite Wahlerfolg der Republikaner, bei den Europawahlen im Juni 1989, war in der Höhe nicht mehr überraschend. Bundesweite Umfragen hatten einen zwar schwankenden, aber doch erheblichen Zuspruch für die Republikaner angezeigt. Die Republikaner erreichten 7, 1 Prozent der Stimmen, d. h. über zwei Mio. Wähler, eine knappe dreiviertel Mio. allein in Bayern. Dort hatten sie mit 14, 6 Prozent landesweit ihren größten Erfolg, in einzelnen Kreisen und Städten nahezu 20 Prozent, in Rosenheim sogar 22, 1 Prozent, wobei sie dort stärker waren als die SPD. Außer in Bayern schnitten die Republikaner nur noch in Nord-und Süd-württemberg gut ab. Nördlich der Mainlinie blieben sie mit Ausnahme von Hamburg und Teilen Nieder-sachsens meist unter der Fünfprozentmarke. Das Ergebnis der Republikaner wurde begünstigt durch die geringe Wichtigkeit, die der Europawahl von Seiten der Wähler im Vergleich zu Wahlen auf der Landes-und vor allem der Bundesebene zugeordnet wird. Bei einer „unwichtigeren“ Wahl ist die Wahlbeteiligung geringer, vor allem aber die psychologische Hürde für ein von der „normalen“ Parteienlinie abweichendes Verhalten niedriger. Die Europawahl eignete sich also besonders, um dem Protest gegen die etablierten Parteien Raum zu geben.

Bei den Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen und in Baden-Württemberg im Herbst 1989 wurde der Charakter der Republikaner als Partei deutlich, die zwar Proteste auffangen, aber kein Programm anbieten und nur wenige Bürger mobilisieren konnte, die für ihre Ziele eintraten. Die Republikaner hatten massive Schwierigkeiten, die Voraussetzungen für eine Kandidatur zu erbringen, wie die Mindestzahl von Unterschriften oder Kandidaten für Gemeinderäte. Es kam zu Unterschriftenfälschungen und zur Ablehnung der Kandidatur der Republikaner in einzelnen Kreisen. Vielfach trat die Partei nur mit einer geringen Zahl von Kandidaten oder überhaupt nicht an. Selbst in Städten und Kreisen, in denen die Partei bei der Europa-wahl besonders erfolgreich war, konnte sie nicht alle möglichen Kandidatenpositionen besetzen. So brachte sie z. B. in Mannheim oder Karlsruhe jeweils nur ein Drittel der möglichen Kandidaten auf die Liste. In Baden-Württemberg, wo sie immerhin landesweit 8, 7 Prozent bei der Europawahl erreichte, trat sie nur in 42 von insgesamt fast 1 100 Gemeinden an, vornehmlich in Städten.

Durch die Berichterstattung über die Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg am Wahlabend, die sich hauptsächlich auf Ergebnisse aus Städten stützte (weil nur diese vorlagen), entstand der Eindruck eines weiteren Erfolges der Republikaner. Tatsächlich war die Zustimmung für die Partei dort, wo sie antrat, im Vergleich zur Europawahl (bei etwa gleicher Wahlbeteiligung) rückläufig, und zwar in beiden Ländern. In Nordrhein-Westfalen verlor sie in den entsprechenden Gebieten etwa 1, 2 Prozent, in Baden-Württemberg ca. 1, 5 Prozent.

Im Januar 1990 erreichten die Republikaner bei der Landtagswahl im Saarland 3, 3 Prozent — ein Ergebnis, das weit unter den Erwartungen der Partei lag, aber durchaus dem damaligen Stimmungsbild in der Bundesrepublik insgesamt entsprach. Umfrageergebnisse zeigten im Januar 1990 einen deutlichen Rückgang der Republikaner (Abbildung 1). Das Ergebnis der Politbarometer-Umfrage für die Republikaner im Januar und auch das einer Umfrage im Saarland in der Woche vor der Wahl lag noch unter dem am Wahltag erreichten Wert für die Partei.

Umfragen können sicherlich die Stimmung für oder gegen Parteien richtig angeben, die tatsächliche Höhe des „Erfolgs“ der Republikaner kann aber dadurch verzerrt sein, daß sich — insbesondere bei abnehmender Unterstützung und entsprechender öffentlicher Diskussion — nicht alle im Interview zu dieser Partei am rechten Rand bekennen, die sie bei geheimer Wahl noch wählen. Extreme rechte Parteien sind in der Bundesrepublik wohl aus Gründen der politischen Vergangenheit mit einem Bekenntnistabu belegt, das auf der linken Seite des Parteienspektrums nicht zu beobachten ist. Dieses Bekenntnistabu galt für die NPD der späten sechziger Jahre und gilt auch jetzt für die Republikaner, wenn auch nicht im gleichen Ausmaß. Es galt noch sehr deutlich vor den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus und für die NPD bei den Kommunalwahlen in Hessen (z. B. in Frankfurt). Erst danach kam es zu einer größeren Bekenntnisbereitschaft für die politische Aufsteigerpartei des ersten Halbjahres 1989.

