Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

Zur Umweltproblematik in sozialistischen Systemen. Ideologie und Realität | APuZ 27/1981 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 27/1981 Artikel 1 Über Verantwortung im Umweltschutz Zur Umweltproblematik in sozialistischen Systemen. Ideologie und Realität

Zur Umweltproblematik in sozialistischen Systemen. Ideologie und Realität

Christiane Busch-Lüty

/ 65 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Im Gegensatz zur weitgehend systemneutralen westlichen Erklärung der Umweltproblematik als Folgeerscheinung fortschreitender Industrialisierung und Technisierung sieht die Ideologie des Marxismus-Leninismus von jeher in den „gesellschaftlichen Produktionsverhältnissen" des Kapitalismus den Urgrund auch des Umweltübels, das demzufolge konsequenterweise nur durch den „Übergang zum Sozialismus" dauerhaft beseitigt werden könne. Angesichts rapide wachsender eigener Umweltsorgen in den industriell sich höher entwickelnden sozialistischen Ländern sieht sich die sozialistische Ideologie neuerdings verstärkt zu einer Auseinandersetzung mit der „ökologischen Krise" und der Anpassung gewisser orthodoxer Positionen veranlaßt; dies vor allem in der Frage der auf der Marx'schen Arbeitswertlehre basierenden „Wertlosigkeit" der natürlichen Ressourcen und der daraus folgenden Tendenz zu Raubbau und Umweltzerstörung, in der Forderung nach „Ökologisierung der Produktion" als Prinzip der Naturnutzung sowie in Bemühungen, aus dem Westen importierte Tendenzen in Richtung Fortschritts-und Wachstumspessimismus zu kontern. Die reale Umweltsituation, insbesondere im „Mutterland des Sozialismus", der UdSSR, weicht offenkundig erheblich vom ideologischen Anspruch einer „umweltkonformen Wirtschaftsordnung" ab, soweit dies ohne Vorliegen systematischer und umfassender Daten über die Umweltqualität v. a. anhand einiger exemplarischer Fälle (Baikal-See, Kernenergienutzung) sowie von Stichproben aus dem sozialistischen „Umweltalltag" erkennbar ist. Daß offizielle umweltpolitische Richtlinien und Normen so wenig auf die realen Umweltbedingungen durchschlagen, erklärt sich nicht nur aus dem notorischen — und auch in westlichen Ländern geläufigen — Durchsetzungsdefizit der Umweltpolitik; es ergibt sich vor allem aus dem im sowjetischen Planungssystem — nicht zuletzt dank seiner Fixierung auf den von der Ideologie proklamierten „Wettstreit der Systeme“ — durchgängig herrschenden Vorrang der Produktionsinteressen, der auch das Umweltbewußtsein der sowjetischen Öffentlichkeit bis zur Schizophrenie prägt; dies um so mehr, als Umweltpolitik sich weithin auf manipulative Informationspolitik beschränkt Eine vorsichtige analytische Abtastung von Möglichkeiten und Grenzen einer „umweltkonformeren" Steuerung sozialer und ökonomischer Prozesse in sozialistischen Systemen führt für dessen sowjetischen Typus jedenfalls zu dem Ergebnis, daß zwar theoretisch ein Interessenverbund von Ökonomie und Ökologie im planwirtschaftlichen System möglich ist und auch diskutiert wird, politisch aber angesichts der effektiven Präferenzen in der sowjetischen Gesellschaft, v. a. bei der Führungsschicht und im bürokratischen Apparat, aber auch basierend auf der mentalen Grundhaltung der Masse der Bevölkerung, vorerst nicht realisierbar erscheint Vielmehr dürfte bis auf weiteres — entgegen allen ideologischen Vernebelungsaktionen — die Imitation westlicher Technologie-und Wachstumsmuster zur Forcierung einer durch ökologische Rücksichtnahmen kaum gebremsten „kapitalistischen Produktionsweise" bei der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung der Sowjetunion führen, wie sie in den meisten westlichen Industrieländern in dieser einseitigen Form des Produktivis-mus eindeutig überholt ist. Daß dieser Befund allerdings nicht dem Sozialismus als System schlechthin angelastet werden kann, zeigt ein abschließender Blick auf den in der Volksrepublik China beschrittenen Weg sozialistischer Umweltgestaltung nach dem Prinzip der Vorsorge, die gezielt der Entwicklung exzessiv arbeitsteiliger Prozesse und Strukturen im Zuge von Industrialisierung und Wirtschaftswachstum als der eigentlichen Quelle des Entstehens von Umweltproblemen vorzubeugen sucht.

Einleitung

Tabelle 1: Quelle: M. Jänicke, Umweltpolitik, a.a.O., S.256

Erst in den 70er Jahren hat in der Sowjetunion und den anderen Ostblockländern mit zunächst zögernden Stellungnahmen zu den „ideologischen Gesichtspunkten der ökologischen Probleme" eine Diskussion begonnen, die im Westen bereits über ein Jahrzehnt früher unter den Stichworten „Umweltkrise", „soziale Kosten des Wachstums" und „Lebensqualität" in Gang gekommen und intensiv geführt worden war • Die östlichen Ideologen reagierten damit bemerkenswert spät auf die unübersehbare Realität der Umweltproblematik in den industriell höher entwickelten sozialistischen Ländern, deren sich die Theorie bis dahin fast ausschließlich unter ökologisch-technischen Aspekten angenommen hatte. Aber schon lange verschmutzt die Industrie im sowjetischen Donezbecken das dortige Flußwasser kaum weniger als die amerikanische Industrie den Hudson-River, und die Saale ist durch Abwässer kaum weniger bedroht als der Rhein; die Schadstoffbelastung der Luft im Jahresdurchschnitt lag bereits Anfang der 70er Jahre in Leipzig, Zwickau oder Halle mehr als doppelt so hoch wie die Werte von Chicago, Düsseldorf oder Tokio und die im Westen wohl am heißesten diskutierte Um-weltproblematik, das Entsorgungsproblem im Zusammenhang mit der Kernenergienutzung, wurde in der UdSSR bereits Ende der 50er Jahre traurige Realität durch die verheerende Explosion einer Atommülldeponie, die erst 20 Jahre später durch den Bericht eines emigrierten Sowjetwissenschaftlers publik wurde

Es ist nicht zu übersehen, daß westliche Berichte über Umweltprobleme in sozialistischen Ländern oft eine gewisse Schadenfreude erkennen lassen: scheint doch in der Praxis damit die alte sozialistische Doktrin ein für allemal widerlegt, nach der Umweltzerstörung und Raubbau an den natürlichen Ressourcen traditionell als Auswirkungen des Profitmotivs dem kapitalistischen System angelastet wurden. In der Tat legt die Ähnlichkeit der Erscheinungsformen der Umweltproblematik in Ost und West deren system-neutrale Erklärung nahe, nämlich ihre Ursachen in erster Linie bei den annähernd gleich fortgeschrittenen Technologien und Industrie-systemen zu suchen. Westliche Theorien stellen denn auch ganz überwiegend meist ökologisch-technische Afipekte der Umweltgefährdung in den Vordergrund, wenngleich auch Zusammenhänge zwischen Umweltschäden und gewissen politisch-sozialen Ursachen und Wirkungen nicht geleugnet werden.

Wenn aber die Bundesregierung in ihrem Umweltprogramm von 1971 ausdrücklich feststellt, „die soziale Marktwirtschaft wird sich auch im Hinblick auf die Lösung der Umwelt-probleme gegenüber anderen Wirtschaftssystemen als leistungsfähiger erweisen“ so kann die darin zum Ausdruck gebrachte Geringschätzung der umweltpolitischen Leistungskapazität „anderer" — und das kann konkret nur heißen: sozialistischer — Systeme eigentlich nur dann als fundiert gelten, wenn Klarheit darüber besteht, wie denn sozialistische Länder mit ihrer eigenen Umweltproblematik „fertig werden" —ideologisch undpraktisch!

Die nachfolgend zusammengestellten Theorien, Fakten und Analysen sollen diese wünschenswerte Klarheit vermitteln. Da die einschlägige Entwicklung keineswegs in allen Ländern mit sozialistischen Wirtschafts-und Gesellschaftssystemen gleichläufig ist — vor allem die Volksrepublik China beschreitet einen eigenen Weg —, beschränkt sich die Untersuchung auf die internen Umweltprobleme in sozialistischen Systemen sowjetischen Musters, also speziell auf die Verhältnisse in der UdSSR, am Rande auch der DDR. Eine Gegenüberstellung der Umweltproblematik in Ideologie und Realität verlangt ein Vorgehen in mehreren Schritten: Ein erster Teil ist deshalb der Behandlung des Umwelt-problems in der Ideologie des Marxismus-Leninismus gewidmet. Ausgegangen werden muß dabei vom traditionellen Erklärungansatz der Umweltproblematik in der sozialistischen Doktrin („Systemkrise des Kapitalismus"). Dann ist zu prüfen, wie die sozialistische Ideologie zur Umweltproblematik im eigenen System steht: Wie sehen die Elemente einer Ursachenanalyse im Marxismus aus, speziell in der Wertlehre und in den Vorstellungen über den „Stoffwechsel zwischen Natur und Gesellschaft", die heute zu den „ökologischen Aspekten der Marxschen Lehre" hochstilisiert werden? Wie erklärt man in diesem Rahmen das unbestreitbare Auftreten gravierender Umweltprobleme auf eigenem Boden? Welche Perspektiven bietet der Sozialismus für deren Überwindung an?

Die Auseinandersetzung einiger sozialistischer Gesellschaftstheoretiker mit Wachstums-und technikkritischen Tendenzen im Westen bietet zudem interessante Aufschlüsse über Eigenheit und Abgrenzung des sozialistischen Selbstverständnisses in dieser Frage.

Die Behandlung der Realität der Umweltproblematik im zweiten Teil kann nur einige wenige Tendenzen v. a.der Belastung und des Schutzes der Umwelt aus der UdSSR vermitteln. Dies geschieht in erster Linie anhand exemplarischer Fälle, die besonders im Hinblick auf ihre „ideologische Aufbereitung“ aufschlußreich sind. Angesichts der zentralen Rolle des „gesellschaftlichen Bewußtseins“ im Sozialismus gilt außerdem dem Umweltbewußtsein im sozialistischen Alltag sowie dem Versuch seiner Steuerung durch die staatliche Informationspolitik besonderes Augenmerk.

Aus der Gegenüberstellung von ideologischer Interpretation und praktischer Handhabung der Umweltproblematik werden schließlich in einem dritten Teil einige Schlußfolgerungen abgeleitet, welche spezifischen Möglichkeiten und Grenzen sozialistische Systeme realistischerweise für eine „umweltkonformere" Steuerung sozialer und ökonomischer Prozesse bieten: und dies nicht etwa gemessen an der vergleichbaren „Leistungsfähigkeit" kapitalistischer Systeme — z. B. vom Typ der sozialen Marktwirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland —, sondern am eigenen ideologischen Anspruch, nach dem der Sozialismus sich als einzige „umweltkonforme“ Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung versteht.

I. Das Umweltproblem in der Ideologie des Marxismus-Leninismus

Tabelle 2. Quelle: M. Jänicke, Umweltpolitik, a. a. O., S. 253

1. Die ökologische Krise als „Systemkrise des Kapitalismus“

Marxisten in Ost und West sind sich in der ideologischen Interpretation der Ursachen der Umweltproblematik weitgehend einig: Sie ist „Ausdruck und Bestandteil der allgemeinen Krise des Kapitalismus" der für die „Degradation der Umwelt die geschichtliche Verantwortung zu tragen“ hat Denn die mit fortschreitender Industrialisierung und technischem Fortschritt verbundene Belastung der natürlichen Umwelt habe zwar „allgemeinen Charakter“ und sei als solche systemneutral; aber erst die kapitalistischen Produktionsverhältnisse — gekennzeichnet durch Privateigentum an den Produktionsmitteln und dezentrale Planung und Lenkung der sozialen und ökonomischen Prozesse — führen zu de-ren „gesetzmäßiger Verstärkung bis hin zur ökologischen Krise“ Ein sowjetischer Gesellschaftstheoretiker diagnostiziert: „Die Ursachen für den sich verschärfenden Widerspruch zwischen Gesellschaft und Natur liegen in den Widersprüchen des kapitalistischen Wirtschaftssystems selbst" Fast gleichlautend heißt es in der Version eines „westlichen“ Marxisten: „Die Umweltkatastrophe ist eine — vielleicht sogar die langfristig gefährlichste — Erscheinungsform des Grund-widerspruchs der kapitalistischen Produktionsweise, des Widerspruchs zwischen dem gesellschaftlichen Charakter der Produktion und der privaten Aneignung des Produktionsergebnisses." Die Argumentationskette der marxistischen Umwelttheoretiker, die ihre Bausteine mit Vorliebe aus Spurenelementen einer „Umweltökonomie" bei ihren Klassikern Marx und Engels, besonders in deren „Lehre vom Stoffwechsel zwischen Gesellschaft und Natur“ zusammensuchen, baut sich wie folgt auf:

— Die ausschließlich am Profit orientierte Naturausbeutung im Kapitalismus verhindert eine „rationelle, wirklich komplexe" Naturnutzung da die „Überakkumulation von Kapital zu einer rücksichtslosen Ausraubung und Belastung der natürlichen Umwelt führt, die als freies Gut und Gratisnaturkraft in die Profit-produktion einbezogen wird" -

— Durch seinen inneren Zwang zur unausgesetzten Kapitalverwertung erzeugt der Kapitalismus Techniken und Technologien, durch die die unendlichen Zirkulationsprozesse der Natur „zu linearen Abläufen verformt werden" mit dem Ergebnis eines technischen Produktivkräftesystems, das zur Verschwendung der natürlichen Ressourcen und zunehmender Überlastung der Umwelt führt.

— Da in der kapitalistischen Gesellschaft das einzelwirtschaftliche Profitinteresse und picht das Allgemeininteresse maßgebend ist und kein gesellschaftlich sinnvoller Plan die „Anarchie" der profitorientierten Konkurrenzwirtschaft zügelt, hat der Schutz der Umwelt als ein gesellschaftliches Bedürfnis keine Chance, da es eben vorwiegend im Widerspruch zum privatkapitalistischen Gewinnstreben steht.

Allerdings leugnen die Marxisten nicht, daß es auch im Kapitalismus Umweltschutzmaßnahmen gibt, da eine begrenzte Umweltreproduktion — die nicht mit echtem Umweltschutz gleichzusetzen sei — durchaus im Interesse der Kapitalisten liege: soweit nämlich sonst durch die Erschöpfung natürlicher Ressourcen und sinkende Leistungskraft der Arbeit die Grundlagen der weiteren Profiterzeugung selbst gefährdet wären, die „Produktion" von Umweltschutz sich profitabel gestalten ließe (Umweltschutzindustrien als Wachstumsbranchen!) und durch die „Verallgemeinerung der ökologischen Verelendung" auch die Bourgeoisie von dieser persönlich betroffen und daher zu ihrer Abwehr bereit sei

Aber es wird gleichzeitig konstatiert, daß aus dieser „Unterordnung der Umweltprobleme unter die beschränkte Zielsetzung monopolistischen Profitstrebens" sich zugleich die en-INHALT I. Das Umweltproblem in der Ideologie des Marxismus-Leninismus 1. Die ökologische Krise als „Systemkrise des Kapitalismus"

2. Die Umweltproblematik „auf eigenem Boden” in der Sicht der sozialistischen Ideologie 3. Die Reaktion auf neuere wachstums-

und technologiekritische Ansätze im Westen II. Zur realen Umweltsituation in sozialistischen Ländern 1. Systemspezifische Bedingungen und Trends der Umweltbelastung 2. Maßnahmen sozialistischer Umweltpolitik

3. Exemplarische Fälle zur umweltpolitischen Praxis in der UdSSR 4. Umweltbewußtsein im Sozialismus:

Mobilisierung — Manipulierung — Ignorierung a) Umweltpolitik als Informationspolitik

b) Umweltbewußtsein im sozialistischen Alltag III. Möglichkeiten und Grenzen einer Vereinbarung von ökologischen und ökonomischen Interessen in der sozialistischen Gesellschaft 1. Dominanz der Produktionsinteressen und Möglichkeiten ihrer Überwindung

2. Chancen einer Verankerung des Umweltinteresses in der realen Präferenz-

und Interessenstruktur des sowjetischen Systems 3. Ergebnisse einer . Bilanzierung'ideologischer und realer Positionen sozialistischer Umweltgestaltung gen Grenzen kapitalistischer Lösungsversuche ergäben so daß eine „prinzipielle, historisch dauerhafte Lösung der Umweltkrise des Kapitalismus unter der Bedingung der Herrschaft der Monopolbourgeoisie“ nicht möglich sei Die logische Folgerung daraus: „Dieser Zustand kann nicht anders aufgehoben werden als durch die planmäßige Nutzung der Natur im Interesse aller Gesellschaftsmitglieder; die Voraussetzung dafür ist das gesellschaftliche Eigentum an den Naturreichtümern und den Produktionsmitteln." Das Fazit heißt also: Die ökologische Krise ist lösbar nur durch den Übergang zum Sozialismus. Da die kapitalistischen Prinzipien der Naturnutzung die allgemeine Krise des Kapitalismus verschärfen und damit diesen Übergang beschleunigen, entdecken neuerdings die sowjetischen Ideologen in der Intensivierung der „ideell-theoretischen Auseinandersetzung in Fragen der Umwelt“ — wohlverstanden: auf fremdem Boden! — sogar „einen wichtigen Bereich des antimonopolistischen Kampfes!" 2. Die Umweltproblematik „auf eigenem Boden“ in der Sicht der sozialistischen Ideologie

