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Forschungspolitik, Technologiefolgenabschätzung und öffentlicher Dialog. Stellungnahme zum Sechsten Bundesforschungsbericht (BFB VI) *) | APuZ 28/1980 | bpb.de

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APuZ 28/1980 Artikel 1 Forschungsund Technologiepolitik in der Bundesrepublik. Deutschland Anmerkungen zum Bundesforschungsbericht VI Forschungspolitik, Technologiefolgenabschätzung und öffentlicher Dialog. Stellungnahme zum Sechsten Bundesforschungsbericht (BFB VI) *) Glashaus oder Elfenbeinturm? Zur Entwicklung und zur Lage der Wissenschaftskommunikation

Forschungspolitik, Technologiefolgenabschätzung und öffentlicher Dialog. Stellungnahme zum Sechsten Bundesforschungsbericht (BFB VI) *)

Michael Bartelt, Kurt Kaiser, Fritz-Rüdiger Volz, Karl Ernst Wenke, Horst Zilleßen Horst Karl Ernst Wenke Fritz-Rüdiger Volz Kurt Kaiser Michael Bartelt Zilleßen

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Zusammenfassung

Der Beitrag ist ein Auszug aus einer umfassenderen Stellungnahme des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Evangelischen Kirche zum Bundesforschungsbericht VI der Bundesregierung. Die Autoren erörtern insbesondere das Problem der Technologiefolgenabschätzung, d. h. sie fragen vor allem, ob, wo und wie gerade die sozialen, ökologischen und anthropologischen Folgen technischer Innovation bei ihrer Förderung und bei ihrer öffentlichen Darstellung und Verteidigung berücksichtigt werden. Sie kommen dabei insgesamt zu einer eher negativen Bilanz und Beurteilung. Zunächst werden, um den Hintergrund der Kritik deutlicher werden zu lassen, sechs Thesen zum allgemeinen Verständnis von Technologiepolitik formuliert. Sodann wird dem Problem der Technologiefolgenabschätzung nachgegangen. Es stellt sich heraus, daß die einzelnen Aspekte — die forschungspolitische Begründung, die Darstellung des Problems, die Durchführung in der Förderung und schließlich die Rechenschaftslegung darüber — durchaus nicht einander entsprechen. Bedenken werden insbesondere formuliert im Blick auf die mangelhafte Berücksichtigung der sozialen Aspekte von Technologie: zum einen in ihrer grundsätzlichen Beachtung bei allen Förderungsprojekten, zum anderen in der (geringen) Zahl geförderter, spezifisch sozialwissenschaftlicher Forschungsprojekte. Die Erfordernisse, Möglichkeiten und Hemmnisse eines öffentlichen Dialogs zur Forschungspolitik werden noch einmal gesondert untersucht. Dabei werden Konzepte und Einwände formuliert, die darauf zielen zu verhindern, daß der vom Forschungsbericht angestrebte „Dialog" mit dem Bürger nur eine Form der „Durchsetzung" längst gesetzter Ziele und Maßnahmen ist. Es wird nicht nur der Bericht als Teil und Element des beabsichtigten Dialogs selbst untersucht und kritisiert, sondern auch gefordert, die Bedingungen, Möglichkeiten und Folgen eines solchen Dialogs ihrerseits zum Gegenstand der Forschungsförderung zu machen. Abschließend werden an Einzelthemen (wie Lebens-und Arbeitsbedingungen, Raum-und Stadtentwicklung, Energie-und Entwicklungsförderung) die tatsächlichen Förderungsleistungen bilanziert, kritische Einwände zu Ausmaß und Absichten formuliert und konkrete Forderungen erhoben.

I. Grundsätzliche Orientierungen und Erwartungen

Mit der Veröffentlichung von Bundesforschungsberichten verbindet die Bundesregierung nach eigener Aussage die Absicht, eine öffentliche Diskussion über die Ziele und Maßnahmen ihrer Forschungspolitik und eine konstruktive Kritik daran zu ermöglichen. Für die Ernsthaftigkeit dieser Absicht spricht die Tatsache, daß die Kritik am BFB V aus dem Jahr 1975 zu einer wesentlichen Erweiterung des Zielkatalogs für die Forschungs-und Technologiepolitik der Bundesregierung geführt hat. Die damals u. a. kritisierte vorherrschende Orientierung dieserPolitik an ökonomisch-materiellen Wertsetzungen und das damit einhergehende Vertrauen in rein technische Problemlösungskapazitäten sind zwar nicht entscheidend abgebaut worden; aber der 1975 dominierende Technik-und Fortschritts-optimismus ist doch deutlich gedämpft.

Die beiden neuen Ziele „Ressourcenschonung und Erhaltung der natürlichen Lebensvoraussetzungen'' sowie „Verbesserung der Kenntnisse über Chancen und Risiken von Technologien" zeigen, daß diejenigen Einwände gegen den BFB V, die auf die Problematik begrenzter Ressourcen und negativer sozialer Folgen von technologischen Entwicklungen hinweisen, nicht ohne Einfluß auf die Formulierung von Zielen für die Forschungspolitik geblieben sind. Die Erweiterung des Anspruchs von Forschungspolitik ist zu begrüßen, denn sie trägt der Tatsache Rechnung, daß Wissenschaft und Technik in der Öffentlichkeit zunehmend kritischer auf mögliche negative Folgen und Auswirkungen hin befragt werden.

Wir können bei unserer Stellungnahme zum BFB VI folglich sowohl an sein technologiebezogenes wie an sein politikbezogenes Problembewußtsein anknüpfen, wenn wir einleitend einige Thesen formulieren. 1. Die technische und technologische Entwicklung ist kein Prozeß, der sich „automatisch" vollzieht; er wird vielmehr von Menschen gemacht, er muß gesteuert werden und kann sehr unterschiedlichen Zielen zu-bzw. untergeordnet werden:

Technologiepolitik ist ein zielorientierter Entscheidungsprozeß.

2. Es ist in einer hinsichtlich ihrer Basisorientierungen pluralistisch verfaßten Gesellschaft unmöglich, bei politischen Entscheidungen auf einen selbstverständlich gegebenen Konsens (wenigstens) „mittlerer Reichweite" zurückzugreifen, vielmehr ist — in jeweils spezifischen Lernund Entscheidungsprozessen — der Konsens jeweils neu zu gewinnen-. Technologiepolitik ist ein konfliktvermittelter und konsensorientierter Prozeß.

3. Es ist für unsere Gesellschaft charakteristisch, daß auch für die Entscheidungsprozesse der Technologiepolitik Interessen konstitutivsind; diese Interessen werden aber institutionell sehr unterschiedlich gewertet und sind mit sehr unterschiedlichen Durchsetzungspotentialen verknüpft: Technologiepolitik ist ein Prozeß der asymmetrischen Formulierung, Bewertung und Durchsetzung gesellschaftlicher Interessen.

4. Es ist für die Technologiepolitik, wie für jede „bereichsspezifische" Politik, konstitutiv, daß sie mit anderen Politikbereichen (Wirtschafts-, Sozial-, Verteidigungs-, Bildungsetc. Politik) in ihren Zielen, Strategien und Maßnahmen abgestimmt werden muß. Insbesondere bei knappen materiellen und ideellen Ressourcen kann sie dadurch in partielle Gegensätze zu den anderen Politikbereichen und auch in Randlagen geraten; sie kann dabei sogar zum Verzicht auf die Verwirklichung eigener Ziele und Vorhaben gedrängt werden.

Sie kann aber auch — etwa wegen ihres Innovationspotentials oder wegen veränderter gesellschaftlicher Bedürfnisse — die Trends anderer Politikbereiche mitbestimmen: Technologiepolitik ist ein abhängiger, interdependenter, aber nicht vollständig determinierter Politik-Prozeß.

5. Die hochkomplexen, technisch und gesellschaftlich außerordentlich voraussetzungsreichen Strukturen und Prozesse moderner Technik und Technologie sind selbst von Fachleuten, erst recht aber von Laien mit den Mitteln des üblichen Wissens nicht durchschaubar und insbesondere in ihren Folgewirkungen nicht absehbar, gleichzeitig gilt aber, daß sie für die Arbeits-und Lebensvollzüge aller Menschen beträchtliche quantitative und qualitative Folgen haben: Technologiepolitik ist ein — gleichsam anthropologisch — notwendiger Aufklärungsprozeß. 6. Es ist in einer demokratisch verfaßten Gesellschaft erforderlich, diese Steuerung und Zielorientierung (Technologiepolitik insgesamt und Forschungspolitik im speziellen) zum Gegenstand breitangelegter Lern-und Entscheidungsprozesse aller Bürger zu machen: Technologiepolitik ist ein demokratischer, partizipationsvermittelter Prozeß.

II. Kritische Analyse

1. Zur forschungspolitischen Bedeutung der Technologiefolgenabschätzung und -bewertung Bisher haben wir — wenngleich in gedrängter und gewiß auch verkürzter Weise — versucht, an das Problembewußtsein und die Absichten des BFB VI anknüpfend und um die Probleme der dialog-und partizipationsorientierten Technologie(folgen) -abschätzung und -bewertung zentriert die Voraussetzungen unserer Auseinandersetzung mit ihm zu verdeutlichen und dabei bereits einige daran hängende grundsätzliche Erwartungen und Forderungen zu formulieren.

Wir wollen nun in den folgenden Teilen uns stärker auf den Text und die Maßnahmen des BFB beziehen und — auf der Basis unseres im ersten Teil in grundsätzlicher Übereinstimmung mit den Absichten des BFB VI entwikkelten Verständnisses von Technologiepolitik — unsere Hinsichten an einigen speziellen Problemen in kritischer Absicht bewähren.

Wir werden dazu auf die Technologiefolgen-Problematik eingehen.

