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1984 und Orwells Nineteen Eighty-Four Anmerkungen zur Literatur, zum Totalitarismus und zur Technik | APuZ 1/1984 | bpb.de

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APuZ 1/1984 1984 und Orwells Nineteen Eighty-Four Anmerkungen zur Literatur, zum Totalitarismus und zur Technik George Orwell und die Intellektuellen Science Fiction — Denken in Modellen

1984 und Orwells Nineteen Eighty-Four Anmerkungen zur Literatur, zum Totalitarismus und zur Technik

Hans-Joachim Lang

/ 31 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Die Literaturgeschichte kennt viele Beispiele für mehrdeutig bleibende Werke (so die Utopia des Thomas Morus) und für solche, die von den Lesern umgedeutet werden (so Defoes Robinson Crusoe). Doch ist die Distanz zwischen George Orwells symbolistischem Roman Nineteen Eighty-Fourund dem aus seinem Titel abgeleiteten Schlagwort „ 1984" als Inbegriff einer alptraumartigen Zukunft ebenso groß wie unnötig, weil sich in den vergangenen 35 Jahren die Gesprächslage zwar verändert hat, jedoch nicht radikal. So steht bei aller Fragwürdigkeit des Terminus . Totalitarismus'das Thema noch auf der Tagesordnung. Ein Vergleich von Orwells Roman und Hannah Arendts The Origins of Totalitarianism (1951) erbringt eine Reihe schlagender Übereinstimmungen, aber auch Schwierigkeiten, wenn man Fiktion mit diskursiver Rede über historisch-soziologische Theorie zur Kongruenz bringen möchte. Dies gilt selbst für Orwells eigene politische Schriften. Doch erklärt eine Untersuchung seiner politischen Entwicklung, warum seine Dystopie so merkwürdig statisch bleibt, während die meisten durch „ 1984" abgerufenen Befürchtungen von neuen Technologien ausgehen. Unzweifelhaft wird bei Kenntnis des ganzen Orwell auch der Anwendungsbereich seiner Warnungen und seiner Satiren: zunächst der Nationalsozialismus, dann vor allem Stalins Rußland, aber auch jegliche Fehlentwicklung, vor allem sprachliche, innerhalb der angelsächsischen Welt.

I.

Unter dem 5. Dezember 1983 findet man in der Wochenschrift Time die Anzeige einer Firma, die für Heimcomputer wirbt. Sie zeigt ein kleines Mädchen mit Kuscheltier und erklärt: „ 1984: Orwell hatte Unrecht. Nach Orwell sollten 1984 der Mensch und der Computer in Feindschaft miteinander leben. Aber seine pessimistische Einstellung war falsch." Wer Orwells Roman zu kennen glaubt, fragt sich verwirrt, wo denn Orwell in ihm von Computern spricht. Einen solchen Rekurs auf den Text sollte man sich für das kommende Jahr besser gleich abgewöhnen. Die Jahreszahl 1984 hat sich längst vom Roman Nineteen Eighty-Four (in Buchstaben!) emanzipiert und führt ein ungeduldiges Eigenleben. Ungeduldig schon deswegen, weil die Freie Universität Berlin auf ihren Hochschultagen 1980 das ganze Jahrzehnt zum Orwellschen erklä Dezember 1983 findet man in der Wochenschrift Time die Anzeige einer Firma, die für Heimcomputer wirbt. Sie zeigt ein kleines Mädchen mit Kuscheltier und erklärt: „ 1984: Orwell hatte Unrecht. Nach Orwell sollten 1984 der Mensch und der Computer in Feindschaft miteinander leben. Aber seine pessimistische Einstellung war falsch." Wer Orwells Roman zu kennen glaubt, fragt sich verwirrt, wo denn Orwell in ihm von Computern spricht. Einen solchen Rekurs auf den Text sollte man sich für das kommende Jahr besser gleich abgewöhnen. Die Jahreszahl 1984 hat sich längst vom Roman Nineteen Eighty-Four (in Buchstaben!) emanzipiert und führt ein ungeduldiges Eigenleben. Ungeduldig schon deswegen, weil die Freie Universität Berlin auf ihren Hochschultagen 1980 das ganze Jahrzehnt zum Orwellschen erklärt hatte 1). Auch Der Spiegel begann ein Jahr früher: „Der Countdown läuft zwölf Monate. Dann ist 1984, und George Orwell (1903 bis 1950) wird der Mann des Jahres sein." 2) Es begann eine Art publizistischen Wettrüstens. „Kurz vor 1984 schaut Big Brother’ aus zahlreichen Verlagsprogrammen", meldete Buch-report (9. September 1983). Wer hierzu selbst mit einem Buch, einem Vortrag und diesem Artikel dazu beigetragen hat, muß sich den Spott verkneifen 3).

Unsere Zeit möchte, solange dies noch möglich ist, mit sich selber ins Reine kommen; Orwell ist nur Katalysator. Wie sein Biograph Bernard Crick mit Recht betont, geriet er schon 1945 und dann wieder 1949 mit seinen Erfolgsbüchern Animal Farm und Nineteen Eighty-Four aus einem kleinen und relativ homogenen Zirkel meist linker Londoner Literaten, die leidlich verstanden, wie alles gemeint war, in einen ganz neuen Kontext, den einer Leserschaft von Millionen, während beispielsweise die erste kleine Auflage seines bedeutenden Buches Homage to Catalonia (1938) 1950 noch nicht verkauft war. In den . 35 Jahren seit Erscheinen von Nineteen Eighty-Four haben sich nicht nur weitere Millionen Leser in allen möglichen Sprachen dazugesellt; es sind neue Generationen herangewachsen, die nicht erlebt haben, was Orwell angreift, aber die Angriffe doch treffend finden 4). Was wollte Orwell treffen, was hat er getroffen?

Gegen die Inanspruchnahme seines Romans durch die politische Rechte der USA, besonders die Zeitschrift Life, konnte er selbst noch protestieren: Die Bezeichnung „Ingsoc"'ist so-wenig ein Angriff auf die Labour Party wie der Name des Liebesministeriums, „Miniluv", ein Angriff auf die Liebe ist. Nineteen Eighty-Four stellt uns eine Welt vor, in der die Uhren 13 schlagen und alles auf dem Kopf steht.

Daher auch der Titel; trotz mancher gelehrten Spekulation über einen möglichen Tiefsinn handelt es sich nur um eine Umstellung von 1948. Sollen wir bedauern, daß Orwell nicht 1949 zur Grundlage genommen hat? Der Titel hieße dann Nineteen Ninety-Four und wir hätten noch zehn Jahre Zeit zum Fürchten. Aber seien wir zufrieden und fürchten uns besser gleich; Grund gibt es genug.

Vermeiden aber sollten wir das Gesellschaftsspiel, das sich am besten mit dem Titel eines Aufsatzes von Norman Podhoretz bezeichnen läßt: „If Orwell Were Alive Today", die Vereinnahmung Orwells für unsere speziellen und persönlichen Ansichten zur Situation der Welt im Jahre 19845). Statt dessen bietet es sich an zu fragen, was Orwell gemeint und was die Welt aus seinem Meinen gemacht hat. Willi Erzgräber sieht in der Orwell-Rezeption ein doppeltes Paradoxon: „ 1. Orwell bekennt sich zum demokratischen Sozialismus, sein Werk aber wurde insbesondere in der Phase des kalten Krieges als Instrument der konservativen Politik verwendet. 2. Das gleiche Werk kann heute dazu dienen, technokratische Tendenzen in den westlichen Demokratien zu kritisieren, nachdem es zuvor konservativ ausgelegt worden ist."