Daß auch in den sozialistischen Ländern alarmierende Umweltprobleme dazu zwingen, der Verschlechterung von Quantität wie Qualität der natürlichen Ressourcen energisch zu begegnen, wird längst weder von Wissenschaftlern noch von Politikern dieser Länder mehr geleugnet oder bagatellisiert. Doch während die Umweltschädigungen im Kapitalismus als „systembedingt“ gelten, werden sie im Sozialismus als „zeitbedingtes" Problem — keineswegs aber als . soziale Systemkrise’ — gesehen, das nur „noch nicht" zu lösen sei

Als Ursache dieser Problematik gilt vielmehr vor allem das „Erbe des Kapitalismus", also die Übernahmebedingungen besonders in der Standortverteilung der Industrien, den Produktionstechnologien, den politischen Randbedingungen u. ä. dies gilt nicht etwa nur in den älteren Industrieländern des Ostblocks wie der DDR und der CSSR, sondern auch für die UdSSR müssen die „Muttermale der alten Gesellschaft“ als Erklärung von Umweltproblemen herhalten

Daß man dieses Erbe in über 30 Jahren (in der Sowjetunion: über 60 Jahren!) sozialistischen Aufbaus nicht wirksam hat abbauen können, ist aus zweierlei Ursachen und Bedingungen zu erklären: die eine Ursachengruppe besteht aus den Barrieren, die in der sozialistischen Ideologie selbst — speziell der aus der marxistischen Arbeitswertlehre folgenden Bewertungsproblematik der natürlichen Ressourcen — einer schonenden und rationelleren Nutzung der Umwelt im Wege stehen; diese Barrieren werden meist im sozialistischen Lager vehement geleugnet, sind jedoch nichtsdestotrotz als Bestimmungsgründe sozialistischen Umweltbewußtseins von großer Bedeutung und nachweisbar Eine zweite Gruppe von Ursachen und Bedingungen besteht aus den — auch offiziell von sozialistischer Seite ins Feld geführten — realen Handicaps, die — noch! — die Umweltproblematik auf eigenem Boden andauern lassen: sie werden im Zeichen von Klassenkampf und Wettbewerb der Systeme vor allem aus dem Zwang zur Übernahme „kapitalistisch deformierter Technologien" sowie forcierter Rüstungsanstrengungen abgeleitet. a) Ideologische Begünstigung von Raubbau und Umweltschädigung Es ist wohl nicht abzuleugnen, daß — trotz aller gegenteiliger Interpretationsversuche marxistischer Autoren — die Feststellung zutreffend ist, daß in der marxistischen Arbeitswertlehre als Fundament der marxistischen Theorie ein „Vorurteil gegen den Umweltschutz" quasi eingebaut ist

Nach Marx bestimmt allein die . gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit’ den (Tausch-) Wert eines Gutes; aus dieser Auffassung folgt, daß der Boden und überhaupt alle natürlichen Ressourcen „wertlos", d. h. ohne Preis sind, also kostenlos zur Verfügung stehen, was zwangsläufig zu Raubbau und zu verschwenderischem Umgang mit ihnen herausfordern muß Zwar begann bereits in den 20er Jahren in der UdSSR eine theoretische Diskussion darüber, in welcher Weise die natürlichen Ressourcen dem nationalen Reichtum zugerechnet und damit ökonomischen Nutzungsprinzipien unterworfen werden könnten aber erst ein halbes Jahrhundert später, in den 70er Jahren, scheint diese akademische Kontroverse die ideologischen Positionen langsam zu modifizieren, ohne allerdings auch zugleich schon auf die Praxis durchzuschlagen Auch die relativ späte Aufnahme von Grundsätzen zu Problemen der Umwelterhaltung in die Verfassungen sozialistischer Staaten (DDR 1968, Polen 1976, UdSSR 1977) wird zwar offiziell meist mit der zeitlichen Vorrangigkeit anderweitiger staatlicher Aufgaben erklärt, deutet aber auf die prinzipiellen Schwierigkeiten bei einer schlüssigen ideologischen Einordnung der ökologischen Problematik hin

Die neueren Modifizierungen der ideologischen Position in der akademischen Diskussion der Bewertungsfrage laufen denn auch im wesentlichen nur auf eine Einschätzung der Kosten der Reproduktion der Umwelt — also nach deren erfolgter Qualitätsminderung — hinaus, nicht auf eine ökonomische Bewertung der natürlichen Ressourcen selbst Zwar hat Marx die Natur als die . eine von zwei Quellen'des Gebrauchswertes eines Produkts interpretiert — „die Arbeit ist sein Vater und die Erde seine Mutter" — und als Ziel aller Produktion im Sozialismus eben nicht die Herstellung von (profitorientierten) Tauschwerten wie im Kapitalismus, sondern von (nutzungsorientierten) Gebrauchswerten postuliert;

aber in den realiter ja doch warenproduzierenden (d. h. am rechnerischen Tauschwert orientierten) sozialistischen Gesellschaften fällt die Natur eben dennoch aus der Logik der ökonomischen Sphäre heraus b) Ökonomie vor Ökologie: Tribut an den Systemwettstreit Von sozialistischer Seite selbst werden zwei Erklärungen für das Fortdauern der Umwelt-problematik auf eigenem Boden angeführt: Es wird zum einen mit der Übernahme der umweltfeindlichen, „kapitalistisch deformierten Primärtechnologien der Produktion" begründet: „... die Revolutionierung der gesellschaftlichen Beziehungen ... hat noch nicht zur Herausbildung einer neuen technisch-technologischen Produktionsgrundlage sui generis geführt, wie Marx diesen Prozeß kennzeichnete. Das Produktivkräftesystem, das für die kommunistische Gesellschaftsformation historisch typisch sein wird, ist erst in der Herausbildung begriffen ... diese qualitativ neue, von ihren Grundlagen her human gestaltete Technik und Technologie" wird sich nach dieser Zukunftsvision w .. in hohem Maße durch geschlossene Produktionskreisläufe auszeichnen, welche die Umweltschädigungen minimieren" Bei allem sozialistischen Entwicklungsoptimismus wird aber vorsorglich zur Geduld gemahnt: „Sicherlich vergeht noch sehr viel Zeit, bis die industriellen Prozesse einen ähnlichen Vollkommenheitsgrad wie die natürlichen Prozesse gewonnen haben..."

Zum anderen wird festgestellt, daß sich viele Umweltprobleme für den Sozialismus „aus der Notwendigkeit des Zeitgewinns im ökonomischen Wettstreit mit dem kapitalistischen System" ergeben — „bis hin zur Notwendigkeit, erhebliche Mittel für die militärische Sicherheit auszugeben, die unter anderem auch für den Umweltschutz dringend gebraucht würden"

Diese Bedingungen der Umweltproblematik werden ausdrücklich als dem Sozialismus „nicht wesenseigen" und dennoch „unvermeidlich“ bezeichnet, zugleich wird eine schrittweise und durchdachte Lösung dieser Probleme als langwieriger Prozeß gesehen, die bisherige Dominanz rein ökonomischer Effektivitätskriterien zugunsten ökologischer Erfordernisse zu überwinden c) „Ökologisierung der Produktion" als Prinzip der Naturnutzung Das Selbstverständnis des Sozialismus als längerfristig „einziger umweltkonformer Wirt-schaftsordnung" gründet sich auf die Marx-sehe Lehre vom „produktiven Stoffwechsel zwischen Natur und Gesellschaft"; insbesondere vereinzelte Äußerungen von Marx über die „Prinzipien effektiver Naturnutzung" werden heute zu einer sozialistischen Umwelt-lehre fortgeschrieben.

Danach unterliegt auch der Stoffwechselprozeß zwischen Natur und Gesellschaft wie jede historische Entwicklung dem Gesetz des Umschlags von quantitativen in qualitative Veränderungen. Als wichtigstes Kennzeichen der neuen Qualität dieser Wechselwirkung, die heute durch die Intensivierung des Stoffwechselprozesses erreicht ist, wird „der Eintritt der Menschheit in das Stadium der vollständigen Erschließung unseres Planeten" gesehen

Der Sozialismus reklamiert für sich, daß er in der Lösung der aus dieser Entwicklung folgenden Umweltprobleme überlegen sei, denn: „ . nur wer die Grundtendenz der zukünftigen Entwicklung vorauszubestimmen vermag, kann die sozialen und technisch-ökonomischen Entwicklungswege der Gesellschaft so miteinander abstimmen, daß das uralte Problem der Beziehungen zwischen Mensch und Natur immer wieder von neuem sinnvoll gelöst wird" Daraus wird gefolgert: „Zu grundsätzlichen, dauerhaften Lösungen ist prinzipiell nur der sozialistische Staat in der Lage, dem keine bornierten Sonderinteressen entgegenstehen und der seine konzentrierte wirtschaftliche Macht ausschließlich im Interesse der werktätigen Massen einsetzt, wobei dieses Interesse nicht zuletzt auch auf die Optimierung der Naturnutzung gerichtet ist."

„Optimierung der Naturnutzung" wird von den sozialistischen Ideologen im wesentlichen als „effektivere" oder „rationellere" Nutzung von Naturressourcen interpretiert, wobei wiederum Karl Marx auch für die Konkretisierung der dabei empfohlenen Wege wörtlich bemüht wird. So werden etwa aus Hinweisen von Marx im Zusammenhang mit der Erforschung der . Ökonomie des konstanten Kapitals'auf die Notwendigkeit zur „unmittelbaren Vernutzung, bis zum Maximum, aller in die Produktion eingehenden Roh-und Hilfsstoffe" sowie „Reduktion der Produktionsexkremente auf ihr Minimum“ und „Wiederbenutzung der Exkremente der Produktion" moderne Lösungsvorschläge für „Abproduktprobleme" (= DDR-Wort für „Abfall") und Recycling-Methoden abgeleitet Es erscheint nicht nur entwicklungsbedingt verständlich, sondern zugleich auch ideologisch symptomatisch, daß die Problematik von „Konsumtionsexkrementen“ in diesen theoretischen Analysen kaum zur Sprache kommt.

„Ökologisierung der Produktion" ist denn auch das Schlagwort, mit dem generell die Bemühungen um eine umweltfreundlichere Technologie etikettiert werden, worunter im weitesten Sinne „die Übertragung von Prinzipien und Mechanismen ökologischer Systeme und Produktionsprozesse" verstanden wird

Daß die sozialistischen Umweltideologen sich damit allerdings selbst auf die fernere Zukunft vertrösten, beweist ihr Eingeständnis: „Die geringen Erfolge bei den Bemühungen um eine Ökologisierung der Produktion zeigen an, daß sich die Natur ihre Geheimnisse nur stückweise und ganz allmählich entreißen läßt..

natürlich ergänzt durch den Hinweis, daß „...der Kommunismus dazu bessere Möglichkeiten aufweist als alle vorangegangenen Produktionsweisen" 3. Die Reaktion auf neuere Wachstums-und technologiekritische Ansätze im Westen Die Reaktion aus dem sozialistischen Lager auf die Problematisierung von Wirtschaftswachstum und technischem Fortschritt in der kapitalistischen Welt, wie sie sich besonders pointiert und publikumswirksam etwa in den Berichten des „Club of Rome" darstellt, beschränkte sich lange auf die pauschale Identifizierung und Abqualifizierung dieser Strömungen als typische Krisensymptome des Kapitalismus. Erst Mitte der 70er Jahre ist in der Zeitschrift des ZK der KPdSU, „Kommunist", von sowjetischen Gesellschaftskritikern die ideologische Diskussion der ökologischen Probleme in diesem Gesamtzusammenhang aufgenommen worden Auch in der DDR wurde quasi offiziell auf diese „bürgerlichen Weltmodell-Theorien" reagiert nachdem frühere Stellungnahmen zu diesem Problem-komplex eher als Außenseiter wenn nicht sogar als Dissidenten-Stimmen einzustufen sind. Im hier betrachteten Zusammenhang ist dabei zum einen von Interesse, wie weit und mit welchen Gegenvorstellungen die kritischen Denkanstöße aus dem Westen im Hinblick auf Wirtschaftswachstum und technischen Fortschritt von den sozialistischen Ideologen aufgenommen, möglicherweise akzeptiert oder gekontert wurden. Darüber hinaus ist zu fragen, ob und wie ähnliche Ansätze in der neueren theoretischen Diskussion im sozialistischen Lager „eingearbeitet''bzw. eigenständig verfolgt worden sind. a) Ideologisches Sperrfeuer gegen Fortschrittspessimismus Besonders aufschlußreich erscheint vor allem die Interpretation der „ideologischen Funktionen" der „Club of Rome" -Studien — sowie ausdrücklich auch aller anderen „ökologisch argumentierenden“ bürgerlichen Ideologievarianten — aus der Sicht der sozialistischen Gesellschaftstheorie, weil darin die Einseitigkeit der Auseinandersetzung mit den Grenzen von Wirtschaftswachstum und Umwelt besonders klar wird, die allein auf die Rechtfertigung der ideologischen Positionen des Marxismus-Leninismus sowie die Bekräftigung der These von der Überlegenheit des sozialistischen Systems abzielt.

Als wesentliche ideologische Funktionen dieser Theorien werden genannt:

— ...... durch den Übergang von der Wachstumseuphorie zum Wachstumspessimismus ... einen Zukunftsschock in Gestalt einer . ökologischen Psychose'auszulösen, der bei den Werktätigen die Bereitschaft wecken soll, die Kosten für die Beseitigung der einschneidenden Umweltschädigungen zu übernehmen, durch die die kapitalistische Produktionsweise sich mehr und mehr selbst bedroht ..

— .. . „die Vorbildwirkung der sozialistischen Länder zu neutralisieren, die ihre Überlegenheit auch auf ökologischem Gebiet unter Beweis stellen, indem sie hohe und stabile wirtschaftliche Wachstumsraten mit tatkräftiger und wirkungsvoller Arbeit in der Beseitigung von Umweltschäden vereinen ..

— ... „die Konstatierung und Prognostizierung verschiedener realer Gefahren im Verhältnis Gesellschaft-Natur und die Projektierung möglicher Teillösungen zu vereinen mit einer durch und durch illusionären Gesamtvorstellung über die generelle Lösung der Problematik, die von einem idealistisch-aufklärerischen Impetus getragen ist... Nachdem in dieser und ähnlicher Weise zunächst gewissermaßen die klassische ideologische Position des Marxismus-Leninismus gegenüber der westlichen Nullwachstums-und Ökologiedebatte markiert wurde, modifiziert man nun neuerdings — vor allem im Rahmen der genannten Diskussion im sowjetischen „Kommunist" — diese Position in der Weise, daß, gewissermaßen mit der Entdeckung des Gebiets der Ökologie als „wichtigem Bereich des antimonopolistischen Kampfes“, die strategische Losung ausgegeben wurde, die Chance der „Allianz der progressiven Kräfte" durch friedliche internationale Kooperation in Fragen des Umweltschutzes zu nutzen Damit verbunden wurden nun auch die westlichen Untersuchungen zumindest in wissenschaftlich-methodischer Beziehung gelobt und Zugeständnisse in der Würdigung des Anliegens der westlichen Wachstumskritiker gemacht ..... Die Marxisten würdigen nun, daß die z. B. von einer so angesehenen internationalen Gruppe wie dem römischen Club ins Blickfeld gerückte Aufgabe der weiteren Beschäftigung mit den Problemen der Umwelt zeitgemäß und rechtens ist.. .

Das ideologische Sperrfeuer gegenüber westlicher Wachstums-und Technologiekritik konzentriert sich dafür um so mehr auf den Punkt, daß die ökologische Kritik des Fortschritts unvermeidlich als neue Form der Verurteilung des Marxismus — „der kompromißlosesten Theorie des gesellschaftlichen Fortschritts — zu sehen sei: „... alle naturwissenschaftlichen und mathematischen Begründungen der Verderblichkeit des Fortschritts in den ökologischen Globalmodellen dienen objektiv genau diesem Zweck!“ Unbestreitbar bedeuten die Forderungen nach Nullwachstum und Drosselung des technischen Fort-Schritts eine zentrale Herausforderung für die Fortschrittsgläubigkeit der Marxisten; denn die damit aufgeworfenen Probleme der möglichen Endlichkeit der Beziehungen von Mensch und Natur stellen offenkundig die sozialistische Entwicklungstheorie in Frage, die ja gerade auf der Unbegrenztheit der Möglichkeiten der wissenschaftlich-technischen Revolution basiert

Demgegenüber halten die maßgeblichen sowjetischen Gesellschaftstheoretiker unangefochten am Fortschrittsoptimismus fest und bekräftigen, daß auch in Zukunft w .. systematisch prinzipiell neue Möglichkeiten für die Befriedigung neuer Bedürfnisse der Menschheit auftauchen" werden: .. d. h. die potentielle . Kapazität'unseres Planeten wächst ständig" Das Ansinnen einer Rückkehr zu einem natürlichen Gleichgewicht wird im Interesse der Entwicklung der menschlichen Gesellschaft klar zurückgewiesen: w .. wenn man anerkennt, daß der Mensch mit Recht die Ressourcen der Natur für sich nutzt, dann muß man solche Verletzungen des natürlichen Gleichgewichts, die im Verlaufe der Umgestaltung erfolgen und zur weiteren Entwicklung der Menschheit beitragen, als notwendig und nützlich ansehen"

Was aber zur „weiteren Entwicklung der Menschheit beiträgt“, also die Frage nach der Zielorientierung des Fortschritts, macht den entscheidenden Unterschied in der Einschätzung der Umweltproblematik im sozialistischen System gegenüber dem Kapitalismus aus: Danach dient „der Prozeß der zielgerichteten Umwandlung und Kultivierung der Umwelt im Sozialismus der allseitigen Entwicklung und wachsenden Befriedigung der materiellen und kulturellen Bedürfnisse der Arbeiterklasse und aller Werktätigen" und damit dem Wohl der „weiteren Entwicklung der menschlichen Gesellschaft" Demgegenüber habe im Kapitalismus Wirtschaftswachstum und technischer Fortschritt .....seine Haupt-triebfeder und sein entscheidendes gesellschaftliches Regulativ im Streben der Monopolbourgeoisie nach Maximalprofit" damit sei die krisenhafte Zuspitzung der Umweltproblematik im Kapitalismus unvermeidlich b) Eigene Varianten zur Wachstums-und Technologiediskussion im Sozialismus Nur am Rande kann hier noch auf einige Ansätze im sozialistischen Lager selbst hingewiesen werden, die von der oben skizzierten offiziellen ideologischen Linie gewisse Abweichungen zeigen bzw. zusätzliche Vorstellungen entwickeln.

