Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

Rüstung und Unterentwicklung | APuZ 18/1979 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 18/1979 Artikel 1 Rüstung und Unterentwicklung Die Entscheidung über den Einsatz von Nuklearwaffen

Rüstung und Unterentwicklung

Peter Lock /Herbert Wulf

/ 60 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Diese Arbeit untersucht den Aufrüstungsprozeß in der Dritten Welt in seinen verschiedenen Dimensionen. Die Systemkonkurrenz zwischen den von den USA und der Sowjetunion angeführten Staatenblöcken macht die Aufrüstung in den Entwicklungsländern zur „Süddimension" des Ost-West-Konfliktes. Im zweiten Abschnitt werden verschiedene Ursachen für diesen Aufrüstungs-und Militarisierungsprozeß diskutiert. Der dritte Abschnitt macht anhand einiger tabellarischer Übersichten die Schwierigkeiten der Erfassung von Rüstungstransferdaten deutlich. Ferner werden Angaben zur Größenordnung und zu regionalen Schwerpunkten des Rüstungsexportes sowie zur Tätigkeit von rüstungstechnologischem Fachpersonal im Ausland gemacht. Im vierten Abschnitt wird auf die Produktion von Rüstungsgütern in der Dritten Welt als einen neuen Schritt im Rüstungsprozeß eingegangen. Abschließend werden die Auswirkungen dieses Rüstens auf die politische und wirtschaftliche Entwicklung in der Dritten Welt sowie auf die Beschäftigung in den Industrieländern diskutiert. Die Autoren kommen zu dem Ergebnis, daß Rüstungsexporte langfristig nachteilige Auswirkungen auch auf die Industrieländer haben und daß, global gesehen, eine neue Weltwirtschaftsordnung Abrüstungsmaßnahmen einschließen muß, um eine drohende militärische Konfrontation zu verhindern.

I. Einleitung: Aufrüstung und Konflikte in Entwicklungsländern

I. Einleitung: Aufrüstung und Konflikte in Entwicklungsländern Die Süddimension des Ost-West-Konfliktes II. Einige Kennzeichen und Ursachen der Aufrüstung in Entwicklungsländern III. Das Volumen des Rüstungstransfers und die Schwierigkeiten der Ermittlung Schwierigkeiten der Erfassung von Rüstungstransfers Anhaltspunkte zur Größenordnung der Rüstungstransfers Regionale Schwerpunkte beim Rüstungsimport und technologische Veränderungen Transfer von Militärpersonal IV. Rüstungsproduktion in Entwicklungsländern玲Ö

Die siebziger Jahre werden kaum als die von den Vereinten Nationen proklamierte zweite Entwicklungsdekade in die Geschichte eingehen. Die amerikanische Studie „World Military and Social Expenditures 1978" kommt zu folgender Einschätzung des Rüstungstransfers in die Dritte Welt: „Die steigenden Militärbudgets in den Entwicklungsländern und die Ausbreitung von Waffen und Technologie gleichermaßen sind Zeichen einer beschleunigten Verteilung militärischer Macht. Neuer Reichtum in den Erdölförderländern, ein Streben nach größerer Eigenständigkeit in der Waffenproduktion und die ungebremsten Exportpraktiken der Lieferländer gehören zu den Triebkräften dieser Ausbreitung.

Militärausgaben, gemessen in konstanten Preisen, haben einige spektakuläre Steigerungen in den Entwicklungsländern während der gleichen Periode erfahren. Die Ausgaben haben sich im Fernen Osten beinahe verdreifacht, vervierfacht in Südostasien, versechsfacht in Afrika und vervierzehnfacht im Mittleren Osten. Die Breite und Stärke dieses Sprunges, der sich ereignet hat, verdeutlichen, daß der Rüstungswettlauf eine weltweite Erscheinung ist, die letztlich nur durch die umfassendsten universellen Mittel kontrolliert werden kann.

Die rasche Anhäufung von Feuerkraft und komplexer Bewaffnung in der Dritten Welt ist von einer Ausweitung der Mannschaftsstärken und Budgets begleitet. Der sichtbarste Indikator der Rüstungsproliferation sind Anzahl und Typen der Waffen, die aus den entwikkelten Nationen transferiert werden. Zu den Lieferungen während der letzten zehn Jahre gehören 12 000 Flugzeuge, die Hälfte davon im Überschallbereich, und 30 000 Raketen."

Allem Anschein nach setzt sich bislang die Tendenz steigender Rüstungslieferungen in Entwicklungsländer ungeachtet der teilweise ’ besorgniserregenden Verschuldungssituation fort. Vor allem lagern die gelieferten Waffen nicht nur in den Arsenalen, sondern werden bei zwischenstaatlichen und häufiger noch bei innergesellschaftlichen Konflikten einge-setzt. Die sichtbaren Konfliktherde in der Weltpolitik befinden sich heute in der Mehrzahl in den Regionen der unterentwickelten Die Arbeit geht auf ein Projekt zurück, das von der Deutschen Gesellschaft für Friedens-und Konfliktforschung e. V. — DGFK gefördert wurde. Welt. Fast alle kriegerischen Auseinandersetzungen der sogenannten Nachkriegszeit wurden in der Dritten Welt ausgetragen

Am Prozeß der Aufrüstung in Entwicklungsländern sind die Industrieländer durch Transfer von Rüstung, Rüstungsproduktionstechnologie und Entsendung von Fachleuten entscheidend beteiligt. Er verläuft parallel zu einer zunehmenden Internationalisierung des weltwirtschaftlichen Gefüges. Dieser Prozeß der Internationalisierung ist insofern von Belang, als er, zumindest mittelbar, diejenigen sozio-ökonomischen Strukturen verursacht, die zur beständigen Ausbreitung rüstungsindustrieller Vorhaben in heute fast fünfzig Entwicklungsländern führen. Negativposten nahezu aller in der Dritten Welt beobachtbaren Ent-

wicklungs-und Industrialisierungsbemühungen sind die geringen Beschäftigungseffekte. Sie sind völlig unzureichend, um die rasch wachsende Zahl erwerbsfähiger Personen mit Arbeit zu versorgen, und bewirken, daß sich die materielle Not einer Mehrheit der Bevölkerung in der Dritten Welt verschärft. Je nach Entwicklungsstand und Grad der Weltmarktorientierung des industriellen Sektors ist eine dichotomische Aufteilung der Bevölkerung in einen relativ wohlhabenden, modernen Sektor und eine Mehrheit zu beobachten, die zunehmend aus der Dynamik wirtschaftlicher Entwicklung herausgedrängt und ihrer Reproduktionsmöglichkeiten beraubt wird. Die sich verschärfenden sozialen Gegensätze erfordern zur Aufrechterhaltung der bestehenden Struktur die soziale Abschottung der Wachstums-und Wohlstandsinseln immer häufiger auch mit militärischen Mitteln. Die volkswirtschaftlichen Kosten des unweigerlich einsetzenden Militarisierungsprozesses verschärfen die sozialen Gegensätze und absorbieren zugleich knappe Ressourcen, die zur Überwindung der sozialen Gegensätze notwendig wären. Die außenpolitischen Kosten dieses Militarisierungsprozesses schlagen sich vor allem in rüstungstechnologischer Abhängigkeit nieder und verstärken damit hegemoniale Einfluß-und Pressionsmöglichkeiten durch Lieferländer.

Aus ungleichen Wirtschaftsbeziehungen zwischen Industrie-und Entwicklungsländern, deren Asymmetrie durch die Aufrüstung weiter verstärkt wird, leiten die Regierungen der meisten Entwicklungsländer die Notwendigkeit einer neuen Weltwirtschaftsordnung ab.

Bei einem Scheitern dieser Bemühungen sind die für die Bundesrepublik Deutschland wichtigen außenwirtschaftlichen Beziehungen gefährdet. Auch militärische Konfrontationen zwischen Nord und Süd können langfristig nicht ausgeschlossen werden.

In dieser Arbeit soll zunächst der Aufrüstungsprozeß in Entwicklungsländern in seinen verschiedenen Dimensionen untersucht werden. Dies erfordert einleitend einige Anmerkungen zur Konkurrenz der Systeme (USA und Sowjetunion) in der Dritten Welt.

Im zweiten Abschnitt werden verschiedene Ursachen für diesen Aufrüstungsund Militarisierungsprozeß aufgeführt. Abschnitt III verdeutlicht die Schwierigkeiten der exakten Erfassung von Rüstungstransferdaten und problematisiert deren Präsentation in den Standardhandbüchern der Abrüstungsund Strategieinstitute; es werden sodann einige Anhaltspunkte zur Größenordnung und zu den regionalen Schwerpunkten des Rüstungsexportes und des Transfers von rüstungstechnologischem Fachpersonal gegeben. Abschnitt IV beschreibt eine in ihrer Quantität neue Dimension des Aufrüstungsprozesses: Rüstungsproduktionsprogramme in Entwicklungsländern. Anschließend werden die Auswirkungen des Rüstungstransfers in Entwicklungsländern und in Industrieländern untersucht. Es wird die These vertreten, daß Rüstungsexporte langfristig keine positiven Beschäftigungseffekte haben. Die Arbeit kommt zu dem Ergebnis, daß eine neue Weltwirtschaftsordnung Abrüstungsmaßnahmen einschließen muß, um eine drohende militärische Konfrontation zu verhindern.

Die Süddimension des Ost-West-Konfliktes Trotz der Rüstungskontrollverhandlungen — wie SALT und MBFR —, die die Rüstungsdynamik zwischen NATO und WVO kontrollieren und einschränken sollen, gewinnt das wirtschaftliche und militärische Potential, das sich in der Ost-West-Auseinandersetzung gegenübersteht, zunehmend eine „Süddimen-sion". Dadurch haben sich die Möglichkeiten für Konfliktparteien in der Dritten Welt stark erweitert, sich politische, wirtschaftliche und häufig auch militärische Unterstützung direkter oder indirekter Art zu sichern. Dies gilt gleichermaßen für zwischenstaatliche und innergesellschaftliche Konflikte.

Der Prozeß konkurrierender hegemonialer Durchdringung der Dritten Welt hat immer häufiger eine direkte oder indirekte militärische Dimension. Im Vietnam-Krieg hat sie bislang ihre extremste Form gefunden. Die Reisfelder und Regenwälder dieses Landes wurden mit dem vollständigen Arsenal moderner Kriegstechnologie — mit Ausnahme nuklearer Waffen — überzogen. Aber auch in anderen Fällen ändert sich durch militärische Unterstützung im Rahmen globaler System-konkurrenz das Niveau der militärischen Konfliktaustragung schlagartig. Volumen und technologisches Niveau der Rüstung entwikkeln sich losgelöst von den in der jeweiligen Region vorliegenden wirtschaftlichen und technologischen Gegebenheiten.

Im Hinblick auf die tatsächliche Austragung von Konflikten bedeutet die Ausweitung des Ost-West-Konfliktes auf die Dritte Welt eine erhebliche Eskalation mit verheerenden Folgen vor allem für die jeweilige Zivilbevölkerung. Aktuelle Beispiele für die Gewaltsteigerung in den Auseinandersetzungen, die man auch als Stellvertreterkriege bezeichnen kann, sind die Konflikte im Libanon und in Zaire. Generell tendiert jede innenpolitische Konfrontation in den Staaten der Dritten Welt dahin, das Muster der west-östlichen Konfrontation ideologisch zu reproduzieren, und entsprechend versuchen vor allem die Vereinigten Staaten und die Sowjetunion die jeweilige politische Situation für ihre Interessen zu instrumentalisieren. Dabei besteht eine große Neigung, militärisch Hilfestellung zu leisten.

Der Transfer komplexer Waffensysteme in die Dritte Welt oder der Versuch, derartige Systeme in Entwicklungsländern zu fertigen, bedeutet, gemessen am bisherigen Industrialisierungsniveau, zwangsläufig einen technologischen Sprung und führt zu entsprechenden Disproportionalitäten im Wirtschaftsgefüge und der zumeist schwach entwickelten Industriestruktur des Empfängerlandes. Tatsächlich ist der Aufrüstungsprozeß in weiten Teilen der Dritten Welt zu Beginn der siebziger Jahre zum einen durch überdurchschnittliche Wachstumsraten und zum anderen durch sprunghafte Modernisierung gekennzeichnet. Das importierte Gerät entspricht zumeist immer häufiger dem technologischen Ausrüstungsstand der hochgerüsteten Industrienationen. Zahlungskräftige Käufernationen erhalten nicht selten vor der Armee des Lieferlandes die ersten Exemplare einer neuen Waffengeneration. Weniger spektakulär als der Transfer modernster Kampfbomber in einzelne Entwicklungsländer ist das Bemühen einer großen Zahl von Dritte-Welt-Ländern, eigenständige Rüstungsproduktionskapazitäten aufzubauen. Dennoch sind die Folgen für Entwicklungsmöglichkeiten, die sich aus derartigen rüstungsindustriellen Strategien ergeben, mindestens ebenso weitreichend.

Die militärische Ausweitung der Konfrontation auf den Süden der Erde, die ihren Ausgangspunkt im amerikanisch-sowjetischen Gegensatz hat, wird gelegentlich bereits als neue internationale Militärordnung beschrieben, die einer neuen Weltwirtschaftsordnung, die weltweit einen sozialen Ausgleich schaffen soll, entgegensteht. Im Ergebnis bedeutet diese neue internationale Militärordnung die Einbindung und ideologische Fremdbestimmung nahezu aller Konfliktmanifestationen in den Entwicklungsländern. Gesellschaftliche Widersprüche als Ursache und die sozialen Bewegungen, aus denen die Konfliktaustragung ursprünglich hervorgeht, werden verschüttet. Jedoch gibt es auch Anzeichen dafür, daß die Verschärfung der hegemonialen Konkurrenz sozialen Bewegungen und Nationalstaaten in der Dritten Welt Möglichkeiten bietet, sich zwar nicht von der hegemonialen Unterordnung zu befreien, wohl aber die Zuordnung zu wechseln. Daß sich daraus auch . Freiheitsgrade’ ergeben können, scheint das algerische Beispiel zu beweisen. In vielen Fällen ist es für eine abschließende Beurteilung zu früh, in anderen wiederum läßt sich eindeutig feststellen, daß sich militärischer Beistand aus West und Ost gleichermaßen als Trojanisches Pferd erwiesen hat. Zur Illustration sei auf den ostafrikanischen Raum verwiesen. Andererseits wird aber auch die aus der Systemkonkurrenz abgeleitete Bereitschaft, autoritäre und repressive Regimes mit Rüstung zu versorgen, für die Exportländer zur politischen Belastung. Die Auffassung, „wenn wir nicht liefern, liefern die andern", dient gleichfalls häufig als Vorwand, diktatorische Regimes, wie z. B. Uganda und Chile, ungeachtet der Menschenrechtsverletzungen in diesen Ländern, mit Waffen zu versorgen.