Orwells anarchistischer Freund George Woodcock hat optimistisch angenommen, der verzerrte Ruhm der frühen fünfziger Jahre habe sein eigenes Gegengift produziert, ein Interesse an den früheren Werken Orwells, der nun als künstlerische Persönlichkeit, wie etwa Joseph Conrad oder Henry James, gewürdigt werde, wodurch auch seine wahren Absichten in Animal Farm und Nineteen Eighty-Four zutage getreten seien Auch wir wollen diesen Weg später beschreiten. Doch zuvor sind ein paar allgemeinere Überlegungen über das Verstehen und Mißverstehen von Texten unvermeidlich.

Kein Mensch und auch kein Autor versteht sich ganz; ein Individuum ist in mancherlei Hinsicht am allerwenigsten geeignet, sich selbst zu verstehen. Kein imaginatives Werk, wie z. B. ein Roman, vor allem aber kein symbolischer wie Nineteen Eighty-Four, läßt sich mit diskursiver Rede voll zur Deckung bringen, nicht einmal mit den essayistischen und journalistischen Arbeiten des gleichen Autors. Es handelt sich um verschiedene Textsorten. Daher muß man mit dem Vorwurf Jalscher'Interpretation vorsichtig umgehen. In der Literaturgeschichte gibt es so viele Beispiele von Mißverständnissen, produktiven und unproduktiven, daß man geneigt sein könnte, das Mißverständnis als einen völlig normalen Vorgang zu akzeptieren. Der Insel-aufenthalt Robinson Crusoes war vom Autor Defoe gewiß als Exil von der menschlichen Gemeinschaft, ja als Strafe gemeint, aber wenn familiär und gesellschaftlich Bedrängte und Eingeengte die Insel als Asyl, fast als Idylle ansahen (zumal, als dann noch ein farbiger Diener dazukam) — wer wollte behaupten, daß dies nicht auch auf irgendeine Weise im Text vorhanden war? Oder nehmen wir den zweiten Teil der Utopia von Thomas Morus: der Streit, ob es mehr ein intellektuelles Spiel ist, was Morus mit dem Gedanken eines „besten" Staates treibt, oder eine aus politischen Gründen nur leicht und verspielt vorgetragene . Utopie', Plan einer möglichen konstruktiven Veränderung der Gesellschaft, ist bis heute nicht beendet.

Trotz der Normalität des Vorgangs ist von ihm abzuraten, sofern er vermieden werden kann. Schließlich gibt es noch Leute (so der Schreiber dieser Zeilen), die Nineteen Eighty-Four gelesen haben, als es herauskam. Zwar müssen wir damit beginnen, Orwell historisch zu lesen, aber ebenso wie sein Roman eine . nahe'Utopie ist, ist er für uns nahe Vergangenheit; die Gesprächslage hat sich verändert, aber nicht völlig. Im Sommer 1983 erschien, herausgegeben vom amerikanischen Kritiker Irving Howe, 1984 Revisited: Totalitarianism in Our Century womit der wichtigste Themenkreis bezeichnet ist. Mit dem Terminus . Totalitarismus tragen wir an Orwells Roman nichts Fremdes heran, denn er hat ihn selbst ausgiebig benutzt und 1946 in seinem Essay „Why I Write" bekannt: „Jede Zeile ernst zu nehmender Arbeiten, die ich seit 1936 geschrieben habe, wurde direkt oder indirekt geschrieben gegen den Totalitarismus und für den demokratischen Sozialismus, wie ich ihn verstehe.“

II.

Der Terminus . Totalitarismus'hat einen Vorzug; Orwell hat ihn selbst benutzt. Er hat auch einen Mangel; die Politologie ist sich nicht einig, ob es ihn überhaupt geben sollte. Daß es ihn in der Publizistik gibt und nicht zuletzt in der Tagespolitik, ist eine andere Sache. Genausowenig wie man sich 1984 der Orwell-Diskussion entziehen kann, selbst wenn man das Datum für irrelevant hält, genausowenig wird man den Ausdruck . Totalitarismus'dadurch los, daß man ihn persönlich ignoriert oder abschaffen möchte. So lesen wir in Wege der Totalitarismus-Forschung, herausgegeben von Bruno Seidel, Totalitarismus sei „ideologisch so stark belastet und sollte in der Theorie der Politik nur mit allergrößter Vorsicht (besser vielleicht überhaupt nicht) Verwendung finden". Ein spezieller Mangel, so Seidel, besteht darin, daß er zu einer Zeit geprägt wurde, „in der unter Stalin die Geschichte gleichsam stillzustehen schien. Er war seinem Wesen nach ein statischer Begriff, der wohl die Möglichkeit zu einer weiteren Radikalisierung, nicht jedoch zu seiner eigenen Milderung einzuschließen schien". Er prangert demnach nicht nur Ideologie an, sondern gehört „zu der ideologisch-politischen Renaissance des Liberalismus als . Neoliberalismus’ nach dem Zweiten Weltkrieg, die vor allem mit den Namen F. A. Hayek und W. Röpke verknüpft ist."

Allerdings steht auch der Vorschlag auf Abschaffung des Terminus unter Ideologieverdacht. Der Vergleich von Hitler und Stalin, von Nationalsozialismus und Stalinismus, soll verboten werden, befürchten diejenigen, die für seine Beibehaltung eintreten. In Totalitarianismin Perspective: Three Views (1969) wird die Skala der Einstellungen deutlich: Carl J. Friedrich hält ihn für eingeführt und brauchbar, außerdem für relativierbar, denn es sei „durchaus sinnvoll, von totalitären Zügen unter dem Gesichtspunkt des Mehr oder Weniger zu sprechen." Michael Curtis sieht abnehmenden Ertrag für das Studium zeitgenössischer Politik nach Hitler und Stalin, während Benjamin R. Barber die semantischen Konfusionen herausarbeitet und auf ein Absterben des „totalitären Konzepts" hofft Selbst wenn man Barbers Position zuneigt, läßt sich das historische Verdienst der ursprünglichen Totalitarismus-Debatte nicht leugnen. Es wurde Alarm gegeben, daß etwas historisch Neues in die Welt getreten war, das mit Tyrannis oder mit Obrigkeitsstaat nicht mehr zu fassen war. Der Terminus schärfte ebenfalls den Blick für eine mögliche Konvergenz der beiden Systeme Hitlers und Stalins. Nur muß dann auch, aus exakt den gleichen Erwägungen, die Anwendbarkeit auf das nach-stalinistische Rußland aufgegeben oder eingeschränkt werden. Der . Totalitarismus’ hatte Schreckliches bewirkt, aber zugleich seine eigene Vergänglichkeit bewiesen. Michael Walzer hat scharf formuliert:

Solche Regime haben ein kurzes Leben und gehören daher nicht in eine Typologie der Herrschaftsformen. „Das wäre so, als ob man die Apokalypse in eine normale Chronologie einzuschmuggeln versuchte. Das Ende aller Tage ist kein Datum, und Totalitarismus ist kein Regime."

Totalitarismus läßt sich als Struktur und als Prozeß beschreiben. Die fünf von Carl J.

Friedrich hier verkürzt wiedergegebenen Merkmale, 1. eine offizielle Ideologie mit chiliastischen Forderungen, 2. eine einzige Massenpartei, gewöhnlich hierarchisch unter einem Führer organisiert, 3. ein Monopol der Kampfmittel, 4. ein fast vollkommenes Monopol der Massenkommunikationsmittel und 5. ein System terroristischer Polizeikontrolle, beschreiben Strukturen und unterscheiden sich nicht nur inhaltlich von Bruno Seidels Vorschlag, der uns hautnäher berührt, wenn er u. a. von einer „integratorischen Funktion", vom „Vorhandensein einer perfektionierten Verwaltungs-und Erfassungstechnik" und von der „Neigung bürgerlicher Gesellschaften im Falle ökonomischer oder politischer Krisen, sich faschistischer Methoden gegenüber den als Bedrohung empfundenen Schichten des sozialen Aufstiegs zu bedienen, ..."

spricht 13). Die Abweisung des Terminus . Totalitarismus'bezieht sich bei Seidel nicht auf das Adjektiv . totalitär': „Jede Herrschaftsordnung kann sowohl im Einklang als auch unter Bruch mit ihren eigenen Traditionen und Prinzipien mit unbedenklichem Einsatz aller verfügbaren Lock-und Zwangsmittel gegen bestimmte Minderheiten oder Einzelne . totalitär'verfahren (Schumpeters Lynch-Demokratie). Um hier aber zur vollen Wirksamkeit zu gelangen, bedarf es freilich jener Perfektion der Verwaltungs-und Erfassungstechniken, wie sie dem Staat überhaupt erst in der Gegenwart zur Verfügung stehen."