Hier ist in erster Linie die Auseinandersetzung des DDR-Philosophen Wolfgang Harich mit der westlichen Wachstumsdiskussion und den ökologischen Besorgnissen sowjetischer Naturwissenschaftler anzuführen Wohl als erster marxistischer Wissenschaftler hat er sich leidenschaftlich und nahezu ohne Einschränkung für eine Wachstumsbegrenzung ausgesprochen. Seine zentralen Thesen, mit denen er weit in die Tabuzonen des orthodoxen Marxismus einbricht, lassen sich wie folgt zusammenfassen: Nur der Sozialismus kann die — vom Kapitalismus produzierte — ökologische Krise meistern, weil nur er das dafür notwendige Nullwachstum durchzusetzen vermag. Allerdings: Der kommunistische Traum vom allmählichen Absterben des Staates ist damit endgültig als Utopie entlarvt; denn nur ein starker und asketischer „Zuteilungsstaat" ist in der Lage, weltweit und auf Dauer für ein „wachstumsloses ökonomisches Gleichgewicht im Interesse der Erhaltung der Biosphäre" zu sorgen

Bemerkenswert in diesem Zusammenhang sind auch noch gewisse Varianten zu den sozialistischen Vorstellungen über eine Zukunftslenkung des wissenschaftlich-technischen Fortschritts: Generell wird ja für den Sozialismus reklamiert, daß er die Entwicklung von Wissenschaft und Technik planvoll im Interesse der Gesamtgesellschaft zuwege bringt, während im Kapitalismus „nicht die innere Logik der Technikgeschichte, sondern die Profit-interessen der Unternehmer die maßgebliche Instanz für die Steuerung des technischen Fortschritts" seien Dabei wird bekanntlich zugestanden, daß dem sozialistischen Gesellschaftssystem historisch keine andere Wahl bleibe, als die „dem Kapitalismus auf den Leib geschneiderten technischen Produktionsgrundlagen fast unverändert zu übernehmen" Energisch bestritten wird aber, daß die sozialistischen Länder mit dem Produktivkräftesystem zugleich auch die dazugehörige Wertordnung — „höchstmögliche quantitative Effizienz und Profitrate" — übernommen hätten: . diese hängt vielmehr von den Zielen der Gesellschaft ab, die diese objektiv verfolgt, und die im Kapitalismus und im Sozialismus grundverschieden sind!" Über allgemeine Absichtserklärungen in Richtung auf eine „Vermenschlichung" der Produktion durch „qualitative Veränderung" und „ökologische Korrekturen“ von Technik und Technologie gehen diese offiziellen Vorstellungen aber nicht hinaus

Weiterführende Ideen im Sinne einer umfassenden Revolutionierung der Produktionsweise, die sich nicht allein auf die Umwälzung der Eigentumsbeziehungen beschränken, finden sich vor allem bei westlichen Marxisten Sie wurden aber auch bereits in der ÖSSR während des Prager Frühlings Ende der 60er Jahre von einer Gruppe von Wissenschaftlern unter der Leitung von Radovan Richta entwickelt und als der sog. „Richta-Report“ veröffentlicht, den Robert Jungk eine Art „Kapital" des 20. Jahrhunderts genannt hat Als „Herausforderung an jede Form technokratischer Ideologie" wollte er ein „humanistisches Sozialismusmodell, das der marxistischen Konzeption entspricht", entwerfen das sich von der extensiven Industrialisierung weg und dem Konzept eines intensiven Wachstums zuwendet Wesentliche Grundlage dazu sollte ein „unvergegenständlichter technischer Fortschritt" sein, der im wesentlichen auf eine Humanisierung der Arbeit im Sinne einer Neuorientierung von Wirtschaft und Gesellschaft an menschlichen Bedürfnissen hinausläuft, insbesondere in Richtung auf eine Verstärkung von Elementen der Selbstbestimmung und -Verwaltung an den Arbeitsstätten. Die angestrebten „Wachstums-und Wesensveränderungen der modernen Wissenschaft werden durch Zusammenwirken von biologischen, technischen und sozialen Systemen erstrebt: „... ein solcher planvoller Fortschritt ist weder durch Technisierung der Politik noch Politisierung der Technik zu erreichen, sondern nur durch neue Wege der technologischen Entwicklung, in der politisch-technische Bereiche nicht vom menschlich-natürlichen abgetrennt sind"

Es war das erklärte Anliegen des Richta-Teams, das als „Brain Trust" der Prager Reformer fungierte (und mit diesen seinen Einfluß verlor), einen Beitrag zur Überbrückung „der Kluft zwischen einem technischen Pragmatismus des Alltags und einem ideologischen Dogmatismus für den Sonntag" in den Ländern des realen Sozialismus zu leisten

Eben diese Realität der alltäglichen Umwelt-problematik in sozialistischen Ländern gilt es nun in einem zweiten Schritt mit deren ideologischer Konzeption zu konfrontieren.

II. Zur realen Umweltsituation in sozialistischen Ländern

Tabelle 3: Quelle: M. Jänicke, Umweltpolitik in Osteuropa, a. a. O., S. 187

Wie gezeigt wurde, wird von der Ideologie rundheraus die Überlegenheit des Sozialismus in der Lösung der Umweltprobleme konstatiert und festgestellt, daß der Sozialismus bereits ein „neues Verhältnis zwischen Natur und Gesellschaft" geschaffen habe. Der Versuch einer Überprüfung dieser Position anhand der realen Umweltsituation in sozialistischen Ländern kann im Rahmen dieser überschlägigen Betrachtung und angesichts des Fehlens umfassender und systematisch ermittelter empirischer Erkenntnisse nur durch den Rückgriff auf die Ergebnisse anderweitiger, ihrerseits so umfassend wie nur möglich empirisch operierender Primäruntersuchungen erfolgen 71). Da, zumal in stark ideologisch fun-dierten Systemen wie den sozialistischen, für die Einschätzung der realen Verhältnisse weit weniger als Parteitagsproklamationen und gesetzliche Vorschriften die effektiven politischen Prioritäten und deren Niederschlag im praktischen Handeln von Bedeutung sind, erscheint es darüber hinaus sinnvoll, der um-weltpolitischen Alltagspraxis im Sozialismus auch anhand einiger exemplarischer Fälle nachzuspüren. Die weitgehende Beschränkung auf die Verhältnisse in der UdSSR, mit einigen Seitenblicken auf die DDR, ist im Rahmen dieses Beitrags zwar auch durch dessen Umfang geboten; im Hinblick auf die Konfrontierung der Realität mit den Ansprüchen der Ideologie stellt aber das „Mutterland des Sozialismus" ohnehin das bestgeeignete Anschauungsobjekt dar. 1. Systemspezifische Bedingungen und Trends der Umweltbelastung Unter den Bestimmungsgründen der Umweltbelastung ist zweifellos im Rahmen dieser auf systemspezifische Faktoren gerichteten Betrachtung vor allem die fndustrie-und Branchenstruktur eines Landes aufschlußreich, da sie — zumal unter den Bedingungen zentraler sozialistischer Planung und Steuerung des Industrialisierungsprozesses — ökologische Vorsorge als Gestaltungsprinzip erkennen lassen könnte

Selbst eine sehr überschlägige Betrachtung zeigt jedoch, daß die UdSSR alles andere als eine „ökologisch optimale Industrie-und Branchenstruktur" aufzuweisen hat: Bei einem relativ hohen Anteil des Primärsektors (Land-und Forstwirtschaft, Fischerei) am Bruttosozialprodukt und einem relativ unterentwik-kelten tertiären Bereich — der allerdings im statistischen Bild durch Ausklammerung bestimmter „unproduktiver" Dienstleistungen systematisch zu kurz kommt — dominiert der gewerbliche Sektor mit nahezu einem Zweidrittel-Anteil am Bruttosozialprodukt ganz offenkundig. Dabei fällt diese relative Überindustrialisierung im Vergleich zu westlichen hochentwickelten Volkswirtschaften auch bei den anderen COMECON-Ländern als Strukturmerkmal ins Auge (vgl. Tab.1). Im Hinblick auf die ökologische Relevanz dieses Tatbestandes ist aber zusätzlich die interne Strukturierung dieses mächtigen Industriesektors in den sozialistischen Ländern, vor allem aber in der UdSSR, zu beachten. Hier dominieren ganz eindeutig die schwerindustriellen Bereiche sowie — und dies neuerdings im zunehmenden Maße — Chemie-, Papier-und Mineralöl-Industrie und der gesamte Bereich der Ener-

giegewinnung, vom Kohlebergbau, der Erdöl-und Erdgasgewinnung bis zu Kraftwerken aller Art’ also die „verschmutzungsintensiven" Industriezweige; dies ist ein Trend, der auch durch die die weitere Entwicklungsrichtung bestimmenden Zukunftsplanungen für die UdSSR nicht erkennbar korrigiert wird. Auch für die DDR heißt es, daß es vor allem die Schaffung „..der eigenen schwerindustriellen Basis der sozialistischen Gesellschaft“ war, die „. Probleme für die Entwicklung der natürlichen und gebauten Umwelt“ hat entstehen lassen’

Dieses Übermaß an umweltbelastenden industriellen Produktionen wird dadurch noch potenziert, daß, durch technologische und andere Defizite bedingt, laut Insider-Urteil aus der UdSSR „... die sozialistische Wirtschaft pro Wareneinheit die doppelte Menge an Luftverschmutzern produziert“ wie etwa die amerikanische In diesem Zusammenhang wird festgestellt, daß z. B. — dank intensiverer Nutzung und schlechterer Motorwartung — die sowjetischen Autos die Umwelt im Durchschnitt annähernd viermal so stark vergiften wie amerikanische Autos.

Neben schlicht machtpolitisch motivierten Rüstungsinteressen sind für die forcierte und einseitig — ohne Rücksicht auf negative Umwelteffekte — betriebene Industrialisierungspolitik der UdSSR wiederum vor allem ideologische Beweggründe bestimmend gewesen: Denn mit ihr wurde im Eiltempo eine nach Marx die sozialistische Revolution von 1917 allein als solche legitimierende sozial-ökonomische Grundlage „nachgeschaffen“ (nämlich: Entwicklungsstadium des industriellen Kapitalismus, Existenz einer Industriearbeiterschaft als Proletariat) ’ Im fortdauernd von Politikern und Ideologen des Sozialismus proklamierten Wettkampf der Systeme handhabt die sowjetische Führung das industrielle Produktionsvolumen immer noch als bevorzugte Meßlatte sozialistischer Erfolge im Aufholen gegenüber den kapitalistischen Industrieländern”). Zweifellos hat eben diese beschriebene, ideologisch fundierte Überindustrialisierungstendenz die ökologie-politischen Start-vorteile stark relativiert — wenn nicht sogar H. Dahm, aaO. S. 4f. überkompensiert —, die in den sozialistischen Ländern — vorerst — feststellbar sind weniger Verstädterung, weniger Motorisierung, weniger privater Güter-und Energieverbrauch etc. Diese sind allerdings eben nicht „geplant", sondern werden als „Entwicklungsrückstände" angesehen, deren Annäherung an westliche Standards ja gerade die ganze Kraftanstrengung der sozialistischen Länder gilt!

Diesen und anderen Belastungsfaktoren steht in den sozialistischen Ländern eine sehr unterschiedliche Umweltkapazität gegenüber: Während diese in der weiträumigen und mit Wasser und sonstigen natürlichen Ressourcen gut ausgestatteten UdSSR kaum Grenzen erkennen läßt, sind z. B. in der dichtbesiedelten DDR Umweltengpässe — etwa bei der landwirtschaftlich nutzbaren Bodenfläche,, der Wasser-, Energie-und Rohstoffversorgung — von vornherein evident

b) Rücksichtslose Verwertung und Umgestaltung

der Natur Während man in der DDR z. B. über die Einführung des „ökonomischen Hebels" einer Bodennutzungsgebühr — ungeachtet aller ideologischen Bedenken — auf eine rationelle Nutzung des knappen Bodens hinzuwirken versucht, herrscht im . Mutterland des Sozialismus'nach wie vor die Tendenz zu einer exzessiven und wenig haushälterischen Verwertung der — ja „wertlosen“ — Naturschätze aller Art vor, zu gigantischen Projekten zur Unterwerfung und Korrektur „tausend Jahre alter Mängel der Natur“ ob es sich nun um Landschaftsumgestaltung durch die Umleitung von Flußläufen, um großräumige Bodenmeliorationen oder um die „Beerdigung" gewaltiger Landmassen (bisher bereits von der vierfachen Größe Belgiens!) zur Gewinnung von Wasser-kraft handelt. Es kommt darin eine Haltung zum Ausdruck, die wohl als „... tief in der Symbiose von sozialistischem Pioniergeist und dem ideologisch motivierten Glauben an die absolute Beherrschbarkeit der Natur durch den Menschen" verwurzelt angesehen werden muß c) Indizien der Umweltbelastung Da es keinen umfassenden „Generalindikator" für die Umweltbelastung in einem Lande gibt, können hier nur zwei Hilfsgrößen zur Kennzeichnung von Niveau und Trend der Umwelt-Belastung in der sozialistischen UdSSR angeführt werden:

— Es ist dies zum einen der Tatbestand, auf den sowjetische Ökonomen schon 1974 hingewiesen haben, daß die Kosten der Umweltbelastung in der UdSSR ... „schneller steigen als das Nationaleinkommen und die Investitionen in der Produktion“ — so wie bereits seit über zehn Jahren in den deswegen von den sozialistischen Ideologen häufig an den Pranger gestellten USA.

— Es ist dies zum anderen ein „statistisch umschriebenes Gesamturteil zum internationalen Stand der Defizite an Umwelt-und Lebensqualität", als das die Entwicklung der durchschnittlichen Lebenserwartung der Menschen in Industrieländern mit einiger Berechtigung herangezogen werden kann Während in manchen westlichen Industrieländern hier, zumindest bei den Männern, ein leicht rückläufiger Trend festzustellen ist — allerdings nicht bei den in der Tabelle 2 aufgeführten kapitalistischen Ländern USA und Bundesrepublik Deutschland —, ist dieser Trend in allen COMECON-Ländern recht ausgeprägt vorhanden, wobei er in der DDR — mit ihrer hohen industriellen Frauenbeschäftigung — sogar auch die weibliche Bevölkerung erfaßt hat möglicherweise „soziale Kosten" einer spezifischen industriellen Entwicklung, die mitnichten in Geld zu beziffern sind! 2. Maßnahmen sozialistischer Umweltpolitik Im Rahmen dieses Beitrags muß sich eine Betrachtung der konkreten Maßnahmen soziali-stischer Umweltpolitik darauf beschränken, Ziele und Mittel dieser Politik überschlägig zu kennzeichnen, mit denen der sozialistische Staat den als „Grundinteresse der Gesellschaft" proklamierten Umweltschutz in die Wirklichkeit umsetzt.

Angesichts des allenthalben — und dies nicht nur, aber im besonderen Maße in sozialistischen Systemen — feststellbaren Vollzugsdefizits im Umweltschutz besagen Verfassungsartikel, Parteitags-und ZK-Beschlüsse und auch gesetzliche Regelungen wenig über die umweltpolitische Praxis, zumal diese meist nur den Charakter allgemeiner Willensbekundungen haben. Auf die nähere Referierung der sowjetischen Natur-und Umweltschutzbestimmungen kann deshalb hier verzichtet werden Statt Absichtserklärungen sollen nur einige auf Erfahrungen begründete Erkenntnisse über die Praxis des Umweltschutzes vermittelt werden. a) Normen und Ziele als Idealvorstellungen Zumindest für die UdSSR wird festgestellt, daß ... „die Perspektivplanung der Umwelt-qualität noch immer kein Bestandteil des einheitlichen Systems der Volkswirtschaftsplanung ist" Geplant werden allenfalls Um-

weltschutzmaßnahmen als solche (Kläranlagen usw.), nicht aber die angestrebten Ergebnisse dieser Maßnahmen. Die im System der sozialistischen Planwirtschaft prinzipiell gebotene Möglichkeit, „eine planerische Ziel-Mittel-Relation zwischen den im konkreten Fall an die Sauberkeit der Umwelt zu stellenden Ansprüchen und den vorgesehenen Maßnahmen herzustellen" wird also nicht in die Praxis umgesetzt.