II. Einige Kennzeichen und Ursachen der Aufrüstung in Entwicklungsländern

1: im Jahre 1975 (in Tabelle Rüstungsexporte Mio. US-Dollar) 1) Frankreich Großbritannien Bundesrepublik Deutschland Italien Schweiz Israel SIPRI >) 593 647 138 72 1 293) ACDA 654 501 393 204 108 16 andere Quellen 1 870 1 100 (830) 2) 2 300 140 200 SIPRI erfaßt in diesen Zahlen nur Transfers in Entwicklungsländer, die für 1975 laut ACDA 71 0/0 der Gesamtexporte ausmachen. 2) für 1977.

3) Durchschnitt der Jahre 1970— 1976.

Quellen:

SIPRI Yearbook on World Armaments and Disarmament 1978, S. 256 늈ٱ

Die in der Diskussion über Rüstungstransfers heute häufig im Vordergrund stehende Ost-West-Konkurrenz in Entwicklungsländern, die in westlichen Ländern teils beschwörend hervorgehobene Machtausweitung der Sowjets und die gewaltsam ausgetragenen innergesellschaftlichen Konflikte in Entwicklungsländern sind nicht allein ausschlaggebend für den Aufrüstungsprozeß und die Militarisierung in der Dritten Welt. Eine Reihe weiterer Entwicklungen waren Vorbedingung für die heutige Dynamik der Rüstung in Entwicklungsländern: — Zunächst ist festzustellen, daß sämtliche Kolonialregierungen Gewaltregime waren;

ohne die Bajonette der Kolonialarmeen wäre die Kolonialisierung Asiens, Afrikas und Lateinamerikas nicht möglich gewesen. Als die Kolonien aufgelöst wurden, hinterließen sie Gesellschaften, die geprägt waren durch die Erfahrung, daß ihre politische und ökonomische Situation von gewaltsamen Mitteln bestimmt war. Der weltweit organisierte Militär-apparat der europäischen Kolonialmächte ist im Gefolge der Entkolonialisierung stark eingeschränkt worden; die innergesellschaftliche Funktion der Kolonialarmeen wurde jedoch in der Mehrzahl der neu entstandenen Nationen von den einheimischen Angehörigen der Kolonialarmee übernommen. Aus dem militärischen Instrument kolonialer Unterdrückung wurde zeitgleich mit dem Akt der politischen Selbständigkeit die Armee des nunmehr unabhängigen Staates.

— Während des Zweiten Weltkrieges wurde ein weltumspannendes Netz amerikanischer Stützpunkte aufgebaut. In den Entwicklungsländern kam es außerdem nach dem Ende des Krieges zu einem Aufrüstungsschub durch amerikanische Rüstungslieferungen. Sie erfolgten zum Teil kostenlos und dienten der Eindämmung des sowjetischen Einflusses, vor allem in Ländern, die an die Sowjetunion bzw. an deren Verbündete grenzen. Hierzu wurden zahlreiche Paktsysteme gebildet und bilaterale Beistandsabkommen geschlossen, jeweils unter Beteiligung der Vereinigten Staaten.

— Die andauernde Krise der Entwicklung führte Anfang der sechziger Jahre dazu, daß dem Militärapparat Aufgaben der Planung und Staatstätigkeit häufiger übertragen wurde, weil er als das am wenigsten schlecht funktionierende Instrument des Staatsapparates angesehen wurde. Dem Militär wurde bei der Nationbildung eine positive Rolle, eine Modernisierungsfunktion zugeschrieben. Vor allem, weil die Streitkräfte im Rahmen des US-Militärhilfeprogramms einen Modernisierungsschub erlebt hatten, wurde von den Militärs erwartet, als Trägergruppe wirtschaftlichen, sozialen und politischen Wandels wirken zu können Die Erfahrungen der sechziger und siebziger Jahre zeigen jedoch, daß die dem Militär zugedachten Entwicklungsfunktionen kaum erfüllt wurden. Die einmal erfolgte Ausweitung der Rolle des Militärs durch die Übernahme allgemeiner ziviler Staatsfunktionen wurde dennoch in der Regel nicht revidiert, wenn die Staatsgewalt vom Militär an zivile Regierungen zurückgegeben wurde.

— Außerdem muß die Rolle der Befreiungsarmeen für die Entwicklung des militärischen Sektors in der Dritten Welt berücksichtigt werden. Bewaffnete Opposition in der Dritten Welt kann sich heute häufig in den Arsenalen der Industrieländer mit modernem Kriegsgerät versorgen, was den Übergang zu gewaltsamer Konfliktaustragung zweifellos beschleunigt und zur Zurückdrängung des politischen und demokratischen Elementes in derartigen Bewegungen führt.

— Ein weiterer Aspekt ist die Olpreiserhöhung der siebziger Jahre. Die abrupte Vervielfachung der Deviseneinnahmen in erdöl-exportierenden Ländern hat zur Anhäufung von Kapitalien in der Verfügungsgewalt einiger Regierungen geführt, deren Umfang anfangs unter anderem als potentielle Bedrohung des Weltwährungssystems verstanden wurde. Es bestand in einzelnen Industrieländern ein Interesse daran, jene Gelder, die in der Verfügungsgewalt der Staatsapparate erdölexportierender Länder liegen, möglichst schnell zu binden. Der Verkauf von Rüstung war eine rasch wirksame Methode zur Neutralisierung dieses ökonomischen Machtfaktors. Zugleich wurde aber der Import von Waffen von den Herrschern in Ländern wie Saudi-Arabien und Iran, die in den letzten Jahren die höchsten Rüstungskäufe tätigten, als Ausweis nationaler Unabhängigkeit verstanden. — Schon vor der Ölpreiserhöhung hatte sich die Politik des größten Waffenexporteurs, der USA, verändert. Im Zeichen der Nixon-Doktrin, die 1969 erstmals öffentlich von Nixon formuliert wurde, sollte die Präsenz des US-Militärs weltweit reduziert werden. Die Erfahrungen des Vietnam-Krieges veranlaßten die Regierung der Vereinigten Staaten, die Rolle ihrer Verbündeten im Kampf gegen die Ausweitung des Kommunismus stärker zu betonen. Militärhilfeprogramm wurde drastisch eingeschränkt und die Eigenverantwortung der Streitkräfte in der Dritten Welt hervorgehoben. Hieraus folgte in einigen Entwicklungsländern eine personelle Aufstok-kung der Streitkräfte sowie eine sprunghafte Erhöhung der Rüstungstransfers zu kommerziellen Bedingungen. — Ein weiterer Aspekt tritt notwendig hinzu. Die Vorherrschaft der Streitkräfte in vielen Ländern bliebe vermutlich Episode, gäbe es nicht eine wirksame Interessenkoalition mit der Rüstungsindustrie in den Industrieländern. Wirtschaftliche Überlegungen — die angebliche Sicherung von Arbeitsplätzen und positive Zahlungsbilanzeffekte durch Export von Rüstung — schränken derzeit noch wirksame Kontrollen des Rüstungsexportes weiter ein. Weder im Osten noch im Westen beeinflussen autoritäre Formen der Machtausübung in Empfängerländern Exportentscheidungen. Solange die Regierung eines Entwicklungslandes jeweiligen Interesse entspricht, ist der Hinweis auf Stabilität, gestützt durch eine schlagkräftige Armee, ein wirksames Argument für die Ausweitung von Rüstungslieferungen. Die vom amerikanischen Präsidenten vertretene Menschenrechtspolitik, die u. a. Rüstungsexporte an Länder, in denen die Menschenrechte mißachtet werden, verhindern substantiellen soll, hat keine Einschränkungen des amerikanischen Rüstungs -transfers bewirkt

— Nationale Sicherheit wird in den USA als globales Problem behandelt, in dem Entwicklungsländern ein bestimmter Rang zugeordnet wird. Kissinger verdeutlichte dies 1976, als er die Ziele von Rüstungstransfers rechtfertigte: „Wir suchen unsere nationale Stärke und nationalen Ziele aufrechtzuerhalten, . . . eine rationale Beziehung zu potentiellen Gegnern aufzubauen, . . . bei der Lösung regionaler Konflikte, die den globalen Frieden gefährden, mitzuhelfen . . . Sicherheitshilfe ist ein Grundstein dieses Konzeptes. Die gesamte Außenpolitik beginnt noch immer mit Sicherheit."

III. Das Volumen des Rüstungstransfers und die Schwierigkeiten der Ermittlung

Tabelle 2: Anteil in 1973 der Rüstungsexporte Entwicklungsländer Sowjetunion U. S. A. SIPRI 41, 6% 31, 6% ACDA 29, 0 % 43, 7 % Quellen: SIPRI World Armaments and Disarmament Yearbook 1974, Stockholm 1974, S. 147; ACDA, World Military Expenditures and Arms Transfers 1966— 1975, Washington DC 1976, S. 72, 74 sowie 56.

Eine exakte Abgrenzung des Teils der Transferbeziehungen, der als Rüstungstransfer zu bezeichnen ist, bereitet Schwierigkeiten; denn komplette Waffensysteme und Munition sind nur die augenfälligsten Bestandteile der gehandelten Rüstungswaren. Sie sind nur der Kern des Transfers, der als Proliferation von militärischem Know-how und militärischer Technologie angesehen werden kann. Hinzuzurechnen sind Zusatzgeräte, Ersatzteile, auch besondere Produktionsanlagen und Know-how zur Herstellung von Rüstung, Lizenzen, Patente, die entsprechenden Kapital-und Zwischengüter, Betriebsstoffe, Forschungs-, Entwicklungsund Testanlagen so-wie Testlabors. Darüber hinaus wird militärtechnisches Wissen transferiert, häufig durch Ausbildungshilfe oder Entsendung von Spezialisten, gelegentlich auch durch Anwerbung von Söldnern.

Die quantitativ erfaßbaren Transfers bilden nur einen Teil Transferprozesses. Gleichzeitig wird seitens der Lieferländer versucht, die Empfängerländer auf ein gewünschtes gesellschaftliches Modell bzw. auf eine bestimmte Entwicklungsstrategie zu verpflichten. Dies gilt für die USA in besonderem Maße.

Die nach 1945 von den USA weltweit unternommenen Anstrengungen, die Armeen der Entwicklungsländer zu modernisieren, wurden auch als Kampf gegen den Kommunismus verstanden und waren mit der Penetration durch US-Firmen und -Institutionen verbunden. Aber auch seitens der Sowjetunion ist die selektive Lieferung von Rüstung und Entsendung von Militärberatern in bestimmte Länder mit der Zielvorstellung verknüpft, Strukturen zu etablieren und zu festigen, die zum Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft führen bzw. einen nicht-kapitalistischen Entwicklungsweg ermöglichen.

Rüstungstransfer läßt sich in drei Kategorien unterteilen: der Transfer von Produkten, von Produktionsanlagen und Produktions-Know-how sowie von Personal.

Bevor jedoch zu diesen drei Arten des Rüstungstransfers weitere Angaben gemacht werden, sei auf die Problematik der Datenermittlung hingewiesen.

Schwierigkeiten der Erfassung von Rüstungstransfers

Will man die Struktur und Größenordnung des internationalen Rüstungstransfers beschreiben, stößt man — neben dem Problem der Abgrenzung zwischen zivilen und militärischen Transfers — auf eine extrem schlechte Datenlage. Im Vergleich zur recht detaillierten internationalen Handelsstatistik und der Finanzstatistik der Weltbank wird der Rüstungstransfer nur lückenhaft erfaßt.

Selbst eine Datenanalyse der Statistik des internationalen Handels nach der fünfstelligen Internationalen Standard-Klassifikation erbringt keinen Aufschluß über Rüstungstransfers, da die Mehrzahl der Rüstungsgüter in zivilen Kategorien „verschwinden". Darüber hinaus aber sind die regierungsamtlichen Angaben, die die Grundlage für die internationale Statistik bilden, in diesem Punkt häufig nicht „vollständig" bzw. tauchen in der Kategorie „unbestimmt" auf Mit anderen Worten: Man bewegt sich auf unsicherem Terrain, wenn man Rüstungstransfers untersucht. Dies gilt ganz besonders für Transfers aus sozialistischen Ländern. Denn nach wie vor ist es Teil sozialistischer Staatsräson, keine Rechenschaft über militärische Fragestellungen abzulegen.

Auch in der Bundesrepublik Deutschland kann weder von Transparenz des Rüstungsexports noch von Kontrolle durch das Parlament die Rede sein. In einem Aufsatz von drei Parlamentariern der SPD-Fraktion heißt es zur Informationspolitik der Regierung gegenüber der Bundestagsfraktion: „Mündlich wie schriftlich wurde der AG (Arbeitsgruppe Waffenexporte der SPD-Fraktion, d. V.) von Regierungsmitgliedern zugesichert, daß es sich bei der Indonesien-Bürgschaft (für den Export von zwei U-Booten, d. V.) um einen nicht wiederholbaren Ausnahmefall gehandelt habe. Die Bundesregierung hat inzwischen für Argentinien-U-Boote eine weitere Bürgschaft genehmigt. Interne Arbeitspapiere und -pläne der , AG Waffenexporte'haben ihre Mitglieder übrigens im . Wehrdienst'10) lesen können, bevor sie sie mit der Fraktionspost erhielten." Und zur Kontrolle des Rüstungssektors heißt es an der gleichen Stelle: „Bei Beschaffungen für die Bundeswehr gibt es eine parlamentarische Kontrolle nur soweit, wie über die . militärische Forderung'und die Einstellung des Beschaffungsvorhabens in den Haushalt beschlossen wird, über Vergabe, Erweiterung und Verteuerung des Rüstungsprojektes wird faktisch im außerparlamentarischen Raum entschieden." Entscheidungen werden sozusagen hinter verschlossenen Türen gefällt und im nachhinein erhalten Parlamentarier über Rüstungsexporte Teilinforma-tionen, falls sie eine parlamentarische Anfrage an die Regierung richten.