Die öffentliche Aufmerksamkeit für das Abschneiden der Republikaner bei den Kommunalwahlen in Bayern war durch die am gleichen Tag (18. März 1990) stattfindenden Wahlen zur DDR-Volkskammer beeinträchtigt. Noch sehr viel deutlicher als in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg ging die Zustimmung für die Republikaner im Land ihrer bisher größten Erfolge bei der Europawahl — auf 5. 4 Prozent — zurück In Städten konnten sich die Republikaner etwas besser halten (6, 8 Prozent) als in ländlichen Gebieten (4, 9 Prozent). Da es ihnen nicht gelang, flächendeckend Kandidaten aufzustellen, ist der Vergleich mit den Ergebnissen der Europawahl vom Juni 1989 eingeschränkt; aber auch wegen der unterschiedlichen Entscheidungsebene sollten beide Wahlen nur unter Vorbehalt verglichen werden. Trotzdem wird ein sehr starker Rückgang der Unterstützung für die Republikaner allemal deutlich.

Umfrageergebnisse zeigen, daß im Süden der Bundesrepublik (Bayern und Baden-Württemberg) die Neigung zu den Republikanern in relativ gleichem Umfang wie im Norden auf etwa ein Viertel der Zustimmung des ersten Halbjahres und etwa ein Drittel des zweiten Halbjahres 1989 zurückging (Abbildung 2).

Die Ergebnisse der Republikaner bei den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen (1, 8 Prozent) und Niedersachsen (1, 5 Prozent) am 13. Mai lösten keine Überraschung mehr aus. In Niedersachsen hatten sich die Republikaner nach langen Auseinandersetzungen gespalten, in Nordrhein-Westfalen waren Rechtsaußen-Parteien schon immer besonders schwach vertreten, bei der Europawahl hatten die Republikaner dort (nur) 4. 1 Prozent erreicht. In bundesweiten Umfragen lagen sie im Mai bei einem Prozent.

Nicht nur Umfrageergebnisse zeigten den Niedergang der Partei an. die Wähler bestätigten ihre Meinungsänderung an der Wahlurne. Die Republikaner verschwinden damit zwar nicht völlig aus der bundesrepublikanischen Parteienlandschaft, aber die Frage, ob rechts von der Union eine neue Partei entsteht, die von der Größenordnung her bei der Machtverteilung eine entsprechende Rolle spielen kann, scheint beantwortet.

II. Die Struktur der Wählerschaft der Republikaner

Abbildung 2: Republikaneranteile nach Regionen (in Prozent) Quelle: Forschungsgruppe Wahlen (Anm. 12).

In der Struktur der Wählerschaft der Republikaner gibt es zunächst zwei auffallende Merkmale: der hohe Anteil der Männer und der sehr viel größere Erfolg der Partei in Bayern und Baden-Württemberg im Vergleich zu den übrigen Ländern der Bundesrepublik. Die dabei auftretenden Unterschiede sind groß und erklärungsbedürftig.

Bei der Europawahl haben nur etwa halb soviele Frauen die Republikaner gewählt wie Männer.

Diese ungleiche Verteilung im Wahlverhalten der Geschlechter in bezug auf die Republikaner zieht sich durch alle Altersgruppen (Abbildung 3). Auch bei zurückgehenden Anteilen der Republikaner in der Wählerschaft bleiben die Unterschiede im beabsichtigten Verhalten von Männern und Frauen bestehen (Abbildung 4), und auch die Kontrolle nach Regionen (Abbildung 5) oder die nach Alter und Bildungsstatus (Tabelle 1) zeigt kein neues Bild; wir haben es offensichtlich mit einem geschlechtsspezifischen Verhalten zu tun.

Zur Erklärung dieser Verhaltensunterschiede haben wir an anderer Stelle unter anderem auf das unterschiedliche Interesse von Männern und Frauen an Politik hingewiesen. Diese Aussage ist zum Teil mißverstanden worden. Höheres Interesse an Politik bei Männern bedeutet nicht, daß die Wähler der Republikaner politisch stärker interessiert sind als andere Wähler, sondern lediglich, daß Männer qua höherem Interesse neue politische Bewegungen früher wahrnehmen als Frauen und deshalb auch neuen Parteien gegenüber aufgeschlossener sind als Frauen. Die sich daraus ergebende Hypothese, daß nach einer Phase der Zurückhaltung sich die Frauen dem Verhalten der Männer angleichen, stimmt in jüngster Vergangenheit für die GRÜNEN, kann dort möglicherweise aber auch anders erklärt werden; die These stimmt historisch auch für die NSDAP Für die NPD oder die Republikaner konnte dieser Satz empirisch nie über-prüft werden, weil beide Parteien als relevante Größen im Parteiensystem zu schnell wieder verschwunden waren.

Von größerer Erklärungskraft für das abweichende Verhalten der Frauen bei der Wahl extremer rechter Parteien ist offensichtlich das Erscheinungsbild dieser Parteien als patriarchalisch, aggressiv, verbal schwülstig und dabei durchaus bereit, Gewalt als Mittel zur Durchsetzung von politischen Zielen nicht auszuschließen. Gerade die Gewaltbereitschaft in der Politik, die für jugendliche Anhänger der Republikaner oft Ersatz für Sprachlosigkeit bei der Bewältigung ihrer Probleme ist wird von Frauen sehr viel deutlicher abgelehnt als von Männern Daß Frauen ausländerfreundlicher seien als Männer oder in der Frage des politischen Asyls liberaler und deshalb die Republikaner stärker ableh-nen, kann empirisch widerlegt werden Weiterhin dürfte eine Rolle spielen, daß das sich verändernde Rollenverständnis und -verhalten von Mann und Frau in der Gesellschaft bei den Republikanern auf Zurückhaltung stößt und dort eher noch die Berufung der Frau in der Rolle der Mutter und Hausfrau gesehen wird. Zumindest für junge Frauen und solche mit besserem Bildungsstatus kann dies kein Anreiz sein, die Republikaner zu wählen.