Auf der gleichen Ebene liegt die Feststellung in dem anonymen Bericht eines sowjetischen Naturschutzspezialisten........ In der Sowjetunion existiert für viele Verunreinigungssubstanzen der strengste Normenindex auf der Welt, er wurde auch früher als in allen großen Ländern des Westens verabschiedet. Trotzdem blieben diese rigiden MIK-Werte (= maximal zulässige Immissionskonzentration) insgesamt eine gewisse Abstraktion, ein Ideal, das die Industrie anstreben sollte. Oder, wie die Theoretiker sagen, sie müsse sich schrittweise annähern, von 5-Jahresplan zu 5-Jahres-plan"

Ein weiteres Beispiel: „Während der öffentlichen Debatte über den Entwurf einer Wasser-gesetzgebung für die UdSSR und die Unionsrepubliken wurde wiederholt eine Gebühr für die Wassernutzung gefordert. Als jedoch die endgültige Fassung des Wasserschutzgesetzes verabschiedet wurde, war es bei der kostenlosen Nutzbarkeit von Wasser geblieben." Besonders aufschlußreich für die „Rationalität“ solcher umweltpolitischen Entscheidungen ist dabei die ergänzende Anmerkung zu diesem Fall, daß diese Regelung vor dem Obersten Sowjet vom Vertreter der Expertenkommission mit der lapidaren Feststellung erläutert worden sei...... daß man die Vorschläge bezüglich der Einführung einer Wassergebühr nicht habe akzeptieren können. Gründe dafür nannte er nicht" Daß es eindeutig ideologische Bedenken sind, die diese umweltpolitische Maßnahme diktiert — bzw. in diesem Falle verhindert — haben, braucht nach der vorangegangenen Darstellung wohl kaum ergänzt werden! Nur: was bedeuten angesichts einer solchen Praxis dann noch so eindrucksvolle, aber unverbindliche Absichtserklärungen und Maßnahmenkataloge zur „rationelleren Ressourcennutzung' oder auch zur „Ökologisierung der Produktionstechnologie" wenn keine entsprechenden Taten folgen? b) Mittel und Strategien Da keine verläßlichen Zusammenstellungen der gesamten finanziellen Aufwendungen für den Umweltschutz in der UdSSR vorliegen, ist auch die Aussagekraft eines internationalen Vergleichs dieser Mittelaufwendungen nur sehr vorsichtig einzuschätzen (vgl. Tab. 3), demzufolge die sozialistischen Länder am untersten Ende dieser Skala rangieren. Allerdings sprechen die seit Jahren und in allen COMECON-Ländern wiederholten Hinweise auf die „unzureichende materiell-technische Basis des Umweltschutzes" für die Richtigkeit dieser Rangfolge und damit eindeutig auch für die immer noch geringe politische Priorität von Umweltschutzinteressen in den sozialistischen Staaten. Wenn man in der DDR die Umweltpolitik ganz betont unter das Motto „Mobilisierung der inneren Reserven" stellt dann heißt das im Klartext, daß Umweltschutz möglichst nichts kosten soll. Dem entspricht auch die Favorisierung administrativer Maßnahmen im Umweltschutz (behördlicher Vorschriften in Gestalt von Geund Verboten etc.) gegenüber solchen, die man im sozialistischen Sprachgebrauch als umweltspezifische „ökonomische Hebel" bezeichnet, bei denen durch Verknüpfung eines bestimmten Tuns bzw. Unterlassens mit finanziellen Konsequenzen ein umweltfreundliches Verhalten der Betriebe stimuliert werden soll

Insgesamt sind die Lösungsansätze sozialistischer Umweltpolitik ganz vorwiegend als Maßnahmen „nachträglicher Entsorgung" zu charakterisieren — sehr im Widerspruch zur theoretisch möglichen und ideologisch postulierten „planenden Vorsorge“ sozialistischer Systeme, und insoweit keineswegs anders ansetzend als der Umweltschutz in den kapitalistischen Industrieländern c) Ergebnisse und Erfolge Nach alledem muß die Beurteilung der Ergebnisse und Bewährung sozialistischer Umweltpolitik in der Praxis völlig offen bleiben. Die Trendentwicklung zumindest der wichtigsten die Umweltqualität insgesamt konstituierenden Einzelindikatoren wie Luft, Wasser und Boden kann im folgenden nur durch Übernahme einiger Ergebnisse aus einem systematischen Vergleich der umweltpolitischen Erfolge der entwickelten kapitalistischen und sozialistischen Industriegesellschaften in den 70er Jahren aufgezeigt werden

— Die sozialistischen Länder Osteuropas ..... wiesen insgesamt eine höhere Lufbrerschmutzung der Industriestädte auf, ihre Umweltschutzmaßnahmen wurden allgemein später wirksam, führten insgesamt zu einer durchschnittlich eher langsameren Emmissionsverminderung, und vor allem: es gibt eine Reihe von Städten, in denen Maßnahmen überhaupt nicht wirksam wurden". Besonders verwiesen wird auf die Entwicklung der Luft-belastung in Moskau, die von extrem hohen Werten im Jahr 1956 in einem'„einmaligen Tempo" durch „drastische und wirksame Umweltschutzmaßnahmen" so verbessert wurde, daß heute die sowjetische Hauptstadt in ihrer Luftqualität als nahezu vorbildlich gilt: ein Beispiel, das zeigt,... „wie wirksam das den sozialistischen Industriegesellschaften verfügbare umweltpolitische Instrumentarium ist, wenn es tatsächlich eingesetzt wird".

— Noch schwieriger ist eine Erfolgskontrolle auf dem Gebiet der Wasserverschmutzung „... eine systematische Verbesserung der Binnengewässer des gesamten Landes, wie sie — bei allem Vorbehalt — in Schweden, aber auch in Großbritannien und in den USA erzielt wurde, ist bisher offensichtlich in keinem COMECON-Land erreicht worden". Allenfalls läßt sich aus einzelnen Zustandsbeschreibungen schließen, daß es in den meisten sozialistischen Ländern gelungen ist, „die Verschlechterung der Gewässersituation aufzuhalten".

— Die Ergebnisse im Kampf gegen Bodenerosion und Landschaftssch'Aden sind erst recht nicht pauschal zu erfassen, lassen aber nach den verfügbaren Berichten sicher noch keine Tendenzwende erkennen; denn die umfangreichen Bodenmeliorationen im Gefolge der Neulandkampagne von Chruschtschow haben zwar, selbst nach offizieller Berichterstattung, „kaum Produktionszuwächse", wohl aber umfangreiche Erosionsschäden an etwa einem Viertel der landwirtschaftlich nutzbaren Bodenfläche der UdSSR zur Folge gehabt. Diese Entwicklung hat den Witz provoziert: Die Melioratoren haben die Losung ausgegeben: Verwandeln wir den ganzen Sumpf in Wüste!

Die Bilanz der RekultivierungserloX^e gibt ebenfalls wenig Anlaß zum Jubeln: Zwar ist nach offiziellen Angaben die Gesamtbodenfläche, die jedes Jahr in der UdSSR „wieder in Ordnung gebracht" wird, auf 8— 12 000 Hektar anzusetzen, aber „... das sind 8— 12% dessen, was Bergwerke, Zechen und Tagebau jährlich zunichte machen! Ähnliches wird für das Ungleichgewicht zwischen Abholzung und Wiederaufforstung der Waldflächen berichtet: w .. die Übererfüllung der Planauflagen für den Holzeinschlag wird auf jede Weise gefördert, während die Wiederaufforstung der Wälder oft nur platonisch betrieben wird!"

Angesichts dieser — zugegebenermaßen alles andere als systematisch erfaßten — Stichproben, im sowjetischen Umweltschutz belegen, erscheint der Anspruch der sozialistischen Umweltideologen um so wirklichkeitsfremder, nach dem die prinzipielle Überlegenheit der sozialistischen Ordnung in diesem Bereich nicht nur im Inhalt und in der Zielsetzung der juristischen Normen für den Umweltschutz zum Ausdruck komme, sondern gerade auch darin....... daß der sozialistische Staat und die übrigen sozialistischen Überbauinstitutionen in der Lage sind, die juristischen Fixierungen auch tatsächlich durchzusetzen"

Weitere Beispiele können aber immerhin, wenn sie auch im genannten Sinn keine ausreichenden empirischen Belege darstellen, so doch exemplarisch die konkrete Handhabung sozialistischer Umweltpolitik verdeutlichen, was im folgenden anhand von zwei Fällen ge-) schehen soll: 3. Exemplarische Fälle zur umweltpolitischen Praxis in der UdSSR a) Der Baikalsee — Beweis für den schonenden Umgang mit der natürlichen Umwelt im Sozialismus oder Umwelt-Tragödie?

Dieser Fall hat wie kein anderes Umweltproblem im sozialistischen Machtbereich sowohl in der sowjetischen als auch in der internationalen Öffentlichkeit Aufsehen erregt. Er ist nicht nur in seinen ökologischen Dimensionen besonders spektakulär, sondern auch in der Art und Weise seiner technologischen wie auch gesellschaftlichen „Bewältigung" sympto-matisch zumal er zwar eines der offiziellen „Paradepferde" der sowjetischen Propaganda als „Beweis für den schonenden Umgang mit der natürlichen Umwelt im Sozialismus" darstellt, an ihm sich aber auch die Umweltdiskussion in der sowjetischen Öffentlichkeit entzündet und in der Folge am lebhaftesten und nachhaltigsten artikuliert hat.

Anfang der 60er Jahre hatte der damals gerade begonnene Bau von zwei riesigen Zellstoff-und Papierkombinaten an den Ufern des Baikalsees im südlichen Zentralsibirien sowie der Kahlschlag großer Waldflächen in der umliegenden Region lebhafte Proteste renommierter sowjetischer Wissenschaftler und Literaten ausgelöst. Sie richteten sich gegen die Gefährdung des empfindlichen ökologischen Gleichgewichts im Bereich des Baikalsees, der mit seinem Reichtum an einmaligen Pflanzen-und Tierarten in der Welt einzigartig und zudem — ganz abgesehen von der vielgerühm-ten landschaftlichen Schönheit des „Heiligen Meeres" — ein Süßwasserreservoir vorzüglichster Qualität darstellt, dessen Umfang, etwa dem der Ostsee entsprechend, auf ein Fünftel aller Weltvorräte geschätzt wird. Daß die Baikal-Projekte trotz massiver und prominenter Expertenkritik — unter anderem auch einer eigens gegründeten Gutachterkommission der Akademie der Wissenschaften in Moskau — unangefochten weitergeführt wurden, ist nicht zuletzt auf ihr „strategisches Interesse" zurückzuführen Die Baikal-Zellstoff-und Papier-Kombinate (BZBK) sollten ein besonders haltbares Cordgewebe für die Zwischenlagen in den Reifen schwerer Bombenflugzeuge produzieren; diese Technologie erforderte gewaltige Mengen allersaubersten Wassers.

Immerhin suchte man von Seiten der sowjetischen Führung in diesem Fall den Eindruck zu vermeiden, daß man der öffentlichen Meinung — wie sonst üblich — einen Maulkorb Umhängen wollte: die Expertengutachten wurden aber so lange entschärft, variiert und manipuliert, bis sie die Umweltwirkungen der Kombinate nicht mehr als so verheerend wie zu Beginn befanden, sondern die von der Regierung zum Schutz des Baikals ergriffenen (bzw. versprochenen) Maßnahmen für effektiv und insgesamt ausreichend erklärten und auf diese Weise die Öffentlichkeit beruhigen konnten. 1977, zehn Jahre nach Inbetriebnahme der Kombinate, stellte eine neue Baikal-Sonder-kommission der Akademie der Wissenschaften in ihrem Rechenschaftsbericht fest, daß sich der ganze See „am Rande des Umkippens" befände. Denn wie aufgrund wissenschaftlicher Untersuchungen von Anbeginn zu befürchten gewesen war, hatte auch der Bau modernster Kläranlagen die „Baikal-Tragödie” allenfalls hinauszögern können. Das empfindliche ökologische Gleichgewicht des Sees ist irreversibel gestört — bedingt durch dessen zentralen und zugleich anfälligsten Faktor, einen winzig kleinen Krebs mit dem Namen „Epischura", der zugleich als erstes Glied in der Nahrungskette der gesamten Fauna und als wirksamster biologischer Wasserfilter im See fungiert, aber offenkundig in den „gereinigten" BZBK-Abwässern nicht lebensfähig ist

..... Die Millionen Rubel, die in die Baikal-Kläranlage gesteckt wurden, haben zwar nur einen unerheblichen biologischen, dafür aber höheren propagandistischen Nutzeffekt als erwartet" denn sie sichern mit ihrer . Schaufenster-Wirkung’ die fortgesetzte Beruhigung der Öffentlichkeit, unterstützt von beschwichtigenden Reden, wie etwa auf dem 25. Parteitag der KPDSU (1976): „... um das Schicksal des Baikal, Genossen, brauchen wir uns keine Sorgen zu machen. Darüber wachen ständig das ZK der Partei und die sowjetische Regierung, die Werktätigen des Transbaikal-Raumes und Baikal-Küstengebiets!" Die von der Regierung zugesicherten Umweltschutz-maßnahmen wurden im wesentlichen nur soweit in die Tat umgesetzt, als sie propagandistisch verwertbar, d. h. als Errungenschaften des Sozialismus vorzeigbar waren, wobei sie sich in ihrer umweltschützenden Effektivität z. T. als „Potemkinsche Dörfer" erwiesen. Auch Wiederaufforstungsnormen nach der Regierungsverordnung , zur rationelleren Nutzung der Naturschätze des Baikal-Beckens'von 1966 stehen im wesentlichen nur auf dem Papier („ist ein Baum gefällt, werden zwei gepflanzt!"), zumal die Brandanfälligkeit der abgeholzten Baikal-Taiga die Waldvernichtung in der Region völlig unplanmäßig potenziert. Fachleute schätzen ein Verhältnis von 1 ha Aufforstung auf 100 ha Waldvernichtung als ziemlich realistisch"

Mit der fortschreitenden Verschmutzung des Baikal-Sees wurde zugleich die Arbeit der Zellstoff-Kombinate selbst beeinträchtigt, weil deren Produktionszweck — wie bereits erwähnt — allersauberstes Wasser voraussetzte. Allerdings war dieser entscheidende Grund für das gesamte Baikal-Projekt ohnehin bei dessen Fertigstellung 1964 bereits entfallen, weil inzwischen der Spezialcord auch aus Erdöl gewonnen werden kann Der Baikal-See als Standort-und Produktionsbedingung ist also in jeder Weise „hinfällig“ geworden!

Doch der Prozeß der industriellen Erschließung und mit ihm der Baikal-Ruin schreitet unaufhaltbar fort: Am Cholodnaja-Fluß, an der Nordecke des Baikal-Sees, ist im vergangenen Jahr ein neuer großer Industriekomplex in Betrieb genommen worden, der verschiedene Produktionsbereiche der ökologisch besonders gefährlichen Buntmetallurgie (Blei-und Zinkbergwerke sowie dazugehörige Aufbereitungsfabriken) umfaßt. Im Vergleich zu seinen Abwässern, so stellt der sowjetische Berichterstatter resigniert fest, „... werden sich wahrscheinlich die Baikalsker-Kombinat-Abwässer als harmloses Selterswasser entpuppen ...! und: w .. bis heute ist nicht eine Zeile über die ökologische Gefährlichkeit des Baukomplexes an der Cholodnaja in der Presse durchgesik-kert“" b) Kernenergienutzung—gesellschaftlich ungebremste Expansion nach Maßgabe von Technik und Ökonomie Unbeirrt von Bürgerprotesten und Zweifeln, wie sie in den westlichen Industrieländern den Ausbau der Kernenergie vielfach gebremst haben, betreibt die sowjetische Energiepolitik die planmäßige Expansion des Nuklearsektors mit dem Ergebnis, daß die UdSSR in der Gesamtkapazität der Atomkraftwerke unter den europäischen Ländern heute bereits an erster Stelle liegt" Nach den sowjetischen Projektionen soll der Anteil von 10%, den die Kernenergie 1980 an der gesamten Energieversorgung des Landes westlich des Urals hatte, durch den forcierten Neubau von Atomkraftwerken bis 1990 auf 30% gesteigert werden. Dies ist eine energiepolitische Konzeption, die vor allem der Tatsache Rechnung trägt, daß der weit überwiegende Teil der Bevölkerung und Industrien der Sowjetunion auf ihrem europäischem Territorium konzentriert ist, während rund 80% der traditionellen Energiequellen der UdSSR jenseits des Urals liegen, deren rationelle Nutzung schon durch das Transportkostenproblem stark erschwert wird.

Aus westlicher Sicht bemerkenswert — und von manchen Kernkraftbefürwortern hierzulande gar mit unverhohlenem Neid vermerkt — ist die Tatsache, daß der forcierte Ausbau der Kernenergiewirtschaft seitens der Bevölkerung in den betroffenen Gebieten der Sowjetunion bisher keine erkennbaren Abwehr-reaktionen hervorgerufen hat: Ängste im Hinblick auf Sicherheit und Umweltrisiken der Nukleartechnik scheinen kaum, hingegen Vertrauen, ja sogar Stolz auf die ökonomische Vernunft und technische Perfektion um so stärker das öffentliche Bewußtsein zu bestimmen. Dies ist nicht zuletzt Folge einer Informationspolitik, der es bisher gelungen ist, das Bild der objektiven Umweltrisiken der Kernenergie-wirtschaft geschickt zu manipulieren bzw. geheim zu halten. So wurde etwa die Explosion einer Atommüll-Deponie 1958 bei Tscheljabinsk erst in den 70er Jahren durch den Bericht eines nach Großbritannien emigrierten sowjetischen Wissenschaftlers publik, ein Unglück, bei dem w.. mehr als 1 000 qkm eines Kreises im Südural damals durch radioaktive Produkte, d. h. Reaktorabfälle, verseucht, Hunderte von Menschen ums Leben kamen, Tausende evakuiert und in Krankenhäuser eingewiesen wurden ... Ein großes Gebiet eines industriell entwickelten Distrikts blieb über Jahrzehnte hinaus Gefahrenzone""

Konnte dieses Desaster im eigenen Lande von den sowjetischen Behörden und Medien in einer „Verschwörung des Schweigens" zugedeckt werden (an der sich nach Darstellung von Medwedjew interessanterweise auch der amerikanische Geheimdienst CIA stillschweigend beteiligte!), so stellt sich die informationspolitische Behandlung der Beinahe-Atom-Katastrophe im amerikanischen Harrisburg vom März 1979 in der sowjetischen Öffentlichkeit in einem anderen Licht dar. Nach einer anfangs außerodentlich zurückhaltenden Berichterstattung in den sowjetischen Massenmedien folgten später von verschiedenen Seiten gleichlautende Begründungen des Vorfalls mit dem Tenor, daß das Unglück „der Profitgier der Monopole" anzulasten sei, die „zur Vernachlässigung von Sicherheitsmaßnahmen am Reaktor geführt hätten" dies ist eine Version, die mit Vorliebe auch zur Begründung des Widerstands breiter Bevölkerungskreise in westlichen Industrieländern gegen die Kernkraftwerke herangezogen wird. Es soll damit generell der Eindruck erweckt werden, als ob die Sicherheitsfrage bei der Kernenergienutzung ein systemimmanentes Problem des Kapitalismus sei.