Lediglich zwei Institutionen erheben den Anspruch, systematisch und weitgehend vollständig Daten über den internationalen Rüstungstransfer zu erheben. Es sind dies das Internationale Stockholmer Friedensforschungsinstitut (SIPRI = Stockholm International Peace Research Institute) und die US-amerikanische Abrüstungsbehörde (ACDA = Arms Control and Disarmament Agency). Das in militärischen Fragen ständig zitierte IISS (International Institute for Strategie Stu-dies) in London unternimmt erst gar nicht den Versuch, Rüstungstransfers vollständig zu erfassen, da es vom Institut für „vielleicht nicht lohnend" erachtet wird

SIPRI erfaßt Rüstungstransfers ausschließlich unter Benutzung offener Quellen. Den außerordentlichen Schwierigkeiten, die Gesamtheit der Transfers zu erfassen, begegnet SIPRI mit einer methodich fragwürdigen Beschränkung. Man erfaßt lediglich alle , major weapon Systems’ (Großwaffen), die innerhalb eines Jahres transferiert werden. Da über Transferpreise nur sehr wenige Informationen vorliegen und die Bepreisung ein und desselben Gutes recht unterschiedlich ist, weil Rüstungslieferungen häufig von politischen Überlegungen begleitet sind, hat SIPRI ein eigenes Bewertungssystem entwickelt, das für alle Transfers Anwendung findet. SIPRI schätzt, daß das Gesamtvolumen aller Transaktionen doppelt so hoch ist, wie die berechneten Transfers der , major weapons Dieses Schätzverfahren ist angesichts der sehr unterschiedlichen Aufrüstungsprozesse in der Dritten Welt und der fortlaufenden technologischen Veränderungen im Rüstungswesen zu pauschal, denn es gibt viele Gründe anzunehmen, daß sich der Warenkorb transferierter Rüstungsgüter in seiner Zusammensetzung laufend verändert

ACDA hingegen veröffentlicht jährlich umfangreiche Transfertabellen, die die gesamte Welt erfassen. Zwar wird eine genaue Definition dessen gegeben, was als Rüstungstransfer betrachtet und was ausgeklammert wird, aber wie die in US-Dollar aggregierten Werte im einzelnen zustande kommen, ist nicht nachvollziebar. Grundlage für das Datenwerk sind Informationen der Central Intelligence Agency (CIA). Obgleich der überdurchschnittlich expandierende Bereich militärischer Dienstleistungen, Training und technischer Dienste, nicht eingeschlossen ist, sind die ACDA-Zahlen zumeist höher als die SIPRI-Angaben. An alternativen Quellen gibt es gelegentliche, immer interessengebundene Verlautbarungen einzelner Regierungen oder auch von Industrieverbänden

Die beträchtlichen Unterschiede in den Angaben zum Rüstungsexport verdeutlichen die folgenden Zahlen (siehe Tabelle 1).

Alternative Quellen können gelegentlich zur Überprüfung der von SIPRI und ACDA gemachten Angaben herangezogen werden, in der Tendenz gilt jedoch, daß über rüstungswirtschaftliche Erscheinungen ein Schleier der Geheimhaltung liegt. Somit gibt es einerseits bislang keine Alternativen zu den Daten von SIPRI und ACDA, andererseits sind die Angaben des Stockholmer Institutes nur innerhalb der engen methodologischen Grenzen verwendbar, und die Angaben der amerikanischen Abrüstungsbehörde entziehen sich der Möglichkeit der Nachprüfung. Trotz dieser Mängel werden insbesondere die Angaben des Stockholmer Institutes weltweit auf diplomatischer Ebene und in politikwissenschaftlichen Arbeiten zugrunde gelegt.

Drei Beispiele zeigen die engen Grenzen der beiden Quellenwerke auf. Hatte die Sowjetunion nach der ACDA-Ausgabe von 1976 für das Jahr 1975 für 2, 6 Mrd. US-Dollar Waffen exportiert, so sollen es für dasselbe Jahr nach der jüngsten Veröffentlichung 3, 8 Mrd. US-Dollar gewesen sein. Wie kommt diese Veränderung zustande? Die ACDA übernahm diese Zahlen von der CIA vor einem Senatshearing erläuterte der stellvertretende Direktor der CIA diese Anpassung: „Wir schätzen die Kosten der sowjetischen Verteidigungsaktivitäten tatsächlich, indem wir Preisschilder an beobachtete und vermutete sowjetische Verteidigungsprogramme heften." Die CIA hatte nun 1976 die Preisschätzungen für sowjetische Waffen erhöht, da man in der Vergangenheit die Preise angeblich unterschätzt hatte Somit erhöhte sich rechnerisch nicht nur der Anteil des sowjetischen Militär-haushaltes am Bruttosozialprodukt von rund acht auf zwölf Prozent, sondern auch die gleichen Waffenexporte wurden nachträglich mit erheblich höheren Werten ausgewiesen.

SIPRI veröffentlichte im Jahrbuch 1974 eine Graphik mit den relativen Anteilen der USA, der Sowjetunion und anderen Exporteuren am gesamten Rüstungsexport. Aufgrund der großen Ersatzlieferungen an arabische Länder im Zusammenhang mit dem israelisch-arabischen Krieg hatte die Sowjetunion weit über den sonstigen jährlichen Werten Panzer und Kampfflugzeuge transferiert. Da SIPRI nur , major weapons'Exporte registriert, hatte die Sowjetunion die USA als Rüstungslieferant weit überflügelt. Entsprechende Kommentare gingen durch alle Medien. Die amerikanische Abrüstungsbehörde bezifferte die relativen Anteile der amerikanischen und sowjetischen Rüstungsexporte beinahe genau umgekehrt.

Der Rüstungsexport aus der Bundesrepublik Deutschland wird systematisch unterschätzt; nicht nur die von SIPRI und ACDA angegebenen Zahlen, sondern auch die gelegentlich von der Bundesregierung veröffentlichten Werte liegen zu niedrig, da umfangreiche Teillieferungen (wie Kriegsschiff-und Panzer-motoren) oder Lizenzexporte nicht als Rüstungstransfers erfaßt werden. Gerade auf diese Exporte haben sich jedoch Unternehmen aus der Bundesrepublik spezialisiert. Ein Beispiel: Die meisten Schnellboote der Welt von 150— 400 t laufen mit Dieselmotoren aus westdeutscher Produktion

Trotz der offensichtlichen Defizite sind internationale Initiativen bislang immer auf Widerstände gestoßen, die darauf abzielten, innerhalb des Systems der Vereinten Nationen eine Rüstungstransferstatistik einzurichten und so die Tradition des Völkerbundes fortzu-setzen Zu den wichtigsten Einwänden zählt, man könne aus einer Transferstatistik vor allem bei Entwicklungsländern unmittelbar das jeweilige militärische Potential ableiten (da in der Regel keine nationale Rüstungsproduktion stattfindet), während die massiven Aufrüstungsprozesse in Industrie-ländern nicht in die Transferstatistik eingehen würden. Somit würde die ausschließliche Erfassung von Transfers in einem internationalen Register vor allem Rüstungsprozesse in bereits abhängigen und schwachen Staaten erfassen, während die hochgerüsteten Industrienationen lediglich als Lieferanten erscheinen würden. Die isolierte Erstellung eines Transferregisters wäre daher eine unzureichende Vorbedingung für internationale Rüstungskontrollverhandlungen. Gelegentlich wird auch argumentiert, daß die Offenlegung der Transfers keineswegs Rüstungskontrolle und allgemeine Minderung der Rüstung gewährleistet, weil u. U. die vollständige Offenlegung erst zum Anlaß für regionale Rüstungswettläufe wird.

Schließlich läßt sich grundsätzlich gegen eine Rüstungstransferstatistik, die lediglich die physischen Größen des Transfers registriert, einwenden, daß sie prinzipiell keine Rückschlüsse auf militärische Potentiale zuläßt, da diese von einer Vielzahl anderer Faktoren mitbestimmt werden. Selbst der Transfer einer gleichen Zahl eines Waffensystems in zwei verschiedene Länder kann sich unterschiedlich auf die Wahrnehmung einer Bedrohung in einem dritten Staat auswirken, denn Waffensysteme erwerben ihre Eigenschaften erst in Kombination mit einer Reihe anderer Faktoren wie geographische Gegebenheiten, logistische Infrastruktur, sozio-politischer Rahmen etc. Weiter läßt eine Transferstatistik prinzipiell unberücksichtigt, was aufgrund vertraglicher Abmachungen oder vermittels Intervention von außen in einer bestimmten Region an militärischen Potentialen zum Einsatz gebracht werden kann. Potentiell ist jeder Flugzeugträger, jedes über weite Distanz einsetzbare Waffensystem ein Rüstungstransfer, und die in Industrieländern existierenden Eingreifreserven können ebenso wie die Erhöhung der Zahl der Streitkräfte in Entwicklungsländern zur Verschärfung von Konflikten beitragen.

Deutlich werden die Grenzen der rein institutionellen Betrachtungsweise der Rüstungstransferstatistik auch am Beispiel der Dekolo-nisation. Wurden die Truppen in einer Kolonie vor der Unabhängigkeit mit neuen Waffen ausgerüstet, so würde dieser Vorgang nicht in der Transferstatistik erscheinen; mit dem Tage der Unabhängigkeit aber würde die Transaktion als Transfer ausgewiesen, weshalb allzu leicht hohe Steigerungsraten konstatiert werden könnten, die ausschließlich auf eine institutioneile Veränderung zurückzuführen sind. Niedrige Transfers in ein afrikanisches Land können ihre Erklärung in der dauernden Präsenz französischer Truppen (beispielsweise bis Anfang 1979 im Tschad) oder einem Beistandspakt mit Frankreich haben. Die Problematik wird durch die Transferstatistik von SIPRI und ACDA veranschaulicht: Während des Vietnamkrieges wurden sowjetische Lieferungen an Nordvietnam automatisch als Transfer gezählt, während das in Südvietnam zum Einsatz kommende Rüstungspotential in unterschiedlicher Weise klassifiziert wurde. Je nachdem, ob die amerikanische Lieferung an südvietnamesische oder amerikanische Einheiten ging, erschien sie in der Statistik oder erfüllte das Transferkriterium nicht.

Anhaltspunkte zur Größenordnung der Rüstungstransfers Trotz methodischer Schwierigkeiten bei der Berechnung des Volumens des Rüstungstransfers und interessengebundener unpräziser oder falscher Darstellung sowie weitgehender Geheimhaltung, besteht bei Beobachtern Einigkeit über verschiedene Veränderungen des Transfermusters. Während der weltweiten Rezession und stagnierendem Welthandelsvolumen in den Jahren 1974 bis 1976 nahm der in den sechziger Jahren kontinuierlich gewachsene Handel mit Waffen und anderem militärischen Gerät in den siebziger Jahren sprunghaft zu. SIPRI und ACDA sind gleichermaßen der Auffassung, daß die hohen Zuwachsraten im Rüstungstransfer fast ausschließlich auf verstärkte Importe der Entwicklungsländer zurückzuführen sind. Der sinkende Anteil der Industrieländer am Rüstungsimport ist im wesentlichen auf Importsubstitution durch eigene nationale Fertigung zurückzuführen. Beispielsweise wird ein ständig steigender Anteil der Investitionsausgaben des Militärhaushaltes der Bundesrepublik Deutschland im Lande selbst ausgegeben. Deutlich wird das rasante Wachstum im Rüstungsgeschäft bei der Betrachtung der Auf-tragseingänge Allein in den USA, dem größten Waffenexportland der Welt, verdreifachte sich der gemeldete Auftragseingang von 1972 bis 1974. Der Auftragseingang, der in den sechziger Jahren jährlich durchschnittlich 1, 25 Mrd. US-Dollar betragen hatte, stieg auf 3, 3 Mrd. im Jahre 1972 und auf 10, 8 Mrd. 1974. Auf 13, 5 Mrd. US-Dollar wird die entsprechende Summe für 1979 von der US-Regierung veranschlagt Das Ergebnis dieser zunehmenden Verkaufsabschlüsse ist ein „dickes" Auftragspolster, das in den nächsten Jahren (durchschnittliche Lieferzeit für einen Auftrag zwischen drei und fünf Jahre) zur Auslieferung kommt und Hoffnungen auf eine mögliche Reduzierung der Rüstungsexporte unwahrscheinlich macht Denn während in den Jahren 1966 bis 1971 der durchschnittliche Auftragsbestand, d. h. die abgeschlossenen, aber noch nicht ausgeführten Verträge, in den USA 5, 3 Mrd. US-Dollar betrug , steigerte sich diese Zahl bis 1976 um über das Sechsfache auf fast 33 Mrd. US-Dollar Legt man ähnliche Wachstumsraten für die übrigen Hauptexportländer zugrunde dann ist da-von auszugehen, daß — selbst ohne Berücksichtigung weiterer zu erwartenden Aufträge — Rüstungsexporte mittelfristig nicht unter die 1975 erreichte Marke fallen werden. Denn allein die US-Rüstungsindustrie ist bis ca. 1983 mit der Abwicklung von bereits eingegangenen Auslandsbestellungen von jährlich rund 5 Mrd. US-Dollar beschäftigt. Diese Ziffer erfaßt auch die anfallenden Folgeaufträge für Ersatzteile und Wartung. Durch eine Revision der bisherigen Importpolitik im Iran wird möglicherweise eine spürbare Senkung des Transfervolumens zu verzeichnen sein, wenn nicht statt dessen Absatzmärkte in anderen Ländern erschlossen werden. Ob die Rüstungsimporte des Irans längerfristig reduziert werden, wird sich in der nächsten Zeit zeigen.

Nach den Angaben der amerikanischen Abrüstungsbehörde (ACDA) für das Jahrzehnt 1967 bis 1976 lagen die USA mit über der Hälfte der Rüstungsexporte (52 °/o) in Entwicklungsländer an der Spitze. Es folgen die Sowjetunion (27 0/0), Frankreich (5°/o), die V. R. China (4 °/o), Großbritannien (3 °/o) und die Bundesrepublik Deutschland (2 °/o). In diesem Zeitraum wurden praktisch alle Dritte-Welt-Länder mit Waffen aus mindestens einem der Hauptexportländer beliefert. Die USA exportierten in 65 Entwicklungsländer, Frankreich in 57, Großbritannien in 56, die Bundesrepublik Deutschland in 52, die Sowjetunion in 42 und die V. R. China in 22 Entwicklungsländer In der Vergangenheit belieferten die westlichen Industrienationen — einschließlich der Bundesrepublik, trotz des politischen Anspruchs dieser Regierung, Rüstungsexportgenehmigungen nur in Ausnahmefällen für Länder außerhalb der NATO zu erteilen — eine Vielzahl unterentwickelter Länder mit Rüstungswaren. Demgegenüber lieferte die V. R. China sehr restriktiv; entsprechend den politischen Prioritäten gingen 90 °/o der Lieferungen an nur drei Länder: Nordvietnam, Nordkorea und Pakistan. Im Vergleich zu den USA lieferte die Sowjetunion hinsichtlich der Zahl der Empfängerländer ebenfalls restriktiv; 72 °/o der Transfers außerhalb des Warschauer Paktes gingen zwischen 1967 und 1976 an nur sechs Länder: Nordvietnam, Ägypten, Syrien, Indien, Irak und Libyen. Seit 1975 hat sich jedoch der Schwerpunkt der Exporte sowohl der V. R. China als auch der Sowjetunion erheblich verändert. Wichtige Faktoren waren hierbei die Beendigung des Vietnamkrieges, der Bruch der ägyptisch-sowjetischen Beziehungen, der Konflikt am Horn von Afrika.