Bei der generellen Frage danach, in welcher Weise, in welchem Umfang und mit welchen Folgen der gesellschaftlichen Bedeutung der Technologiefolgenabschätzung etc. in der Förderungspolitik Rechnung getragen wird, interessieren uns vor allem drei Aspekte (die freilich in unserer Perspektive eng verschränkt sind und die keine Reihenfolge für die sich anschließende Analyse abgeben):

— In welcher Weise und in welchem Maß ist die Darstellung des BFB VI selbst so angelegt, daß er der Öffentlichkeit eine Bewertung von Ergebnissen und Folgen staatlicher Förderung überhaupt möglich macht, und was erfährt der Leser dabei?

— In welcher Weise und in welchem Maß werden im weitesten Sinne soziale (ökologische, psychologische, anthropologische und ethische) Gesichtspunkte sowohl bei der Erforschung und Erhebung der Technologiefolgen als auch bei deren Beurteilung und Bewertung berücksichtigt?

— Werden diese Probleme selbst unmittelbar zu einem Gegenstand der Forschungspolitik und -förderung gemacht, und (wie) sollte das geschehen?

Es ist sehr zu begrüßen, daß in den Abschnitten II und III des forschungspolitischen Teiles und in Abschnitt II des Faktenteiles des BFB VI erstmals der Versuch gemacht wird, der Öffentlichkeit eine Bewertung von Ergebnissen staatlicher Förderung zu erleichtern.

Im Teil II des forschungspolitischen Teils fällt zunächst der Hinweis auf grundsätzliche Schwierigkeiten auf, Ergebnisse der Forschungsförderung hinrei«'end zu verfolgen. Soll das neue Ziel der Chancen-und Risikoabwägung von Technologien aber ernst genommen werden, dann ist es offenbar unabweis-lich, ein an diesem Ziel orientiertes Informationssystem aufzubauen (Tz. 54).

Die Darstellung einzelner Ergebnisse von Förderungsmaßnahmen in diesem Abschnitt ist darüber hinaus bemerkenswerterweise fast ausschließlich an der wissenschaftlichen, technischen und ökonomischen Effektivität der Förderung orientiert. Wissenschaftliche Qualität, technische Machbarkeit und Markterfolg sind folglich die in der Darstellung dem Leser als wesentlich nahegebrachten Kriterien der Ergebnisbewertung. Immerhin wird auch darauf hingewiesen, daß bei negativen Bedarfs-und Folgenanalysen Förderungsvorhaben bereits eingestellt wurden (Tz. 54). Es wird aber nicht diskutiert, ob und gegebenenfalls welche Risiken bei einzelnen Projekten schon im Forschungs-und Entwicklungsprozeß untersucht wurden oder werden müßten. Während für einzelne Projekte oder Programmbereiche — wenn auch nur in genereller Weise — der Zusammenhang mit einem oder mehreren der übrigen Hauptziele der Förderung angesproeben wird, fehlt also jeder Bezug der Ergebnis-darstellung und -bewertung zum Teilziel der „Verbesserung der Kenntnisse über Risiken von Technologien".

Weitere Ergebnisse werden im Teil III des forschungspolitischen Teils und im Teil II des Faktenteils dargestellt.

In der forschungspolitischen Begründung der einzelnen Schwerpunkte der Forschungs-und Technologiepolitik werden immer wieder die Bedeutung umweltfreundlicher Technologien, die Risikofaktoren der sozialen und technischen Umwelt für die menschliche Gesundheit, die langfristig wirkenden Gefährdungen des Ökosystems durch Produktion, Verkehr u. a.deutlich gemacht; dem entsprechen aber nur selten ausdrückliche Verweise auf gezielt geförderte Studien zur Technologiefolgenabschätzung. Darüber hinaus ist für keinen Förderungsschwerpunkt im Aufgabenbereich „Wissenschaftliche Erkenntnis" und „Leistungs-und Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft" ersichtlich, welche Konzepte und Instrumente zur Abschätzung und Bewertung von Ergebnissen eingesetzt werden oder welchen Umfang die Wirkungsund Folgenforschung auf bestimmten Problemfeldern schon besitzt.

Natürlich ist zu konzedieren, daß der BFB nicht für alle Förderungsprogramme und -maßnahmen eine Ergebnisdarstellung und Bewertung in aller Breite anbieten kann. Um den Wünschen nach und dem Anspruch auf mehr Information zu diesen wichtigen Fragen dennoch zu entsprechen, sollten zumindest möglichst gezielte Hinweise auf detaillierte Darstellungen von Ergebnissen und ihrer Bewertung in verfügbaren Berichten, Gutachten, etc. erfolgen:

Wieweit den Problemen der Technologie(fol-gen) bewertung in der Durchführung der Forschungs-und Technologiepolitik tatsächlich Rechnung getragen wird, kann aber doch aufgrund von Hinweisen im BFB VI erschlossen werden: a) aus den Fragestellungen der Forschungsprojekte, die in diesem Zusammenhang relevant sind; b) aus den dafür in Ansatz gebrachten finanziellen Mitteln, wenn auch mit begrenzter Aussagekraft; c) aus der grundsätzlichen Bedeutung, die dem sozialen Aspekt, d. h.den Lebens-und Arbeitsbedingungen in der Forschungsförderung, beigemessen wird. Was zunächst die Frage der Technologiefolgenabschätzung im Rahmen der geförderten Forschungsprojekte angeht, so fällt es schwer, anhand des forschungsund technologiepolitischen sowie des Faktenteils im BFB VI nachzuweisen, daß der Erweiterung des Zielkatalogs materiell entspricht, was ihr programmatisch zuerkannt wird. So wird zwar in Tz. 6 unter Hinweis auf die Ambivalenz der Technik betont, daß die Wirkungen von Technologie auf die wirtschaftliche und soziale Entwicklung besser erforscht und beachtet werden müssen. Wenn aber dann erörtert wird, daß die moderne Technik vor dem Hintergrund der Wachstumsschwächen der letzten Jahre als eigenständige Ursache für Arbeitslosigkeit angesehen wird (Tz. 7), dann wird nicht einmal angedeutet, welche Herausforderung Arbeitslosigkeit und deren soziale und politischen Folgen aufgrund möglicherweise andauernder Wachstumsschwäche für die Forschungs-und Technologiepolitik darstellt.

Ausdrücklich wird in diesem Zusammenhang auf die negativen Beschäftigungswirkungen der Elektronik hingewiesen. Bei der Darstellung dieses Bereichs unter der Überschrift „Schwerpunkte der Forschungs-und Technologiepolitik" wird zwar erwähnt, daß die Bundesregierung Studien vergibt, um quantifizierte Vorstellungen über die Beschäftigungswirkungen der Elektronik in einzelnen Wirtschaftszweigen zu erhalten (Tz. 101); in der Finanzplanung werden dafür jedoch bis 1981 keine Mittel ausgewiesen. Auch in der Darstellung der Förderungsschwerpunkte werden diese Studien nicht aufgeführt.

Es mag sein, daß hier nur eine Informationslücke vorliegt, die ja bei der Fülle der geförderten Einzelprojekte und -maßnahmen durchaus erklärbar wäre. Skeptisch stimmt freilich die Erkenntnis, daß auch an anderen Stellen Hinweise auf Untersuchungen zur Frage der Technologiebewertung nicht zu entdecken sind. In Tz. 30 werden die Chancen und Risiken der Gen-Forschung und der Gen-Technologie erwähnt und in Tz. 31 wird noch einmal besonders auf die Gefahren dieser Technologie hingewiesen. In der Finanzplanung sucht man finanzielle Mittel für entsprechende Forschung aber vergeblich, und auch bei der Darstellung der Förderungsschwerpunkte taucht das Problem nicht wieder auf. Vor allem hätte man erwarten können, daß wenigstens die erkannten Gefahren benannt worden wären, denn die Gen-Technologie ist wohl ein typisches Beispiel für die Notwendigkeit sowohl der Technologiefolgenabschätzung selbst als auch der öffentlichen Diskussion darüber. Sie bietet zudem den Vorteil, noch nicht so sehr mit wirtschaftlichen Interessen besetzt zu sein wie etwa die Kerntechnik, so daß hier noch ein wirklich offener Dialog möglich wäre.

Ein solcher Dialog wird durch den BFB VI in keiner Weise gefördert, was unter all den von uns oben ausgeführten forschungspolitischen Gesichtspunkten zu bedauern ist.

Es stellen sich freilich auf diesem Feld außerordentlich schwierige methodische und inhaltliche Aufgaben; das ist angesichts der Differenziertheit der Forschungsfragen und der Komplexität ihrer Ergebnisse offenkundig. Diese Schwierigkeiten werden noch erhöht durch den materiellen Aufwand, der erforderlich ist, um wesentliche Entwicklungen auf ihre möglichen Folge-und/oder Nebenwirkungen hin zu untersuchen. Wenn im BFB VI im Hinblick auf die Technologiefolgenabschätzung die Entwicklung technologischer Alternativen betont wird (Tz. 29, 94, 117), so ist diese Politik in doppelter Hinsicht zu begrüßen: Sie ist einerseits den sachlichen Schwierigkeiten angemessen und schreckt doch andererseits nicht zurück vor dem finanziellen und möglicherweise auch politischen Risiko einer Forschung und Entwicklung, deren ökonomische Verwertbarkeit und technische Effektivität nach bisherigen Kriterien gering oder — gerade in Anfangsphasen — noch gar nicht absehbar sind.

Gleichwohl drängt sich auch hier die Frage auf, wie es denn mit der konkreten Umsetzung in Maßnahmen tatsächlich bestellt ist. Wo immer von der Förderung technologischer Alternativen die Rede ist — bei der Kernenergie (Tz. 29), den Informationsund Kommunikationstechniken (Tz. 94) oder der Landwirtschaft (Tz. 117) —, sind konkrete Informationen ebenso spärlich wie die ausgewiesenen finanziellen Mittel.

