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Neue Medientechnik — neues Rundfunkrecht | APuZ 51/1981 | bpb.de

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APuZ 51/1981 Artikel 1 Neue Medientechnik — neues Rundfunkrecht Medienentwicklung und technischer, ökonomischer und sozialer Wandel. Zur Rundfunkpolitik nach dem FRAG-Urteil des Bundesverfassungsgerichts Volks-, Berufs-, Wohnungsund Arbeitsstättenzählung 1983

Neue Medientechnik — neues Rundfunkrecht

Hans H. Klein/Werner Lauff

/ 31 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Die Informationsund Kommunikationstechnik hat sich in den letzten Jahren sprunghaft entwickelt. Vereinfachung der Übermittlung, Speicherung und Verarbeitung, Ausdehnung von Reichweite und Kapazität sowie Individualisierung des Zugangs und des Zugriffs zu Informationen — das sind die Kennzeichen der Kommunikationsrevolution, mit der sich die Kommunikationschancen des einzelnen Bürgers vergrößern und elektronische Medien bürgernah werden. Das Geheimnis liegt in der Kombination von neuen Übertragungsmedien (Koaxialkabel, Glasfaserkabel, Direktsatelliten) und neuen Peripherietechniken, die vor allem durch die rasante Entwicklung in der Mikroelektronik möglich wurden. Diese neue Medientechnik erfordert ein neues „Rundfunk“ -Recht. Zunächst bedarf es dazu der Abgrenzung, welche Nutzungsformen im Rahmen der neuen Techniken überhaupt noch als „Rund" -Funk bezeichnet werden können und somit einer intensiveren und im Einzelfall auch restriktiveren Gesetzgebung zugänglich sind als technische Formen der Kommunikation zwischen Individuen. Der Schlüssel für diese Abgrenzung liegt im Rundfunk-begriff, dessen zuweilen extensive Interpretation sich angesichts der neuen Nutzungsformen als nicht sachgerecht, ja als mißbräuchlich erweist. Art. 5 des Grundgesetzes fordert für die Veranstaltung von Rundfunksendungen eine gesetzliche Regelung, in der Vorkehrungen zur Gewährleistung der Freiheit des Rundfunks zu treffen sind. Dieser erste Leitsatz des „Dritten Fernsehurteils" des Bundesverfassungsgerichts vom Juni 1981 muß auch Leitsatz künftiger Rundfunkpolitik sein. Mögliche Rundfunkorganisationsformen sind dabei sowohl das „binnenpluralistische" als auch das „externpluralistische“ Modell; bei der Wahl zwischen beiden — zulässigen — Formen hat sich der Gesetzgeber aber am vorrangig individual-rechtlichen Gehalt des Grundrechts der Rundfunkfreiheit zu orientieren. Die Vergesellschaftung der Rundfunkfreiheit kann nur die Notlösung in einer Mangelsituation sein, wie sie nur bis zur Einführung der neuen Übertragungstechniken vorlag. Externe Pluralität — unter diesem Stichwort kann daher die Konkurrenz freier Veranstalter zusammengefaßt werden, die nicht inhaltlich umfassenden Programmauflagen unterliegen und folglich auch keine Kontrollgremien mit externen Kontrolleuren in ihr Organogramm aufnehmen müssen. Damit sind Schranken geöffnet, ohne daß Schrankenlosigkeit eintreten darf. Ein Landesrundfunkgesetz zur Regelung dieses Systems externer Pluralität muß daher auch die Grenzen der subjektiven Rundfunkveranstaltungsfreiheit definieren, muß objektive Rahmenrichtlinien bestimmen, die der besonderen Bedeutung des Mediums gerecht werden. Gleichzeitig muß die bisherige Aufgabenzuweisung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten überprüft und ihre Reform unter Berücksichtigung der neuen Konkurrenzsituation eingeleitet werden. Beide „Schienen" bilden das „neue duale System", das die Rundfunklandschaft für lange Zeit prägen wird.

Die Informationsund Kommunikationstechik hat sich in den letzten Jahren sprunghaft ntwickelt. Mikroprozessoren geben der Vermittlung, Speicherung und Verarbeitung on Informationen eine neue Dimension. Computer werden miniaturisiert, ihre Prorammierung vereinfacht, ihre Anwendung opularisiert. Digitale Codierung verändert len Zugriff zur Information; der Bildschirm vird mit Video-, Kabel-und Bildschirmtext je nach Bedarf zum Karteikasten oder zum Kata-og, zum Lexikon oder zur Zeitung, zum Fernschreiber oder zum Briefkasten. Koaxial-und Glasfaserkabel vervielfachen die Kapazität er Übertragung von Informationen; ein Breit-andkabel ersetzt Tausende von Telefonlei-ungen und Hunderte von Dachantennen, undfunksatelliten ermöglichen die Ausdeh-Jung der Reichweite von Informationen; renzüberschreitendes Fernsehen wird prakikabel, die Internationalisierung der Kommuikation setzt sich durch. Videotechnik chließlich erleichtert den Umgang mit und en Zugang zum Medium Fernsehen; Zwei-reg-Fernsehen ermöglicht den Bildschirmdi-log, eigene Produktionen eröffnen die Chan-e, von rezeptiver zu produktiver Kommunika-ion umzuschalten. „Es ist fraglich, ob die Ofentlichkeit irgendeine Vorstellung von der Evolution im Kommunikationswesen hat", das schrieb 1977 das britische „Post-Office Review Committee" in seinem Abschlußbericht Diese „Revolution" ist durch drei Hauptpunkte gekennzeichnet: die Vereinfachung von Übermittlung, Speicherung und Verarbeitung, die Ausdehnung von Reichweite und Kapazität, die Individualisierung von Zugang und Zugriff zur Information. Mit dieser Erweiterung der Kommunikationsmöglichkeiten vergrößern sich die Kommunikationschancen des einzelnen, elektronische Medien werden bürgernah.

Der Empfänger ist nicht mehr von einem Kommunikator abhängig, der über ein Medium relativ unbeeinflußbar Programme für Rezipienten verbreitet er fragt sich vielmehr selbst zu seiner Information durch, bestellt Filme zur individuellen Überspielung, empfängt spezielle Informationen als Kunde eines bestimmten Kaufhauses oder als Stammgast eines bestimmten Restaurants, abonniert spezielle Dienste als Arzt, Student oder Rechtsanwalt und kann schließlich mit einfachen Mitteln seinen eigenen Beitrag leisten, also selbst zum Kommunikator werden. Die Einbahnstraße der Medien wird aufgehoben; es gibt keinen bloßen Empfänger mehr; der Oberbegriff „Kommunikation" verliert seine abstrakt-theoretische Bedeutung — die Fiktion wird Realität.

I. Neue Medientechnik

Abbildung 1

Unter dem Schlagwort „Neue Medien" werden °wohl neue Übertragungstechniken als auch neue Techniken im Endgerätebereich diskutiert. Bei dem einen geht es um die übermitt-ng elektrischer Signale, beim anderen um deren Be-und Verarbeitung. Um „Medien" im Entliehen Sinn handelt es sich — sprachlich enggenommen — zwar nur bei den Techni-

ken, die der reinen Übermittlung dienen. Ei-

n vollständigen Eindruck von der Kommunikationsrevolution kann man aber nur bekommen, wenn man auch die neuen Geräte an der Peripherie der Übertragungsnetze in die Betrachtung einbezieht. Neue Übertragungstechnik Die Übermittlung elektrischer Signale vollzog sich bisher fast ausschließlich entweder über das schmalbandige zweiadrige Telefon-bzw. Telexkabel, über das weder vernünftiger Hörfunk noch ein einziges bewegtes Fernsehbild übertragbar ist, oder in Form von Rundfunk-wellen mit Hilfe von Sendemasten und Dach-antennen, die — zumindest für den Empfang ultrakurzer Hörfunk-und Fernsehwellen — in einer lückenlosen Sichtverbindung zueinander stehen müssen. Diese Übermittlungsarten sind aus heutiger Sicht unzureichend, zumal die Bundesrepublik über relativ wenige Hörfunk-und Fernsehfrequenzen verfügt. Das Bundesverfassungsgericht sprach 1961 von einer „Sondersituation" in der die Kommunikationsfreiheit durch technische Zwänge weitgehend eingeschränkt bleiben mußte.

Zwei neue Übertragungstechniken haben diese Situation überholt: das Breitbandkabel und die Direktsatelliten.

Breitbandkabei Bei Breitbandkabeln handelt es sich um Übertragungsmedien, die so beschaffen sind, daß viele verschiedene breit-und schmalbandige Informationen gleichzeitig von verschiedenen Sende-zu verschiedenen Empfangsstellen transportiert werden können. Ob es sich um Rundfunk oder ein Telefonat, um Textimpulse oder die Feuermeldung zur Feuerwehr handelt, dies alles kann gleichzeitig und individuell adressierbar an beliebige Empfänger übermittelt werden.