In Ergänzung zu den monetären Angaben ist die folgende Aufstellung der ACDA zur Veranschaulichung des Transferprozesses nützlich:

Die in dieser Tabelle nicht enthaltenen Lieferungen aus der Bundesrepublik Deutschland verändern das Gesamtbild in zwei Kategorien beträchtlich: Firmen aus der Bundesrepublik exportierten besonders U-Boote und Schnellboote. Sie lieferten nach dem Zweiten Weltkrieg U-Boote, Schnell-und Patrouillenboote in nachweislich 28 Entwicklungsländer. Bis 1977 wurden mindestens 30 U-Boote und 250 Schnell-und Patrouillenboote in Entwicklungsländer geliefert bzw. von dort bestellt

Bevor man sich jedoch von imposanten und erschreckenden Zahlen zu sehr beeindrucken läßt, ist es notwendig, sie in Beziehung zu setzen; dies vor allem zu den militärischen Anstrengungen der USA und der Sowjetunion. Zusammen leben in beiden Staaten 11% der Weltbevölkerung, im Zeitraum von 1960 bis 1977 betrug ihr Anteil am Bruttosozialprodukt 42 °/o, an den Militärausgaben aber im Durchschnitt 64 °/o, wobei der relative Anteil in jüngerer Zeit leicht fällt, was den Aufrüstungsprozeß in der Dritten Welt widerspiegelt.

Regionale Schwerpunkte beim Rüstungsimport und technologische Veränderungen Eine Aufschlüsselung der Rüstungstransfers nach Empfängerländern ergibt — wie nicht anders zu erwarten — überdurchschnittliche Steigerungsraten in erdölexportierenden Staaten und dem Umfeld kriegerischer Auseinandersetzungen, z. B. im Nahen Osten und im Horn von Afrika Von 1973 bis 1977 orderten allein die Regierungen von Saudi-Arabien und Iran in den USA militärisches Gerät für fast 28 Mrd. US-Dollar, das entspricht mehr als der Hälfte sämtlicher Rüstungsexportabschlüsse der USA Saudi-Arabien wird somit in den nächsten Jahren nicht nur mit erhöhten Rüstungsimporten, sondern auch mit erheblichen Folgeinvestitionen und Ausgaben belastet, die sich indirekt aus den Waffenimporten ergeben. Der Iran dagegen hat, noch bevor der Schah das Land Anfang 1979 verließ, damit begonnen, bereits abgeschlossene Verträge über Rüstung und den Aufbau von Waffenfabrikation zu kündigen.

Häufig dienen die importierten Waffen vornehmlich zur Stabilisierung eines bestimmten Regimes. Sie dienen der Regierung zur Macht-erhaltung in der innergesellschaftlichen Auseinandersetzung. Dies gilt beispielsweise für die Regierungen in Thailand, auf den Philippinen, in Uganda, Argentinien, Nicaragua und Chile.

In den siebziger Jahren, in denen die Lieferbeziehungen deutlich multilateraler geworden sind, häufen sich sogar die Falle, in denen kapitalistische und sozialistische Staaten gleichzeitig Länder in der Dritten Welt beliefern Noch ist es allerdings häufiger, daß

Entwicklungsländer zur Sicherung ihrer Versorgung mit neuesten Rüstungsgütern den hegemonialen Bezug in kürzester Frist verändern und sich von einer nahezu unilateralen Beziehung in eine andere begeben

Die technologische Dimension des Rüstungstransfers hat sich außerordentlich verändert; die letzten Jahre sind unter anderem dadurch gekennzeichnet, daß immer häufiger die neueste Waffengeneration an zahlungskräftige oder allianzpolitisch wichtige Empfängerländer ausgeliefert wird. Laut SIPRI gelangen immer modernere Waffen in die Dritte Welt: 1960 verfügte nur ein Entwicklungsland (Taiwan) über Überschallflugzeuge, 1965 bereits 14, 1970 28 und 1977 schließlich 47. Entsprechendes gilt auch für anderes Kriegsgerät. Raketen waren 1977 bei den Streitkräften von 47 Entwicklungsländern im Einsatz, während 1960 erst sechs Länder hierüber verfügten Die amerikanischen TOW-Panzerabwehrrake-te wurde erstmals von den USA 1973 nach Israel verkauft. 18 Monate später war bereits der Export in über 20 Länder genehmigt

Dies geschieht nicht selten zum Verdruß der militärischen Führung in hochindustrialisierten Ländern, die mit der Erfüllung ihrer Aufträge zurückstehen müssen. Zur Illustration sei auf die an den Iran gelieferten Chieftain-Panzer aus Großbritannien verwiesen. Sie verfügen über eine neuartige Panzerung, während die für die britische Armee bestimmten Einheiten erst zu einem späteren Zeitpunkt mit verbesserter Panzerung geliefert werden. Uber den persisch-arabischen Golf läßt sich sagen, daß die Anrainerstaaten zum Teil über technisch moderneres Fluggerät mit höheren Leistungen verfügen als die europäischen Mitgliedstaaten der NATO bzw.der WVO Seit im Mai 1972 der damalige Präsident der USA, Nixon, durch die Genehmigung des Verkaufs des modernsten Kampfflugzeugs der westlichen Welt, dem F-14 Tomcat, „zum erstenmal de facto dem Verkauf sämtlicher konventioneller Waffen, die der Iran wünschte" zustimmte, existieren keine Restriktionen zur Begrenzung des Exports modernen Geräts mehr.

Transfer von Militärpersonal über die Tätigkeit von Ausländern im militärischen Sektor von Entwicklungsländern gibt es kaum Informationen; lediglich die amerikanische Regierung veröffentlicht seit einigen Jahren umfangreiche Daten über die Tätigkeit von Militärpersonal im Ausland und die Ausbildung von militärischem Personal aus Entwicklungsländern. In diesen Zahlen sind jedoch nur diejenigen Militärs erfaßt, die den Status eines Armeeangehörigen auch während ihrer Tätigkeit im Ausland behalten. Die gleiche Einschränkung gilt für gelegentliche Verlautbarungen der britischen und französischen Regierungen. In den letzten Jahren gewinnen jedoch indirekte, über private Unternehmen abgewickelte Transfers von militärischem Fachpersonal eine immer größere Bedeutung.

Die Entsendung von Militärberatern gehört zum traditionellen Instrumentarium der außenpolitischen Interessensicherung und hat schon in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts zu heftiger Konkurrenz zwischen den europäischen Industrienationen geführt. Nach dem Zweiten Weltkrieg haben die Vereinigten Staaten ein weltweites Militärhilfeprogramm entfaltet, das nahezu die gesamte Dritte Welt zu irgendeinem Zeitpunkt erfaßte. Die vom Zweiten Weltkrieg geschwächten europäischen Nationen mußten vor allem in Lateinamerika ihre Positionen aufgeben. Frankreich und Großbritannien beschränkten sich weitgehend auf ihre ehemaligen Kolonien. Die Bundesrepublik Deutschland versuchte in den sechziger Jahren durch ein Programm der Entsendung von militärischem und technischem Personal nach Afrika in dieser Beziehung aufzuholen Die Entsendung sowjetischen Militärpersonals in Länder außerhalb des sozialistischen Lagers begann ab Mitte der fünfziger Jahre zunächst in einige Länder Asiens. In den sechziger Jahren kamen einige afrikanische Länder hinzu. Besonders aktiv in diesem Bereich zur Absicherung der außenpolitischen Position war Israel in den Ländern Schwarzafrikas, mußte sich dort jedoch Ende der sechziger Jahre zurückziehen.

Hinzugekommen sind in den letzten Jahren die V. R. China und Kuba, -aber auch die Bundesrepublik Deutschland und die DDR und einige Entwicklungsländer wie Argentinien, Brasilien, Indien und Pakistan entsenden Offiziere als Militärberater ins Ausland.

Am Beispiel der USA läßt sich zeigen, daß die offiziellen Angaben über im Ausland tätiges Militärpersonal unbrauchbar sind. Während das amerikanische Verteidigungsministerium für 1977 eine Planzahl von 1894 Militärberatern veranschlagt waren nach Angaben des US-Senates 1976 allein im Iran etwa 24 000 Amerikaner größtenteils im militärischen Sektor tätig Für 1980 schätzte man damals eine Zahl von 50 000 bis 60 000 oder mehr. Seit Beginn der iranischen „Revolution" Ende 1978 sind große Teile des Militär-personals zurückgerufen worden. Formal waren die ausländischen Militärberater und -tech-niker Angestellte von Privatunternehmen, die ihrerseits mit der iranischen Regierung Kontrakte über militärische Dienstleistungen, die Errichtung einer militärischen Infrastruktur und den Aufbau von Rüstungsfertigung abgeschlossen haben. Im Hinblick auf die außenpolitische Wirkung und Verantwortung der amerikanischen Regierung besteht jedoch kein deutlicher Unterschied zu offiziellen Militärberatern. Rückschlüsse auf die Größenordnung des personellen Militärtransfers ergeben sich aus der Zahl der im Rahmen von Militärhilfeprogrammen ausgebildeten Soldaten aus Entwicklungsländern. Von 1950 bis 1975 wurden fast 400 000 Militärkader aus 64 Entwicklungsländern durch das US-Militär ausgebildet

Es mag überraschen, daß sowjetische Militärberater in einigen Fällen Befreiungsbewegungen im südlichen Afrika unterstützten und zugleich in Ländern eingesetzt wurden, die Mitglied eines gegen die Sowjetunion gerichteten Bündnisses waren. Hierbei handelt es sich um den Iran und früher auch um Pakistan. Ausgesprochene Fehlschläge ihrer Politik, die zum Abzug der zum Teil großen Beraterkontingente führte, erlebte die Sowjetuni-on in Indonesien, Ghana, im Sudan, Ägypten und Somalia. Der amerikanische Geheimdienst (CIA) bezifferte für 1976 die aus osteuropäischen Ländern in der Dritten Welt tätigen „Militärtechniker" auf 9 080, wovon allein in Syrien 2 500 tätig gewesen sein sollen Laut CIA-Berichten wurden von 1955 bis 1976 in der Sowjetunion knapp 40 000, in anderen sozialistischen Ländern Europas 4 375 und in der V. R. China 2 900 Militärkader aus Entwicklungsländern ausgebildet Die Zahl der im Ausland tätigen Militärs aus Kuba wird inzwischen auf knapp 35 000 geschätzt; sie wurde 1976 vom amerikanischen Geheimdienst noch mit 11 650 angegeben

über 13 000 französische Truppenangehörige waren Anfang 1978 in afrikanischen Ländern oder auf den Inseln im Indischen Ozean im Einsatz Die französische Luftwaffe zum Beispiel hat in insgesamt 40 Ländern — die meisten davon sind Entwicklungsländer — technische Hilfe geleistet Bedeutsamer als diese Zahlenangabe ist jedoch die Tatsache, daß in der Regel in den französisch-sprachigen Entwicklungsländern die gesamte militärische Führung früher in der französischen Armee gedient hat und dort nicht nur ausgebildet wurde, sondern häufig auch Kampferfahrung in Frankreichs Kolonialkriegen erworben hat. Die britische Regierung gibt an, daß lediglich 70 Angehörige der britischen Streitkräfte vorwiegend mit Rüstungsverkäufen in Entwicklungsländern beschäftigt sind Möglicherweise ist diese Angabe formal korrekt, denn britische Soldaten mustern ab oder werden für Auslandseinsätze vom Dienst in der britischen Armee beurlaubt. Es gibt zahlreiche Berichte über die Tätigkeit britischer Soldaten in fremdem Sold So sind zum Beispiel in dem von der britischen Regierung genehmigten Programm in Saudi-Arabien im Jahre 1977 allein 2 000 Techniker für die British Aircraft Corporation tätig gewesen, deren Kontingent auf 6 000 Mann erhöht werden soll Die Bundesrepublik Deutschland schließlich hat für 1979— 1981 Militär-und Polizeihilfe für 30 Entwicklungsländer zugesagt

IV. Rüstungsproduktion in Entwicklungsländern — eine neue Qualität des Aufrüstungsprozesses

3: Gesamtwaffenexport Hauptrüstungsgütern/Stückzahl Heereswaiien Marineeinheiten Raketen Entwicklungsgebiete" *) von Tabelle nach Luitwaifen der Hauptlieferländer „in 1967— 1976 Rüstungsgüter Panzer und Selbstfahrlafetten Geschütze Transportpanzer und gepanzerte Fahrzeuge Großkampfschiffe Kleinkampfschiffe U-Boote Flugkörperschnellboote Kampfflugzeuge (überschall) Kampfflugzeuge (andere) Andere Militärflugzeuge Hubschrauber Boden-Luft-Raketen Luft-Luft-Raketen Luft-Boden-Raketen Gesam늈ٱ

1977 wurden in 47 Entwicklungsländern Rüstungswaren hergestellt oder entsprechende Produktionen vorbereitet In dieser Zahl sind fünf unterentwickelte Länder, die zur Peripherie Europas gehören, eingeschlossen, außerdem acht lateinamerikanische Länder, dreizehn afrikanische Länder, fünf Länder des Nahen Ostens und Westasiens sowie sechzehn asiatische Länder. Die Rüstungsproduktionsprogramme der einzelnen Länder haben recht unterschiedlichen Umfang und reichen von einfachen Fertigungsprozessen bis hin zu komplexen industriellen Strukturen mit beachtlichen Kapazitäten, die zum Teil auch für den Rüstungsexport genutzt werden.