— Unter dem Abschnitt „Sicherung der Energie-und Rohstoffversorgung" finden sich im Faktenteil Hinweise auf entsprechende Maßnahmen in den Teilprogrammen „Rationelle Energieverwendung im Anwendungs-und Sekundärenergiebereich" sowie „Neue Energiequellen" (S. 113). Was hier unter „technologische Alternative" fällt, wird nicht im einzelnen dargestellt; auch fehlt eine Zuordnung der finanziellen Mittel zu den verschiedenen Maßnahmen. Für beide Teilprogramme steht 1980 eine Summe von 319 Millionen DM zur Verfügung — von 1 971 Millionen DM Gesamtausgaben für Forschung und Entwicklung im Energiebereich. Ob der für die Entwicklung technologischer Alternativen bereitgestellte Betrag im Vergleich zur Aufgabenstellung angemessen ist oder sinnvoll eingesetzt wird, kann nach den wenigen Angaben im BFB VI nicht beurteilt werden. — Im Hinblick auf die modernen Informations-und Kommunikationstechniken heißt es unter Tz. 94, die Bundesregierung werde die sozialen, kulturellen und politischen Folgen ihrer Anwendung für den einzelnen und die Gesellschaft untersuchen lassen und die Entwicklung geeigneter Alternativtechniken fördern. Die Darstellung der Einzelmaßnahmen im Faktenteil (S. 115— 118) gibt keinerlei Auskunft darüber, welche Untersuchungen und Entwicklungen gefördert werden und ob dafür überhaupt eine Finanzplanung bis 1981 vorgesehen ist. — Auch die Frage, „welchen Beitrag die verschiedenen Alternativen zur herkömmlichen Landwirtschaft leisten können" (Tz. 117), wird im Faktenteil nicht ausdrücklich aufgenommen. In einer etwas verzerrten Perspektive könnte sie in dem mit 80 Millionen DM für 1980 ausgestatteten Teilprogramm „Produktion und Produktivität in, der Landwirtschaft" enthalten sein (S. 124 f), mit welchem u. a. „Entwicklung und Ausbau umweltfreundlicher Produktionsverfahren unter Berücksichtigung der Möglichkeiten der Produktionssteigerung" gefördert werden. Wenn diese Vermutung richtig ist, müßte freilich eingewendet werden, daß die Suche nach Alternativen zu herkömmlichen Produktionsformen nicht ausgerechnet in der durch Überproduktion gekennzeichneten Landwirtschaft mit dem Ziel der Produktionssteigerung verknüpft werden darf — wenn die Suche wirklich ernst gemeint ist.

Weder die Art und Weise, wie die Fragestellung der Forschungsprojc’ te auf das Problem der Technologiebewertung eingeht, noch die dafür ausgewiesenen Finanzmittel zeigen an, wie groß die forschungspolitische Bedeutung der Technologiefolgenabschätzung tatsächlich ist. Wir fragen: In welchem Umfang werden Untersuchungen gefördert, die etwa in gesellschaftlicher Hinsicht aktuell sind, die Technologieentwicklungen in bezug auf ihre sozialen und wirtschaftlichen Konsequenzen überprüfen, die das Problem der sozialen Kosten industrieller und landwirtschaftlicher Produktion angehen oder die gesundheitlichen Zwecken dienen? Eine an diese Frage anknüpfende Skepsis wird verstärkt, wenn anhand des BFB VI untersucht wird, in welchem Verhältnis die Forschungsförderung gegenüber den technischen und wirtschaftlichen die sozialen Aspekte, Probleme und Gegenstände von Wissenschaft und Forschung überhaupt berücksichtigt, d. h. auch solche Probleme, die mit sozialen Technologiefolgen nicht unmittelbar Zusammenhängen. Zur grundsätzlichen Ausrichtung der Forschungsförderung heißt es im BFB VI: „Die projektbezogene Forschungs-und Technologieförderung orientiert sich an der Qualität und Förderungswürdigkeit der einzelnen Vorhaben, d. h. ihrer Aktualität in technisch-wissenschaftlicher, wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht" (Tz. 26). Es soll hier nicht darüber gestritten werden, ob „Aktualität" ein ausreichendes Kriterium ist. Vielmehr soll die Frage angeschlossen werden, ob die hier gewählte Reihenfolge eine Rangfolge beinhaltet. Auch wenn das mit dieser Aufzählung nicht beabsichtigt gewesen ist, so bestätigt der BFB VI doch die Stichhaltigkeit der Frage.

Die in ihr implizierte These läßt sich bestätigen anhand der Betrachtung einiger Förderungsschwerpunkte: Innerhalb des Abschnitts „Schwerpunkte der Forschungsund Technologiepolitik" legt etwa die Darstellung über Informationstechnologien und technische Kommunikation (Tz. 94 bis 100) Zweifel über die gesellschaftlich begründete Notwendigkeit einer Forschungsförderung im vorliegenden Umfang nahe. Die Förderung — in Höhe von 366, 5 Millionen DM für 1980 — dient zumindest in erheblichem Umfang, wenn nicht gar ausschließlich, der Stärkung der hier am Markt engagierten Unternehmen. Dabei wird nicht einmal deutlich gemacht, ob hier sektorale oder regionale Strukturverbesserungen notwendig sind oder erreicht werden können. Die Erforschung der sozialen und wirtschaftlichen Konsequenzen beschränkt sich offenbar auf den Arbeitsmarkt; im Hinblick auf weitere Fragestellungen wie z. B. die Erweiterung demokratischer Mitwirkung durch die Möglichkeiten der Kommunikationstechnik enthält der BFB VI Absichtserklärungen ohne finanziellen Hintergrund. Jedenfalls ist an keiner Stelle zu ersehen, welche Mittel für eine breitere sozialwissenschaftliche Forschung in diesem Zusammenhang bereitgestellt werden.

Daß die Bundesregierung für Forschung zum Schutz der Gesundheit, zur Bekämpfung von Krankheiten und zur strukturellen Verbesserung des Gesundheitswesens im Jahr 1980 353 Millionen DM ausgibt (Tz. 109), für Welt-raumforschungaber fast das Doppelte, nämlich 659 Millionen DM (Tz. 106), ist mit den unterschiedlichen spezifischen Kosten wohl nicht mehr plausibel zu begründen. Die Bevorzugung technisch interessanter Projekte gegenüber der Forschung und Entwicklung im sozialen Bereich entspricht vielmehr voll und ganz den gesetzten Schwerpunkten in den Förderungsprogrammen und in der Ressort-forschung des Bundes (s. S. 78).

Diese Bevorzugung wird selbst innerhalb der Forschung und Entwicklung im Dienst der Gesundheit wirksam. Offenbar hat sich die Erkenntnis, daß Gesundheitserfolge der Medizin nicht allein von Präparaten und Techniken abhängen, sondern auch von dem Maß an Humanität und an menschlicher Zuwendung, das der Kranke erfährt, noch nicht in der Forschungsförderung niedergeschlagen. Jedenfalls fehlt jeder Hinweis darauf, daß unter diesem Teilprogramm auch Forschungen unterstützt werden, die darauf gerichtet sind, in den Krankenhäusern die Lebensbedingungen der Kranken und die Arbeitsbedingungen des Pflegepersonals zu verbessern. Wenngleich in der Tat die Vergleichbarkeit der Finanzzahlen eingeschränkt ist, „solange Angaben über die spezifischen Kosten der einzelnen Fördergebiete fehlen" (S. 103), so bestärken uns die Tatsache, daß sie fehlen, sowie auch die wirklich auffälligen Unterschiede in der Finanzausstattung in der Vermutung, daß zwischen der Förderung technisch und wirtschaftlich relevanter Projekte einerseits und human-sowie sozialwissenschaftlicher Forschung andererseits ein erhebliches Ungleich-gewicht besteht.

Eine angemessene Beurteilung der Darstellung von Ergebnissen der Förderung und ihrer Bewertung unter humanen und ökologischen Kriterien kann — wie auch die letzten Beispiele zeigten — nicht erfolgen, ohne die Ausführungen des BFB VI zu den Forschungen und Entwicklungen im Dienste der Gesundheit, der Ernährung, der Humanisierung des Arbeitslebens und der Gestaltung der Umwelt zu berücksichtigen (Tz. 108 ff., B 49 ff.).

Hier wird eben noch einmal und besonders deutlich, in welchem Maße ökologische, gesundheitliche, soziale, kulturelle und politische Gefährdungen und Irritationen auch Folgen der Lebens-und Arbeitsbedingungen in einer hochtechnisierten Industriewirtschaft sind; Folgen, deren Erforschung und politische Berücksichtigung zu lange vernachlässigt wurden. Solche Forschungs-und Entwicklungsarbeiten müssen unbedingt verstärkt werden. Denn sie sind notwendige Voraussetzungen für die Entwicklung wirksamer Umwelt-B Schutztechnologien, Sicherheitseinrichtungen und menschengerechter Produktions-und Konsumprozesse sowie für solche gesetzlichen Regelungen im Produktionsbereich, die im Konflikt zwischen rentabilitätsorientierter Darstellung und Vermarktung einerseits und ökologischen, medizinischen und gesellschaftlichen Aspekten der Versorgung andererseits in der Lage wären, den Vorrang betriebs-und marktwirtschaftlicher Prinzipien zu beschneiden (Tz. 117 f.). Ohne die Bedeutung der For-schungsund Technologieförderung zur Verbesserung der Lebens-und Arbeitsbedingungen auch nur im geringsten schmälern zu wollen, muß allerdings doch auch gefragt werden, ob nicht heute noch die Maßnahmen in ein Förderungskonzept eingepaßt sind, das vorwiegend an der „Symptombehandlung" ausgerichtet ist und vor allem reaktiv wirksam wird; es muß gefragt werden, ob es nicht eines Förderungskonzeptes bedarf, das antizipatori-scher und präventiver den Entwicklungsprozeß neuer Technologien in allen Förderungsschwerpunkten zu beeinflussen vermöchte.