Schon längere Zeit verfügbar ist das Koaxialkabel, ein abgeschirmtes Kupferkabel, auf dem bis zu 30 Kanäle zur Verfügung stehen. In vielen Städten sind Abschattungsprobleme mit Hilfe dieses Kupferkabels gelöst worden; es ist übrigens das gleiche Kabel wie dasjenige, welches von der Dachantenne zu den Antennen-steckdosen und von dort zum Fernsehgerät führt. Neu und weitaus vorteilhafter ist das Glasfaserkabel. Es besteht nicht mehr aus dem teuren Rohstoff Kupfer, sondern aus nahezu beliebig verfügbarem Quarzsand. Diese Übertragungsart nutzt die Tatsache, daß Lichtsignale durch Glasfäden mit spiegelnder Innen-wand geschickt und diese Glasfäden um belie-I big viele Ecken und Kurven geführt werden i können. In simpler Form kennt man solche I Lichtleiter bereits: bevor man wußte, was mit I dieser Erfindung anzufangen sei, wurde daraus ein recht skurriler Raumschmuck in Form einer Vase, in deren Fuß sich eine Lampe be-fand, die an der Spitze der Glasfäden kleine 1 bunte Lichtpunkte produzierte. Um von dieser 'technischen Spielerei zur Anwendbarkeit ei-1 nes „integrierten Breitbandglasfaserfernmeldenetzes" zu kommen, müssen allerdings noch eine Reihe bei der Codierung, Decodierung und Übertragung entstehende Probleme gelöst werden; denn alle elektrischen Signale t müssen zunächst in Laserimpulse umgesetzt und anschließend wieder in elektrische Signale verwandelt werden. Unter dem Titel BIGFON erprobt die Deutsche Bundespost derzeit die Anwendung der Glasfasertechnik, f mit der künftig wohl ausschließlich digitale Signale übertragen werden; jede Information t muß dazu in kurze Impulse verwandelt werden, denen im Endgerät ein Buchstabe, eine Farbe oder ein Ton zugeordnet sind. Das Lichtsignal aktiviert sozusagen einen „elektronischen Setzkasten" beim Teilnehmer, es wird z umgesetzt in für uns verständliche Zeichen, Bilder und Töne. s Für beide Kabel gilt, daß sie in beide Richtungen gleichzeitig nutzbar sind. Der Empfänger kann also selbst zum Kommunikator werden; er kann Antworten geben, Wünsche äußern und damit auch bestimmen, welche Informationen ihn erreichen sollen und welche nicht. Einen solchen „Rückkanal" gibt es schon jetzt beim „Bildschirmtext", der zur Zeit in Berlin und im Raum Düsseldorf/Neuss erprobt und vermutlich bis 1985 bundesweit eingeführt sein wird. Dort fragt sich der Rezipient zu den von ihm gewünschten Informationen durch; er muß nicht mehr alles sehen, was man ihm vorsetzt, sondern bekommt und bezahlt nur, was er auch wirklich erhalten will. Die medien-technische Einbahnstraße ist also bereits jetzt mit Hilfe des Telefonkabels aufgehoben; in einem Kabelsystem wird man mit Hilfe des E b t Rückkanals zukünftig auch breitbandige Informationen bestellen können und so einzelne Fernsehbeiträge individuell gegen Entgelt (PayTV")

ins Haus bekommen.

Direktsatelliten Die „Direktsatelliten" stellen die zweite neue Übertragungstechnik dar. Sie versorgen — an-iers als Nachrichtensatelliten — den Zuschauer „direkt", also ohne Zwischenschaltung aufwendiger Erdfunkstellen, mit Rundfunk-programmen. Zum Empfang des Satelliten-programms benötigt der Zuschauer eine Parabolantenne von mindestens 90 cm Durchmesser; die Kosten einer solchen Antenne werden ierzeit auf unter 1000 DM geschätzt (wesentlich billiger werden auch gute herkömmliche Dachantennen nicht angeboten). Diese Kosten entfallen aber, wenn man künftige Satelliten-programme in Kabel-oder Gemeinschaftsan-tennenanlagen einspeist.

Auf der Internationalen Funkverwaltungskonferenz 1977 in Genf wurden die technischen Daten für den Direktsatellitenrundfunk im 12-Ghz-Bereich festgelegt und ein Plan über die Zuteilung von Kanälen und Orbitpositionen ürdie einzelnen Länder aufgestellt. Nach diesem Plan, der am 1. Januar 1979 in Kraft getre-

en ist, erhält der Satellit der Bundesrepublik Deutschland auf einer geostationären Umlauf-bahn (das heißt: in ca. 35800 km Höhe, wo die Umlaufgeschwindigkeit der Erddrehung entspricht und der Satellit somit scheinbar auf einem Punkt stehenbleibt) die Position 19° westlicher Länge, die auch von Belgien, Frankreich, den Niederlanden, Luxemburg, Österreich, talien und der Schweiz benutzt wird.

Der dem deutschen Satelliten vorgeschrie-bene Abstrahlwinkel ist so groß, daß die deutschen Satellitenprogramme auch in Teilen Dä-Remarks, der DDR, der Tschechoslowakei, Ju-

goslawiens, Österreichs, Italiens, der Schweiz, Belgiens, Luxemburgs und Hollands empfang-bar sein werden. Ähnliches gilt für die Pro-Jamme unserer Nachbarstaaten; dieses flä-

überlappen der Abstrahlellipse chenmäßige über die Grenzen des Staates hinaus, für den die Programme eigentlich gedacht sind, wird Over-Spill genannt.

Die Bundesrepublik kann demnach künftig über fünf Satellitenkanäle verfügen. Wenn man zwei dieser Kanäle für die Übertragung der bisher terrestrisch ausgestrahlten ersten und zweiten Fernsehprogramme nutzt, so kann man damit nicht nur die ca. 400000 Haushalte in den einsamen Orten mit weniger als 800 Einwohnern erreichen, die bisher noch keinen einwandfreien Fernsehempfang hatten, sondern auch die Probleme lösen, die in den großen Städten durch Abschattungen aufgrund des Hochbaus entstehen. Bis auf die terrestrischen Sender, die zunächst noch in die DDR einstrahlen müssen, könnte man die freiwerdenden Erdfrequenzen für regionale Sendungen anderer Veranstalter nutzen. Dies ist auch kostengünstiger: Eine komplette Voll-versorgung über ein terrestrisches Netz verur-sacht Investitionskosten von rund 900 Mio. und jährliche Betriebskosten von rund 180 Mio. DM. Die Investitionskosten für einen Direktsatelliten liegen dagegen bei 300 bis 400 Mio., die jährlichen Betriebskosten pro Kanal nur bei rund 13 Mio. DM

Neue Peripherietechnik Parallel zu den neuen Übertragungstechniken ist eine Vielzahl neuer’ Peripherietechniken entstanden. Die Elektroniker löten längst nicht mehr Kondensatoren, Transistoren und Widerstände zusammen, sondern bedienen sich industriell vorgefertigter Chips. Die Zahl der Transistorfunktionen auf einem solchen Chip mit einer Größe von 10 mm’ hat sich seit 1970 vertausendfacht; ein Chip in dieser Größe kostet heute nicht mehr 10, sondern nur noch 0, 01 Pfennig, das ist tausendmal-weniger als 1970

Schon bald wird jeder zweite Deutsche mit einem Minicomputer ausgerüstet sein, der seine persönlichen Daten und einen Teil seines Wissens speichert. In der Unterhaltungselektronik lassen sich immer kleinere und immer feinere Geräte bauen. Schon bald werden Fernsehprogramme im Mehrkanalton ausgestrahlt. Schon jetzt funktionieren Bildschirmtext und Videotext in zufriedenstellender Weise. Die Datenbanken, die solche Textinformationen bereithalten, werden immer kleiner bei immer größerer gespeicherter Informationsmenge. Schon bald werden Bestellungen bei Kaufhäusern, Buchungen in Reisebüros, Überweisungen bei Banken und Fragen an die Stadtverwaltung vom Fernsehgerät als Terminal durchgeführt werden können. Hier wird auch deutlich, daß der Videotext, der über die soge-nannte „Austastlücke" im „Huckepack-Verfahren" zusammen mit dem Fernsehbild ins Haus kommt, wegen der recht geringen Kapazität und der mangelnden Dialogfähigkeit wohl nur zur programmbegleitenden Information (Un-tertitelung, Programmvorschau) Verwendung finden wird. Nur dem dialogfähigen Textsystem mit vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten wird die Zukunft gehören.

1985 werden 24 Mio. Teilnehmer an das Telefonnetz angeschlossen sein und — wenn es keine medienpolitische Blockade gibt — 20 Mio. an ein Breitbandnetz. 150000 Fernschreiber, 200000 Teletex-Terminals, 93000

Speicherschreibmaschinen und 1, 2 Mio. Bildschirmtextgeräte werden zur Be-und Verar-beitung der Information dienen Das Fernsehgerät wird zum Lern-, Arbeit»-und Frei* zeitplatz, es wird zum Terminal der Spiele, Filme, Nachrichten, Daten und Briefe. Die Bild-platte, der Videorecorder, Pay-TV — also Fernsehen auf Abruf — werden das Angebot noch vergrößern.