Zum Nord-Süd-Gefälle: Die Republikaner wurden in Bayern als Reaktion auf die Vermittlung eines Milliardenkredits an die DDR durch Franz Josef Strauß und wegen angeblich mangelnder innerparteilicher Demokratie in der CSU von ehemaligen CSU-Abgeordneten und dem früheren Fernseh-Journalisten Franz Schönhuber gegründet. Der Protest gegen die Etablierten war bereits Taufpate der Partei.

Ihren ersten Wahlerfolg hatte die Partei bei den Landtagswahlen in Bayern 1986 mit drei Prozent der Stimmen, ein Ergebnis, das der CSU mißfiel, aber wohl nicht ausreichend Gegenkräfte in ihr mobilisierte. Die Republikaner hatten ihren organisatorischen und ihren Aktivitätsschwerpunkt vor und nach den Berliner Wahlen immer in Bayern. Dort war ihr Vorsitzender Franz Schönhuber als ehemaliger Leiter einer populären Fernsehsendung sehr bekannt und sprach auch als Parteiführer sehr gezielt die süddeutsch-bayerische Mentalität an. Schönhuber sah sich gerne in der Rolle des legitimen Nachfolgers von Franz Josef Strauß und bündelte den Protest gegen die CSU und ihre zu „lasche“ Parteiführung. Die Republikaner waren zunächst nur eine regionale Anti-Establishment-Partei, sehr bayerisch und in Sprache und Auftreten unverwechselbar, direkt und laut. Bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg traten die Republikaner zum ersten Mal außerhalb der Landesgrenzen auf. Sie hatten ihren größten Erfolg in den grenznahen Gebieten zu Bayern, so z. B. in Heidenheim mit 6, 4 Prozent.

Nach dem Einzug ins Berliner Abgeordnetenhaus und abermals nach dem Einzug ins Europaparlament (von diesem Zeitpunkt an war die Finanzkraft der Partei erheblich gestärkt) sprach Franz Schön-huber davon, die Zentrale der Partei in die Bundes-33 Hauptstadt Bonn zu verlegen. Formal geschah dies zwar, aber die eigentliche Aktivitätsbasis blieb Bayern. Auch aus taktischen Erwägungen heraus schien dies sinnvoll. Die Republikaner wollten, nachdem dies einmal mit Berlin gelungen war, die Kommunalwahlen in Bayern im Frühjahr 1990 und die Landtagswahlen im Herbst 1990 jeweils als Sprungbrett zum Erreichen der nächsten Hürde benutzen und mit erhoffter Aufmerksamkeit der Medien eine Mobilisierung der Unzufriedenen erreichen.

Die besseren Ergebnisse der Republikaner im Süden der Bundesrepublik sind bis heute sowohl auf die besseren Organisations-und Vorbedingungen der Partei in diesem Raum zurückzuführen als auch auf die regionale Affinität der Parteifunktionäre und ihrer Sprache gegenüber der Anhängerschaft, die offenbar auf ein breiteres Verständnis im süddeutschen Raum trifft als anderswo. Hinzu kommt, daß eine Partei, die am rechten äußeren Rand ihre Wähler sucht, dort am erfolgreichsten sein kann, wo die Regierung von einer Partei des rechten Spektrums gestellt wird und möglichst stark ist; dies nach dem Motto: wer viel hat, hat viel zu verlieren, oder, wo viel ist, ist viel zu holen.

Außer regionalen und geschlechtsspezifischen Unterschieden gibt es jedoch in der Wählerschaft der

Republikaner noch andere Besonderheiten, die erst über eine differenziertere Betrachtung der Anhängerschaft mit hohen Fallzahlen erkennbar werden. An anderer Stelle wurden solche sozialstrukturellen Aufschlüsselungen bereits vorgenommen -Die interessante Frage ist jetzt, ob sich bei abnehmender Zustimmung für die Republikaner die Struktur ihrer Wählerschaft ändert, was möglicherweise Hinweise darauf geben könnte, welche Teile der Wählerschaft ideologisch der Partei verhaftet sind und welche Teile als reine Protestwähler angesehen werden können, die die etablierten Parteien wieder zurückgewinnen werden oder bereits zurückgewonnen haben.

Wähler mit niedrigem Bildungsstatus sind eher durch die Republikaner ansprechbar als solche mit höherem oder hohem Bildungsstatus (Tabelle 2) Diese Feststellung gilt für Wähler unter 50 Jahren uneingeschränkt, und das auch bei zurückgehender Akzeptanz der Republikaner als wählbare Partei. Besonders interessant ist dabei die Altersgruppe der unter Dreißigjährigen. Hier sind die Unterschiede zwischen den Gruppen niedrigster und höchster formaler Bildung besonders deutlich. Gleichzeitig ist die Konstanz der Neigung zu den Republikanern im Zeitverlauf in der Gruppe der Jüngeren mit niedrigem Schulabschluß noch relativ hoch. Die Zustimmung steigt sogar zwischen dem ersten und zweiten Halbjahr 1989, obwohl insgesamt der Republikaner die rückläufig sind. Auf etwas niedrigerem Niveau gilt diese Aussage auch noch für die Dreißig-bis Vierzigjährigen.