'Es ist leicht zu sehen, daß im Hinblick auf unsere Situation im Westen von Friedrichs Merkmalen eine beruhigende, von Seidels mehr dem . totalitären'Prozeß zugewandten Merkmalen eine beunruhigende Wirkung ausgeht. Man tritt den beiden Theoretikern nicht zu nahe, wenn man die eigentliche Funktion ihrer Merkmalskataloge in dieser Beruhigung bzw. Beunruhigung erblickt.

Wohin nun sollen wir Orwells Roman einordnen? Seine seltsame Statik ist oft bemerkt und beschrieben worden. Es ereignet sich etwas mit Winston Smith, aber im Staate Ozeanien ändert sich rein gar nichts; das ist der Horror des Horrors. Ebenso unbestritten bei allen ernst zu nehmenden Kritikern ist auch die Funktion des Romans als Warnung; Orwell hat nicht prophezeien wollen, vielmehr die Extrapolation und Verlängerung unheilvoller Tendenzen der Gegenwart in die Zukunft, beispielhaft bei James Burnham als Feigheit vor dem Feind — der Macht nämlich, denunziert Beschränkt sich sein Verdienst somit darauf, einer in den dreißiger und vierziger Jahren wohlbegründeten Furcht „einen Namen und einen festen Wohnsitz" (England als Airstrip One, das Mutterland der parlamentarischen Demokratie als Heimat des Ingsoc) gegeben und damit ein Millionenpublikum erreicht zu haben, das politische Theorie niemals konsumieren würde? Es ist zu hoffen, daß die Beziehungen von Literatur und Politik als subtilere nachweisbar sind.

Orwells Nineteen Eighty-Four erschien im Juni 1949; im Herbst des gleichen Jahres schloß Hannah Arendt das Manuskript ihres großen Werks The Origins of Totalitarianism ab. Es war seit langem in Arbeit und konnte als Konzeption von Orwell nicht mehr beeinflußt worden sein Da es zur gleichen Zeit, aber unabhängig von Orwell entstand, selbst Literatur darstellt (Karl Jaspers: „Geschichtsschreibung großen Stils") und auch mit vielen Thesen eine Affinität zur Literatur hat, eignet es sich vorzüglich zum Vergleich. Arendt gab dem dritten Teil ihres Buchs ein Motto von David Rousset mit, des Inhalts, normale Menschen wüßten nicht, daß alles möglich ist. Das Ungeheuerliche kann demzufolge wirklich weiden, wenn seine Möglichkeit erst einmal gedacht ist.

Die beiden Werke beruhen auf verschiedenen persönlichen Erfahrungen. Obwohl eine ungemein gelehrte Schrift über die Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft vom Nationalstaat über den Imperialismus zum Totalitarismus, ist The Origins of Totalitarianism doch so sehr eine Antwort auf die Frage: wie war Holocaust möglich, daß Arendt im Vorwort zur deutschen Ausgabe von 1967 schreiben konnte: „Die imperialistische und die totalitäre Spielart des Antisemitismus im 20. Jahrhundert findet der Leser im zweiten bzw. dritten Band dieser Arbeit." Die Übernahme des Antisemitismus und der Verschwörungstheorie durch Stalin bezeichnet Arendt dann auch als „letzte Ehre", die Stalin „seinem toten Kollegen und Rivalen im Kampf um die totale Herrschaft", Hitler also, gegeben habe Auch Orwell war zuerst durch den Nationalsozialismus aufgeschreckt worden, erfuhr aber am eigenen Leibe die Realität von Verfolgung durch politische Polizei, die alptraum-artige Atmosphäre einer Stadt, in der Jagd auf Dissidenten gemacht wird, 1937 in Barcelona, an einer für ihn empfindlichen Stelle: mitten im revolutionären Katalonien, dem er dennoch in seinem Homage to Catalonia huldigte. Zu diesen persönlichen Erfahrungen gehörte essentiell aber auch deren zweiter Teil: die Unmöglichkeit, in einer zwar nicht gleich-geschalteten, aber gleich schaltenden demokratischen und liberalen Gesellschaft der Wahrheit, wie er sie kannte, zum Durchbruch zu verhelfen. Diese Erfahrung wiederholte sich 1944/45 mit Animal Farm, das als Angriff auf das System der alliierten Sowjetunion in schöner Eintracht vom linken Victor Gollancz und dem rechten T. S. Eliot (im Namen von Faber and Faber) und noch andern abgelehnt wurde. 1972 kam ein bitteres Typoskript Orwells zutage, als Vorwort zu Animal Farm gedacht und posthum unter dem Titel „The Freedom of the Press" veröffentlicht Arendt war Philosophin und Historikerin, Orwell nur Journalist, aber er las und rezensierte Mein Kampf, später auch die Bücher von Franz Borkenau, The Spanish Cockpit, The Communist International und The Totali-tarian Enemy. Ebenfalls bekannt waren ihm die Warnungen vor jeglicher Art des Kollektivismus von Hilaire Belloc, The Servile State, und F. A. Hayek, The Road to Serfdom. Nur war Orwell von einer für einen Sozialisten atemberaubenden wirtschaftspolitischen In-kompetenz. 1941 lehrte er über Planwirtschaft heiter, sie könne die Probleme der Produktion und des Konsums lösen, ja diese existierten nicht: „Der Staat berechnet einfach, welche Güter gebraucht werden, und tut dann sein Bestes, sie zu produzieren." In einem Brief über das Mißverstehen von Nineteen Eighty-Fourin den USA erklärte er, nicht die Labour Party sei gemeint (zu der er sich bekenne), vielmehr habe er die Perversionen aufweisen wollen, für die zentralisierte Ökonomie anfällig sei. Ganz deutlich aber machte er den Anwendungsbereich seiner Warnung: „Die Szene des Buchs ist Großbritannien, um zu betonen, daß die englischsprachigen Menschen nicht von Geburt aus besser sind als andere und daß Totalitarismus, wenn man ihn nicht bekämpft, überall triumphieren könnte." Arendt sah das nicht anders und bedauerte 1966, „daß uns die Ära des kalten Krieges eine offizielle . Gegenideologie’ hinterlassen hat, den Antikommunismus, welcher gleichfalls dazu neigt, einen Anspruch auf Weltherrschaft zu entwickeln, und uns dazu verleitet, nun unsererseits einer Fiktion nachzuhängen; denn er verbietet es uns prinzipiell, die verschiedenen kommunistischen Einparteiendiktaturen ... von einem echten totalitären System zu unterscheiden .. .

Nicht nur in der ehrlichen Gesinnung, die Entlarvung von Ideologien nicht selbst ideologisch ausarten zu lassen, treffen sich Orwell und Arendt, sondern auch in so vielen Einzelheiten, daß man zunächst eine Konvergenz des Romans mit der historischen Analyse annehmen könnte. In beiden Werken liegt der Machtkern in der Geheimpolizei, die jedoch keine rationalen Sicherheitsinteressen der Herrschenden verfolgt, sondern . Verbrechen, die den eigenen paranoiden Vorstellungen entsprechen, so daß, nach Arendt, „jedes Verbrechen bestraft werden muß, das die Herrscher sich ausdenken können, gleich ob es verübt worden ist oder nicht." Menschen, die denken können, sind per definitonem schuldig; Wohlverhalten genügt nicht, denn denkende Menschen können ihre Meinung ändern. Es gibt also Verbrechen ohne Tat; Gedankensünden sind die schlimmsten. Wenn der totalitäre Staat sich sicher fühlen will, müssen nicht nur Körper getötet werden, sondern die moralische Persönlichkeit; es darf auch keine Zeugen (Märtyrer) geben. Dem Individuum wird außer dem Leben auch der sinnvolle Tod genommen. Das alles ist nicht nur Arendt, sondern zugleich Orwell in Nineteen Eighty-Four.