Der Charakter der Ware Information wird sich wandeln — vom geistigen Eigentum zum allseits zugänglichen Datenbestand Die automatische Textverarbeitung wird es demnächst vielen Autoren ermöglichen, ihre Texte direkt auf magnetische Datenträger zu bringen. Praktisch heißt dies, daß der Autor mit einem Computer zusammenarbeitet; durch diese Art der Erstellung wird die Information von vornherein computergerecht sein, das heißt in digitaler Form vorliegen. Damit kann man viel machen: die Information kann auf Papier ausgedruckt, auf Platten und Bänder übertragen, von Vorlesegeräten vorgelesen und auf Bildschirmen angezeigt werden. Jeder, der die Information in dieser Form kauft, kann sie selbst mit einem Heimcomputer bearbeiten. Die Preisrelationen werden sich verschieben: das meiste Geld wird nicht mehr für den Kauf des Informationsträgermaterials ausgegeben werden, sondern für die Information selbst.

Schnelligkeit, Originaltreue, Speicherfähigkeit, Dialogfähigkeit, Kombinationsfähigkeit und Vielfältigkeit das sind die sechs entscheidenden Vorteile der Kombination von Peripherie-und Übertragungstechnik, die sechs entscheidenden Vorteile der „Neuen Medien".

II. Neues Rundfunkrecht

Der Rundfunkbegriff Im folgenden soll geprüft werden, welche rundfunkrechtlichen Konsequenzen diese neuen Techniken erfordern. Dabei ist zu-nächst abzugrenzen, welche der „Neuen Medien" überhaupt als „Rundfunk" bezeichnet werden können, also nicht lediglich neue (technische) Formen der Individualkommunikation darstellen.

Art. 1 des Gebührenstaatsvertrages definiert „Rundfunk" dis „die für die Allgemeinheit bestimmte Veranstaltung und Verbreitung von Darbietungen aller Art in Wort, in Ton und in Bild, unter Benutzung elektrischer Schwingungen oder längs oder mittels eines Leiters". Diese Definition ist von den Rund-

funkreferenten der Länder in ihrem „Schliersee-Papier" vom April 1975 sehr extensiv interpretiert worden. Um Rundfunkveranstaltungen soll es sich danach auch handeln, wenn eine Jugendgruppe unter Verwendung von Kabeln der Post für mehrere Krankenhäuser ein Programm erstellt, wenn von der Hotelrezeption aus Programme in mehrere Etagen verbreitet werden, wenn in einem Kaufhaus ein spezielles Werbeprogramm über hauseigene Fernsehgeräte für die Kunden verbreitet wird oder wenn auf einem Passagierschiff ein eigener Fernsehdienst als Service die neuesten Nachrichten mitteilt.

Diese Ableitung wird — obwohl sachwidrig — möglich, weil die unbestimmten Begriffe „Allgemeinheit", „Verbreitung" und „Darbietung" derart vielfältige Interpretationen zulassen, daß eine Aufblähung des Begriffs „Rundfunk" mühelos möglich ist

Durch eine solche extensive Subsumtion neuer Techniken unter eine alte Definition soll nicht nur eine Organisationskompetenz der Bundesländer konstruiert werden (denn Rundfunk" ist — mit Ausnahme des fernmeldetechnischen Bereichs — unstrittig Ländersache sondern auch erreicht werden, daß für diese „neuen Medien" das restriktive Recht des Rundfunks gilt.

Die entscheidende Frage ist aber, worin sich bestimmte Arten neuer technischer Kommu-nikation denn eigentlich von denen eindeutig individueller (nicht-technischer) Art unterscheiden. Wenn A den B anruft und mündlich nach dem Wetter fragt, so unterscheidet sich diese private Unterhaltung nicht wesentlich davon, daß sich A im „Bildschirmtext" -Suchbaum zum Anbieter B durchfragt, in die Fernbedienung seines Fernsehgeräts die Ziffer mit der Bedeutung „Wetter" eintippt und so von B über den Bildschirm eine schriftliche Antwort erhält. Wenn C von D einen Videofilm entleiht und diesen zu Hause auf seinem Videorecorder abspielt, so kann es nicht wesentlich anders zu beurteilen sein, wenn sich C aus dem Filmangebot des D zu einer von ihm gewählten Zeit über Kabel („Pay-TV”) einen bestimmten Western überspielen läßt Das eine kann nicht als eindeutig individuelle, das andere als Massenkommunikation bezeichnet werden; die Begriffe . Allgemeinheit", „Darbietung" und „Veranstaltung" sind daher eng und nur so sachgerecht zu definieren . Allgemeinheit" kann nur ein unbestimmter Empfängerkreis sein; eine „Darbietung" kann nur dann vorliegen, wenn der Empfänger Informationen nicht mehr beeinflussen kann, also nur noch entscheidet, ob er die einseitig festgelegte Sendefolge durch den Druck auf den Ein/Aus-Knopf hereinholt oder aussperrt, und schließlich kann man von einer „Veranstaltung" nur sprechen, wenn es sich um eine Folge von Einzelsendungen handelt die den Empfänger gleichzeitig mit der Ausstrahlung erreichen (die bloße Bereithaltung einer Information kann keine „Veranstaltung" im Sinne des Rundfunkbegriffs sein).

Die Rundfunkdefinition im Gebührenstaatsvertrag muß daher so ausgelegt werden, daß Rundfunk „eine fortlaufende Folge von Einzel-sendungen" ist, die „nach einem allein vom Anbieter festgelegten Programmschema einem unbestimmten Empfängerkreis zu gleichzeitigem Empfang zugeleitet wird, ohne daß der Empfänger eine über die bloße Programmwahl hinausgehende Auswahlentscheidung treffen kann“

Damit sind Bildschirmtext, Videotext und Pay-TV in der Form des Abrufs von Einzelsen-düngen kein Rundfunk, weil der Nutzer selbst die Inhalte bestimmt, sich zu bestimmten Informationen durchfragt, bestimmte Sendungen „bestellt" und individuell „geliefert" bekommt oder Nachrichten empfängt, die nur für ihn bestimmt sind. Rundfunk ist nur das, was relativ unbeeinflußbar und gleichzeitig an eine Vielzahl verstreuter Empfänger geht.

Möglichkeiten zu einer neuen Rundfunk-politik

Die so vorgenommene Unterscheidung hat Konsequenzen für die Gesetzgebung im Kommunikationsbereich. Ebensowenig wie der Briefwechsel, das Telefongespräch, der Fernschreibetext oder das mündliche Gespräch einer inhaltlichen Kontrolle unterliegen (von Ausnahmen einmal abgesehen), kann es kein Gesetz geben, das Durchführung und Inhalte medialer Individualkommunikation (es sei denn aus technischen Gründen) restriktiv regelt. Aufsichtsgremien, Kontrolle, Auflagen, Lizenzvergabe, dies sind Vokabeln, die der Individualkommunikation fremd sind.

„Rundfunk" dagegen kann die Rezipienten einseitig und ohne deren unmittelbaren Einfluß erreichen. Er ist „eminenter Faktor der öffentlichen Meinungsbildung" Völlig unabhängig von Person und Rechtsform des Veranstalters von Rundfunksendungen sind daher besondere Vorkehrungen zum Schutz Dritter oder bestimmter Interessen der Allgemeinheit erforderlich. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG fordert für die Veranstaltung von Rundfunksendungen eine gesetzliche Regelung, in der Vorkehrungen zur Gewährleistung der Freiheit des Rundfunks zu treffen sind, so das Bundesverfassungsgericht im ersten Leitsatz zum Urteil über den Rundfunk im Saarland (FRAG-Urteil) Solche Vorkehrungen finden sich schon bisher in den Rundfunkgesetzen oder Staatsverträgen über die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. In ihnen ist — mit Ausnahme des Saarlands, dessen abweichende Bestimmungen allerdings verfassungswidrig sind — ausdrücklich oder faktisch die ausschließlich binnenpluralistische (also im Programm und in der Rundfunkaufsicht gesellschaftlich-relevante Gruppen integrierende), öffentlich-rechtliche Organisation eines hauptsächlich gebührenfinanzierten, mit inhaltlichen und formalen Auflagen versehenen Trägers normiert.

Ob Rundfunk auch fortan nur in dieser binnenpluralistischen Form veranstaltet werden darf oder ob weniger einschränkende Rahmenregelungen zulässig wären, ist eine Streitfrage des Verfassungsrechts.

