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Die Hochschulen der Bundeswehr | APuZ 16/1982 | bpb.de

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APuZ 16/1982 Offizierausbildung in der Bundeswehr. Historische und strukturelle Probleme Die Hochschulen der Bundeswehr Jugend und Bundeswehr

Die Hochschulen der Bundeswehr

Peter Zimmermann

/ 59 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Die beiden Hochschulgründungen der Bundeswehr sind vor allem vor dem Hintergrund der vor etwa einem Jahrzehnt formulierten Bildungsziele zu verstehen und zu bewerten. 1970 fehlten der Bundeswehr bereits 2600 Offiziere auf Zeit. Dieser für die Einsatzbereitschaft der Streitkräfte zunehmend bedrohlichen Situation trat die Bundesregierung mit einer Reform der Personalstruktur entgegen. Durch leistungsgerechte Aufstiegsmöglichkeiten, eine angemessene Besoldung sowie ein umfassendes und differenziertes Ausbildungsangebot sollte insbesondere das Dienstverhältnis des Zeitoffiziers wieder attraktiv gemacht und erreicht werden, daß „der Weg über die Bundeswehr keinen beruflichen Umweg mehr darstellt... Ausbildungsgänge und Abschlüsse im gesamten militärischen Bereich sollen so weit wie möglich denen des zivilen Bereichs entsprechen“. Dies war einer der Leitgedanken für die „Bildungskommission beim Bundesminister der Verteidigung“, die am 1. 6. 1970 mit der „Neuordnung der Ausbildung und Bildung in der Bundeswehr“ beauftragt wurde. Als Kernstück ihres Gutachtens schlug die Bildungskommission für Offizieranwärter, die sich für eine Dienstzeit von 12 Jahren verpflichten oder Berufsoffizier werden wollen, demgemäß eine — gemessen an landesstaatlichen Hochschulen — gleichwertiges dreijähriges Hochschulstudium als Bestandteil einer insgesamt fünfjährigen Ausbildungsstufe vor. Der wissenschaftliche Teil sollte an eigenen Hochschulen der Bundeswehr in akademischer Freiheit stattfinden und zu staatlich anerkennbaren, also zivilberufsqualifizierenden Abschlüssen (Diplomen) führen. Die beiden Hochschulen in Hamburg und München haben am 1. 10. 1973 ihren Betrieb aufgenommen. Trotz der hohen curricularen Verdichtung beträgt die Studienerfolgsquote in München durchschnittlich 63%. Sie konnte bei 31/4-bis maximal 4jähriger, im Durchschnitt etwa 31/2jähriger Studiendauer nur erreicht werden, weil verschiedene Studienreformgedanken des Wissenschaftsrates nachdrücklicher realisiert wurden als an landesstaatlichen Universitäten. Die Gleichwertigkeit betrifft nicht nur die Lehre. Auch die Forschung, für die seit Ende der Aufbauphase eine ausreichende materielle Basis besteht, hat denselben Stellenwert wie an landesstaatlichen Universitäten. Zwischenzeitlich analysierte Studienerfahrungsberichte entwerfen das Bild einer Hochschule, die ein höheres Maß an Leistungsbereitschaft als landesstaatliche Universitäten abverlangt, die aber auch deutlich mehr zu bieten hat. Die Mehrheit der Studenten erkennt dieses Ausbildungsangebot als fair an; sein Erfolg braucht einen bewerteten Vergleich nicht zu scheuen. Dennoch belegt die Summe der studentischen Aussagen die unabweisbare Notwendigkeit, Stoffquantitäten zugunsten von Lernqualitäten zu reduzieren; dies gilt aber sicher ebenso für landesstaatliche Universitäten.

Ein Reformmodell in der Bewährung

Abbildung 1

Das für die beiden Hochschulen der Bundeswehr grundlegende Konzept wurde im Juni 1971 veröffentlicht bereits am 1. Oktober 1973 begann der Lehrbetrieb in Hamburg und München. Während es noch zu früh ist, die Frage nach dem Nutzen einer wissenschaftlichen Ausbildung für fast alle Offiziere der Bundeswehr empirisch zu beantworten, sind nun repräsentative Daten veröffentlicht worden*), die immerhin über die konzeptkonforme Realisierung dieses Teils der Offizier-ausbildung erste, quantitativ abgesicherte Aussagen zulassen. Eine hierauf basierende Bilanz kann zeigen, wieweit die Hochschulen der Bundeswehr den sicherheits-und hochschulpolitischen Gedanken entsprechen, denen sie ihr Bestehen verdanken — Gedanken, die teilweise schon seit Jahrzehnten bekannt waren, deren Realisierung aber erst gegen Ende der sechziger Jahre eingeleitet werden konnte:

So wurde Ende der sechziger Jahre allenfalls von einem Teil der jeweils Betroffenen bestritten, daß der Hochschulbereich zu reformieren und daß auch das Ausbildungswesen der Bundeswehr neu zu ordnen sei. Die vom Reform-willen des damaligen Kabinetts angetriebene, annähernd gleichzeitige Behandlung dieser nur vordergründig wenig zusammenhängenden Vorhaben hat wesentlich zur Konzipierung von Hochschulen der Bundeswehr beigetragen. Daher lohnt sich zunächst ein ausführlicher Rückblick auf den Gang der Hochschulund der Streitkräftereform, auf die Entwick-Eine ausführlichere Fassung dieserArbeit ist als Ber‘cbt 2/81 des Instituts für Mechanik, FB Luft-und E^mfahrttechnik, der Hochschule derBundeswehr München, 8014 Neubiberg, erschienen. lungslinien und Begründungszusammenhänge. Denn nur vor dem Hintergrund der vor mehr als einem Jahrzehnt formulierten Bildungsziele und Reformvorhaben sind die Hochschulgründungen der Bundeswehr zu verstehen und adäquat zu bewerten. Nicht sel-INHALT I. Hochschul-und Streitkräftereform 1. Grundlagen der Hochschulreform Einige Aspekte der Streitkräftereform II. Das Konzept 1. Zielrichtung und Modalitäten der Neuordnung 2. Das neue Modell der Offiziersausbildung 3. Der wissenschaftliche Teil der Offiziersausbildung 4. Erziehungs-und gesellschaftswissenschaftliche Anteile des Studiums

III. Die Realisierung 1. Rechtsstatus und Struktur der Hochschulen der Bundeswehr 2. Aufbau der Hochschule der Bundeswehr München IV. Lehre, Studium und Forschung 1. Gleichwertigkeit der Lehre im Fach-studium 2. Studienerfolgsquote 3. Erziehungs-und gesellschaftswissenschaftliche Anteile des Studiums

4. Stellenwert der Forschung V. Eine Evaluationsstudie als Erfolgskontrolle 1. Anlaß und Rahmen einer studentischen Befragung 2. Auswertung der studentischen Erfahrungsberichte 3. Einige wesentliche Ergebnisse 4. Das zentrale curriculare Problem VI. Wertung und Ausblick ten wurden seither Unlustgefühle des institutionellen Grabenkampfes und des administrativen Alltags auf die Reformansätze abwertend übertragen, von denen man im übrigen durchaus mit Gewinn zehrt. Der vergleichende Rückblick auf die Ansätze dient nicht nur der Standortbestimmung und der Überprüfung des zurückgelegten Weges; er ist auch ein Gebot der intellektuellen Redlichkeit und der politischen Fairneß. Nicht zu-letzt sollte er darüber hinaus zu einer Besinnung auf die geistige Substanz der nachfolgend betrachteten Institution „Hochschulen der Bundeswehr" führen.

I. Hochschul-und Streitkräftereform: die Wurzeln des Konzeptes

1. Grundlagen der Hochschulreform

Anfänge einer Hochschulreform

Im Oktober 1969 war die Regierung Brandt/Scheel mit dem Vorsatz angetreten, „innere Reformen" in Angriff zu nehmen. Dabei setzte sie für die Neuordnung des Bildungswesens eine deutliche Priorität. Meilensteine am Beginn dieses Weges sind — der Strukturplan des Bildungsrates vom Februar 1970, — der Strukturplan des Wissenschaftsrates vom Oktober 1970, — der Bildungsbericht der Bundesregierung vom Juni 1970 und — der Entwurf eines Hochschulrahmengesetzes vom Februar 1971.

Ein Jahrzehnt später läßt sich feststellen, daß die mit viel Idealismus begonnene Bildungsreform den Hochschulbereich grundlegend verändert hat. Ein großer Teil der anfangs von den Hochschulen mehrheitlich als schmerzlich empfundenen und überwiegend abgelehnten Neuerungen hat sich letztlich doch als zielführend erwiesen. Aber es gab auch Fehlentwicklungen — wie die nachdrückliche Bevorzugung integrierter Gesamthochschulen und der zu großzügige Rahmen für die Überleitung nicht Berufener in Professorenstellen —, die neben Sachzwängen dazu geführt haben, daß sich alte Widerstände gegen die Hochschulreform im Verlauf der siebziger Jahre neu formiert haben. Andererseits darf auch nicht übersehen werden, daß nach dem Ende der Regierung Brandt/Scheel der reformerische Elan nachließ und die politischen Zielvorstellungen mehr auf das Machbare als auf das Wünschenswerte gerichtet wurden. Exemplarisch hierfür sind die verschiedenen Stadien des Hochschulrahmengesetzes, dessen ursprüngliche Reformsubstanz in fünfjähriger parlamentarischer Behandlung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner der Bundesregierung und der Landesregierungen abgemagert wurde.

Eine gründliche Exegese der fundamentalen bildungspolitischen Dokumente vom Beginn der siebziger Jahre ist nicht nur für den kritischen Vergleich zwischen Anspruch und Wirklichkeit unumgänglich; darüber hinaus vermittelt sie dem Leser in der Distanz des Jahres 1982 unerwartete oder doch vergessene Einsichten. Zu Beginn dieser Studie soll deshalb eine ausführliche Vergegenwärtigung des bildungstheoretischen und bildungspolitischen Fundaments für die Hochschulgründungen der siebziger Jahre versucht werden.

Indifferenz der Hochschulen

Der Gedanke, daß die nach 1945 in vermeintlich humboldtscher Tradition weitergeführten Universitäten der beschleunigt sich wandelnden Nachkriegsgesellschaft anzupassen wären, ist allerdings keine Erkenntnis der hochschulpolitisch bewegten späten sechziger Jahre. Bereits in den fünfziger Jahren wurden aus den Hochschulen heraus vereinzelt Reformgedanken geäußert Bis in die Mitte der sechziger Jahre waren die Hochschulen selbst jedoch nicht bereit, ihre drei zentralen Probleme,

— die Reform der Lehrkörper-und Personal-struktur, — die inhaltliche Studienreform und — die Verkürzung der durchschnittlichen Studiendauer mit dem nötigen Nachdruck zu behandeln.

Wie vorsichtig diese Fragen damals allenfalls umkreist wurden, zeigen exemplarisch offizielle „Gedanken zur Studienreform" der sonst eher innovationsbereiten Technischen Universität Berlin aus dem Jahre 1965: „In Wissenschaften, die in der Weise linear voranschreiten, daß Fortschritte in ihnen nur nach völligem Durch-und Abschreiten des bisher Erreichten möglich sind, wird eine Verlängerung der Studiendauer unvermeidlich ... Aber nur wenige Wissenschaften schreiten in so strengerWeise linear voran. In vielen Fällen richtet eine Wissenschaft ihr Augenmerk auf neue Bereiche oder stellt umgekehrt neue Fragen über schon bearbeitete Probleme. Von diesem Gesichtspunkt aus wird die häufig so pauschal empfohlene Überprüfung des zu vermittelnden Wissens und damit auch der Prüfungsordnung sinnvoll. Weniger wichtig gewordene Teilgebiete lassen sich vielleicht aus dem Studien-und Prüfungsprogramm ausgliedern." Solchen Allgemeinplätzen stand eine durchschnittliche Studiendauer gegenüber, die an der Technischen Universität Berlin 1965 etwa 15 Semester betrug.

Strukturplan des Wissenschaftsrates

Keine fünf Jahre später legte der Wissenschaftsrat „Empfehlungen zur Struktur und zum Ausbau des Bildungswesens im Hochschulbereich nach 1970" vor, die nicht nur von den damals relevanten gesellschaftlichen und hochschulpolitischen Notwendigkeiten ausgingen, sondern auch den erst in Umrissen erkennbaren Wandlungsprozeß — wie sich zeigen sollte, weitgehend zutreffend — berücksichtigten. Konsequenterweise konnte der Wissenschaftsrat nur in Teilbereichen die sich aus der Vergangenheit ergebende Entwicklung fortschreiben; in wesentlichen Punkten mußte er die überkommene Struktur des Hochschulwesens in Frage stellen und grundlegend neue Lösungen vorschlagen.

Während die Universitäten die Aufgaben eines jeden Wissenschaftsbereichs traditionell an seinen immanenten Inhalten und Erkenntnissen orientiert hatten, wies der Wissenschaftsrat nun nachdrücklich auf die zunehmende Wirksamkeit der Wissenschaften als Faktoren der Wirklichkeitsgestaltung und der intellektuellen Selbständigkeit hin und folgerte: «Die Darlegung ihrer Ansätze, Methoden und Ziele führt in zunehmendem Maße in den bereich allgemeiner Diskussionen; damit treten neben spezifisch wissenschaftsorientierte auch politische Gesichtspunkte.“ Daher sei es erforderlich, daß die Wissenschaften einer-seits sich der Bedeutung ihrer Mitverantwortung für die gesellschaftliche Entwicklung bewußt werden, andererseits aber auch davor bewahrt werden, „daß Erkenntnisprozesse durch Gruppeninteressen in ihrer Entwicklung gehindert werden".

Der Wissenschaftsrat ging davon aus, daß immer mehr Menschen erkannt hätten, welche Chancen ihnen die Ergebnisse der Wissenschaften bieten, aber auch welche Gefahren die wissenschaftliche Erkenntnis und ihre bedenkenlose Anwendung mit sich bringen können. Er folgerte zutreffend, daß dies — verstärkt durch die demographische Entwicklung — zu einem weiter stark wachsenden Andrang zu Bildungseinrichtungen auch des Hochschulbereichs führen wird. Die überkommene Universität könne den neuen Ansprüchen aber nicht mehr gerecht werden. Daher schlug der Wissenschaftsrat eine umfassende Neugestaltung des Bildungswesens in den siebziger Jahren auf der Grundlage der eigenen Empfehlungen und der Empfehlungen der Bildungskommission des Bildungsrates vom Februar 1970 vor: „Weil jeder um seiner geistigen und materiellen Freiheit willen und zur Erfüllung der ihm [von der Gesellschaft] 8) gestellten Aufgaben eines möglichst hohen Bildungsstandes bedarf, ist es notwendig, die Bildungschancen so zu erweitern, daß er die Kenntnisse und Einsichten erwerben kann, die seinen Interessen und seinem Leistungswillen entsprechen und die geeignet sind, die Entwicklung seiner Fähigkeiten zu fördern."

Die vom Bildungsrat und vom Wissenschaftsrat geforderte Differenzierung und Erweiterung des Bildungsangebotes sowie die Durchlässigkeit zwischen den verschiedenen Ausbildungsarten und Ausbildungsstufen sollten nicht nur die Bildungschancen des einzelnen erweitern. Sie seien zugleich im Blick auf die gesellschaftliche Entwicklung geboten, da Gesellschaft und Staat ebenfalls in zunehmendem Maße qualifizierte Kräfte bräuchten, die durch ständige Ergänzung und Erweiterung Ausbildung ihrer wissenschaftliche Erkenntnis nach neuestem Stand für ihre Tätigkeit nutzbar machen können.