Dann würden mit einer lebens-und zukunftsorientierten Technologiefolgenabschätzung und -bewertung und einer öffentlichen und partizipativen Auseinandersetzung über die Nutzung von Technologien Voraussetzungen für eine wirksame gesellschaftliche Technologiekontrolle und -Steuerung geschaffen. Angesichts der erwähnten erheblichen normativen und methodischen Probleme, die mit dem Versuch verbunden sind, Chancen und Risiken vor allem großtechnischer Systeme umfassend abzuwägen, und angesichts der grundlegenden Bedeutung dieser Fragen für den künftigen technischen Fortschritt und die gesellschaftliche Entwicklung, drängt sich jedenfalls die Forderung auf, die Erforschung der Möglichkeiten und Grenzen einer Abschätzung von Technikfolgen selbst zu einem zentralen Programm der Forschungsförderung zu machen. Die Frage, in welchem Umfang die Forschungsförderung der gesellschaftlichen Bedeutung der Technologiebewertung und der Technologiekontrolle Rechnung trägt, kann anhand des BFB VI nicht endgültig beantwortet werden.

Die dazu vermittelten Informationen reichen nicht aus, um den Realisierungsgrad der an sich begrüßenswerten Absichtserklärungen zu überprüfen. In der vorliegenden Form weckt der BFB VI eher Zweifel als Zuversicht, daß der Konflikt um die Technologiebewertung durch die Forschungspolitik entschärft werden könnte. Zu hoffen wäre, daß diese Zweifel nicht dem Inhalt der Forschungsförderung, sondern deren Darstellung anzulasten sind, denn sonst hätte nicht der Bundesforschungsbericht, sondern die Forschungspolitik selbst einen wichtigen Teil ihrer Aufgaben verfehlt.

III. Forschungspolitik und öffentlicher Dialog

In seinem Vorwort zum BFB VI kennzeichnet Minister Hauff die „Fortentwicklung unserer technologischen Gestaltungsmöglichkeit im Rahmen einer möglichst breiten Übereinstimmung in der öffentlichen Meinung" als das „Leitthema" des Berichts. Die angestrebte öffentliche Diskussion über die Forschungspolitik soll also letztlich dem Ziel dienen, die in vielen Bereichen der Technologie auftretenden Akzeptanzprobleme lösen zu helfen. Im BFB VI wird ausdrücklich hervorgehoben, daß Entwicklungen etwa in der Kernenergie, der Mikroelektronik, der Gen-Forschung oder der Datenverarbeitung von erheblichen Teilen der Gesellschaft als gefährliche Bedrohungen oder unerträgliche Belastungen empfunden werden. Daher bedürfe es einer „ernsthaften Einbeziehung der betroffenen Bürger und gesellschaftlichen Gruppen in die Entscheidungsprozesse von der Information im Planungsstadium, über Einführungsund Nutzungsentscheidungen bis zur Beobachtung der Auswirkungen" (Tz. 30).

Es muß wohl an dieser Stelle nicht eigens nachgewiesen werden, daß diese Zielsetzung — so begrüßenswert sie ist — in der Praxis mit erheblichen Schwierigkeiten konfrontiert wird. Selbst im Alltag der lokalen Politik stößt die Einbeziehung der Bürger in die Entscheidungsprozesse oft auf nur mühsam zu überwindende Schwierigkeiten. Wieviel größer müssen sie auf einem Feld sein, auf welchem der einzelne Bürger erheblich weniger informiert ist, wo ihm seine Betroffenheit nur selten unmittelbar einleuchtet und wo er noch stärker als im lokalen Bereich seine Kompetenz zur Mitsprache anzweifelt. Um zu dem gesetzten Ziel zu gelangen, ist wohl noch grundlegende Forschungsarbeit zu leisten, um die Methoden und Wege für eine sinnvolle Partizipation im Bereich der Forschungspolitik zu erkunden.

Unter diesem Gesichtspunkt ist es zu bedauern, daß aus dem BFB VI nicht ersichtlich ist, an welcher Stelle und mit welchen Fragestel27 lungen und Zielsetzungen der BMFT eine forschungspolitisch ausgerichtete Partizipation sowie eine entsprechende Forschung fördert. Sollte dies aber auf eine Fehlanzeige hindeuten, dann muß doch ernsthaft bezweifelt werden, daß mit dem Ansprechen der Bürger und der Einbeziehung gesellschaftlich wichtiger Gruppen tatsächlich eine „bessere Entscheidungsfindung" (Tz. 31) angestrebt ist. Denn das Ingangsetzen eines breiteren Willensbil-dungs-und Entscheidungsprozesses erfordert — wenn damit mehr erreicht werden soll als ein geeignetes Mittel zur Durchführung vorgefaßter Technologiekonzepte — die Erprobung entsprechender Verfahren, die bislang in bezug auf forschungspolitische Entscheidungen allenfalls in Ansätzen vorhanden sind.

Solche Verfahren müssen sicherstellen, daß den beteiligten Bürgern und Gruppen Einfluß auf die Entscheidung eingeräumt wird. Wenn nämlich mehr Information über die Forschungspolitik und eine stärkere Einbeziehung des Bürgers eine Lösung des Akzeptanz-problems unterstützen sollen, dann muß nach gesicherten Erkenntnissen der Kommunikationswissenschaft Offenheit der Entscheidung vorausgesetzt werden, dann müssen — anders formuliert — die beteiligten Bürger und Gruppen ihren Einfluß auch dahin gehend geltend machen können, daß z. B. eine bestimmte technologische Entwicklung nicht akzeptiert bzw. nicht gefördert wird.

Die vom BMFT gewünschte öffentliche Diskussion über die Ziele und Maßnahmen der Forschungspolitik muß also davon ausgehen können, daß das Akzeptanzproblem vor allem als ein inhaltliches und nicht nur als ein formales, als ein Problem der Informationsvermittlung gesehen und behandelt wird. Das bedeutet, daß die für die Forschungspolitik Zuständigen nicht die Auffassung vertreten dürfen, sie hätten die richtige Entscheidung bereits gefällt und es käme nun „nur" noch darauf an, sie richtig zu „verkaufen". Vielmehr müssen sie bedenken, daß in fast jedem zur Entscheidung anstehenden Fall offene Fragen der Bewertung vorliegen, zu deren Beantwortung alle Beteiligten so umfassend und objektiv wie möglich informiert werden müssen, damit die in der Sache begründeten Kontroversen auch tatsächlich ausgetragen werden können. Neben der Anwendung geeigneter Beteiligungsverfahren ist dies eine notwendige Voraussetzung für die Einbeziehung von einzelnen und Gruppen in die Entscheidungsfindung und damit für eine Lösung des Akzeptanzproblems. Der BFB VI könnte dazu sicher einen wichtigen Beitrag leisten, zumal in Tz. 31 ausdrücklich betont wird, daß die Bundesregierung das Ingangsetzen eines breiteren Willensbil-

dungs-und Entscheidungsprozesses „als eine Voraussetzung für bessere Entscheidungsfindung und nicht etwa als ein Mittel zur Durchführung vorgefaßter Technologiekonzepte an(sieht)". Zumindest im Hinblick auf den dargestellten Konfliktfall „Kernenergie" liegt freilich die Vermutung nahe, daß der BFB VI das Akzeptanzproblem als ein inhaltliches nicht sonderlich ernst nimmt. Dies kommt sowohl in einigen Formulierungen als auch in inhaltlichen Feststellungen zum Ausdruck.

So wird etwa zur Standortplanung von Kernkraftwerken angemerkt, daß viele Bürger hier „aufgrund tiefgreifender, wenn auch recht unbestimmter Risikoempfindungen" betroffen reagieren (Tz. 28). Sicher kann man über die Einschätzung des Risikos der Kernenergie unterschiedlicher Meinung sein — nicht zuletzt deshalb, weil selbst nach Auffassung des BMFT die in diesem Zusammenhang verwendete Risiko-Definition durchaus überprüfbar ist 1a). Aber die Bedenken gegen die Standort-planung als „unbestimmte Risikoempfindungen" zu kennzeichnen, bedeutet angesichts etwa der vom Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz bereitgestellten detaillierten Gegenargumente deren unbegründete Abqualifizierung. Während die Risikoerwägungen der Kernenergiegegner im BFB VI als unbestimmt dargestellt werden, fällt demgegenüber das Urteil über die wirtschaftlichen Argumente für die Kernenergie sehr eindeutig aus. Zu der „erwarteten Verbilligung der Stromentstehungskosten" (Tz. 28) wird mit keinem Wort auf die in der Diskussion vorgebrachten Gegenargumente eingegangen, die unter Verweis auf noch weitgehend ungelöste Kostenfragen bei der nuklearen Entsorgung und Wiederaufarbeitung die bisherigen Kalkulationen anzweifeln. Polemisch könnte hier entgegnet werden, daß die Erwartungen in bezug auf die Verbilligung der Stromentstehungskosten insgesamt und auf Dauer gesehen mindestens so unbestimmt sind, wie dies den Risikoüberlegungen der Kernenergiegegner unterstellt wird.

Die Ausführungen im BFB VI über das Akzeptanzproblem im Bereich der Kernenergie zeigen deutlich die Schwierigkeiten, denen sich die Forschungspolitik — bei aller guten Absicht — hier gegenübersieht. Das zentrale Problem wird in Tz. 29 angedeutet. Dort wird zu Recht hervorgehoben, daß Technologieakzeptanz voraussetzt, „die sachliche Diskussion um Vor-und Nachteile einer neuen Technologie zu führen, ehe ihr großtechnischer bzw. kommerzieller Einsatz vor der Tür steht und entsprechende 'Sachzwänge'Fakten schaffen, die der politischen Entscheidung voraneilen". Diese Voraussetzungen sind bei der Diskussion über die Kernenergie nicht mehr gegeben, und der wesentliche Sinn des „Bürgerdialogs Kernenergie" wird denn auch darin gesehen, aus dessen Mißlingen die notwendigen Konsequenzen zu ziehen.

Für den BFB könnte daraus gefolgert werden, daß er — wenigstens beispielhaft — über die Vor-und Nachteile neuer Technologien informiert und darüber hinaus die Ergebnisse der Forschungsund Technologieförderung breiter darstellt. Zu der ersten Aufgabe ist bereits angemerkt worden, daß der BFB VI hier alle Wünsche offen läßt. Weder die zitierten Gefahren der Gen-Technik (Tz. 31) noch die sozialen, kulturellen und politischen Folgen der Anwendung moderner Informations-und Kommunikationstechniken werden über die bloße Erwähnung hinaus inhaltlich dargestellt. Es werden nicht einmal Hinweise auf die Untersuchungsrichtung gegeben, so daß bei diesen Punkten völlig ausgeschlossen ist, auf der Basis der Informationen im BFB VI die gewünschte „konstruktive Kritik" üben zu können.