Nicht anders verhält es sich mit dem Motiv-komplex des Respekts vor Tatsachen, seien es solche der Natur oder der Geschichte. Der Totalitarismus zielt auf eine fiktive, ja wahnwitzige Welt, die er sogar herzustellen in der Lage ist — auf Zeit. 1966 schrieb Arendt über eine Art Selbstverzehr totalitärer Ideologie: „Sie gebraucht und mißbraucht vielmehr ihre eigenen ideologischen und politischen Elemente so lange, bis die reale Tatsachenbasis, aus der die Ideologien anfänglich ihre Stärke und ihren Propagandawert bezogen .... so gut wie verschwunden ist." In Nineteen Eighty-Fourhat die Ideologie des Ingsoc mit der esoterischen Lehre, die Winston Smith von O’Brien erläutert wird, wenig zu tun.

Wer jedoch Orwells Roman als eine'fiktive Einkleidung politischer Theorie lesen will oder Arendts Buch als eine wissenschaftliche Version von Nineteen Eighty-Four, stößt auf Schwierigkeiten. Arendts Beispiel für Zerstörung der Psyche, für totale Herrschaft über Menschen, ist das Konzentrationslager. Orwells Winston Smith bekommt, trotz Nachhilfe durch Folter, eine sehr persönliche, langwierige, um nicht zu sagen langmütige Gehirnwäsche verordnet. Während Arendt auf der Instabilität totalitärer Herrschaft insistiert (Hitler und Stalin versprachen Stabilität, um Zustände permanenter Instabilität zu erzeugen), befürchtet Orwell die Fähigkeit totalitärer Systeme, sich zu perpetuieren und einander zu stützen. O'Briens Erklärung, daß Macht keine Zwecke hat, außer mehr Macht, wird von Arendt als Motiv totalitärer Herrschaft geleugnet; Macht um der Macht willen sei ein Merkmal des (vortotalitären) imperialistischen Zeitalters gewesen

Die Liste könnte fortgesetzt werden, sei aber abgebrochen zugunsten eines anderen Gedankens, den man im Englischen „the personal equation" (die persönliche Gleichung) nennt. Arendt neigt als Konservative zur Feti-schisierung von Tradition und Kontinuität. Jedem, der sich mit Hexenprozessen und Inquisition befaßt hat, drängen sich Analogien zu totalitären Systemen auf; Unterschiede liegen weniger im Geistigen als in der fehlenden Technologie früherer Zeiten. Orwells bittere Verachtung für katholische Intellektuelle wäre ohne diesen Hintergrund lediglich illiberal. Sein Roman ist, um einen Titel von H. G. Wells zu verwenden, eine Anatomy of Frustration; der frustrierte Revolutionär und die konservative Analytikerin können letztlich kaum völlig übereinstimmen. Doch gibt es viel fundamentalere Gründe, aus denen Nineteen Eighty-Four nicht nur selbst das Produkt einer Frustration ist, sondern diejenigen frustrieren muß, die ihm eine klare Aussage über die Verhältnisse in der Welt von 1984 entnehmen wollen. Die Fabel des Romans steht dem entgegen.

O'Brien nimmt sich für Winston Smith soviel Zeit, als sei er Psychoanalytiker und werde entsprechend bezahlt. Ein Psychoanalytiker hat denn auch moniert, Orwell habe „die astronomischen Kosten und Verpflichtungen einer solchen Überwachung nicht in Rechnung gestellt" Beginnen wir zu fragen, wer dieser O'Brien überhaupt sei, erhalten wir überraschend unklare Antworten des Textes. Wie hoch er in der Parteihierarchie steht, ob seine Parteigenossen alle so denken wie er, wie sein Verhältnis zum Großen Bruder ist, oder ob er gar selbst der Große Bruder ist, und schließlich, ob es den Großen Bruder als Person überhaupt gibt —alles bleibt dunkel. Soweit wir über das System Ozeaniens im Sinne geschichtlichen Verstehens aufgeklärt werden, geschieht das in Goldsteins Abhandlung, die aber selbst im Zwielicht steht: Gibt es Goldstein oder müssen wir, wie Robert Plank rundweg behauptet, von Pseudo-Goldstein reden, weil dieser als das nötige Feindbild nur eine Erfindung der Inneren Partei ist?

III.

An dieser Stelle ist ein Blick auf den Text, die Fabel und ihre Strukturierung, unvermeidlich. Eine Inhaltsangabe ist, wie bei jedem symbolistischen Roman, problematisch; er hat keinen ausgießbaren Inhalt.

Im Artikel in Kindlers Literatur-Lexikon wird zunächst der Weltzustand des Jahres 1984 dargestellt. Danach heißt es: „Am Schicksal des kleinen Angestellten Winston Smith ... zeigt Orwell die Unmöglichkeit, in dieser Alptraumwelt als Individuum zu existieren." Was aber ist, wenn Robert Plank recht hat, der sagt: „ 1984 sind zwei Romane: der sachlich erfaßbare, das Wasser auf die Mühlen der Politologen, und der verborgene, der von packendem Interesse für die Psychologen ist"? Schlimmer: was ist „sachlich erfaßbar"? Wir „lernen" die Welt Ozeaniens zunächst anhand von Smiths eigenen Versuchen, sich in ihr zu orientieren. Dabei ist erstaunlich, wie-viel er nicht weiß, wie oft er unsicher ist.

Seit das Jahr 1984 naht, fühlen sich mehr und mehr Menschen falsch programmiert, weil das Datum so willkürlich gewählt ist; ein Reporter-Rechercheur von Time hat die Ironie dieser Willkür entdeckt und ihr Verleger hat die Welt am 28. November 1983 von der Entdeckung unterrichtet. Aber wer erinnert sich an die Textstellen, in denen Winston Smith zugibt, unsicher zu sein, ob man wirklich das Jahr 1984 schreibt — obwohl er mit dem Umschreiben datierter Zeitungen befaßt ist? Er kennt die Größe des Gebäudes, in dem er arbeitet, nicht genau; er weiß nicht, wer seine Chefs sind, welche Stellung O’Brien einnimmt; er ist auf Gerüchte angewiesen, wenn es um Goldstein, „das Buch" und die Brüderschaft geht. Immer wieder finden wir Formulierungen wie „es gibt keinen Beweis dafür". Woher ist der Leser eigentlich soviel schlauer? Smith stellte im ersten Teil des Romans eine Frage, die in den zwei weiteren Teilen beantwortet wird: im zweiten durch Gold-steins Buch, im dritten durch O'Briens Gespräche mit Smith im Liebesministerium. Wenn O'Brien nicht lügt, gibt es keinen Gold-stein; die Schrift über Theorie und Praxis des oligarchischen Kollektivismus ist von ihm und seinen Mitarbeitern verfaßt. Aber wer garantiert uns, daß O'Brien die Wahrheit sagt? Smith ist im dritten Teil immer noch Lernender, aber er lernt zu gehorchen und den Großen Bruder zu lieben. Er lernt die Welt Ozeaniens sehr genau kennen, insofern er dieMacht der Inneren Partei über ein Mitglied der Äußeren Partei erfährt, aber er kann keineswegs sicher sein (und der Leser sollte es ebensowenig), die volle Wahrheit zu erfahren.