Insgesamt hatten die Republikaner bei Wählern unter 50 Jahren mit formal hoher Bildung kaum eine Chance, gewählt zu werden. Bei älteren Wählern mit höherer oder hoher formaler Bildung war diese Chance größer, am stärksten war sie bei den über 60jährigen mit Abitur oder Hochschulabschluß. Im Zeitverlauf geht die Unterstützung für die Republikaner bei allen, unabhängig vom Alter und Bildungsstatus, zurück, am deutlichsten bei den Älteren, so daß die möglicherweise erklärbaren Haltungsunterschiede älterer, formal hochgebildeter Wähler im ersten Halbjahr 1990 verschwunden sind. Man konnte nach den Daten der beiden Halb-jahre 1989 noch argumentieren, daß die Gründe für die Wahl der Republikaner bei den Älteren möglicherweise eher im politisch-ideologischen Bereich lagen, z. B. bei wahrgenommenen Defiziten in Fragen der Vertretung nationaler Interessen. Bei jüngeren Wählern der Republikaner, die vornehmlich einen einfachen Bildungs-und Berufsstatus hatten, konnte die Motivation zur Wahl der Republikaner in einer vermeintlichen Bedrohung ihres eher bescheidenen Status durch Aus-oder Übersiedler, möglicherweise auch durch Ausländer, liegen, die mit ihnen um Arbeitsplätze oder billigen Wohn• raum konkurrierten. Seit Beginn dieses Jahres kann eine solche Argumentation bei den unter Vierzigjährigen nur noch mit Einschränkungen aufrechterhalten werden und, wie die Tabelle 1 zeigt, auch nur für die Männer. Bei allen anderen Gruppen sind die gemessenen Unterschiede kaum mehr aussagefähig. Betrachtet man die Wähler der Republikaner in einer Einteilung nach Berufsgruppen (Tabelle 3), so zeigen sich in den beiden Halbjahren 1989 keine Veränderungen in der Struktur der Wählerschaft, sondern lediglich Unterschiede im Niveau. Facharbeiter sowie un-und angelernte Arbeiter sprechen sich sehr viel häufiger für die Republikaner aus als Angehörige anderer Berufsgruppen, mit Ausnahme der Landwirte, die allerdings fast schon traditionell eine hohe Neigung zu Parteien am rechten Rand haben. Im Jahr 1990 bleibt zwar eine überproportionale Bereitschaft zur Wahl der Republikaner in der Arbeiterschaft erhalten, die den Befunden bei einer Betrachtung der Wähler nach Bildungsstatus entspricht, weitere Differenzierungen treten aber nicht mehr auf.

Die empirisch am eindrucksvollsten nachweisbaren Einflüsse von Gruppennähe oder Gruppenzugehörigkeit auf das Wahlverhalten basieren auf dem Konzept der Determinierung des Verhaltens durch soziale Kontexte In dessen Anwendung stehen für die beiden großen Parteien in der Bundesrepublik, CDU/CSU und SPD, die Kirchen einerseits und die Gewerkschaften andererseits als Organisationen, die nicht nur mit den Zielsetzungen der ent-sprechenden Parteien in Einklang stehen, sondern diese Ziele einüben, vertiefen und stabilisieren. Wenn nun eine neue Partei mit eigener Ideologie oder auch nur Anti-Haltungen auftritt, dann sollten Wähler mit Bindungen an die sogenannten Vorfeld-organisationen der großen Parteien eher gegen die Abwerbung gefeit sein als Wähler ohne solche Bindungen. Kirchenbindung wird dabei mit Kirchgangshäufigkeit gemessen, weil die formale Zugehörigkeit zur Kirche nicht ausreichend trennscharf ist. Wie bereits an anderer Stelle gezeigt bewirkte die Nähe zur Kirche zunächst grundsätzlich, wenn auch nicht sehr stark, eine Abwehr gegen die Wahl einer Rechtsaußen-Partei, während die Nähe zur Gewerkschaft („Haushaltskonzept“: Gewerkschaftsmitglieder im Haushalt) ohne Einfluß auf das Verhalten der entsprechenden Wähler in bezug auf die Republikaner blieb. In den Tabellen 4 und 5 wird deutlich, daß diese Erkenntnisse auch für das zweite Halbjahr 1989 gelten und prinzipiell auch für die Phase des weiteren Rückgangs der Republikaner im ersten Halbjahr 1990, wenngleich hier die ausgewiesenen Differenzen innerhalb der Fehlertoleranzbereiche liegen.

In einer vorsichtigen Zwischenbilanz auf der Basis zunächst nur struktureller Aufschlüsselungen kommt man zu dem Schluß, daß die Motive zur Wahl der Republikaner zu großen Teilen Protest waren. Protest gegen die Politik der Regierung in unterschiedlichen Bereichen. Hätten politisch-ideologische Verhaltensmotive vorgelegen, so wären diese nur durch Änderungen der politischen Agenda und ohne materielle Lösungen oder zumindest Lösungsansätze der tatsächlichen Probleme nicht verschwunden; sie hätten sich in den Gruppen halten müssen, die die Artikulationsfähigkeit für solche ideologischen Defizite haben, zum Beispiel in der Gruppe der über Sechzigjährigen, formal Hochgebildeten. Die Tatsache, daß vorhandene Kirchen-oder Gewerkschaftsbindungen nur schwachen oder keinen Einfluß auf die Distanz zu den Republikanern hatten, weist ebenfalls darauf hin, daß nicht ideologische Gründe zu Präferenzen für die Republikaner geführt haben, sondern Protest die Ursache für diese Wählerbewegungen war. Diese Frage soll nun weiter anhand der Meinungsstruktur der Wähler der Republikaner diskutiert werden.

