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Die deutsche Frage und die Europäische Gemeinschaft | APuZ 29/1990 | bpb.de

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APuZ 29/1990 Die Idee der Nation und die Lösung der deutschen Frage Die deutsche Frage und die Europäische Gemeinschaft Die Ostpolitik der Bundesrepublik Deutschland und die deutsche Frage. Historische Entwicklungen und politische Optionen im Ost-West-Konflikt Umbruch in Europa Die deutsche Frage und ihre sicherheitspolitischen Herausforderungen für die Siegermächte

Die deutsche Frage und die Europäische Gemeinschaft

Gerd Langguth

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Zusammenfassung

Die Existenz der Europäischen Gemeinschaft -die schon bald nach dem Zweiten Weltkrieg mit der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) im Jahre 1951 begann und dann 1957 mit den Römischen Verträgen weiter fundiert wurde -hängt unmittelbar mit der deutschen Frage zusammen: sie sollte sowohl Sicherheit für Deutschland als auch Sicherheit vor Deutschland garantieren. Die keineswegs von allen geteilte Erkenntnis, daß Deutschland so lange geteilt bleibe, so lange der Riß der Spaltung auch durch Europa ginge, wurde durch die Ereignisse in der DDR und in anderen zentral-und osteuropäischen Staaten bestätigt. Es dürfte (neben anderen Faktoren, wie z. B. die Annäherung der beiden Supermächte) gerade die Faszinationskraft der (west-) europäischen Integration gewesen sein, die die Erosion im Staatenbereich des Warschauer Paktes forcierte. Vielen war in der Bundesrepublik der Zusammenhang der Deutschland-und Europapolitik nicht mehr einsichtig, obwohl er sich auch in den europäischen Vertragswerken niedergeschlagen hat. Teilweise wurde in der Bundesrepublik sogar die Auffassung vertreten, der Prozeß der europäischen Einigung erschwere oder verhindere sogar die Einheit der Deutschen. Das deutsche Volk war indes in der Präambel des Grundgesetzes aufgefordert worden, „seine nationale und staatliche Einheit zu wahren und als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen“. Auch insoweit war vom Verfassungsgebot her die deutsche Frage in den europäischen Kontext eingebettet.

I. Vorbemerkung

„Die Gemeinschaft freut sich auf den positiven und fruchtbaren Beitrag, den das ganze deutsche Volk im Anschluß an die bevorstehende Eingliederung des Staatsgebiets der DDR in die Gemeinschaft leisten kann.“ Dieser Satz aus den Schlußfolgerungen des Sondergipfels der Staats-und Regierungschefs der zwölf EG-Staaten am 28. April 1990 in Dublin markiert den Zusammenhang zwischen der staatlichen Einheit der Deutschen und der europäischen Integration. Die politischen Veränderungen in Deutschland haben wichtige Auswirkungen auf den Integrationsprozeß der Zwölf. So zeigte sich die Gemeinschaft auf dem Gipfel zuversichtlich, daß die Vereinigung Deutschlands „ein positiver Faktor in der Entwicklung Europas im allgemeinen und der Gemeinschaft im besonderen sein wird.“ Gleichzeitig wies aber der Gipfel auch darauf hin. daß in vielfältigen Fragen der deutschen Einheit die Gemeinschaft beteiligt sein will.

Gerade Bundespräsident Richard von Weizsäcker hat immer wieder auf den Zusammenhang der deutschen und der europäischen Teilung hingewiesen: „Die deutsche Frage ist eben offen, so lange das Brandenburger Tor zu bleibt. Die offene Deutsche Frage ist Teil der offenen Europäischen Frage, einer Friedensordnung für Europa.“

Nicht nur die Deutschen selbst, auch die Europäer insgesamt wurden von der deutschen Frage — letztlich unvorbereitet — wieder eingeholt. Zwar wurde in allen wichtigen Grundsatzdokumenten die Verbindung der europäischen mit der deutschen Dimension angesprochen: sowohl im Grundgesetz des Jahres 1949. in den Deutschlandverträgen zwischen den drei westlichen Alliierten und der Bundesrepublik Deutschland der Jahre 1952/1954, in dem Harmel-Bericht des Jahres 1967 oder in der Erklärung zum vierzigjährigen Jubiläum des Nordatlantik-Vertrages 1989. Helmut Kohl erklärte beispielsweise im Januar 1989: „Ich bin mit Adenauer der Auffassung, daß Wiedervereinigung und europäische Integration kein Gegensatz sind.“ In der politischen Öffentlichkeit kristallisierten sich vor der Wende des 9. November 1989 gelegentlich sol-ehe Positionen heraus, die die westeuropäische Integration und die Vollendung des Europäischen Binnenmarktes zum 31. Dezember 1992 als einen möglichen Gegensatz zu der die bundesdeutsche Politik verpflichtenden Präambel des Grundgesetzes interpretierten. Zwei Beispiele mögen dies belegen: — Fünf Bundestagsabgeordnete der CDU/CSU-Fraktion (Manfred Abelein. Heinrich Lummer. Michael von Schmude, Jürgen Todenhöfer und Herbert Werner) verlangten in einer Presseerklärung am 16. Januar 1989 von der Bundesregierung „ein klares, konkretes und unmißverständliches Bekenntnis zum Vorrang des Staatsziels der Wiedervereinigung vor dem Ziel der westeuropäischen Integration“. Sie forderten insbesondere das Auswärtige Amt auf, „diesen Vorrang der Wiedervereinigung in völkerrechtlich verbindlicher Form abzusichern“. Diese Pressemitteilung war die Reaktion auf Antworten des Außenministeriums zum Verhältnis von deutscher Frage und europäischer Integration, die von den Abgeordneten als „völlig unbefriedigend“ deklariert wurde: „Dies gilt vor allem für die Frage nach der Bereitschaft der Bundesregierung. durch einen völkerrechtlich verbindlichen Wiedervereinigungsvorbehalt sicherzustellen, daß das auf dem Selbstbestimmungsrecht der Völker beruhende Recht der Deutschen, frei und ohne Zustimmung Dritter über die Wiedervereinigung zu entscheiden, auch im Falle eines Beitritts zu einer Europäischen Union gewahrt bleibt.“

— Der SPD-Deutschlandexperte Egon Bahr hingegen resümierte im November 1988 mit seiner Rede „Nachdenken über das eigene Land“, daß die Vollendung eines europäischen Binnenmarktes einen Widerspruch zur Forderung nach Wiedervereinigung darstelle. „Das Grundgesetz will eine Revision des Status quo in Europa durch staatliche deutsche Einheit. Die Westeuropäische Union soll den Status quo unrevidierbar machen“, behauptete Egon Bahr, der in seiner Rede darauf hinwies, daß die Bundesrepublik bei Abschluß der Römischen Verträge über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und die Europäische Atomgemeinschaft (EURATOM) einen Wiedervereinigungs-vorbehalt gemacht habe. Daher zeigte er sich auch erstaunt, „daß dem Bundesverfassungsgericht niemals ein Urteil darüber abverlangt worden ist, ob europäische Integration und Einheit einander widersprechen“.