Wie die zusammenfassende Tabelle zeigt, stellen 37 Dritte-Welt-Länder Kleinwaffen her, doch haben nur wenige dieser Länder tatsächlich eine Selbstversorgung mit leichten Infanteriewaffen erreicht. Moderne Kampfflugzeuge, Düsentrainer oder Triebwerke werden in zwölf Ländern — vorwiegend in Lizenz — gebaut, während Leichtflugzeuge in vier-zehn Ländern hergestellt werden. In acht Ländern werden Hubschrauber produziert oder montiert, in elf Ländern werden Raketen oder Lenkwaffen hergestellt, militärische Elektronik bzw. Avionik wird in neun Ländern produziert. Die Konstruktion von Schiffsrümpfen für kleine Kriegsschiffe wird immerhin in 30 Entwicklungsländern durchgeführt, während die Antriebsaggregate, die Bewaffnung und die Elektronik der Schiffe normalerweise importiert werden. Zwölf Länder bauen Kriegsschiffe für ihre Marine in einer Größenordnung von über 500 Bruttoregistertonnen; U-Boote werden in sechs Ländern gebaut, während acht Länder gepanzerte Mannschaftswagen oder Panzer herstellen.

Die Planung ständig neuer Projekte läßt erwarten, daß das Niveau der Produktion und die Zahl produzierender Länder zunehmen werden. Allein acht weitere Länder beabsichtigen, die Produktion von modernen Kampf-flugzeugen oder Düsentrainern aufzunehmen, und vier weitere Länder planen eine Hubschrauberproduktion. Andere Länder sind dabei, ihre Produktionsprogramme zu diversifizieren und die Produktionskapazitäten auszubauen. Wie der Tabelle 4 entnommen werden kann, sind bei den meisten Projekten und wahrscheinlich in jedem einzelnen Land Lizenzgeber aus Industrieländern beteiligt. Häufig ist der Anteil lokaler Wertschöpfung sehr gering; die Mehrzahl der Komponenten wird importiert.

Produktionsprogramme in den einzelnen Ländern Die Rüstungsprojekte in Entwicklungsländern unterscheiden sich erheblich voneinander. Von den fünf in die Untersuchung einbezogenen Ländern der europäischen Peripherie verfügen Jugoslawien und Spanien über die größten Erfahrungen. Während die spanische Rüstungsindustrie die technische Expertise der deutschen Rüstungsindustrie schon während des Zweiten Weltkrieges zu nutzen wußte und nach Kriegsende deutschen Rüstungskonstrukteuren Arbeitsmöglichkeiten bot, gelang es Jugoslawien, Lizenzen aus Ost und West für die eigene Rüstungsproduktion zu erwerben. Beide Länder haben erhebliche Mengen Rüstungsmaterial in andere Dritte-Welt-Länder exportiert: Spanien insbesondere Kleinkampfschiffe, Bomben und Munition, Jugoslawien vor allem zahlreiche Kleinkampf-schiffe und in verschiedenen Fällen Waffen an Befreiungsbewegungen. Griechenland und mehr jedoch noch die Türkei verfolgen den Aufbau diversifizierter Rüstungsproduktionsprogramme. Die türkische Flugzeugindustrie TUSAS plant u. a.den Bau des Düsentrainers MB-338 der italienischen Firma Aeronautica Macchi mit einem 90prozentigen Anteil türkischer Fertigung. Wirtschaftliche Schwierigkeiten scheinen diese Pläne zu gefährden.

Portugals Regierung sah sich gezwungen, einzelne Rüstungsprogramme wieder zu drosseln, die besonders in den sechziger Jahren für den Kolonialkrieg in Afrika forciert worden waren. Argentinien und Brasilien sind in Lateinamerika am weitesten mit lokaler Rüstungsfertigung fortgeschritten. Nach 1945 hatte vor allem Argentinien jahrelang mit großem Aufwand versucht, durch den Aufbau einer eigenen Industrie unabhängig von Rüstungsimporten zu werden. Das angestrebte Ziel wurde nicht annähernd erreicht. Dennoch verfügt das Land heute über ansehnliche Produktionskapazitäten in nahezu allen Bereichen, die zunehmend mit ausländischer Unterstützung und Lizenzen weiter ausgebaut werden

Seit Beginn dieses Jahrzehnts unternimmt Brasilien erhebliche Anstrengungen, zu Argentinien in diesem Sektor aufzuschließen und es schließlich zu überholen. Mit Hilfe ausländischer Lizenzen, unterstützt durch die zahlreichen im Lande tätigen multinationalen Konzerne, ist Brasilien bemüht, sich modernste Technologie zu sichern. Zu diesem Zwekke werden mit großem Aufwand Komponenten für US-amerikanische Konzerne gefertigt — eine Bedingung, die die Regierung für den Import von US-Kampfflugzeugen gestellt hatte.

Peru und Mexiko planen, den bislang beschränkten Rüstungssektor durch die Lizenz-produktion von modernen Kampfflugzeugen zu erweitern. Kürzlich wurden in Venezuela ähnliche Pläne angekündigt. In diesen Ländern bemüht sich die israelische Luftrüstungsindustrie um Lizenzproduktion. Die übrigen in der Tabelle verzeichneten Länder, Chile, Kolumbien und die Dominikanische Republik, verfügen lediglich über technologisch unbedeutende Produktionskapazitäten.

In Afrika — abgesehen von der Republik Südafrika — existieren begrenzte Kapazitäten zur Herstellung von Munition, Kleinwaffen und Kleinkampfschiffen. Die Regierung Nigerias beabsichtigt jedoch, u. a. gestützt auf erhöhte Deviseneinnahmen aus Erdölexporten, eine Flugzeugproduktion aufzunehmen, und in Zaire werden in Zusammenarbeit mit westdeutschen Unternehmen ambitiöse Raketenbauprogramme verfolgt. Die südafrikanische Regierung behauptet, bei der Produktion von Kleinwaffen, gepanzerten Mannschaftswagen und Kommunikationsgeräten Selbstversorger zu sein. Angeblich sollen 75 °/o der Rüstung im eigenen Land produziert werden. Dem widerspricht, daß trotz des Waffenembargos der Vereinten Nationen Waffen aller Art in großen Mengen nach Südafrika gelangen. Wichtiger aber ist, daß es der südafrikanischen Regierung gelang, Technologie und Produktionsmittel zur lokalen Fertigung von Waffen zu importieren.

Israel verfügt über die am weitesten entwikkelte und hinsichtlich des Volumens größte Rüstungsproduktion sämtlicher Entwicklungsländer Zu beachten ist jedoch, daß ein erheblicher Teil des Produktionswertes auf dem Import von Komponenten beruht. Unterstützt durch eine hohe Einwanderungsquote qualifizierter Arbeitskräfte aus Industrieländern und durch umfangreiche technische und finanzielle Hilfen vor allem aus den Vereinigten Staaten entwickelt und produziert Israel eine Vielzahl von Waffensystemen. Die wirtschaftliche Krise und die begrenzte Nachfrage der israelischen Streikräfte zwingen Israel zu massiven Exportanstrengungen, um bestehende Rüstungsproduktionskapazitäten auszulasten. Diese Bemühungen haben ihre Grenzen, da Israels wichtigster Technologielieferant, die Vereinigten Staaten, den Endverbleib der mit amerikanischen Lizenzen gebauten Waffen kontrollieren können.

Arabische Länder planen seit einigen Jahren den Aufbau einer gemeinsamen Rüstungsindustrie mit Ägypten. Die Erdölländer Saudi-Arabien, Kuwait und Quatar finanzieren das Projekt und den Erwerb der erforderlichen Lizenzen und des Know-how in Westeuropa und den USA. Im Iran ließ die Schah-Regierung eine industrielle Infrastruktur installieren, um die modernen importierten Waffen zu warten und zu reparieren. Hieran sind fast alle großen Rüstungsfirmen aus den USA und Westeuropa — mit Ausnahme Frankreichs — beteiligt. Ziel der iranischen Bemühungen war der Aufbau einer mit den Rüstungsproduktionskapazitäten industrialisierter Länder vergleichbaren Rüstungsindustrie. Dieses Vorhaben wurde durch den Mangel an einheimischem qualifizierten Personal langfristig in Frage gestellt. Die jüngste politische Entwicklung in diesem Lande muß auch als Reaktion auf derartige Schwierigkeiten und Widersprüche gewertet werden.

Von den sechzehn waffenproduzierenden asiatischen Entwicklungsländern hat Indien das umfangreichste und anspruchvollste Produktionsprogramm und versucht, nicht nur in der Produktion von Waffen, sondern ebenso im Bereich von Forschung und Entwicklung Eigenständigkeit zu erreichen. Ressourcenengpässe (Forschungskapazitäten und Devisen) haben dem indischen Programm bisher jedoch enge Grenzen gesetzt. Während im Bereich der Kleinwaffenproduktion der Import ausländischer Zulieferungen auf ein Minimum reduziert werden konnte, bedarf die Produktion von modernen Waffen, Kampf-flugzeugen, schwerem Heeresgerät und Kriegsschiffen der Zulieferung von Komponenten und/oder Lizenzen aus industrialisierten Ländern. Von Interesse bei der indischen Rüstungsproduktion ist die Tatsache, daß als einziges nichtsozialistisches Land bisher nur Indien Lizenzen zur Fertigung von Waffen aus der UdSSR erhalten hat, nämlich zur Produktion von MiG-21-Kampfflugzeugen und Lenkwaffen. Andere asiatische Länder, die bereits verschiedene Rüstungsgüter fertigen und ihre Kapazitäten weiter ausbauen, sind Taiwan, Südkorea, Pakistan und in bisher geringem Umfang die Philippinen und Indonesien. Diese Länder sind alle von Technologieimporten aus westlichen Industrienationen abhängig. Singapurs Werftindustrie produziert mit bundesrepublikanischer und britischer Unterstützung Schnellboote für den Export. Nordkoreas Werftindustrie verfügt ebenfalls über Erfahrungen im Schnellbootbau und errichtet derzeit mit sowjetischer Hilfe Kapazitäten zur Fertigung von MiG-Kampfflugzeugen.

Diese Beschreibung der Rüstungsproduktionsprogramme in Entwicklungsländern verdeutlicht, daß der derzeitige Rüstungsexportboom der Industrieländer seine Entsprechung in der Proliferation von Industrieanlagen zur Herstellung von Waffen hat.

Anspruch und Wirklichkeit der Rüstungsproduktion in Entwicklungsländern Das unmittelbare politische Hauptziel der lokalen Fertigung von Rüstung sowie des Aus-baus von Wartungs-und Reparaturkapazitäten für komplexes militärisches Gerät sind Sicherung und Erweiterung des politischen Handlungsspielraumes für den Einsatz des Militärs bei außenpolitischen Auseinandersetzungen und zur Kontrolle innergesellschaftlicher Konflikte. Derartige Erwartungen werden seitens der Regierungen in der Dritten Welt regelmäßig bei der Planung neuer Rüstungsproduktionsprojekte geäußert. Entwicklung und Produktion moderner Waffensysteme werden darüber hinaus häufig als geeignetes Mittel angesehen, sowohl gegenüber dem Ausland als auch gegenüber der eigenen Bevölkerung eine glaubhafte Demonstration des eigenen Unabhängigkeitswillens zu geben. Der Schah im Iran antwortete auf kritische Fragen von Journalisten hinsichtlich der Aufrüstung mit Hinweisen auf die künftige'Rolle des Iran als mächtiges Industrie-land.

Neben den unmittelbaren politischen Interessen werden aber zugleich weitere Zielvorstellungen mit der lokalen Fertigung von Rüstung verknüpft. Durch die Produktion von Waffen im eigenen Land sollen finanzielle Belastungen der Zahlungsbilanz eingeschränkt werden. Außerdem soll die Rüstungsfertigung zur Qualifizierung von Fachkräften beitragen und den Zugang zu modernsten industriellen Fertigungsmethoden erleichtern. Generell erhoffen viele Regierungen durch „spin off" -Effekte sowohl die Ausweitung der Industrialisierung als auch die Hebung des Industrialisierungsniveaus, denn die Produktion moderner Waffensysteme setzt eine diversifizierte Industriestruktur voraus. Da sich die Rüstungsbranche besonderer staatlicher Protektion erfreut, bieten sich auch für das lokale Kapital neue und erweiterte Anlage-und Verwertungsmöglichkeiten iin einem Bereich, in dem die Konkurrenz des ausländischen Kapitals relativ leicht eingeschränkt werden kann da der Bereich „nationale Sicherheit" nationale Verfügung legitimiert.

Zur Durchführung von Rüstungsproduktionsprogrammen verfolgen Dritte-Welt-Länder unterschiedliche Strategien:

Einerseits wird in Ländern wie Indien, Südafrika und anderen der Versuch unternommen, Waffensysteme eigenständig zu produzieren und zu entwickeln. Andererseits wird in Ländern wie Brasilien, Israel, Taiwan, Südkorea, der Türkei und anderen das Produktionsprogramm gezielt auf Lizenzen und Know-how aus Industrieländern aufgebaut, allerdings mit dem Ziel, im Endstadium ebenfalls Eigenständigkeit zu erreichen. Da aber — wie die Erfahrungen zeigen — auch bei der „eigenständigen" Entwicklung und Produktion umfangreiche Kooperation mit ausländischen Unternehmen erforderlich ist, unterscheiden sich Versuche des Aufbaus einer eigenständigen Rüstungsproduktion von der systematischen Einordnung in die Produktionsstrategien metropolitaner Produzenten jedoch sehr viel weniger, als es die jeweilige politisch-strategische Begründung zu suggerieren scheint.

In den sich rasch ausbreitenden „Freien Produktionszonen" in der Dritten Welt spielt die Produktion von Rüstung kaum eine Rolle. Zumindest liegen keine Informationen darüber vor. Sucht man nach Erklärungen, weshalb die den Weltmarkt beherrschenden Rüstungskonzerne zumindest bislang nicht sichtbar Rüstungsproduktion in diese Industrieparks verlagert haben, so bietet sich die durch die Realität in zahlreichen Ländern abgesicherte Überlegung an, daß Hersteller von Rüstungswaren aus den öffentlichen Haushalten der jeweiligen Nationalstaaten in vielfältiger Weise direkt und indirekt subventioniert werden und demgegenüber die mannigfaltigen Standortvorteile der „Freien Produktionszonen" mit ihren niedrigen Lohnkosten weniger zu Buche schlagen.