„Sicher und sauber, sparsam und fortschrittlich, umweltfreundlich und volksnah" — das sind hingegen die vorherrschenden Attribute, mit denen in der UdSSR die friedliche Nutzung der Kernenergie im eigenen Lande der Bevölkerung präsentiert wird Atomkraftwerke sind demnach im sowjetischen Einflußbereich nicht nur sicherer sondern ihre schnelle Entwicklung wird auch als Ausdruck der Überlegenheit des sozialistischen Systems hingestellt.

Bisher aufgetretene Schwierigkeiten bei der Planerfüllung des ehrgeizigen Kernenergie-programms sind offiziell allenfalls im Hinblick auf Engpässe finanzieller und technologischer Art eingestanden worden; hingegen gilt z. B. das Entsorgungsproblem offiziell als „zuverlässig ingenieurtechnisch gelöst“

Daneben gibt es in den letzten zwei Jahren unter akademischen . Insidern'eine — allerdings nach westlichen Maßstäben äußerst moderat — kritisch geführte Diskussion über die ökologischen Risiken der Kernenergienutzung; diese Diskussion wird aber im wesentlichen in Fachzeitschriften unter Ausschluß der Offentlichkeit geführt. Allerdings wurde auch im September 1979 im „Kommunist" von zwei sowjetischen Wissenschaftlern, dem Akademiemitglied N. Delleshai und dem Ökonomen Ju. Karjakin, die Frage aufgeworfen, ob nicht die gegenwärtige Standortplanung für KKW bald die „ökologische Kapazität" der aus Gründen der Verbrauchernähe vorgesehenen Region westlich der Wolga erschöpfen würde; stattdessen wurde die Errichtung riesiger „Kernenergetischer Komplexe" — unter Einschluß von Anreicherung, Wiederaufbereitung und Endlagerung — in den dünner besiedelten und zugleich mit hinreichenden Wasserressourcen ausgestatteten Gebieten im Norden der Sowjetunion vorgeschlagen

Diese Gedankengänge sind in der innersowjetischen Diskussion nicht neu: Der Nobelpreisträger Kapiza hatte bereits 1975 in seiner Rede zum 250jährigen Bestehen der sowjetischen Akademie der Wissenschaften vorgeschlagen, daß Reaktoren nur noch auf unbewohnten Inseln im hohen Norden gebaut werden sollten. Diese Rede war damals in der sowjetischen Presse jedoch nicht veröffentlicht worden

Immerhin zeigt die sich neuerdings ausweitende Expertendebatte, daß die Beurteilung der Umweltproblematik im Zusammenhang mit der Kernenergienutzung nicht einstimmig so optimistisch ist, wie die offiziellen Verlautbarungen es vorgeben. Allerdings ist damit keinesfalls schon eine Wende in der sowjetischen Atomenergieplanung eingeleitet: Die Massenmedien machen die Sowjetbürger weiterhin glauben, .....der beste Beweis für die größere Sicherheit von Kernkraftwerken im Sozialismus ist eben die Tatsache, daß Atommeiler in der UdSSR auch in dichtbesiedelten Gebieten gebaut werden“

Demgegenüber steht die Feststellung des bereits erwähnten, heute in London lebenden ausgebürgerten sowjetischen Biologen Medwedjew in einem kürzlich veröffentlichten Interview ..... Es gibt (in der UdSSR) eine Anti-Atom-Bewegung, die sich zwar nicht offen zeigt, aber an ihren Folgen zu erkennen ist“. Als Beispiele solcher erkennbaren Folgen nennt Medwedjew die Verzögerung von Bau-programmen, die Arbeitsverweigerung in Kernkraftwerken, die Abneigung gegen kernkraftwerknahe Wohnlagen: . Diese Tatsachen werden zwar nicht erwähnt, aber sie exi-stieren! 4. „Umweltbewußtsein" im Sozialismus:

Mobilisierung — Manipulierung — Ignorierung a) Umweltpolitik als Informationspolitik . Die marxistisch-leninistischen Parteien der sozialistischen Länder tragen ... dafür Sorge, daß die ökologischen Probleme vom gesellschaftlichen Bewußtsein in ihrer tatsächlichen Bedeutung erfaßt werden ..." „... Der Sozialismus hat bereits in der Praxis gezeigt, daß ... ein prinzipiell neues Verhältnis der Gesellschaft zur Natur geschaffen werden kann! 3 Nicht nur diese Kernsprüche sozialistischer Umweltideologen, sondern insbesondere auch die skizzierten exemplarischen Fälle aus der umweltpolitischen Praxis verweisen auf die zentrale Rolle eines „gesellschaftlichen Umweltbewußtseins“. Dieses Bewußtsein — im Sinne eines Gefühls der persönlichen Verantwortung des einzelnen für die Umweltbedingungen — planmäßig zu fördern, wird daher als vorrangige Aufgabe sozialistischer Um-

weltpolitik gesehen, die mehrfach in Beschlüssen höchster Parteigremien unterstrichen worden ist Auch wenn die Feststellung, die umweltpolitische Propaganda sei „der in der Sowjetunion einzige wirklich funktionierende Bereich des Umweltschutzes“ sicher nicht frei ist von polemischer Übertreibung, so ist doch die Schlüsselrolle der Informationspolitik bei der „Herstellung" dieses anvisierten sozialistischen Umweltbewußtseins nicht zu übersehen. Gerade am Baikal-Fall wurde im Prinzip deutlich, daß Gesichtspunkte propagandistischer Effektivität häufig eher über die Durchführung von Umweltschutzmaßnahmen entscheiden als ökologische oder ökonomische Erfordernisse und daher eine systematisch ansetzende und umfassende Lösung von Umweltproblemen verhindern.

Die Mobilisierung der öffentlichen Meinung in Richtung auf einen bewußtseinsverändernden sozialen Lernprozeß wird zweifellos durch die sehr restriktive und selektive Handhabung der Informationspolitik stark behindert, desgleichen durch die Tendenz, die eigene Umweltbedrohung gegenüber derjenigen im Kapitalismus möglichst herunterzuspielen oder gar zu verschweigen. TASS berichtet zwar unverzüglich und detailliert über Umweltprobleme und Katastrophenfälle im kapitalistischen Ausland (mit wohldosierten Ausnahmen im Bereich der Atomenergienutzung, vgl. oben!); eine entsprechend umfassende Umweltberichterstattung aus dem Inland findet aber nicht statt, bzw. es wird allenfalls auf hier vergleichsweise günstige Umweltdaten verwiesen oder es werden einzelne Enthüllungen über Umweltverstöße in der Presse zugelassen. „... Die Beschaffenheit von Luft, Trink-oder Meerwasser ist bei uns ein Staatsgeheimnis. Angaben darüber sind Staatseigentum, genauso wie der Boden, die Flüsse, die Wälder und ihre Bewohner, die Tiere..." Diese leidenschaftliche Anklage gegen eine höchst restriktive Umweltberichterstattung spricht für sich, denn w .. die Erklärung eines Objektes zur Geheimsache" (gemeint sind hier vorliegende Langzeitprognosen über den Umwelt-zustand in der Sowjetunion bis 1990) „ist der beste Indikator dafür, daß es um die natürliche Umwelt in unserem Lande nicht gut bestellt ist“ Daß insbesondere dem Ausland ein geschöntes Umweltbild der Sowjetunion serviert wird, zeigt beispielhaft folgendes informationspolitische Detail Die sowjetischen Behörden zensierten 1971 die Juli-Nummer der russischen Ausgabe der UNESCO-Publikation . Courier', indem sie einen Bericht über Umweltverschmutzung in der Sowjetunion, der Untersuchungsergebnisse des Amerikaners M. Goldman zitierte, durch einen harmlosen Aufsatz aus der Feder des Präsidenten des ukrainischen Naturschutzkomitees ersetzte.

Zwar stammten alle in dem inkriminierten Artikel zitierten Beispiele aus der sowjetischen Presse, doch war man offensichtlich mit den daraus von dem amerikanischen Wissenschaftler gezogenen Schlußfolgerungen nicht einverstanden.

Auf diese einseitig propagandistisch orientierten Informationspraktiken ist es auch zurückzuführen, daß empirische Daten über die Umweltqualität für die Bilanzierung der umwelt-politischen Ergebnisse nirgendwo zu Verfügung stehen: Jede Behörde meldet zwar be-reitwillig ihre Erfolge, etwa bei der Planerfüllung für rekultivierte, urbar gemachte oder wiederaufgeforstete Flächen; aber Angaben über die im gleichen Zeitraum neu eingetretenen Umweltverluste in Gestalt abgeholzter oder industriell verbrauchter Bodenflächen, durch Erosion zerstörter oder versteppter Landarreale werden grundsätzlich nicht veröffentlicht: w .. Der Propagandalärm über Millionen Kläranlagen, über Fischbrutanstalten u. ä. dient lediglich dazu, die Stille der verödenden Wälder, des sterbenden Asowschen Meeres und des sterbenden Baikal zu übertö-nen...!

Gerade das Beispiel der — scheinbar — so vorbehaltlos geführten und ergebnisreichen Diskussion um die ökologische Problematik der Baikal-Projekte zeigt, daß auch informationspolitisch nach der „Potemkin-Methode" verfahren wird.

In einer der führenden sowjetischen Literatur-zeitschriften, der Literaturnaja Gaseta'(wie andere Blätter dieses Genres ein bevorzugtes Forum der von Schriftstellern und Wissenschaftlern entfachten Umweltdiskussionen der letzten Jahre), hat man eine Art „Erfolgs-

kontrolle" versucht; es wurde der Frage nachgegangen, wie effektiv der Einfluß der Öffentlichkeit bei der Lösung ehemals heftig diskutierter Probleme ist Man kam dabei zu dem Schluß: „Die praktischen Ergebnisse der langjährigen Kampagne für die Reinheit des Baikal-Sees sind bedeutend. Aber noch wichtiger sind ihre moralischen Lehren.“

Womöglich noch wichtiger scheint eine andere Schlußfolgerung zu sein, die das Akademiemitglied Michail Lawrentjow in diesem Zusammenhang aus den Erfahrungen der Baikal-Diskussion zieht, daß nämlich die begutachtenden Wissenschaftler in Zukunft in den Frühstadien umweltgefährdender Projektarbeiten noch entschiedener und deutlicher ihre Bedenken vortragen müßten: „... Ein Wissenschaftler ... hat die Pflicht, nicht nur die Wahrheit zu sagen, sondern er muß auch dazu beitragen, daß seine Empfehlungen verwirklicht werden“ Allerdings besteht eine Chance zur Publizierung solcher Bedenken nur im Rahmen ideologisch systemkonformer Äußerungen „Erfahrene Mitarbeiter von Verlagen bezeugen, daß alle Versuche, die ökolo-gische Krise als globale Erscheinung... zu betrachten, ohne in jeder Zeile wieder auf die . zwei Naturen — die kapitalistische und die sozialistische’ — hinzuweisen, sofort eingestellt werden. Z. B. ist ein Kapitel in dem Buch . Ökologie, Politik und Recht'von O. S. Kolbassow, das einige Mängel der sowjetischen Umweltschutzgesetzgebung im Zusammenhang mit der sozialistischen Gesellschaftsordnung erwähnt, nicht gedruckt worden, obwohl der Autor, nach den übrigen Artikeln zu urteilen, ein völlig loyaler Marxist ist". Der hier zitierte „geheime Bericht“ demonstriert mit seiner Veröffentlichung im Westen wohl am augenfälligsten, was innerhalb der Sowjetunion nicht zur Diskussion gestellt werden kann an Umweltbedenken! b) Umweltbewußtsein im sozialistischen Alltag

Da für die sozialistischen Länder keine systematischen empirischen Befunde verfügbar sind, aus denen auf das gesellschaftliche Umweltbewußtsein dort Rückschlüsse gezogen werden könnten, ist Haltung und Verhalten der sowjetischen Bevölkerung in Umweltfragen nur anhand einzelner Informationen und Beobachtungen einzuschätzen.

Zur betrieblichen Praxis „rationeller Gestaltung" der Umwelt Die Interessenlage des einzelnen Betriebes im sozialistischen System sowjetischen Typs läßt eindeutig auf eine Konfliktsituation in bezug auf den Umweltschutz schließen: Denn Erfolgsgrundsatz der Betriebe ist nun einmal das Prinzip der Planerfüllung, gemessen am Produktionsergebnis; die Prämierung als materielle Handlungsstimulans bemißt sich nach dem Grad dieser Planerfüllung, unabhängig davon, ob dabei . soziale Kosten'in Gestalt von Umweltbeeinträchtigungen verursacht werden oder nicht „Die Betriebe wehren sich gegen Umweltschutzmaßnahmen, weil diese nicht nur ihren Finanzspielraum einschränken, sondern auch häufig eine Unterbrechung des Produktionsprozesses erforderlich machen: beides aber wirkt sich negativ auf das prämienrelevante Betriebsergebnis aus." Dieser Interessenkonflikt zwischen Produktionssoll und Umweltrücksichten wird denn auch gelegentlich geradezu rührend mit dem Bild vom „plangejagten Betriebsdirektor" beschworen, den „das Amt und die Umstände zwingen, das Werk schon in Betrieb zu setzen, wenn beispielsweise die Säuberungsvorrichtungen noch nicht fertig sind"

Da die Geldbußen und Strafen, mit denen die Durchführung von Umweltschutzmaßnahmen durch die Betriebe sichergestellt werden soll, meist sehr niedrig angesetzt und auch nur einmalerhoben werden, kommt der Betrieb meist im Rahmen seiner internen Kalkulationen als Umweltsünder „billiger" weg. Die gleichen Kalkulationen begünstigen auch einen einseitig kosmetischen Umweltschutz wie etwa die Installation von Filtern, die lediglich die Aschenpartikel festhalten und damit propagandawirksam „klaren Himmel über dem Kombinat" schaffen. Die weit gefährlicheren unsichtbaren Schadstoffe aber werden weiterhin in die Atmosphäre abgelassen: ein „optisches Täuschungsmanöver", das allerdings auch im Westen keineswegs unbekannt ist! ökonomische Anreizmaßnahmen zur Beeinflussung umweltfreundlichen betrieblichen Verhaltens werden zwar von sowjetischen Wissenschaftlern lebhaft diskutiert, aber nach vorliegenden Erkenntnissen erst sehr vereinzelt praktiziert So wird berichtet, daß bei Verstößen gegen Wasserschutzbestimmungen einzelnen Betrieben ihre Prämien für die Plan-erfüllung vorenthalten wurden

An dieser Stelle soll kurz ein eher kurioser Fall zur Illustration von sehr „speziellen" betrieblichen Praktiken in Sachen Umweltschutz zitiert werden, der die Bandbreite betrieblicher . Aktionshebel" zeigt. Unter der Über-schrift ..... Ein Fall von Sippenhaft" heißt es da: „Anatolij Lukitsch arbeitet im Norilsker Bergbaumetallurgischen Kombinat, seine Ehefrau Gahna Grigorjewna in der Bezirksinspektion für Abgassäuberung. Und sobald sie Anstoß nimmt an der Sauberkeit der Luft von Norilsk, sobald sie dem Leiter dieses oder jenes Betriebs, in dem die Sachen schlecht stehen, die fällige Vorschrift macht, ergreift man im Kombinat dringende Maßnahmen ... gegen Ana-tolji Lukitsch und versetzt ihn in ein niedrigeres Amt. Augenscheinlich ist dies einfacher, als die Verordnungen über den Schutz der Natur des Tajmyr einzuhalten .. ."

Daß im übrigen die in der UdSSR nach wie vor kostenlose Wasserversorgung in der betrieblichen Praxis zu verschwenderischem Umgang mit diesem — laut Ideologie „wertlosen“ — Naturgut führt, ist selbst vom „Kommunist" beanstandet und durch drastische Beispiele belegt worden: „... Der Wasserverbrauch für die Ausschmelzung einer Tonne Stahl schwankt bei ein und derselben Marke zwischen 25 und 764 Tonnen — je nachdem, wieviel Wasser es in der Region der Stahlgießerei gibt (Eine gewisse französische Firma verwendet pro Tonne Stahl nur eine Tonne Wasser)". Oder: „... trotz eines Erlasses des Ministeriums für Erdölindustrie pumpen viele Förderbetriebe in die erdölführenden Gesteinschichten sauberes Flußoder Seewasser statt des verbrauchten Schichtwassers ...

Die Versuche, durch Einführung einer Wassergebühr vom Prinzip der Gratisnutzung weg zu ressourcenschonenderen Verhaltensweisen zu kommen, scheiterten bisher bekanntlich am Widerstand der Parteiführung, die die „Prinzipien der sozialistischen Ökonomie“ hochhält: wie man sieht, auch um den Preis einer offenkundig unrationellen Nutzung der natürlichen Ressourcen!

Behörden zwischen Plandiktatur und Umweltschutz oder: Der Bock als Gärtner?