Immer wieder hatte es in der Publizistik Hinweise dafür gegeben, die deutsche Einheit könne durch die westeuropäische Integration behindert werden. Als Beispiel hierfür sei Günter Gaus genannt: Der europäische Weg zementiere „gleichzeitig durch den weiteren Ausbau der Westeuropäischen Wirtschaftsgemeinschaft die Teilung des Kontinents“, eine von Brüssel „betriebene europäische Spaltungspolitik“ enge die ohnehin geringen Handlungsvollmachten der osteuropäischen Staaten nur noch weiter zugunsten der Moskauer RGW-Zentrale ein: „Die EWG selbst ist die Säule, auf der westlicherseits die europäische Teilung ruht.“

So sehr zwar von den Führungspersönlichkeiten der gegenwärtigen Koalitionsregierung aus CDU/CSU und FDP wie auch von der Spitze der SPD die westeuropäische Integration als unverrückbarer Eckstein bundesdeutscher Politik interpretiert werden, so beeinflussen doch die Ereignisse in der DDR und insgesamt in Osteuropa die europäische Integration der Zwölf. Einige Mitgliedstaaten äußerten die Sorge, daß die Vertiefung der Gemeinschaft — d. h. ein schnelles Tempo bei der Verwirklichung der Vollendung des Binnenmarktes bis zum 31. Dezember 1992, die Schaffung einer Währungsunion, der verstärkte Ausbau der Europäischen Politischen Zusammenarbeit (EPZ) und die Diskussion über eine europäische Verfassung — durch die Tatsache behindert wird, daß vielfältige Energien der wirtschaftlich starken westeuropäischen Partner, vor allem der Bundesrepublik, nach Osteuropa umgeleitet werden. In einigen Mitgliedstaaten wird die Vermutung geäußert, das Interesse der Bundesrepublik an einer Vertiefung der westeuropäischen Integration lasse nach und die Investitionen bundesdeutscher Firmen würden insbesondere in den Randgebieten der Zwölfergemeinschaft reduziert.

Umgekehrt gibt es auch die Sorge in der Bundesrepublik, die enge Verflechtung mit der Europäischen Gemeinschaft könne die Handlungsfreiheit der Bundesrepublik behindern. Ein typisches Beispiel für diese Haltung ist der „Spiegel“ -Herausgeber Rudolf Augstein: „Die Rechnung, daß alle, außer den Deutschen, ihre Interessen wahmehmen dürfen, wird nicht aufgehen. Man wird von den Westdeutschen nicht verlangen können, daß sie der EG eilbedürftig unsachliche Zugeständnisse machen, nur damit die Ostdeutschen nicht dazukommen.“ 2a) Doch zeigte das Revolutionsjahr 1989, daß die Deutschen in der DDR in der Lage waren, durch engagierten Protest im Inneren eine Diktatur abzustreifen und eine echte Revolution herbeizuführen — wobei vergessen wird, daß eine der großen europäischen Revolutionen eben in der heutigen DDR begonnen hat, ausgelöst durch Martin Luthers Reformation. Und Henry A. Kissinger hat recht, wenn er sagt: „Wie so oft seit dem Westfälischen Frieden von 1648 bildet Deutschland auch jetzt das Kernstück der revolutionären Veränderungen, die ganz Europa erschüttern.“

II. Einige historische Aspekte der europäischen Integration

Unzweifelhaft ist die Teilung der Deutschen mit der Teilung Europas verwoben. Auf einige Aspekte sei hier verwiesen: 1. Die Teilung Deutschlands war für die Deutschen insofern besonders folgenschwer, weil sich für sie durch die Teilung Europas zugleich das Problem ihrer nationalen Identität stellte. Polen ohne Kommunisten an der Spitze bleibt dennoch Polen. Ein verändertes Ungarn ohne Kommunisten an der Spitze bleibt ebenfalls Ungarn. Es war indes sehr logisch, wenn der einstige Cheftheoretiker der SED. Otto Reinhold, erklärte: „Welche Existenzberechtigung sollte eine kapitalistische DDR neben einer kapitalistischen Bundesrepublik Deutschland haben? Natürlich keine!“ Trotz der Doktrin von der Allmacht der Partei konnte die SED-Führung keine eigene nationale Identität der DDR-Bevölkerung erzwingen Die Nationalhymne der DDR durfte jahrelang nicht mehr gesungen werden, denn der Text dieser von Johannes R. Becher formulierten Hymne mit der Forderung „Deutschland, einig Vaterland“ wurde als „eine Art geheime Verschlußsache behandelt“. In einem DDR-Kommentar zur Vereinigung der deutschen Staaten vom Januar 1990 heißt es denn auch: „Es gehört zu den fatalsten politischen Fehlentscheidungen der einstigen Partei-und Staatsführung unter Honecker, daß sie das Fortbestehen der deutschen Nation kurzerhand verleugnete und die deutsche Frage für nicht existent erklärte. Wie die Ereignisse des Jahres 1989 bewiesen, war diese Politik destabilisierend für die DDR, für den Sozialismus und damit auch für den Frieden in Europa.“ 2. Trotz mancher theoretischer Unterscheidung der Begriffe Staats-und Kulturnation haftete lange Jahre der Bundesrepublik Deutschland ein provisorischer Charakter an, während die DDR-Führung weitgehend auf eine Abgrenzung zur Bundesrepublik Deutschland fixiert war, aber ohne hierbei die Ziele eines Sozialismus und die Herausbildung eines eigenen Nationalgefühles in der Bevölkerung durchsetzen zu können. Der provisorische Charakter der Bundesrepublik kam in Artikel 146 des Grundgesetzes zum Ausdruck: „Dieses Grundgesetz verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist.“ Zwar verstand sich die Bundesrepublik Deutschland in ihrer definitiven Entscheidung für die Demokratie nicht als Provisorium — denn die klare Entscheidung lautete: Freiheit vor Einheit —, wohl aber in der Vorläufigkeit der staatlichen Ordnung. Den Forderungen, die auch in der bundesdeutschen Politik nach völkerrechtlicher Anerkennung der DDR erhoben wurden, waren durch entsprechende Urteile des Bundesverfassungsgerichtes Schranken gesetzt, wobei insbesondere Artikel 116 des Grundgesetzes durch die Festlegung des Begriffes „Deutscher“ eine deutsche Staatsbürgerschaft proklamierte. Dieses Rechtsinstitut der einen deutschen Staatsbürgerschaft war und ist das wichtigste institutionell bindende Element der Deutschen, weil es den verfassungsrechtlich garantierten Anspruch der DDR-Bürger sicherstellt, in der Bundesrepublik Deutschland als Inländer behandelt zu werden. Dieses Rechtsinstitut führte dann auch zur Erosion der DDR, zu einer Massenflucht zu circa 300 000 Deutschen im Jahre 1989 und zu Übersiedlungsraten von bis zu 3 000 Personen pro Tag im Frühjahr 1990.

3. Das Grundgesetz verankerte indes zwei miteinander konkurrierende Grundtendenzen, da in der Präambel das deutsche Volk aufgefordert wurde, „seine nationale und staatliche Einheit zu wahren und als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen“.