Auch die Darstellung der Ergebnisse der Forschungs-und Technologieförderung kann nur als dürftig bezeichnet werden. Zwar ist positiv anzumerken, daß erstmals Ergebnisse überhaupt vorgestellt werden. Aber der um etwa 20 Seiten gewachsene Umfang des forschungspolitischen Teils kommt nur mit genau 5 Seiten der Darstellung der Ergebnisse zugute. Sicher ist es vom administrativen Aufwand her nicht vertretbar (Tz. 54), die ständig wachsende Zahl von Forschungsergebnissen vom BMFT her zu verfolgen. Aber könnten nicht die Auftragnehmer dazu verpflichtet werden, über die praktischen Ergebnisse der geförderten Forschung oder Entwicklung dem BMFT zu berichten oder ihn bei langfristigen Projekten über die jeweiligen Fortschritte zu informieren?

Welche Mittel und Wege auch immer gefunden werden, um mit der notwendigen Ausführlichkeit über die Ergebnisse zu informieren, es sollte dabei berücksichtigt werden, daß die vom BMFT gewünschte öffentliche Diskussion über die Forschungspolitik nur dann in Gang kommen kann, wenn er selbst dazu die Voraussetzungen schafft. Notwendig wäre eine sehr viel ausführlichere Darstellung der Ergebnisse dieser Politik und ihrer Auswirkungen auf die soziale und politische Entwicklung in kurz-, mittel-und langfristiger Perspektive. Mit der bloßen Beschreibung von Absichten und Zielen wird die Forschungspolitik nicht diskussionsfähig, jedenfalls nicht für eine breitere Öffentlichkeit, denn die durch sie zu erwartenden oder bereits absehbaren gesellschaftlichen Konflikte bleiben dann verborgen. Gerade sie aber könnten die entscheidenden Auslöser für eine größere öffentliche Aufmerksamkeit darstellen, deren die Forschungspolitik angesichts ihrer grundlegenden gesellschaftlichen Bedeutung eigentlich bedarf.

Praktische Hinweise, wie durch den BFB die Forschungspolitik diskussionsfähiger gemacht werden kann, sind in der Stellungnahme zum V. Forschungsbericht enthalten Sie gelten mit Ausnahme des letzten Vorschlags, der im BFB VI aufgenommen worden ist, unverändert fort.

IV. Einzelthemen

Lebens-und Arbeitsbedingungen Im Bereich der Lebens-und Arbeitsbedingungen soll auf zwei Tatbestände aufmerksam gemacht werden, die beide im Vorfeld der Medizin, der Prävention angesiedelt sind. Es handelt sich einmal um die mit der Nachtschichtarbeit verbundenen gesundheitlichen Gefährdungen und Schädigungen und zum anderen um die ständig zunehmenden psychischen Krankheiten. Im BFB VI wird zwar festgestellt, daß die Prävention gleichgewichtig neben Früherkennung und Heilung treten müsse (Tz. AHO). Dennoch wird in den genannten Bereichen die Prävention nicht einmal erwähnt. a) Prävention psychischer Krankheiten In der Psychiatrie-Enquöte —von der Bundesregierung 1975 als Bericht veröffentlicht — wurde darauf hingewiesen, daß die Lebensbedingungen vieler psychisch Kranker als menschenunwürdig angesehen werden müssen. Es soll zwar nicht verkannt werden, daß bereits auf Teilgebieten Verbesserungen eingetreten sind. Obgleich die Ausweitung der Therapie im herkömmlichen Psychiatriebereich zu begrüßen ist, kann eine grundlegende Reduzie-rung der psychischen Krankheiten nur erreicht werden, wenn neue Gesichtspunkte angewendet werden.

Es reicht nicht mehr aus, seelische Erkrankungen allein unter medizinischen Gesichtspunkten zu sehen und zu behandeln. Auf diese Weise wird eine effektive Prävention nicht zu erreichen sein. Das Schwergewicht der Hilfen sollte zunehmend auf den sozialen Bereich und die durch die Gesellschaft hervorgerufenen seelischen Schädigungen verlagert werden. Dabei spielt zwar die personenbezogene Prävention eine wesentliche Rolle, sie wäre jedoch losgelöst von den Umweltfaktoren sehr wahrscheinlich zum Mißerfolg verurteilt. Zur Verbesserung des sozialen Vorfeldes seelischer Erkrankungen gehört die Erkenntnis, daß Armut, Familien-und Arbeitskonflikte, niedriger Bildungsstand etc. gleichsam der Nährboden für psychische Beeinträchtigungen in erheblichem Maß durch die soziale Umwelt verursacht, ausgelöst und aufrechterhalten werden. Wenn also die Lebens-und Arbeitsbedingungen zur Entstehung seelischer Erkrankungen beitragen, müssen Konzepte zur Vermeidung dieser Zwangsläufigkeiten entwickelt werden. Nach den Ausführungen im BFB VI (Tz. B 49), wo auf das „Programm der Bundesregierung zur Förderung von Forschung und Entwicklung im Dienste der Gesundheit 1978 bis 1981" hingewiesen wird, sind keine Maßnahmen vorgesehen, die die Entstehung verschiedener Krankheiten verhindern könnten.

Unerläßlich ist es, in den sozialen Brennpunkten neue Therapieformen zu praktizieren. Bisher fehlt es aber noch an gesicherten Erkenntnissen über die zweckmäßigste Prävention. Deshalb müssen Untersuchungen durchgeführt werden über die Wirksamkeit von interdisziplinären Vor-Ort-Hilfen (gemeindenahe Versorgung). In die Erprobung von ambulanten Maßnahmen sollten auch sogenannte Selbsthilfegruppen einbezogen werden. Zu überlegen wäre dabei auch, ob nicht Initiativen zur Gründung und Begleitung von Selbsthilfegruppen eine Förderung erhalten sollten. b) Gesundheitliche Gefahren der Nachtschichtarbeit und ihre Vermeidung Gesundheit als Voraussetzung für ein menschenwürdiges Leben wird in unserer Industriegesellschaft oft zu einem nachrangigen Gut, das hinter Lebensstandard, Wirtschaftswachstum und Rentabilitätserwägungen zurückgedrängt wird. Obwohl es bereits eine Vielzahl von Stellungnahmen und Krankheitsfällen gibt, die belegen, daß Nachtschichtarbeit erhebliche gesundheitliche Schäden hervorruft, werden gesundheitlich beeinträchtigte Arbeitnehmer oder für bestimmte Krankheiten vordisponierte Arbeitnehmer aber nach wie vor zur Nachtschicht herangezogen. Die hohe Zahl der vorzeitig erwerbsunfähig werdenden Nachtschicht-Arbeitnehmer ist ein trauriger Beweis für die Ausbeutung bestimmter Arbeitnehmer. Gegen die Einschränkung der Lebenschancen der Menschen durch vorzeitigen Verschleiß durch Nachtschichtarbeit könnten Maßnahmen ergriffen werden, wenn der politische Wille zum Handeln vorhanden ist.

Notwendig wären vor allem weitere arbeits-und sozialmedizinische Forschungsprojekte, um detaillierte Kenntnisse über das Ausmaß der Unzuträglichkeiten und Schädigungen durch Nachtschichtarbeiten zu erhalten. Bei diesen Untersuchungen muß Aufschluß darüber erzielt werden, ob die zunehmende Verschlechterung des Gesundheitszustandes bei längerer Nachtschichtarbeit allein auf die Nachtschichtarbeit zurückzuführen ist. Hierüber gibt es bisher keine Erhebungen, die eindeutige statistisch signifikante Zusammenhänge aufweisen.

Nachtschichtarbeit hat aber auch soziale Folgen. Bekannt ist, daß familiäre Probleme auftreten, daß die Teilnahme an kulturellen Veranstaltungen beeinträchtigt ist und daß Sozial-kontakte negativ berührt werden. Aus diesen Beeinträchtigungen und Behinderungen müßten entsprechende Konsequenzen gezogen werden.

Da aber mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit insbesondere bestimmte Belastungsfaktoren an Nachtschichtarbeitsplätzen zu vielfältigen Störungen des Allgemeinbefindens führen, müssen Maßnahmen erwogen werden, die zur Verminderung oder zur Vermeidung der Belastungen beitragen. Dabei käme es darauf an, neben der Eindämmung der Belastungsfaktoren am Arbeitsplatz ein zunehmendes Gewicht auf neue Formen der Arbeitsorganisation zu legen. Die Möglichkeiten und die Leistungsfähigkeit der Menschen könnten wesentlich verbessert und erweitert werden, wenn Arbeitszeitstrukturen flexibler als bisher gestaltet würden. Hier besteht ein erheblicher Forschungsbedarf. Im BFB VI (Tz. B 53) wird zwar über die Förderung von arbeitsorganisatorischen Maßnahmen berichtet, ob hierbei der angesprochene Sachverhalt einbezogen wurde und wenn ja, in welcher Zielrichtung, wird für den Leser nicht klar. Im Rahmen der Erprobung von neuen Formen der Arbeitszeitgestaltung sollten den Betrieben und der Wirtschaft Anreize geboten und Perspektiven vermittelt werden. Modellversuche zur flexiblen Arbeitszeitgestaltung könnten sich auf folgende Konzepte erstrek-ken:

— Flexible Teilzeitbeschäftigung Das wachsende Bedürfnis der Beschäftigten nach autonomen Handeln würde ernst genommen, wenn die Möglichkeit bestünde, die Berufsarbeit bei entsprechendem Verzicht auf Einkommen zu reduzieren. Es könnten z. B. jahreszeitliche und stundenweise Regelungen gewählt werden bei entsprechenden produktionstechnischen Erfordernissen. Die Teilzeit könnte auch in längerdauernden Blöcken organisiert werden.