Des Lesers Bild von Ozeanien setzt sich zusammen aus drei auf die Romanteile verteilten Informationsquellen: Smiths persönliche, aber frustrierte Recherchen, vor allem im ersten Teil, Goldsteins Analysen im zweiten, O'Briens Erklärungen im dritten. Dieses Bild läßt sich am besten durch ein für den Schlußteil dieses Artikels zentrales Motiv exemplifizieren, den Krieg. Auf London fallen zwanzig bis dreißig V-2-ähnliche Geschosse pro Woche; vor etwa dreißig Jahren hatte es einen Atomkrieg gegeben; dabei war eine Bombe auf Colchester gefallen. Goldstein erklärt in seinem Kapitel III, „Krieg ist Frieden", inwiefern dieser Slogan der Partei durchaus nicht unsinnig ist; der begrenzte Krieg ohne Einsatz der Atomwaffen stabilisiert demnach die drei Großmächte, und insofern herrscht im Sinne der Herrschenden Frieden. Alle Mächte bereiten sich auf einen Erst-und Vernichtungsschlag vor, der aber, laut Goldstein, nur ein Traum sei, weil — so lesen wir leidlich erstaunt — die Kunst der Kriegführung seit dreißig oder vierzig Jahren stationär geblieben ist. Julia, in mancher Hinsicht smarter als Winston selbst, glaubt sogar, die auf London fallenden Flugkörper seien von der Regierung Ozeaniens abgefeuert, um die Menschen in Furcht vor dem Feind zu halten. Im dritten Teil tritt das Thema Krieg in den Hintergrund. Nach seiner Entlassung sitzt Smith im Caf Kastanienbaum und hört zunächst schlechte Nachrichten vom Krieg, später eine Siegesmeldung. Diese bringt ihn zur Anbetung der Macht, zur Liebe zum Großen Bruder, aber ob es einen Sieg oder überhaupt einen Krieg gegeben hat, bleibt offen: der Roman handelt wirklich von den wenigen Kubikzentimetern im Innern des Schädels von Winston Smith

Wenn der Leser die Welt Ozeaniens dennoch als quasi-real erfährt, so liegt das auch an Orwells großer Kunst, das Unwahrscheinliche wahrscheinlich zu machen (vraisemblance, Das London des Zweiten verisimilitude).

Weltkriegs mit Propaganda, Verwaltung des Mangels, mit . blitz', V-l und V-2 hat ihm Pate gestanden. Hat der Leser einmal angefangen, eine fiktive Welt für möglich zu halten, fährt er gewöhnlich damit fort, zumindest bei der Erstlektüre. Die hohe Unwahrscheinlichkeit der späteren Teile fällt (noch) nicht auf. In ähnlichem Sinn akzeptieren wir auch Gold-steins Analysen des Systems, wie wir überhaupt geneigt sind, Analysen gescheiter Leute zu akzeptieren, so oft sie sich auch irren mögen.

So unklar die Weltverhältnisse, so deutlich die Beziehungen der Personen in Orwells triadischer Welt. Winston Smith (Vor-und Nachname) ist im ersten Teil allein, im zweiten beisammen (mit Julia), im dritten getrennt (von Julia), aber bei O'Brien (nur Nachname), dem er sich von Anfang an auf intimste Weise verbunden gefühlt hat. Der erste Teil zeigt Winston in seinem Alltag, aber auch bei seinem Entschluß, seinen heterodoxen inneren Monolog durch ein Tagebuch manifest zu machen und so „thought crime (Gedanken-sünde) zu dokumentieren. Der zweite Teil, die Liebe zu Julia und die Lektüre Goldsteins, erweist sich im dritten als Illusion, denn es gibt in Ozeanien keine Liebe als dauernde Bindung und vielleicht auch keinen Gold-stein, was aber Winston irgendwie von vornherein gewußt hat. Der erste Teil handelt vorwiegend von Vergangenheit, der zweite von Gegenwart, der dritte von der Zukunft, nur ist die Vergangenheit verschüttet, die Gegenwart trügerisch und die Zukunft nur die des ewig auf das menschliche Angesicht nieder-fahrenden Stiefels. Die physische und die psychische Welt in Nineteen Eighty-Four ist schmutzig, schäbig, ekelerregend, pervers.

Wieder wirkt die Leseridentifikation als Falle. Wir leiden mit Winston und identifizieren uns mit seinem Widerstand gegen das System. Nur ist Smith selbst Teil des Systems. Er hat keinen archimedischen Punkt außerhalb seiner Welt. Auch ist er so korrumpiert, daß er an einem unehrlichen Job Freude hat und gegen die zunächst verkannte Julia sadistische Regungen hegt. Er hat sich ferner der Gewalt verschrieben und verspricht O'Brien, in Kadavergehorsam unmenschliche Mittel im Kampf gegen einen unmenschlichen Gegner einzusetzen. Kein Wunder, daß er O'Brien im dritten Teil nicht mehr gewachsen ist und mit Julia auch seine eigene Menschlichkeit verrät, wie sie ihn und ihre Menschlichkeit verraten hat. Orwell bringt das Individuum systematisch auf Null; das Argument, das System sei daran schuld, ist nicht abwegig, aber einseitig. Denn Winstons reiches In-9 nenleben, vor allem seine Träume, beschuldigen ihn. Nur die schützende Liebe von Müttern zu ihren Kindern (in der Vergangenheit) und das Singen der Proles-Waschfrau (mit einem Schimmer von Hoffnung für die Zukunft) haben als Werte Bestand

Das am strengsten durchkomponierte Motiv ist . thought crime", die Gedankensünde, genauer: die Sünde des Denkens. In Ozeanien kommen sowohl der zu Intelligente (Syme, der an Newspeak arbeitet) als auch der zu Dumme (Parsons) ins Liebesministerium. Bei aller Statik hat das System Ozeaniens noch eine verbleibende Utopie: das unorthodoxe Denken dadurch unmöglich zu machen, daß die Sprache bis zu dem Punkt vereinfacht wird, an dem man in ihr keine unorthodoxen Gedanken mehr formulieren kann. Im Anhang über die Prinzipien von Newspeak wird in der Sprache unserer Gegenwart über die Situation von „ 1984" in der Vergangenheitsform berichtet. Das ist völlig konsequent, denn alle Geschichten spielen in der Vergangenheit. Orwell hat über seine Zeit geschrieben, die dreißiger und vierziger Jahre, so oft er selbst auch mit echten . Prophezeiungen'oder wenigstens Voraussagen kokettiert hat. Was aber war das für eine Zeit und wie verhält sie sich zu unserer?

IV.

Orwell hat mehrfach und glaubwürdig versichert, daß er unter anderen Umständen als denen des 20. Jahrhunderts kein politischer Schriftsteller geworden wäre. Er erkannte lediglich, ohne jede Begeisterung, wie unvermeidbar Politik auch und gerade für den Schriftsteller in unserer Zeit geworden war. Um 1930 war man, wie hundert Jahre zuvor, wieder am „Ende der Kunstperiode" angelangt. Orwells zunächst zögerndes Engagement auf der Linken in den frühen dreißiger Jahren führte erst 1936/37 zu einer klareren Position. Vorangegangen war seine Zeit als Polizeioffizier in Burma, die ihn den Imperialismus hassen lehrte. Er hatte durchaus keine undifferenzierte Meinung über das Wirken der Engländer in Indien und Hinterindien. Völker regieren andere Völker besser als sich selbst, meinte er sogar einmal. Aber die Herrschaft über andere Völker bleibt Tyrannei; ökonomisch ist Imperialismus Ausbeutung. Diese Einsicht verdarb ihm die Freude an europäischen Arbeiterbewegungen. Gemessen an den Kulis Asiens seien die britischen Arbeiter nicht Ausgebeutete, sondern Ausbeuter. Noch unter den allerletzten Aufzeichnungen Orwells findet man die Klage über die grundlegende Heuchelei der britischen Arbeiterbewegung, weil diese inopportune Wahrheit verdrängt werde.