Schließlich wies der Wissenschaftsrat auf die gemeinsame Verantwortung von Staat und Hochschulen bei der Neuorientierung des tertiären Bildungswesens hin und forderte, daß sich die Hochschulen der notwendigen Verflechtung mit den geistigen Strömungen in der Gesellschaft bewußt sein und sich ihnen stellen müßten. „Ebenso muß die Öffentlichkeit... bereit sein, die Priorität des Bildungswesens zu akzeptieren und die dadurch notwendig werdenden politischen Entscheidungen anzuerkennen." Die hier auszugsweise dargestellten Grundsätze und Zielvorstellungen aus den „Vorbemerkungen" konkretisierte der Wissenschaftsrat in den einzelnen Teilen seiner „Empfehlungen", von denen hier im Hinblick auf Kernfragen der Konzeption von Hochschulen der Bundeswehr Abschnitt „B. Fragen des Studiums" besonders interessiert. So stellte der Wissenschaftsrat die heute selbstverständlich anmutende, damals aber wohl nicht triviale Forderung auf, bei der Erarbeitung neuer Konzeptionen für die Ausbildungsgänge die Ausbildungsziele zu bestimmen, die Inhalte und Strukturen der Ausbildungsgänge festzulegen und die Organisation des Bildungsprozesses zu regeln: „Um festzustellen, welche Studiengegenstände in einem Ausbildungsgang zusammengefaßt und vermittelt werden sollen, ist es zunächst nötig, darüber Klarheit zu gewinnen, welchen Zielen die betreffende Ausbildung dient und zu welchen Qualifikationen sie führen soll." Bei der Bestimmung der Ausbildungsziele wollte der Wissenschaftsrat insbesondere — Aufgaben und Anforderungen der Berufs-praxis, — die individuellen Interessen und Fähigkeiten der Studienbewerber und — die Wissenschaftlichkeit der Ausbildung berücksichtigt wissen

Später wird sich zeigen, daß die „Funktionsbestimmung“ des Studiums, die der Wissenschaftsrat gegeben hat, für die Arbeitsweise der Hochschulen der Bundeswehr von wesentlicher Bedeutung wurde: „Das Studium ist dadurch gekennzeichnet, daß es mit der Förderung der individuellen Entfaltung zur Berufsfähigkeit ausbildet. Die Ausbildung zur Berufsfähigkeit darf mit der speziellen Einübung in bestimmte Berufe nicht verwechselt werden. Das Studium muß dafür sorgen, daß seine Absolventen über die Voraussetzungen verfügen, die den allgemeinen Anforderungen und bereits erkennbaren Veränderungen der jeweiligen Tätigkeitsfelder entsprechen. Die Einübung in spezifische Funktionen hat dagegen in der Anfangsphase der Berufspraxis ihren Platz. In früheren Empfehlungen [des Wissenschaftsrates] ist bereits wiederholt betont worden, daß die Ausbildung ihr Ziel verfehlt wenn sie sich darauf beschränkt, den einzelnen nur für bestimmte Funktionen zu trainieren. Sie muß auch dazu führen, daß er nicht nur durch Einübung in Verfahren der Praxis, sondern aus eigener sachlicher Einsicht sich orientieren, entscheiden, planen und handeln kann. Diesen Auftrag der Ausbildung zu erfüllen, dienen verschiedene Maßnahmen. Der konsequenten Verwirklichung des Prinzipes der Lehrveranstaltungen in kleinen Gruppen kommt hierbei besondere Bedeutung zu: In ihnen findet gerade auch die für die persönliche Entwicklung des Studenten notwendige Auseinandersetzung mit seinen Lehrern Platz, die für beide wichtig ist. Die Zahl der obligatorischen Lehrveranstaltungen muß so bemessen sein, daß der Student anderen Studien, aber auch Interessen und Anregungen außerhalb der Hochschule nachgehen kann." Komplementär machte der Wissenschaftsrat mit Nachdruck deutlich, daß die Forschung eine eigenständige Aufgabe der Hochschulen ist, die gleichberechtigt neben der Lehre steht „Die institutioneile Verbindung beider Aufgaben trägt dazu bei, die wissenschaftliche Orientierung der Ausbildung zu gewährleisten und der Forschung durch ihre Beziehung zur Lehre laufend neue Impulse zu geben.“ Dies wird später selbstverständlich auch für Hochschulen der Bundeswehr zu gelten haben.

Bildungsbericht 1970 und Hochschulrahmengesetz

Die vom Wissenschaftsrat angesprochenen bildungspolitischen Entscheidungen wurden eingeleitet durch den in der Regierungserklärung vom 28. Oktober 1969 angekündigten und von der Bundesregierung am 8. Juni 1970 vorgelegten „Bericht zur Bildungspolitik der „aus einer Beschreibung und Analyse der gesellschafts-und bildungspolitischen Wechselwirkung ... — unter Berücksichtigung der Empfehlungen der Bildungskommission des Deutschen Bildungsrates und des Wissenschaftsrates — bildungspolitische Zielvorstellungen entwickelt." Als die vom fundamentalen Recht auf Bildung abgeleiteten Grundsätze für die Reform des Bildungswesens nannte die Bundesregierung in der „zusammenfassenden Darstellung“ u. a.:

„ 1. Oberstes Ziel ist ein demokratisches, leistungs-und wandlungsfähiges Bildungssystem, das jedem Bürger... zu seiner persönlichen, beruflichen und politischen Bildung offensteht. 2. Der Verfassungsgrundsatz der Chancen-gleichheit muß ... verwirklicht werden. Bildung soll den Menschen befähigen, sein Leben selbst zu gestalten. Sie soll... Freude an selbständig-schöpferischer Arbeit erwecken.

3. ... Mit der Entwicklung eines umfassenden, differenzierten Gesamtschul-und Gesamthochschulsystems soll in der Bundesrepublik ein demokratisches und effizientes Bildungswesen entstehen...

4. ... Berufliche Bildung muß den individuellen Interessen und Fähigkeiten entsprechen und als integrierter Teil des Bildungssystems entwickelt werden. Das umfassende Bildungsangebot soll den einzelnen und damit die Gesellschaft auch dazu befähigen, durch Leistung den technischen Fortschritt zu meistern und damit die soziale Sicherheit für alle zu gewährleisten. 5. Die Hochschule der Zukunft muß durch eine Studienreform umgestaltet werden, die den Entwicklungen von Wissenschaft und Gesellschaft inhaltlich und didaktisch Rechnung trägt... Ihre Kapazität wird in den nächsten zehn Jahren auf mehr als das Doppelte erweitert werden müssen .. "

Darüber hinaus kündigte die Bundesregierung für den Herbst 1970 die Vorlage des Entwurfs eines Hochschulrahmengesetzes an, das die strukturellen Reformen im Hochschulbereich fördern soll.

«Bildung und Ausbildung, Wissenschaft und Forschung stehen an der Spitze der Reformen, die es bei uns vorzunehmen gilt", hatte Bundeskanzler Brandt in seiner Regierungserklärung vom 28. Oktober 1969 betont. „Diese Entscheidung für den Vorrang der Bildungspolitik in der Gesamtpolitik ist“, wie der Bericht zur Bildungspolitik erläutert „nicht nur gefallen, weil technischer Fortschritt, Wirtschaftswachstum und soziale Sicherheit von der Leistungsfähigkeit des Bildungswesens und der Forschung abhängen. Vielmehr entfalten Bildung und Wissenschaft individuelle und kulturelle Eigenwerte, die die Voraussetzung sind für die notwendige Humanisierung der technischen Zivilisation und für den Fortbestand der freiheitlich-demokratischen Gesellschaftsform." Die Reformvorstellungen der damaligen Bundesregierung für den Hochschulbereich stimmen in wesentlichen Punkten mit den entsprechenden Empfehlungen des Wissenschaftsrates überein. Daher soll hier nur kurz auf einige der Überlegungen und Zielvorstellungen aus dem Bericht zur Bildungspolitik eingegangen werden, die einen unmittelbaren Bezug zur späteren Konzeption von Hochschulen der Bundeswehr haben. Nach einer Analyse der Situation, die mit einer Würdigung der großen Leistungen deutscher Universitäten humboldtscher Prägung beginnt, führte die Bundesregierung die ihr wesentlich erscheinenden Probleme einer umfassenden Hochschulreform auf

„Die rasch weiter wachsende Zahl von Studenten kann im traditionellen Gefüge des deutschen Hochschulsystems nicht mehr entsprechend ausgebildet werden. Daher reichen quantitative Erweiterungen des jetzigen Systems allein nicht aus. Das Kernstück aller Maßnahmen ist die Studienreform. Hier kommt es nicht nur auf die Reform des fach-wissenschaftlichen Lehrangebots oder der formalen Gestaltung des Studiums und seiner Dauer an. Es geht vor allem um die Vermittlung der wissenschaftlichen Arbeitsweisen, die erforderlich sind, damit neue Methoden und Erkenntnisse verstanden und angewandt werden können... Zur Zeit wird die Vergleichbarkeit an formalen Kriterien gemessen, nämlich an der Ausbildungsdauer... Dieses Verfahren steht im Widerspruch zu der Erkenntnis, daß die Dauer eines Studiengangs nicht allein ausschlaggebender Maßstab für seine Bewertung sein kann ... Weitere Probleme stellen sich beim Hochschulbau angesichts der Kosten, der langen Planungszeiten und der Dringleichkeit der Maßnahmen. Planungs-, Genehmigungs-und Errichtungszeiten von vier bis fünf Jahren für einzelne Baumaßnahmen sind angesichts der notwendigen Beschleunigung der Kapazitätserweiterung unvertretbar.“

Während eine allgemeine, an die Wurzeln gehende kritische Reflexion der geistigen Grundlagen der Universität in den 25 Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg nach Ansicht der Bundesregierung nicht stattfand, nannte der Bericht zur Bildungspolitik jedoch „Ansätze zur Reform“ an die nun angeknüpft werden könne.

Die angestrebte organisatorische und quantitative Neugestaltung des Hochschulwesens wollte die Bundesregierung im wesentlichen erreichen durch — die Bildung von Gesamthochschulen und — die Verdopplung der Kapazität des gesamten Hochschulbereichs im Laufe von zehn Jahren.

Zu diesen beiden grundsätzlichen Zielvorstellungen erklärte sie

„Die organisatorischen Ausbau-und Reform-maßnahmen dienen dem eigentlichen Ziel aller Bemühungen: der inneren Hochschulreform, die in Lehre und Forschung, Selbstverwaltung und Kontrolle, Planung und Ausbau den Erfordernissen der Zeit, den berechtigten Ansprüchen des einzelnen und den Bedingungen einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft gerecht werden soll.“

Aus diesen Zielvorstellungen wurden zahlreiche Reformmaßnahmen abgeleitet. Hier sollen nur einige Aspekte zur „Reform des Studiensystems" genannt werden: „Bei der Definition der Studieninhalte ist davon auszugehen, daß die wissenschaftliche Ausbildung zwar der Vorbereitung auf das Berufsleben, nicht aber auf bestimmte, eng umgrenzte berufliche Tätigkeiten dient. Die Studiengänge müssen daher innerhalb eines Rahmens flexibel für unterschiedliche Kombinationen sein und für neue Formen der Wissensvermittlung offen stehen. Hierbei kommt der Hochschuldidaktik... eine entscheidende Bedeutung zu ... Das Studium muß neben dem Fachwissen und den fachbezogenen wissenschaftlichen Methoden vor allem die Fähigkeit zu selbständig kritischer Wissenserweiterung zum Erkennen und zum Lösen neuer Probleme vermitteln. Diese inhaltliche Ausgestaltung ist wichtiger als die Dauer des Studiums. Denn kein Studienabschluß kann — auch nach noch so langer Studiendauer — eine für das gesamte Berufsleben ausreichende Fach-und Methodenkenntnis bereitstellen: so gesehen ist jeder Abschluß zugleich ein Abbruch ... Jedes Studium muß vielmehr auf die Möglichkeit und die Notwendigkeit des... Weiter-oder Ergänzungsstudiums angelegt sein ... Die Studienreform kann nicht gesetzlich angeordnet, sie muß im wesentlichen von den Hochschulen selbst durchgeführt werden... Im Rahmen der Hochschulgesetzgebung wird die Bundesregierung prüfen, ob die derzeitige Semestereinteilung durch das Studienjahr ersetzt werden soll... Eine etwaige Umstellung soll einen sinnvolleren Studienablauf und eine bessere Ausnutzung räumlicher Kapazitäten ermöglichen, keinesfalls aber den notwendigen Freiraum für die Forschungstätigkeit einschränken." Abschließend nannte die Bundesregierung als Bedingung für die Verwirklichung ihrer Reformvorstellungen u. a.: „Wichtigste Voraussetzung für das Gelingen der Bildungsreform ist, daß sie von der Öffentlichkeit mitgetragen und mitverantwortet wird. Hierzu bedarf es eines politischen Bewußtseins ... Die Bundesregierung ist sich bewußt, daß die Bildungsreform allen Verantwortlichen äußerste Anstrengungen abverlangen wird.“

Im Februar 1971 legte die Bundesregierung den im Bericht zur Bildungspolitik angekündigten Entwurf eines Hochschulrahmengesetzes vor, mit dem sie ihre Reformvorstellungen im tertiären Bildungsbereich in Zusammenarbeit mit den Bundesländern als den Trägern der Kulturhoheit verwirklichen wollte. Der Entwurf mußte in den folgenden fünf Jahren in mehreren Schritten wesentlich abgeändert werden, bis er die notwendige Zustimmung des Bundesrates erhalten und im Januar 1976 Gesetzeskraft erlangen konnte. Aul diese Weise kam ein teilweise unverbindlicher, auslegungsfähiger Kompromiß zustande, der den ursprünglichen Intentionen nicht mehr in allen Punkten entsprach. 2. Einige Aspekte der Streitkräftereform Die Krise der sechziger Jahre Spektakuläre Berichte über die mangelnde Einsatzbereitschaft von kostspieligen Waffensystemen wie dem Starfighter F-104 G, dem Schützenpanzer HS-30 und fünf korrosionsanfälligen U-Booten zeigten in den sechziger Jahren einer breiten, anfangs ungläubigen Öffentlichkeit, daß die als vorbildlich unter-stellte Planung im Verteidigungsressort wohl nicht weit über „die Budgetierung oder Etatie-rung" militärischer Höchstforderungen hinausgegangen war. Insbesondere die „Starfigh-terkrise" der Jahre 1964— 66 hatte Zweifel an der Existenz eines effizienten Planungssystems und einer nach Gesichtspunkten des modernen Managements orientierten Führungsorganisation aufkommen lassen. Es entstand zunehmend der Eindruck, daß im Bundesministerium der Verteidigung lediglich in kleinen „pragmatischen" Schrittchen gedacht und gehandelt werde.

Ein Militärsoziologe schrieb 1973 dazu rückblickend „Die Streitkräfte der Bundesrepublik sind das reine Produkt solchen . pragmatischen Eklektizismus': dank Wehrverfassung und interner Organisationsgewalt übergewichtig kompetente zivile Bürokraten hatten — in Mentalität und Qualifikation dem vortechnisch-kameralistischen Organisationsrahmen gleichend — aus dem Bundeskanzleramt (. Dienststelle Blank 1) heraus eine moderne, am waffentechnologischen Höchststand orientierte Armee aufzubauen versucht. Verwaltungsmäßig arglos denkend (und von den Militärs anpassungseifrig bis ins Detail kopiert) hatte sich diese provinzielle Verwaltungselite auf das Abenteuer eingelassen, hochkomplexe Waffensysteme zu beschaffen, in die Teilstreitkräfte zu integrieren und als Abschrekkungspotential einzusetzen ... Jetzt wurde endlich sichtbar, daß . Management'in der bürokratischen Hülle nicht mehr bewirken konnte als die Reduktion komplexer Informations-und Entscheidungsprozeduren auf verwaltungsmäßige . Vorgänge'.“ Eine organisatorische Innovation müsse von einer politisch bewirkten, systematischen Modernisierung der „Mentalitätsstrukturen“ des für längere Zeit im Verteidigungsministerium tätigen Personals ausgehen

So bot die Bundeswehr mit etwa 467 000 Soldaten und 173 000 zivilen Bediensteten Ende der sechziger Jahre das Bild einer bürokratischen Großorganisation, die deutlich sichtbar in einer komplexen Krise steckte: einer Krise, die nicht nur die Planung und Führung sowie den Rüstungssektor, sondern ebenso gravierend und in der Auswirkung noch fataler die Wehrstruktur, den Personalsektor und das Ausbildungswesen betraf. Während zur gleichen Zeit die Neuordnung des Schul-und Hochschulbereichs als wünschenswert und notwendig angesehen und betrieben wurde, durfte eine grundlegende Streitkräftereform keinesfalls länger hinausgeschoben werden, um das Funktionieren der Abschreckung und damit die Erhaltung des Friedens in Europa weiter zu gewährleisten.