— Der Jahresarbeitszeitvertrag Bei diesem Konzept, das sowohl für das Unternehmen als auch für den Arbeitnehmer von Vorteil ist, geht es ebenfalls um die Wahl der individuell optimalen Arbeitszeit. Durch die zugesicherten „Zeitkontingente" wäre der Betriebsablauf gewährleistet und die Arbeitnehmer könnten sich ihre Arbeitszeit im Einklang mit Betriebszeiten aussuchen. Dabei könnten Alternativen für nicht unbedingt erforderliche Nachtarbeit gewählt werden.

— Sechs-oder Fünf-Stunden-Tag • Hierbei geht es um die Reduzierung der Arbeitszeit nach einem festen Schema. Alle Männer und Frauen im erwerbsfähigen Alter müssen gegen Entgelt arbeiten. Für die Unternehmen ergibt sich als Vorteil, daß sich die Effektivität der Arbeit erhöht, die Arbeitskräfte gesünder bleiben und die Produktionsmittel besser ausgelasten werden. Die Schichtarbeit würde generell zunehmen; jedoch werden die Belastungen der bisherigen Schichtarbeit nicht mehr auftreten. Wenn z. B. in fünf Schichten (5-Stunden-Konzept) gearbeitet wird, gibt es keine „Nacht-Schicht" mehr. Es gibt nur Arbeitnehmer, die sehr spät ins Bett kommen und andere, die sehr früh aufstehen. Die häufigsten Schichten wären in diesem Fall ohnehin die Tagesschichten von 8 — 13 und von 13 — 18 Uhr. Auch beim Sechs-Stunden-Tag werden flexible Arbeitsbedingungen geschaffen. Durch zwei Sechs-Stunden-Schich-ten am Tag werden nicht nur Arbeitsmarkteffekte erzielt, auch die Arbeitswelt würde humaner (z. B. Rückgang der Frühinvalidität). Außerdem erfährt die Familie eine Aufwertung, weil mehr Zeit für die Kinder (25 Prozent der bisherigen Arbeitszeit wird Eigenzeit) zur Verfügung steht. Für die Frauen würde die Chancengleichheit erhöht.

Im Rahmen des Programms „Humanisierung des Arbeitslebens" wären die exemplarisch genannten Arbeitszeitmodelle auf ihre Brauchbarkeit und ihre mögliche generelle Ausweitung zu prüfen. Bisher sind derartige Überlegungen deswegen nicht ernsthaft geprüft worden, weil man eine Aushöhlung der Arbeitszeitverordnung vermeiden wollte. Es ist aber fraglich, ob die bisherigen starren gesetzlichen (aber auch tarifvertraglichen) Regelungen noch zeitgemäß sind. Es kann wohl nicht geleugnet werden, daß durch eine flexible Organisation der Arbeitszeit mehrere Ziele gleichzeitig erreicht werden könnten: Wegfall bzw. Reduzierung der Belastung durch Nacht-schicht, Abbau der Arbeitslosigkeit und größere Flexibilität in der Lebensgestaltung. Für die Arbeitswelt und die Freizeit könnten damit neue Maßstäbe gesetzt werden. Die Lebensqualität der Arbeitnehmerschaft würde auf diese Weise verbessert.

Raum-und Stadtentwicklung Bei der Behandlung des Themenbereichs „Raumordnung und Städtebau" (Tz. 134— 138 und S. 131 ff.) erlegt sich der BFB VI eine beklagenswerte Zurückhaltung auf. Wer einen Einblick in die aktuelle Problemlage auf diesen Politikfeldern erwartet, um damit die Forschungsvorhaben zu vergleichen, sieht sich enttäuscht; aber auch die Forschungsmaßnahmen werden nur in Stichworten mitgeteilt. Es entsteht der Eindruck einer bloßen Aufzählung von Forschungsthemen in abstrakten, blassen Formulierungen, ohne daß erkennbar würde, welchem Konzept die Bundesregierung bei ihrer Raumordnungs-und Städtebaupolitik folgt. Diese Form der Darstellung trägt wenig zum angestrebten Bürgerdialog auf diesem Gebiet der Forschungspolitik bei und erschwert eine problemadäquate Stellungnahme.

Probleme der Raumordnung Die gegenwärtige Situation wird bestimmt durch die nach wie vor anhaltende Tendenz zur Entleerung der ländlichen Räume und zum weiteren Anwachsen der großstädtischen Agglomerationen und der Ballungsräume. Die Regierung ist gebunden an die im Bundesraumordnungsgesetz niedergelegte Zielsetzung, gleichwertige Lebensbedingungen in allen Teilräumen der Bundesrepublik zu schaffen. Die aufgeführten Forschungsmaßnahmen vermitteln in ihrer Systematik wie in den Einzel-formulierungen den Eindruck, daß überwiegend die Auswirkungen von Tendenzen und Entwicklungen, die scheinbar naturwüchsig ablaufen, und von Maßnahmen, über die in anderen Ressorts der Bundesregierung und in der privaten Wirtschaft ohne Rücksicht auf Raumordnungskonsequenzen entschieden worden ist, erforscht und auf ihre Raumwirksamkeit untersucht werden sollen. Angesichts sich verschlechternder Randbedingungen wie nachlassendem Wirtschaftswachstum und rückläufiger Bevölkerungszahlen wäre jedoch eine erkennbar eigenständige staatliche Raumordnungspolitik zu wünschen. Eine solche Politik hätte komplementär und alternativ zu den ballungsfördernden Tendenzen einer einseitigen ökonomischen Rationalität und administrativen Effizienz eigene Modelle zu entwickeln, die zum Abbau der regionalen Disparitäten beitragen können.

Da die vorhandenen Instrumente für eine wirksame Raumordnungspolitik nicht hinzu-reichen scheinen, wäre eingehendere Forschung u. a. auf folgenden Gebieten wünschenswert: — Stärkung der Finanzkraft ländlicher Regionen durch Veränderung des Systems der Konjunktur-Sondermittel, der zweckgebundenen staatlichen Zuweisungen und des Finanz-ausgleichs zugunsten der strukturschwachen Räume.

— Verbesserung der Verkehrsanbindung ländlicher Räume, insbesondere durch öffentliche Verkehrsmittel, Erhaltung von Eisen-bahnstrecken bzw. ihrer Rentabilität.

— Verlagerung staatlicher Dienstleistungsbetriebe in strukturell benachteiligte Räume und Schaffung vermehrter Anreize zur Ansiedlung von privaten Produktions-und Dienstleistungsbetrieben. — Förderung der beruflichen Bildung in ländlichen Gebieten mit dem Ziel der Qualitätsverbesserung des Arbeitskräfteangebots.

— Schaffung von Anreizen zum Eintritt in landwirtschaftliche Berufe und Erstellung neuer natur-und landschaftsnaher Berufsbilder. — Förderung von Einrichtungen der Allgemein-und Erwachsenenbildung sowie eines verbesserten kulturellen Angebots in standortbenachteiligten Regionen.

Probleme des Stadtteils bzw. Quartiers Zwischen der Region und der Stadt einerseits und der Wohnung andererseits liegt ein wichtiger Lebensbereich, welcher von den im Bericht genannten Forschungsvorhaben nicht berührt wird. Es handelt sich um den Stadtteil bzw. das Quartier als Wohnumfeld und Lebensraum. Durch die Entstehung der modernen Großstadt ist dieser Bereich in besonderem Maße benachteiligt und zu einem Pro-blemfeld geworden. Die durch Eingemeindung wachsenden Großstädte haben die ihnen verfügbare Fläche in der Vergangenheit nach der Logik administrativer und ökonomischer Rationalität durch funktionale Gliederung und Zentralisierung neu geordnet. Die Stadt wurde in Wohnviertel, Industrieviertel, Erholungsund Freizeitbereiche, Versorgungszonen aufgeteilt, und die ehemals selbständigen und „vollständigen" Dörfer, Kleinstädte, Stadtteile verloren ebenso wie neu entstandene Siedlungen wichtige Funktionen und Kompetenzen.

Es geht heute darum, dem Stadtteil, dem Quartier die Vitalität und Vielfalt eines lebendigen Sozialgebildes zurückzugewinnen.

Nach den Darlegungen des Berichts sollen die Folgen der Einrichtung von verkehrsberuhigten Zonen erforscht werden. Daneben wären Forschungsmaßnahmen wünschenswert über:

— Möglichkeiten der Rückgewinnung von Arbeitsplätzen in Wohngebieten.

— Erhaltung bzw. Wiederansiedlung von Einzelhandel und Kleingewerbe in innenstadtnahen Quartieren.

— Reintegration von Schule und sonstigen Bildungsstätten im Wohnumfeld.

— Bildung von „parochialen" Institutionen auf lokaler Ebene als Kristallisationskerne für quartierorientierte „politische" Öffentlichkeit. — Erhaltung und Wiedergewinnung von Höfen, Wegen und vor allem Straßen als „Außenwohnraum" und Spielfläche.

— Vergrößerung der Verkehrsfläche zugunsten von nichtmotorisiertem (z. B. Fahrrad-) Verkehr.

— Vermehrung von Freiräumen und Grünflächen im Wohnumfeld.

Randwanderung Der Verlust der Städte an Wohnbevölkerung und deren Abwanderung in das Umland ist ein weiteres zentrales Problem von Raumordnung und Städtebau. Als Ursachen werden zunehmender Flächenanspruch der Betriebe und höhere Wohnansprüche der Bevölkerung angegeben. Es scheint, daß die Menschen sowohl an den Arbeitsplatzchancen und an der Qualität der öffentlichen Einrichtungen in den Großstädten partizipieren als auch in niedriggeschossiger und aufgelockter Bauweise „im Grünen“ wohnen wollen.

Als Folgen der Randwanderung werden genannt: Steuerliche Schwächung der Kernstädte bei gleichbleibenden Verpflichtungen? Zersiedelung der Landschaft? zunehmender (Pendler-) Verkehr; räumliche und soziale Trennung (Segregation) der Bevölkerung.