Eine Vielzahl von Methoden wurde entwik-kelt, durch die Waffentechnologie und insbesondere Produktionstechnologie von einem Land ins andere transferiert werden. Während der wertmäßig größte Teil des Transfers von Rüstung in Entwicklungsländer nach wie vor der Export kompletter Waffensysteme ist, gewinnen die verschiedenen Formen des Transfers von Produktionstechnologie immer größere Bedeutung:

— Export von Subsystemen und Komponenten, die im Empfängerland montiert werden. Bei der Montage von importierten Teilen werden erste Produktionserfahrungen gesammelt. Eine Vielzahl derartiger Projekte existiert bereits in Entwicklungsländern, an denen zahlreiche Firmen aus den USA und Westeuropa beteiligt sind. Diese Methode wurde besonders von deutschen Werften (U-und Schnell-20 boote) angewandt, um restriktive Gesetzesregelungen zu umgehen und außerdem in traditionelle Märkte der Rüstungsproduzenten aus anderen westlichen Ländern einzudringen. Teils finden diese Montagen in Firmen statt, an denen die Lieferanten kapitalmäßig beteiligt sind. — Lieferung schlüsselfertiger Produktionsanlagen: Firmen aus der Bundesrepublik Deutschland übernahmen bei dieser Transfer-form — vor allem im Bereich der Munitionsherstellung und Fertigung leichter Infanterie-waffen (Gewehre, Maschinengewehre) — eine Vorreiterrolle. So wird beispielsweise das NATO-Gewehr G 3 der Firma Heckler & Koch, Oberndorf, in mindestens sieben Entwicklungsländern (teils in von H & K gelieferten Fabriken) produziert; es ist aus diesen Produktionsstätten auch in andere Länder exportiert worden — Lizenzvergabe: Sofern die Rüstungsindustrie bzw. rüstungsrelevante Industriezweige (Maschinenbau, Schiffbau, Elektronik etc.) bereits ein gewisses technologisches Niveau in einem Land erreicht haben, ist der Erwerb von Produktionslizenzen häufig der nächste Schritt zum Aufbau eigenständiger Produktionsstätten. In der Regel werden lediglich Teile von Waffensystemen lokal produziert, während besonders komplexere Komponenten vom Lizenzgeber importiert werden. Wie in der industriellen Fertigung im zivilen Bereich findet auch im Rüstungsbereich eine internationale Arbeitsteilung statt, in der Produzenten aus Entwicklungsländern zunehmend als Lieferanten von Komponenten und Ersatzteilen beteiligt sind. — Export von technischem Wissen: Nicht nur die Entsendung von Konstruktionsteams spielt für den Export von technischem Wissen eine Rolle. Inzwischen wird der Export von Rüstung auch durch sogenannten Blaupausen-export gefördert. Als Beispiel sei auf ein Geschäft der Firma Rheinstahl mit Argentinien verwiesen; in diesem Falle werden Konstruktionszeichnungen für einen Kampfpanzer und einen Schützenpanzer sowie entsprechende Prototypen zum Nachbau geliefert — Entwicklung und Produktion im Auftrag: Finanzstarke Entwicklungsländer haben bereits wiederholt die Entwicklung und Fertigung von Waffensystemen in westlichen Industrieländern finanziert, die vorgeblich ihren speziellen Bedürfnissen angepaßt sind. — Aneignung von rüstungstechnischem Know-how durch Diebstahl oder Beute als Folge von Kampfhandlungen: Mit zunehmender Komplexität der Waffensysteme dürfte diese Art des Transfers schwieriger werden, da die Demontage eines Waffensystems nicht ohne weiteres Kenntnisse über Herstellungstechniken erbringt.

Die Kombination spezifischer Faktoren, die die Rüstungsproduktion im Gegensatz zur Produktion von „zivilen" Gütern kennzeichnen, bewirken, daß Länder wie Argentinien, Ägypten, Indien und andere „Nachzügler" auf große Schwierigkeiten stießen. Es handelt sich im wesentlichen um folgende Faktoren: — ständig steigende Forschungsund Entwicklungsaufwendungen der führenden Militärmächte führen zur Entwicklung immer komplexerer Waffensysteme; — sich ständig beschleunigende Produktinnovation führt zur Schaffung von technischer Obsoleszenz (Veralterung); — wachsende Anforderungen an eine speziell für den Einsatz moderner Waffensysteme ausgerichtete Infrastruktur erfordern zusätzlich indirekte Aufwendungen; — die überdurchschnittliche Preissteigerung bei Waffensystemen führt zur Reduzierung der Produktionsserien; — technologische Zeitmonopole und steigende Komplexität der Waffensysteme schließt die Möglichkeit des Nachbaus (reversed technology) weitgehend aus und gestattet damit den Herstellern aus der Metropole eine wirksame Kontrolle über die Produktionstechnologie.

Auf der Grundlage einer begrenzten industriellen Basis und mit relativ gering entwik-kelten Forschungs-und Entwicklungskapazitäten mußte der Anspruch scheitern, technologisch konkurrenzfähige Eigenentwicklungen durchzuführen und zu produzieren, da vor allem finanzielle Ressourcen und Marktgrößen fehlen. Der Export von Rüstung als Möglichkeit der Markterweiterung und Stückkostensenkung ist daher eine logische Fortschreibung der Strategien nationaler Eigenversorgung mit Waffensystemen.

V. Auswirkungen des Rüstungstransfers

Rüstungsproduktion in peripheren 11 11 11 11 Tabelle 4: Kampfflugzeuge, Düsentrainer, Triebwerke t)

wagen Ländern Mann-

usw. und Flugkörper, Kriegsschiffe große mittlere Kriegs-zu 500 t) Kleinkampf-Flugzeuge Hubschrauber ä. NO +c Qm Raketen schiffe (bis schiffe u. (unter 100 Kleinwaffen, Munition, leichte Gewehre Elektronik Avionik U-Boote Panzer und ge- Europa 1. Griechenland 2. Jugoslawien 3. Portugal 4. Spanien 5. Türkei Lateinamerika 1. Argentinien 2. Brasilien 3. Chile 4. Dominic. Republik 5. Kﱼࣹ씔ڎކ

Die destabilisierende Wirkung der Waffenimporte Der Zusamnienhang zwischen Rüstungstransfers und Ausbrüchen von Kriegen ist seit jeher ein zentrales Thema in der Literatur. In der Zwischenkriegsperiode wurde die Lieferung von Waffen und die damit verbundene Aufrüstung als eine der Hauptursachen für Kriege angesehen Diese damals weitgehend akzeptierte These wird in der heutigen Diskussion nicht ohne weiteres übernommen und von den Protagonisten des Rüstungstransfers ausdrücklich bestritten. Zwei sich ausschließende Thesen zu den Auswirkungen des Rüstungstransfers auf Konflikte in den Empfängerländern lauten zusammengefaßt: Erstens, in Spannungsgebieten oder bei bewaffneten Konflikten hätten ausgewogene Waffenlieferungen an die Kontrahenten abschreckende und somit stabilisierende Wirkungen und könnten den Ausbruch oder die Fortführung eines Krieges verhindern. Zweitens — im Gegensatz zur ersten These —, wenn von einem Land große Mengen Waffen importiert und viele Ressourcen für militärische Zwecke aufgewendet werden, neige die Regierung zu militärischen Konfliktlösungen. Das Risiko erhöhter Spannung, Instabilität und Verschärfung von Konflikten seien Folge von Waffenlieferungen.

Die Vorstellung der stabilisierenden Wirkung der Rüstungstransfers spiegelt die offizielle Politik der US-Regierung wider die von der Überzeugung getragen ist, daß die Vereinigten Staaten weltweit für die Regulierung von Konflikten Verantwortung tragen. Trotz der 1969 verkündeten sogenannten Nixon-Doktrin, die diese selbst übernommene Verantwortung zu reduzieren trachtete, findet sich die Stabilisierungsfunktion in der Begründung zur Lieferung von Waffen dennoch wieder. Kissinger führte dies 1975 erneut aus: „In einer Welt der sich ausbreitenden Nukle-arkapazität bedeuten viele schwelende regionale Konflikte ein großes Risiko globaler Konfrontation. Wir haben keine Wahl als die Eindämmung dieser Dispute und die Beseitigung der Wurzel ihrer Ursachen . . . Regionale Stabilität ist zunehmend abhängig von der Aufrechterhaltung stabilen Machtgleichgewichts durch sorgfältig bedachte Transfers von Verteidigungsgerät.

Es muß bezweifelt werden, daß die Ursachen der Konflikte in der Dritten Welt durch Rüstungslieferungen beseitigt werden; auch kann wohl kaum — angesichts der Exporte sämtlichen konventionellen Geräts gerade durch die Vereinigten Staaten — von „sorgfältig bedachter" Exportpolitik die Rede sein. Die jüngste Entwicklung im Iran zeigt, daß auch die Stützung autoritärer Regime mit Waffen aller Art keine Garantie für deren Fortbestand ist. Gerade im Falle des Irans war die hypertrophe Rüstung häufig mit dem Argument der Stabilisierung legitimiert worden. Das Auswärtige Amt beurteilte im Jahre 1974 die Folgen der deutschen Militärhilfe für den Iran so: „Durch diesen deutschen Beitrag wird die administrative ebenso wie die technische Infrastruktur des Irans gefördert, womit gesellschaftliche Konflikte abbaubar werden und letztlich zur Hebung der Lebensqualität in diesem Teil der Welt beitragen."

Plausibler — und durch die ständigen Kriege in der Dritten Welt immer wieder bestätigt — ist die Vorstellung, daß durch die Lieferung von Waffen oder die Auslagerung von Anlagen zur Herstellung von Waffen das Konfliktpotential in der Dritten Welt erhöht wird. Regionale Rüstungswettläufe werden durch zusätzliche Waffenlieferungen angeheizt, und aufgrund der wirtschaftlichen, politischen und sozialen Situation in der unterentwickelten Welt wird der Ausbruch innergesellschaftlicher und zwischenstaatlicher bewaffneter Konflikte wahrscheinlicher.

Reduzierung der Importkapazität durch Rüstungsimporte

Eine der Determinanten für wirtschaftliches Wachstum in der Dritten Welt ist die Import-kapazität. Die Ausstattung mit internationaler Liquidität, eine Voraussetzung für die Erweiterung des Produktionspotentials, wird in vielen Entwicklungsländern durch den Transfer von militärisch bedingten Technologien erheblich eingeschränkt. Die für Importe zur Verfügung stehenden Ressourcen sind in den meisten Entwicklungsländern knapp. Der Transfer von Waffen, der statistisch erfaßt wird, macht zwar „nur" knapp 2 °/o des weltweiten Warenhandels aus, doch haben Rüstungsimporte gerade für viele Länder mit begrenzter Importkapazität überdurchschnittliche Bedeutung. Bei den Entwicklungsländern mit den höchsten Rüstungsimporten betrug dieser in der Regel über 10% des Gesamt-Imports In Südkorea, Syrien und der Türkei entfiel teilweise über ein Fünftel der gesamten Einfuhr auf Waffen und anderes militärisches Gerät. Ein besonders extremer Fall sind die ägyptischen Rüstungsimporte im Jahr 1970: Sie erreichten fast die Hälfte der gesamten Einfuhr. Beträchtliche Teile der Importkapazität wurden mithin von Rüstungstransfers absorbiert und standen für andere Vorhaben nicht zur Verfügung. Die ausgewiesenen Daten zeigen jedoch das gesamte Ausmaß der Beeinträchtigungen der Importkapazität vermutlich nicht adäquat an, da Rüstungstransfers häufig unvollständig erfaßt werden.

Der Import von Rüstungsproduktionstechnologie trägt nicht zur Erweiterung der Produktionsbasis bei, denn die daraus folgende Produktion ist nicht reproduktiv, d. h., es werden [weder Produktionsmittel gefertigt noch trägt die Produktion zu einer verbesserten Versorgung mit Konsumgütern bei. Vielmehr konkurrieren alle Arten von Rüstungsimport mit Entwicklungsvorhaben und industriellen Investitionen um knappe staatliche Mittel und Devisen. Das Ausmaß der rüstungsbedingten Belastungen für die Volkswirtschaft in Ländern der Dritten Welt wird durch einen Vergleich der Importe an Produktionstechnologie und Rüstungswaren verdeutlicht. Ein solcher Vergleich kann allerdings nur die Größenordnung vermitteln, da keine gesicherte Aussage darüber möglich ist, wieviel Rüstungswaren in der hier als Indikator für Produktionstechnologie verwendeten Kategorie 7 der Internationalen Handelsklassifikation enthalten sind.

Je nachdem, welche Zahlenangaben man für das Gesamtvolumen der Rüstungstransfers in die Dritte Welt zugrunde legt, erreicht die Quote Rüstungsimporte zu Einfuhr von Produktionstechnologie einen Wert zwischen 12 und 20% für das Jahr 1976 Naturgemäß weichen die entsprechenden Quoten für einzelne Länder stark voneinander ab. Insgesamt ist eine steigende Tendenz festzustellen. Eine Überprüfung anhand der Daten für die Jahre 1965, 1970 und 1975 ergab, daß die Quote in den dreizehn Entwicklungsländern mit den absolut höchsten Rüstungsimporten ip mindestens einem der Stichjahre über einem Fünftel lag In fünf Ländern — Ägypten, Israel, Libyen, Syrien, Türkei — erreichte die Quote sogar über 50 %. In Südkorea und dem ehemaligen Südvietnam waren die Rüstungsimporte höher als die Einfuhr von Produktionstechnologie.

Da rüstungsbedingte Importe nicht zur Erweiterung der Reproduktion beitragen und auch nicht Devisen erwirtschaften helfen, müssen andere Sektoren der Volkswirtschaft export-fähige Produkte zur Finanzierung des militärischen Bedarfs bereitstellen. Die bestehende Verschuldungssituation der meisten Entwicklungsländer, mit Ausnahme einiger erdölexportierender Länder, verweist aber darauf, daß dies bisher nicht in hinreichendem Maße möglich ist. Daher ist davon auszugehen, daß Rüstungsimporte die Verschuldungssituation überdurchschnittlich verschärfen, da sie sich nicht amortisieren können. Allerdings ist die rüstungsbedingte Verursachung von Verschuldung in den aggregierten Zahlen nicht mehr erkennbar.