Bislang war diese eher theoretischer Natur. Das Bundesverfassungsgericht hatte 1961 in seinem „ersten Fernsehurteil" die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der binnenpluralistischen Organisationsstruktur damit begründet, daß „sowohl aus technischen Gründen als auch mit Rücksicht auf den außergewöhnlich großen finanziellen Aufwand für die Veranstaltung von Rundfunkdarbietungen die Zahl der Träger solcher Veranstaltungen verhältnismäßig klein bleiben muß“

Inzwischen aber ist die Frage sehr aktuell geworden. Mit Kabeln und Satelliten gibt es keinen bedeutenden Frequenzmangel mehr; mit der modernen Sende-und Peripherietechnik entfällt auch das Argument, daß ein ungewöhnlich hoher Finanzaufwand zum Herstellen und Senden von Hörfunk-und Fernsehprogrammen erforderlich sei. Neben den bisherigen Rundfunkanstalten könnte somit ein System konkurrierender Rundfunkveranstalter entstehen, das in der Summe Pluralität nicht durch die Integration gesellschaftlich relevanter Positionen, sondern durch die individuelle Zugangsmöglichkeit jeder einzelnen Gruppe, mithin durch Vielfalt und Unterschiedlichkeit von Ausgangspunkten und Angeboten gewährleistet. „Externe Pluralität würde so die vier entscheidenden Strukturmerkmale eines binnenpluralistischen (integrativen) Systems ersetzen bzw. ausschließen: die Pflicht zur Ausgewogenheit, die Kontrolle durch gesellschaftliche Gruppen innerhalb der Anstalt, die Einhaltung umfassender Pro-grammrichtlinien und (als logische Folge) die zumindest teilweise Finanzierung durch Gebühren. Nicht die manchmal irreführende Unterscheidung zwischen „öffentlich-rechtlicher“ und „privatrechtlicher" Rundfunkorganisation ist daher Angelpunkt der sich stellenden Gestaltungsaufgabe, sondern die Unterscheidung zwischen einem binnenpluralistischen und einem extern-pluralistischen Rundfunksystem. Zwar ist die öffentlich-rechtliche Form des Binnenpluralismus bisher die einzig realisierte Rundfunkorganisationsform; aber auch eine privatrechtlich-binnenpluralistische Form ist zulässig, was das Bundesverfassungsgericht nicht nur 1961 sondern auch 1981 unmißverständlich klargestellt hat. Freilich bleibt zu überlegen, ob es bei nüchterner Betrachtung ein großer Fortschritt ist, eine Anstalt des privaten Rechts zu errichten, deren Investitionen und — wichtiger noch — Programme von einem gesellschaftlichen Kontrollgremium bestimmt würden; auf jeden Fall ist eine solche Form von den derzeitigen Privatfunk-Befürwortern zumindest in erster Linie nicht gewünscht und daher auch nicht vordringliches Ziel politischer Forderungen.

Die Unterscheidung aufgrund der Begriffe „Of-fentliches Recht" und „Privatrecht“ führt auch insofern in die Irre, als auch ein extern-pluralistisches System öffentlich-rechtliche (hoheitliche) Eingriffsmöglichkeiten enthalten muß. Der Gesetzgeber muß nämlich — so das Bundesverfassungsgericht im FRAG-Urteil — eine . begrenzte Staatsaufsicht" vorsehen Deren institutionelle Ausformung wird häufig auch als „öffentlich-rechtliches Dach" bezeichnet, womit eine Institution gemeint ist, die u. a. die Einhaltung der Auflagen an die privaten Programmveranstalter überwachen und Verstöße Z-B. mittels Lizenzentzug ahnden soll.

Verfassungsrechtliche Vorgaben Die Frage, ob der Gesetzgeber in der Entscheidung zwischen extern-pluralistischer und binhenpluralistischer Organisationsform völlig rei ist oder mit Rücksicht auf Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG einer der beiden Formen den Vor-

geben muß, ist grundrechtsdogmatischer Zug Natur: Es handelt sich um die verfassungsrechtliche Kernfrage nach der vorrangig individual-rechtlichen oder vorrangig institutionellen Bedeutung der in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG garantierten Rundfunkfreiheit. Diese Frage wurde vom Bundesverfassungsgericht 1981 nicht entschieden, weil nur zur Debatte stand, ob eine bereits bestehende gesetzliche Regelung den Anforderungen des Grundgesetzes genügte Für künftige Regelungen ist die Problematik aber von entscheidender Bedeutung: Wenn die Grundrechte unserer Verfassung vorrangig subjektive Individualrechte sind, dann werden objektiv-rechtlich motivierte Regelungswünsche des Gesetzgebers durch den individualrechtlichen Gehalt des Grundrechts in ihrer Verwirklichung beschränkt. Garantieren die Grundrechte hingegen in erster Linie einen objektiven Ordnungszusammenhang, also ein Wertsystem, in dem für subjektive Rechte nur insofern Raum ist, als sie den objektiven Zusammenhang und dessen Zweck nicht stören, so kommen die Grundrechte nur im Rahmen dieser objektiv-rechtlich vorgegebenen Funktionen zur Anwendung.

Institutioneile Grundrechtsinterpretation Für die Vertreter einer institutionellen Grundrechtsinterpretation sind staatliche Regelungen im Grundrechtsbereich Konkretisierungen eines objektiv vorgegebenen Ordnungsrahmens, in dem dem einzelnen die ihm zugedachte Rolle zugewiesen und in bestimmten Grenzen auch vorgeschrieben wird. Der Begriff der „Institution" beschreibt in diesem Zusammenhang einen Komplex faktischer Verhaltenserwartungen, der zum inhaltlichen Maßstab der grundrechtlichen Gewährleistung wird. Am Beispiel des Mediums Fernsehen: Man hält eine Höchstdauer der Fernsehnutzung, eine Begrenzung der Fernsehauswahl, eine Beschränkung auf bestimmte Inhalte für erforderlich und legitim, weil die „In-stitution Fernsehen" die Verwirklichung bestimmter — von außen vorgegebener — Werte und Lebensweisen fördern soll. Die Freiheit schrumpft zu der Befugnis, sich im Sinne vorgegebener sozialer Erwartungen betätigen zu dürfen. Das Fernsehen wird zur moralischen Erziehungsanstalt, zum hoheitlichen Korrekturinstrument menschlicher Abweichungen vom tugendhaften Lebenspfad. Es soll „die" Kommunikation sichern, „die“ politische Bildung, „die" Mündigkeit, „die" Demokratie, „die“ Chancengleichheit. Eine „Privatisierung des Rundfunks" bringe zwingend Niveauverlust, Einbußen der Integrationsfähigkeit, die Dominanz bestimmter partikularer Interessen und damit insgesamt die „Enteignung des Bürgers".

Indessen sind solche Befürchtungen nur insoweit verfassungsrechtlich relevant, als sie nachweislich nicht auch in einem Wettbewerbssystem durch geeignete Maßnahmen abwendbar sind und ihrerseits verfassungsrechtliches Gewicht haben, das heißt, sich in dem notwendigen Abwägungsprozeß mit dem Grundrecht der Meinungsfreiheit durchsetzen können. Dabei gilt zunächst, daß die Freiheit der Meinungsrezeption auch die Freiheit einschließt, sich von politischen Sendungen ab-und anderen zuzuwenden der Gesetzgeber hat nicht das Recht, durch eine Beschränkung des Informationsangebots die Rezeptionschance bestimmter von ihm bevorzugter Programme zu erhöhen Ebensowenig kann er von sich aus das Niveau der Bürger festlegen; der freie Bürger bestimmt sein Niveau selbst Daß die tatsächliche Vielfalt der in der Gesellschaft vorhandenen Meinungen in einem nach den Grundsätzen freier Konkurrenz organisierten Rundfunksystem weniger zur Geltung kommen werde als im System der Gegenwart, ist weder zu beweisen noch angesichts des durch die moderne Technik möglich gewordenen vielfältigen und differenzierten Informationsangebotes wahrscheinlich. Gegen Konzentrationserscheinungen können und müssen gegebenenfalls geeignete Vorkehrungen getroffen werden. Andere Gefahrenmomente wiederum, wie etwa die für die Kinder, sind von der Organisationsform des Rundfunks ohnehin völlig unabhängig

Individualrechtliche Grundrechts-in terpretation Der institutioneilen steht die individual-rechtliche Auslegung der Rundfunkfreiheit gegenüber. Danach handelt es sich bei den drei grundrechtlichen Gewährleistungen, die Art. 5 12 GG enthält (Garantie der Presse-, der Rundfunk-und der Filmfreiheit), um subjektive Freiheitsrechte, um die Garantie individueller Kommunikationsfreiheit. Die grundrechtsförmige Garantie einer Freiheit bedeutet, daß die Verfassung den entsprechenden Sachbereich grundsätzlich (also vorbehaltlich notwendiger, von der Verfassung selbst oder durch Gesetz aufgrund verfassungsrechtlicher Ermächtigung gesetzter Schranken) der privaten Hand, also jedermann, überläßt.

Das heißt: die Meinungsäußerung und -Verbreitung ist frei, also privater Initiative und dem Wettbewerb überlassen, in den ordnend einzugreifen dem Gesetzgeber in einem noch darzulegenden Umfang vorbehalten bleibt. Das ist für den Bereich der Presse und des Films eine nahezu unbestrittene Selbstverständlichkeit. Daß es dies im Bereich des Rundfunks bisher nicht war, liegt ausschließlich daran, daß aus technischen Gründen Wettbewerb auf diesem Gebiet objektiv un-möglich war. Denn die Verfassung gibt der medienexternen unzweideutig den Vorrang vor einer medieninternen Pluralitätsstruktur; sie versagt es dem Gesetzgeber, zwischen beiden nach seinem Gutdünken zu wählen Wäre dies nicht der Fall, so würde unter Berufung auf das „Gemeinwohl" eine Entsubjektivierung der Grundrechte stattfinden. Gemeinwohlgüter aber werden nicht durch einen organisationsrechtlichen Gesamtzugriff des Gesetzgebers, also nicht durch eine Verwandlung der Grundrechte, sondern durch Grundrechts-schranken geschützt, wie dies das Grundrecht ausdrücklich vorsieht.