III. Meinungsstruktur der Republikaner

Abbildung 3: Republikaneranteile nach Alter und Geschlecht bei der Europawahl (in Prozent) Quelle: Repräsentative Wahlstatistik, Heft 4, Fachserie 1, Europawahl 18. Juni 1989, Wahlbeteiligung und Stimmabgabe der Männer und Frauen nach dem Alter, hrsg. vom Statistischen Bundesamt, Wiesbaden (die Stichprobe der repräsentativen Wahlstatistik enthält keine Briefwähler).

Rechtsextremes Wahlverhalten ist nach Konrad Schacht eine Form des sozialen Protests gegen Benachteiligungen im Strukturwandel einer Gesellschaft. Ein Kennzeichen moderner Industriegesellschaften ist danach die Individualisierung des Menschen, die einerseits große Möglichkeiten der Selbstentfaltung und der autonomen Gestaltung der Lebensführung bietet, zum anderen aber auch das Risiko der Herauslösung aus traditionellen Milieus und Organisationsnetzen und damit Orientierungslosigkeit, Einsamkeit sowie verstärkte Status-und Konkurrenzängste bedeutet. Folgt man dieser These, so sind die Wähler der Republikaner die Verlierer im Modernisierungsprozeß der Industriegesellschaft. Aus etwas anderer Sicht bezeichnet Franz Urban Pappi sehr viel instrumenteller, die Wahl der Republikaner in Anlehnung an Anthony Downs als „rationales Protestwählen“. Man wählt eine neue Partei mit dem strategischen Kalkül, die Regierenden indirekt zu einer Änderung der bisherigen Politik, die man ganz oder in Teilen ablehnt, zu bewegen. Dies bedeutet nicht, daß der Wähler ein geschlossenes rechtes oder sogar rechtsradikales Weltbild haben muß; er wird jedoch, zumindest in Teilbereichen, von der Meinungsstruktur der Gesamtheit, aber auch der die Regierung stützenden Wähler, abweichen. Auch das von Konrad Schacht diagnostizierte Bewußtsein der Angst vor wirtschaftlichem und sozialem Wandel, die soziale Verunsicherung und die politische Entfremdung müßten sich in den Attitüden der Wähler der Republikaner nachweisen lassen.

Einstellungen sind im weitesten Sinn Prädisposition für Verhalten Sie können sich auf generelle Bereiche wie Normen oder Gesellschaftsordnungen beziehen, dann spricht man von Grundeinstellungen, oder aber auf aktuelle Situationen und Probleme, dann kann man von objektbezogenen Einstellungen sprechen.

Im Bereich der Grundeinstellungen machen wir die interessante Beobachtung, daß die Wähler der Republikaner in ihren Haltungen zum gesellschaftlichen System und zu den Ordnungsprinzipien weitgehend die Einstellungen der Unionswähler teilen Das gilt z. B. für ihre Haltung gegenüber einer starken Polizei, die für Sicherheit und Ordnung sorgt, das gilt in der Frage der Leistungsorientierung, aber auch in der Zielorientierung, ob Wirtschaftswachstum über den Umweltschutz gestellt werden soll oder umgekehrt. In der Frage der Wichtigkeit von Ruhe und Ordnung, aber auch der Aufrechterhaltung dieses Prinzips, z. B. im Falle des Konflikts mit dem der freien Meinungsäußerung, gab es genauso große Übereinstimmung zwischen Unionswählern und denen der Republikaner wie bei der Frage, ob der Kommunismus eine Gefahr für unsere Gesellschaftsordnung sei oder nicht. Auch in ihrem Bekenntnis zum Nationalstolz waren sich Unionswähler und Wähler der Republikaner sehr ähnlich.

In der Haltung zu aktuellen Problemen zeigten die Wähler der Republikaner zum Teil deutliche Abweichungen gegenüber den Wählern anderer Parteien und eben auch zu den Unionsanhängem.

Im Bereich wirtschaftlicher Einstellungen und Zukunftserwartungen sahen sich die Wähler der Republikaner zunächst einmal in einer signifikant schlechteren wirtschaftlichen Lage als die anderen, sie waren jedoch eher optimistischer als die Mehrheit, was ihre wirtschaftliche Lage in der Zukunft angeht und machten sich auch nicht mehr Sorgen um ihren Arbeitsplatz als z. B. die Wähler der SPD (50 Prozent). Wenn es um die Beurteilung der Arbeitslosen ging, vertraten sie überproportional häufig die Meinung, die Arbeitslosen würden nicht genug tun, um einen Arbeitsplatz zu bekommen — ähnlich wie die Unionswähler. Dies steht wiederum im Einklang mit der überdurchschnittlichen Betonung des Leistungsprinzips. Auch hier treffen sich die Wähler der Republikaner mit den Anhängern von CDU/CSU.

Republikanerwähler fühlten sich andererseits teilweise sozial depriviert. Sie hatten stärker als andere den Eindruck, daß man auf Behörden zu ihnen unfreundlich ist, daß sie Gesetze nicht verstehen, und sie zeigten deutlich geringeres Vertrauen als die Mehrheit der Bürger in Einrichtungen des Bundes wie den Verfassungsschutz, den Bundesdatenschutzbeauftragten, das Statistische Bundesamt oder die Bundeszentrale für politische Bildung.