Technologische „Bugwelle" der modernen Rüstung

Der Transfer und auch die Produktion von modernen Rüstungswaren determinieren direkt und indirekt das Industrialisierungsmuster und vor allem dessen technologisches Niveau. Moderne Kampfflugzeuge, Kampfpanzer, elektronische Kommunikationsund Uberwachungssysteme, Kriegsschiffe usw. repräsentieren komplexe Technologien, deren Nutzung und Wartung teure Einrichtungen voraussetzen. Es entspricht einfachstem militärischem Kalkül, daß der militärische Gebrauchswert nur dann gegeben ist, wenn zumindest Wartung und Betrieb im Bereich na-tionaler Autonomie liegen. Die Einführung eines modernen Waffensystems löst eine Kette zusätzlicher Importe aus.

Für die Dislozierung einer Panzerdivision werden für einen Kampftag zwischen 1 000 und 2 000 t verschiedener Nachschubgüter (Treibstoff, Munition, Lebensmittel usw.) benötigt. Zum Transport dieser Nachschubgüter ist deshalb ein Lastkraftwagenpark von 200 bis 400 Fahrzeugen und ein entsprechendes Straßennetz erforderlich Die logische Konsequenz des Importes von Kampfflugzeugen ist nicht nur die Erweiterung vorhandener und die Anlage neuer Flugplätze, sondern außerdem die Installation moderner Radar-und Flugabwehrsysteme. An den Beschaffungswünschen des Irans Mitte der siebziger Jahre wird der durch Lieferung von Kampf-flugzeugen ausgelöste Auftragsschub im Flugabwehr-und Radarbereich sichtbar. In ähnlicher Weise erfordert der Import moderner Kriegsschiffe umfangreiche und kostspielige Hafenanlagen und Reparatureinrichtungen. Modernes Gerät, das mit immer mehr elektronischen Instrumenten ausgerüstet wird, bedarf, um überhaupt vom Boden abzuheben, zu rollen, zu schwimmen oder zu schießen, einer elektronischen „Umwelt”, die in der Dritten Welt ins technologische Niemandsland transplantiert werden muß.

Beispiele zur Bestätigung des beschriebenen Grundmusters lassen sich für viele Länder nachzeichnen. Zahlreiche Länder wurden mit einem an der Militärstrategie ausgerichteten Netz von Straßen überzogen; der Aufwand hierfür überstieg bei weitem das für die Entwicklung im zivilen Bereich erforderliche Maß. Dies gilt vor allem für den Verlauf des Straßennetzes, aber auch für dessen Qualität (Breite der Straßen und Tragfähigkeit von Brücken), die an militärischen Erfordernissen (Gewicht von Panzern, Geschwindigkeit von Lastwagen, Landemöglichkeit für Leichtflugzeuge) ausgerichtet sind. Dies läßt sich für die Aktivitäten des indischen Militärs in Sikkim und Bhutan, nahe der chinesichen Grenze, für Thailand, in lateinamerikanischen Ländern (Argentinien und Brasilien) oder in den früheren portugiesischen Kolonien in Afrika feststellen. Ähnliches gilt für die Türkei.

Die Rüstungsindustrie hat starke „backward linkages" zur Voraussetzung, um die nötigen Inputs für die Produktion von modernen Rüstungswaren bereitzustellen. Ein hoher Beitrag für den allgemeinen Industrialisierungsprozeß wird daher vom Aufbau der Rüstungsindustrie erwartet. Da die Rüstungsindustrie nicht als industrielle Enklave aufgebaut werden kann, hat die Produktion moderner Waffensysteme eine diversifizierte Industriestruktur zur Voraussetzung. Diese Industriestruktur wird jedoch durch die Art der Produktionstechnologie weitgehend bestimmt. Das heißt konkret, die an den Standards der Industrieländer orientierte, kapitalintensiv durchgeführte Rüstungsproduktion wirkt auf die Verwendung von Produktionstechnologien in anderen industriellen Bereichen zurück. Das kapitalintensive Produktionsmuster der Rüstungsindustrie überträgt sich auf die Vorleistungsproduktion. Kapitalintensiv arbeitende, suboptimale industrielle Agglomerationen entstehen. Es entwickelt sich aus den technischen Bedingungen der Produktion komplexer Rüstungswaren eine einseitige, deformierte Industriestruktur, deren eigengesetzliche Fortschreibung zu einem spezialisierten, kapitalintensiven Industrialisierungsmuster führt. An die Industrie werden aufgrund der Nachfrage aus dem militärischen Sektor Anforderungen gestellt, die, gemessen an den allgemeinen Bedürfnissen der Gesellschaft, weit überhöht sind. Industrialisierung solcher Art erweist sich als ungeeignet, die Grundbedürfnisse der Mehrheit der Bevölkerung zu befriedigen. Dafür müßte sie zunächst auf weniger komplexe Verfahren umgestellt werden. Eigenständige Kampfflugzeug-und Raketen-produktion beispielsweise erfordert, abgesehen von den eigentlichen Luftrüstungsbetrieben, die Existenz einer leistungsfähigen Feinmechanik, Leichtmetall-und Elektronikindustrie sowie hochspezialisierte Entwicklungsund Produktionserfahrungen in der Metallurgie. Schiffbau und Panzerproduktion basieren u. a. auf qualitativ anspruchsvollen Vorleistungen der Stahlindustrie und großer Erfahrung in der Produktion und Bearbeitung von großen Gießereistücken. Die Panzerproduktion erfordert wegen der Ausmaße der Wannen große Gießereikapazitäten und trotz niedriger Produktionslose hohe Investitionen für spezialisiertes Gerät zur Bearbeitung und Prüfung. Eine weitere wichtige Voraussetzung muß gegeben sein: eine entwickelte Maschinenbauindustrie, einschließlich Werkzeugmaschinenbau, die den hohen Qualitätsanforderungen des Rüstungssektors entsprechen kann. Derartige Normen sind jedoch in Entwicklungsländern mit großen Schwierigkeiten verbunden und führen zu starkem Ansteigen der Produktionskosten. Eine zivile Nutzung derartiger Kapazitäten ist nicht konkurrenzfä-hig, weder auf dem Binnenmarkt noch auf den Exportmärkten. Denn bislang sind die Standortvorteile der verarbeitenden Industrie in der Dritten Welt auf Massenproduktion und auf arbeitsintensive, hochgradig zerlegbare Arbeitsprozesse beschränkt. Eine wirtschaftliche Nutzung der Zulieferbetriebe für eine technologisch entwickelte Rüstungsindustrie in der Dritten Welt ist somit mit großen Schwierigkeiten verbunden, da das Leistungsvermögen und damit auch die Kosten nicht den Anforderungen entsprechen.

Absorption von qualifiziertem Personal Sowohl die Produktion von Waffen als auch deren Einsatz, Reparatur und Wartung erfordern die Tätigkeit von qualifiziertem Personal. Durch die militärische Nachfrage nach Fachpersonal — direkt für die Streitkräfte oder indirekt für Waffenproduktion und Bedienung — werden Engpaßprobleme in unterentwickelten Ländern verstärkt oder erfordern den Einsatz ausländischer Spezialisten. Die Tätigkeit von ausländischem Personal belastet jedoch die Devisenreserven. Der These, daß die Beschäftigung im Militärsektor unproduktiv ist und eine Vergeudung von Arbeitskraft bedeutet, wird entgegengehalten, daß bei der militärischen Tätigkeit, besonders durch die Ausbildung während des Militärdienstes, Fähigkeiten erlernt werden, die auch zivil nutzbar sind. Ob die erworbenen Kenntnisse übertragen werden können — sieht man zunächst einmal von den Kosten dieser Ausbildung und alternativen Ausbildungsmöglichkeiten ab —, hängt nicht zuletzt von der Art der erlernten Fähigkeiten ab. Grundlegende Kenntnisse über den Bau von Straßen, die Reparatur von Lastkraftwagen oder auch über landwirtschaftliche Anbaumethoden, die teilweise während der Militärzeit erworben werden, lassen sich bei gezielter Verwendung auch ohne Umschulung nach dem militärischen Dienst nutzbar anwenden.

Anders sieht es jedoch mit dem Wert der für das Militär wesentlichen Spezialkenntnisse aus, wie beispielsweise Wartung von Kampf-flugzeugen, die Entwicklung von Raketenantriebsaggregaten oder die Bedienung von Maschinengewehren und Haubitzen. Häufig erfordern derartige Tätigkeiten einen hohen Ausbildungsstand als Voraussetzung und sind so spezialisiert, daß die erworbenen Fähigkeiten außerhalb des Militärsektors überhaupt nicht angewendet werden können. Die Wartung und Reparatur erforderte Anfang der siebziger Jahre für 100 Einheiten Panzer rund 150 Mechaniker und für hundert gepanzerte Fahrzeuge, Späh-und Schützenpanzer rund 50 Mechaniker in Industrieländern Legt man zugrunde, daß wegen gestiegener Komplexität der derzeit transferierten Panzer (wesentlich mehr Elektronik), angesichts härterer klimatischer Bedingungen sowie aufgrund einer insgesamt niedrigeren technischen Ausstattung (Werkstätten, Maschinen etc.) in Entwicklungsländern die Anzahl der benötigten Mechaniker um mindestens 50 0/0 höher liegt, so zeigt sich, daß in einer Reihe Länder ein Stab von vielen Tausend Mechanikern lediglich für die Panzerwartung und Reparatur benötigt wird. Wendet man diese Schätzwerte auf die Zahl der in Entwicklungsländern eingesetzten Panzer und gepanzerten Fahrzeuge an, so ergibt sich beispielsweise für Ägypten ein Bedarf an qualifizierten Mechanikern nur für Wartung und Reparatur von 6 000 und für Indien von 5 000; selbst für kleinere Länder wie Jordanien (über 1 800), Peru (knapp 1 000), Uganda (fast 300) und Thailand (fast 600) sind beträchtliche Facharbeiterstäbe erforderlich. Ähnliche Größenordnungen gelten für die Wartung von Kampfflugzeugen.

In den meisten der erwähnten Länder ist der Bestand an qualifiziertem Personal äußerst klein: Die Produktion von Waffen und die aus dem Import von Rüstung resultierenden Arbeiten erfordern Fachkräfte wie Werkzeugmacher, Feinmechaniker, Techniker, Elektromonteure etc. Gerade in diesen Berufen konkurriert der militärische Sektor direkt mit der im Aufbau befindlichen Industrie, entzieht ihr das dringend benötigte Fachpersonal und bewirkt eine starke Verteuerung der Lohnkosten, die vor allem durth die Anwerbung ausländischer Fachkräfte ausgelöst wird.

Sicherung von Arbeitsplätzen in Industrie-ländern durch Rüstungsexporte in die Dritte Welt?

Nicht nur in Entwicklungsländern sind wirtschaftliche Auswirkungen des Rüstungstransfers festzustellen. In den Hauptexportländern der westlichen Welt werden von Befürwortern der Rüstungsexporte ständig positive Zahlungsbilanz-und Beschäftigungseffekte zur Legitimation erhöhter Rüstungsexporte hervorgehoben. Angesichts der seit einigen Jahren relativ konstant hohen Arbeitslosen-zahlen verfehlt insbesondere das Arbeitsplatz-argument seine politische Wirkung nicht.

Die häufig gewählte Relation zwischen Gesamtexport und Rüstungsexport ist im Hinblick auf Rüstungsabhängigkeit der Industrie nicht aussagekräftig, da die Exportstruktur der einzelnen Länder sehr unterschiedlich ist. Die Abhängigkeit der Industriestruktur vom Rüstungsexport wird durch einen Vergleich des gesamten Technologie und des Rüstungsexportes deutlich. Legt man die — wie oben ausgeführt — relativ konservativ berechneten Zahlen der amerikanischen Abrüstungsbehörde zugrunde, so ergibt sich für die USA ein Anteil des Rüstungsexportes am Technologieexport von über 10%, für Frankreich und Großbritannien um jeweils 4 % und für die Bundesrepublik Deutschland von ca. 1, 5%. Auf der Basis der in Tabelle 1 genannten höheren Werte müssen diese Prozentsätze mindestens verdoppelt werden. Der Rüstungsexport der Sowjetunion beträgt mengenmäßig rund 60% des Volumens des Technologieexports. In dieser Zahl drückt sich einmal die innerhalb der Länder des RGW vereinbarte Arbeitsteilung aus, die eine Konzentration der Rüstungsproduktion auf die Sowjetunion vorsieht. Zum anderen zeigt sich hierin aber auch der begrenzte Export von Produktionstechnologien in Entwicklungsländer

Für die Aufrechterhaltung von Rüstungsproduktionskapazitäten wird immer wieder mit dem Argument durch Rüstung induzierter Wachstumsimpulse plädiert Die Behauptung, es bestünde ein positiver Zusammenhang zwischen Rüstungsforschung und Wirtschaftswachstum, gehört zum oft wiederholten Public-Relations-Repertoire der Rüstungsindustrie, hält jedoch empirischer Prüfung nicht stand Gegen die Möglichkeiten reibungsloser Übertragung von Know-how aus dem Rüstungssektor in „zivile" Produktionsbereiche spricht die Schwierigkeit vieler Rüstungsbetriebe, nicht ausgelastete Kapazitäten durch Erschließung ziviler Märkte zu füllen. Ein Plausibilitätsargument spricht ebenso gegen die behaupteten „spin-off" -Effekte: Bei Forschung und Entwicklung im Rüstungsbereich und einer anschließenden Übertragung auf zivile Sektoren handelt es sich im Vergleich zur direkten, unmittelbar auf zivile Zwecke gerichteten Forschung und Entwicklung um einen Umweg, der, volkswirtschaftlich betrachtet, aufwendiger ist. Ein bezeichnendes Beispiel für fehlgeschlagene Übertragung vom militärischen auf den zivilen Bereich ist das britisch-französische Überschallflugzeug Concorde. Statt die von maximalistischen Anforderungen des militärischen Sektors geprägte Struktur der Luftfahrtindustrie in ihrer technologischen Zielprojektion zu „entmilitarisieren" und auf wirtschaftliche Technologien umzustellen, hat man mit der Concorde ein ziviles Produkt entwickelt daß hinsichtlich Geschwindigkeit, Reichweite usw. typisch militärischen Forderungen entspricht, letztlich aber nur durch große Subventionen von der Konzipierungsphase bis zum Einsatz realisiert werden konnte.