Weißbuch 1970: Das sicherheitspolitische Programm für die siebziger Jahre Als ersten Schritt in diese Richtung kündigte die Bundesregierung in ihrer Regierungserklärung vom 28. Oktober 1969 eine „kritische Bestandsaufnahme" an, deren Ergebnisse sie dann vorlegte im „Weißbuch 1970. Zur Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und zur Lage der Bundeswehr“ das über einen umfassenden Bericht weit hinausgeht. Es kündigte gleichzeitig Entscheidungen und Beschlüsse an, die die Bundeswehr und den Dienst der Wehrpflichtigen, der Zeit-und Berufssoldaten verändern sollten: „Das Weißbuch 1970 ist das sicherheitspolitische Programm der Bundesregierung für die nächsten Jahre.“

In diesem Sinne wurde die Einleitung von wesentlichen Reformen angekündigt und begründet: — Neugliederung der militärischen Führungsspitze und Umschichtung von Management-segmenten insbesondere unterhalb der Ebene des Ministerbüros verbunden mit Bemühungen um eine rationellere Verwaltung sowie betriebswirtschaftliche Rationalisierung durch EDV-gestützte Informationssysteme, Systemanalyse und Operations Research (vgl. „Weißbuch 1970", Ziffer 214 bis 225). Gleichzeitig wurde die Stelle eines Beauftragten für Erziehung und Bildung beim Generalinspekteur geschaffen.

— Umstrukturierung der Teilstreitkräfte (Ziffer 79 bis 84).

— Neuordnung des Rüstungsbereichs (Ziffer 194): w .. die Organisation des Rüstungswesens und die Verfahren im wehrtechnischen Bereich ... sind Gegenstand einer weiteren Überprüfung." — Abbau der Wehrungerechtigkeit (Ziffer 85 bis 100): „Es ist...der politische Wille der Bundesregierung, größere Wehrgerechtigkeit herzustellen ... Sie wird daher eine unabhängige Kommission berufen ... Die Kommission soll sich bei ihrer Arbeit von folgenden Grundsätzen leiten lassen:

(1) Der organisatorische Umfang der Bundeswehr soll wie bisher 460 000 Mann betragen ...

(2) ... Freistellungen vom Grundwehrdienst sind restriktiv zu handhaben ...

(3) Der Mangel an längerdienenden Soldaten soll behoben werden..."

(Ziffer 96)

— Bewältigung des besonders gravierenden Personalproblems (Ziffer 103 bis 122): „In der prosperierenden Industriegesellschaft sind Fachkräfte allenthalben knapp... Auch die Bundeswehr leidet unter dieser allgemeinen Zeiterscheinung. Es fehlt ihr an längerdienenden Soldaten. Bei den Offizieren auf Zeit beläuft sich das Fehl auf 2 600... Der Bundeswehr geht es hier nicht anders als anderen. Nur: sie kann sich, wenn sie eine schlagkräftige Armee bleiben soll, das Fehl weniger leisten" (Ziffer 103). Eine Personalstrukturkommission wurde beauftragt, Vorschläge für eine von Grund auf neue Personalstruktur der Streitkräfte zu formulieren

— Neuordnung der Ausbildung und Bildung in der Bundeswehr (Ziffer 169 bis 173): „Militärische Aufgaben und Technik wandeln sich ständig. Die Bundeswehr muß bei der Ausbildungihrer Soldaten für die militärischen Aufgaben auch die engen Verflechtungen mit vielen zivilen Berufen beachten. Die Anforderungen der Ausbildung und Bildung in der Bundeswehr müssen, soweit dies möglich ist, mit denen des zivilen Bereichs abgestimmt und verknüpft werden ... Die in dem kommenden Bildungsbericht der Bundesregierung aufgestellten Grundsätze werden dabei Anwendung finden“ (Ziffer 169).

Diese und weitere Reformmaßnahmen zielten im wesentlichen darauf ab, die zurückgebliebene Organisation der Bundeswehr den fortgeschrittenen wirtschaftlichen Strukturen des zivilen Umfeldes anzupassen und zum anderen die in den Jahren zuvor im Personal-und Bildungswesen entstandene Lücke zur umgebenden Gesellschaft zu schließen, als deren Teil die Streitkräfte sich zu fühlen durchaus bereit waren. Im folgenden wird nur auf die Neuordnung des Bildungswesens und ihre Wechselwirkung zum Personalproblem im Offizierbereich eingegangen.

Die Personalstruktur: eine Funktion von drei Variablen Wehrpflichtarmeen können nicht ohne ein ausreichendes Kontingent an mittel-und längerdienenden Soldaten auskommen. Die Ausbildung in hochtechnisierten Streitkräften, die Wartung und Bedienung ihrer immer komplizierteren Waffensysteme und ihres Gerätes setzen beträchtliche Kenntnisse und Fertigkeiten voraus, die nur im Laufe einer längeren Ausbildung erworben werden können. Militärisch wertvoll wird der so ausgebildete Soldat jedoch erst, wenn er der Truppe dann über einen längeren Zeitraum zur Verfügung steht Daher mußte die Personalstrukturreform zu Beginn der siebziger Jahre auf ein solches Verhältnis von Wehrpflichtigen, Zeitsoldaten und Berufssoldaten — also von kurz-, mittel-und langfristig Dienenden — gerichtet sein, für das der an den politisch vorgegebenen Aufgaben der Bundeswehr gemessene Nutzen der Personal-und Ausbildungskosten ein Maximum annimmt. Diese Optimierung war und ist nach Ansicht der Bundesregierung nur zu erreichen, wenn der mittel-und längerfristige Dienst hinreichend attraktiv gestaltet wird durch a) leistungsgerechte Aufstiegsmöglichkeiten, b) eine (vergleichbaren zivilen Tätigkeiten) angemessene Besoldung und c) ein umfassendes und differenziertes Ausbildungs-und Bildungsangebot.

Der damals allem Offiziere, fehlten vor die sich für mittlere und längere Zeit verpflichteten. „Die Bereitschaft dazu wird aber erst wieder zunehmen, wenn das Dienstverhältnis des Zeitoffiziers attraktiver geworden ist, ... wenn der Weg über die Bundeswehr keinen beruflichen Umweg mehr darstellt.“ Da Berufsoffiziere und längerdienende Zeitoffiziere zunächst in der Truppe gleichartig verwendet werden, lag es — unter Berücksichtigung der Forderung nach Chan-cengleichheit in den Streitkräften — nahe, für beide Gruppen die gleiche hinreichend breite, grundlegende Ausbildung vorzusehen, die für später den Weg offen hält sowohl zu einer weiteren, überwiegend militärischen Fortbildung des Berufsoffiziers, als auch zu einem zivilen Tätigkeitsfeld für den Zeitoffizier: „Die [damals] mangelnde Attraktivität des Offizier-berufs erklärt sich zum guten Teil aus dem Streben nach einem Bildungsäquivalent und nach der Anerkennung der Qualifikationen, die während der Dienstzeit erreichbar sind. Dabei geht es in erster Linie darum, die Offizierausbildung im Sinne eines Hochschul-und Fachhochschulabschlusses anzuerkennen."

Neuordnung der Bildung und Ausbildung Diese eine, in der „kritischen Bestandsaufnahme“ ermittelte Hauptursache für die ungünstige Personalsituation zeigte die Dringlichkeit der Neuordnung der Ausbildung und Bildung in der Bundeswehr. Daher wurde mit Erlaß vom 11. Juli 1970 eine „Bildungskommission beim Bundesminister der Verteidigung" gebildet. Unter dem Vorsitz des Politologen Prof. Thomas Ellwein gehörten ihr zwölf Mitglieder aus Wissenschaft, Wirtschaft und Verwaltung sowie zwölf Soldaten mit Dienstgraden vom Oberfeldwebel bis zum Generalleutnant an. Sie erhielt den Auftrag ein Gutachten über die künftige Organisation der Aus-und Fortbildung von Offizieren, Unteroffizieren und längerdienenden Mannschaften sowie über die Inhalte der Aus-und Fortbildung zu erarbeiten.

Dabei sollten die oben skizzierten bildungspolitischen Entwicklungen berücksichtigt werden und die folgenden Leitgedanken im Mittelpunkt stehen: „Die Bundeswehr muß mit der gesellschaftlichen Entwicklung Schritt halten. Sie muß ihre Berufsbilder, ihre Bildungs-und Ausbildungsgänge so gestalten, daß die Soldaten daraus für ihren beruflichen Werdegang innerhalb der Bundeswehr und ebenso später im zivilen Leben den größtmöglichen Nutzen ziehen. Dies dient gleichzeitig der Effektivität der Bundeswehr und der Attraktivität der soldatischen Laufbahnen. Ausbildungsgänge und Abschlüsse im gesamten militärischen Bereich sollen so weit wie möglich denen des zivilen Bereichs entsprechen."

Die Kompatibilitätstheorie als Legitimation für eine zivilberufliche Fachausbildung des Soldaten für das der Die Leitgedanken Gutachten Bildungskommission sind das letzte Glied in der Argumentationskette der militärsoziologischen Kompatibilitätstheorie die sich am Organisationsziel der Streitkräfte orientiert: „Wir haben es heute mit einem neuen Typ des Soldaten zu tun. Seine Aufgabe ist in ein völlig neuartiges Spannungsfeld gestellt: Er wird zwar an Waffen großer Zerstörungskraft ausgebildet — jedoch einzig zu dem Zweck, zu verhindern, daß sie eingesetzt werden. Die Aufgabe der Soldaten der Bundeswehr ist, die Anwendung von Gewalt gegen die Bundesrepublik zu verhindern und den Frieden erhalten zu helfen. Bundespräsident Heinemann drückte dies ... so aus: . Nicht der Krieg ist der Ernstfall, in dem der Mann sich zu bewähren habe, wie meine Generation in der kaiserlichen Zeit auf den Schulbänken lernte, sondern der Frieden ist der Ernstfall, in dem wir alle uns zu bewähren haben.'Wenn aber der Frieden doch von einem Angreifer gebrochen werden sollte, so müssen unsere Soldaten fähig und bereit sein, nach dem Willen der politischen Führung zu kämpfen ... Die Soldaten ... wissen, daß ihr Auftrag nicht Angriff und Vernichtung, sondern Schutz und Selbstschutz ist"

Es gibt jedoch „Eigentümlichkeiten des militärischen Dienstes, die der uneingeschränkten Übernahme vorherrschender gesellschaftlicher Verhaltensweisen in den militärischen Bereich Grenzen setzen. Die Soldaten müssen bestimmte Einschränkungen ihres individuellen Freiheitsraumes hinnehmen sie müssen sich in ihrem täglichen Dienst auf die Anwendung von Gewalt vorbereiten; und sie müssen sich darauf einstellen, in die Gefahr hinein handeln zu müssen."

Das Militärische besitzt also einige wenige, aber wesentliche Besonderheiten, die sich jedoch eingrenzend beschreiben lassen. Daraus leiten Kompatibilitätstheoretiker ab, „daß Militär als komplexes sozio-technisches Gebilde sich in der entwickelten Industriegesellschaft bis auf eine militärische Restgröße’ kompati-bei mit analogen zivilen Strukturen (Industrie-betrieb, staatliche Verwaltungsorganisation) gestaltet" (Schößler), und verneinen den Berufsbegriff, da kennzeichnende Elemente des Professionellen — wie insbesondere einheitliche Ausbildung und autonomes Problemlösungsverhalten — in der modernen, arbeitsteiligen Militärorganisation in der Regel nicht gegeben seien: „Solche Voraussetzungen entfallen mehr und mehr. Angesichts der zunehmenden Spezialisierung auch innerhalb des soldatischen Berufsfeldes kommt es zur Differenzierung der Gruppe, zum Verlust an Homogenität ... Mit der Differenzierung der Funktion verliert man allmählich auch die definitive Unterscheidbarkeit zu anderen Berufen ... Deshalb besteht weiterhin ein Berufsfeld für die Soldaten, aber eben nicht mehr die eigentümliche Professionalität früherer Zeiten, und das allen Soldaten Gemeinsame gewinnt seinen Rang nicht vor, sondern neben und in den vielfältigen und unterschiedlichen Funktionen, welche von Soldaten wahrzunehmen sind.“

Hinsichtlich der Ausbildung von Soldaten ist daher zu unterscheiden zwischen ausschließlich militärisch sowie militärisch und zivil nutzbaren Bestandteilen. Der auch zivil nutzbare „fachliche" Teil der Ausbildung kann und sollte zweckmäßigerweise so gestaltet werden, daß das Vergleichbare deutlich sichtbar und damit durch zivile Instanzen anerkennbar wird. Dies liegt nicht nur im Interesse der Ausgebildeten, sondern sollte auch ein Anliegen der Gesellschaft sein, deren zivile Ausbildungskapazitäten auf diese Weise entlastet werden.

Anhängern der Vereinbarkeitstheorie wird von den Inkompatibilitätstheoretikern vorgeworfen, daß sie zu einseitig auf die Karte der globalen Abschreckung setzen: „Das Undenkbare nur zu denken, nicht aber mehr zu handeln, jedenfalls nicht ernsthaft — dies in Ausbildungsprozeduren umzusetzen, erscheint unmöglich“ (Schößler). Notwendig sei vielmehr, die politisch-strategische Dimension der Friedenserhaltung durch Abschreckung zu trennen vom operativ-taktischen Bereithalten und gegebenenfalls auch Anwenden von kollektiver Gewalt: „Ob die politische Zielrichtung der Verteidigung im Rahmen der NATO die Sicherung des Friedens zum Inhalt hat, ändert am täglichen Dienst des Soldaten wenig. Sie ändert die geistige Grundeinstellung zum Wehrdienst in seinem Kopf. Der Zugführer eines Kampfpanzerzuges . Leopard’ wird genauso exakt, schnell und kaltblütig, unter allen Witterungsverhältnissen und Geländebedingungen Kanone und Bord-MG schießen lernen müssen, wie wenn die Truppe eine andere Zielrichtung hätte ... Ob man einen noch möglichen, aber nie gewünschten Verteidigungsfall als . Wiederherstellung des Friedens'vereinfachend und unklar bezeichnet, ist für die tägliche Praxis ebenso unerheblich... die Truppe würde in jedem Fall entschlossen kämpfen müssen, wenn anders sie nicht jeden Selbstvertrauens verlustig gehen soll und jeder Kampfmoral. Sonst könnte der Soldat auf den Gedanken kommen, den Frieden durch Hissen der weißen Fahne wiederherzustellen.“

Klaus von Schubert versuchte die Neuordnung der Ausbildung und Bildung kurz vor Beginn des Lehrbetriebs an den beiden Hochschulen der Bundeswehr von dieser Argumentationskette der militärtheoretischen Grundsatzdebatte abzukoppeln, indem er warnte, „ein so vielschichtiges Problem wie die zur Diskussion stehende Bildungsreform der Bundeswehr nur von der einen, im engeren Sinne militärischen Dimension her zu beurteilen. Dieser Fehler liegt dort nahe, wo auf der Basis der Inkompatibilitätstheorie ein Gegensatz zwischen militärorientierter und zivilorientierter Ausbildung konstruiert wird. Der Gegensatz ist [bzw. war damals] für die Bildungsreform [in der Bundeswehr] ebenso gefährlich, wie die ideologisierte Alternative vom . Denker'oder . Streiter'falsch ist." Von Schuberts darüber hinausgehende Hoffnung, daß die Absolventen der Hochschulen der Bundeswehr „Streiter sein [werden], die denken, vielleicht auch streitbare Denker", scheint sich gelegentlich zu erfüllen. Dies zeigen inzwischen nicht zuletzt einige publizierte Äußerungen von Absolventen über Konzept und Wirklichkeit ihrer Alma mater, die im einzelnen oft kritisch, aber stets konstruktiv und auf Verbesserungen gerichtet sind (vgl. Anm. 75 und 78).

1. Zielrichtung und Modalitäten der Neuordnung

Die „Bildungskommission beim Bundesminister der Verteidigung" legte am 15. Dezember 1970 ein „Rahmenkonzept“ vor, in dem sie die Grundzüge der von ihr vorgeschlagenen „Neuordnung der Ausbildung und Bildung in der Bundeswehr" zusammengefaßt hatte, um den Betroffenen Gelegenheit zur Mitarbeit durch Stellungnahme zu geben. So konnten Kritik und Anregungen aus etwa 150 weithin zustimmenden Stellungnahmen — überwiegend aus der Bundeswehr — eingearbeitet werden in das Gutachten, das am 17. Mai 1971 von der Kommission einstimmig beschlossen und am 6. Juni veröffentlicht wurde.