4. Gleichwohl trat in der Gründungsphase der Bundesrepublik ihre Abhängigkeit von der internatio-nalen Politik und auch von den Entscheidungen der früheren Siegermächte deutlich zutage, insbesondere bei der Bewältigung der Kriegsfolgen, den Bemühungen um den Wiederaufbau in einer bipolar gewordenen Zeit, in der die Bundesrepublik Deutschland gegenüber einem stärker werdenden Kommunismus Schutz in der Westintegration suchte Aber nur durch diese Bindung konnte auch eine Handlungsfähigkeit (west) deutscher Politik wiederhergestellt werden. Darüber hinaus gab es unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg Bemühungen, den nationalstaatlichen Egoismus durch die Schaffung internationaler Organisationen, vor allem den Vereinten Nationen, einzudämmen. So wurde mit den Vereinten Nationen eine Organisation ins Leben gerufen, die auf vergleichbaren utopischen Vorstellungen beruhte wie nach dem Ersten Weltkrieg der Völkerbund. Aber immerhin war der Versuch neu, in diesem Rahmen über Sonderorganisationen eine neue Weltwirtschaftsordnung zu begründen So wurde dem Internationalen Währungsfonds (IWF) die Aufgabe zugewiesen, die Währungsrelationen zu stabilisieren, die Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (Weltbank) sollte die internationalen Investitionen fördern und mit dem Allgemeinen Zoll-und Handelsabkommen (GATT) wurde schließlich der Rahmen für multilaterale Verhandlungen über die Senkung der Zolltarife und die Beseitigung sonstiger Handelshemmnisse geschaffen. Und schließlich bot der amerikanische Außenminister George Marshall im Juni 1947 in einer Rede an der Harvard-Universität die finanzielle Hilfe der Vereinigten Staaten für den wirtschaftlichen Wiederaufbau Europas an. Ferner wurde der Europarat gegründet. 5. Als besonders bedeutsam hat sich indes die eindrucksvolle Rede Robert Schumans vom 9. Mai 1950 erwiesen, mit der eine Wende in der französischen Deutschlandpolitik herbeigeführt wurde. Es wurde von ihm vorgeschlagen, den Kohlebergbau und die Stahlindustrie Frankreichs und Deutschlands sowie aller anderen europäischen Staaten einer gemeinsamen europäischen Behörde zu unterstellen. Mit dem am 18. April 1951 in Paris unterzeichneten Vertrag über die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) — basierend auf den Überlegungen Jean Monnets — war die Bundesrepublik Deutschland als gleichberechtigtes Glied von den fünf anderen Vertragspartnern akzeptiert worden Damit war die Gründung der heutigen Europäischen Gemeinschaft vorgezeichnet. Der Beitritt der Bundesrepublik Deutschland basierte u. a. auf Artikel 24 des Grundgesetzes, nach dem der Bund durch Gesetz „Hoheitsrechte auf zwischenstaatliche Einrichtungen übertragen“ kann — eine Neuheit im deutschen Verfassungsrecht. Diese Bestimmung sollte, wie Carlo Schmid als Berichterstatter in der zweiten Plenarsitzung des Parlamentarischen Rats vom 8. September 1948 ausführte, zeigen, daß „das deutsche Volk . . . entschlossen“ ist, „aus der nationalstaatlichen Phase seiner Geschichte in die übernationalstaatliche Phase einzutreten“

Die eigentlich revolutionäre Bedeutung der westeuropäischen Integration seit dem EGKS-Vertrag besteht darin, daß die an dieser Integration beteiligten Staaten freiwillig Kompetenzen auf eine Gemeinschaft übertragen haben, ohne daß dies durch Gewalt erzwungen wurde. Damit wurde — anders als nach dem Ersten Weltkrieg — einem nationalstaatlichen Rückfall entgegengewirkt. Der Aufbau einer neuen Demokratie in der Bundesrepublik Deutschland war also mit der Europaidee eng verknüpft. Schnell stellte sich heraus, daß sich die Bundesrepublik Deutschland im Zentrum Europas zu einer Mittelmacht entwickelte, die eine kritische Größe besaß: „Sie ist zu stark, um für die anderen uninteressant zu sein. Sie ist zu schwach, um von den Interessen der Umwelt unberührt zu bleiben.“

Die zunehmende Verflechtung der bundesdeutschen Politik mit der Europäischen Gemeinschaft führte indes zu der Erkenntnis, daß das wirtschaftliche Potential eines 62 Millionen-Volkes durch eine politische Integration überdeckt ist. in der klassisches nationales Überlegenheitsstreben durch Kooperation in der EG gebändigt ist. Die bundesdeutsche Politik war also immer gezwungen, sowohl in nationalen als auch in europäischen Kategorien zu denken. „Ohne Übertreibung dürfen wir sagen: die Bundesrepublik Deutschland begreift sich heute als Teil ihrer Umwelt und handelt nicht isoliert. Bei ihrer Politik des Interessenausgleiches nimmt sie nicht nur Rücksicht auf das westliche Bündnis, in dem sie sich fest verankert fühlt, sondern sie beachtet auch die besondere Interessenlage der sozialistischen Staaten. Die Bundesrepublik Deutschland hat ihre neue Rolle als größere mittlere Macht, d. h. ihre natürliche, dem Gewicht nach zukommende Bedeutung akzeptiert.“ 6. Diese europäische Zusammenarbeit wurde zudem kombiniert mit einer engen Anlehnung an die Vereinigten Staaten von Amerika, die in einer Zeit des Kalten Krieges insbesondere den Deutschen in der Bundesrepublik Schutz gegenüber einem sich ausbreitenden Kommunismus versprach. Zugleich blieben die Souveränitätsrechte der vier Hauptsiegermächte über Deutschland als Ganzes erhalten.

Wie sehr der besondere Status gerade von Berlin für die früheren vier Hauptsiegermächte immer schon ein Hebel zur Beeinflussung deutscher Politik war, zeigt nicht nur das Vier-Mächte-Abkommen über Berlin des Jahres 1971, sondern in symbolhafter Weise auch das Zusammentreffen der vier alliierten Botschafter, das auf sowjetisches Betreiben hin am Montag, den 11. Dezember 1989 zu einer offiziellen Botschafterkonferenz der vier Siegermächte des Zweiten Weltkrieges führte. Damit trafen sich erstmals nach 18 Jahren — nach Abschluß der Vier-Mächte-Verhandlungen über Berlin — im alten Alliierten Kontrollratsgebäude in West-Berün die Botschafter der vier Siegermächte. Zwar war offizieller Anlaß die Reagan-Initiative des Jahres 1987 zur Verbesserung der politischen Situation in und um Berlin, doch hat offensichtlich die Sowjetunion bei diesem Zusammentreffen versucht, den Gesprächsgegenstand insgesamt auf die deutsche Frage auszudehnen.

Dieses Treffen kann als ein Signal der Vier an die Deutschen gewertet werden, daß die deutsche Frage nicht nur den Deutschen alleine gehört. Allerdings mußten sich die Sowjets mit dieser Botschafterkonferenz in einem Dilemma befinden, weil sie in der Vergangenheit die Berufung der drei Westmächte auf den Vier-Mächte-Status von ganz Berlin als überholt zurückgewiesen hatten. Es ist nicht ausgeschlossen, daß die Sowjetunion zeitweilig daran dachte, die Vier-Mächte-Verantwortung für Berlin und Deutschland als Ganzes ins Spiel zu bringen, wenn ihr das noch die Möglichkeit gegeben hätte, die Entwicklung insbesondere in der DDR politisch beeinflussen zu können. Insgesamt muß also festgehalten werden, daß ein Friedensvertrag mit Deutschland noch aussteht. Die (gegen-wärtig noch laufenden und) in Ottawa am 13. Februar 1990 beschlossenen „Zwei-plus-Vier" -Gespräche zwischen den beiden Staaten in Deutschland und den einstigen vier Siegermächten sollen, nach Zielsetzung der beiden deutschen Regierungen, noch vor dem für den Herbst 1990 geplanten KSZE-Treffen zum Abschluß und zu fr Februar 1990 beschlossenen „Zwei-plus-Vier" -Gespräche zwischen den beiden Staaten in Deutschland und den einstigen vier Siegermächten sollen, nach Zielsetzung der beiden deutschen Regierungen, noch vor dem für den Herbst 1990 geplanten KSZE-Treffen zum Abschluß und zu friedensvertragsähnlichen Regelungen kommen.