Im Bereich der inneren Sicherheit sahen sie viel stärker als andere Bürger eine zunehmende Bedrohung durch Kriminalität und ein Anwachsen von Gewalt bei Demonstrationen. In weit größerem Ausmaß als die Gesamtheit der Bundesbürger wollten sie die Kriminalität durch schärfere Gesetze bekämpfen, wobei sie sehr viel häufiger als andere bereit waren, der Polizei das Recht einzuräumen, sich bei Demonstrationen über bestehende Gesetze hinwegzusetzen. Hieraus spricht eine starke autoritäre Grundhaltung und Neigung zur Durchsetzung von Zielen mit Gewalt.

Die stärksten Unterschiede in den Haltungen von Anhängern der Republikaner und denen anderer Parteien gab es aber in den Fragen, die Ausländer betreffen oder Personen, die aus ihrer Sicht als „nicht dazugehörig“ betrachtet werden. So lehnte die Mehrheit der Republikanerwähler das Asylrecht ab, während die klare Mehrheit der anderen Wähler es akzeptiert. Praktisch alle vertraten die Meinung, daß es zu viele Asylanten in der Bundesrepublik gäbe, und es war für sie ein äußerst wichtiges Problem, den Mißbrauch von Asylrechten zu verhindern.

Republikanerwähler wollten mit großer Mehrheit die Zahl ausländischer Arbeitskräfte in der Bundesrepublik verringern. In der Gesamtbevölkerung ist man hier geteilter Meinung. Ein Wahlrecht für Ausländer wurde noch stärker abgelehnt als von allen anderen Wählern, und das Erlangen der deut-37 sehen Staatsangehörigkeit sollte nach Meinung von Republikanerwählern keinesfalls für Ausländer, die lange Zeit bei uns leben, erleichtert werden.

Fremdenfeindlichkeit erstreckt sich jedoch nicht nur auf Ausländer, auch deutschstämmige Aussiedler aus Osteuropa lehnten die Wähler der Republikaner mit großer Mehrheit ab (68 Prozent), im Widerspruch zu ihrer eigenen, sehr nationalen Grundhaltung. In der Gesamtbevölkerung war man auch hier eher gespaltener Meinung: 46 Prozent fanden eine Aufnahme solcher Aussiedler gut, 47 Prozent nicht gut.

Die Ablehnung alles Fremden machte noch nicht einmal vor Flüchtlingen und Übersiedlem aus der DDR halt. Im September und Oktober 1989, als Deutsche aus der DDR über bundesrepublikanische Botschaften im Ausland ihre Ausreise erzwingen wollten, war die Zurückhaltung unter den Anhängern der Republikaner gegenüber diesen Flüchtlingen sehr viel größer als bei der Gesamtheit der Bevölkerung. Weit überdurchschnittlich viele unter den Wählern der Republikaner befürchteten wegen dieses Flüchtlingsstroms Nachteile für ihren Arbeitsplatz und auf dem Wohnungsmarkt; dies betraf insbesondere die in Mietverhältnissen lebenden Anhänger der Republikaner, obwohl dieser Anteil nur leicht höher ist als in der Gesamtheit. Diese spezifische Form von Fremdenfeindlichkeit nimmt nicht so sehr die Gestalt des Rassismus an, sondern die des Wohlstandschauvinismus der nicht teilen will, da das politisch-soziale Netz auf (West-) Deutsche beschränkt bleiben soll.

Auch in den Einstellungen der Anhänger der Republikaner zu Fragen der Außenpolitik spiegelte sich eine nationale, aber gleichzeitig auch ängstliche Grundhaltung gegenüber den Veränderungen in Europa und der Welt wider. Bei allen europaübergreifenden Themen wie Außen-und Sicherheitspolitik. Rauschgiftbekämpfung und auch Asyl wollten die Wähler der Republikaner viel stärker als alle anderen nationale Lösungen. Sie sahen für die Deutschen, sehr viel stärker als die Mehrheit der Bevölkerung, Nachteile von der Europäischen Gemeinschaft und noch ausgeprägter vom Europäischen Binnenmarkt ausgehen. Auch in der Frage der Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze wichen die Anhänger der Republikaner deutlich von der Mehrheitsmeinung ab: 42 Prozent lehnten die Anerkennung ab, in der Gesamtheit dagegen 22 Prozent. Die Wähler der Republikaner stimmten auch häufiger als die Gesamtheit für eine Auflösung beider Militärbündnisse in Ost und West, und sie vertraten deutlicher als andere Bürger die Meinung, daß Amerikaner in der Bundesrepublik nicht länger stationiert sein sollten.