Womöglich noch stärker als bei den Betrieben schlagen bei den sowjetischen Behörden systemimmanente Interessenkollisionen unter der Diktatur der Planerfüllung meist zu Lasten der Umweltbelange aus. In der bereits früher erwähnten Diskussion in der Literaturnaja Gazeta'wird darauf hingewiesen, daß das Prinzip der Konzentration sowohl der Ausbeutung der Naturschätze als auch von deren Kontrolle in einer Hand — oder Behörde — „von Grund auf fehlerhaft" sei: „... Die langjährige Praxis hat gezeigt, daß die Organisationen, deren Hauptaufgabe die Erzeugung materieller Güter auf der Grundlage der Ausbeutung der Naturschätze ist, um der Erfüllung ihrer Hauptziele willen sich selbst gegenüber jede beliebige Nachsicht erweisen. In der Tat lautet die Volksweisheit: , Man soll dem Bock nicht anvertrauen, den Kohl zu hüten'.“

Diese prinzipielle Nachsicht gegenüber den Planungsund Produktionsinteressen äußert sich auch — wie bereits erwähnt und sicherlich nicht ohne Bedeutung für das öffentliche Umweltbewußtsein — in der vorwiegend milden Ahndung von Umweltsünden durch die Gerichte

Die allerorts vorherrschende Planerfüllungsmentalität führt im Verein mit organisatorisch bedingten Interessenkonflikten horizontaler und vertikaler Art im Behördenapparat zu einer tendenziellen Benachteiligung der Umweltinteressen. Besser als Pauschalurteile dürfte hier wiederum ein Fall als Beispiel für viele verdeutlichen, zu welchen widersinnigen Auswüchsen Ressortgeist und Planerfüllungsmentalität führen können. Ein Forstrechtsexperte berichtet:..... Ich bemühe mich, Klagen über die Waldvernichtung gleichmütig nachzugehen. Man darf sich diese Fälle nicht zu Herzen nehmen. Vor fünf Jahren befand ich mich in einem gigantischen Holzfäller-Stützpunkt in der Nähe von Krasnojarsk. Am Flußufer erblickte ich eine regelrechte Stadt. Da lagen riesige sibirische Zirbelkiefern, Lärchen und Kiefern von einigen Klaftern in Stapeln, die kein Ende nahmen. Und das lag da herum und fing langsam an morsch zu werden, nur weil die Eisenbahn keine Waggons bereitstellen konnte. Doch das ist nicht alles. Die Eisenbahn hatte schon seit zwei, drei Jahren nicht ausreichend Waggons zur Verfügung, und das Holzbeschaffungsunternehmen wußte auch vorher schon, daß die Waggons nicht reichen würden. Und trotzdem fällte man jedes Jahr immer weiter drauf los. Das Unternehmen erhielt von oben seinen Plan ... So wurden quadratkilometerweise sagenhafte Zederntaiga umgelegt, an ihrer Stelle blieb Halbwüste zurück, und statt dessen bekam der Staat morsches Holz. Nicht einmal mehr Brennholz! — Das Schreckliche an diesem Wahnsinn ist nicht seine Absurdität, sondern daß er auf dem Verstand basiert. Und natürlich seine allgemeine Verbreitung. Danach lernte ich in einer anderen Angelegenheit einen Abgeordneten des Obersten Sowjet der UdSSR kennen, und als wir uns etwas angefreundet hatten, fragte ich ihn nach dem Holzfällerlager. Warum so etwas passieren könne. Wieso? Das verstehen Sie nicht? Dort in der Taiga sind doch Menschen, man muß ihnen doch Lohn bezahlen. Wir haben die Holzwirtschaftsbetriebe organisiert und die Leute dahin geholt. Sie haben doch ein Recht auf Arbeit... und sie können doch nichts für unsere Schwierigkeiten mit den Waggons... Ist Ihnen das denn nicht klar? Doch es hat keinen Zweck, darüber zu reden..."

Von großer praktischer Bedeutung für das um-weltpolitische „Klima" scheinen auch die vertikaJen Interessenkonflikte im sowjetischen Behördenapparat zu sein: Zwar ist der Umweltschutz in Gesetzgebung und Durchführung im wesentlichen Sache der 15 Einzelrepubliken. Doch sehen diese sich unter dem Druck vorrangig auf Expansion und Steigerung der Produktivität bedachter Zentralbehörden in Moskau und Leningrad zu einer eher nachgiebigen Politik gezwungen, bzw. die lokalen Umweltschutzauflagen der Unionsrepubliken werden bereits im Planungsstadium überhaupt ignoriert, weil die wichtigsten Entwicklungsvorhaben — wie z. B. Kraftwerksbauten, Meliorationssysteme, industrielle Großanlagen, Städtebau und Verkehrserschließung — in Moskau projektiert werden.

Im Hinblick auf die negativen Erfahrungen mit Kompetenzwirrwarr, Ressortegoismen und Kontrolldefiziten im sowjetischen Behördenapparat — mit seinem „nicht immer optimalen Verhältnis zwischen Zweig-und Territorialprinzip", wie es Fedorenko vorsichtig ausdrückt — bleibt abzuwarten, ob das seit gut zwei Jahren neu etablierte „Staatliche Komitee der UdSSR für Hydrometeorologie und Umweltkontrolle“ mit seiner gesamtstaatlichen und ressortübergreifenden Kontrollkompetenz hier Abhilfe zu schaffen vermag. Allerdings darf wohl auch seine Unabhängigkeit von der allgemeinen Planerfüllungsmentalität nicht überschätzt werden. In einem Interview stellte sein Vorsitzender, Akademiemitglied

Juri Israel, sogleich als die Hauptaufgabe des Komitees heraus:..... die Einhaltung der (Um-welt-) Normen zu erreichen, ohne daß die Arbeit im Betrieb eingestellt werden muß!"

Der Sowjetbürger — . Naturbanause'oder . ökologischer Aktivist ?

Der sowjetische Durchschnittsbürger dürfte Problemen des Umweltschutzes eher gleichgültig gegenüberstehen....... Seit jeher leben die Bewohner Rußlands in dem Glauben, daß ihr Vaterland grenzenlos ist und seine Schätze unerschöpflich erscheinen", heißt es in einem Kommentar der . Komsomolskaja Prawda und:..... Sowjetischen Studenten wird traditionell eine . aggressive Einstellung zur Natur'eingeimpft, wobei der Akzent auf dem . Kampf mit der Natur und ihrer Bezähmung und Umwandlung'liegt". Dies ist eine Maxime, die vielleicht auch die in Rußland besonders verbreiteten Entartungen von Jagdleidenschaft und Wilderei bis hin zur Ausrottung ganzer Tierarten erklärt

Der Schriftsteller Wladimir Fajnberg beklagt: „... wenn man durch das Land fährt, erfährt man immer neue Tatsachen über eine, milde ausgedrückt, geringschätzige Einstellung zum Land“ Zumal angesichts der landesüblichen Zurückhaltung bei kritischen Äußerungen über gesellschaftliche Mißstände ist diese Äußerung schon fast eine Anklage gegen die weit verbreitete Gleichgültigkeit und Achtlosigkeit im Umgang mit Boden, Wald, Wasser, Wild: Das angeblich „prinzipiell neue Verhältnis zwischen Mensch und Natur“ im Sozialismus läßt wohl doch noch sehr zu wünschen übrig! Dafür zeugen auch die großen Bemühungen — zumindest, soweit dies aus Absichtserklärungen zu schließen ist — um erzieherische Fortschritte im umweltbewußten Verhalten in den Schulen, Hochschulen, gesellschaftlichen Organisationen wie Jugend-verbänden, Naturschutzgesellschaften u. ä. Einrichtungen. Dennoch ist wohl kaum zu erwarten, daß etwa ein Kolchosniki gegenüber seinem , Niemands-Land'eine ähnlich pflegliche Einstellung gewinnen kann wie ein Bauer zu seinem persönlichen Grund und Boden.

Insgesamt wäre es demnach falsch, sich die Mehrheit der Sowjetbürger als . ökologische Aktivisten vorzustellen, denen das Problem der Industrieabwässer, luftverpestender Fabrikschlote und verbauter Landschaften den Schlaf raubt: Eher dominieren wohl Gefühle wie Stolz und Hoffnung auf steigenden Wohlstand angesichts dieser sozialistischen „Errungenschaften“ dank einer wissenschaftlich-technischen Revolution, deren Früchte noch in ungebrochener Fortschrittsgläubigkeit bewundert und akzeptiert werden; dies zeigt sich gerade am Beispiel der Kernenergie.

Trotz gelegentlich vorgebrachter Unmutsbekundungen über Umweltbelästigungen auf lokaler Ebene, die im wesentlichen über die fügsamen „öffentlichen Naturschutzausschüsse" kanalisiert werden, fiele es aber wohl keinem umweltgeschädigten Sowjetbürger ein, organisierte Protestaktionen gegen den Willen der politischen Führung zu starten; Dies verhindert nicht nur das politische System der UdSSR, sondern gerade auch die restriktiven Informationspraktiken. Und schließlich: Wie soll „umweltbewußtes" Verhalten der Durchschnittsbürger gedeihen, wenn die Führungselite des Landes von allen nur möglichen Privilegien bei der Nutzung einer „unversehrten" Umwelt recht rücksichtslos Gebrauch macht, vor allem was die Bedingungen ihrer Wohnund Freizeitumwelt angeht? Die in westlichen Theorien vieldiskutierten „Verteilungswirkungen" unterschiedlicher Umweltlasten sind im sowjetischen System des Sozialismus keineswegs überwunden. Im Gegenteil: Die fehlende Publizität bildet einen vorzüglichen Deckmantel für Umweltfrevel aller Art, wie sie etwa in Gestalt von wahren . Jagdorgien" hoher Sowjetfunktionäre aus Naturschutz-reservaten kolportiert werden

III. Möglichkeiten und Grenzen einer Vereinbarung von ökologischen und ökonomischen Interessen

1. Dominanz der Produktionsinteressen und Möglichkeiten ihrer Überwindung a) . Ökonomie vor Ökologie'als durchgängiges Handlungsprinzip im sowjetischen System des Sozialismus Selbst eine sehr überschlägige Betrachtung der Handhabung ökologischer Probleme in der UdSSR hat deutlich werden lassen, wie durchgängig für alle umweltrelevanten Entscheidungen und Verhaltensweisen dort das Primat der Produktion gilt, genauer: der Vorrang einer — am Plansoll orientierten — Pro-duktionsmaximierung; gegenüber diesem weithin noch immer unangefochtenen „Fortschrittsmaß" des sowjetischen Sozialismus haben ökologische Interessen bisher in der Praxis fast notorisch das Nachsehen behalten!

Dieses Dilemma wird dadurch verschärft, daß nicht etwa das Ziel optimaler ökonomischer Effektivität (als input: Output-Relation) Priorität genießt, also die Erreichung eines vorgegebenen Produktionsziels bei minimalem Kostenaufwand; vielmehr huldigt das sowjetische System des „industriell-bürokratischen Produktivismus“ weithin schlicht einer Ökonomie der „Output-Maximierung“. Nach dem Bruttoprinzip konstruierte Produktionskennziffern (Stückzahlen, Gewichte u. ä.) als Planvorgaben sowie mehr quantitätsals qua-litätsabhängige Prämiensysteme als Produktionsstimuli gehören als Instrumente zu diesem Systemzusammenhang ebenso wie ein industrielles Entwicklungsmuster, das einseitige Präferenzen für arbeitsteilige Großtechnologien erkennen läßt

Trotz aller weiteren verbalen Absichtserklärungen erweist sich dieser spezifisch sowjetische Produktivismus an Umweltbelangen aus doppeltem Grund als uninteressiert:

— Da (positive wie negative) Veränderungen der Umweltqualität nicht zum . Output'(= Pro-

duktionsergebnis) zählen, sind sie nicht Objekt der Planerfüllung und mithin der Beeinflussung durch (auf diese Planerfüllung ausgerichtete) Anreizsysteme wirtschaftlicher wie politischer Art nicht unterworfen; folgerichtig gelten dann etwa auch Umweltschutz-Investitionen als „unproduktiv".

— Als , Input'(= Kosten) schlägt die Verursachung von Umweltschäden und Ressourcen-verschwendung ebenfalls nicht zu Buch, weil sie ja als „wertlos" gelten, d. h. „nichts kosten“; allenfalls gehen dafür praktisch belanglose rechnerische „Hilfsgrößen" (Bußgelder und Strafen für Umwelt-„Sünden") ins betriebliche Kalkül ein.

Die „sowjetische Variante" des — ja auch in kapitalistischen Systemen nicht unbekannten — Zielkonflikts zwischen Wachstum und Umweltschutz scheint demnach in besonderem Maße zur Benachteiligung der Umweltbelange zu tendieren. Es ist deswegen wichtig, die von sowjetischen Wissenschaftlern zur Überwindung dieses Dilemmas vorgeschlagenen theoretischen Lösungsansätze zu vermerken, deren . Therapietauglichkeit'allerdings weniger von ihrer konzeptionellen Schlüssigkeit als von den Chancen ihrer Umsetzung in die politische Praxis im gegebenen Systemzusammenhang abhängen dürfte. b) Theoretische Ansätze zu einem Interessen-verbund von Ökonomie und Ökologie in der sozialistischen Planwirtschaft Unter den sowjetischen Wissenschaftlern hat sich vor allem der renommierte Ökonom N. Fedorenko, Mitglied der Akademie der Wissenschaften, zum Sprecher derer gemacht, die die Umweltqualität als einen wichtigen Indikator sozialistischer Wohlfahrt ansehen und sie deshalb wirksamer in das Ziel-und Durchsetzungssystem der sozialistischen Planwirtschaft einbezogen sehen wollen Fedorenko moniert offen, daß der Umweltschutz im gesamten System der Planung und Leitung der sowjetischen Volkswirtschaft bisher „noch nicht die gebührende Berücksichtigung“ gefunden hat indem Umweltschutz in erster Linie mit moralisch-ideologischen Normen begründet werde, sei der Vorrang der Produktionsinteressen praktisch vorprogrammiert; es käme aber darauf an, die ökologischen Interessen auf allen Planungs-und Entscheidungsebenen in das ökonomische Kalkül einzubeziehen. Dies aber — und insoweit dringen Fedorenko und seine Gesinnungsgenossen hier in ideologische Tabuzonen ein, ohne allerdings darüber auch nur ein Wort zu verlieren — sei nur möglich, wenn das Problem der Bewertung von Umwelt und natürlichen Ressourcen angegangen werde, konkret: die ökonomischen Folgen von Veränderungen der Umweltqualität müßten wertmäßig quantifiziert werden 4.

Fedorenko überspringt gewissermaßen die ideologische Barriere, indem er die Vorteile einer ökonomischen Nutzenschätzung des Umweltschutzes konkret anpreist:..... Gegenwärtig wird die ökonomische Effektivität von Maßnahmen gegen die Luft-und Wasserverschmutzung bestenfalls anhand des Wertes bestimmt, den die aus Abprodukten regenerierten Rohstoffe und Materialien besitzen. Der ökonomische Effekt aus der Verringerung der Umweltverschmutzung läßt sich indes bei weitem nicht auf den Wert dieser Produkte reduzieren. So führt eine Verringerung von Schadstoffen in der Luft zu einer langsameren Korrosion der Grundfonds und Materialien, die Erkrankungsquote der Bevölkerung geht zurück, wodurch sich Arbeitszeitverluste und Sozialversicherungsleistungen verringern, die Erträge der landwirtschaftlichen Kulturen steigern, der Zustand der Wälder sich verbessert usw. All dies bringt der Volkswirtschaft ohne Zweifel inen gewaltigen ökonomischen Nutzen, dessen Wert jedoch bis heute noch nicht berechnet und bei der Begründung von Maßnahmen zur Reinhaltung der Luft nicht berücksichtigt wird. Da eine Methodologie zur Bestimmung der ökonomischen Auswirkungen von Verbesserungen der Umweltqualität fehlt, können diese Ergebnisse nur ganz ungefähr geschätzt werden. Eine Analyse der Planungs- und Prognoseunterlagen für den Zeitraum 1971 bis 1980 hat ergeben, daß der jährliche ökonomische Nutzen der vorgesehenen Maßnahmen zum Schutz der Gewässer und der Luft und zur Verhütung von Bodenerosionen mindestens 4 Mrd. Rubel betragen kann. Die Rückflußdauer der Investitionen in den Umweltschutz liegt wesentlich unter der normativen Rückflußdauer. Daraus folgt, daß def Umweltschutz eine hocheffektive Anlage-sphäre für die gesellschaftliche Arbeit ist...“

Auch die Argumentation, mit der der sowjetische Ökonom mögliche Bedenken gegenüber der Exaktheit einer solchen Umwelt-Bewertung abwehrt, verdient wegen ihres entwaffnenden Pragmatismus Erwähnung: ..... Was die Ungenauigkeit der Bewertung des durch Umweltverschmutzung hervorgerufenen Schadens betrifft, so können nur Menschen, die mit Ökonomie wenig zu tun haben, glauben, daß alle anderen ökonomischen Bewertungen absolut genau seien. Wenn beispielsweise der PKW . Moskwitsch 412’ im Laden 4 939 Rubel und 80 Kopeken kostet, so heißt das keinesfalls, daß der gesellschaftliche Nutzen (oder der gesellschaftlich notwendige Aufwand) bis auf die Kopeke genau berechnet worden ist. Ein Verzicht auf die Berechnung des aus der Umweltverschmutzung entstehenden Schadens ... heißt jedoch letzten Endes nichts anderes, als diesen Schaden und alle sich daraus für die Wirtschaft ergebenden negativen Folgen bei ökonomischen Berechnungen unberücksichtigt zu lassen ...

Über die Erarbeitung „sozialökonomischer Kennziffern der Umweltqualität" will Fedorenko zu einer Quantifizierung und damit der direkten Einbeziehung der ökologischen Interessen in die wirtschaftliche Rechnungsführung sowohl auf der Aufwands-als auch auf der Ergebnisseite gelangen. Positive und negative Veränderungen der Umweltqualität schlagen dann als gleichgerichtete Veränderungen der ökonomischen Effektivität der gesellschaftlichen und auch der betrieblichen Produktion zu Buch: Der antagonistische Interessengegensatz von Umweltschutz und wirtschaftlicher Effektivität, in dem nur jeweils das eine auf Kosten des anderen möglich schien, wäre damit überwunden.