Das Mitbestimmungsurteil des BVerfG 1979

Das Bundesverfassungsgericht hat 1979 im Mitbestimmungsurteil einen deutlichen Akzent zur Unterstützung der individualrechtlichen Grundrechtstheorie gesetzt, indem es ausführte, die Einzelgrundrechte seien . in erster Linie individuelle Rechte, Menschen-und Bürgerrechte, die den Schutz konkreter, besonders gefährdeter Bereiche menschlicher Freiheit zum Gegenstand haben. Die Funktion der Grundrechte als objektiver Prinzipien besteht in der prinzipiellen Verstärkung ihrer Geltungskraft, hat jedoch ihre Wurzel in dieser primären (individual-rechtlichen; d. Verf.) Bedeutung. Sie läßt sich deshalb nicht von dem eigentlichen Kern lösen und zu einem Gefüge objektiver Normen verselbständigen, in dem der ursprüngliche und bleibende Sinn der Grundrechte zurücktritt" Der Staat ist also gegenüber dem Rundfunk ebensowenig wie gegenüber der Presse im Besitz einer Gestaltungsmacht, die es ihm ermöglichen würde, die Rundfunkkommunikation in seinem Sinn optimal zu ordnen Der Grund ist: die Freiheitlichkeit der Kommunikationsordnung wäre beseitigt, würde dem Staat die Befugnis zugestanden, zu definieren, wie sie auszusehen hat. Die Regelungsmacht des Staates erschöpft sich daher in der Befugnis zur Rahmensetzung. Aus all dem ergibt sich, daß die Organisation eines zusätzlichen privatrechtlichen Rund-funksystems nur dann binnenpluralistisch sein darf, wenn und solange ein unüberwindlicher Mangel gemeinnützig verwaltet werden muß nicht aber dann, wenn ein solcher Mangel nicht mehr besteht.

Das Fernsehurteil des BVerfG 1981

Das Urteil vom 16. Juni 1981 mit dem das BVerfG das saarländische Rundfunkgesetz von 1967 in Teilen für mit dem GG unvereinbar und daher nichtig erklärte, hat die vorerörterte Streitfrage bewußt und ausdrücklich offengelassen. Die Frage, ob Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG einen grundrechtlichen Anspruch auf die Veranstaltung privater Rundfunksendungen gewährt, wurde , da dazu keine Veranlassung gegeben war, ebensowenig entschieden wie die Frage, ob das Rundfunkmonopol der öffentlich-rechtlichen Anstalten auch unter den heutigen und künftigen Bedingungen mit dem GG vereinbar ist Das Gericht ließ an der Zulässigkeit privaten Rundfunks unter Bedingungen, wie sie auch im folgenden entwickelt werden allerdings keinen Zweifel. Dem Gesetzgeber (der Länder) steht es danach frei — ob er u. U. dazu verpflichtet ist, bleibt einstweilen dahingestellt —, die gegenwärtige durch eine andere Rundfunkorganisation zu ersetzen.

Dieser Entscheidungsfreiheit des Gesetzgebers hat das Urteil allerdings gewisse Grenzen gezogen So muß er seine Entscheidung durch Gesetz treffen. Die'Rundfunkfreiheit bedürfe, so das BVerfG, einer „positiven Ordnung", die sicherstellt, „daß der Rundfunk nicht einer oder einzelnen gesellschaftlichen Gruppen ausgeliefert wird, daß die in Betracht kommenden gesellschaftlichen Kräfte im Gesamtprogramm zu Wort kommen und daß die Freiheit der Berichterstattung unangetastet bleibt". Daß das BVerfG eine gesetzliche Regelung dieser Art verlangt, ist nicht zu beanstanden Bedenken muß es allerdings hervorrufen, daß die Ausübung der Rundfunkfreiheit, deren grundrechtlichen Charakter das Gericht ja nicht ausschließt zumindest scheinbar von gesetzlicher Zulassung abhängig gemacht wird. Das gibt es bei keinem anderen Grundrecht. Grundrechte dürfen zwar in bestimmten Umfang eingeschränkt, auch darf ihre Ausübung gelegentlich auf gesetzlicher Grundlage von einer staatlichen Genehmigung abhängig gemacht werden (die Aufnahme bestimmter Berufe beispielsweise), in keinem Fälle ist aber bisher die Inanspruchnahme eines Grundrechts als solche von der vorherigen, nur schwer oder gar nicht erzwingbaren Regelung durch Gesetz abhängig gemacht worden. Das kann kaum anders denn als Verletzung des Wesensgehalts des Grundrechts qualifiziert werden, die Art. 19 Abs. 2 GG unter allen Umständen verbietet. Es verwundert, daß das BVerfG sich damit überhaupt nicht auseinandersetzt

Ein weiteres Bedenken gegen das Urteil ist, daß es der Rundfunkfreiheit eine überwiegend dienende Rolle (gegenüber dem Kommunikationsprozeß) zuweist. Sie sei —-merkwürdige Begriffsbildung! — eine „dienende Freiheit"; ihre . Aufgabe, freie und umfassende Meinungsbildung durch den Rundfunk zu gewährleisten", bestimme ihre „Eigenart und Bedeutung". Anstößig sind nicht die konkreten Folgerungen, die das Urteil aus diesen grundsätzlichen Feststellungen zieht, wohl aber der Rückfall in eine Position, die seit dem Mitbestimmungsurteil des BVerfG als überwunden gelten durfte. Während dort ) der individualrechtlichen Bedeutung der Grundrechte Priorität eingeräumt und ihren objektivrechtlichen Elementen lediglich eine diese Bedeutung stützende Funktion zugewiesen wird, erscheinen nunmehr die in Art. 5 Abs. 1 GG enthaltenen, einander bedingenden und stützenden, subjektiv-und objektivrechtlichen Elemente als ins Gleichgewicht gebracht. Das ist gefährlich, weil es dem Verfassungsinterpreten Spielraum schafft, nahezu beliebig entweder die einen oder die anderen Elemente zu betonen. Die Schutzfunktion der Grundrechte wird beeinträchtigt, die Bindung des Gesetz-gebers an sie gelockert, Rechtsunsicherheit bei ihrer Anwendung produziert. Eine „dienende Freiheit", die ausschließlich oder vor allem als Aufgabe definiert wird, ist keine Freiheit mehr. Diese und andere dogmatische Schwächen des Urteils sind für unseren Zusammenhang allerdings deshalb von nur se-‘kundärem Interesse, weil die im folgenden entwickelte rundfunkpolitische Konzeption mit den vom BVerfG für den Fall, daß der Gesetzgeber sich zur Zulassung privaten Rundfunks entschließt, gezogenen Folgerungen ohne jede Einschränkung übereinstimmt.

III. Das neue duale System

Externe Pluralität — unter diesem Stichwort kann (wie dargestellt) die Konkurrenz freier Veranstalter zusammengefaßt werden, die nicht inhaltlich umfassenden Programmauflagen unterliegen und folglich auch keine Kon-trollgremien mit externen Kontrolleuren in ihr (internes) Organogramm aufnehmen müssen. Damit sind Schranken geöffnet, ohne daß Schrankenlosigkeit eintreten darf. Ein Landes-rundfunkgesetz zur Regelung dieses Systems externer Pluralität muß daher auch die Grenzen der subjektiven Rundfunkveranstaltungsfreiheit definieren, muß objektive Rahmen-richtlinien bestimmen, die der besonderen Bedeutung des Mediums gerecht werden (dazu unten: Die neuen Rundfunkträger). Gleichzeitig muß die bisherige Aufgabenzuweisung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten überprüft und ihre Reform unter Berücksichtigung der neuen Konkurrenzsituation — in der sie zwar aufgrund der Gebührenfinanzierung begünstigt, aber trotzdem betroffen sind — eingeleitet werden (Die alten Rundfunkträger). Beide „Schienen" bilden das „neue duale System", das die Rundfunklandschaft für lange Zeit prägen wird.