Die Bildungskommission äußerte einleitend, daß das Ausbildungssystem in den Streitkräften unverzüglich verbessert werden müsse, „weil — der Auftrag der Bundeswehr nur mit qualifiziertem Personal erfüllt werden kann;

— eine intensive und an entsprechende Verpflichtungszeiten gebundene Ausbildung die Lücken und die Fluktuation im Ausbildungspersonal vermindert und damit den Ausbildungsstand in den Streitkräften nachhaltig hebt;

— die Ausbildung mit den sich abzeichnenden Veränderungen in der Personalstruktur übereinstimmen muß;

— auch die Ausbildung dazu beizutragen hat, daß in den Streitkräften die durch den gesellschaftlichen und technischen Wandel gestellten neuen Aufgaben wahrgenommen werden können;

— Soldaten auf Zeit durch ihren Dienst in der Bundeswehr keinen Nachteil in ihrer beruflichen Weiterentwicklung erleiden dürfen." („Gutachten", Ziffer 19)

Dazu hielt die Kommission eine umfassende Neuordnung der Bildung und Ausbildung für erforderlich. Sie argumentierte: Wenn das Ausbildungssystem in den Streitkräften verbessert und damit der Dienst attraktiver gemacht wird, würde die Bereitschaft zur freiwilligen Verpflichtung wachsen — eine Annahme, die sich später vollauf bestätigen sollte. Eine größere Zahl von Bewerbern erleichtert die zur Qualitätssteigerung notwendige AusWahl. Die so Ausgewählten und besser Ausgebildeten werden ihrerseits Ausbilder mit mehr Können und Leistungsfähigkeit sein. Die auf

II. Das Konzept

diese Weise durch „Rückkopplung" sich hoch-regelnde Qualität der Ausbildung wird das innere Gefüge der Streitkräfte verbessern und das Personalproblem abbauen. Daher erhöht jede Verbesserung der Bildung und Ausbildung die Einsatzbereitschaft der Streitkräfte. Da nach den genannten Prämissen das neue Ausbildungssystem die voraussehbaren gesellschaftlichen und technischen Entwicklungen berücksichtigen sollte, hat die Kommission bei ihrer Arbeit u. a. die Strukturpläne des Bildungsrates und des Wissenschaftsrates sowie den Bildungsbericht 1970 beachtet. Schon dies macht deutlich, daß das Ausbildungssystem der Bundeswehr als ein Teil des allgemeinen Bildungswesens betrachtet wurde, auch wenn es selbstverständlich militärischen Anforderungen entsprechen muß.

Diese Integration war und ist eine wesentliche Voraussetzung, um den erforderlichen Nachwuchs insbesondere an Zeitsoldaten zu gewinnen. Denn je mehr die Tätigkeit des Soldaten mit seinen eigenen Interessen im Einklang steht, desto eher wächst die Bereitschaft für einen zeitlich befristeten Dienst in den Streitkräften, die den Soldaten sowohl im Interesse seiner militärischen Leistung als gegebenenfalls auch im Blick auf seine spätere zivile Berufstätigkeit fördern müssen: Auf diese Weise werden diejenigen qualifizierten Kräfte ausgebildet, die die Streitkräfte benötigen, um ihren Auftrag erfüllen zu können. Daher muß der sowohl zivilberuflich als auch militärisch nutzbare „fachliche“ Teil der Ausbildung ebenso wie der ausschließlich militärisch nutzbare Teil zu Beginn der Dienstzeit, also vorder Verwendung in der Truppe, angeboten werden.

Die Dauer der Ausbildung wird durch die Aus-bildungsziele bestimmt, jedoch muß hier Aufwand und Ertrag in eine angemessene Relation gesetzt werden. Der Bildungskommission erschien ein Verhältnis von Ausbildungs-und Verwendungszeit bis zu 40 : 60 als noch tragbar. Im folgenden wird nur auf die Neuordnung der Ausbildung für die „Verantwortungsbereiche III bis V“ eingegangen; nach der Definition der Bildungskommission umfassen sie alle Offiziere vom Einheitsführer — oder einer gleichwertigen Verwendung — an aufwärts. Dabei sollen die Verantwortungsbereiche IV (Verbandsführer) bzw. V (Großverbandsführer) vom Verantwortungsbereich III (Einheitsführer) aus über Fortbildungsstufen C (an Akade27 mien der Bundeswehr) bzw. D (an einer „Bundesverteidigungsakademie", auf die man noch wartet) erreicht werden; dieser ausschließlich den Berufsoffizier weiterführende Weg kann hier nicht beschrieben werden.

2. Das neue Modell der Offizierausbildung

Für den längerdienenden Offizier, der beim in Bundeswehr das Abitur oder Eintritt die die hat, Fachhochschulreife schlug die Bildungskommission ein Hochschulstudium als Bestandteil einer geschlossenen fünfjährigen Ausbildungsstufe vor; denn sie war „der Auffassung, daß die gesellschaftliche, technische und militärische Entwicklung eine wissenschaftliche Ausbildung für den Offizier vom Verantwortungsbereich III ab erfordert, um — ihn zu wissenschaftlicher Arbeit und zum Erkennen von Problemen zu befähigen, — ihn auf seine militärische Verwendung vorzubereiten, — ihm darüber hinaus einen zivilberufsbefähigenden Abschluß zu vermitteln.

Der möglichen Ausbildungszeit sind Grenzen gesetzt, weil der Offizier wie bisher in relativ jungen Jahren... [als Einheitsführer ] verfügbar sein muß. Darüber hinaus muß ein ... tragbares Verhältnis zwischen Ausbildung und praktischer Tätigkeit [in der Bundeswehr] erzielt werden. Von diesen Voraussetzungen ausgehend empfiehlt die Kommission folgendes Ausbildungsmodell:

(1) Offizieranwärter, die sich für eine Dienstzeit von 12 Jahren verpflichtet haben oder Berufsoffizier werden wollen, durchlaufen eine fünfjährige Ausbildungsstufe.

(2) Die fünfjährige Ausbildungsstufe besteht aus 2 Jahren militärischer Ausbildung und einem 3jährigen wissenschaftlichen Studium. Trotz der Zweiteilung ist [sie]... als eine Einheit 2u verstehen ... Deshalb sollen nur solche Fachbereiche angeboten werden, die für die Tätigkeit des Offiziers von Nutzen sind ...

(4) Der Ausbildungsstufe schließt sich eine 2jährige angeleitete Praxis im Verantwortungsbereich II [Gruppenführer, Zugführer und stellvertretender Einheitsführer] an. Am Ende dieser Zeit soll der Offizier zur Verwendung als Einheitsführer befähigt sein .. " („Gutachten", Ziffer 49).

Mit dieser Zeiteinteilung glaubte die Bildungskommission eines der schwierigsten Probleme des neuen Ausbildungsmodells befriedigend gelöst zu haben: die im Hinblick auf den Zeitoffizier erforderliche Abstimmung von Dienstzeitlänge (12 Jahre), Dauer der grundlegenden militärischen Ausbildung (2 Jahre) und Studiendauer (3 Jahre) unter gleichzeitiger Berücksichtigung des für die Verwendung in der Truppe optimalen, relativ geringen Alters sowie des am zivilen Arbeitsmarkt für Akademiker üblichen Höchstalters für den Wechsel in einen anderen „Betrieb" (30— 35 Jahre).

3. Der wissenschaftliche Teil der Offizier-ausbildung

Während zuvor eine geringe Zahl von hochqualifizierten Berufsoffizieren an den Fachhochschulen des Heeres und der Luftwaffe 4) sowie an öffentlichen Hochschulen „verwendungsbezogen" studierte, empfahl die Bildungskommission, daß die wissenschaftliche Ausbildung der längerdienenden Zeitoffiziere und der Berufsoffiziere — mit wenigen Ausnahmen — nun an eigenen Hochschulen der Bundeswehr stattfinden soll. Sie begründete deren Einrichtung mit der erwünschten Einheit von wissenschaftlicher und militärischer Ausbildung und argumentierte dazu ergänzend: — Für die Offizierausbildung kommen nur bestimmte Fachbereiche in Frage, auf welche die Hochschulen der Bundeswehr konzentriert werden können.

— Im Interesse des Zeitoffiziers muß das wissenschaftliche Studium in vergleichsweise sehr kurzer Zeit sowohl auf den Beruf des Offiziers vorbereiten als auch für einen künftigen zivilen Beruf durch gleichwertige Abschlüsse qualifizieren. „In der Auswahl einzelner Studieninhalte, in der zeitlichen Anlage des Studiums und in der Bezugnahme auf den Beruf des Offiziers kann der grundsätzlich geforderten Zuordnung von Studium und Beruf an Hochschulen der Bundeswehr besser entsprochen werden als an allgemeinen Hochschulen." („Gutachten", Ziffer 57)

Eigene Hochschulen der Bundeswehr erschienen also aus praktischen Gründen vorteilhafter als das von der Bildungskommission ebenfalls erwogene Studium aller Offiziere an zivilen Hochschulen, für das die gewünschte Integration der Streitkräfte in die Gesellschaft eher gesprochen hätte. Jedoch mußte damals die Überlegung ausschlaggebend sein, daß ein an Wissenschaftlichkeit und Berufspraxis orientiertes, in drei Jahren zu staatlich anerkennbaren Abschlüssen führendes Studium nur an solchen Hochschulen durchzuführen wäre, die sich von Anfang an voll mit der vom Wissenschaftsrat entwickelten und von der Bundesregierung als Programm übernommenen Studienreform identifizieren würden: also an Neugründungen in eigener Regie, die darüber hinaus die Möglichkeit böten, dem Fach-studium einen weiteren, für den Beruf des Offiziers essentiellen Studienanteil zur Seite zu stellen. Abgesehen davon fehlte die Alternative eines ernsthaften Studienplatzangebotes der Landes-Universitäten.

Für die aus diesen Gründen vorgeschlagenen Hochschulen der Bundeswehr ging die Kommission deshalb von folgenden Grundsätzen aus:

„— Das Studium an diesen Hochschulen muß dem an allgemeinen [staatlichen] Hochschulen vergleichbar sein und zu gleichwertigen [zivilberufsbefähigenden] Abschlüssen führen.

— Es werden nur solche Fachbereiche eingerichtet, die zu ihrem Teil sowohl zur Vorbereitung des Offizierberufes beitragen als auch — mit Rücksicht auf die Offiziere auf Zeit —...den Übertritt ins zivile Berufsleben ermöglichen.

— Im Studium werden bei der Auswahl der einzelnen Fachinhalte die Belange der Sreitkräfte berücksichtigt.

— Das Studium wird so geordnet, daß in der Regel eine Dauer von 3 Jahren nicht überschritten ... wird.

— Militärische Ausbildung und Studium gehören zusammen. Das Studium übernimmt inhaltliche Teile der bisherigen militärischen Ausbildung.

— Die militärische Ausbildung ergänzt andererseits das Studium, indem z. B. Teile dieser Ausbildung die Aufgaben von Praktika übernehmen. 1'(„Gutachten", Ziffer 57)

Nach diesen Grundsätzen sollten an Hochschulen der Bundeswehr insbesondere wissenschaftliche Studiengänge aus den Bereichen „Führung und Organisation" sowie „Technik" eingerichtet werden (vgl. Ziffer 60 des .. Gutachtens").

Wegen der für die fachliche Ausbildung von Zeitoffizieren anzustrebenden staatlichen Anerkennung schlug die Kommission vor, Hochschulen der Bundeswehr in Übereinstimmung mit dem einschlägigen § 54 des damaligen Entwurfs des Hochschulrahmengesetzes zu organisieren. Dazu müssen insbesondere „die hauptberuflich Lehrenden den an staatlichen Hochschulen geltenden Einstellungsvoraussetzungen gerecht werden" („Gutachten", Ziffer 58). Schließlich fordert die Bildungskommission, daß das Studium mit einem staatlich anerkannten Diplom abgeschlossen wird, wobei das Hochschulrahmengesetz und das jeweils gültige Landeshochschulgesetz zu berücksichtigen seien („Gutachten", Ziffer 61).

4. Erziehungs-und gesellschaftswissenschaftliche Anteile des Studiums: historische Erfahrungen

Abweichend vom Konzept der meisten öffentlichen Hochschulen — aber nicht ganz ohne Vorbild aus diesem Bereich — sollen die Hochschulen der Bundeswehr ein „erziehungs-und gesellschaftswissenschaftlich angeleitetes Fachstudium" anbieten. Damit soll nach Ansicht der Bildungskommission erreicht werden, daß „ — der Studierende während des Studiums eine pädagogische und didaktische Hilfe erfährt und die Zeit des Studiums, in der er sich selbst in einer besonderen pädagogischen Situation befindet, nutzen kann, um in ihr Erfahrungen für die künftigen Aufgaben als Ausbilder zu sammeln;

— das zukünftige Tätigkeitsfeld im Studium selbst berücksichtigt wird;

— inhaltlich und methodisch auf Besonderheiten der Tätigkeit als militärischer Führer vorbereitet wird."

Überlegungen Bei ihren bezog sich die Bildungskommission auf Erfahrungen, die an anderen Hochschulen mit Begleitstudiengängen gemacht worden sind. Einen interessanten Rückblick auf ein sehr bemerkenswertes, inzwischen allerdings eingestelltes Begleitstudium, dem schon vor etwa 35 Jahren einige Gedanken zugrunde gelegt wurden, die dann 25 Jahre später bei der Konzeption der erziehungs-und gesellschaftswissenschaftlichen Anteile des Studiums an den Hochschulen der Bundeswehr eine Rolle gespielt haben, geben neuere Arbeiten die sich auf bisher wenig beachtete Dokumente stützen: Die Technische Hochschule Berlin-Charlottenburg, die Ende April 1945 beim Herannahen der Roten Armee ihre Arbeit einstellen mußte, konnte mit Zustimmung der alliierten Militärregierungen am 9. April 1946 als Technische Universität wiedereröffnet werden. Der erste ordentliche Nachkriegs-Rektor, Walter Kucharski, Professor für Mechanik, machte in einer Rede deutlich, daß die Namensänderung nicht kosmetisch, sondern programmatisch zu verstehen sei: „Der neue Name zeige erstens an, daß man nicht einfach die Tradition der alten Hochschule fortsetzen wolle und , der Zukunft nicht mit sämtlichem alten Gepäck entgegenzugehen'gewillt sei; er mache zweitens auch eine inhaltliche Neubestimmung des Bildungsauftrages deutlich, der nicht mehr auf eine enge technische Spezialausbildung, sondern , auf die Universitas humanitas gerichtet'sei.“ 46)

Die von Kucharski im zweiten Punkt angesprochene Neubestimmung zielte auf die Einführung eines „Humanistischen Studiums", das obligatorischer und prüfungsrelevanter Bestandteil des ingenieurwissenschaftlichen Studiums werden sollte. „Der Grundgedanke dieses Reformansatzes war, der engen fachlichen Spezialisierung des Technikers — in der man einen Hauptgrund für die Verführung und Indienstnahme technischer Spezialisten durch den Nationalsozialismus sah — durch die Verpflichtung zu begleitenden Studien in geistes-und sozialwissenschaftlichen Fächern entgegenzuwirken." Daß eine Technische Hochschule nicht nur eine fachliche Ausbildungs-, sondern auch eine universelle Erziehungs-und Bildungsaufgabe habe, war schon damals kein neuer Gedanke Die Wiedereröffnung als Universität, die aus personellen und materiellen Gründen eher einer Neugründung gleichkam bot nun die Chance, ihn ohne hemmende Tradition zu verwirklichen: als Träger des Begleitstudiums wurde 1950 eine „Humanistische Fakultät“ mit zunächst sieben Lehrstühlen gebildet. „Man konnte schon nach wenigen Jahren...den ganzen Weg des [ingenieurwissenschaftlichen] Studenten mit humanistischen Vorlesungen und Übungen begleiten, die ihn also auf jeder Stufe seines Weges zur Beschäftigung mit geistigen Gegenständen außerhalb seines gewählten technischen Faches anregen sollen." 5»)

Die Einführung des „Humanistischen Studiums“ wurde von einer breiten Zustimmung getragen, die allerdings von drei recht unterschiedlichen Zielsetzungen ausging

— Politisch argumentierte der Chemiker Heinrich Franck, einer der Protagonisten einer humanistisch angeleiteten Ingenieurausbildung, wenn er 1947 schrieb „Wir wollen wieder politische Menschen bilden, die sich ihrer Polis, ihrem Staat, ihrem sozialen Zusammenleben freiwillig verbunden fühlen, damit sie ihren Teil an der Lenkung und Leitung dieses Gemeinwesens, also an der späteren Gestaltung des Volkes durch sich selbst haben.“ — Nach Hermann Muckermann, dem Mitbegründer der „Humanistischen Fakultät", und der ihr eng verbundenen Zeitschrift Humanismus und Technik, die er bis 1961 redigierte sollte durch das humanistische Studium „erreicht werden, daß der Student beim Fortschreiten seines Fachwissens sich vertraut macht mit dem Gedanken, was geschehen könnte und müßte, um das technische Zeitalter so zu lenken, daß unheilvolle Folgen verhütet und segensreiche Folgen erreicht werden“ Damit weist Muckermann dem Begleitstudium vorwiegend gesellschaftliche Aufgaben zu, die man heute als Steuerung des technischen Wandels mit dem Ziel der Optimierung seiner sozialen Folgen bezeichnen könnte.

