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Junge Frauen in Partnerschaft und Familie | APuZ 28/1989 | bpb.de

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APuZ 28/1989 Artikel 1 Die Entwicklung des Frauenstudiums in Deutschland bis 1945 Frauenstudium nach 1945 — Ein Rückblick Frauenerwerbstätigkeit -Eine vergleichende Bestandsaufnahme Junge Frauen in Partnerschaft und Familie

Junge Frauen in Partnerschaft und Familie

Regina Simm

/ 17 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Beruf und Familie sind heute gleichermaßen hochbewertete Lebensoptionen von jungen Frauen. Der Versuch, diese beiden Optionen miteinander zu vereinbaren, scheitert jedoch zumeist immer noch an den gesellschaftlichen Bedingungen. So sind u. a. durch die veränderten Lebensmodelle für Frauen neue Anforderungen und Belastungen für die Partnerbeziehung entstanden. Die zunehmende Gleichheit der Partner ändert sich durch die Entscheidung für Kinder und Familie deutlich zuungunsten der Frauen. Die Ausprägung neuer Rollenmuster in der Partnerschaft steht noch am Beginn; vielfach bevorzugen Männer die eher traditionellen Lebensbezüge für Frauen. Konflikte bleiben daher nicht aus, zumal Partnerschaft und Kinderbetreuung zunehmend als konkurrierende Optionen verstanden werden. Neue Lebensmuster junger Frauen bedingen somit neue Formen von Partnerschaft und tragen auf diese Weise zu den heutigen Veränderungen von Familie und Familienentwicklung bei.

I. Einleitung

Die Veränderungen des weiblichen Lebenszusammenhangs haben entscheidend die Gestaltung von Partnerschaft und die Familienentwicklung beeinflußt. Seit Ende der sechziger Jahre haben insbesondere die Entwicklungen im Bildungsbereich und im Rechtssystem zu einem Wandel der Rolle der Frau beigetragen. Eine Berufsausbildung mit nachfolgender Erwerbstätigkeit ist heute zunehmend auch für Frauen fester Bestandteil ihrer Biographie. Damit haben sich ihre Lebensalternativen erweitert; einen Partner, eine Familie zu haben, steht in Konkurrenz zu Erfahrungen in Beruf und Freizeit. Die potentielle Wahl zwischen alternativen Lebens-entwürfen gibt den Frauen heute neue Möglichkeiten, stellt sie aber auch vor neue Anforderungen und Konflikte. Für eine zukünftige Familienkarriere sind Entscheidungen zu treffen, die sich stark von den traditionellen weiblichen Lebensmustern unterscheiden:

— Eine Partnerschaft ist heute nicht mehr ausschließlich an die Institution Ehe gebunden. Nicht-eheliche Lebensgemeinschaften gewinnen an Bedeutung und scheinen gerade dem neuen Rollen-verhalten von Frauen in der Partnerschaft entgegenzukommen. Die Heiratshäufigkeit ist heute gesunken, eine Ehe einzugehen und eine Familie zu gründen, ist nicht mehr für alle Bevölkerungsgruppen selbstverständlich.

— Partnerschaft und Ehe bedeuten nicht zwangsläufig die Bereitschaft, eine Familie zu gründen.

Kinder bedeuten vielmehr gerade für Frauen, daß sie auf alternative Optionen wie auf den Beruf (zeitweise) verzichten müssen. Eine Familie zu haben, ist zwar immer noch ein wesentlicher und erstrebenswerter Lebensinhalt junger Frauen, wie unter anderem jugendsoziologische Untersuchungen bestätigen doch die Familiengröße hat abgenommen: Die Zahl kinderreicher Familien ging seit den sechziger Jahren zurück (im Durchschnitt haben Frauen heute 1, 3 Kinder).

— Die Norm der lebenslangen Partnerschaft bzw.

Ehe verliert an Verbindlichkeit. Die zunehmende soziale und ökonomische Unabhängigkeit von Frauen, die Möglichkeit, in der Ehe nicht mehr eine Versorgungsi Kinder).

— Die Norm der lebenslangen Partnerschaft bzw.

Ehe verliert an Verbindlichkeit. Die zunehmende soziale und ökonomische Unabhängigkeit von Frauen, die Möglichkeit, in der Ehe nicht mehr eine Versorgungsinstitution zu sehen, erleichtern die Trennung und erhöhen die Trennungsbereitschaft. Immerhin wird heute fast jede dritte Ehe wieder geschieden.