Unter den Wählern der Republikaner fanden und finden sich überproportional viele, die mit ihrem Leben und ihrem sozialen und ökonomischen Status nicht zufrieden sind. Insbesondere sind sie unzufrieden mit den Veränderungen in gesellschaftlichen Bereichen und der Entwicklung in einzelnen Politikbereichen. Sie lehnen partiell Freiheits-und Gleichheitsrechte ab. Gleichzeitig zeigen sie antiklerikale und antigewerkschaftliche Einstellungen. Sie waren deshalb im Oktober mehrheitlich mit der Ausgestaltung der Demokratie in der Bundesrepublik nicht zufrieden (59 Prozent, im Gegensatz zu 27 Prozent in der Gesamtheit), obwohl sie das System als solches nicht grundsätzlich ablehnen. Den beiden großen Parteien stehen sie kritisch gegenüber, wenngleich diese für große Teile von ihnen bisherige politische Heimat waren. Im Jahr 1989 gaben rund 50 Prozent der Wähler der Republikaner an, früher CDU/CSU gewählt zu haben, rund 20 Prozent gaben die SPD an, 10 Prozent hatten früher gar nicht gewählt, der Rest waren Jungwähler und Wähler von Splitterparteien. Von den ihnen verbleibenden Anhängern im ersten Halbjahr 1990 sagen noch etwas mehr als 30 Prozent, sie hätten früher die Union gewählt, knapp 20 Prozent die SPD, 12 Prozent waren früher Nichtwähler, und sehr viel mehr geben jetzt an, früher Splitterparteien gewählt zu haben.

Die Tatsache, daß die Wähler der Republikaner des Jahres 1989 in ihren gesellschaftlichen Grundeinstellungen weitgehend mit denen der Unionswähler übereinstimmten, in den Einstellungen zu aktuellen Problemen aber zum Teil deutlich von der Mehrheit und auch von den Unionswählern abwichen, stützt die These von der Protestwahl. Bei den Wählern des Jahres 1990, die den Republikanern noch erhalten geblieben sind, zeigen sich auch in den Grund-haltungen Unterschiede zu den Unionswählem, und noch viel stärker zu den gesellschaftlichen Ordnungsvorstellungen der Wähler insgesamt -Dies bedeutet, daß es sich bei den verbleibenden Wählern der Republikaner, die ja nur noch ein Drittel der Stärke von 1989 ausmachen, viel eher um Bekenntniswähler handelt als um reine Protestwähler.

IV. Fazit

Abbildung 4: Republikaneranteile nach Geschlecht (in Prozent) Quelle: Forschungsgruppe Wahlen (Anm. 12).

Die Anhänger der Republikaner waren von Anfang an weder strukturell noch ideologisch eine klar einzugrenzende Gruppe. Es gab strukturelle Schwerpunkte in der Wählerschaft, die auch beim starken Rückgang dieser Partei nicht völlig verschwunden sind. Diese stärkere Unterstützung der Republikaner durch Wähler mit eher einfachem Bildungs-und Berufsstatus — womit zum Teil eine soziale Situation beschrieben ist — konnte zusammen mit den gemessenen Einstellungen der Wähler der Republikaner Aufschlüsse über einige Motive der Wahl geben. Gleichzeitig wurde deutlich, daß die Gründe für diese Wahl vielfältig waren und je nach Alter, Status und Geschlecht variierten.

Die geringen Veränderungen in der sozialstrukturellen Zusammensetzung der eher jüngeren Wähler der Republikaner im Zeitverlauf und die charakteristischen Änderungen bei den älteren Wählern der Republikaner stützen angesichts des unaufhaltbaren Rückgangs der Sympathien für diese Partei die schon früher geäußerte These über den Protestcharakter eines großen Teils der Wahlentscheidungen für die Republikaner.

Die Bindung der Wähler an die Republikaner war nie sehr stark. Auch in Zeiten ihres höchsten Zu-spruchs haben sich nur wenige ihrer Anhänger mit der Partei identifiziert, dagegen etwa die Hälfte ihrer Wähler nach wie vor mit den beiden großen Parteien CDU/CSU und SPD. Im Herbst 1989, bei zurückgehenden Erfolgen, stieg die Identifikation mit der Partei leicht an Prozent), und es sank der Anteil derjenigen Republikaner-Wähler mit deutlichen Bindungen an die beiden großen Parteien auf ca. 35 Prozent 22). Im Mai/Juni dieses Jahres, bei weniger als 2 Prozent Stimmenanteil für die Republikaner, stieg die Identifikation ihrer Wähler fast auf die Höhe, die bei den Wählern der großen Parteien gemessen wird (70 Prozent). Selbst bei vorsichtiger Interpretation der Daten heißt dies, daß der größte Teil der Protestwähler, die die Republikaner zu Beginn ihrer Karriere an sich ziehen konnten, die Nähe zu dieser Partei bereits wieder meidet und zu den angestammten Parteien zurückgekehrt ist, zumindest aber dazu bereit ist.

Zudem zeigt die Struktur des Meinungsbildes der jetzigen Anhängerschaft der Republikaner, das ja im Vergleich zu 1989 eher härtere Konturen bekommen hat, daß die Bekenntniswähler jetzt wohl in der Überzahl sind; dies bestätigt im Nachhinein die Protestwählerthese.

Wenn die Republikaner auf der Größe einer „gehobenen“ Splitterpartei bleiben und für die Verteilung der Macht im Dezember 1990 keine bedeutende Rolle mehr spielen können, und das ist die wahrscheinlichste Entwicklung, dann ist das Potential für rechtsextreme politische Bewegungen natürlich nicht verschwunden. Wenn Rechtsradikalismus eine „normale Pathologie von freiheitlichen Industriegesellschaften ist“ dann wird es immer wieder zu solchen Bewegungen am rechten Rand des Parteienspektrums kommen. Die Vorbedingungen dazu sind in den Einstellungsstrukturen der Bevölkerung latent vorhanden, Anlässe liefert die Politik. Die Themen und Probleme, mit denen die Republikaner im letzten Jahr ihre Erfolge erreicht haben, sind — mit Ausnahme der Beseitigung des Defizits in Fragen der nationalen Einheit — nicht gelöst, aber sie sind verdeckt durch die sich vollziehende Vereinigung der beiden deutschen Staaten. Die Chancen der Republikaner, sich im bundesrepublikanischen Parteiensystem einzunisten, waren von Beginn an aus einer Reihe von Gründen nicht sehr groß sie sind jetzt für die Republikaner oder eine Partei anderen Namens mit gleicher Intention für einige Zeit verschwindend gering.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. z. B.: Bei den Republikanern wird abgerechnet, in: Süddeutsche Zeitung vom 3. Juli 1990, S. 22.