Zur Durchsetzung dieses „Interessenverbundes“ plädiert Fedorenko zum einen für die Einbeziehung der Kennziffern für die angestrebte Umweltqualität in die volkswirtschaftliche Perspektivplanung, wobei vor allem das Problem von deren Abstimmung mit den anderen Planpositionen noch ungelöst erscheint, mit der sich eventuell auch Ansätze einer umwelt-orientierten volkswirtschaftlichen Struktur-planung entwickeln ließen Zum anderen werden für die Einwirkung auf die Wirtschaftstätigkeit der Betriebe ökonomische Regelmechanismen gegenüber administrativen Maßnahmen favorisiert: ..... Wir meinen, daß die Tätigkeit eines Betriebes gegen die Umweltverschmutzung mit dessen Hauptproduktionstätigkeit — mit der Erzeugung von Gütern und Dienstleistungen für die Volkswirtschaft — . rechtlich gleichgestellt'werden muß. Hierzu kann es sich als erforderlich erweisen, das bestehende System der steuernden ökonomischen Kennziffern (Preise, Ressourcen, Abgaben usw.) durch eine weitere Kennziffer zu ergänzen — durch die Abgabe für Umweltverschmutzung ...

Wichtig erscheint, daß der Vorschlag Fedorenkos die Wahrnehmung der Umweltinteressen im Rahmen der das sowjetische System allgemein beherrschenden Planerfüllungsmentalität möglich machen würde. Nicht zu unterschätzen wäre bei seiner Realisierung auch die selbstverstärkenden positiven Umwelteffekte durch die Stimulierung einer . umweltkonformeren'Technologieentwicklung; denn wenn erst die ökonomischen Folgen von Veränderungen der Umweltqualität bestimmbar wären, so könnten auch „die Hauptrichtungen des wissenschaftlich-technischen Fortschritts“ entsprechend begründet werden, weil dann die ökonomische Effektivität „geschlossener technologischer Zyklen mit minimalen Abprodukten" wesentlich höher bewertet würde 2. Chancen einer Verankerung des Umwelt-

Interesses in der realen Präferenz-und Interessenstruktur des sowjetischen Systems Das skizzierte Konzept von Fedorenko und Gofman läßt die Gleichstellung von Produktions-und Umweltinteressen in der sowjetischen Planwirtschaft zumindest theoretisch als möglich erscheinen Allerdings ist damit noch nichts darüber ausgesagt, ob die in der Sowjetunion herrschenden politisch-gesellschaftlichen Interessenkonstellationen es überhaupt zulassen würden, eine solche — wenngleich bisher von der Partei im Grundsatz unterstützte — umweltpolitische Therapie auch wirklich in die Praxis umzusetzen; dies würde voraussetzen, daß eine solche „Verbundpolitik" von Ökologie und Ökonomie sich in der realen Präferenz-und Interessenstruktur des sowjetischen Gesamtsystems tatsächlich verankern ließe. Die Frage nach der Vereinbarkeit dieses Konzept mit den ideologischen Positionen des Marxismus-Leninismus erscheint hier deswegen von vergleichsweise geringerer Bedeutung, weil diese Positionen sich erfahrungsgemäß in der bisherigen Geschichte des realen Sozialismus immer dann als anpassungsfähig erwiesen haben, wenn es den vorherrschenden Interessen der politischen Führung entsprach. a) Effektive Bestimmungsgründe der gesellschaftlichen Präferenzskala Von entscheidender Bedeutung ist deswegen in diesem Zusammenhang die Frage, ob eine Gleichrangigkeit von Produktions-und Um-weltinteressen überhaupt den effektiven Prioritäten der gesellschaftlichen Präferenzskala in der Sowjetunion entspricht.

Hier ist zum einen zu bedenken, daß ja der Vorrang der Wachstumsinteressen nicht primär ökonomisch, sondern politisch-ideologisch — eben im Hinblick auf die Erfolgsmaßstäbe im . System-Wettstreit'— bestimmt ist und daher zumindest in der Prioritätsskala der politischen — und damit auch der wirtschaftlichen — Führung bis auf weiteres „unverrückbar“ sein dürfte; so bleibt ein Umdenken auf sozialökonomische Effektivitätskriterien blokkiert. Darüber hinaus muß man davon ausgehen, daß auch die breite Masse der Sowjetbürger weiterhin an einer Steigerung der materiellen Produktion interessiert sein wird, zumindest solange man sich in den sozialistischen Gesellschaften Osteuropas vorwiegend an den Konsummustern des Westens orientiert und das Gefälle der Realeinkommen zwischen den beiden Systemen erhalten bleibt Schließlich ist in diesem Zusammenhang auch nochmals auf die „strategischen Interessen“ zu verweisen, deren absoluter Vorrang im sowjetischen System auch die ihm entsprechenden Produktionsinteressen privilegiert.

Auf der anderen Seite sind die Schwachstellen bei den sozialen Präferenzen im Umwel^oereich in der sowjetischen Gesellschaft unübersehbar. Einmal abgesehen von den generellen Schwierigkeiten einer verläßlichen Meinungserkundung zur Ermittlung der tatsächlichen Umweltbedürfnisse der Bürger die allerdings in der Sowjetunion wegen mangelnder Mei-nungs-und Informationsfreiheit besonderes Gewicht haben, ist hier vor allem auf die Defizite im allgemeinen Umweltbewußtsein hinzuweisen, die sich aus der Mentalität der Bevölkerung ergeben. Die fehlende „Knappheitsmentalität" der Sowjetbürger angesichts der traditionell als „unbegrenzt" empfundenen Umweltkapazität eines Riesenlandes prägt hier die gesellschaftlichen Wertvorstellungen offenkundig grundlegender und nachhaltiger als alle moralisch-ideologischen Appelle und Normen.

So spricht z. B. auch die in der Tendenz effektivere und korrektere Umweltpolitik in der DDR — bei gleichen ideologischen Grundlagen und zumindest ähnlichen Normen — dafür, welch wichtige Rolle nationale Mentalitätsunterschiede für die Einstellung zu Natur und Umwelt und für die „Vorschriftentreue" in diesem Punkt spielen. Schließlich darf auch nicht übersehen werden, daß der Sozialismus als gesellschaftliches System gerade mit der Überführung privater Eigentumsbindungen in persönlich anonyme Beziehungen zu . Gemeingütern sicherlich vielfach zu einer Reduzierung der sozialen Präferenzen im Umweltbe-reich beigetragen hat. b) Durchsetzungswiderstände im bürokratischen System Selbst wenn man aber davon ausgehen könnte, daß die sowjetische Führung in Zukunft stärker als bisher an einer gleichrangigen Verfolgung von Produktions-und Umweltzielen interessiert wäre (was nach dem Gesagten unwahrscheinlich genug ist), so stünden der Durchsetzung einer solchen neuen . Linie'im Verhalten von Behörden und Betrieben immer noch erhebliche Widerstände von . vested interests'im Wege.

Dies gilt zumal auf Betriebsebene, soweit ein konsistentes System ökonomischer Hebel den Betriebsleitern jeden Schlendrian zu Lasten von Umwelt und natürlichen Ressourcen sowie die verbreitete Innovationsträgheit „auszutreiben" versuchte: so manche bequeme Pfründe wäre damit in Gefahr

Aber auch die Behördenbürokratie müßte sich umstellen; denn die Vermeidung von Rollen-konflikten verlangt dringend eine „Gewaltentrennung" im Sinne institutioneller Unabhängigkeit bei der Wahrung von Produktionsinteressen einerseits und Umweltinteressen andererseits, müßte also die bestehenden einheitlichen Organisationsstrukturen aufbrechen. Die Erfahrungen mit regionalen wie sachlichen Dezentralisierungsversuchen im Zuge der verschiedenen Wirtschaftsreformen der letzten zwei Jahrzehnte haben gezeigt, wie schwer dem ausgeprägten Hang zu Zentralismus und „Großeinheiten" aller Art in der sowjetischen Wirtschaftsplanung und -Verwaltung beizukommen ist; für eine wirksame und flexible Durchsetzung der Umweltinteressen wäre aber eine organische . Regionalisierung'der Zuständigkeiten unerläßlich.

Insgesamt legen demnach die hier angestellten Überlegungen den Schluß nahe, daß realistischerweise bei Fortdauer der gegenwärtig herrschenden gesellschaftlichen Interessen-konstellationen in der UdSSR mit einer wirksameren Verankerung der Umweltbelange in der sowjetischen Wirtschaftspolitik vorerst nicht gerechnet werden kann. 3. Ergebnisse einer . Bilanzierung* ideologischer und realer Positionen zur sozialistischen Umweltgestaltung Es bleibt demnach im Hinblick auf den Ausgangspunkt dieser Arbeit nur noch der Frage nachzugehen, ob nicht die ideologische Position, derzufolge der Sozialismus sich als „einzige umweltkonforme Wirtschafts-und Gesellschaftsordnung" und „in der Lösung der Umweltprobleme dem Kapitalismus klar überlegen" versteht, durch die Realität zumindest in der Sowjetunion eindeutig widerlegt ist. Feststehen dürfte wohl nach allem, daß sozialistische Systeme sowjetischen Typs nicht „systematisch bessere Umweltverhältnisse produzieren“ als industriell entwickelte kapitalistische Volkswirtschaften. Und: die Behauptung, daß ein Übergang zum Sozialismus den einzigen Ausweg aus der ökologischen Krise darstelle (vgl. oben), gewinnt durch das von der UdSSR gegebene Beispiel nicht gerade an Glaubwürdigkeit. a) Identitätsverlust durch Imitation westlicher Muster Offenkundig ist aber auch, daß in der sowjetischen Praxis prinzipiell vorhandene umwelt-politische Möglichkeiten des sozialistischen Systems eben nicht genutzt bzw. in die Tat umgesetzt worden sind, auf die sich ja gerade der ideologische Überlegenheitsanspruch beruft: — gleichrangige Behandlung der Umweltinteressen bei den gesellschaftlichen Zielprioritäten;

— Wahrung der Umweltbelange nach dem Prinzip der Vorsorge — nicht nur in den Produktions- und Konsumtionsprozessen selbst, sondern vor allem schon in deren Projektion, Planung und technologischem Vollzug;

— zentrale Mobilisierung des verantwortlichen Gemeinsinns aller Bürger als Instrument gesellschaftlicher Initiative und Kontrolle gegenüber der Umwelt.

Anstelle derart eigenständiger umweltpolitischer Zielbestimmung und Struktursetzung wird in der Sowjetunion im wesentlichen beim Umweltschutz bruchstückhafte „technologische Symptombekämpfung" nach Maßgabe der Produktionsinteressen betrieben; diese wiederum folgen entweder der industriellen Eigendynamik oder imitieren im wesentlichen kapitalistische Wachstumsmuster und die Entwicklung des Weltmarkts. Dabei werden in starkem und eher noch zunehmendem Maße westliche Technologien übernommen und mit ihnen — da sie geprägt sind vom kapitalistischen Effizienzkalkül — unvermeidlicherweise auch „systemfremde" Wertordnungen: dies alles um den Preis eines zweifellos „fundamentalen politischen Identitätsverlustes des sowjetischen Systems, für den in fast allen Bereichen seiner Wirtschafts-und auch Umweltpolitik eine Strategie des „Durchwurstelns" symptomatisch ist

Die Ideologie hat in diesem Zusammenhang einen Vernebelungseffekt: durch ihre Fiktion, daß im Sozialismus bereits „ein prinzipiell neues Verhältnis zwischen Natur und Gesellschaft" erreicht sei, und ihre These von „der Aufhebung aller antagonistischen Interessen-gegensätze im Sozialismus" wird eine realistische Problemsicht in der Umweltfrage verschleiert und damit wirksame Lösungsansätze unterbunden. Faktisch besteht im heutigen sowjetischen Industriesystem ein kompromißloser, d. h. eben „antagonistischer“ Interessengegensatz zwischen Wachstum und Umweltschutz wie wohl in kaum einem entwickelten kapitalistischen Industrieland! b) Ungebremste . kapitalistische Produktionsweise'

als ökologisches Kernproblem Allerdings wäre es unzulässig, diesen Tatbestand wiederum dem Sozialismus „als System" anzulasten. Zwar waren es die „kapitalistischen Produktionsverhältnisse", die von der sozialistischen Ideologie für die Umweltschäden verantwortlich gemacht wurden; aber es ist wohl evident, daß mit deren Beseitigung — also der im wesentlichen formalen Kollektivierung des Eigentums an den Produktionsmitteln und der Einführung zentraler Pla-nungs-und Lenkungsformen der Volkswirtschaft — im Hinblick auf die Ausräumung der Umweltprobleme noch nicht allzu viel getan sein kann! Diese hängen vielmehr zunächst vor allem vom „Stand der Produktivkräfte", also dem Industrialisierungs-und Technisierungsgrad, ab; denn wesentliche Ursachen der Umweltbelastung rühren ja aus der fortgeschrittenen Desintegration ökonomischer Tätigkeiten her; also schlicht aus einer extremen industriellen Arbeitsteilung, die externe gesellschaftliche Effekte bzw. Kosten deswegen entstehen läßt, weil die Kostenrechnungsgrenzen der einzelnen Wirtschaftseinheiten zu eng gezogen werden.

Die ideologischen Schlagworte von der „Ökologisierung der Produktion" und der notwendigen „Vervollkommnung" industrieller und technologischer Prozesse nach dem Muster natürlicher Kreisläufe verweisen insofern sicher auf einen umweltpolitischen erfolgsversprechenden Weg; nur nimmt die sowjetische Wirtschaftsentwicklung weiterhin den genau entgegengesetzten Weg mit zunehmender Arbeitsteilung — gerade auch in der räumlichen Dimension —, hochspezialisierten industriellen Großanlagen und ungehemmten Ballungstendenzen von Wohnund Industriezentren: insgesamt mit einer „kapitalistischen Produktionsweise" par excellence, wie sie in den „alten" westlichen Industrieländern längst der Vergangenheit angehört c) Alternativen sozialistischer Umweltgestaltung: Der chinesische Weg Daß aber sozialistische Systeme, u. a. gerade vermöge ihrer zentralen Planungskompetenz, durchaus zu einer autonomen Umweltgestaltung „fähig" sind, zeigt das Beispiel der Volksrepublik China Hier bildet das Prinzip der „komplexen Wiedergewinnung" bzw. Mehrzwecknutzung als ökonomische Strategie das Kernstück eines umweltpolitischen Konzepts, das ganz eindeutig auf vorsorgenden Umweltschutz abgestellt ist.

Im Hinblick auf die in der UdSSR festgestellten Schwachstellen der Umweltpolitik verdienen die folgenden Merkmale des „chinesischen Weges“ besondere Beachtung:

— eine möglichst . basisnahe'Verankerung der umweltpolitischen Befugnisse in der Planungsbürokratie, bei grundsätzlicher Einschaltung aller Planungsebenen;

— eine möglichst umweltkonforme Wachstumssteuerung durch Begrenzung der Ballungstendenzen in Großstadt-und Industriezentren, z. B. durch das . Ablegerprinzip", Verfolgung des Prinzips „optimaler regionaler Selbstversorgung", z. B. durch Förderung einer gemischten agro-industriellen Struktur bei der Stadtentwicklung;

— Verzicht auf materielle und juristische Anreize und Sanktionen (also keine umweltspezifischen . ökonomischen Hebel') bei umfassender Mobilisierung der Bevölkerung zur aktiven Mitwirkung an der Umweltpolitik als Kritik-und Kontrollinstanz.

Damit soll nicht etwa zu guter Letzt doch noch ein halbwegs hoffnungsvoller Ausblick auf die von den Ideologen verheißene „heile Umwelt des Sozialismus" gerettet werden; wohl aber soll eine Spur aufgezeigt werden zu bereits möglich gewordenen Umweltlösungen in einem sozialistischen System, deren ideologischer Ausgangspunkt sich allerdings um wichtige Nuancen von dem des sowjetischen Sozialismus unterscheidet: w .. Das Verhältnis von Wachstum und Umwelt, sagt der chinesische Umweltpolitiker, müsse dialektisch gesehen werden: Die Produktion schafft Umweltprobleme, deren Lösung ist wiederum eine Voraussetzung für die Produktionssteigerung. Umweltschutz kann nur betrieben werden, wenn die Produktion sich entwickelt. In China löse man beide Probleme gleichzeitig.. ."

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. H. Dahm, Ökologie und „Wissenschaftlicher Kommunismus", Berichte des Bundesinstituts für ostwiss. u. internat Studien, 13/1980, S. lf.

  2. M. Jänicke, Umweltpolitik in Osteuropa, in: Sozialismus in Theorie und Praxis. Festschrift für R. Löwenthal, hrsg. von H. Horn, A. Schwan, Th. Weingartner, Berlin 1978, S. 182.

  3. Zhores Medwedjew, Bericht und Analyse der bisher geheim gehaltenen Atomkatastrophe in der UdSSR, Hamburg 1979.

  4. Umweltprogramm der Bundesregierung, Bundestags-Drucksache VI/2710, 14. 10. 1971, S. 11.

  5. A Leonhardt u. G. Speer, Umweltreproduktion im staatsmonopolistischen Kapitalismus, Reihe: , Zur Kritik der bürgerlichen Ideologie', Bd. 79, Frankfurt 1977, S. 13.

  6. H. Dahm, a. a. O., S. 1.

  7. T. S. Chatschaturow, ökonomische Probleme der Ökologie, in: Sowjetwissenschaft, Gesellschaftswiss. Beiträge, 1978/10, S. 1020.

  8. Ebd.

  9. G. Kade, ökonomische und gesellschaftspolitische Aspekte des Umweltschutzes, in: M. Glagow (Hrsg.), Umweltgefährdung und Gesellschaftssystem, München 1972, S. 140.

  10. E. K Fjodorow, Die Wechselwirkung zwischen Natur und Gesellschaft, Berlin (Ost) 1974 (russ. Original 1972), S. 51

  11. H. Paucke u. A Bauer, Umweltprobleme — Herausforderung der Menschheit, Verlag marxist. Blätter, Frankfurt 1980, S. 43.