Der Wandel, der sich heute in den familialen Lebensformen zeigt, wird insbesondere in den Veränderungen des Partnersystems deutlich. Individualisierung von Lebensformen, Plausibilitätsverlust und Instabilität der Ehe zeigen, daß das Partnersystem entscheidend auf Familienentwicklungsprozesse einwirkt 2). Die Veränderungen, die heute in Partnerbeziehungen feststellbar sind, stehen dabei in einem direkten Zusammenhang mit der Ausdifferenzierung einer neuen Frauenrolle. Mit dem Wandel hin zu einer modernen Gesellschaft gehen Individualisierungsprozesse einher, die das Individuum aus traditionellen Bindungen entlassen und Formen des individualisierten, selbstbestimmten Lebenslaufs ermöglichen. War zu „Beginn der Moderne die Individualisierung ganz auf Männer beschränkt“ 3), so hat sich dieser Prozeß zunehmend auf die Frauen erweitert. Das Recht auf ein eigenes Leben bzw. die Entwicklung „ . vorn Dasein für andere'zum Anspruch „auf ein Stück eigenes Leben'“ einem Leben, das nicht ausschließlich auf den Partner und die Familie bezogen ist, bietet auch der Frau neue Möglichkeiten der Lebensgestaltung, stellt sie aber auch vor neue Anforderungen.

Für die Partnerbeziehung bedeutet diese Veränderung des weiblichen Lebenszusammenhangs, daß nunmehr zwei individuelle Biographien aufeinander bezogen und abgestimmt werden müssen. Ließ sich der Individualisierungsanspruch des Mannes bei Verbleib der Frau in traditionellen Rollenbezügen noch relativ unproblematisch realisieren, so nimmt die Komplexität der Lebensgestaltung zu, wenn nicht nur ein Individuum selbstbestimmt seinen Lebenslauf entwirft, sondern zwei Menschen in einer Partnerschaft mit dem gleichen Anspruch auf ein „eigenes Leben“ aufeinander treffen. Das, was die Frau traditionell in die weibliche Rolle verwies und damit auch Garant traditioneller Familien-strukturen war, ist durch ihren Individualisierungsprozeß in Frage gestellt. Die Belastungen für die Partnerbeziehungen steigen somit auf vielen Ebenen deutlich an.

Die traditionelle Rollenverteilung in der Partnerbeziehung verliert an Gültigkeit. Die Festlegung der Frau auf den internen Familienbereich — als lebenszeitliche Orientierung — wird heute abgelöst durch einen eigenständigen Lebenslauf. Familie und Beruf sind zu gleich hoch bewerteten Orientierungsmustern weiblicher Biographien geworden. Eine — zumindest vor der Familiengründung — eigenständige Berufsbiographie und ökonomische Unabhängigkeit bedeuten für die Frauen neue Bedürfnisse und bringen neue Anforderungen an ihre Rolle mit sich. Der Anspruch nach einem „gleichberechtigten“ Lebensweg stellt zudem Frauen und Männer vor das Problem einer Neugestaltung von Rollenkonfigurationen, Rollenflexibilität, Anpassungsbereitschaft und -fähigkeit in Partnerschaft und Familie (Welche Berufskarriere hat den Vorrang, wenn Kinder kommen? Wer fühlt sich für Haushalt und Kinder zuständig?). Auf Vorbilder bzw. gesellschaftlich normierte Orientierungsmuster bei der Ausformung dieser „modernen“ Partnerschaft kann das Paar kaum zurückgreifen. Partnerschaft zu leben bedeutet somit ein ständiges Aushandeln und gegenseitiges Anpassen des individuellen Lebens hin zu einem gemeinsamen Lebens-entwurf.

Mit der Ausgestaltung neuer Rollenkonfigurationen sind auch Individualisierungen im Lebenslauf verbunden. Insbesondere höhere Bildungsabschlüsse haben auch für Frauen eine Berufsausbildung und die Beteiligung am Erwerbsleben ermöglicht. Die Erfahrung von Ausbildung und Beruf verzögert nicht nur die Familiengründung, sondern erschwert bzw. negiert sie zum Teil. Denn angesichts der gegenwärtigen gesellschaftlichen Bedingungen bedeutet die Option für Familie und Beruf zumindest eine zeitweise Aufgabe der Berufstätigkeit, und dies in aller Regel für die Frau. Daß hier ein Partner bzw. die Frau auf einen Teil ihrer Lebens-optionen verzichten bzw. diese einschränken muß, bleibt sicherlich nicht ohne Folgen für die Partner-beziehung. Die Bedingungen für Individualisierungsprozesse von Mann und Frau sind somit immer noch relativ ungleichgewichtig.