Sowohl über die Auswirkungen wie über die Ursachen der Randwanderung ist nicht sehr viel Verläßliches bekannt. Der BFB nennt „Veränderte Nutzungsverteilungen zwischen Kern-und Randgemeinden und ihre Auswirkungen auf die kommunalen Einnahmen und Ausgaben“ als ein Forschungsvorhaben. Weitere Konsequenzen der Randwanderung wie die Auswirkungen auf das Verkehrssystem und auf die Sozialstruktur der Bevölkerung bedürften ebenfalls der Erhellung. Ferner wäre es hilfreich, wenn untersucht würde, ob und in welchem Maße der Randwanderung durch die Stärkung und funktionale Diversifizierung der innerstädtischen und besonders der citynahen Quartiere begegnet werden kann. Des weiteren wäre es wünschenswert, wenn im Hinblick auf die Wohnwünsche der Bevölkerung Instrumente und Alternativen entwickelt würden, die das stetige Wohnflächenwachstum verlangsamen bzw. zum Still-stand bringen könnten.

Rückgang des Wohnungsangebots Der gegenwärtig starke Rückgang des privaten wie auch des sozialen Wohnungsbaus ist im Begriff, zu einem hochrangigen sozialen Problem zu werden. Steigende Baukosten und rückläufige Kapitalrenditen mindern das Wohnungsangebot. Insbesondere fehlt es zunehmend an Wohnungen, die für einkommensschwache Haushalte erschwinglich sind. Auch die Bildung von Wohneigentum ist für Personen in Ballungsräumen und für kinderreiche Familien kaum noch zu bezahlen.

Da nicht zu erwarten ist, daß sich diese Entwicklung kurzfristig bis mittelfristig abschwächen wird, wäre es u. U. lohnend, nach Instrumenten zu forschen, mit denen dieser gravierenden Problemsituation beizukommen ist. Zu denken wäre über die genannten Forschungsmaßnahmen hinaus an Untersuchungen zu folgenden Themen:

— Vereinfachung des Wohnqualitätsstandards. — Vereinfachung der Bauverwaltungsvorschriften. — Nutzungsvariabilität von Wohnungen.

— Erfahrungen mit gemeinschaftlichen Wohneigentumsformen.

— Erfahrungen mit Formen der Mietermitbestimmung. — Möglichkeit einer Beeinflussung des Bodenmarktes durch die öffentliche Hand.

Energieforschung und Energietechnologien Kaum ein anderer Teilbereich der For-schungs-und Technologiepolitik hat in der Vergangenheit soviel öffentliche Aufmerksamkeit auf sich ziehen können wie der der Energieforschung. Die Ergebnisse der darüber geführten Diskussion können — auch wenn sie viele Kritiker nicht völlig befriedigen werden — als Beleg sowohl für die Notwendigkeit des vom BMFT gewünschten öffentlichen Dialogs als auch für dessen Bedeutung für den Inhalt der Forschungspolitik gelten.

Der BFB VI enthält zwar auch auf diesem Feld dem Leser wichtige Informationen vor, aber wenn dieser zur Abklärung von Detailfragen das „Programm Energieforschung und Energietechnologien 1977— 1980" hinzuzieht, kann er feststellen, daß dieses Programm im Vergleich zu dem vorhergehenden durchaus Fortschritte gebracht hat. Es bietet einen breiteren Ansatz in der Zielsetzung, was sich insbesondere in einer besseren finanziellen Ausstattung des Teilprogramms „Rationelle Energie-verwendung" niederschlägt; es ist langfristig orientiert, indem die Entwicklungsperspektiven bis in das Jahr 2000 ausgezogen sind, und es weist schließlich auch ausdrücklich auf Probleme hin, die durch die Förderung bestimmter Energieträger, z. B.der Kernenergie, erst entstanden sind — wie die Notwendigkeit der ständigen Fortentwicklung der nuklearen Sicherheitstechnik. Kritische Einwände müssen freilich wiederum gegen die finanzielle Ausstattung der einzelnen Forschungsschwerpunkte erhoben werden. Sie entspricht keineswegs der selbst gesetzten Zielvorgabe. Danach soll den Technologien zur rationellen und sparsamen Energie-verwendung „die Priorität Nummer Eins in der Energiepolitik" zukommen (Tz. 84). Außerdem sollen die Technologien für den Einsatz in den Ländern der Dritten Welt besonders gefördert werden

Die vorgesehene Finanzplanung, die freilich in ihrer Zuordnung zu den Einzelbereichen nicht dem BFB VI, sondern nur dem „Programm Energieforschung und Energietechnologien" zu entnehmen ist, scheint demgegenüber ganz andere Prioritäten auszuweisen: Die Förderung von Technologien zur rationellen und sparsamen Energieverwendung steht mit 490 Millionen DM für den Zeitraum 1977 bis 1980 an letzter Stelle mit etwa 7, 5 Prozent der Gesamtaufwendungen. An vorletzter Stelle steht mit 570 Millionen DM oder knapp 9 Prozent der Gesamtaufwendungen die Förderung neuer Energiequellen. Zwei Drittel dieser Summe gehen in die Kernfusionsforschung, nur der Rest von 191 Millionen DM in die Erforschung neuer Energiequellen, die für Länder der Dritten Welt interessant sein könnten. Zum Vergleich: allein für die Sicherheitsforschung im Bereich der Leichtwasserreaktoren stehen im selben Zeitraum 253 Millionen DM zur Verfügung.

Mit der Vergleichszahl sollte angedeutet werden, daß die Kritik an der Verteilung der Finanzmittel aus dem Zweifel herrührt, ob die Bevorzugung der Kernenergie mit etwa 70 Prozent des gesamten Energieforschungsetats richtig ist. Sicher gilt auch hier, daß die Finanzzahlen nur eingeschränkt vergleichbar sind, weil etwa Forschungen und Entwicklungen in den Bereich „rationelle Energieverwendung" und „neue Energiequellen" nicht mit soviel Geldaufwand verbunden sind wie im Bereich „Kernenergie". Möglicherweise fehlen auch bisweilen entsprechende Forschungsvorhaben in den erstgenannten Bereichen, die eine Förderung aussichtsreich und sinnvoll erscheinen lassen. Es ist jedoch äußerst fraglich, ob ein so krasses Mißverhältnis in der finanziellen Ausstattung dem selbst gesetzten Anspruch wie den energiepolitischen Notwendigkeiten gerecht zu werden vermag.

Die Vielzahl der im BFB VI genannten offenen Fragen und ungelösten Probleme, vor allem beim Brennstoffkreislauf und bei den fortgeschrittenen Reaktortypen (Tz. 89), lassen zumindest die Frage angebracht erscheinen, ob nicht die Kernenergie zu schnell ausgebaut und in die Energieversorgung integriert worden ist — weil sowohl Sicherheitsals auch Rentabilitätsprobleme noch nicht abschließend beantwortet werden können. Darüber hinaus wird in diesem Zusammenhang deutlich, daß für die industrielle Nutzung der Kernenergie noch auf lange Zeit horrende Summen für Forschung und Entwicklung aufzubringen sind. Ob das volkswirtschaftlich sinnvoll ist oder nicht, steht wohl angesichts des derzeitigen Entwicklungsstandes der Kernindustrie sowie der politischen Diskussion nicht mehr zur Debatte. Es sollte aber unter allen Umständen vermieden werden, daß aus diesem Grund auch nur die Zuwachsraten bei der Förderung weniger risikoreicher Energietechnologien verringert werden.

Forschungspolitik und Entwicklungsförderung An verschiedenen Stellen des BFB VI werden Fragen des Zusammenhangs von Forschungspolitik und Entwicklungspolitik angesprochen: Ausdrücklich wird bemerkt, daß die internationale Zusammenarbeit in Forschung und Technologie einen wichtigen Beitrag auch zur Entwicklungshilfepolitik leistet. Auf neuen Wegen der wissenschaftlich-technischen Kooperation mit Entwicklungsländern will die Bundesregierung zu deren wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung beitragen (Tz. 51). Verstärkte Zusammenarbeit soll also nicht ausschließlich im Selbstinteresse mit rohstoff-und erdölexportierenden Ländern erfolgen, um der eigenen Abhängigkeit bei langfristig sich verknappenden Reserven Rechnung zu tragen (Tz. 13, 51, 91). Die Bundesrepublik muß sich, so wird gesagt — sowohl aus humanitären Erwägungen wie unter dem Ziel der langfristigen Friedenssicherung und um wirtschaftlich-ökologischen Konsequenzen von Armut und Überbevölkerung entgegenzuwirken —, auch die Probleme der ärmeren Entwicklungsländer zu eigen machen (Tz. 19), wobei es u. a. beispielsweise darum gehen wird, die Anpassung traditioneller und industrieller Technologien an die besondere Entwicklungssituation als wichtige Aufgabe zu berücksichtigen (Tz. 19). Auch durch den Aufbau von Forschungskapazitäten in den Entwicklungsländern selbst soll die Forschungspolitik sich verstärkt an Bedürfnissen dieser Länder orientieren (Tz. 51). Daß neue technische Methoden und Produkte als Ergebnis von Forschung und Technologie nur unter Einbeziehung sozioökonomischer Faktoren in Entwicklungsländern eingeführt werden dürfen, wird im BFB VI besonders im Zusammenhang der als wichtige Aufgabe der Industrieländer angesehenen landwirtschaftlichen Erschließung erwähnt (Tz. 19, 117).

Diese Formulierungen weisen mit Deutlichkeit auf gewichtige entwicklungspolitische Probleme von Forschung und Technologie hin. Es werden mögliche und notwendige Neben-ziele der Forschungspolitik benannt — allerdings nicht systematisiert und ohne Bezug zu konkreten Programmen und Maßnahmen, so daß Zweifel geweckt werden, ob damit tatsächlich wichtige Akzente für eine entwicklungspolitisch orientierte Förderung von Forschung und Technologie gesetzt worden sind.