  12. B. Commoner, Wachstumswahn und Umweltkrise. München u. a. 1973, S. 20.

  13. Vgl. H. M. Enzensberger, Zur Kritik der politischen Ökologie, in: H. M. Enzensberger, K. M. Michel (Hrsg.) Kursbuch 33, Ökologie und Politik oder: Die Zukunft der Industrialisierung, Berlin 1973,

  14. H. Paucke u. A Bauer, a. a. O„ S. 47.

  15. A. Bauer u. H. Paucke, Umweltprobleme in der Sicht des historischen Materialismus und bürgerlicher Weltmodelltheorien, in: Deutsche Zeitschrift für Philosophie, Berlin (Ost) 1976, Nr. 7, S. 787.

  16. H. Paucke u. A Bauer, a. a. O„ S. 5.

  17. A a. O„ S. 13.

  18. Aa. O., S. 67.

  19. G. Kade, Systemvergleiche in der Umwelt-Diskussion, in: Blätter f.deutsche u. Internat Politik, 1972/8, S. 851.

  20. J. Füllenbach, Umweltschutz zwischen Ost und West, Schriften des Forschungsinstituts der Deutschen Gesellschaft f. Ausw. Politik, Bonn 1977, S. 88.

  21. Vgl. hierzu besonders J. Füllenbach, a. a. O., S. 98ff.

  22. H. C. Binswanger, Eine umweltkonforme Wirtschaftsordnung, in: M. P. v. Walterskirchen (Hrsg.), Umweltschutz und Wirtschaftswachstum, München 197Z

  23. Vgl. T. S. Chatschaturow, a. a. O„ H. Paucke u. A Bauer, a. a. O. S. 70. S. 1026;

  24. Vgl. J. Füllenbach, a. a. O., S. 101.

  25. Vgl. hierzu J. M. Kramer, Prices and the Conservation of Natural Resources in the Soviet Union, Soviet Studies Vo. XXIV, 1973/3, S. 372; desgl. T. S. Chatschaturow, a. a. O., S. 1026.

  26. Vgl. H. Dahm, a. a. O., passim.

  27. Vgl. A Leonhardt, Marx'Antwort auf Umwelt-fragen, in: IPW-Berichte, 1974/7, inbes. S. 40:..... Die Wertgröße der natürlichen Umwelt entspricht demnach dem gesellschaftlich-notwendigen Aufwand für die Erhaltung bzw. Wiederherstellung ihres Gebrauchswertes", womit allerdings nur besagt wird, daß z. B. Luft und Wasser im Naturzustand ohne Wert sind, wohl aber in dem Maß Wert gewinnen, wie Aufwendungen zur Wiederherstellung ihrer durch Nutzung geänderten Qualität notwendig werden.

  28. Zitiert nach E. u. T. I. Komoren, Marx und die Ökologie, in: Kursbuch 33, a. a. O., S. 178.

  29. Aa. O., S. 179.

  30. H. Paucke u. A Bauer, a. a. O„ S. 66.

  31. A a. O„ S. 205.

  32. Aa. O„ S. 66f.

  33. A a. O„ S. 69.

  34. A a. O., S. 65,

  35. E. K. Fjodorow, a. a. O., S. 15.

  36. H. Paucke u. A. Bauer, a. a. O., S. 39.

  37. A. a. O., S. 65.

  38. Karl Marx, Das Kapital, 3. Bd„ Marx/Engels: Werke. Bd. 25, S. 112 (zitiert nach H. Paucke u. A Bauer, a. a. O., S. 194).

  39. Aa. O„ S. 194 f.

  40. A a. O., S. 204.

  41. A. a. O., S. 208.

  42. Vgl. H. Dahm, a. a. O., passim.

  43. Vgl. u. a. H. Paucke/H. Kroske, Weltmodelle — neue Konvergenzvarianten zu Umweltproblemen, in: Deutsche Zeitschrift für Philosophie, 1975/11, S. 1501 ff.

  44. Wolfgang Harich, Kommunismus ohne Wachstum? Babeuf und der , Club of Rome, Reinbek 1975.

  45. Radovan Richta und Kollektiv, Technischer Fortschritt und industrielle Gesellschaft, Frankfurt 1972; Ulf Skirke, Planvoller Fortschritt? Ein Rückblick auf den „Richta-Report“ des Prager Frühlings, in: Technologie und Politik, aktuell-Magazin 2, Hamburg 1975, S. 185— 92.

  46. A Bauer u. H. Paucke, a. a. O„ S. 797.

  47. H. Dahm, a. a. O„ S. 13.

  48. A Bauer u. H. Paucke, a. a. O„ S. 798.

  49. H. Dahm, a. a. O„ S. 13.

  50. A a. O. S. 2.

  51. A. a. O. S. 3.

  52. Vgl. B. M. Lindenberg, Das Technikverständnis in der Philosophie der DDR, Frankfurt u. a. 1979, S. 128.

  53. E. K. Fjodorow, a. a. O„ S. 44 f.

  54. A. a. O„ S. 53.

  55. A Bauer u. H. Paucke, a. a. O., S. 785.

  56. E. K. Fjodorow, a. a. O., S. 84.

  57. A Bauer u. H. Paucke, a. a. O., S. 785.

  58. E. K Fjodorow, a. a. O„ S. 53.

  59. W. Harich, a. a. O.. passim.

  60. A. a. O., S. 8.

  61. K. Bayertz, Aktuelle Tendenzen der Technik-kritik, in: Deutsche Zeitschrift für Philosophie, 10/1979, S. 1481.

  62. H. Paucke u. A Bauer, a. a. O., S. 65.

  63. Ebd.

  64. Aa. O., S. 208f.

  65. Vgl. E. Barthel, Umwelt-Politik. Situation, Probleme und Lösungsansätze, hrsg. von der Landes-zentrale f. pol. Bildungsarbeit, Berlin 1976, S. 41 ff.

  66. U. Skirke, a. a. O„ S. 185.

  67. R. Richta und Kollektiv, a. a. O„ S. 20.

  68. Aa. O„ S. 209 ff.

  69. U. Skirke, a. a. O., S. 192.

  70. R. Richta und Kollektiv, a. a. O., S. 211.

  71. M. Jänicke, a. a. O., S. 179.

  72. Angesichts der „industrialisierten" Produktionstechnologien — z. B. extensivem Einsatz von Kunstdünger, Pestiziden etc. — soll damit der Bereich der . Urproduktion’ gerade in der UdSSR keineswegs für ökologisch unbedenklich erklärt werden, auch wenn er im weiteren weniger im Blickpunkt steht.

  73. M. Jänicke, a. a. O., S. 179.

  74. Jahrbuch der UdSSR 1980, S. 98ff.

  75. B. Bittighöfer, H. Edeling, H. Kulow, Theoretische und politisch-ideologische Fragen der Beziehungen von Mensch und Umwelt, in: Deutsche Zeitschrift für Philosophie, 1972/1, S. 74f.

  76. B. Komarow, a. a. O„ S. 46.

  77. M. Jänicke, a. a. O„ S. 179.

  78. Ua-O, S. 177 f.

  79. A.a.O., S. 17

  80. B. Komarow, a. a. O„ S. 84.

  81. J. Füllenbach, a. a. O„ S. 51.

  82. Aa. O., S. 111, (Anm. 108).

  83. M. Jänicke, a. a. O., S. 192f.

  84. Aa. O., S. 191.

  85. Aa. O., S. 180.

  86. Vel. anderweitig hierzu H. Paucke u. A Bauer, a. a. O., S. 223 ff.; J. P. Oshogow, Der ideologische Kampf um das Umweltproblem, in: Wissenschaftlich-technische Revolution und ideologischer Kampf, Internationales Autorenkollektiv, Frankfurt 1 978 s 321 ff

  87. H. -H. Höhmann u. a„ a. a. O., S. 31.

  88. Ebd.

  89. B. Komarow, a. a. O., S. 33.

  90. H. -H. Höhmann u. a., a. a. O„ S. 30.

  91. Ebd.

  92. T. S. Chatschaturow, a. a. O., passim.

  93. H. Paucke u. A. Bauer, a. a. O„ S. 211.

  94. H. -H. Höhmann u. a„ a. a. O„ S. 96.

  95. A. a. O„ S. 118.

  96. M. Jänicke, a. a. O., S. 186; E. Hödl, Die technokratische Lösung der Umweltprobleme in sozialistischen Ländern, in: Frankfurter Hefte, 6/1972, S. 426— 32.

  97. M. Jänicke, a. a. O., S. 183.

  98. A. a. O„ S. 184.

  99. B. Komarow, a. a. O„ S. 69.

  100. A. a. O„ S. 78.

  101. H. -H. Höhmann u, a., a. a. O., S. 26.

  102. H. Paucke u. A Bauer, a. a. O„ S. 68.

  103. Offensichtlich wählte deshalb auch der bereits mehrfach zitierte sowjetische Anonymus Boris Komarow „das große Sterben am Baikalsee" zum Angelpunkt seines Geheimberichtes über die Umwelt-krise in der Sowjetunion.

  104. B. Komarow, a. a. O., S. 12; vgl. auch H. -H. Höhmann u. a., a. a. O., S. 14; E. K. Fjodorow, a. a. O., S. 75 f.

  105. B. Komarow, a. a. O., S. 13.

  106. A. a. O., S. 17 ff.

  107. A. a. O. S. 12.

  108. A. a. O., S.

  109. A. a. O„ S. 21.

  110. A. a. O., S. 19.

  111. A. a. O, S. 24.

  112. M. Messengießer, Die Atomenergiepolitik der UdSSR, in: Osteuropa, 11/1980, S. 1210; vgl. hierzu auch im Archivteil des gleichen Heftes (November 1980) und des folgenden 1/1981 die zweiteilige Dokumentation über „Das sowjetische Kernenergie-programm", S. A 519— 563 und A 22— 67, passim.

  113. Z. Medwedjew, a. a. O„ S. 16.

  114. A Buchholz (Hrsg.), Kernenergiepolitik der Länder des RGW, Konferenzbericht. Sonderveröffentlichung des Bundesinstituts für ostwiss. und internationale Studien Köln, Oktober 1979, S. 45 f.

  115. „Ost-Kernenergie: Vom Baikal bis zu Elbe“, in: Wirtschaftswoche, 12. 11. 1979, S. 68.

  116. Vgl. dazu Radio Moskau am 2. 5. 1980, 16. 29 GMT 1t. Monitor-Dienst Osteuropa v. 5. 5. 1980, S. 6: „... Die Projektierungsnormen und die Anforderungen, die man in der Sowjetunion an die Atomkraftwerksanlagen stellt, schließen jede Möglichkeit eines Defektes oder eines Ausbruchs von radioaktiven Stoffen aus...“ (Hervorhebung v. Verf.)

  117. Lt. einer entsprechenden Feststellung des Präsidenten der sowjetischen Akademie der Wissenschaften, Anatolij Aexandrow, im Juni 1979, vgl. M. Butenschön, Atomkraftwerke in der UdSSR, in: Die Zeit, 9. 11. 79, S. 21.

  118. A Buchholz, a. a. O., S. 54 ff.

  119. Neue Züricher Zeitung vom 19. 10. 1979, S. 5.

  120. M. Butenschön, a. a. O., S. 21.

  121. Bild der Wissenschaft, 6/1980, S. 104— 112, „Gespräch mit Zhores Medwedjew: Es gibt auch in der UdSSR eine Antikernkraft-Bewegung“.

  122. A Bauer u. H. Paucke, a. a. O., S. 789.

  123. H. Paucke u. A Bauer, a. a. O„ S. 185.

  124. H. -H. Höhmann u. a„ a. a. O., S. 40f.

  125. B. Komarow, a. a. O„ S. 147.

  126. Aa. O„ S. 45.

  127. Aa. O, S. 31.

  128. Aa. O„S. 30.

  129. K. Bush, Umweltschutzprobleme in den sozialistischen Ländern, in: Osteuropäische Rundschau, 1973/1/2, S. 18.

  130. B. Komarow, a. a. O., S. 51.

  131. Sowjetunion heute, 4/1981, „Welchen Einfluß hat die Öffentlichkeit?“ S. 40 f.

  132. Ebd.

  133. B. Komarow, a. a. O„ S. 148.

  134. H. -H. Höhmann u. a„ a. a. O., S. 38.

  135. Vgl. hierzu auch W. H. Kamankin, Die ökonomischen Interessen der entwickelten sozialistischen Gesellschaft, Berlin (Ost) 1980, S. 167ff.

  136. Osteuropa, Archivteil 7/1980: „UdSSR: Umweltschutz wird immer dringlicher,“ S. A 445 f.

  137. B. Komarow, a. a. O„ S. 35.

  138. Vgl. hierzu M. Jänicke, Blauer Himmel über den Industriestädten — eine optische Täuschung, in: M. Jänicke (Hrsg.), Umweltpolitik, Opladen 1978, S. 150 ff.

  139. H. -H. Höhmann u. a., a. a. O., S. 57.

  140. Osteuropa 7/1980, a. a. O., S. A 448; diesen Vorgang behandelte am 17. 12. 1978 und 19. 1. 1979 die . Komsomolskaja pravdä in einem zugleich amüsierten und entrüsteten Bericht, von dem hier nur zur Kennzeichnung des Sachverhalts der Vorspann zitiert wird.

  141. B. Komarow, a. a. O., S. 58.

  142. Osteuropa 7/18

  143. H.-H. Höhmann u. a., a.a.O., S. 35f

  144. B. Komarow, a. a. O., S. 119 f.

  145. N. Fedorenko, K. Gofman, Rationelle Gestaltung der Umwelt als Problem der optimalen Planung und Lenkung, in: Sowjetwissenschaft: Gesellschaftswissenschaftliche Beiträge, 3/1973, S. 229.

  146. Sozialismus: Theorie und S. 99 ff.

  147. Nach K. Bush, a. a. O., S. 17.

  148. B. Komarow, a. a. O., S. 87 ff.

  149. Osteuropa 7/1980, a. a. O., S. A 445. Praxis, 10/1979,

  150. B. Komarow, a. a. O., S. 87ff.

  151. M. Jänicke, a. a. O., S. 191.

  152. Dem entspricht auch das von amerikanischen Ökonomen aufgrund empirischer Untersuchungen festgestellte „Wachstumsmuster" der sowjetischen Wirtschaft seit Beginn der forcierten Industrialisierung in den 20er Jahren, das im wesentlichen auf „quantitative increase in inputs" statt — wie in westlichen Industrieländern weit überwiegend — „more efficient utilization of inputs" beruht; vgl. J. T. Kramer, a. a. O-, S. 364 f.; dazu auch J. S. Berliner, The Innovation Decision in Soviet Industry, Cambridge (Mass.) 1976, S. Xf.

  153. Vgl. N. Fedorenko, K. Gofman, a. a. O., passim.

  154. Aa. O„ S. 229.

  155. Aa. O„ S. 232.

  156. A a. O.. S. 233.

  157. A. a. O., S. 234.

  158. H. -H. Höhmann u. a., a. a. O„ S. 62 f.

  159. N. Fedorenko, K. Gofman, a. a. O„ S. 235.

  160. A. a. O., S. 234.

  161. Denkansätze in der DDR gehen in die gleiche Richtung wie das Fedorenko-konzept, vgl. E. Barthel, a. a. O., S. 71.

  162. Vgl. H. -H. Höhmann u. a., a. a. O.. S. 59.

  163. Vgl. J. Füllenbach, a. a. O., S. 111.

  164. Vgl. E. Dahmen, Umweltschutz und ökonomische Systeme, in: M. Glagow, a. a. O., S. 66.

  165. Vgl. H. -H. Höhmann u. a., a. a. O., passim.

  166. So stieß die Einführung einer fixen Bodennutzungsabgabe in verschiedenen Bereichen des Bergbaus mit dem Ziel sparsamerer Ausbeutung der natürlichen Ressourcen auf wenig Gegenliebe in den Betrieben und führte nicht zu dem erhofften Erfolg, vgl. J. M. Kramer, a. a. O., S. 372.

  167. M. Jänicke, a. a. O„ S. 185.

  168. A a. O„ S. 186.

  169. Gerade bei den Umweltschutztechnologien ist die Sowjetunion in besonderem Maße von Importen aus dem Westen abhängig; siehe M. Jänicke, a. a. O., S. 187; s. a. zur Vorgeschichte dieser technologischen Importe: A. C. Sutton, Western Technology and Soviet Economic Development, 1917 to 1930, Stanford 1968.

  170. M. Jänicke, a. a. O., S. 187.

  171. „Die Ökonomik des Durchwurstelns“ nennt denn auch H. -H. Höhmann seine kürzlich erschienene Analyse über „Probleme und Tendenzen der sowjetischen Wirtschaft zu Beginn der 80er Jahre"; Berichte des Bundesinstituts für ostwiss. und internationale Studien Köln, 10/1981.

  172. H. M. Enzensberger, a. a. O., S. 24ff.

  173. Vgl. hierzu M. Jänicke, Umweltpolitik in China: Vorbilder aus einem Entwicklungsland, in: Umwelt, 6/1975, S. 18— 21; R. W. Kapp, Recycling im heutigen China, in: Recycling: Lösung der Umweltkrise? Brennpunkte, 2/1974 S. 107— 18.

  174. M. Jänicke, Umweltpolitik in China, a. a. O„ S. 19.

Weitere Inhalte

Christiane Busch-Lüty, Dr. rer. pol., geb. 1931; Professorin für Wirtschaftsund Sozialpolitik an der Hochschule der Bundeswehr München; Studium der Wirtschaftswissenschaften und Social Sciences in München, Nottingham, Bonn und Freiburg/Brsg.; 1967— 1970 Mitglied der Redaktion der Wirtschaftswoche/Der Volkswirt, Frankfurt. Veröffentlichungen u. a. über Lohn-und Einkommenspolitik, Wissenschaftsund Bildungspolitik, Wirtschaftssysteme.