III. Gibt es eine europäische Deutschlandpolitik?

Bisläng war die oben erläuterte Zielsetzung der deutschen Einheit in der praktischen Politik der EG-Staaten nur von untergeordneter Bedeutung. Kenner der deutschen Szene wußten zwar, daß allein die Existenz der Insellage West-Berlins und die besondere statusrechtliche Situation Gesamt-Berlins ein dauerhafter Hinweis auf die Teilung Deutschlands war 12). Immer wieder mußte um die Einbeziehung West-Berlins in die Politik der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Gemeinschaft mit den osteuropäischen Staaten gekämpft werden. Die Situation um die geteilte Stadt war also ein Hinweis auf das Problem der deutschen Teilung. Zwar gab es bislang keine ausformulierte Deutschland-und Berlinpolitik der EG, doch gibt es in den Römischen Verträgen von 1957 eine Reihe von Hinweisen auf deutschlandpolitische Rahmenbedingungen der Gemeinschaft: — Besonders bedeutsam ist hier Artikel 92, der die Beihilfenregelungen innerhalb der Gemeinschaft definiert, nach dem bestimmte staatliche Subventionen den Wettbewerb verfälschen. Als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar sind jedoch nach Artikel 92, Absatz 2 c, „Beihilfen für die Wirtschaft bestimmter durch die Teilung Deutschlands betroffener Gebiete der Bundesrepublik Deutschland, soweit sie zum Ausgleich der durch die Teilung verursachten wirtschaftlichen Nachteile erforderlich sind.“ 13) — Als besonders wichtig hat sich das „Protokoll über den innerdeutschen Handel und die damit zusammenhängenden Fragen“ erwiesen, das integraler Bestandteil der Römischen Verträge ist und in dem sich die Vertragsparteien einigten, daß der Handel zwischen der DDR und der Bundesrepublik Deutschland nach der Rechtsauffassung der Bundesrepublik Deutschland kein Außenhandel ist: „Da der Handel zwischen den deutschen Gebieten innerhalb des Geltungsbereiches des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland und den deutschen Gebieten außerhalb dieses Geltungsbereiches Bestandteil des innerdeutschen Handels ist, erfordert die Anwendung dieses Vertrages in Deutschland keinerlei Änderung des bestehenden Systems dieses Handels.“ — Bei der Unterzeichnung der Verträge zur Gründung der EWG und der Europäischen Atomgemeinschaft (EURATOM) gab die Regierung der Bundesrepublik Deutschland zudem folgende Erklärung ab: „Als Staatsangehörige der Bundesrepublik Deutschland gelten alle Deutschen im Sinne des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland.“ Dieses Rechtsinstitut der einen deutschen Staatsbürgerschaft ist das wesentliche Element des Zusammenhalts der Deutschen in einer Nation. — Die Vertragsparteien der Römischen Verträge gaben auch eine „Gemeinsame Erklärung betreffend Berlin“ ab in der sie, „im Hinblick auf die besondere Lage Berlins und die Notwendigkeit seiner Unterstützung durch die freie Welt“ und „in dem Wunsche, ihre Verbundenheit mit der Bevölkerung Berlins zu bekräftigen“ zum Ausdruck bringen, sie würden in der Gemeinschaft „ihre guten Dienste dafür einsetzen, daß alle erforderlichen Maßnahmen getroffen werden, um die wirtschaftliche und soziale Lage Berlins zu erleichtern, seine Entwicklung zu fördern und seine wirtschaftliche Stabilität zu sichern“. Daß die Gemeinschaft gerade Berlin einen besonderen Stellenwert einräumt, ist auch daraus zu ersehen, daß bei der Kommission der stellvertretende Generalsekretär zugleich Berlin-Beauftragter ist — Außerdem gab die Regierung der Bundesrepublik Deutschland über die Geltung der Verträge für Berlin eine Erklärung ab, nach der sie sich vorbehält, bei der Hinterlegung ihrer Ratifikationsurkunde zu erklären, „daß die Verträge zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft auch für das Land Berlin gelten“. Die Einbeziehung Berlins zeigt sich auch darin, daß — trotz einstiger indirekter Wahl der Berliner Abgeordneten zum Europäischen Parlament — diese im bisherigen Gegensatz zu ihren Bundestagskollegen volles Stimmrecht besitzen.

Trotz dieser eindeutigen rechtlichen Positionen, die die Bundesrepublik Deutschland in die Römischen Verträge eingebracht hat, kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Europäische Gemeinschaft in der Vergangenheit die Deutschlandpolitik etwa zum Schwerpunkt erklärt hat. Zwar gab es im Rahmen der Europäischen Politischen Zusammenarbeit (EPZ) vielfältige gemeinsame außenpolitische Aktivitäten der europäischen Staaten (so eine westliche Ostpolitik zu Fragen des Selbstbestimmungsrechtes oder zur Afghanistan-Politik der Sowjetunion). Indes hat die seit 1970 bestehende EPZ, die aufgrund einer politischen Übereinkunft außerhalb der Römischen Verträge zustande kam und erst jetzt aufgrund des Luxemburger Gipfels vom Dezember 1985 eine vertragliche Regelung erfahren hat, bisher die Deutschlandpolitik weitgehend ausgeklammert (allerdings gibt es eine Deutschlandpolitik der drei Mächte und der NATO-Mitgliedstaaten). Natürlich soll dabei nicht übersehen werden, daß es innerhalb der befreundeten westeuropäischen Staaten — wie übrigens auch innerhalb der Bundesrepublik Deutschland selbst — unterschiedliche Auffassungen zur Wiedervereinigung gibt. Ein gewisses Aufsehen erregte in der Bundesrepublik Deutschland so im Jahre 1984 die Tatsache, daß der damalige italienische Außenminister Andreotti nicht nur formulierte: „Es gibt zwei deutsche Staaten, und zwei müssen es bleiben“, sondern auch das Gespenst eines „Pangermanismus“ als drohende Gefahr bezeichnete.

IV. Die Reaktion der EG auf den 9. November 1989

In der internen Gemeinschaftsdiskussion, so kurz vor und während des Europäischen Rates im Dezember 1989 in Straßburg, traten im Anschluß an den Zehn-Punkte-Plan von Bundeskanzler Kohl die grundsätzlichen Aspekte der Deutschlandfrage wieder in den Vordergrund. Die Diskussion kulminierte schließlich in dem vom Europäischen Rat angenommenen Text, der sich in der „Erklärung zu Mittel-und Osteuropa“ der Europäischen Politischen Zusammenarbeit findet: „Wir streben die Stärkung des Zustandes des Friedens in Europa an. in dem das deutsche Volk in freier Selbstbestimmung seine Einheit wiedererlangt. Dieser Prozeß muß sich auf friedliche und demokratische Weise und unter Wahrung der Abkommen und Verträge sowie sämtlicher in der Schlußakte von Helsinki niedergelegten Grundsätze im Kontext des Dialogs und der Ost-West-Zusammenarbeit vollziehen. Er muß auch in die Perspektive der europäischen Integration eingebettet sein.“ Dieser komplexe und sehr sorgfältig redigierte Text nimmt in seinem ersten Satz im wesentlichen eine Formulierung auf. die schon im Brief zur Deutschen Einheit anläßlich des Moskauer Vertrages von 1970 enthalten ist und die seitdem in viele internationale Texte in ähnlicher Form aufgenommen wurde. Mit dieser Formulierung wird das Recht auf Einheit in freier Selbstbestimmung bestätigt. Im zweiten Satz wird dann auf die Notwendigkeit der Wahrung sämtlicher, in der Schlußakte von Helsinki niedergelegter Grundsätze hingewiesen. In diesem Zusammenhang sind zwei Grundsätze der Schlußakte von Bedeutung, nämlich die Unverletzlichkeit der Grenzen, sogleich aber auch die Möglichkeit, Grenzen durch friedliche Mittel und durch Vereinbarungen zu verändern. Nur um eine solche friedliche Veränderung kann es bei der deutsch-deutschen Grenze gehen. Im dritten Satz dieses Textes geht es um die Einbettung des Prozesses der Wiedererlangung der Einheit in die Perspektive der europäischen Integration. Damit wird erstmals im Namen der EG die Zielvorstellung bestätigt, zu deren Unterstützung sich die drei Westmächte bereits im Deutschland-vertrag von 1952 verpflichtet hatten Die Entwicklung in der DDR nach dem 9. November 1989 hat bei allen befreundeten Staaten und EG-Mitgliedern in der politischen Führung vielfach Überraschung ausgelöst. So versicherte der britische Außenminister Hurd am 16. November 1989 bei seinem ersten Besuch in Berlin, die Begeisterung über die Öffnung der Mauer werde überall in Großbritannien geteilt, aber: eine Wiedervereinigung stehe „nicht auf der Tagesordnung“. Mit dieser Erklärung sei das Prinzip der Selbstbestimmung nicht in Frage gestellt, das im Grundgesetz festgelegt und von den Westmächten in Erklärungen bekräftigt worden sei. Er wandte sich auch gegen eine Änderung des Berlin-Status Auch die britische Premierministerin Margret Thatcher hatte vor übereilten Schritten auf dem Weg zur deutschen Einheit gewarnt. Die Regierungschefin erklärte in einem Interview des „Wall Street Journal“, die Hauptgefahr einer zu raschen Vereinigung der beiden deutschen Staaten liege darin, daß der sowjetische Staats-und Parteichef Gorbatschow dadurch so große politische Probleme bekommen könnte, daß er möglicherweise stürze. Um eine allgemeine Destabilisierung in Europa zu verhindern, müsse die Wiedervereinigung „mit einer Geschwindigkeit kommen, die anderen Verpflichtungen Rechnung trägt und uns Zeit gibt, alles vorzubereiten“. Sie warnte die Bundesregierung davor, allzu egoistisch die nationalen Interessen zu vertreten