Welchen Wandel die Lebensorientierungen und Lebensläufe von Frauen heute tatsächlich erfahren haben und welche Auswirkungen auf Partnerschaft und Familie festzustellen sind, soll im folgenden anhand der Ergebnisse des Forschungsprojektes „Familienentwicklung in Nordrhein-Westfalen“ aufgezeigt werden Für die empirische Langzeit-studie wurden 2 620 junge Frauen zwischen 18 und 30 Jahren aus einer Stichprobe für vier ausgewählte Regionen Nordrhein-Westfalens dreimal im Abstand von zwei bis drei Jahren (1981, 1983, 1985/86) mündlich befragt. Das Forschungsdesign sah im weiteren vor, daß auch die Partner der jungen Frauen — unabhängig davon, ob sie mit ihnen verheiratet waren oder nicht — mit einem schriftlichen Fragebogen befragt wurden.

II. Lebensorientierungen von Frauen: Beruf und/oder Familie

Erwerbstätig zu sein nach einer qualifizierten Berufsausbildung ist für Frauen zumindest vor der Familiengründung selbstverständlicher Teil ihrer Biographie. So erklären die befragten 18-bis 30jährigen Frauen denn auch vor der Familiengründung Beruf und Kinder, Freizeit und Autonomiebestrebungen zu gleich hoch bewerteten Optionen ihres Lebens. Beruf und Familie sind in der vorfamilialen kinderlosen Phase, in der der überwiegende Teil derjungen Frauen erwerbstätig ist bzw. sich in Ausbildung befindet, für sie noch keine sich ausschließenden Bereiche. Nach der Familiengründung entwirft die Frau dagegen ein Lebenskonzept, in dem der Familientätigkeit (Kind, Haushalt) der Vorzug gegeben wird, insbesondere dann, wenn sie mehr als ein Kind hat. Mit der Entscheidung für Kinder verändern sich die Lebensorientierungen junger Frauen zunehmend hin zu einem traditionellen weiblichen Lebenszusammenhang der Familientätigkeit als Hausfrau und Mutter. Die Erwerbstätigkeit wird als „latente“ Lebensorientierung jedoch auch von diesen Frauen mitgedacht. Obwohl über 80 Prozent der Frauen mit zwei oder mehr Kindern nicht erwerbstätig sind, äußern doch 65 Prozent von ihnen den Wunsch, wieder erwerbstätig sein zu wollen.

Diese subjektiven Einstellungen spiegeln sich auch in der tatsächlichen Lebenslage der Frauen wider. Die Lebensorientierungen junger Frauen vor der Familiengründung, nämlich Beruf und Familie miteinander zu verbinden, sind offenbar als gleichzei35 tige Option nur von den wenigsten zu realisieren. Insgesamt sind 29 Prozent aller Mütter unserer Stichprobe erwerbstätig. Für Frauen mit einem Kind ist die Möglichkeit der Erwerbstätigkeit noch am ehesten gegeben: Immerhin sind 37 Prozent dieser Mütter erwerbstätig. Für Frauen mit zwei und mehr Kindern sind Beruf und Familie deutlich schwierig in Einklang zu bringen; nur etwa ein Fünftel von ihnen ist erwerbstätig.

Auch dann, wenn die Frau Beruf und Kinder zeitlich miteinander vereinbart, bedeutet die kontinuierliche Erwerbstätigkeit nicht in jedem Fall die Annahme einer Vollzeiterwerbstätigkeit (eine Selbstverständlichkeit in der Lebensbiographie von Männern). Frauen mit einem Kind sind nur noch zu 45 Prozent vollzeitbeschäftigt, bei zwei Dritteln der Frauen mit zwei und mehr Kindern ist Erwerbstätigkeit nur noch als Teilzeitarbeit möglich. Daß die Reduzierung bzw. die Aufgabe der Erwerbstätigkeit Einfluß auf den zukünftigen Berufsverlauf der Frau haben dürfte, ist angesichts einer Berufswelt, die an einer männlichen Berufskarriere mit Kontinuität und Vollzeitbeschäftigung orientiert ist, wahrscheinlich und birgt zumindest ein Risiko für die Verwirklichung der beruflichen Lebensperspektive der Frauen.