Die neuen Rundfunkträger Konzeption • Die Pluralität des Angebots und die Möglichkeit freier Auswahl durch den Rezipienten können — so deutlich das Bundesverfassungsgericht — die Ausgewogenheit des Einzel-programms ersetzen. Gleichwohl würde es dem verfassungsrechtlichen Gebot, die Freiheit des Rundfunks zu gewährleisten, nicht gerecht werden, wenn nur staatliche Eingriffe ausgeschlossen würden und der Rundfunk dem freien Spiel der Kräfte überlassen würde es liegt vielmehr in der Verantwortung des Gesetzgebers, daß ein Gesamtangebot besteht, in dem die für die freiheitliche Demokratie konstitutive Meinungsvielfalt zur Darstellung gelangt Es bedürfe gesetzlicher Bestimmungen, die im Rahmen des zugrunde gelegten Ordnungsmodells sicherstellen, daß der Rundfunk nicht einer oder einzelnen gesellschaftlichen Gruppen ausgeliefert wird und daß die in Betracht kommenden Kräfte im Gesamtprogrammangebot zu Wort kommen können

Darüber hinaus habe der Gesetzgeber für den Inhalt des Gesamtprogramms Leitgrundsätze verbindlich zu machen, die ein Mindestmaß von inhaltlicher Ausgewogenheit, Sachlich-keit und gegenseitiger Achtung gewährleisten Daneben seien alle Veranstalter an die Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG gebunden. Namentlich für den Jugendschutz wird in den Rundfunkgesetzen Sorge zu tragen sein Ebenfalls zu den erforderlichen gesetzlichen Regelungen privaten Rundfunks gehöre die Normierung einer begrenzten Staatsaufsicht, die — nur — der Aufgabe zu dienen hat, die Einhaltung der zur Gewährleistung der Rundfunkfreiheit ergangenen Bestimmungen sicherzustellen Schließlich sei bei jeder Form der gesetzlichen Ordnung des Rundfunks eine vorherige Überprüfung unverzichtbar, ob bei der Aufnahme privater Rundfunkveranstaltungen oder einem Hinzutreten weiterer Veranstalter den dargelegten Anforderungen Genüge getan ist. Ein solches Erlaubnisverfahren dürfe neben der Überprüfung allgemeiner Voraussetzungen wie etwa Geschäftsfähigkeit oder Zuverlässigkeit des Antragstellers nur der Gewährleistung der Rundfunkfreiheit dienen, um derentwillen es verfassungsrechtlich geboten sei. Dabei obliege es dem Gesetzgeber, die Voraussetzungen der Erteilung oder Versagung der Erlaubnis selbst zu bestimmen Zur Ausgestaltung dieser Grundsätze ist also aufgrund eines Gesetzes zu regeln, wer zu welcher Zeit die Sendemöglichkeiten nutzen darf. Im Rundfunkbereich wird es einer für die vorbezeichneten Zwecke erforderlichen rundfunkrechtlichen Lizenz bedürfen neben einer fernmelderechtlichen Erlaubnis (von der Deutschen Bundespost zu erteilen). Nur so kann die Pluralität des Programmangebotes in seiner Gesamtheit gewährleistet, unerwünschten Konzentrationsbestrebungen wirksam begegnet und notwendigen Auflagen Geltung verschafft werden. Auf die Erteilung der notwendigen Lizenzen besteht grundsätzlich ein Rechtsanspruch.

Zum Schutz von Jugend und Familie kann beispielsweise die Ausstrahlung von Sendungen, die sich speziell an Kinder im schulpflichtigen Alter wenden, auf bestimmte Tageszeiten beschränkt werden. Die Berichterstattung muß wahrheitsgetreu und sachlich sein. Herkunft und Inhalt der zur Veröffentlichung bestimmten Nachrichten und Berichte sind sorgfältig zu prüfen. Vor der Verbreitung von Tatsachen-behauptungen, die sich gegen eine bestimmte Person oder Institution richten, sind die Betroffenen nach Möglichkeit zu hören; ihre Auffassung ist bei der Gestaltung der Sendungen zu berücksichtigen. Das Recht der Gegendarstellung ist zu gewährleisten. Nachrichten sind von Kommentaren und Stellungnahmen zu trennen. Die Grundsätze des demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne des Grundgesetzes sind bei der Gestaltung des Programms zu achten.

Die (mindestens teilweise) Finanzierung zusätzlicher Rundfunkprogramme aus Werbung kann aus rechtlichen wie aus wirtschaftlichen Gründen nicht ausgeschlossen werden. Es kann und sollte jedoch die erkennbare Trennung von Werbesendungen und anderen Programmteilen vorgeschrieben (Blockwerbung) werden. Außerdem kann und muß u. U.der Umfang der . Werbung begrenzt werden. Zur Gewährleistung eines angemessenen Einflusses des Rezipienten auf das Programm wäre ferner zu erwägen, die Finanzierung mindestens teilweise auf ein beim Empfänger zu erhebendes Entgelt zu gründen.

Im Interesse des publizistischen Wettbewerbs wie der intermediären Kontrolle sind aber insbesondere im lokalen und regionalen Bereich alle Möglichkeiten zu nutzen, um in Ein-Zeitungs-Kreisen die publizistische Alleinstellung durch elektronische Konkurrenz zu beenden. Unternehmen, die bereits jetzt in solchen Kreisen über ein Monopol verfügen, dürfen nicht auch noch die Neuen Medien kontrollieren. Nicht auszuschließen ist freilich die (auch mehrheitliche) Beteiligung von Zeitungsverlagen mit örtlicher Alleinstellung an elektronischen Medien in einem anderen geographischen Bereich.

Die Rolle der Deutschen Bundespost In der Erkenntnis, daß die Verkabelung entscheidend die materielle Rundfunkorganisation determiniert, hat die Bundesregierung 1979 den Versuch unternommen, die aus ihrer Sicht politisch unerwünschten Änderungen des bestehenden Rundfunksystems zu verzögern und damit so spät wie möglich eintreten zu lassen. Sie hatte am 26. September 1979 beschlossen, daß die projektierte flächendekkende Verkabelung von elf Städten mit dem Kupferkoaxialkabel eingestellt werden solle Zwar hat die Post in Einzelfällen und punktuell weiterhin Breitbandkabel verlegt, um Empfangsprobleme durch Abschattungen zu beseitigen, die Schaffung von zusammenhängenden Netzen oder den Anschluß aller Wohnungen in einem Wohngebiet an das Koaxialkabel hat sie aber seit diesem Beschluß konsequent abgelehnt. Mit diesen Entscheidungen haben die Bundespost und die Bundesregierung unmittelbar die Medienorganisation gesteuert. Die Bestimmung der Rundfunkorganisation ist aber eindeutig und unstrittig Sache der Länder Sie sollten daran gehindert werden, Veränderungen der Medienlandschaft vorzunehmen. Da dieses Verhalten der Entscheidung gleichkam, alles so zu lassen wie es ist, übte die Bundesregierung de facto Kompetenzen der Länder aus. Dort, wo die Post eigenmächtig handelte, traf eine Verwaltungsbehörde inhaltliche Entscheidungen für Verfassungsorgane.

Diese Kompetenzanmaßung war nicht nur formell — im Hinblick auf die Zuständigkeit der Länder —, sondern auch materiell — im Hinblick auf die grundgesetzliche Gewährleistung der Kommunikationsfreiheit — verfassungswidrig. Die Grundrechte sind nämlich nicht nur Grenzen staatlicher Tätigkeit, sondern auch die Grenzen staatlicher Untätigkeit. Sie begrenzen nicht nur staatliches Handeln, sondern verpflichten auch dazu. Zwar wird man aus ihnen keinen konkreten, nur so und nicht anders auszuführenden Auftrag an den Gesetzgeber herleiten können immerhin aber verpflichten die Grundrechte den Staat dazu, bestimmte Handlungen nicht willkürlich, daß heißt ohne sachlichen Grund, zu unterlassen zumal dann, wenn er sich (wie durch das Monopol der Post für die Errichtung von Fernmeldeanlagen) das ausschließliche Recht, et-was zu tun, vorbehält. Die Bundesregierung darf nicht die untergeordnete Rolle der Medientechnik ignorieren und so die Ausübung des Grundrechts aus Artikel 5 des Grundgesetzes verhindern oder entscheidend behindern.

Für eine Bindung der Deutschen Bundespost an solche medienpolitischen Vorstellungen der Bundesregierung liefert das geltende Recht im übrigen keine Handhabe. Gemäß § 2 I des Postverwaltungsgesetzes ist die Verwaltung der Bundespost an die „Grundsätze der Politik der Bundesrepublik Deutschland" gebunden. Dies kann nicht bedeuten, daß die Post Kompetenzüberschreitungen der Bundesregierung automatisch zu vollziehen hat. Es kann vielmehr nur heißen, daß die dafür vorgesehenen Instanzen im dafür vorgesehenen Verfahren Entscheidungen treffen, die die Post zu vollziehen hat. Die für die Rundfunkorganisation zuständigen politischen Instanzen sind die Länder; das vorgesehene Verfahren ist die Verabschiedung eines materiellen Rundfunkgesetzes.

Außerdem hat die Bundespost ihre Anlagen gemäß § 2 III des Postverwaltungsgesetzes „weiterzuentwickeln und zu vervollkommnen". Das heißt, daß die Einführung neuer Entwicklungen im Bereich der Fernmeldetechnik keineswegs in das Belieben der Post gestellt ist, sie ist vielmehr dem technischen Fortschritt verpflichtet. Wenn sie Investitionen verweigert und Innovation hemmt, dann muß notfalls ein Instrumentarium entwickelt werden, mit dessen Hilfe die Post verbindlich veranlaßt werden kann, ihrem Auftrag zur technischen Weiterentwicklung nachzukommen.