Auf einem Treffen der EG-Außenminister in Dublin am 20. Januar 1990 — also während der irischen EG-Präsidentschaft — gab es Divergenzen über das künftige Verhältnis der DDR zur EG. Denn der Präsident der EG-Kommission. Jacques Delors. hatte in mehreren Reden und Interviews — vor allem in seiner vielbeachtenden Rede vor dem Europäischen Parlament am 17. Januar 1990 anläßlich der Vorlage des Arbeitsprogrammes der Kommission für 1990 — immer wieder erklärt, daß die DDR ein Sonderfall ist und zum Ausdruck gebracht, daß eine DDR-Mitgliedschaft noch vor der Vollendung des Europäischen Binnenmarktes denkbar ist Hingegen äußerte sich der holländische Außenminister — unterstützt von seinem belgischen Kollegen — vor Journalisten, daß der DDR als eigenständigem Staat keine besondere Rolle zustehe. Vielmehr müsse die DDR wie jeder andere europäische Bewerber behandelt werden und die üblichen Bedingungen erfüllen. Der französische Außenminister nannte die Überlegungen über einen möglichen DDR-Beitritt „ein wenig verfrüht“, da die DDR noch nicht die politischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen erfülle

Auf dem Dubliner Sondergipfel der zwölf Staats-und Regierungschefs am 28. April 1990 war die staatliche Einheit der Deutschen uneingeschränkt begrüßt worden. Dort setzte sich auch die Linie des Präsidenten der EG-Kommission, Jacques Delors. durch, der sich schon sehr frühzeitig dafür ausgesprochen hatte, die DDR — weil „zur Familie gehörig“ -als einen „Sonderfall" im Rahmen der Staaten Zentral-und Osteuropas anzusehen. Grundlage der Beratungen auf diesem Gipfel war die „Mitteilung“ der Kommission „Die Gemeinschaft und die deutsche Vereinigung“, in der in präziser Form auf die Notwendigkeit hingewiesen wurde, daß die Gemeinschaftsgremien schon frühzeitig am deutschen Einigungsprozeß beteiligt werden müssen, da in vielfältigen Politikfeldern -beispielweise Wettbewerbsrecht. Regionalpolitik, Umweltschutz. Landwirtschaft -das EG-Sekundärrecht unmittelbar betroffen ist, und zwar insbesondere nach der staatlichen Einheit, wenn das Gebiet der DDR von der Geltung der EG-Verträge erfaßt wird.

Durch eine Vielzahl von Konferenzen -z. B. durch den Besuch von Bundeskanzler Kohl am 23. März bei der EG-Kommission in Brüssel und von DDR-Ministerpräsident Lothar de Maiziere am 1. Juni -und durch Besprechungen auf der Fachebene wird darauf hingewirkt, daß möglichst bald -in einigen Politikfeldern auch mit Übergangsfristen -das EG-Recht auch in der DDR voll wirksam wird.

So sehr sich die europäischen Partner in der Bewertung der Entwicklung uneinig waren, so sehr konnten sie dabei nicht übersehen, daß durch die dramatische Übersiedlungswelle aus der DDR. die Bundesrepublik Deutschland in einen enormen Zug-zwang gebracht wurde, da mehr und mehr die Grenze ihrer Aufnahmekapazität und auch der Belastbarkeit der Sozialleistungen erreicht wurde. Generell kann aber konstatiert werden, daß die westeuropäischen Staaten kein ausgefeiltes Konzept entwickelt hatten, wie sie der Herausforderung durch die deutsche Frage begegnen konnten. Vielmehr wurden die EG-Staaten, wie auch die USA und die Sowjetunion von den Ereignissen förmlich „überrollt“. Allerdings hatte sich — schon bevor es zur Öffnung der innerdeutschen Grenze kam — die Gemeinschaft Mitte 1988 auf eine Ostpolitik verständigt, die dem größer gewordenen politischen Spielraum der osteuropäischen Staaten nutzte.