Die Entscheidung zwischen Beruf und/oder Familie ist sicherlich von mehreren Bedingungen abhängig. Die soziale Stellung im Beruf, die ökonomische Situation der Familie, individuelle Orientierungen, Unterstützungs-und Entlastungsangebote bei der Familienarbeit spielen hier eine Rolle. — Wenn die jungen erwerbstätigen Frauen die Doppelbelastung durch Beruf und Familie beschreiben, erklären mehr als drei Viertel von ihnen, daß sie Beruf und Familie gut oder sehr gut miteinander vereinbaren könnten. Allerdings unterscheiden sie sehr deutlich zwischen den Belastungen durch ihre Kinder und den Belastungen durch Haushaltstätigkeiten. Während die erwerbstätigen jungen Mütter angeben, daß ihre Haushaltspflichten „oft schwer mit der Erwerbstätigkeit zu vereinbaren“ seien, gilt das nicht für ihre Aufgaben bei der Kindererziehung. Die Doppelbelastung betrifft also nicht insgesamt den Konflikt von Familientätigkeit und Erwerbstätigkeit, sondern vor allem den Konflikt zwischen Beruf und Haushalt. — Die wohl wichtigste Voraussetzung dafür, daß erwerbstätige Mütter Beruf und Familie miteinander vereinbaren können, ist die Lösung des Problems der Kinderbetreuung in den Zeiten, in denen die Frau und der Mann außer Haus arbeiten. Ein auch nur annähernd ausreichendes Angebot an öffentlichen Einrichtungen für Kleinkinder gibt es so gut wie gar nicht so daß die Erwerbstätigkeit beider Partner nur durch individuelle private Lösungsstrategien möglich wird. Dabei werden die Dienstleistungen der Eltern und Schwiegereltern (zu 37 Prozent bei vollerwerbstätigen Müttern) am häufigsten in Anspruch genommen.

Bei den Familien mit drei-bis sechsjährigen Kindern stellt der Kindergarten die am häufigsten genutzte Möglichkeit dar, Beruf und Familie zu verbinden. 45 Prozent der drei-bis sechsjährigen Kinder erwerbstätiger Mütter gehen vormittags in den Kindergarten. Dort, wo ein Angebot besteht, sind diese öffentlichen Einrichtungen eine wichtige Entlastung und ermöglichen vielfach erst die Erwerbstätigkeit beider Partner.

— Die Entscheidung von Frauen, ihre Rolle als Mutter, Haus-und Ehefrau mit einer Erwerbstätigkeit zu verbinden, ist nicht zuletzt davon abhängig, inwieweit es ihnen und ihren Partnern gelingt, ein familiales, zeitliches und organisatorisches Arrangement zu treffen, das die Erwerbstätigkeit beider Partner erlaubt. Trotz verstärkter Beteiligung von Frauen am Erwerbsleben werden nach wie vor die Haushalts-und Erziehungstätigkeiten vornehmlich von den Frauen verrichtet. Dies gilt vor allem für die tägliche Hausarbeit, während sich bei der Beschäftigung mit den Kindern und deren Erziehung zunehmend egalitäre Formen der Arbeitsteilung zwischen den Partnern ausbilden. Selbst vollerwerbstätige Frauen sind überwiegend für die alltäglichen Routinen der Haushaltsführung zuständig. Die Gleichzeitigkeit von Beruf und Familie bedeutet zumeist Doppelbelastung bzw. sogar Dreifach-belastung durch Beruf, Haushalt und Familie.

— Die Erwerbstätigkeit ist für viele Frauen und ihre Familien eine nicht zu unterschätzende existentielle Notwendigkeit. Fragt man die jungen Mütter nach den finanziellen Motiven ihrer Erwerbstätigkeit, gibt über die Hälfte von ihnen an, diese aus finanziellen Gründen nicht aufgeben zu können. Bei 15 Prozent aller untersuchten Ein-und Zwei-Kind-Familien liegt das Einkommen ohne eine Erwerbs-beteiligung der Frau unterhalb des Existenzminimums. Sogar jede dritte junge kinderreiche Familie (mit drei oder mehr Kindern) in NRW, in der die Frau nicht erwerbstätig ist, muß mit einem Einkommen unterhalb des Existenzminimums auskommen. Für die kinderreichen Familien ist diese Situation der Normalfall, da nur sechs Prozent der erwerbstätigen Frauen drei und mehr Kinder haben. Gegenwärtig müßte insgesamt jede vierte Familie in NRW, in der die Frau erwerbstätig ist, ohne ihre Erwerbsbeteiligung mit einem Einkommen unterhalb des Existenzminimums auskommen. Die moderne Ausgestaltung eines weiblichen Lebenszusammenhangs ist immer noch mit vielen Belastungen und Einschränkungen verbunden. Auf dem Weg zu einem „Stück eigenem Leben“ nehmen im Sinne der Individualisierungshypothese alternative Lebensmodelle für Frauen zwar zu, doch eine tatsächliche „Wahlfreiheit“ besteht unter den aufgezeigten Bedingungen nur in sehr eingeschränktem Maße.