Nun läßt sich zwar kaum über Orwells Einsicht streiten, aber diese ist eine abstrakte, pragmatisch recht sterile. Es ist zugleich Orwells Stärke und Schwäche, daß er sich um das Pragmatische selten bekümmert hat. Sein Weg zum Sozialismus war denn auch denkbar verschieden von allen üblichen; sein Buch The Road to Wigan Pier (1937) gleichzeitig ein Bekenntnis zu einem radikalen Sozialismus und eine Abrechnung mit den meisten anderen Sozialisten, besonders mit solchen, die ihre Intellektualität und die Bourgeoisie als Herkunft nicht verleugnen konnten. Spanien, genauer: Katalonien, vermittelte ihm zweierlei: Einmal das Erlebnis der egalit^ im postrevolutionären Barcelona; damals schrieb er seinem Freund Connolly, erst jetzt glaube er wirklich an den Sozialismus. Zum andern seine und seiner Kameraden Verfolgung von der eigenen Seite im Bürgerkrieg: Terror, Geheimpolizei und lügnerische Propaganda. In Homage to Catalonia (1938) hat er das Gute und das Böse dargestellt, aber einen unerschütterlichen Glauben bekannt. Diese Position führte ihn in eine Sackgasse: er war zugleich gegen Kapitalismus und Kommunismus, vom Faschismus ganz zu schweigen, gegen England, Frankreich, Deutschland, Italien, Rußland. Die europäischen Optionen waren damit erschöpft. Es blieben zwei mögliche Positionen, die ihm aber emotional verwehrt waren. Um sie verständlich zu machen, muß auf seine Haltung zum Ersten Weltkrieg eingegangen werden.

Orwell war noch zu jung, um Soldat zu sein. Im Eton College breitete sich damals eine radikale, aufmüpfige Stimmung aus; Patriotismus war diskreditiert (Orwells erste Veröffentlichung im Alter von elf Jahren war ein patriotisches Gedicht gewesen). Krieg mit seinem Massenmord und seiner lügnerischen Propaganda war Orwell ein Greuel; gleichwohl wurde er nie Pazifist. Er fürchtete nichts mehr als einen zweiten Weltkrieg, von dem er annahm, es würde in ihm die Gelegenheit benutzt, eine Spielart des Faschismus unter dem Vorwand von Patriotismus und Landesverteidigung zu etablieren. Auch stand er der Meinung, Weltkriege seien kapitalistisch-imperialistisch, nicht fern. In den Jahren 1938/39 ist Orwell, der zwar sehr intelligent, aber kein theoretischer Kopf war, von einem Vulgärmarxisten nicht leicht zu unterscheiden. Die Frage, warum er, der bei den POUM-Milizen gedient hatte, sich nicht in ein trotzkistisches Lager begab, ist schon beantwortet. Die langfristige ökonomische Analyse lag ihm nicht, wie ihm überhaupt, trotz eines Firnis von Marxismus, Ökonomie und die Organisation industrieller Arbeit zeitlebens verschlossen blieben. Das revolutionäre Pathos, das auch mit Trotzkismus verbunden war, lag ihm mehr, aber nach seiner Rückkehr aus Spanien nach England war ein Betätigungsfeld für revolutionäres Handeln schwer auszumachen. Als der befürchtete Zweite Weltkrieg ausbrach, machte Orwell wie zahlreiche andere Intellektuelle, zumal auch nach dem Hitler-Stalin-Pakt, die Erfahrung, daß der Prophet zum Berge gehen müsse, wenn der Berg nicht zum Propheten kommt. Er wählte das kleinere Übel. Er konnte jetzt (allerdings nur bis 1941!) zugleich gegen Mussolini, Hitler, Franco und Stalin sein. Die Isolierung Englands nach Dünkirchen und vor dem Eintritt der USA in den Krieg kam Orwells Sinn für das Heroische entgegen. Er drängte sich jetzt sogar zum Militärdienst, wurde aber aufgrund seiner lädierten Lunge nicht genommen. Er diente in der Home Guard, die er zugleich, mit geringem Erfolg, zu einer Art revolutionärer Truppe umzufunktionieren gedachte. Das Schlagwort aus Spanien „Der Krieg und die Revolution sind eins" wurde von ihm auf England übertragen. Er hoffte, daß die Erschütterung der Niederlage in Frankreich zu einer Revolution gegen die alte Herrschaftsschicht und gegen den Kapitalismus führen werde; eine Illusion, wie er bald genug herausfand, es sei denn, man bezeichne die schon während des Krieges eingeleiteten Reformen und 1945 die Absage des Wählers an den siegreichen Kriegspremier Churchill als Revolution

Natürlich vollzog sich auch ein Gefühlswandel in Orwell. Was waren britische Stupidität und Lethargie im Vergleich zu den Terrorsystemen des Kontinents? Als Journalist setzte sich Orwell für Liberalität ein, selbst im Kriege: Die Internierung des Faschisten Sir Os-wald Mosley war 1940 als Notwendigkeit gerechtfertigt, denn er war ein potentieller Quisling; 1943 aber war sie ein Skandal geworden, ein Verstoß gegen Habeas Corpus.

Man kann Orwells Entwicklung von 1940 an als Weg zur Mitte deuten, aber das bleibt eine Vereinfachung. Orwell blieb Sozialist, aber in der Labour Party sagte ihm nur der linke Flügel mit Aneurin Bevan zu. Er haßte die kapitalistische Klassengesellschaft, wußte sich aber als Teil derselben. In einer seiner allerletzten Aufzeichnungen verglich er die Atmosphäre seiner beiden letzten Krankenhäuser. Die Besucher des einen kamen durchweg aus der Oberschicht und ihr Sprachduktus fiel Orwell auf die Nerven: „Kein Wunder, daß jedermann uns so haßt.“ Uns — Orwell blieb durch seinen Eton-Akzent lebenslang Mitglied einer ihm verhaßten Klasse-, seine Angewohnheit, heißen Tee gelegentlich aus der Tasse in die Untertasse zu gießen und schlürfend zu sich zu nehmen, wurde als Exzentrizität oder mißglückter Versuch des Spater le bourgeois geduldet oder belächelt.

Als Orwell am 24. Juni 1938 seinen Eintritt in die Independent Labour Party begründete, warnte er ausdrücklich vor der tödlichen Gefahr eines lediglich negativen Antifaschismus. Wir dürfen mühelos ergänzen: eines lediglich negativen Antikommunismus. Es gibt keinen Beleg dafür, daß Orwell diese Position wie eine Jugendsünde verlassen oder „überwunden" hätte. Orwell wurde Utopist nicht aus Temperament, sondern ethischer Disziplin. Er nahm das Leben so ernst, daß ihm nur die Wahl blieb zwischen Utopie und Verzweiflung. Seine intellektuellen Überzeugungen und seine Gefühle kamen — und wen wundert es? — nicht zur Deckung.