V. Einige Aspekte zur künftigen Gestalt der EG

Die gegenwärtige Umbruchsituation in Europa ist im Kern durch die deutsche Frage bestimmt: In Deutschland standen sich als Folge des Kalten Krieges die beiden Supermächte gegenüber, vor allem in Berlin. Der rasche Wandel in Osteuropa und insbesondere der politische Zusammenbruch des bisherigen SED-Regimes in der DDR haben ganz zweifelsohne Auswirkungen auf die künftige Gestalt der Europäischen Gemeinschaft: 1. Ziel des europäischen Integrationsprozesses war die Überwindung des Nationalismus und insbesondere die Friedenssicherung zwischen Deutschland und Frankreich, die sich innerhalb von siebzig Jahren in drei Kriegen gegenüber gestanden hatten. Der Gemeinsame Binnenmarkt, der bis zum 31. Dezember 1992 in den zwölf EG-Staaten Wirklichkeit werden soll, ist nach dem gemeinsamen Willen der meisten Politiker im EG-Europa lediglich eine Vorstufe auf dem Wege zu einer Europäischen Union. Doch wie die Gestalt, die Finalität eines solchen Einigungsprozesses aussehen wird, kann heute nicht exakt vorhergesagt werden. Die Überlegungen zur Schaffung eines Gemeinsamen Marktes entstanden indes aus der pragmatischen Einsicht, daß Nationalstaaten ihre politischen Kompetenzen allenfalls schrittweise auf eine Gemeinschaft zu übertragen bereit sind. Das Scheitern der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG) durch die französische Nationalversammlung beweist, daß am Beginn des Integrationsprozesses die Schaffung eines Gemeinsamen Marktes stehen mußte. Aber schon das Entstehen der Montanunion (Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl — EGKS) zeigt, daß die Vertragspartner der Bundesrepublik Deutschland aufgrund der damals erstarkenden deutschen Kohle-und Stahlindustrie diesen in der Nachkriegszeit besonders wichtigen Wirtschaftsfaktor durch Integration bändigen wollten. Gerade ausgelöst durch die deutsche Frage kommt eine Debatte über die Finalität der Gemeinschaft mit großer Geschwindigkeit auf uns zu. 2. Die Bündnispartner der Bundesrepublik Deutschland haben sich ebenso mit der deutschen Einheit abgefunden wie die Sowjetunion. Daß die von Moskau suggerierten Verlockungen politischer Neutralität in der Bundesrepublik Deutschland ohne Wirkung blieben, zeigt, daß die Bindungswirkung der westeuropäischen Integration zumindest bei den tragenden politischen Kräften der Bundesrepublik Deutschland stärker verankert ist. als dies gelegentlich im europäischen Ausland vermutet wird. Die westeuropäische Einigung war ja nicht nur eine Antwort auf die Expansion der Sowjetunion. sondern auch das Bemühen um Einbindung Deutschlands. Der qualitative Fortschritt der europäischen Integration besteht eben darin, daß sich die Bundesrepublik Deutschland freiwillig in ein westliches Staatenbündnis einfügte, daß es also nicht militärisch in Schach gehalten werden mußte. Die Furcht vor einer Expansion des Kommunismus förderte diese Integration in die westliche Staaten-welt. In der jetzigen Zeit des raschen Wandels in Europa zeigt sich, daß der Warschauer Pakt hingegen nur durch imperialistische Drohgebärden der Sowjetunion zusammengehalten worden war. Auch der Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe konnte deshalb nicht funktionieren, weil der Zusammenschluß der osteuropäischen Staaten nicht freiwillig, sondern erzwungen war. Hingegen ist die Europäische Gemeinschaft als ein Zusammenschluß souveräner Staaten in einer Zeit radikalen Umbruchs der eigentlich stabile Faktor in Europa. Insoweit spielt auch langfristig die EG eine eminent politische Rolle. 3. Auch im Zusammenhang mit den Überlegungen zur Finalität der europäischen Integration muß die Frage nach den Rahmenbedingungen künftiger europäischer Sicherheitspolitik gestellt werden. Denn zur Politischen Union muß auch die Bereitschaft der EG-Staaten gehören, eines Tages ihre Sicherheitspolitik in der EG zu bündeln. Gelegentlich wird die Forderung erhoben, diese sicherheitspolitische Integration könnte außerhalb der EG auch im Rahmen einer neubelebten Westeuropäischen Union (WEU) geschehen. Damit könnte auch dem Problem der „immerwährenden Neutralität“ Österreichs entsprochen werden. Eine damit verbundene Abkoppelung der Sicherheitspolitik von dem Prozeß der politischen Integration der EG ist zwar möglicherweise im politischen Kalkül der Verbreiter solcher Überlegungen: damit wäre die EG ihrer Entwicklungsmöglichkeit hin zu einer sicherheitspolitischen Union beraubt und letztlich dazu verurteilt. auf dem Status einer Wirtschaftsgemeinschaft zu verharren. Wenn tatsächlich die gegenwärtige Umbruchsituation in Osteuropa eine neue Epoche der Ost-West-Zusammenarbeit signalisiert, dann wird die EG als Institution politischer Kooperation gegenüber Militärorganisationen noch weiterhin erheblich an Bedeutung gewinnen. Deshalb ist es notwendig. die Kompetenzausweitung der EG auch über solche Bereiche hinaus zu diskutieren, die bislang zum Kanon der alleinigen Reservatsrechte der Mitgliedstaaten gehören, die indes bündnispolitisch (mit Ausnahme Irlands) mit der NATO verwoben sind. 4. Die EG muß darüber hinaus ihre wirtschaftliche wie politische Attraktivität gegenüber den osteuropäischen Staaten erhöhen. Durch einen Beschluß des Weltwirtschaftsgipfels von Paris vom Juli 1989 wurde der EG-Kommission die Koordinierung der Hilfe von 24 Staaten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) für Ungarn und Polen Staaten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) für Ungarn und Polen übertragen. Dieser Auftrag („Operation Phare“ 23)) ist inzwischen auch auf solche Staaten Mittel-und Osteuropas ausgedehnt worden, in denen gesellschaftliche Reformen eingeleitet wurden. Zu den Maßnahmen, die durch erhebliche eigene finanzielle Anstrengungen der EG ergänzt wurden, gehört beispielsweise eine Nahrungsmittelhilfe für Polen und später auch für Rumänien, ferner eine Garantie von Darlehen der Europäischen Investitionsbank (EIB) bis zu einer Milliarde ECU (ca. zwei Milliarden DM), darüber hinaus die Garantie einer Währungsanleihe an Ungarn über eine Milliarde US-Dollar und erhebliche Ausgaben für die Förderung von Investitionen im privaten Sektor. Auf dem Straßburger Gipfel vom Dezember 1989 wurde die Gründung einer Entwicklungsbank für Mittel-und Osteuropa beschlossen. an der sich auch außereuropäische westliche Staaten wie auch Länder Mittel-und Osteuropas selbst beteiligen werden. Am 29. Mai 1990 haben in Paris 42 Vertragsparteien schließlich das „Übereinkommen zur Errichtung der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung“ unterzeichnet. 5. Innerhalb der osteuropäischen Staaten spielt die DDR — wie Jacques Delors als Präsident der EG-Kommission mehrfach betonte — eine Sonder-rolle. Bedingt durch das besondere innerdeutsche Verhältnis, das auch in den Römischen Verträgen seinen Niederschlag fand, wird die DDR als zur „Familie“ gehörig bezeichnet. Durch die unterdessen beschlossene und zum 1. Juli 1990 in Kraft getretene „Wirtschafts-, Währungs-und Sozialunion“ zwischen beiden deutschen Staaten ist die dritte der nachfolgenden Varianten wirksam geworden. Denn folgende drei Möglichkeiten einer Einbeziehung der DDR in die EG hatten sich zunächst angeboten: a) Die Assoziierung der DDR: Dies setzte voraus, daß die DDR völkerrechtlich und staatsrechtlich zunächst ein unabhängiger Staat bleibt, auch wenn es eine Wirtschafts-und Währungsunion mit der Bundesrepublik Deutschland hätte. Eine Assoziierung der DDR in die Gemeinschaft hätte der DDR zwar die Rechte eines Mitgliedstaates der EG geben können, ihr jedoch nicht die Pflichten eines Mitgliedstaates aufbürden müssen. Was „Assozi-ierungen" konkret sind, ist durch das EG-Recht soweit gefaßt, daß sich hierbei vielfältige Möglichkeiten eröffnen ließen. Ein Assoziationsabkommen kann auch geschlossen werden, um eine Aufnahme als Mitgliedstaat vorzubereiten. b) Aufnahme der DDR als dreizehnter Staat in die EG: Jacques Delors erklärte dies als möglich auch vor Vollendung des Binnenmarktes zum 31. Dezember 1992. Dieser Vorschlag hätte jedoch in einzelnen EG-Staaten, insbesondere in Großbritannien. Widerstand ausgelöst. c) Die staatliche Einheit der Deutschen führt automatisch zu einem territorialen Zugewinn für die Europäische Gemeinschaft. Modell hierfür ist in vielfacher Weise die Angliederung des Saargebietes an die Bundesrepublik Deutschland. Denn bei der Rückgliederung des Saarlandes, nach der Ablehnung des Saar-Status mit der erforderlichen ZweiDrittel-Mehrheit. bestanden zwar die Römischen Verträge noch nicht, wohl aber die 1951 gegründete EGKS. Nach seiner Aufnahme in die Bundesrepublik Deutschland zum 1. Januar 1957 wurde das Saargebiet automatisch vom Vertragswerk erfaßt 24). 6. Eine gute Ost-und Wiedervereinigungspolitik war in den Nachkriegsjahren auch immer eine gute Westpolitik. Dies weist auf den Aspekt der Stärkung beziehungsweise Vertiefung der Gemeinschaft hin. Immer mehr werden neue Überlegungen zur Schaffung einer europäischen Verfassung diskutiert. die insbesondere zu einer Stärkung des Europäischen Parlamentes führen sollen. Eine Regierungskonferenz. die im Dezember 1990 zu Fragen der Währungsunion ihre Arbeit aufnehmen soll, weist auf neue Dimensionen im währungspolitischen Bereich hin. Außerdem ist eine weitere Regierungskonferenz geplant, die sich mit institutionellen Fortentwicklungen der Gemeinschaft befaßt. Natürlich gibt es die Gefahr, daß die dramatischen Herausforderungen nicht nur durch die DDR. sondern generell in Osteuropa eine solche Vertiefung der Gemeinschaft behindern. Die Bundesrepublik kann indes leicht — im Falle der Verweigerung einer solchen Vertiefung — in den Verdacht geraten, sie sehe die Aspekte der staatlichen Einheit der Deutschen wichtiger als die europäische Integration an. Umgekehrt wird eine vorausschauende Europapolitik auch das Gebiet der heutigen DDR nicht nur allein den Westdeutschen überlassen. * Die Überlegungen für eine Währungsunion der Bundesrepublik Deutschland mit der DDR können Auswirkungen auf das europäische Vorhaben einer Wirtschafts-und Währungsunion haben, zumal die Gefahr besteht, daß eine deutsch-deutsche Währungsunion die Bundesrepublik finanziell wie politisch so anstrengen wird, daß sie sich nur noch „mit halber Kraft“ auf die Gemeinschaft konzentrieren könnte. Andererseits könnte die D-Mark auch einen Teil ihrer Stärke einbüßen, was dazu führen kann, daß die anderen westeuropäischen Währungen nicht mehr so stark von der DM abhängig sind. Die Schaffung einer deutsch-deutschen Währungsunion ist indes nicht mit den Überlegungen einer europäischen Währungsunion zu vergleichen: Die Wirtschafts-und Währungsunion (WWU) auf EG-Ebene ist ein multinationales Unternehmen, das auf dem Zusammenschluß von Volkswirtschaften mit einer marktwirtschaftlichen Grundorientierung aufbaut