Mit den Veränderungen der weiblichen Rolle ergeben sich neue Lebensmuster von Partnerschaft und Familie. Traditionelle Beziehungsmuster zwischen Mann und Frau verlieren zunehmend an Gültigkeit. Das wirft die Fragen auf: Wie wird Partnerschaft heute gelebt, welche Bedingungen der Konstituierung von Partnerschaft (Partnerwahl) und welche Entwicklungen von Partnerschaft über Zeit (Partnerkarriere) beeinflussen die familiale Entwicklung?

III. Partnerbeziehung und Familienentwicklung

1. Partnerwahlprozesse Die Prozesse der Partnerwahl lassen deutlich auf veränderte Partnerstrukturen schließen. Auch wenn durch den Individualisierungsprozeß der Partnerwahl die Emotionalisierung der Partnersuche ermöglicht wurde, d. h.der „Liebescode“ das wesentliche Kriterium bei der Entscheidung für einen Partner darstellt, gibt es doch immer noch spezifische Partnerwahlregeln Diese werden durch Endogamie-Regeln bestimmt, durch Entscheidungskriterien, die sich nach der sozialen Ähnlichkeit der Partner richten — also nach dem Alter sowie der Schichten-und Konfessionszugehörigkeit.

Insbesondere die Individualisierungsprozesse des weiblichen Lebenszusammenhangs — steigender Bildungs-und Berufsstatus — haben zu einer Verschiebung von Partnerwahlnormen geführt. Das Phänomen der statusunterlegenen Frau verliert an Bedeutung. Die Gleichheit der Partner nimmt dagegen zu (abgesehen von den 80 Prozent der Partnerbeziehungen, in denen die Frau jünger ist als ihr Partner). Über die Hälfte aller Paare besitzen das gleiche Bildungsniveau. Die Bildungsexpansion der letzten zwei Jahrzehnte und die Chancengleichheit im Bildungsbereich haben insofern ihre Wirkung gezeigt, als Männer nicht mehr in jedem Fall über die höhere Bildung verfügen. Eine gleiche Berufs-position weisen allerdings nur etwas mehr als ein Drittel der Partnerbeziehungen auf. Hier wird deutlich, daß der Zugang zu qualifizierten Berufspositionen für junge Frauen noch nicht in dem Maße gegeben ist wie fürjunge Männer. Auffällig ist allerdings auch das Phänomen der statusüberlegenen Frau (bei 25 Prozent der Partnerschaften), eine Entwicklung, die noch relativ neu sein dürfte.

Einem Rollenkonzept, das auf der innerfamilialen Statusungleichheit der Partner sowie einer geschlechtsspezifischen Rollenausprägung basiert, wird durch diese neuen Partnerkonstellationen die strukturelle Grundlage entzogen. Zunehmend gleiche Bildung und Berufspositionen verlangen eine neue Rollenkonfiguration in der Beziehung, lassen auf komplexe Umstrukturierungen, Anforderungen und Belastungen der Partnerschaft schließen. 2. Vorfamiliale Formen der Partnerschaft Schon im vorfamilialen Bereich von Partnerschaft sind heute umfassende Veränderungen feststellbar. Die früheren normativen Muster vorehelicher Partnerschaften werden zunehmend in Frage gestellt; alternative Lebensformen wie die nichteheliche Lebensgemeinschaft lassen vermuten, daß mit der Wahl spezifischer Partnermuster auch spezifische Lebensorientierungen der Partner verfolgt werden. 24, 5 Prozent der 18-bis 30jährigen Frauen dieser Untersuchung leben heute in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft. Diese Form der Partnerschaft wird von den Frauen selbst überwiegend als Über-gang bzw. Prüfstadium zur Ehe verstanden. Nur etwa 6, 5 Prozent der nichtehelichen Lebensgemeinschaften sind erklärtermaßen ein Äquivalent zur Ehe. Die Frauen dieses Partnertyps erklären, ihren Partner richt heiraten zu wollen. Zudem wollen sie den entscheidenden Schritt, der eine Ehe heute legitimiert, nicht vollziehen, nämlich den, Kinder zu bekommen. Der Wunsch, Kinder zu haben, korrespondiert somit immer noch weitgehend mit der Entscheidung zur Eheschließung.