— Weder an politischen noch an gesellschaftlichen Zielen, sondern am Ideal der allseitigen Persönlichkeitsbildungorientierte Vorstellungen vom eher nebulös beschriebenen Wert einer humanistischen Bildung finden sich in einer späteren offiziellen Verlautbarung der Technischen Universität: „Sinn und Ziel des humanistischen Teils des Studiums... ist in erster Linie die Förderung echten Menschen-tums, weltoffener und ihrer selbst sicherer Persönlichkeiten, die sich der Kultur und ihren großen Verwirklichungen in Vergangenheit und Gegenwart bewußt sind und sich auch bei der notwendigen Spezialisierung auf fachwissenschaftliches Studium und Beruf die allgemeine Grundlage und die Verpflichtung menschlicher Bildung und Gesittung zu bewahren wissen." Diese unpolitische Vorstellung, die einem sozialen Engagement fern-stand, setzte sich seit Ende der fünfziger Jahre bei der Professorenschaft in anachronistischer Weise immer mehr durch.

Das im Ansatz vielversprechende humanistische Studium der Technischen Universität Berlin scheiterte 20 Jahre nach seiner Einführung letztlich daran, daß seine Träger die offensichtlichen Veränderungen im politischen, sozialen und universitären Umfeld ignorierten, in das allenfalls die beiden ersten Ziele des ehemaligen Reformansatzes noch gepaßt hätten. „Der von dem [immer mehr ausufernden] Fachstudium ausgehende Arbeits-und Zeitdruck führte trotz des obligatorischen Charakters und der Prüfungen zu einer allmählichen Aushöhlung des Humanistischen Studiums, während andererseits der Anspruch, dem angehenden Ingenieur gesellschaftliche und kulturelle Orientierungshilfen zu vermitteln, von den Dozenten der Humanistischen Fakultät allenfalls teilweise eingelöst werden konnte und der . Bildungshunger'der studentischen Nachkriegsgesellschaft vom Materialismus des . Wirtschaftswunders'und später von der radikalen Kritik nicht nur des Wirtschaftswunders, sondern auch der bürgerlichen Kultur und Gesellschaft verdrängt wurde. Das Humanistische Studium mußte unter diesen Bedingungen immer mehr als dem Fachstudium . äußerlich'und damit als eine bloß lästige Bürde betrachtet werden und es ist kein Zufall, daß die vom Akademischen Senat der Universität im Juli 1968 beschlossene Abschaffung des Humanistischen Studiums als Pflichtstudium wesentlich auf studentischen Druck hin erfolgte."

Die Bildungskommission beim Bundesminister der Verteidigung war sich der Gefahr eines Auseinanderdriftens von zwei verschiedenartigen Studienteilen offenbar bewußt, wenn sie in ihrem Konzept für die Hochschulen der Bundeswehr definierte: „Der Begriff des erziehungs-und gesellschaftswissenschaftlich angeleiteten Fachstudiums soll zum Ausdruck bringen, daß nicht an ein Nebeneinander von Fach-und Begleitstudium gedacht ist, sondern daß sich beide Elemente des Studiums gegenseitig durchdringen müssen." („Gutachten", Ziffer 61)

III. Die Realisierung

Mit dem hier skizzierten Konzept war es der Bildungskommission gelungen, die vom Bildungs-und Wissenschaftsrat vorgeschlagenen und in den „Bildungsbericht 1970" der Bundesregierung übernommenen Reformen des zivilen Bildungswesens mit den im „Weißbuch 1970" dargelegten sicherheitspolitischen Notwendigkeiten so zu verbinden, daß das von ihr vorgeschlagene Bildungswesen der Bundeswehr an das mehrheitlich angestrebte zivile Bildungssystem passen würde. Die geplante rasche Verwirklichung dieses Reformmodells sollte den Streitkräften die Chance bieten, im scharnhorstschen Sinne an der Spitze des Fortschritts zu marschieren.

In Übereinstimmung mit dem Konzept leitete Schmidts Nachfolger im Verteidigungsministerium, Georg Leber, die Errichtung von zwei Hochschulen der Bundeswehr (HSBw) in Hamburg und München ein, deren Betrieb am 1. Oktober 1973 beinahe ohne Vorlauf begann.

1. Rechtsstatus und Struktur der Hochschulen der Bundeswehr

Verzögerungen bei der Errichtung ergaben sich auch aus der geteilten rechtlichen Zuständigkeit Träger der Hochschulen ist der Bundesminister der Verteidigung, zu dessen Geschäftsbereich sie gehören. Die Kulturhoheit liegt jedoch bei den Bundesländern Hamburg und Bayern, die die Hochschulen landesstaatlich anerkannt haben. Diese sind somit staatliche Hochschulen des Bundes, für die jedoch die landesrechtlichen Vorschriften für nichtstaatliche („private") Hochschulen gelten. Daher unterliegen sie zunächst der Rechtsaufsicht der Länder. Nur in den vom Landesrecht nicht erfaßten Angelegenheiten übt der Bundesminister der Verteidigung das Weisungsrecht aus

Der Landeskultusminister überwacht insbesondere die Gleichwertigkeit des Studiums und der Abschlüsse. Er erläßt die Studien-und Prüfungsordnungen, die Promotions-und die Habilitationsordnung. Seine Zustimmung ist u. a. erforderlich für die Berufung der Professoren und für die Bestellung der vom akademischen Senat vorgeschlagenen Präsidenten der Hochschulen der Bundeswehr durch den Verteidigungsminister.

„Die Hochschule der Bundeswehr München nimmt [gemäß Abschnitt AII Abs. 1 ihrer Rahmenbestimmungen] die akademischen Angelegenheiten selbständig wahr. Die Befugnisse [des Bundesministers der Verteidigung] gegenüber der Hochschule in diesem Bereich richten sich nach dem geltenden Hochschulrecht.“ Damit hat sie weitgehend die Autonomie staatlicher Hochschulen, wenn sie auch keine Anstalt des öffentlichen Rechts ist. Das bedeutet: der wissenschaftliche Teil der Offizierausbildung findet in akademischer Freiheit statt. Dieser Freiheit steht der Auftrag zur Seite, längerdienenden Offizieren ein — gemessen an staatlichen Hochschulen — gleichwertiges wissenschaftliches Studium azubieten, das zu landesstaatlich anerkannten Abschlüssen (Diplomen) führt Die interne Struktur der von zivilen Präsidenten geleiteten Hochschulen der Bundeswehr ist weitgehend identisch mit derjenigen öffentlicher Hochschulen Der einzige organisatorische Unterschied ergibt sich aus dem Soldatenstatus, den die Studenten auch nach ihrer Immatrikulation beibehalten. So tritt zu den drei „klassischen" Hochschulbereichen — Fachbereiche Zentralbereich und Verwaltung — ein „Studentenbereich" hinzu, in dem die studierenden Offizieranwärter und Offiziere militärisch betreut und beraten werden; er ist in „Studentenfachbereiche" untergliedert, die mit den Fach-bereichen korrelieren

Die Hochschulen der Bundeswehr führen die universitären Studiengänge Elektrotechnik (95) Maschinenbau (170), Pädagogik (115), Wirtschafts-und Organisationswissenschaften (282) in Hamburg sowie Bauingenieurwesen (42), Vermessungswesen (35), Elektrotechnik (183), Informatik (89), Luft-und Raumfahrttechnik (119), Pädagogik (78), Wirtschafts-und Organisationswissenschaften (108) in München. Darüber hinaus liefert in Hamburg eine zentrale wissenschaftliche Einrichtung und in München der Fachbereich Sozialwissenschaften die „erziehungs-und gesellschaftswissenschaftlichen Anteile (EGA) des Studiums". Die Hochschule der Bundeswehr München nahm Teile der ehemaligen Fachhochschulen der Luftwaffe und des Heeres auf, die sie auf dringlichen Wunsch des bayerischen Kultusministeriums ab 1. Dezember 1982 in drei, vom universitären Bereich getrennten Fachbereichen (196) im Sinne einer kooperativen Gesamthochschule gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Hochschulrahmengesetz führen wird. 2. Aufbau der Hochschule der Bundeswehr München 1973 begann die Hochschule ihren Betrieb in vier provisorischen Quartieren in und bei München mit dem Ziel, später in Neubiberg am ländlichen Südost-Rand von München geschlossen untergebracht zu werden. 1974 wurde mit der Umgestaltung eines Teils des Fliegerhorstes Neubiberg zu einer frei zugänglichen Campus-Universität im Grünen begonnen; in mehr als dreijähriger Bauzeit sind 365 Mio. DM verbaut worden. Für Lehre und Forschung stehen nun etwa 50 000 qm Hauptnutzfläche zur Verfügung. Die durchschnittlich etwa 2 500 Studenten wohnen zum größten Teil auf dem Hochschulgelände in 2 125 Einzelzimmern überwiegend in neu errichteten Wohnbauten mit Gemeinschaftseinrichtungen und Kommunikationszentren.

IV. Lehre, Studium und Forschung an den Hochschulen der Bundeswehr

1. Gleichwertigkeit der Lehre im Fachstudium trotz dreijähriger Regelstudienzeit Auf Wunsch des Bundesministers der Verteidigung haben die Kultusminister von Hamburg und Bayern das wissenschaftliche Studium an den Hochschulen der Bundeswehr so geregelt, daß es in frühestens drei, spätestens vier Jahren mit einem landesstaatlich anerkannten Diplom abgeschlossen werden kann. Während der Konzeptionsphase und noch zu Beginn des Lehrbetriebes wurde davon ausgegangen, daß die im damaligen Entwurf des Hochschulrahmengesetzes vorgesehene allgemeine Regelstudienzeit von acht Semestern 64) an staatlichen Hochschulen bald realisiert werden würde. Der so begrenzte Studienumfang wäre von den Hochschulen der Bundeswehr mit Hilfe von gelinden Studienreform-Maßnahmen ohne wesentliche Schwierigkeiten in drei Jahren zu bewältigen gewesen. Nachdem sich diese Erwartung bisher nicht erfüllt hat, muß die an Landeshochschulen immer noch in fünf bis sechs Jahren gelernte Stoffmenge an den Hochschulen der Bundeswehr sehr konzentriert und damit sehr belastend für die Studenten dargeboten werden. In dem Maße, in dem landesstaatliche Hochschulen ihre Lehrpläne reduzieren, kann die curriculare Verdichtung an den Hochschulen der Bundeswehr verringert werden, ohne daß die nachzuweisende Gleichwertigkeit der Lehre in Gefahr gerät. Diese Hoffnung entläßt die Hochschulen der Bundeswehr allerdings nicht aus der Pflicht, stetig an einer Entlastung des Studiums durch Verbesserung der Curricula zu arbeiten.

Zur Vermittlung eines — gemessen an den Landes-Universitäten — gleichwertigen Studiums in drei Jahren mußten die Hochschulen der Bundeswehr vom traditionellen universitären Semesterrhythmus mit vorlesungsfreien Zeiten von etwa fünf Monaten pro Jahr abgehen. Statt dessen unterteilen sie das Studienjahr in drei (theoretisch dreizehn-, praktisch eher) zwölfwöchige Trimester und eine dreimonatige vorlesungsfreie Zeit; damit verwirklichen sie auch einen Reformgedanken aus dem „Bildungsbericht 1970“. Das Trimester ist etwa 15% kürzer als ein durchschnittliches Semester Geht man von durchschnittlich 26

Trimesterwochenstunden aus 66), so können in den neun Trimestern der drei Studienjahre insgesamt 26 x 12 x 9 = 2 808 Stunden Lehrveranstaltungen gehalten werden. Die Notwendigkeit, eine solche Bilanz hier aufzumachen, deutet an, daß ein wissenschaftlicher Studiengang — im Gegensatz zur Ansicht maßgeblicher Bildungspolitiker — immer noch ganz überwiegend nach seiner Dauer bewertet wird.

Mit einer besseren Ausnutzung des Studien-jahres alleine ist jedoch das zentrale Problem — die Verbindung von Gleichwertigkeit und Dreijahresrhythmus — nicht zu lösen. Dazu sind Curricula erforderlich, die die wesentlichen Gesichtspunkte der Studienreform berücksichtigen.

Die Hochschulen der Bundeswehr streben sie an durch — Stoffreduktion, bezogen auf die Lehrpläne von Landesuniversitäten, — wohldurchdachte und motivierend strukturierte Studienablaufpläne — inhaltliche Abstimmung von Lehrveranstaltungen,

— weitgehende Vermeidung von Redundanz.

Auf diese Weise sind Studien-und Prüfungsordnungen entwickelt worden, die die zuständigen Kultusministerien erlassen haben, womit sie implizit die Gleichwertigkeit der dreijährigen Reformstudiengänge anerkennen.

Dies mag ihnen leichter gefallen sein, weil die Hochschulen der Bundeswehr in Übereinstimmung mit den Vorschlägen des Wissenschaftsrates eine intensive wissenschaftliche Anleitung und Lehre in sehr kleinen Gruppen sowie eine umfassende Studienberatung betreiben.

Die für die Anerkennung scheinbar unvermeidliche Überfrachtung der Studienplätze hatte dazu geführt, daß im Herbst 1978 nur noch knapp 30% der Studenten die Diplom-Hauptprüfung am Ende der damals dreijährigen Mindeststudiendauer ablegten (in-timeErfolgsquote);

die durchschnittliche Studiendauer lag bei 31/4 Jahren. Deshalb hat der Bundesminister der Verteidigung der Verlänge-66 rung der Mindeststudienzeit von 3 auf 31/4 Jahre zugestimmt. Diese als „Drei-Plus-Modell“ bezeichnete Regelung sieht vor, daß das seit Herbst 1979 zusätzlich gewährte „ 10. Trimester“ zur Bearbeitung der Diplomarbeit und zur Prüfungsvorbereitung zur Verfügung steht. 2. Studienerfolgsquote Die G) * raphik zeigt den Verlauf der „inputoutput-Studienerfolgsquote" der ersten fünf Immatrikulationsjahrgänge. Bemerkenswert ist die allmähliche Konvergenz der anfangs teilweise extrem unterschiedlichen studiengangspezifischen Quoten auf den Mittelwert der Hochschule (0).

Während sich die Studienerfolgsquoten der Hochschulen der Bundeswehr exakt berechnen lassen, sind Vergleiche mit öffentlichen Hochschulen problematisch, da dort die mannigfachen zu-und abgehenden Studenten-ströme schwer erfaßbar sind und lediglich die Berechnung von Schätzwerten zulassen. Darüber hinaus dürfte die hohe Abbrecherquote zu Beginn des Studiums, die zum guten Teil auf das Konto der Orientierungslosigkeit — also einer mangelhaften Studienberatung — geht, in die Erfolgsbilanzen landesstaatlicher Hochschulen nicht immer voll eingehen. Unter diesem Vorbehalt einer möglicherweise zu hoch gegriffenen Vergleichszahl ist die durchschnittliche Erfolgsquote der Hochschule der Bundeswehr München um etwa 8% niedriger als die der Technischen Universität München Wenn die dreijährige Regelstudienzeit als „Handikap“ berücksichtigt wird, ist dieses Ergebnis gut; es soll jedoch verbessertwerden.