Die Wirtschafts-und Währungsunion auf deutsch-deutscher Ebene, wie sie bilateral vereinbart wurde, muß indes erst bestimmten Grundsätzen der Marktwirtschaft im Gebiet der heutigen DDR zur Durchsetzung verhelfen. Selbst wenn die bundesdeutschen Anstrengungen sich sehr auf die politische und wirtschaftliche Einheit mit der DDR konzentrieren — und dies möglicherweise vorübergehend mit einem nachlassenden Investitionsinteresse in anderen europäischen Gebieten verbunden wäre —. so führt letztlich ein wirtschaftlich gestärktes Deutschland auch zu einer Stärkung der gesamten EG. Gleichwohl fürchten einige Mitgliedstaaten. daß die Einbeziehung des Territoriums der DDR in den Geltungsbereich der EG-Verträge zunächst zu einschneidenden Konsequenzen für das Finanzgefüge der Gemeinschaft führen wird, deren größter Nettozahler bisher die Bundesrepublik ist. da nach der staatlichen Einheit Finanzmittel im Rahmen der Regional-, Struktur-und Sozialpolitik auch auf die DDR umgelenkt werden müßten, die damit anderen Gebieten der Gemeinschaft verlorengehen könnten. Befürchtungen dieser Art hat bislang die Bundesregierung durch die Erklärung entgegenzuwirken versucht, daß die deutsche Einheit nicht zu Lasten der anderen EG-Mitgliedstaaten gehen sollte. 7. Daß die Entwicklung in Deutschland von fundamentaler Bedeutung für die Gemeinschaft ist. dokumentiert auch die Tatsache, daß auf einem Sondergipfel in Dublin am 28. April 1990 die Konsequenzen der deutschen Einheit für die Politik der EG diskutiert wurden. Andere europäische Regierungen kündigten frühzeitig an, sie wollten bei der deutschen Frage mitreden. So zeigte sich die italienische Regierung über die Formel „Zwei-plusVier“ verstimmt, derzufolge Bonn und Ost-Berlin sowie die vier Siegermächte über die Vereinigung beraten sollen. Auch Rom wolle — im Rahmen der EG und der NATO — mitreden Staaten außerhalb der EG — wie Polen und Jugoslawien — erneuerten ihre Reparationsforderungen an Deutschland 8. Die Neutralität Deutschlands wurde bislang von den politischen Führungspersönlichkeiten der Bundesrepublik auch deshalb abgelehnt, weil sich die Idee von einer politisch starken Gemeinschaft, in deren Rahmen die deutsche Frage am besten gelöst werden kann, durchgesetzt hat. Eine sicherheitspolitische Neutralität Deutschlands hätte folgenschwere Konsequenzen für die politische Finalität der EG: Damit würde ein Bereich — nämlich die Sicherheitspolitik — definiert, der sich der politischen Integration in einer künftigen Europäischen Union entzöge. 9. Da die vier Hauptsiegermächte des Zweiten Weltkrieges noch keinen Friedensvertrag mit dem besiegten Deutschland abgeschlossen haben, werden die Fragen immer wichtiger, wie durch eine balancierte Sicherheitspolitik dem Sicherheitsbedürfnis der Sowjetunion — das im Februar 1990 mit dem Abzug der Truppen aus der Tschechoslowakei begonnen und gleichzeitig einen Truppenabzug aus Polen angekündigt hat — entsprochen werden kann. Hierzu gehört die Grenzfrage Deutschlands zu Polen genauso wie eine mögliche Entmilitarisierung des heutigen Gebietes der DDR. Ferner ist unklar, ob — und wenn ja. nur in einer klar definierten Übergangszeit? — sowjetische Truppen auf dem Gebiet der DDR verbleiben. Es wäre ein Novum für den Einigungsprozeß innerhalb der EG, wenn auf einem Territorium innerhalb der EG Truppen stünden, die nicht der NATO angehörten. Die NATO-Staaten ihrerseits weisen auf die Notwendigkeit des Verbleibens der Bundesrepublik in der NATO hin, da diese nicht nur ein Verteidigungspakt war. sondern auch eine politische Wertegemeinschaft darstellte. Möglicherweise wünscht die Sowjetunion — entgegen gelegentlich anders-lautender Hinweise — die amerikanische Präsenz in Europa, um damit eine politische und militärische Stabilität in Mitteleuropa zu garantieren und um zu verhindern, daß ein erstarktes Deutschland außer Kontrolle geraten könnte. Auszuschließen ist auch nicht, daß die Sowjetunion über ein vereintes Deutschland eine Ankoppelung an die EG erreichen will, zumal es Lieferverpflichtungen der DDR an die Sowjetunion gibt. Die DDR war 1989 mit rund 40 Prozent der größte Außenhandelspartner der Sowjetunion. Alle anderen europäischen RGW-Länder erzielten nur knapp 27 Prozent