Die Frauen, die eine nichteheliche Lebensgemeinschaft als Partnerschaftsform wählen, haben spezifische Lebensorientierungen, die sie von den nicht mit ihren Partnern zusammenlebenden Frauen unterscheiden. Sie besitzen höhere Bildungsabschlüsse und Berufsqualifikationen und bewerten die Erwerbstätigkeit sowie ein Leben mit Kindern gleich hoch. Diejenigen Frauen, die nicht mit ihrem Partner zusammenleben, erklären dagegen die Familientätigkeit neben der Partnerschaft zur wichtigsten Lebensorientierung. Die Wahl einer dieser vorehelichen Partnertypen ist somit für die Ausgestaltung einer spezifischen Lebensform von Bedeutung. Doch warum wählen gerade Frauen mit „modernen“ Lebensorientierungen die nichteheliche Lebensgemeinschaft als Form der Partnerschaft? Insbesondere dann, wenn Frauen moderne Lebens-optionen verwirklichen wollen, sind sie darauf angewiesen, mit ihrem Partner neue Rollenmuster zu entwickeln, ohne auf ein breites Angebot an Vorbildern zurückgreifen zu können. Die nichteheliche Lebensgemeinschaft stellt hier eine Form der Partnerschaft dar, die dem Wandel von geschlechtsspezifischen Rollenbeziehungen entgegenkommt, indem sie den Partnern erlaubt, „risikofrei“ ihre Vorstellungen in der Praxis zu leben und zu prüfen. Typischerweise benötigen Frauen mit traditionellen Lebensperspektiven dieses Vorstadium des gemeinsamen Alltags nicht, da die normativen Muster traditioneller Familienrollen wesentlich eindeutiger festgelegt sind.

Die Wahl für eine der vorehelichen Partnertypen hat darüber hinaus Konsequenzen für die weitere Familienkarriere. Wie ein Vergleich der Ehepaare deutlich macht, haben Ehefrauen, die zuvor nicht-ehelich mit ihrem Partner zusammenlebten, ihre Familienkarriere so gestaltet, daß beide Lebens-optionen — nämlich Kinder und Beruf zu vereinbaren — möglich sind: Sie haben überproportional häufiger kein oder nur ein Kind, dagegen seltener zwei und mehr Kinder. Ehefrauen, die nicht mit ihrem Partner vorehelich zusammenlebten und die Familientätigkeit zur bevorzugten Lebensperspektive erklären, haben dagegen überproportional häufiger ein zweites Kind und weniger häufig gar keine Kinder. Deutlich wird hierbei, daß schon im Prozeß der Genese von Partnerschaft, d. h.der vorfamilialen Partnerkarriere, die „Weichen“ für spätere Familienkarrieren gestellt werden. 3. Partnerschaft in der Familie — zwischen Rollen-konflikt und neuer Wertigkeit Die Lebensorientierungen von Frauen weisen (wie oben gezeigt) spezifische Diskontinuitäten vor und nach der Familiengründung auf. Während junge Frauen vor der Familiengründung Beruf und Familie zu gleich hoch bewerteten Optionen ihres Lebens erklären, verlagern sich die Orientierungen nach der Familiengründung auf eine höhere Bewertung der Familientätigkeit und geringere Bewertung der Berufsorientierung. Die Lebensorientierungen von Männern sind dagegen über alle Familienphasen hinweg stabil. Auch mit einem oder mehreren Kindern ist das Lebenskonzept der Männer mit hoher Berufs-und Familienorientierung durch Kontinuität gekennzeichnet. Der zunächst gemeinsam eingeschlagene Lebensweg junger Frauen und Männer mit relativ gleichen Orientierungsmustern verändert sich demnach, sobald Kinder kommen. Während junge Familienväter ihren ursprünglichen Lebensplan kontinuierlich fortführen, d. h. sich die Frage der Aufgabe bzw.der Reduzierung ihrer Erwerbstätigkeit nicht stellt, geben die jungen Frauen überwiegend beim zweiten Kind ihre Erwerbstätigkeit (zumindest vorübergehend) auf.

Obwohl die Lebensorientierungen von Frauen Diskontinuitäten aufzeigen, sind doch zunehmend alternative Optionen zu den traditionellen Leitbildern weiblicher Lebenszusammenhänge erkennbar. Die Entscheidungen, nach denen Frauen ihr Leben gestalten, werden auch in hohem Maße davon abhängig sein, ob sie von ihrem Partner mitgetragen werden. Bei der Realisierung einer modernen Frauenrolle ist die Akzeptanz bzw. Unterstützung des männlichen Partners sicherlich notwendig bzw. wünschenswert. Tatsächlich zeigt sich jedoch, daß Männer im Vergleich zu ihren Partnerinnen durchschnittlich ein stärker traditionelles Lebenskonzept für Frauen bevorzugen. Sie bewerten die Erwerbstätigkeit von Frauen niedriger und die Familientätigkeit höher als die Frauen selbst.