Darüber hinaus muß im Interesse der Zeitoffiziere an der Hebung des Abschlußnoten-Spiegels gearbeitet werden. Es dürfte jetzt etwa um eine Notenstufe unter dem durchschnittlichen Wert von Landeshochschulen liegen: ein weiterer Preis, der für eine Diplomierung nach wenig mehr als drei Jahren leider noch zu zahlen ist. 3. Erziehungs-und gesellschaftswissenschaftliche Anteile des Studiums Das „Anleitstudium" — wie die erziehungsund gesellschaftswissenschaftlichen Anteile des (Gesamt-) Studiums kurz, aber irreführend genannt werden — blieb in den ersten fünf Jahren hinter der erfreulichen Entwicklung des Fachstudiums zurück. Während die Erfüllung der Gleichwertigkeitsforderung im Fach-studium die größten curricularen Anstrengungen erforderte, führte im „Anleitstudium", für das es keine landesstaatlichen Vergleichs-maßstäbe gibt, gerade ihr Fehlen zu Schwierigkeiten. So konnte im Juni 1978 festgestellt werden: „Die Gleichwertigkeit nur des Fach-studiums als Voraussetzung für die Anerkennung des Diploms, die Begrenzung der Regel-studienzeit auf drei Jahre und die daraus zwangsläufig resultierende etwa 8% geringere Erfolgsquote als an den wesentlich länger ausbildenden öffentlichen Hochschulen haben leider bewirkt, daß das Anleitstudium zumindest von den technisch-naturwissenschaftlichen Fachbereichen überwiegend als ungeliebtes und nur mißmutig geduldetes Kind fremder Eltern betrachtet wurde."

Darüber hinaus wirkte sich das Fehlen eines organisatorischen Rahmens für das Anleitstudium sehr nachteilig aus. Daher wurde im Juni 1978 der Fachbereich Sozialwissenschaften gegründet. Er hat (noch) keinen eigenen Studiengang. In der Lehre ist es seine Aufgabe, die erziehungs-und gesellschaftswissenschaftlichen Anteile des Studiums (EGA) für die übrigen sechs studiengangführenden Fachbereiche als „Service-Lehrleistung" bereitzustellen; der obligatorische und prüfungsrelevante Umfang der EGA beträgt etwa 8% der Zeit, die für das Fachstudium vorgesehen ist Dem Gedanken, die Träger des Anleitstudiums in einem eigenen Fachbereich zusammenzufassen, liefen Überlegungen parallel, die von der Bildungskommission formulierten Grundsätze für die erziehungs-und gesellschaftswissenschaftlichen Anteile des Studiums in effizientere Lehr-Strategien umzusetzen. Anläßlich der Fachbereichsgründung erläuterte Klaus von Schubert das unter seiner Leitung erarbeitete neue Konzept, das im gesellschaftswissenschaftlichen Bereich die Abkehr vom fachbezogenen und die Hinwendung zum berufsbezogenen Aspekt sowie den Verzicht auf ein sozialwissenschaftliches Studium generale vorsieht. Lernziel ist die problemorientierte Anleitung zu rationalem politischen Denken und Handeln. Denn in zwei Trimesterwochenstunden kann ein „Berufsbezug nicht einfach und unvermittelt durch die Befassung mit militärischen Gegenständen — sozusagen an der Oberfläche des militärischen Tätigkeitsfeldes — hergestellt werden“. Sinnvoll läßt er sich in diesem knappen zeitlichen Rahmen nur auf einer tiefer liegenden Ebene erreichen, nämlich „durch Anleitung der Studenten zu einer bestimmten, für den Beruf des heutigen Offiziers existenziellen Art sozialen Denkens und Handelns"

Ein Kerngedanke des neuen Konzeptes ist die Ausrichtung des gesamten gesellschaftswissenschaftlichen Lehrangebotes auf das politische Leitproblem, das Spannungsverhältnis von Freiheit und Herrschalt. Die stärker problem- als stofforientierten Lehrveranstaltungen sind thematisch so zentriert, daß sie vom Studenten frei gewählt werden können. Konsequenterweise sind die beiden abschließenden Prüfungen mehr auf ein Problemverständnis, weniger auf Faktenwissen ausgerichtet.

Das neue Konzept war auch mit den ingenieurwissenschaftlichen . Abnehmern“ des sozialwissenschaftlichen Lehrangebotes abgestimmt worden. So konnte der damalige Parlamentarische Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Dr. Andreas von Bülow, feststellen: „Ich bin insbesondere hier in München dankbar dafür, daß unter der Federführung von Professor von Schubert einerseits und seines technischen Gegenübers, Prof. Zimmermann, andererseits das . Münchner Konzept'gefunden wurde. Hier in München haben die Techniker, wie mir scheint, sich in den Führer-stand, nicht ins Bremserhäuschen begeben; sie haben sich aktiv an der Gestaltung dieses Studienanteils beteiligt.. ," 4. Stellenwert der Forschung Die Bildungskommission hatte vorgeschlagen: „Im Rahmen der vorgesehenen Fachbereiche wird Forschung ermöglicht und betrieben .. " („Gutachten“, Ziffer 58 Nr. 4). Diese Empfehlung wurde später in den „Rahmenbestimmungen" und in den Dienstverträgen der Professoren in den wissenschaftlichen Studiengängen als Verpflichtung festgeschrieben. Damit hat die Forschung an den Hochschulen der Bundeswehr denselben Stellenwert wie an staatlichen Hochschulen. Sie steht inzwischen auch auf einer ausreichenden materiellen Basis.

Bei der Planung und Errichtung der Hochschulen der Bundeswehr hatte das Verteidigungsministerium im Interesse einer raschen Verbesserung des Ausbildungsangebotes der Bundeswehr einen Gedanken aus dem Bildungsbericht 1970 aufgegriffen und war das Wagnis eingegangen, für den materiellen und personellen Aufbau eine relativ sehr kurze Vorlaufzeit vorzusehen. Wenn sich dieser Schritt nachträglich auch als zielführend erwiesen hat, brachte er doch den beiden Hochschulen in den ersten Jahren die Doppelbelastung, neben der vordringlichen Sicherstellung der Lehre den personellen und materiellen Aufbau rasch voranzutreiben.

Es bedurfte deshalb sehr großer Anstrengungen, dem Anspruch und der Verpflichtung zu forschen, auch in der Aufbauphase gerecht zu werden. „Die Anstrengungen haben sich jedoch gelohnt, wenn es [mit dem 1. Forschungsbericht] gelungen ist, der Öffentlichkeit zu zeigen, daß die Hochschule der Bundeswehr München nicht nur gleichwertig mit öffentlichen Hochschulen lehrt, wie das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus anerkannt hat, sondern daß sie auch ein gleichwertiger Partner in der Forschung sein kann."

V. Eine Evaluationsstudie als Erfolgskontrolle

1. Anlaß und Rahmen einer studentischen Befragung Im April 1976 und Januar 1977 hatte das Bayerische Kultusministerium eine Allgemeine Diplomprüfungsordnung (ADPO) für die Hochschule der Bundeswehr München und eine Fachprüfungsordnung (FPO) u. a. für den Studiengang Luft-und Raumfahrttechnik erlassen; sie traten im Grundstudium für den Immatrikulationsjahrgang 1976 in Kraft. Damit entfielen erstmals für diesen Jahrgang einige durch die Aufbausituation begründete Regelungen in den zuvor gültigen vorläufigen Ordnungen, die das Studium der ersten drei Jahrgänge (1973 bis 1975) erleichtert hatten, was wohl die wesentliche Ursache für einen merklichen Rückgang der Erfolgsquote in der Diplomvorprüfung war.

Um dieser Verschlechterung mit geeigneten Mitteln entgegenwirken zu können, habe ich eine möglichst umfassende und doch rasch evaluierbare Untersuchung der Studienbedingungen in dem von mir in den Jahren 1977 und 1978 geleiteten Fachbereich Luft-und Raumfahrttechnik eingeleitet. Sie wurde vom stellvertretenden Leiter des Hochschuldidaktischen Zentrums (HDZ) der Hochschule, Dr. Dr. Ulbricht, konzipiert und durchgeführt Dazu sind die Studenten des Jahrgangs 1976 aufgefordert worden, ihre Erfahrungen vom Studienbeginn bis zur Diplomvorprüfung in frei formulierten Berichten niederzuschreiben.

Die Befragung erfaßte im Fachstudium das dreitrimestrige Grundstudium und im „Anleitstudium" die erziehungswissenschaftlichen Anteile, d. h. das regulär mit der Diplomvorprüfung abzuschließende erste Studienjahr; In diesen ersten drei Fachtrimestern werden im Studiengang Luft-und Raumfahrttechnik „die Grundlagen der Ingenieurwissenschaften des Maschinenwesens mit dem Schwergewicht auf den Fachgebieten Höhere Mathematik, Technische Mechanik und Maschinenelemente angeboten, ergänzt durch einführende Vorlesungen über Materialeigenschaften sowie über das Basiswissen der Experimentalphysik und der Elektrotechnik"

Die Analyse brachte so interessante Ergebnisse, daß ich zu ihrer weiteren Absicherung die Fortführung der studentischen Befragung im Fachbereich Luft-und Raumfahrttechnik und ihre Ausdehnung auf den Studiengang Informatik veranlaßt habe. Anstelle der recht allgemeinen Formulierung der ersten Befragung als „freie Darstellung Ihrer Studienprobleme", trat nun für die Immatrikulationsjahrgänge 1977 und 1978 ein Hinweis auf die vier Haupt-problembereiche, die sich a posteriori aus der ersten Inhaltsanalyse durch Zusammenfassen der Einzelerfahrungen nach sachlogischen Gesichtspunkten ergeben hatten:

(1) Studienbedingungen an der Hochschule der Bundeswehr München;

(2) Studienbedingungen im Fachbereich Luft-und Raumfahrttechnik bzw. Informatik;

(3) individuelle Voraussetzungen zum Studium; (4) individuelle Voraussetzungen und subjektive Reaktionen.

Hier ist anzumerken, daß die erste Befragung weder freiwillig noch anonym war. Daher mußten ihre Ergebnisse aus methodischen Gründen bei einer Gesamt-Interpretation unberücksichtigt Sie jedoch gute bleiben. leistete Dienste als Pilot-Studie für die folgenden Befragungen, bei denen diese Beschränkung in der Aussagefähigkeit der Erfahrungsberichte entfiel. 2. Auswertung der studentischen Erfahrungsberichte Die freiwillig und anonym niedergeschriebenen und mit ausreichender Rücklaufquote eingegangenen studentischen Erfahrungsberichte der Immatrikulationsjahrgänge 1977 und 1978 in den Studiehgängen Luft-und Raumfahrttechnik und Informatik sind „inhaltsanalytisch'1 ausgewertet worden. Diese „Transformation" führte die verbalen Aussagen der frei formulierten Berichte über in die Zahlenwerte + 1, -1 oder 0 mit Bezug auf ein zuvor formuliertes Kategoriensystem, das die erwähnte Pilot-Studie beim Jahrgang 1976 geliefert hatte und das sich a posteriori als voll ausreichend erwies.

Einzelheiten der Auswertung und eine ausführliche tabellarische Darstellung der Ergebnisse werden hier ebenso wenig gegeben wie eine Methodendiskussion der Inhaltsanalyse; man findet sie in einer Monographie von Ulbricht und Zimmermann Zum Verständnis der nachfolgend mitgeteilten Ergebnisse reicht es aus, zu wissen, daß man die relative Bedeutung und Dringlichkeit von Studien-erfahrungen und -problemen durch ihren „Rangplatz" kennzeichnen kann. Dabei erhält die Kategorie höchster Dringlichkeit, also die Kategorie, auf die die größte Zahl effektiver Nennungen in den Erfahrungsberichten fällt, den Rangplatz 1 usw. Auf der anderen Seite der Skala entspricht der höchsten Rangziffer nur eine einzige effektive Nennung. Stimmt die Zahl von effektiven Nennungen für zwei oder mehr Kategorien überein, so wird der mittlere Rangplatz zugeordnet. 3. Einige wesentliche Ergebnisse Die Analyse der Erfahrungsberichte lieferte die Daten, aus denen Dringlichkeits-Reihenfolgen für verschiedene Studentengruppen je eines Immatrikulationsjahrgangs abgeleitet wurden:

— für „alle Studenten";

— für die Untergruppe der „erfolgreichen Studenten"; das sind die Studenten, die zum Befragungszeitpunkt — nach dem Termin für die erste Wiederholungsmöglichkeit — ihre Diplomvorprüfung (DVP) im ersten oder zweiten „Anlauf" bereits bestanden hatten; — für die Untergruppe der „noch nicht erfolgreichen Studenten", die auch mit der ersten Wiederholung die Diplomvorprüfung nicht bestanden, aber immerhin ausnahmsweise noch eine zweite Wiederholungsmöglichkeit zugebilligt bekommen haben, deren endgültige Einordnung in die „erfolgreiche" bzw. „nicht erfolgreiche" Untergruppe also noch nicht möglich war; — für die Untergruppe der „nicht erfolgreichen Studenten", die die Diplomvorprüfung endgültig nicht bestanden haben.

Allerdings stimmen die Erfahrungen der beiden letztgenannten Untergruppen so weitgehend überein, daß sie gemeinsam als Untergruppe der „nicht oder noch nicht Erfolgreichen" behandelt werden können. Dagegen unterscheidet sich das Aussagespektrum der „Erfolgreichen" signifikant von dem der „nicht oder noch nicht Erfolgreichen": Während die erfolgreichen Studenten positive und negative Aspekte ihres Studiums realistisch sehen und objektiv beschreiben, neigen ihre nicht oder noch nicht erfolgreichen Kommilitonen dazu, die Schuld an ihren schlechten Leistungen weniger bei sich selbst zu suchen, als sie lieber den vermeintlich oder wirklich widrigen Studienbedingungen, unglücklichen Zufällen und einer unzureichenden schulischen Vorbildung zuzuschreiben. Daher kompensieren sich bei vielen Kategorien die im Vorzeichen unterschiedlichen Stellungnahmen beider Untergruppen zum Teil, wenn die Dringlichkeits-Rangfolge für „alle Studenten" eines Jahrgangs gebildet wird; damit entsteht ein weniger differenziertes Bild.

Im folgenden werden wesentliche Ergebnisse der Befragung der Immatrikulationsjahrgänge 1977 und 1978 im Studiengang Luft-und Raumfahrttechnik exemplarisch aufgelistet, und zwar einmal für „alle Studenten" beider Jahrgänge und dann für die beiden signifikant unterschiedlichen Untergruppen je eines Jahrgangs. Erfahrungen aller Studenten der Jahrgänge 1977 und 1978 Die mit Rang 1 dominierende Erfahrung beider Immatrikulationsjahrgänge sind die guten materiellen Studienbedingungen: hierunter fallen beispielsweise die funktionsgerechte Ausstattung der Lehrräume, das dem militärischen Dienstgrad entsprechende Gehalt, das auch während des Studiums voll bezogen wird, und die kurzen Wegen auf dem Hochschulgelände. Auf Platz 2 und 3 folgen Klagen über die beiden Grundübeldes in 9 Trimestern zu bewältigenden, überfrachteten Studienplans: über Zeitnot und Stoffülle.

Beide Jahrgänge heben das enge Zusammenleben auf dem Campus als studienfördernd hervor: durch Gruppenbildung ist es leichter, den hohen Studienanforderungen gerecht zu werden.

Die Klage, daß das Fachstudium eine fatale Tendenz zur Oberflächlichkeit hat, ist beim jüngeren Jahrgang etwas stärker ausgeprägt, der darüber hinaus die „Verschulung“ des Studiums bemängelt. Fast gleichrangig ist die Klage, daß das Privatleben durch das sehr intensive Studium unterdrückt wird.

Die Bedeutung der folgenden Erfahrungen hat vom älteren zum jüngeren Jahrgang abgenommen: Der vom Zentrum Münchens und den beiden Universitäten der Stadt abgelegene Standort der Hochschule wird nicht mehr so stark als „Gettolage" empfunden.