Als er sich entschloß — ob nun mehr aus Vernunfterwägungen oder aus Gefühl und Heimatliebe—, den Krieg 1940 zu unterstützen, griff er die Pazifisten unerbittlich und unfair an, was gute persönliche Beziehungen und so-gar in einzelnen Fällen spätere Freundschaft nicht ausschloß. Wer nicht für den Krieg gegen Hitler war, war für Hitler — . objektiv'. Diese ungemein dialektische Vokabel war ein Stück totalitären Denkens bei Orwell. Die moderne Gesellschaft ist — hier dürfen wir einmal sagen: glücklicherweise — komplizierter. Aber wir verstehen bei Kenntnis der biographischen Umstände besser, wie Orwell seinen Helden in Nineteen Eighty-Four dargestellt hat: als Opfer, aber doch auch als Mittäter. Die Statik in Nineteen Eighty-Four ist doppelt begründet: literarisch durch einen Zug der modernen Literatur, die wahrnehmbare gesellschaftliche Welt als Entwicklung, zu schweigen vom Fortschritt, nicht mehr ernst nehmen zu können, sondern bestenfalls parabolisch zu deuten, schlimmstenfalls als Absurdität darzustellen: Warten auf einen Godot, der niemals kommt, Endspiele. In dieser Hinsicht ist der Verfasser von Nineteen Eighty-Fournicht weit entfernt von Samuel Beckett und Franz Kafka Solche Literatur ist oder neigt zur Allegorie, die man nur auf eigene Gefahr wörtlich nehmen kann. Die Statik ist aber auch politisch begründet durch Orwells Furcht, die gerechte Gesellschaft könne just in dem Moment der Weltgeschichte, in dem sie — durch die Maschine! — möglich gemacht worden sei, verhindert werden. Hier zeigt sich ein fundamentaler Unterscheid zu Aldous Huxley, der bereits im Motto von

Brave New World erkennen läßt, wovor er sich fürchtet: nicht, daß der Fortschritt verhindert wird, sondern daß er kommt! Die stereotype Zusammenschau von Orwell mit Huxley und Samyatin in einer Textsorte , Anti-Utopie'ist die Quelle der meisten Mißverständnisse. Wenn Utopismus der Glaube an eine mögliche, vom Bewußtsein und Willen der Menschen ausgehende konstruktive Verbesserung der sozialen Beziehungen ist, kann man die Leugnung dieses Glaubens als Anti-Utopismus bezeichnen. Für die Interpretation literarischer Utopien reicht diese schlichte Gegenüberstellung freilich nicht. Es empfiehlt sich eine andere Terminologie, die allerdings auch nicht alle vorkommenden Fälle erfaßt: Eutopie und Dystopie, die Darstellung schöner, glücklicher, angenehmer Welten (Eutopie) und ihr Gegenstück, die Darstellung häßlicher, schrecklicher, beängstigender Welten (Dystopie); Utopie bleibt als Oberbegriff für die Darstellung alternativer, nicht wirklicher oder jedenfalls noch nicht verwirklichter Welten übrig. Was grundsätzlich verwirklichbar ist, bleibt problematisch und sollte mit Vorsicht beantwortet werden, gerade aufgrund unserer Erfahrungen mit . totalitären Gesellschaften. Eine in der Zukunft angesiedelte Dystopie wie Nineteen Eighty-Four ist logisch durchaus vereinbar mit Utopismus, wenn die Dystopie nicht als Prophetie angeboten wird, sondern als Warnung. Mit Günter Grass zu sprechen: „Bücher wie Farm der Tiere'und , 1984'kann nur ein Intellektueller schreiben, dem das süße Versprechen Utopia nicht fremd ist."

Es muß nur hinzugefügt werden, daß eine so rationalistische Erklärung von Orwells Position dem Roman Nineteen Eighty-Four als

Phantasieprodukt nicht gerecht werden kann. Wer nur . Anti-Utopie’ herausliest, verkennt Orwell; wer Orwells Utopismus herausarbeitet, steht in der Gefahr, die Grimmigkeit seiner Vision zu verharmlosen. Nineteen Eighty-Fourwar insofern kein „tödliches Buch“, als Orwell schon sehr lange sehr krank war, als er es schrieb; aber der ausgemergelte Winston Smith vor dem Spiegel im Liebesministerium ist nicht nur Symbol für die Hilflosigkeit des einzelnen gegenüber den Machtapparaten, sondern auch verfremdetes Selbstportrait des Autors im Angesicht des Todes.

V

Orwell und seine Texte sind sehr früh in falsche Kontexte geraten. Obwohl er in dem berühmten The God That Failed (Der Gott, der keiner war), erschienen in seinem Todesjahr 1950, nicht auftauchte, wurde er in der deutschen Presse oft vom Anti-Kommunisten zum Ex-Kommunisten umstilisiert. Eine andere Verfälschung war und ist seine Domestizierung als „einer der unsern". Ein extremes Beispiel liefert Guenter Lewy in „George Orwell und die Zukunft der Demokratie: Betrachtungen eines amerikanischen Politologen", wenn er schreibt: „Die wachsende Ausbreitung pazifistischen und quasi-pazifistischen Denkens im Westen ist ein Zeichen dafür, daß der Verlust des Selbstvertrauens und das Beschmutzen des eigenen Nestes, welches Orwell damals bei seinen englischen Landsleuten so scharf kritisierte, sich inzwischen auf weite Schichten der westlichen Intelligenz insgesamt ausgebreitet haben" Doch sind die eigentlich interessanten Fälle gerade diejenigen, an deren Illegitimität des Umdeutens man zweifeln kann. Gerade wenn Nineteen Eighty-Four der Roman eines Menschen namens Winston Smith ist, der seine Ohnmacht und auch seine Schuld erfährt, wie sollten sich dann heute Menschen nicht in ihm wiedererkennen können?

In erster Linie betrifft dies die Intellektuellen, die immer wieder die Gratwanderung zwischen Nein und Ja zu unternehmen haben, denn Nein ist ein Abgrund der Ohnmacht, Ja ein Abgrund der Mitschuld. Michael Walzer hat vor der Fixierung auf die Idee des . Totalen'gewarnt: Von Ozeanien in die Pflicht genommen werden vor allem die Mitglieder der äußeren Partei, die neue Elite. „Proles" und Tiere sind frei Mit besonderer Sensibilität hat Adolf Muschg auf eine „anhaltende Provokation" des Buches reagiert. Sein Schock besteht darin, daß die Rebellen den Ausgang (im Liebesministerium) gewußt und gewollt haben: „Nicht das System braucht den Widerspruch, um ihn sadistisch zu verzehren: sie selbst waren es, die verzehrt werden wollten." Nochmals Muschg: „Der Intellektuelle braucht sich nicht mehr zu verraten. Er ist schon verraten. Denn seine Schwäche vor der Macht verrät sich im Augenblick der Wahrheit als Schwäche für die Macht ."

In seiner Rezension von Mein Kampf hat Orwell 1940 eine statische Schreckensvision entworfen, nach der 250 Millionen Deutsche in ihrem . Lebensraum'ein gräßliches hirnloses . Reich'begründen, in dem sich nichts ereignet bis auf die Ausbildung junger Leute für den Krieg und die endlose Aufzucht weiteren Kanonenfutters. Das Problem ist die Manipulierbarkeit des Menschen; spätestens seit Darwin steht es auf der Tagesordnung. Es erklärt das von Willi Erzgräber herausgearbeitete „doppelte Paradoxon". Muschg zum dritten und letzten Mal: „Gerade seine Schreck-bilder machen , 1984'nicht zum utopischen, sondern zum historischen Roman: es sind andere, besser verkleidete Formen, in denen wir Macht zu fürchten haben."

Die von Nineteen Eighty-Four ausgehende Furcht hat sich im Westen vom Totalitarismus auf die Technologie verlagert; eine tief ironische Entwicklung insofern, als Orwell technische Neuerungen auf ein Minimum beschränkt hatte und für die Zwecke seiner Fabel den Atomkrieg verniedlichen mußte. Es ist auch daran zu erinnern, daß Orwell (damals noch Eric A. Blair) in Eton Griechisch und Latein gelernt hatte und zeitlebens nur eine bedeutende technische Fähigkeit erwarb: den Umgang mit Sprache. Sein Verhältnis zur Technik war nahezu schizophren; er brauchte diese für den Entwurf einer Eutopie, denn er war ehrlich genug zuzugeben, daß eine Gesellschaft Freier und Gleicher niemals auf Mangel beruhen könne, jedenfalls nicht, solange die Menschen so bleiben, wie sie zur Zeit sind. Aber er mißtraute der Technik und der Maschine. Insofern befinden sich alle, die „ 1984" als Synonym für den Gläsernen Menschen auffassen, in der Orwell-Nachfolge. Allerdings hat sich dieser Teil der Schreckens-vision von Orwell selbständig gemacht. Nach James B. Rule hat Orwell zwar die Technik der Durchdringung der Privatsphäre für totalitäre Zwecke vorausgesehen, aber nicht die Möglichkeit erkannt, daß Technologie auch ohne totalitäre Absichten zu ähnlichen Resultaten führen könne. Das ist es, fügt Rule trokken hinzu, was heute vor sich geht Orwells humanistischer Ansatz wird umgedeutet im Sinne der Science Fiction.