Läßt sich die Frau nun von den individuellen Einstellungen ihres Partners in ihrem Verhalten beeinflussen, ist sie also auch gegen die Meinung des Partners erwerbstätig? Die Frau mit einem Kind, die annimmt, daß ihr Partner ihre Erwerbstätigkeit nicht so hoch einschätzt wie sie, ist überproportional auch dann erwerbstätig, wenn sie davon ausgeht, daß ihr Partner eine ablehnendere Einstellung zur „Erwerbstätigkeit von Frauen“ vertritt als sie selbst. Von einer Anpassung der Frauen an die Auffassung ihrer Partner kann daher nicht gesprochen werden. Bei Ehepaaren mit drei Kindern ist jedoch eine eindeutige Anpassungsbereitschaft feststellbar. Diese Ehefrauen sind tatsächlich nur dann erwerbstätig, wenn es der Meinung des Partners nicht entgegensteht. Die modernen weiblichen Lebens-optionen werden, so machen diese Ergebnisse deutlich, nicht immer von den Partnern der Frauen mit-getragen. Männer bevorzugen eher ein traditionelles weibliches Lebenskonzept; Anpassungen zwischen den Partnern sind daher unvermeidlich und von der Gebundenheit der Frau an das familiale System (Anzahl der Kinder) abhängig.

Trotz der verstärkten Belastungen und Anforderungen durch den Rollenwandel erklären die jungen Frauen und Männer der hier vorgestellten Untersuchung — unabhängig von der Anzahl ihrer Kinder — Partnerschaft zur höchsten Lebensorientierung. Diese hohe Bewertung von Partnerschaft auf der einen Seite und die hohen Anforderungen durch Beruf und Kinder auf der anderen Seite können jedoch auch als Konkurrenz zueinander verstanden werden. In der Tat gaben junge Frauen, die ihre Beziehung zum Partner durch ein (weiteres) Kind gefährdet sehen würden, überproportional häufiger an, sich zukünftig gegen ein (weiteres) Kind entscheiden zu wollen. Zwar können die hoB hen Ansprüche an Partnerschaft im Alltag heute oft nicht ausgelebt werden doch machen gerade unsere Ergebnisse deutlich, daß das Risiko, eine Beziehung durch Kinder zu gefährden, von dem Partner durchaus erkannt wird. Partnerschaft stellt für junge Frauen einen eigenständigen Wert dar, der durchaus eine Alternative zu Kindern sein kann. Kinder sind heute offensichtlich weit weniger der berühmte „Kitt in der Partnerschaft“, sondern eher ein krisenanfälliges Moment

IV. Fazit

Die Lebenspläne und Lebensverläufe von Frauen stehen heute vor neuen Möglichkeiten und Anforderungen. Für Partnerschaft und Familie bedeutet dies, daß Individualisierungstendenzen von Männern und Frauen den Anspruch auf eine „gleichberechtigte“ Biographie der Partner nach sich ziehen. Die Gründung einer Familie konfrontiert diesen Anspruch mit großen Problemen. Kinder zu haben, bedeutet insbesondere für Frauen einschränkende Veränderungen, d. h. unter anderem Reduzierung oder Aufgabe der beruflichen Optionen.

Die gleichzeitige Vereinbarkeit von Beruf und Famihe — vor der Familiengründung von jungen Frauen noch überwiegend gewünscht — ist offensichtlich nur im geringen Maße und wenn, dann oft auch nur mit einem Kind und auf Kosten der persönlichen Freiheit sowie unter Inkaufnahme höherer Belastungen möglich. Die Unterbrechung oder die Reduzierung (Teilzeitarbeit) der Erwerbstätigkeit bedeutet zwar aktuell eine Anpassung der Frau an die neue Alltagssituation mit Kind, birgt jedoch auch das Risiko, künftige Berufsambitionen nur unter erschwerten Bedingungen — wenn überhaupt — realisieren zu können. Auch wenn Frauen nach der Familiengründung weiterhin erwerbstätig sind, so bedeutet sowohl die überwiegende Reduzierung der Erwerbstätigkeit als auch die Doppel-belastung durch Beruf und Familie noch nicht eine gleichberechtigte Berufskarriere von Frauen und Männern. Auch die außerfamilialen Unterstützungsangebote der Kinderbetreuung sind noch unzureichend, um tatsächliche Gleichberechtigung im Erwerbs-und Familienleben zwischen den Partnern zu gewährleisten.