Zu wenig Prüfungsvorbereitungszeit im Studium, geringe und schlechte Information über das Studium vor Studienbeginn und Schwierigkeiten beim Übergang von den Offizierschulen/Truppenschulen zur Hochschule werden ebenso deutlich weniger beklagt wie psychische Spannungen infolge der Studienbelastung. Die Bedeutung folgender Aussagen nahm in den Augen des jüngeren Jahrgangs zu:

Ihm war deutlich bewußt, daß studienbezogenes Arbeiten an Wochenenden für den Studienerfolg unerläßlich ist; konsequenterweise wird deshalb der studienbedingte Streß stärker empfunden.

Zunehmend positiv wird die Arbeit des (militärischen) Studentenfachbereichs hinsichtlich Beratung und Betreuung hervorgehoben, allerdings auch manche als zu kleinlich empfundene Reglementierung beklagt Zutreffend wird über eine (zeitweilig besonders) schlechte „Versorgung“ auf dem — vom Ortskern Neubigergs 2 km entfernten — Hochschulgelände sowie über häufige Strom-und Heizungsausfälle geklagt.

Schließlich ist der jüngere Jahrgang — konform mit dem Fortschritt beim Aufbau — noch mehr der Ansicht, daß die Studienbedingungen im Fachbereich Luft-und Raumfahrttechnik (wie Organisation, Abstimmung der Lehrveranstaltungen, materielle Aussattung) gut sind.

Erfahrungen der erfolgreichen bzw.der nicht oder noch nicht erfolgreichen Studenten des Jahrgangs 1977

Während die guten Studienbedingungen an der Hochschule für die erfolgreichen Studenten die größte Bedeutung haben, setzen die nicht oder noch nicht Erfolgreichen das Empfinden einer für ihren Studiengang unzureichendenSchulbildung auf den ersten Rang-platz und klagen darüber hinaus über zu wenig Information und falsche eigene Vorstellungen von einem akademischen Studium vor Studienbeginn sowie über didaktische Mängel bei einigen Dozenten.

Bemerkenswert ist, daß die nicht oder noch nicht erfolgreichen Studenten weniger als die Erfolgreichen über studienbedingten Streß sowie über notwendige Abstriche beim Privatleben und beim Urlaub klagen; die Berichte lassen nicht erkennen, ob etwa dem Streß durch Leistungsverweigerung bewußt ausgewichen wurde.

Die nicht oder noch nicht Erfolgreichen sind für ihr Studium weniger motiviert und waren mehr studienhemmenden Einflüssen — wie Krankheit, psychische Spannungen, private Probleme — ausgesetzt; sie haben auf eine „ungeschminkte" Studienberatung zu Studienbeginn schreckhaft reagiert, halten aber dennoch die Studienfachberatung für äußerst wichtig.

Besonders kontrovers ist die Einschätzung der Studienbedingungen am Fachbereich: die Erfolgreichen halten sie für sehr positiv, die nicht oder noch nicht Erfolgreichen empfinden sie als entschieden negativ.

Die übrigen Stellungnahmen beider Untergruppen stimmen zumindest tendenziell überein. Erfahrungen der erfolgreichen bzw.der nicht oder noch nicht erfolgreichen Studenten des Jahrgangs 1978

Beide Untergruppen dieses Jahrgangs setzen die guten Studienbedingungen an der Hochschule auf Rangplatz 1.

Aber schon ihre Einstellung zu Zeitnot und Stoffülle unterscheidet sich ganz erheblich: Von den nicht oder noch nicht erfolgreichen Studenten werden diese Übel auf Platz 2 und 3 gesetzt, von den Erfolgreichen dagegen erst an 19ter Stelle beklagt. Die letzteren setzen dagegen die Oberflächlichkeit des Studiums auf den zweiten Platz und seine Verschulung immerhin noch auf Rangplatz 7, 5; Klagen, die für die andere Untergruppe ganz nachrangig sind.

Kontrovers werden auch die eigenen schulischen Voraussetzungen für den unisono als schwierig empfundenen Studiengang beurteilt: die Erfolgreichen halten sie für durchaus ausreichend, die nicht oder noch nicht Erfolgreichen bezeichnen sie ebenso entschieden als unzureichend.

Das Zusammenleben auf dem Campus schätzen die erfolgreichen Studenten höher ein. Die Untergruppe der nicht oder noch nicht erfolgreichen Studenten klagt mehr über kleinliche militärische Reglementierungen, unzureichende Studieninformation, erhöhten Streß und Leistungsdruck sowie über didaktische Mängel bei Dozenten. Sie zeigt auch ein schwächeres Interesse für ihr Studienfach; in diesem Zusammenhang wird auch geäußert, daß die Offizierbewerberprüfzentrale (OPZ) der Bundeswehr sich bei ihrer Eingangs-„Studienberatung" leichtfertigt über Hinweise von Bewerbern auf ihre mangelhaften Studienvoraussetzungen hinweggesetzt habe.

Einschätzung der erziehungs-und gesellschaftswissenschaftlichen Anteile des Studiums

Wegen der Schlüsselrolle, die das erziehungsund gesellschaftswissenschaftliche Begleitstudium im Konzept und bei der Begründung eigener Hochschulen der Bundeswehr gespielt hat, wird hier gesondert auf seine Einschätzung durch ingenieurwissenschaftliche Studenten der Jahrgänge 1977 und 1978 eingegangen. Der Jahrgang 1977 hat das „Anleitstudium" offenbar noch deutlich negativ eingeschätzt, Wenn er die Kategorie „Erziehungs-und gesellschaftswissenschaftliche Anteile des Studiums = überflüssiger Ballast", auf Rangplatz 6, 5 setzte. Im Studienjahr 1978/79 wurden die gesellschaftswissenschaftlichen Anteile (GA) erstmals nach dem neuen Konzept gelehrt. Ein entsprechender Neubeginn bei den erziehungswissenschaftlichen Anteilen (EA) — dem Inhalt des „Anleitstudiums" im 1. Studienjahr, also im Erhebungszeitraum der Befragung — schien zu diesem Zeitpunkt beinahe unmöglich, da der Großteil der betreffenden Stellen noch unbesetzt war. Die studentischen Erfahrungsberichte zeigen jedoch, daß insbesondere Stabenau trotzdem mit dem neuen erziehungswissenschaftlichen Konzept beachtlichen Erfolg hatte:

Zwar finden sich auch noch beim Jahrgang 1978, der den reformierten Zyklus erstmals durchlief, einige entschieden ablehnende Äußerungen. Doch halten nun schon viel mehr Studenten die Thematik für sehr interessant, beklagen allerdings teilweise den als zu gering empfundenen Bezug der erziehungswissenschaftlichen Anteile zu ihrem ingenieurwissenschaftlichen Fachstudium. Darüber hinaus bedauern ausschließlich die nicht oder noch nicht erfolgreichen Studenten, daß die erziehungs-und gesellschaftswissenschaftlichen Anteile, wenn man von ihnen wirklich profitieren wolle, mehr Arbeitszeit erfordern, als man für sie bestenfalls aufbringen könne. Insgesamt lehnt der Jahrgang 1978 die erziehungswissenschaftlichen Anteile sehr deutlich weniger ab, als der vorhergehende: Für die erfolgreichen Studenten ist die Klage, „EGA = überflüssiger Ballast", nur noch ganz nachrangig, bei den nicht oder noch nicht Erfolgreichen liegt sie im Mittelfeld der Dringlichkeit. Darüber hinaus ist aufgrund anderer Befragungen deutlich geworden, daß die im 2. und 3. Studienjahr gelehrten gesellschaftswissenschaftlichen Anteile vier Jahre nach ihrer Neukonzeption von der Mehrheit der Studenten der Hochschule der Bundeswehr München positiv eingeschätzt werden.

Die hier genannten Untersuchungsergebnisse aus den Fachbereichen Luft-und Raumfahrttechnik und Informatik sind für alle ingenieurwissenschaftlichen Studiengänge der Hochschulen der Bundeswehr repräsentativ. Dagegen können sie auf die geisteswissenschaftlichen Studiengänge nicht in allen Einzelheiten übertragen werden. Da die curriculare Ver-dichtung dort aber geringer ist, sind die Ergebnisse für diese Fachbereiche zumindest eine . Abschätzung nach der sicheren Seite". 4. Das zentrale curriculare Problem Die hier nur exemplarisch und bewußt unkommentiert mitgeteilten Befragungsergebnisse skizzieren die subjektive Reaktion ingenieurwissenschaftlicher Studenten auf die in Abschnitt III und IV möglichst objektiv dargestellten Studienbedingungen. Das mit den Augen der Studenten gesehene Bild zeigt eine Hochschule, die ein höheres Maß an Leistungsbereitschaft als landesstaatliche Universitäten abverlangt, die aber auch deutlich mehr zu bieten hat: ein materiell abgesichertes Studium in einem überdurchschnittlich ausgestatteten Lernumfeld, das in drei bis vier Jahren zum Diplom führt. Dieses Ausbildungsangebot der Bundeswehr wird von der Mehrheit der studierenden Offiziere als fair anerkannt: Ihr Leistungswille hat entscheidend dazu beigetragen, daß das anspruchsvolle Reformkonzept mit einer Erfolgsquote realisiert werden konnte, die einen bewerteten Vergleich mit landesstaatlichen Universitäten nicht scheuen muß.

Eine grundsätzliche Übereinstimmung mit dem Konzept schließt studentische Kritik an einzelnen Studienbedingungen nicht aus, insbesondere, wenn ihnen Mängel anhaften, die nicht konzeptimmanent erscheinen, oder wenn sie sogar im Widerspruch zum Konzept stehen. Die vom . Anerkennungsdruck" wirklich oder vermeintlich erzwungene Überfrachtung der Studienpläne — das zentrale curriculare Problem der Hochschulen der Bundeswehr — liegt im Schwerpunkt der studentischen Kritik: hier ist sie ernst gemeint, hier ist sie ernst zu nehmen und hier ist sie auch am konstruktivsten, wie einige Bemerkungen aus einer Studie des Fachschaftssprechers Knölker zur studentischen Arbeitsbelastung zeigen sollen

„Seit der Gründung der Hochschule ist die Ausbildung der studierenden Offiziere im FB Luft-und Raumfahrttechnik ständig besser geworden. Eine qualifiziertere Ausbildung hat aber auch zur Folge, daß die Anforderungen an den einzelnen Studierenden größer werden ... Dies erklärt, warum die in-time-Studienerfolgsquote [innerhalb der Mindeststudienzeit sinkt: betrachtet man die Zahl der erfolgreichen Studienabschlüsse nach [3 bzw. ] 31/4 Jahren, so ist ein klarer Abwärtstrend festzustellen ... Eine derart niedrige [input-output-]Studienerfolgsquote muß unbefriedigend sein; ihr kann auch nicht mit dem Argument begegnet werden, an staatlichen Hochschulen sei die Erfolgsquote in einer vergleichbaren Fachrichtung ebenso gering ... Die ... hohe Arbeitsbelastung führt in Verbindung mit einer geringen Studienerfolgsaussicht verständlicherweise zu einer geringen Attraktivität des Studiums [der Luft-und Raumfahrttechnik, das sonst so lohnenswert ist. So verwundert es nicht, wenn die Zahl der Studienanfänger ständig abnimmt Das hier dargelegte [zentrale curriculare] Problem ist unter den vorgegebenen Rahmenbedingungen ... nicht lösbar. Dennoch müssen alle Anstrengungen unternommen werden, es zu lindern oder zumindest nicht zu verstärken."

Hier verdient hervorgehoben zu werden, daß der Studentenvertreter keine Absenkung des Studienniveaus fordert; ihm geht es lediglich um Reformmaßnahmen, die auch von einem Teil seiner Professoren erwogen und betrieben werden. 1 Wie weit Lernende und Lehrende in der Beurteilung der Notwendigkeit von curricularen Reformen gelegentlich übereinstimmen, zeigen komplementäre Gedanken von Fritz Leonhardt dem international bekannten em. Ordinarius für Massivbau der Universität Stuttgart: „Die Lehre muß neue Wege gehen. Man muß sich im Studium auf die Grundlagen beschränken, muß sie einfach und verständlich darstellen, so daß die Studenten diese wirklich begreifen und so jederzeit in Spezialgebiete vordringen können, wenn sie solches Spezialwissen brauchen ... Wichtig ist auch, daß Professoren darauf verzichten, letzte Spitzen ihres Wissens [in Pflichtvorlesungen] anzubringen. Dies sollte man den Wahlvorlesungen ... oder einem Nach-Diplom-Studium Vorbehalten, wobei es genügt, wenn die schöpferisch begabten und forschungsorientierten Studenten daran teilnehmen. Wenn man so die Lehre verbessert ..., dann sollte es möglich sein, den heute von Studenten soviel beklagten Streß zu vermindern. Nacktes Wissen ist weniger wichtig als Denken lernen, Konzentrationsfähigkeit und Willen schulen, Sport treiben, Grundwerte pflegen wie Geselligkeit, Freundschaft, Liebe, Freude an Kunst ... All dies gehört zur Bildung, zur Persönlichkeitsbildung, und erfordert Freizeit."

Niemand wird Leonhardt den Versuch einer Absenkung des Studienniveaus unterstellen. Jedoch werden Reformgedanken, wie er sie hier äußert, noch zu wenig beachtet und beherzigt — auch zum Nachteil der Hochschulen der Bundeswehr, die dringlich darauf warten, daß der Stoffumfang an staatlichen Hochschulen reduziert wird, damit sie ihrerseits ein weniger verdichtetes aber dennoch gleichwertiges Studium leichter anbieten können. Das Warten auf andere reicht allerdings nicht aus. Vielmehr werden die Hochschulen der Bundeswehr ihre von landesstaatlichen Universitäten in mancher Hinsicht abgesetzte Situation nutzen müssen, um auf dem Weg, den sie schon beschritten haben, weiter in den Bereich effizienter curricularer Reformen zu gehen, auch wenn sie hier zeitweilig alleine gelassen würden.

An zwei kleinen, leicht überschaubaren Hochschulen werden Studienprobleme deutlicher und schneller sichtbar als im großen Verband der landesstaatlichen Universitäten, überzeugende Lösungsmöglichkeiten ohne hemmende Traditionen zu formulieren, und diese rasch zu realisieren, ohne große träge Massen bewegen zu müssen: das ist die Chance der Hochschulen der Bundeswehr. Dabei dürfen sie sich allerdings nicht anmaßen, den landes-staatlichen Universitäten ein Modell andienen zu wollen, das wegen der zuvor geschilderten speziellen Arbeitsbedingungen ohnehin nicht übertragbar wäre. Allerdings scheint es für andere Hochschulen nicht uninteressant, die Relation dieser Bedingungen zum Zeit-und Mittelaufwand sowie zum Studien-erfolg zu betrachten.

VI. Wertung und Ausblick

Das Studium an den Hochschulen der Bundeswehr wird von drei essentiellen Forderungen ihres Trägers bzw.des Trägers der Kulturhoheit beherrscht:

— Gleichwertigkeit der Abschlüsse mit entsprechenden Diplomen staatlicher Hochschulen,

— dreijährige Regelstudienzeit im Trimesterrhythmus und — eine erträgliche Studienerfolgsquote. Diese Forderungen kennen als die Eckpunkte eines Dreiecks aufgefaßt werden, dessen Fläche die beiden Hochschulen nicht verlassen dürfen.

Trotz gelegentlicher und dann häufig unqualifizierter Kritik von außen kann — auch aufgrund der hier mitgeteilten Befragungsergebnisse — zweifelsfrei festgestellt werden, daß das von Helmut Schmidt initiierte, von Georg Leber realisierte, von Hans Apel nachdrücklich geförderte und von den Landeskultusministern in Bayern und Hamburg verständnisvoll unterstützte hochschul-und sicherheitspolitische Reformmodell gut zehn Jahre nach seiner Konzipierung und fast neun Jahre nach der Errichtung von Hochschulen der Bundeswehr bereits viele der intendierten Erwartungen erfüllt hat. Hierzu waren außerordentliche Anstrengungen der Mitglieder beider Hoch-schulen sowie Verständnis und Entgegenkommen der beteiligten Ministerien erforderlich. Die erkennbaren Tendenzen lassen erwarten, daß der eingeschlagene Weg zügig, aber sicher nicht bequem zu weiteren Erfolgen führen wird.