Aus all dem folgt, daß die Bundesregierung und die Bundespost verpflichtet sind, ohne willkürliche Verzögerung die Bedingungen herzustellen, die es grundsätzlich jedem ermöglichen, am medialen Kommunikationsprozeß teilzunehmen. Der Frequenzmangel darf nicht künstlich verlängert werden, um das binnenpluralistische öffentlich-rechtliche Rundfunksystem zu konservieren; eine ausschließlich binnenpluralistische Organisation ist kein Selbstzweck und keine Selbstverständlichkeit, sondern nur die hilfsweise Lösung eines Knappheitsproblems.

Die alten Rundfunkträger Das Weiterbestehen der vorhandenen Rundfunkanstalten ist zur Gewährleistung einer flächendeckenden Grundversorgung der Bevölkerung mit Information, Bildung und Unterhaltung allgemein erwünscht; ihr Programm bleibt eine „Sache der Allgemeinheit" die zu Neutralität, Überparteilichkeit und Ausgewogenheit verpflichtet. Dies schließt freilich nicht aus, daß die Anstalten in einigen wesentlichen Punkten der Reform bedürfen. Zunächst muß wieder klargestellt werden, daß die dem Rundfunk aufgegebene Meinungspluralität nicht mit dem etwa vorhandenen Pluralismus der Meinungen der Programmacher identisch, sondern von ihnen darzustellen ist. Ihr Grundrecht auf freie Äußerung und Verbreitung eigener Meinungen über den Rundfunk ist durch dessen Aufgabenstellung beschränkt -Das Grundrecht auf individuelle Meinungsäußerung kann nicht auf die Person der Journalisten reduziert werden. Die subjektive Rundfunkfreiheit ist über den Programm-auftrag stellvertretend in die Hände von Journalisten gelegt. Sie erhalten die Legitimation ihrer Tätigkeit nur aus dem gesellschaftlichen Auftrag, der durch die gesellschaftlich-relevanten Kräfte definiert und dessen Einhaltung von ihnen kontrolliert wird.

Es hat sich aber erwiesen, daß diese stellvertretende Wahrnehmung von Bürgerinteressen nicht befriedigend funktioniert: Zum einen erscheint es bereits fraglich, ob die Interessen der Gruppenmitglieder wirklich zu den Gruppenrepräsentanten gelangen zum anderen hat die Praxis in den Rundfunkanstalten dazu geführt, daß häufig nur noch Grundpositionen vertreten werden, die sich nach „Fraktionen" ordnen lassen. Zum dritten ist das „Haus“, also die jeweilige zu kontrollierende Rundfunkanstalt, oftmals übermächtig. Schließlich scheitert eine solche stellvertretende Interessen-Wahrnehmung durch die Journalisten oftmals an ihrem Selbstverständnis: zu oft wird gerade in den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten die vollständig freie Entscheidung des Redakteurs hinsichtlich Auswahl und Behandlung der Themen postuliert, die aber gerade so dem Programmauftrag der öffentlich-rechtlichen Anstalten widerspricht.

Die Aufgaben und Programmgrundsätze sollten daher aufgrund der unterschiedlichen Erfahrungen in der Bundesrepublik präzisiert werden. Hierbei sollte auf größere Rechtsklarheit für den Rundfunkbetrieb geachtet und für alle dort tätigen Programmitarbeiter vergleichbare Anforderungsund Verbotskriterien hergestellt werden. Diese Grundsätze müssen die Informationsund Meinungsfreiheit garantieren — insbesondere, daß der Rundfunk sich nicht einseitig in den Dienst einer Person, einer Weltanschauung oder einer Gruppe stellt — und die Ausgewogenheit des Programms, die Beachtung der journalistischen Fairneß-Regeln sowie das Eintreten für die freiheitliche demokratische Grundordnung sicherstellen.

Die Zahl der in die Rundfunkgremien zu entsendenden bzw. zu wählenden Vertreter des Staates, der gesetzgeberischen Körperschaften und der Parteien sollte ein Drittel der Gesamtzahl der Gremienmitglieder nicht überschreiten. Um ihre Aufgaben ordnungsgemäß erfüllen zu können, müssen die Rundfunkräte stärker als bisher die Möglichkeit haben, auf die Einhaltung von Sende-und Programm-grundsätzen im Interesse der öffentlichen Aufgaben der Anstalten hinzuwirken. Unter Beachtung der Intendantenverfassung sollten ihnen ausreichende Beratungs-und Richtlinienkompetenzen in Fragen des grundsätzlichen Programms sowie dessen Struktur eingeräumt werden.

Mehr noch als bisher müßten die Grundsätze einer sparsamen Wirtschaftsführung beachtet werden. Ausgaben und Einnahmen müssen sich decken; Kapazitätsengpässe brauchen nicht gefürchtet zu werden, sondern können durch gezielte Auftragsvergabe an private Unternehmen behoben werden. Schließlich ist die für eine Versorgung der Rundfunkteilnehmer mit guten Programmangeboten erforderliche Kreativität der „Macher" dadurch zu fördern, daß alle unnötige Bürokratie abgebaut wird.

Ne• ues Kommunikationsverständnis Kabelfernsehen, Satelliten, Teletexte, Rückkanal, offener Kanal, Pay-TV — dies alles versucht man derzeit mit irrationalen Vorhersagen zum Scheitern zu bringen. „Spirale der Programmverflachung", „Kommerz auf Kosten des Publikums", „Massenattraktivität statt niveauvoller Programme", das sind nur einige der geäußerten Befürchtungen. Aber die Medien sind ein Teil unserer Welt Sie sind kein Naturereignis und kein unerforschtes Phänomen. Sie sind gestaltbar und regelbar. Niemand will ein wildes Fernsehsystem, in dem Werbung, Sex und Crime sich ablösen. Aber der von unserer Verfassung für mündig erklärte Bürger muß auch kommunikationspolitisch als mündig angesehen werden. Wer bei Wahlen frei entscheiden soll, muß seine Auswahlentscheidung zwischen verschiedenen Informationsangeboten in gleicher Freiheit treffen dürfen.

Medien können Kreativität und Kommunikation fördern, Informationen und Bildung vermitteln, fehlende Mobilität und Einsamkeit mildern. Dies sind nur einige der zahlreichen Möglichkeiten, Medien zu nutzen. Welche der Bürger davon wahrnimmt, entscheidet er selbst. Diejenigen, die Angst vor Medien schüren, haben in Wirklichkeit Angst vor dem Menschen. Sie trauen ihm nicht zu, eine für ihn sinnvolle Auswahl zu treffen. Wer behauptet, der Mensch ließe sich willenlos durch die Technik beherrschen, es drohe allgemeine Apathie durch „zu viel Fernsehen", der hält offenbar nicht viel von Mündigkeit und Selbstverantwortung. Wer gezielt Furcht verbreitet, von „Enteignung", „Zerschlagung" oder „Fremdkommerz" spricht, der glaubt offenbar, für rationale Gründe reiche die Vernunft der Bürger nicht aus. Wer meint und verkündet, alle vielfältigen und unterschiedlichen Bürgerinteressen reduzierten sich in einem neuen Rundfunksystem auf das Bedürfnis, unterhalten zu werden, der nimmt die Bürger und ihre Inter63 essen nicht ernst. Wer Unterhaltung für schlecht und nur sein eigenes „Niveau" für gut hält, der setzt seinen Geschmack elitär-absolut vor den seiner Mitmenschen.

Das alles sind falsche Argumente für eine pessimistische Zukunftsverweigerung. Ein neues Kommunikationsverständnis tut not. Wenn wir ängstlichen Medienpropheten folgen und alles so lassen, wie es immer schon war, dann wird man im Rückblick auf die deutsche Kommunikationsprovinz den Mangel an Kreativität, Phantasie, Individualität und kommunikativer Kompetenz später ganz einfach erklären können: „Die Grenzen ihrer Medien waren die Grenzen ihrer Welt."

Fussnoten

Fußnoten

  1. Report of the Post-Office Review Comittee, 1977, Tz. 12. 30.

  2. Maletzke, Psychologie der Massenkommunikation, 1963, S. 18 ff.

  3. BVerfGE 12, 205 (261).

  4. Vgl. Beschlüsse der Bundesregierung vom 10. April 1981, Bulletin vom 10. 4. 1981, Ziffer 5.

  5. Breitbandiges integriertes Glasfaserfernmeldenetz, vgl. Rede von Bundespostminister Gscheide vom 8. Mai 1981 in Darmstadt, verf. Manuskript

  6. So der stellv. Intendant des Bayerischen Rundfunks. Scharf, in der Sitzung der Kommission für Fragen der Massenmedien der Interparlamentarischen Arbeitsgemeinschaft vom 5. Mai 1981, vgl. IPA-Drucksache 3 109, S. 32.

  7. Vöge, Technische Kommunikationsmittel und Kommunikationsmöglichkeiten, verf. Manuskript 1981, S. 17.

  8. Vöge (oben FN 8), S. 22.

  9. Vgl. Haefner, Der „Große Bruder", 1980, S. 72.

  10. Breitenstein, Die große Hoffnung, 1980, S. 257f

  11. Staatsvertrag über die Regelung des Rundfunkgebührenwesens, 5. Dezember 1974; abgedruckt z. B. im GVB 1-NW 1975, S. 278.