10. Der Prozeß der deutschen Einigung und der weiteren Vollendung des Binnenmarktes wird voraussichtlich auch mittel-und langfristig den Beitrittswunsch mittel-und osteuropäischer Länder verstärken, die sich nicht auf die Freihandelszone EFTA „abschieben“ lassen wollen (von der mit Österreich ein wichtiges Mitglied schon einen Aufnahmeantrag in die EG gestellt hat). Am 19. Dezember 1989 fand zwar in Brüssel ein Treffen der EG mit Ministern der Länder der Europäischen Freihandelsassoziation statt auf dem an die Notwendigkeit der Schaffung eines „Europäischen Wirtschaftsraumes“ zwischen der EG und den EFTA-Staaten erinnert wurde. Sie stimmten darin überein, „den Rahmen für eine stärker strukturierte Zusammenarbeit zwischen der Gemeinschaft und sämtlichen EFTA-Ländern gemeinsam abzustecken“. Für das Jahr 1990 sind entsprechende Verhandlungen vorgesehen. Bislang sind jedoch in den zentral-und osteuropäischen Staaten, insbesondere Ungarn, eher langfristige Tendenzen des Strebens nach einer EG-Mitgliedschaft sichtbar (statt einer Aufnahme in die EFTA). wobei das in den Römischen Verträgen vorgesehene Instrument von Assoziationen (möglicherweise sogar mit Übergangsregelungen bis zu einer Aufnahme) auch analog zu historischen Beispielen ins Spiel gebracht wird. 11. Zwar wird zur Lösung der deutschen Frage auch immer wieder die KSZE als Instrument genannt, doch sind spezifische Fragen, die sich aus den völkerrechtlichen Reservatrechten der einstigen Siegermächte ergeben, nicht durch ein Forum von 35 Staaten zu lösen. Auch wird gelegentlich die Schaffung „gesamteuropäischer Institutionen“ gefordert, „die das Zusammenwachsen Europas im KSZE-Rahmen fördern“. Gleichwohl ist zu fragen, in welchem Verhältnis diese „gesamteuropäischen Institutionen“ zu den Institutionen der EG (und der NATO) stehen sollen. 12. Angesichts der rapiden Veränderungen in Deutschland und Europa kommt der Europäischen Gemeinschaft gerade deshalb eine besondere Bedeutung zu, weil sie der eigentliche stabile politische Faktor in Europa ist — ein Gravitationszentrum, an dessen Stärke sich EFTA, die Sowjetunion und weitere Staaten des RGW orientieren, auch Mächte außerhalb Europas. Die nächsten Schritte der Zwölf werden entscheidend dafür sein, ob die EG lediglich zu einer geographisch immer größer werdenden Wirtschaftsgemeinschaft ausgebaut wird, oder ob die Faszinationskraft der europäischen Idee — die ja prinzipiell über die Zwölf hinausreicht — auch eine innere Stärkung der Gemeinschaft erfährt. Es bleibt abzuwarten, wie gerade die deutsche Politik auf diese gesamteuropäische Herausforderung reagiert.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Die Welt vom 11. Januar 1989.

  2. Günter Gaus, Wo Deutschland liegt. Eine Ortsbestimmung. München 1986, S. 174 f. 2a) Der Spiegel. Nr. 47 vom 20. November 1989.

  3. Welt am Sonntag vom 14. Januar 1990.

  4. Siehe zu den gescheiterten Bemühungen der SED. eine eigene sozialistische deutsche Nation zu etablieren: Gerd Langguth. Neuer Kurs in der nationalen Frage? Die Haltung der SED zur deutschen Einheit, in: Die politische Meinung. (1988) 241.

  5. Radio Berlin International vom 16. Januar 1990.

  6. Siehe hierzu: Karl Dietrich Bracher. Kein Anlaß zu Teuto-Pessimismus. in: Süddeutsche Zeitung vom 24. Mai 1989.

  7. Vgl. Louis Janz. Die Geschichte der europäischen Einigung nach dem Zweiten Weltkrieg, in: Werner Weidenfeld (Hrsg.). Die Identität Europas. München 1985. S. 82 ff.

  8. Siehe hierzu unter anderem Jean Monnet. Erinnerungen eines Europäers. München-Wien 1978. S. 403 ff; Carlo Schmid. Erinnerungen. Bem u. a. 1980. S. 514ff; Herbert Müller-Roschach. Die deutsche Europapolitik 1949— 1977. Bonn 1980. S. 9 ff.

  9. Parlamentarischer Rat. Stenographischer Bericht. 2. Plenarsitzung vom 8. September 1948. S. 15; siehe auch C. Schmid (Anm. 8). S. 361 ff.

  10. Werner Weidenfeld. Land im Brennpunkt Europas. Die Europäische Qualität der deutschen Frage, in: Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen (Hrsg.). Die Teilung Deutschlands und Europas. Zusammenhänge. Aufgaben. Perspektiven. Bonn 1984. S. 22.

  11. Hans-AdolfJacobsen. Zur Kontinuität deutscher Außenpolitik 1919— 1975. in: Vom Sinn der Geschichte. Stuttgart 1976.

  12. Siehe auch Artikel 82 des EWG-Vertrages über „Ausnahmen für gewisse deutsche Gebiete“ in der Verkehrspolitik.

  13. Veröffentlicht auch im Bundesgesetzblatt 1957. III. S. 984; siehe hierzu u. a.: Michael Baumann. Der Innerdeutsche Handel 1989. Grundlagen. Probleme. Perspektiven, in: Ilse Spittmann/Gisela Hellwig (Hrsg.). Edition Deutschland Archiv: Die DDR im vierzigsten Jahr. Geschichte. Situation. Perspektiven. Köln 1989. S. 173 ff.

  14. Nach Artikel 116 des GG ist „Deutscher“ im Sinne des Grundgesetzes „vorbehaltlich anderweitiger gesetzlicher Regelung. wer die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt oder als Flüchtling oder Vertriebener deutscher Volkszugehörigkeit oder als dessen Ehegatte oder Abkömmling in dem Gebiete des Deutschen Reiches nach dem Stande vom 31. Dezember 1937 Aufnahme gefunden hat“.

  15. Bundesgesetzblatt 1957. II. S. 67.

  16. Die Einbeziehung West-Berlins in das Vertragsgebiet der EG kommt in dem Namen der Berliner Vertretung der EG-Kommission zum Ausdruck, der wie folgt lautet: „Vertretung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften in der Bundesrepublik Deutschland. Außenstelle Berlin."

  17. Siehe auch Horst G. Krenzier. Die Europäische Gemeinschaft und der Wandel in Osteuropa, in: EG-Nachrichten. Berichte und Informationen — Dokumentation, herausgegeben von der Vertretung der EG-Kommission in der Bundesrepublik Deutschland. Nr. 1 vom 16. Januar 1990.

  18. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 17. November 1989.

  19. Tagesspiegel vom 26. Januar 1990.

  20. Bislang wurde in der EG die Devise ausgegeben, daß neue Mitgliedschaften in der EG bis zum 31. Dezember 1992 ausgeschlossen sind, also auch der Beitrittswunsch Österreichs bis zu diesem Zeitpunkt keine Chance hätte.

  21. Die Welt vom 22. Januar 1990.

  22. Siche hierzu Ingo von Münch. Zum Saarvertrag vom 27. Oktober 1956. in: Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht (ZaÖRV). 18 (1957). S. 1 ff. und 134 ff.

  23. Siehe hierzu die Rede Peter M. Schmidhubers. Mitglied der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, am 19. Februar 1990 in Bonn.

  24. So der italienische Außenminister De Michaelis gegenüber Bundesaußenminister Genscher, in: Stuttgarter Zeitung vom 23. Februar 1990.

  25. Generalanzeiger Bonn vom 23. Februar 1990.

  26. Siehe hierzu: Wirtschaftswoche vom 23. Februar 1990.

  27. Siehe Pressemitteilung der EG-Kommission vom 22. November 1989. ferner Pressemitteilung des Rates vom 19. Dezember 1989 (10949789-252).

Weitere Inhalte

Gerd Langguth, Dr. phil., geb. 1946; Staatssekretära. D.; Leiter der Vertretung der EG-Kommission in der Bundesrepublik Deutschland und Lehrbeauftragter im Fach Politische Wissenschaft an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Veröffentlichungen u. a.: Jugend ist anders. Portrait einer jungen Generation, Freiburg-Basel-Wien 1983; Protestbewegung -Entwicklung, Niedergang, Renaissance. Die Neue Linke seit 1968, Köln 1984; Der grüne Faktor-von der Bewegung zur Partei?, Zürich 1985; The Green Factor in German Politics, Boulder (Col.) -London 1986; Wer regiert Nicaragua? Geschichte, Ideologie und Machtstrukturen des Sandinismus, Stuttgart 1989.