Diese Erwartung fußt auf der Hoffnung, daß die Hochschulen der Bundeswehr ihr zentrales curriculares Problem dadurch weiter entschärfen werden, daß sie schrittweise Stoffquantitäten zugunsten von Lernqualitäten reduzieren,daß sie den Lernerfolg verbessern u. a. durch den Abbau lernhemmender Hürden und eine noch intensivere Betreuung durch die Lehrenden, daß sie die aktuelle hochschulpolitische und hochschuldidaktische Diskussion verfolgen und über neue, erfolgversprechende Reformgedanken nicht nur reden, sondern sie in ihrem überschaubaren Bereich erprobenund gegebenenfalls realisieren.

Während der akademische Erfolg der Hochschulen der Bundeswehr ohnehin nicht mehr ernsthaft bestritten wird, kann die Frage nach dem Erfolg ihres Konzeptes auf einer höheren, nämlich der politischen Ebene noch nicht abschließend beantwortet werden: die Frage nämlich, ob sie ihren Teil dazu beigetragen haben, den mit der Streitkräfte-Reform zu Beginn der siebziger Jahre intendierten neuen Typ des sozial denkenden und handelnden Offiziers zu formen. Eine gesicherte Antwort darauf müßte in einigen Jahren durch eine repräsentative Befragung in den Streitkräften gegeben werden. Sie wird positiv ausfallen, falls die Gedankengänge im Leserbrief eines seit 1978 in der Luftwaffe als Oberleutnant dienenden Absolventen des Studiengangs Pädagogik der Hochschule der Bundeswehr München repräsentativ sind

„Ein Studium vermittelt nicht nur spezifische Kenntnisse und Fertigkeiten eines Fachgebietes. Drei Jahre studieren heißt auch, daß der angehende Offizier fächerübergreifenden Einflüssen ausgesetzt ist, die sich in seinem Persönlichkeitsbild niederschlagen. Dazu gehören: Infragestellen althergebrachten Gedankenguts, Fähigkeit zu kritischem Bewußtsein, mit Ungewißheiten leben lernen, d. h. anerkennen, daß es keine endgültigen Wahrheiten gibt, Toleranz, was die Offenheit gegenüber Andersdenkenden zur Folge hat, und nicht zuletzt das Entwickeln einer eigenen Suchhaltung. Suchhaltung meint Eigeninitiative und Kreativität, selbständiges Aufdecken und Lösen von Problemen. Diese allgemein gehaltenen Lernbereiche sind unabdingbare Momente jeder wissenschaftlichen Ausbildung. Sie sind nicht an einzelne Fachbereiche gebunden und nur bedingt mit spezifischem Fachwissen gekoppelt ... Natürlich sind der äußere Rahmen und der individuelle Umgang an einer Bundeswehrhochschule von besonderer Natur. Sie lassen sich nur schwer mit einer öffentlichen Universität vergleichen. Das Leben in einer uniformen Gemeinschaft eröffnet nicht das Maß an persönlicher Freiheit, wie es Studenten normalerweise gewohnt sind. Das Soldatengesetz hat trotz Studium in München und Hamburg seine Gültigkeit. Darüber hinaus birgt ein Studium, das nach neun Trimestern erfolgreich abgeschlossen werden muß, die zusätzliche Gefahr einengender Verschulung. Ein Mechanismus, der dann kaum noch individuelle Entscheidungsfreiheit gewährt. Trotzdem bietet sich aber immer noch die Möglichkeit, an einer Ausbildung aktiv zu partizipieren, die wissenschaftliches Denken und Arbeiten zum zentralen Thema hat. Und nur solange dieses zentrale Thema in möglichst uneingeschränkter Weise realisiert werden kann, erfüllt das Studium an einer Bundeswehrhochschule seinen Zweck."

Fussnoten

Fußnoten

  1. Bildungskommission beim Bundesminister der Verteidigung, Neuordnung der Ausbildung und Bildung in der Bundeswehr (kurz: „Gutachten"), Bonn, Bundesminister der Verteidigung, 1971.

  2. Kurt Ulbricht und Peter Zimmermann, Ingenieurwissenschaftliche Reformstudiengänge in der Bewährung. Studienorganisation, Studienerfolg und studienerfahrungen.

  3. So nennt Gerd Tellenbach 1953 in seinem Beitrag „Hochschulen“ im Lexikon der Pädagogik, Bd. 2, Freiburg, S. 717— 722, Probleme, deren Lösung den „Zerfall der Hochschulen aufhalten" könne.

  4. Technische Universität Berlin (Hrsg.); Technische yniersität Berlin, Stuttgart 1965.

  5. Dem 1957 gegründeten Wissenschaftsrat gehöen Vertreter der Bundesregierung und der Landes-C gierungen sowie Mitglieder aus der Industrie, den denpäforschungseinrichtungen und den Hochschulen an.

  6. Wissenschaftsrat, Empfehlungen zur Struktur 5 zum Ausbau des Bildungswesens im Hochscnubereich nach 1970, Bonn, Februar 1970.

  7. Deutscher Bildungsrat, Empfehlungen der Bildungskommission: Strukturplan für das Bildungswesen, Bonn, Oktober 1970.

  8. Wissenschaftsrat, a. a. O., Bd. 1, S. 11— 16.

  9. Wissenschaftsrat, a. a. O., Bd. 1, B. III. 1.

  10. Wissenschaftsrat, a. a. O., Bd. 1, B. III. l. a) bis c).

  11. Wissenschaftsrat, a. a. O„ Bd. 1, B. VI. 2. a).

  12. Wissenschaftsrat, a. a. O., Bd. 1 A. 1. 2. ..

  13. Bericht zur Bildungspolitik („Bildungsbericn 1970"); Bundestagsdrucksache VI/925, Bonn, 8. Jun 1970.

  14. „Bildungsbericht 1970“, a. a. O., S. VII.

  15. »Bildungsbericht 1970", a. a. O., A. I. S. 1.

  16. „Bildungsbericht 1970“, a. a. O., B. VII, S. 62— 64.

  17. „Bildungsbericht 1970", a. a. O„ B. VII, S. 64__ 66.

  18. „Bildungsbericht 1970", a. a. O., B. VII, S. 68.

  19. „Bildungsbericht 1970", a. a. O., F, S. 99.

  20. Bundestagsdrucksache VI/1873, Bonn, 25. Febr. 1971.

  21. Hochschulrahmengesetz (HRG), Bundesgesetz-blatt I, 10/1976, S. 185— 206.

  22. Dieter Schößler, Streitkräftereform und politi-sche Planung 2n der Bundesrepublik Deutschland, ini Politische Studien, Sonderheft 1/1973: „Hochm nen der Bundeswehr", S. 3— 13.

  23. Das Zustandekommen des Verteidigungshausalts 1981 wirft die Frage auf, wieweit dies in den Vergangenen zwölf Jahren gelungen ist

  24. Bundesminister der Verteidigung (Hrsg.), Weißbuch 1970. Zur Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und zur Lage der Bundeswehr („Weißbruch 1970“), Bonn, 20. Mai 1970.

  25. „Weißbuch 1970", a. a. O., aus dem Geleitwort des Verteidigungsministers Helmut Schmidt.

  26. Bundesministerium der Verteidigung (Hrsg.), Neuordnung des Rüstungsbereichs, Bonn 1971.

  27. Die Wehrstruktur-Kommission legte 1971 einen ersten Bericht an die Bundesregierung zur „Wehrgerechtigkeit in der Bundesrepublik Deutschland" vor. Den zweiten Teil ihres Auftrags erledigte sie 1972 mit der Vorlage des Berichtes „Die Wehrstruktur in der Bundesrepublik Deutschland — Analyse und Optionen.“

  28. Personalstrukturkommission des Bundesministers der Verteidigung (Hrsg.), Die Personalstruktur der Streitkräfte, Bonn, Bundesministerium der Verteidigung, 1971.

  29. „Weißbuch 1970", a. a. O., Ziffer 110.

  30. -Weißbuch 1970", a. a. O„ Ziffer 113.

  31. .Gutachten“, a. a. O., Ziffer 1.

  32. .Weißbuch 1970“, a. a. O., Ziffer 173.

  33. Vgl. hierzu die einführende Darstellung der Streitkräftereform von Dieter Schößler, a. a. O., Kap. II.

  34. „Weißbuch 1970", a. a. O., Ziffer 141.

  35. Als wichtigste Pflichten fordert das Gesetz vom Soldaten: treues Dienen, Gehorsam, Tapferkeit und Kameradschaftlichkeit.

  36. „Weißbuch 1970", a. a. O., Ziffer 142.

  37. Thomas Ellwein, Die Zukunft des Soldaten und seine Ausbildung, in: Neues Hochland 64 (1972), S. 78— 87.

  38. Heinz Karst, „Denker" oder „Kämpfer" — Brauchen wir den akademisch ausgebildeten Offizier., in: Politische Studien, Sonderheft 1/1973, S. 24-31.

  39. Klaus von Schubert, Hochschulen der Bundeswehr — warum?, in: Politische Studien, Sonderheft 1/1973, S. 14— 23.

  40. D. h. als Oberleutnant bzw. Hauptmann.

  41. 15 bis 20% eines Jahrgangs. 42) 4 % eines Jahrgangs.

  42. Jetzt § 70 HRG.

  43. Reinhard Rürup (Hrsg.), Wissenschaft und Gesellschaft — Beiträge zur Geschichte der Technischen Universität Berlin 1879— 1979, Berlin 1979.

  44. Reinhard Rürup, Die Technische Universität Berlin 1879— 1979, in: ders. (Hrsg.), a. a. O„ S. 3— 47. 45) Peter Brandt, Wiederaufbau und Reform. Die Technische Universität Berlin 1945— 1950, in: Reinhard Rürup (Hrsg.), a. a. O.

  45. Reinhard Rürup, a. a. O.

  46. Ebd.

  47. Peter Brandt, a. a. O.

  48. Reinhard Rürup. a. a. O.

  49. Heinrich Franck, Die Neugestaltung der Technischen Universität in ihren allgemeinbildenden Fächern. Denkschrift vom 14. 11. 1947, zitiert nach Peter Brandt, a. a. O.

  50. „Humanismus und Technik" wurde fortgeführt von Ewald Weitz { 1962— 1970), Peter Zimmermann (1971— 1974), Istvän Szabö (1975— 1979), Rudolf Trostel (seit 1980).

  51. Vgl. Hans Ebert, Hermann Muckermann — Profil eines Theologen, Widerstandskämpfers und Hochschullehrers der Technischen Universität Berlin, in: Humanismus und Technik 20 (1976), S. 29— 40.

  52. Zitiert nach Reinhard Rürup, a. a. O.

  53. Reinhard Rürup, a. a. O.

  54. Vgl. Armin Steinkamm, Rechtsfragen zur Errichtung einer Bundeswehrhochschule im Freistaat Bayern, in: Politische Studien, Sonderheft 1/1973, S. 88— 102.

  55. Gemäß Art. 30 GG.

  56. Die Rechtsverhältnisse der Hochschule der Bundeswehr München werden geregelt durch Art. 91 bis 99 und 102 des Bayerischen Hochschulgesetzes (BayHSchG), GVB 1 1978, S. 791— 830, zuletzt geändert GVB 1 1980, S. 445, und durch die vom Bundesminister der Verteidigung mit Zustimmung des Bayerischen Staatsministers für Unterricht und Kultus erlassenen „Rahmenbestimmungen für Struktur und Organisation der HSBw München“ vom 1. 8. 1973, zuletzt geändert am 12. 7. 1978. Am 12. 8. 1981 wurden neue „Rahmenbestimmungen" erlassen, die am 1. 12. 1982 in Kraft treten.

  57. Vgl. Horst Sanmann (Präsident der HSBw Hamburg), Die Hochschulen der Bundeswehr, in: Bildung und Erziehung 32 (1979), S. 325— 333.

  58. Vgl. Peter Zimmermann, Sechs Jahre Hochschulen der Bundeswehr, in: Wehrtechnik 6/1980, S. 50— 62.

  59. In Klammern die Studenten-Sollzahl pro Immatrikulationsjahrgang.

  60. Zimmermann, Sechs Jahre Hochschule der Bundeswehr, a. a.'O.

  61. Vgl. Dieter Baehr, Das Studium des Maschinenbaus an der Hochschule der Bundeswehr Hamburg, in: Wehrwiss. Rundschau 27 (1978), S. 105— 111.

  62. Die freilich den Vorwurf der „Verschulung" des Studiums nach sich ziehen.

  63. Für die Mitteilung der Studienerfolgsquoten danke ich Herrn Hauptmann Richter, S 1 Offizier im Stab des Studentenbereichs der Hochschule der Bundeswehr München. Technische Universität München (Hrsg.), Materialien zur Entwicklung der Technischen Universität München von 1945 bis 1977, München 1978.

  64. Peter Zimmermann, Ansprache zur Gründung des FB Sozialwissenschaften der HSBw -München, Neubiberg, 14. 6. 1978.

  65. Es bestand lediglich ein hochschulrechtlich unverbindlicher . Arbeitsbereich".

  66. Klaus von Schubert, Ansprache zur Gründung des FB Sozialwissenschaften der HSBw München, Neubiberg, 14. 6. 1978.

  67. Andreas von Bülow, Ansprache zur Gründung des FB Sozialwissenschaften der HSBw München, abgedruckt in: Sozialdemokratische Sicherheitspolitik, 6/1978, S. 9— 12.

  68. In: Abschnitt A. I Abs. 3.

  69. Peter Zimmermann, „Einführung“ zum 1. Forschungsbericht der HSBw München (1973— 1978), Neubiberg 1979.

  70. Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus (BayStMUK), Allgemeine Diplomprüfungsordnung (ADPO) der HSBw München, KMB 1II 3/1976, S. 131— 136; zuletzt geändert 7/1979, S. 180— 182.

  71. BayStMUK, Fachprüfungsordnung (FPO) für Studierende der Luft-und Raumfahrttechnik an der HSBw München, KMB 1 II 1/1977, S. 39— 50; zuletzt geändert 7/1979, S. 188— 192.

  72. Siehe dazu Kurt Ulbricht und Peter Zimmermann: Reformierte Studiengänge und Prüfungsproblematik, in: technic didact 4 (1979), S. 209— 217.

  73. BayStMUK, Studienordnung für den Studiengang Luft-und Raumfahrttechnik an der HSBw München, KMB 1 II 11/1979, S. 324— 338.

  74. Siehe Anm, 2.

  75. Hans-Joachim Stabenau, Evaluation im Bereich der erziehungswiss. Anteile am Studium beim Jahrgang 1978, in: ATÜ (Studentenzeitung der HSBw München), Nr. 2 11/78, S. 77— 81.

  76. Eberhard Knölker, Die Arbeitsbelastung der studierenden Offiziere/Offizieranwärter des Studiengangs Luft-und Raumfahrttechnik der HSBw München, Neubiberg Mai 1980.

  77. Beim Immatrikulationsjahrgang 1980 betrug sie nur noch etwa 55% der Sollzahl von 119.

  78. Fritz Leonhard, Rückblick — Mut für die Zukunft. Vortrag beim Hochschulabend der Universität Stuttgart am 12. 7. 1979, Sonderdruck: Verband Beratender Ingenieure.

  79. Arnold Teicht, Studium sinnvoll?, in: Truppen-praxis 24 (1980), S. 948.

Weitere Inhalte

Peter Zimmermann, Dr. -Ing., geb. 1938; Professor für Technische Mechanik an der Hochschule der Bundeswehr München. 1977— 78 Dekan des Fachbereichs Luft-und Raumfahrttechnik, 1979— 80 Vizepräsident der Hochschule der Bundeswehr München und damit Vorsitzender ihrer Senatsausschüsse für „Lehre und Studium“, für „Forschung und wiss. Nachwuchs" sowie für die „Koordination der erziehungs-und gesellschaftswissenschaftlichen Anteile des Studiums". Veröffentlichungen: Aufsätze zur Akustik und zur Technischen Mechanik in Fachzeitschriften wie Acustica, Acta Mechanica, Bautechnik, Frequenz, Ingenieur-Archiv, Zeitschrift für Angewandte Mathematik und Mechanik. „Ingenieurwissenschaftliche Reform-studiengänge in der Bewährung“ (Schriftenreihe „Ingenieurpädagogik"), Alsbach 1981, sowie Aufsätze zur Didaktik der Ingenieurwissenschaften; Schriftleitung der Zeitschrift „Humanismus und Technik“ (1971— 74).