  12. Bericht der Rundfunkreferenten der Länder zur Frage der Veranstaltung privater Rundfunksendungen und des Rundfunkbegriffs, verf. Manuskript, 1975, S. 9.

  13. Vgl. Sturm, Bildschirmzeitung und Rundfunk-echt, in: Ratzke, Die Bildschirmzeitung. Fernlesen statt-Fernsehen, 1977, S. 94 ff.

  14. Art. 73 Nr. 7 GG; vgl. BVerfGE 12, 205 (248).

  15. Vgl. BVerfGE 12, 205 (249) sowie das Urteil des BVerfG zum Rundfunk im Saarland (FRAG-Urteil; 1 BvL 89/78), C II 1 b.

  16. Vgl. Sturm (oben FN 14), S. 96.

  17. Vgl. Neudefinition des Rundfunkbegriffs, Stellungnahme des Koordinierungsausschusses für Medienpolitik der CDU/CSU, verf. Manuskript, 1980.

  18. BVerfGE 12, 205 (260).

  19. Oben FN 15.

  20. FRAG-Urteil des BVerfG. III. Die Freie Rundfunk AG (FRAG), ein Zusammenschluß privatwirtschaftlicher Unternehmen, u. a. von Presseverlagen, hatte sich vergeblich um eine Lizenz für einen Privaten Rundfunk bemüht.

  21. BVerfGE 12, 205.

  22. BVerfGE 12, 205 (261).

  23. BVerfGE 12, 205 (262).

  24. FRAG-Urteil (oben FN 15), C II 2e.

  25. FRAG-Urteil (oben FN 15), C II 2d.

  26. FRAG-Urteil (oben FN 15), CI.

  27. Vgl. z. B. Hoffmann-Riem, Rundfunkfreiheit durch Rundfunkorganisation, 1979, S. 15 ff., sowie: Chancengleichheit in zukünftigen Kommunikationssystemen, ZRP 1976, 291 ff.; Badura, Verfassungsrechtliche Bindungen der Rundfunkfreiheit und Rundfunkgewährleistung, ZRP 1980, S. 132 ff. (135f.).

  28. Vgl. Bullinger, Kommunikationsfreiheit im Strukturwandel der Telekommunikation, 1980, S. 73 f.

  29. Ebd.

  30. H. H. Klein, Die Rundfunkfreiheit, 1978, S. 71; vgl. auch Papier: Pressefreiheit zwischen Konzentration und technischer Entwicklung, in: Der Staat 18 (1979), S. 422 ff (439).

  31. Auch hierzu Bullinger (oben FN 28), S. 75, 78 ff-

  32. Vgl. z. B. Weber, Zur Diskussion über die Zuverlässigkeit eines privaten Fernsehens, in: Der Staat 11 (1972), S. 82 ff., Rundfunkfreiheit — Rundfunkmonopol, in: Festschrift für Ernst Forsthoff, Hrsg.: Roman Schnur, 2. Aufl. 1974, S. 467 ff.; Scheuner, Das Rundfunkmonopol und die neuere Entwicklung des Rundfunks, AfP 1977, 367 ff.; Rudolf, über die Zulässigkeit privaten Rundfunks, 1971; Hermann, Fernsehen und Hörfunk in der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland, 1975; Scholz, Audiovisuelle Medien und bundesstaatliche Gesetzgebungskompetenz, 1976, bes. S. 117, 142 ff.; Schmitt/Glaeser, Ka belkommunikation und Verfassung, 1979; Starck, Zur notwendigen Neuordnung des Rundfunks, NJW 1980, 1359 ff., sowie die Grundrechte des Grundgesetzes, JuS 1981, 237 ff.; Bullinger, Kommunikationsfreiheit im Strukturwandel der Telekommunikation, 1980; Kröger, Vor dem Ende des Rundfunkmonopols, NJW 1979, 2 357 ff.; Graf von Pestalozza, Rundfunkfreiheit in Deutschland, Notizen aus der Provinz, ZRP 1979, 25 ff.; H. H. Klein, Die Rundfunkfreiheit 1978.

  33. Vgl. H. H. Klein, Rundfunkrecht und Rundfunkreiheit, in: Der Staat 20 (1981), S. 177ff. (192).

  34. BVerfGE 50, 290.

  35. BVerfGE, 50, 290 (337).

  36. Vgl. H. H. Klein (oben FN 33), S. 196.

  37. Steinbuch, ZV -I-ZV 1976, S. 500.

  38. Oben FN 15.

  39. Vgl. unter C I der Urteilsbegründung.

  40. So schon früher H. H. Klein, oben FN 30, passim.

  41. Vgl. unter C II der Urteilsbegründung.

  42. Siehe dazu H. H. Klein (oben FN 30), S. 47 ff.

  43. Die Aussagen des Urteils sind allerdings nicht frei von Widersprüchen. Einerseits läßt es, wie gesagt, die Frage offen, ob Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG einen grundrechtlichen Anspruch auf die Veranstaltung privaten Rundfunks gewährt. Andererseits wird gesagt, das GG schreibe dem Gesetzgeber keine bestimmte Form der Rundfunkorganisation vor, womit die Möglichkeit einer grundrechtlichen Diiektive eigentlich ausgeschlossen wird, aber auch: Die Aufgabe, die Rundfunkfreiheit rechtlich auszugestalten, berechtige (außerhalb des Art. 5 Abs. 2 GG) nicht zu einer Beschränkung des „Grundrechts" (sic!).

  44. BVerfGE 50, 290.

  45. So schon oben B III 3.

  46. Im FRAG-Urteil (oben FN 15) unter C I.

  47. Ebd.; vgl. auch BVerfGE 31, 314 (325).

  48. FRAG-Urteil (oben FN 15), C I.

  49. FRAG-Urteil (oben FN 15), C II 2 b.

  50. FRAG-Urteil (oben FN 15), C II 2 c; vgl. auch BVerfGE 12, 205 (263).

  51. FRAG-Urteil (oben FN 15), C II 2 c.

  52. FRAG-Urteil (oben FN 15), C II 2d; vgl. auch BVerfGE 12, 205 (261).

  53. FRAG-Urteil (oben FN 15), C II 2e.

  54. Auch die Frage der Finanzierung hat das BVerfG im FRAG-Urteil ausdrücklich ausgeklammert.

  55. Bulletin vom 10. Oktober 1979.

  56. Vgl. zuletzt FRAG-Urteil (oben FN 15), passim

  57. Vgl. H. H. Klein, Ein Grundrecht auf saubere Umwelt? in: Festschrift Werner Weber, Berlin 1974, S. 643 ff.

  58. Vgl. BVerfGE 1, 97 (1. Leitsatz sowie 105).

  59. BGBl 1973 I, S. 676.

  60. BVerfGE 31, 314 ff. (327).

  61. H. H. Klein, Die Rundfunkfreiheit, S. 17 ff. m. w. N.; ferner Lerche, Landesbericht Bundesrepublik Deutschland, in: Bullinger/Kübler (Hg), Rundfunkorganisation und Rundfunkfreiheit, 1980, S. 22 ff., 53 ff.

  62. Vgl. hierzu Praxis der Rundfunkkontrolle I bis III, in: DAS PARLAMENT, 45, 47 und 49/1979, Seite „Teleforum".

  63. Stolte, Kommunikationspolitische Aspekte der. Entwicklung des Programmangebots im Fernsehen, verf. Manuskript 1980.

Weitere Inhalte

HansHugoKlein, Dr. jur., geb. 1936 in Karlsruhe, o. Professor für öffentliches Recht an der Universität Göttingen, Mitglied des Deutschen Bundestages seit 1972, Vorsitzender des Gesprächskreises „Medienpolitik" der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und stellv. Vorsitzender des Koordinierungsausschusses für Medienpolitik von CDU und CSU. Veröffentlichungen u. a.: Die Grundrechte im demokratischen Staat, Stuttgart 1972; Medienpolitik und Pressefreiheit, in: Archiv für Presserecht 1973; Die Rundfunkfreiheit, München 1978; Das Jedermannsrecht auf Zugang zu den Kommunikationsmitteln, Archiv für Presserecht 1979; Rundfunkmonopol oder Pressezensur — Medienfreiheit auf dem Prokrustesbett, in: Presserecht und Pressefreiheit, München 1980, S. 111 ff. Werner Lauff, geb. 1957 in Vorst, Studium der Rechtswissenschaften in Münster, Saarbrücken und Bonn; Ausbildung am Centre de Formation et de Perfectionnement des Jour-nalistes in Paris; Wiss. Mitarbeiter von Prof. Klein im Deutschen Bundestag. Veröffentlichungen u. a.: Praxis der Rundfunkkontrolle, in: DAS PARLAMENT 49/79; Pressefreiheit versus Strafprozeßordnung?, in: fernseh-informationen 19/81; Wie Englands Privatfernsehen bei der Werbung kassiert, in: epd — Kirche und Rundfunk 75/81.