An kaum einer Stelle bietet der BFB VI die Möglichkeit, Ergebnisse entwicklungsorientierter Forschung und Technologie sowie wissenschaftlich-technischer Kooperation mit Entwicklungsländern, durch welche die Forschungspolitik verstärkt an Bedürfnissen der Entwicklungsländer orientiert werden soll, zu analysieren und zu bewerten. Zwar werden ei-, nige Projekte und Technologien in und für Entwicklungsländer genannt (Tz. 55, 60, 116). Was konkrete Möglichkeiten von Forschung und Technologie zugunsten der Entwicklungsländer und Ergebnisse bilateraler Zusammenarbeit anbelangt, wird jedoch lediglich auf eine Stellungnahme zur Konferenz der Vereinten Nationen für Wissenschaft und Technologie im Dienste der Entwicklung verwiesen (Tz. 51). Auch der Faktenteil des BFB VI weist keine Einzelinformationen über Finanzierung und Durchführung von entwicklungsländerorientiertem Technologietransfer auf, obwohl zwei Drittel der vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit finanzierten entwicklungspolitischen Forschung und Planung für angepaßte Technologien aufgewandt werden (Tz. B 36).

Daß solche Transfers im vitalen Interesse der Entwicklungsländer liegen, haben auch die Kirchen hervorgehoben. Da wirtschaftliche und soziale Fehlentwicklungen in Entwicklungsländern aber nicht zuletzt auf ungeeignete Technisierung zurückzuführen sind, haben die Kirchen die Notwendigkeit betont, Technologie sowohl der jeweiligen Situation der Entwicklungsländer wie ihren Entwicklungszielen optimal anzupassen Auch der BFB VI nennt die Bedürfnisse der Entwicklungsländer als Orientierungsgröße, gibt jedoch keine Auskunft über leitende Rahmenbedingungen des praktischen Technologie-transfers. Es ist auch nicht ersichtlich, ob über Forschungsarbeiten, z. B. zur Evaluierung bisherigen Technologietransfers, Kriterien für einen entwicklungsfördernden Transfer gewonnen werden.

Da der BFB VI deutlich macht, daß die wissenschaftlich-technische Kooperation mit Entwicklungsländern in besonderer Weise dem Technologietransfer dienen soll (Tz. 51), selbst in unserem Gesellschaftsund Wirtschaftssystem aber die Übertragung wissenschaftlich-technischer Ergebnisse in die Wirtschaft und den öffentlichen Sektor von gezielten Maßnahmen abhängen und daher neue Transfer-maßnahmen in der Vergangenheit erforderlich erschienen (Tz. 39 f.), wäre es angemessen, auch Erfahrungen, Maßnahmen, Möglichkeiten und Mittelaufwand zu einer wirksamen Verbesserung des Technologietransfers in Entwicklungsländer im BFB ausführlicher darzustellen. Um dem Ziel der langfristigen Friedenssicherung tatsächlich zu entsprechen (Tz. 19), sollten auch Informationen über Transfers im Bereich der Rüstungswirtschaft zur Verfügung gestellt werden

Im Zusammenhang entwicklungspolitischer Fragestellungen werden auch keine Angaben über die bereits erfolgte oder als notwendig angesehene Entwicklung empirischer Sozial-forschung über sozial-kulturelle Verhältnisse in Entwicklungsländern sowie der sozio-kulturellen Auswirkungen verschiedener Entwicklungsstrategien gemacht, obwohl die grundlegende Bedeutung, die einer sozialwissenschaftlichen Analyse gesellschaftlicher Daten und Probleme im Prozeß wissenschaftlich-technischen Fortschritts und gesellschaftlicher Entwicklung zukommt, im BFB VI mit wünschenswerter Deutlichkeit aufgezeigt wird (Tz. 72 ff., B 37 ff.). Es ist offensichtlich eine entwicklungspolitische Notwendigkeit, den sozio-kulturellen Lebensrahmen bei der Förderung der Technisierung der Produktion in Entwicklungsländern stärker als bisher zu berücksichtigen. Denn die bisherigen Entwicklungsanstrengungen haben, wie es in einer Erklärung der Kirchen heißt, vielfach zur Zerstörung traditioneller Beziehungen geführt, ohne daß tragbare neue Systeme entstanden; dies führte zur Entwurzelung und Verelendung vieler Menschen.

Es fällt auch auf, daß Informationen über Art und Ausmaß sowohl wirtschafts-wie sozialwissenschaftlicher Forschung zu den Problemen einer veränderten internationalen Wirtschaftsordnung fehlen, d. h. zu Fragen wie der Neuordnung des Welthandels, insbesondere im Rohstoffbereich, des Zusammenhangs von Entwicklungspolitik einerseits und Agrarund Ernährungspolitik andererseits, der Ver-und Entschuldung der Entwicklungsländer oder der entwicklungspolitischen Förderung der Zusammenarbeit zwi. hen Entwicklungsländern — Fragen, die in Erklärungen der Kirchen immer wieder als dringend hervorgehoven wurden

In dieser Hinsicht ist auch auf den von den Kirchen betonten Zusammenhang zwischen der Industrialisierung in Entwicklungsländern und dem Strukturwandel in den Industrieländern zu verweisen Die Kirchen haben u. a. die Forderung erhoben, im Rahmen einer auf aktiven Strukturwandel gerichteten Politik, die auch Voraussetzungen für die verstärkte Integration der Entwicklungsländer in eine arbeitsteilige Weltwirtschaft schaffen soll, die Forschungspolitik auf eine erhöhte Innovationsfähigkeit der Wirtschaft auszurichten und einen entwicklungsfördernden Struktur-wandel zu stützen Dem BFB VI ist nicht zu entnehmen, ob solche Forderungen mit den strukturpolitischen Zielsetzungen der Forschungsförderung vereinbar sind. Es ist auch nicht ersichtlich, ob die auf aktiven Struktur-wandel gerichtete Forschungsund Technologiepolitik, wie sie im Energie-und Rohstoff-sektor durchgeführt wird, auch durch entwicklungspolitische Kriterien bestimmt wird oder ob Notwendigkeiten und Möglichkeiten wirtschaftlicher Umstrukturierungen unter den Gesichtspunkten einer neuen internationalen Arbeitsteilung Gegenstand sozial-und wirtschaftswissenschaftlicher Forschungsprojekte sind. Die Kirchen halten beispielsweise ein gemeinsames Informationssystem über die Verlagerungstendenzen einzelner Produktionsbereiche in die Dritte Welt für eine Voraussetzung einer langfristig vorausschauenden Strukturpolitik

Umfang und Bedeutung der im BFB VI angesprochenen politischen Probleme drängen — was den Aufbau des Berichts anbelangt — zu dem Schluß, sie zusammenhängend und systematischer in einem besonderen Abschnitt darzustellen.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. dazu die Auswertung der Stellungnahme zum Fünften Forschungsbericht der Bundesregierung durch den BMFT, Bonn 1976.

  2. Vgl. M. Bartelt, K. Kaiser, K. E. Wenke, H. Westmüller, H. Zilleßen, Forschungspolitik und gesellschaftliche Entwicklung, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 27/76, S. 52.

  3. Programm Energieforschung und Energietechnologien 1977— 1980, Bonn 19782, S. 12.

  4. Vgl. Soziale Gerechtigkeit und internationale Wirtschaftsordnung. Memorandum der Gemeinsamen Konferenz der Kirchen für Entwicklungsfragen (GKKE) aus Anlaß der 4. Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD IV) in Nairobi Mai 1976, in: Hermann Kunst und Heinrich Tenhumberg, Soziale Gerechtigkeit und Internationale Wirtschaftsordnung, München/Mainz 1976, S. 20 ff. (im folg, zit „Memorandum") und Gerechtigkeit und Solidarität in der internationalen Wirtschaftsordnung. Erklärung der Gemeinsamen Konferenz der Kirchen für Entwicklungsfragen (GKKE) aus Anlaß der 5. Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD V) Manila 1979, Hannover/Bonn 1979, S. 17 (im folg. zit. „Erklärung").

  5. Vgl. Memorandum, a. a. O., S. 22.

  6. Vgl. Erklärung, a. a. O., S. 11.

  7. Vgl. Memorandum, S. 14 ff. und Erklärung, S. 13.

  8. Vgl. Erklärung, S. 11 ff., 15 ff„ 18 ff. und Memorandum, S. 24 f.

  9. Vgl. Erklärung, S. 19f.

  10. Vgl. Memorandum, S. 25.

Weitere Inhalte

Michael Bartelt, geb. 1933; Studium der Theologie und Soziologie in Heidelberg, Bonn und Glasgow; von 1964 bis 1969 Mitarbeiter der Industrie-und Sozialarbeit der Evangelischen Kirche von Westfalen, Villigst; seit 1969 Referent für Sozialethik und Religionssoziologie im SWI. Kurt Kaiser, Dr. rer. pol., geb. 1928; Studium in Frankfurt/Main, Mainz, Marburg und Basel; Referententätigkeit: von 1962 bis 1964 im Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung, Essen, von 1965 bis 1969 im Sozialamt der Evangelischen Kirche von Westfalen, Villigst, seit 1969 im SWI. Fritz-Rüdiger Volz, Dr. phil., geb. 1946; Studium der Theologie, Philosopie und Soziologie in Marburg, Göttingen und Frankfurt; Arbeit an der VHS Frankfurt und Offenbach; 1977 bis 1980 Studienleiter beim Evangelischen Studienwerk, Villigst; seither Referent für Soziologie und Sozialethik im SWI, Bochum. Karl Ernst Wenke, Dipl. -Volkswirt, geb. 1935; Studium der Religionswissenschaft und Volkswirtschaft; seit 1971 Referent für Wirtschaftstheorie und -politik im SWI. Horst Zilleßen, Dr. rer. pol., geb. 1938; Studium der Politischen Wissenschaft, Wirtschaftswissenschaft und Geschichte in Köln; von 1963 bis 1969 wissenschaftlicher Mitarbeiter im Sozialethischen Ausschuß der Evangelischen Kirche im Rheinland, Velbert; seit 1970 Leiter des Sozialwissenschaftlichen Instituts der evangelischen Kirchen in Deutschland, Bochum.