Die Organisation eines Familienhaushalts mit Erwerbstätigkeit beider Partner ist nicht zuletzt davon abhängig, inwieweit es den Partnern gelingt, die Verantwortlichkeiten familialer Alltagsorganisation gleichberechtigt zu bewältigen. Sobald Kinder kommen und der familiale Alltag neu organisiert werden muß, übernehmen die Frauen immer noch die Hauptlast bei der Haushaltsführung; das gilt in gleichem Maße für erwerbstätige Frauen. Wenn sich an der Männerrolle in den letzten Jahren überhaupt eine Veränderung feststellen läßt, dann an der Rolle der Väter. Beide Partner beschäftigen sich überwiegend gleichberechtigt mit den Kindern (aber zumeist auch nur, insofern es nicht die Pflegeleistungen betrifft). Die Elternrolle zeigt offenbar am ehesten Tendenzen zu einer egalitären Rollenaufteilung. Alte traditionelle Rollenausprägungen der Beziehung werden heute zunehmend in Frage gestellt, neue Rollenbilder müssen jedoch erst entworfen und gefunden werden und den gegenseitigen Vorstellungen der Partner entsprechen. Erschwert wird diese Entwicklung dadurch, daß Frauen sich den eher traditionellen Rollen-'Vorstellungen ihrer Partner gegenübergestellt sehen, denen sie sich zur Durchsetzung ihrer individuellen Lebensorientierung zum Teil widersetzen müssen. Die erweiterten Lebensoptionen von Frauen bedeuten somit neue Konfliktpotentiale in den Partnerschaften, machen aber auch deutlich, daß mit diesen Entwicklungen umfassende Veränderungen des gesamten Partner-und Familiensystems einhergehen.

Fussnoten

Fußnoten

  1. G. Seidenspinner/A. Burger. Mädchen ‘ 82. Eine repräsentative Untersuchung über die Lebenssituation und das Lebensgefühl 15-bis 19jähriger Mädchen in der Bundesrepublik. durchgeführt vom Deutschen Jugendinstitut. München. im Auftrag der Zeitschrift Brigitte. Hamburg 1982; K. Allerbeck/W. Hoag, Jugend ohne Zukunft?. München-Zürich 1985.

  2. E. Beck-Gernsheim. Bis daß der Tod euch scheide? Wandlungen von Liebe und Ehe in der modernen Gesellschaft. in: Archiv für Wissenschaft und Praxis der beruflichen Arbeit. (1986) 2-4, S. 155.

  3. Dies.. Vom Dasein für andere zum Anspruch auf ein Stück eigenes Leben: Individualisierungsprozesse im weiblichen Lebenszusammenhang, in: Soziale Welt. 34 (1983). S. 307-340.

  4. Der genaue Titel des Projektes lautete: „Generatives Verhalten in Nordrhein-Westfalen. Prozesse der Familienentwicklung in sozialräumlichen Kontexten und Möglichkeiten ihrer Prognostizierbarkeit“. Dieses Projekt wurde vom Institut für Bevölkerungsforschung und Sozialpolitik der Universität Bielefeld im Auftrag der Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen und der Alfried-Krupp-von Bohlen und Halbach-Stiftung unter der Leitung von Prof. Dr. Franz-Xaver Kaufmann und Dr. Klaus-Peter Strohmeier im Zeitraum 1981 bis 1987 durchgeführt.

  5. Von den Ein-bis Dreijährigen werden nur zwei Prozent in öffentlichen Einrichtungen betreut. Für diese Altersgruppe steht in NRW nur ein Angebot für 0, 38 Prozent der Kinder zur Verfügung. Vgl. Ministerium für Arbeit. Gesundheit und Soziales des Landes NRW (Hrsg.), Landes-Kinderbericht, Düsseldorf 1980, S. 233.

  6. Vgl. N. Luhmann, Liebe als Passion. Zur Kodierung von Intimität, Frankfurt 1982.

  7. Vgl. W. J. Goode, Soziologie der Familie. München 1967.

  8. Vgl. Y. Schütze, Zur Veränderung im Eltern-Kind-Verhältnis seit der Nachkriegszeit, in: R. Nave-Herz (Hrsg.), Wandel und Kontinuität der Familie in der Bundesrepublik Deutschland. Stuttgart 1988, S. 85 — 114.

  9. Vgl. zuletzt E. Beck-Gernsheim. Mutter werden — Der Sprung in ein anderes Leben, Frankfurt 1989.

Weitere Inhalte

Regina Simm, Dipl. -Soziologin, geb. 1954; seit Juni 1989 Hilfsreferentin bei der Staatssekretärin für die Gleichstellung von Frau und Mann beim Ministerpräsidenten des Landes NRW. Veröffentlichungen u. a.: (zus. mit F. -X. Kaufmann u. a.) Partnerbeziehungen und Familienentwicklung in Nordrhein-Westfalen. Generatives Verhalten im sozialen und regionalen Kontext, Düsseldorf 1987; Partnerschaftsdynamik und Familienentwicklung. Die interne Dynamik von Partner-und Familiensystemen und ihre strukturellen Bedingungen und Folgen, IBS-Materialien Nr. 25, Bielefeld 1987.