So ist die Unterscheidung zwischen Orwell-Nießbrauch und Orwell-Mißbrauch nicht einfach. Mißbrauch liegt vor, wenn Nineteen Eighty-Four als Astrologie gelesen wird. Orwell nahe ist, wer Sprache und Symbole zu lesen weiß. Das Bild vom Stiefel stammt nicht erst aus Nineteen Eighty-Four; Orwell hat es schon 1941 in The Lion and the Unicom verwendet: „Der Stechschritt zum Beispiel ist einer der schrecklichsten Anblicke der Welt, viel furchteinflößender als das Sturzkampfflugzeug. Er ist einfach eine Bejahung nackter Macht; er enthält, ganz bewußt und absichtlich, die Vision eines Stiefels, der auf das menschliche Gesicht herunterkracht." Die Mutter, die schützend, wenn auch hilflos, ihr Kind vor einer Bombe bewahren will, vollbringt die Leistung einer humanen Geste. Winston Smith mußte für solche Show ins Kino gehen, wir bekommen sie durch das Fernsehen ins Haus.

Fussnoten

Fußnoten

  1. N. Podhoretz, If Orwell Were Alive Today, in: Harper s Magazine, Januar 1983, S. 30— 37.

  2. W. Erzgräber, George Orwells Nineteen Eighty-Four zwischen Fiktion und Realität, in: H. Neumann/H. Scheer (Hrsg.), Plus Minus 1984: George Orwells Vision in heutiger Sicht, Freiburg 1983, S. 13. Zur deutschen Rezeption vor allem B. -P. Lange, George Orwell: „ 1984" (Text und Geschichte: Modellanalysen zur englischen und amerikanischen Literatur), München 1982.

  3. G. Woodcock, Orwells Changing Repute, in: Queen's Quarterly 88 (1981), S. 250— 255.

  4. Siehe I. Howe (Ed.), a. a. O. (Anm. 4).

  5. Alle zitierten Orwell-Texte, außer Nineteen Eighty-Four, aus: S. Orwell/I. Angus (Eds.), The Collected Essays. Journalism and Letters of George Orwell, 4 Bde., Harmondsworth 1968. Übersetzungen vom Verfasser.

  6. B. Seidel/S. Jenkner (Hrsg.), Wege der Totalitarismus-Forschung, Darmstadt 1974, S. 26 und 3.

  7. C. J. Friedrich/M. Curtis/B. R. Barber, Totalitarianism in Perspective: Three Views, New York 1969, S. 153, 112 und 39.

  8. M. Walzer, On „Failed Totalitarianism", in: I. Howe (Ed.), a. a. O. (Anm. 4), S. 119.

  9. Ebd., S. 27.

  10. Orwell, James Burnham and the Managerial Revolution und Burnhams View of the Contemporary World Struggle, in: S. Orwell/J. Angus (Eds.), a. a. O. (Anm. 9), Bd. 2, S. 192— 215, 360— 374. Siehe auch Utopie als Warnung: Orwells 1984 heute, in: Der Monat, Neue Folge 289.

  11. H. Arendt, The Origins of Totalitarianism, New York 1951; Übersetzungen vom Verfasser. Eine deutsche Ausgabe in drei Bänden mit neuem Material erschien als: Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft, Band 1: Antisemitismus, Band 2: Imperialismus, Band 3: Totale Herrschaft, Berlin 1975. Arendt schrieb neue Vorworte, die nach der Über-setzung von Michael Schröter zitiert werden. Auch das Schlußkapitel ist neu.

  12. H. Arendt, a. a. O. (Anm. 16), Bd. 1, S. 18, und Bd. 3, S. 28.

  13. TLS (The Times Literary Supplement) vom 15. September 1972, S. 1037— 1040.

  14. Orwell über Planwirtschaft in: The Lion and the Unicom: Socialism and the English Genius, in: S. Orwell/J. Angus (Eds.), a. a. O. (Anm. 9), Bd. 2, 74— 134. In Bd. 4, S. 564, findet sich der Originaltext von Orwells Kommentar zu Life Magazine.

  15. H. Arendt, a. a. O. (Anm. 16), Bd. 3, S. 12.

  16. H. Arendt, a. a. O. (Anm. 16), Bd. 1, S. 17.

  17. H. Arendt, a. a. O. (Anm. 16), Bd. 3, S. 388.

  18. F. Wyatt, Persönliche Autonomie und totaler Staat, in: H. Neumann/H. Scheer (Hrsg.), a. a. O. (Anm. 6), S. 44.

  19. Kindler Literaturlexikon, Nineteen Eighty-Four, Bd. 5, Zürich 1969, Spalte 528— 529.

  20. R. Plank, George Orwells „ 1984": Eine psychologische Studie, Frankfurt/Main, S. 27.

  21. Zu den Träumen von Winston Smith: H. -J. Lang, Orwells dialektischer Roman , Nineteen Eighty-Four, in: W. Ritzel (Hrsg.), Rationalität — Phänomenalität — Individualität. Festgabe für Hermann und Marie Glöckner, Bonn 1966, S. 301— 41.

  22. R. Plank, a. a. O. (Anm. 25), S. 148, geht so weit, die Hypothese aufzustellen, Orwell schildere das Ingsoc-System nicht so, wie er es sich vorstellte, sondern wie er glaubte, daß es sich im Kopfe Winstons ausnehmen würde.

  23. Zu Orwells politischer Entwicklung s. die Biographie von B. Crick, a. a. O. (Anm. 4), die Monographie von A. Zwerdling, Orwell and the Left, New Haven 1974, und die Kapitel 4 und 5 von H. -J. Lang,

  24. Zu Orwell und Kafka vgl. R. Plank, a. a. O. (Anm. 25), S. 91, 103 u. a.

  25. G. Grass, Die Zauberlehrlinge, in: J. Strasser (Hrsg.), Der Orwell Kalender 1984, Köln 1983, S. 28.

  26. G. Lewy, George Orwell und die Zukunft der Demokratie. Betrachtungen eines amerikanischen Politologen, in: H. Neumann/H. Scheer (Hrsg.), a. a. O. (Anm. 6), S. 75 f.

  27. M. Walzer, a. a. O. (Anm. 12), S. 105.

  28. A Muschg, Raum 101, in: J. Strasser (Hrsg.), a. a. O. (Anm. 30), S. 40 und 42.

  29. Ebd., S. 37.

  30. J. B. Rule, , 1984'— The Ingredients of Totalitarianism, in: I. Howe (Ed.), a. a. O. (Anm. 4), S. 179.

Weitere Inhalte

Hans-Joachim Lang, Dr. phil., geb. 1921; Studium der Anglistik in Göttingen, Hamburg und Gießen; danach Verlagslektor und Journalist; seit 1967 Professor für Nordamerikanische Philologie und Geistesgeschichte an der Universität Erlangen. Veröffentlichungen u. a.: Herbert George Wells, Hamburg 1948; Studien zur Entstehung der neueren amerikanischen Literaturkritik, Hamburg 1961; (Hrsg.) Der amerikanische Roman, Düsseldorf 1972; (Hrsg, zusammen mit Horst Frenz), Nordamerikanische Literatur im deutschen Sprachraum seit 1945, München 1973; George Orwell. Eine Einführung, München 1983.