  2. Vgl. Franz Urban Pappi, Die Republikaner im Parteien-system der Bundesrepublik, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 21/90. S. 39.

  3. Vgl. Forschungsgruppe Wahlen e. V., Repräsentative Befragung in Frankfurt/Main, 7. — 10. März 1989, 887 Befragte.

  4. Vgl. Forschungsgruppe Wahlen e. V., Repräsentative Befragung im Saarland, 23. -26. Januar 1990. 1024 Interviews.

  5. Vgl. Statistische Berichte des Bayerischen Landesamts für Statistik und Datenverarbeitung, Kommunalwahl in Bayern am 18. März 1990. Endgültige Ergebnisse. München 1990.

  6. Vgl. Dieter Roth. Sind die Republikaner die fünfte Partei, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 41- 42/89. S. 10- 20.

  7. Vgl. Joachim Hoffmann-Göttig, Die neue Rechte: Die Männerparteien, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 41 - 42/89. S. 30.

  8. Vgl. Wilhelm Heitmeyer. Jugend und Rechtsextremismus, in: G. Paul (Hrsg.), Hitlers Schatten verblaßt, Bonn 1989. S. 101 ff.

  9. Bei einer Abfrage der möglichen Beteiligung an Protesten in der Öffentlichkeit zeigen Frauen signifikant geringere Beteiligungsbereitschaft, sobald die Maßnahmen den gesetzlichen Rahmen sprengen oder aber mit Gewalt, z. B. bei der Teilnahme an einer Demonstration, gerechnet werden muß. Vgl. Einstellungen zu aktuellen Fragen der Innenpolitik 1989, ipos repräsentative Bevölkerungsumfrage, 2 040 Fälle, Mai 1989.

  10. Vgl. ipos repräsentative Umfrage im September/Oktober 1989, Parteiensystem im Wandel, 3 099 Fälle. Sowohl bei der Frage der Aufnahme von deutschstämmigen Aussiedlern aus Osteuropa als auch bei der positiven Bewertung des Rechts auf Asyl sind Frauen deutlich zurückhaltender als Männer.

  11. Vgl. D. Roth (Anm. 6).

  12. Die vorhandenen Umfragen, in denen die Wahlabsicht für die Republikaner erfaßt ist, wurden in drei Zeitabschnitten kumuliert: Februar-Juni 1989, 6 078 Fälle = 1. Halbjahr 1989; August-Dezember 1989, 6 788 Fälle = 2. Halbjahr 1989; Januar-Juni 1990, 6 197 Fälle = 1. Halbjahr 1990.

  13. Vgl. Franz Urban Pappi, Sozialstruktur und politische Konflikte in der Bundesrepublik, unveröffentlichte Habilitationsschrift an der Universität zu Köln 1976.

  14. Vgl. D. Roth (Anm. 6).

  15. Vgl. Konrad Schacht. Gesellschaftliche Modernisierung, Wertewandel und rechtsextremistische Orientierungen, in: Kurt Bodewick u. a. (Hrsg.), Die schleichende Gefahr. Rechtsextremismus heute, Essen 1990, S. 77.

  16. Vgl. F. U. Pappi (Anm. 2), S. 38.

  17. Vgl. Anthony Downs, Ökonomische Theorie der Demokratie, Tübingen 1968.

  18. Vgl. Thomas Kerry (ed.). Attitutes and Behaviour, London 1971.

  19. Wir beziehen uns bei der Darstellung der Meinungsstruktur auf die Untersuchungen: ipos, Mai 1989 (Anm. 9); ipos, September/Oktober 1989 (Anm. 10).

  20. Vgl. Eike Hennig, Organisationsstrukturen rechtsextremer Parteien, in: K. Bodcwick (Anm. 15), S. 127.

  21. Dies geht aus einer repräsentativen Untersuchung von ipos, Einstellungen zu aktuellen Fragen der Innenpolitik, 11. 5. — 31. 5. 1990, 2 093 Interviews, hervor, in der weitgehend identische Fragen mit der ipos-Untersuchung Mai 1989 (Anm. 9), gestellt wurden.

  22. Die restlichen 42 Prozent identifizieren sich mit keiner Partei.

  23. Erwin K. Scheuch/Hans D. Klingemann, Theorie des Rechtsradikalismus in westlichen Industriegesellschaften, Tübingen 1967.

  24. Vgl. D. Roth (Anm. 6), S. 18.

Weitere Inhalte

Dieter Roth, Dr. phil., geb. 1938; Mitglied des Vorstands der Forschungsgruppe Wahlen e. V., Mannheim; Lehrbeauftragter am Institut für Politische Wissenschaft der Universität Heidelberg. Veröffentlichungen zu den Themenbereichen empirische Elitenforschung, Wahlsoziologie (speziell Ökonomie und Wahlverhalten) sowie Jungwähler.