Gerade in stark vom Export abhängigen Ländern werden überdurchschnittlich qualifizierte Belegschaften in der gewerblichen Wirtschaft benötigt, um die Wettbewerbsfähigkeit auf den internationalen Märkten und damit Arbeitsplätze zu erhalten. Die Bindung von ingenieurwissenschaftlichem Personal und qualifizierten Facharbeitern in der Rüstungsindustrie vermindert auf längere Sicht die volkswirtschaftliche Konkurrenzfähigkeit und damit das Wachstum. Ein Vergleich der Wachstumsraten nach dem Zweiten Weltkrieg zwischen Großbritannien und Frankreich einerseits und Japan und der Bundesrepublik Deutschland andererseits ergibt zumindest eine statistische Bestätigung dieses Zusammenhanges. Die Bundesrepublik Deutschland und Japan haben die Rüstungsproduktion erst mit einiger Verzögerung wieder aufgenommen und konnten ihr industrielles Potential ausschließlich auf die Entwicklung des zivilen Exportes konzentrieren.

Auf das zeitweilige Fehlen einer Rüstungsindustrie als eine erklärende Variable für schnellere außenhandelsbedingte wirtschaftli-ehe Entwicklung in Japan und der Bundesrepublik Deutschland wurde bereits vor einigen Jahren hingewiesen In den USA, Frankreich und Großbritannien wurde ein technologisch anspruchsvoller Bereich der Industrie für die Herstellung und Wartung von militärischem Gerät bereitgestellt, während in Japan und in der Bundesrepublik Deutschland überdurchschnittliche Exportsteigerungen und höhere Wachstumsraten des Bruttosozialproduktes durch eine Konzentration der industriellen Fertigung auf die Investitionsgüterindustrie und den Fahrzeugbeu erzielt wurden. Für die USA stellt S. Melman fest, daß seit dem Zweiten Weltkrieg permanent erhebliche finanzielle Mittel dem Kapitalstock und qualifiziertes technisches Personal wegen militärischer Verwendung der zivilen Industrie vor-enthalten wurden. Diese Situation, die Melman als „permanente Kriegswirtschaft" bezeichnet, wirkte sich nachteilig auf die Produktivität der Industrie in den USA aus. Besonders am Beispiel der amerikanischen Werften zeigt Melman, daß die Konzentration auf den Kriegsschiffbau diesen Industriezweig für den Handelsschiffbau auf dem Weltmarkt weitgehend angebotsunfähig machte.

Gegen die Aufrechterhaltung von rüstungsindustriellen Kapazitäten und gegen die Ausweitung von Rüstungsexporten sprechen mithin auch volkswirtschaftliche Überlegungen, die nicht nur die unmittelbaren und kurzfristigen Beschäftigungseffekte in einzelnen Betrieben im Auge haben. Gerade die Beispiele England und Frankreich zeigen, daß einmal aufgebaute Rüstungskapazitäten nur mit umfangreichen staatlichen Subventionen und Exportförderungsmaßnahmen ausgelastet werden können. Öffentliche Ausgaben in anderen Bereichen erbringen zudem in der Regel höhere Beschäftigungseffekte, da die Rüstungsindustrie kapitalintensiver arbeitet. Rüstungsexporte sind als arbeitsmarktpolitische Maßnahme denkbar ungeeignet.

VI. Die Alternativen: Eine neue internationale Militärordnung oder eine neue Weltwirtschaftsordnung

und Tabelle 5: Militärausgaben Einkommensbelastungen Indikatoren Bruttoinlandsprodukt (BIP)

(in Mio. US-Dollar)

Anteil der Militärausgaben am BIP in % Pro-Kopf-Einkommen (in US-Dollar)

Hunger-bzw. Armutsgrenze (geschätzt) (in US-Dollar) Verfügbares Einkommen (in US-Dollar)

Militärausgaben pro Kopf (in US-Dollar)

Belastung des verfügbaren Einkommens durch Militärausgaben in 0/0 D. C. 1978. Äthiopien (1975) 2 650 3, 2 90 75 15 2, 85 19 Nigeria (1977) 32 000 8, 3 490 200 290 36, 75 13 Chi늈ٱ

Der größte Teil der militärischen Aufwendungen wird nach wie vor in den Ländern der NATO und der Warschauer Vertragsorganisation ausgegeben (nach Angaben der US-Abrüstungsbehörde 75 °/o der globalen Militär-ausgaben, in den Entwicklungsländern dagegen nur 20, 7 °/o Die wirtschaftlichen Folgen sind in den Entwicklungsländern dennoch gravierender, da wesentlich größere Anteile der zur Verfügung stehenden Ressourcen für das Militär aufgewendet werden. Dieser Sachverhalt sei am Vergleich verschiedener Länder demonstriert. Die folgende Tabelle zeigt, daß die Anteile des Bruttoinlandsproduktes, die in den ausgewählten Entwicklungsländern für militärische Zwecke eingesetzt werden, zwar höher sind als in der Bundesrepublik Deutschland, daß dieser Indikator aber kaum eine dramatische Einschränkung der wirtschaftlichen Möglichkeiten anzeigt. Anders sieht das Bild jedoch aus, wenn man die Teile des Bruttosozialproduktes, die zur Sicherung des Existenzminimums erforderlich sind, abzieht. Immerhin wird in Äthiopien fast ein Fünftel des hypothetisch verfügbaren Einkommens für militärische Zwecke verwendet, in der Bundesrepublik Deutschland 4 °/o. Dabei ist zu beachten, daß das länderspezifische Minimum der Lebenshaltung im Verhältnis 1 : 26 schwankt.

Diese Zahlen verdeutlichen die enormen Belastungen der Dritten Welt durch Militäraufwendungen, sie relativieren aber gleichzeitig auch den Aufrüstungsprozeß, indem sie die wirtschaftliche Benachteiligung dieser Länder hervorheben und die Konzentration militärischer Macht in den Industrieländern betonen. NATO und WVO verfügen über die militärischen und logistischen Kapazitäten, die Staaten der Dritten Welt zu bedrohen und jederzeit ihre Hoheitsrechte zu verletzen. Dies ist zugleich Anlaß und Vorwand zur Forcie-rung des Aufrüstungsprozesses in den Entwicklungsländern, die ihre Verfügung über Rohstoffe gefährdet sehen.

Es ist das legitime Recht jedes Staates, sich gegen Aggressionen von außen zu schützen. Doch zeigt sich, daß dieses politische Ziel durch den Import von Waffen aus Industrie-ländern oder durch die Produktion von modernem Gerät in Entwicklungsländern kaum erreicht werden kann. Die Erwartung verminderter Abhängigkeit von Entscheidungen in den Zentren kann durch Fortschreibung der derzeitigen Kooperation im Rüstungsbereich zwischen Industrie-und Entwicklungsländern nicht erfüllt werden. Die Globalisierung der militärischen Ost-West-Konfrontation beinhaltet die Einbindung und ideologische Fremdbestimmung von Konfliktaustragung in der Dritten Welt. Es ist deshalb unrealistisch, umfassende wirtschaftliche und soziale Entwicklung oder gar ein alternatives, auf ar-beitsintensiven Technologien und auf Eigenständigkeit basierendes Entwicklungsmodell, eine neue internationale Weltwirtschaftsordnung zu fordern, ohne Alternativen im Militär-und Rüstungssektor vorzusehen. Solange sich die Souveränität und Sicherheit der Länder der unterentwickelten Welt auf militärische Technologien und Doktrinen gründet, die in den Industrieländern entwickelt wurden, kann politische und wirtschaftliche Eigenständigkeit nicht erreicht werden.

Die Nord-Süd-Verhandlungen zur Vereinbarung einer neuen Weltwirtschaftsordnung müssen notwendigerweise Abrüstungsmaßnahmen miteinschließen, wenn sie nicht von vornherein zum Scheitern verurteilt sein sollen denn die bisherige entwicklungspolitische und wirtschaftliche Konfrontation zwischen westlichen Industrieländern und Entwicklungsländern droht andernfalls in eine militärische Konfrontation überzugehen.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Ruth L. Sivard, World Military and Social Expenditures 1978, Leesburg/Virginia 1978, S. 7. Die Ausgabe 1976 dieser Studie ist in Deutsch veröffentlicht in: Militärpolitik Dokumentation Nr. 2/1976.

  2. Istvan Kende, Dynamic of Wars, of Arms Trade and of Military Expenditures in the „Third World" 1945— 1976, in: Instant Research on Peace and Violence, 2/1977, S. 59— 67.

  3. Unter anderem hat Dieter Senghaas diesen Begriff übernommen, der in der skandinavischen Friedensforschung gelegentlich verwendet wird. Vgl. Dieter Senghaas, Die neue Weltwirtschaftsordnung. Plädoyer für dissoziative Entwicklung, Frankfurt/M„ 1977.

  4. Zur neu auflebenden Debatte um die Begriffe „Militarismus" und „Militarisierung" siehe unter anderem das Anti-Militarismusprojekt des Ökumenischen Weltrates der Kirchen, dokumentiert in: Militärpolitik Dokumentation 2/1977.

  5. Eindrucksvoll sind die programmatischen Aussagen bei Lucian W. Pye, Armies in the Process of Political Modernization, in: John J. Johnson (Hrsg.), The Role of the Military in Underdevel-oped Countries, Princeton 1962, S. 69— 89.

  6. Mit einer Ausgabenplanung von 180 Mio. US-Dollar für 1979 erreichte die Militärhilfe den niedrigsten Stand seit Initiierung des Programms nach dem Zweiten Weltkrieg. Die höchsten Werte wurden bis Mitte der fünfziger Jahre erreicht. Rüstungsexporte zu kommerziellen Bedingungen stiegen dagegen kontinuierlich an.

  7. Einzelne Exportgesuche wurden zwar negativ beschieden, der Gesamtexport aus den USA stieg aber; auch an von der Carter-Administration wegen Menschenrechtsverletzungen kritisierte Regierungen wurde geliefert. Zur Begründung für weitere Militärhilfe an Nikaraguas Diktator beispielsweise hieß es im Bericht 1979 des US-Verteidigungsministeriums an den Kongreß: „The National Guard is expected to continue to play a key role in the evolution of the country. Our training program is also intended to promote respect for human rights and to increase professionalism within the Nicaraguan military Organization." Vgl. U. S. Department of Defense, Congressional Pres-entation. Security Assistance FY 1979, Washington, D. C. 1978, S. 343. Vgl. zur Politik der Carter-Regierung: N. Ball und M. Leitenberg, The Foreign Arms Sales of the Carter Administration, in: The Bulletin of the Atomic Scientists, Febr. 1979, S. 31— 36.

  8. H. Kissinger, in: U. S. -House of Representatives, International Security Assistance Act of 1976, Hearings of the Committee on International Rela-tions, Washington, D. C. 1976, S. 2.

  9. Ein Beispiel für derartige Verschleierung findet sich in der Außenhandelsstatistik der Vereinigten Staaten. Die Gesamtexporte der Kategorie Transport equipmenf werden für 1975 mit 1, 72 Mrd. US-Dollars ausgewiesen, davon 1, 48 Mrd. „unallocated". Hierbei handelt es sich um Flugzeuge und Triebwerke, deren Zielländer nicht ausgewiesen werden. Vgl. Economic Commission für Europe, Bulletin of Statistics on World Trade in Engineering Products — 1975, New York 1977, S. 361.

  10. Der „Wehrdienst" ist ein privater Brancheninformationsdienst, der darüber berichtet, welche Rüstungsgeschäfte wo und mit wem zu machen sind.

  11. Norbert Gansel, Heide Simonis, Horst Jung-mann, Abgeordnete — Lobbyisten oder Kontrolleure der Rüstungsindustrie? in: U. Albrecht, P. Lock, H. Wulf, Arbeitsplätze durch Rüstung? Warnung vor falschen Hoffnungen, Reinbeck 1978, S. 131.

  12. Ebda. S. 130.

  13. IISS, Strategie Survey 1976, London 1977, S. 19.

  14. Vgl. SIPRI Yearbook 1978, S. 285 f.

  15. Zum Beispiel verursacht der Aufbau eines militärischen Kommunikationsnetzes — häufig eine Priorität in Entwicklungsländern — erhebliche Kosten, die nicht als „major weapons" erfaßt werden.

  16. Vgl. z. B. Libro Bianco della Defesa, Roma Jan. 1977, S. 305, oder Groupment des Industries Fran-caises Aeronautiques et Spatiales L'industrie, Aeronautique et Spatiale 1976- 1977, Paris 1977.

  17. Auf die entsprechende Rückfrage äußerte man von offizieller Seite bei der ACDA: „Wir sind auch nicht sehr glücklich mit diesen Zahlen, aber wir müssen sie von der CIA übernehmen, da nicht zwei Bundesbehörden unterschiedliche Angaben machen können."

  18. Subcommittee on Priorities and Economy in Government of the Joint Economic Committee. Congress of the United States, Allocation of Resources in the Soviet Union and China --1977, Washington, D. C. 1977, S. 17.

  19. Ebda.

  20. Rolf Boehe, Die deutsche Werftindustrie, Teil II, in Wehrtechnik 12/1975, S. 698 f.

  21. Eine Übersicht über die Aktivitäten des Völkerbundes in diesem Bereich bietet: Irene Kohnke, The League of Nations and the Traffic in Arms, Stockholm 1968 (SIPRI), hektogr.

  22. In der öffentlichen Berichterstattung in der Presse werden häufig ausgeführte Rüstungsexporte, Auftragseingänge und Auftragsbestände verwechselt. Die im folgenden zitierten Auftragseingangs- und -bestandszahlen des amerikanischen Rechnungshofes und des Verteidigungsministeriums, die beträchtlich höher liegen als die Exportziffern der ACDA, erscheinen uns zur Beschreibung der Exportdynamik in den USA realistischer als die oben kritisierten SIPRIund ACDA-Angaben.

  23. U. S. Department of Defense, Congressional Presentation. Security Assistance Programm FY 1979, Washington 1978, S. 19— 21.

  24. Daß sich die vom US-Präsidenten erklärte Zurückhaltung beim Rüstungsexport in der Praxis nicht durchgesetzt hat, zeigt Michael T. Klare an-schaulich durch eine Gegenüberstellung von Car-ter-Aussagen und neu abgeschlossenen Rüstungs-exportgeschäften. Die genehmigten Rüstungsex-porte verringerten sich während der Carter- Regierungszeit nicht, sondern stiegen von rund 11 Mrd. auf über 13 Mrd. US-Dollar in der Zeit von 1976 bis 1978. Vgl. Michael T. Klare, How We Practice „Arms Restraint", in: The Nation, Sept. 24, 1977.

  25. The Comptroller General of the United States, Foreign Military, Sales, A Growing Concern, Report to the Congress, Washington, Juni 1976, S. 6.

  26. Report to Congress on Arms Transfer Policy, Juni 1977, prepared by the U. S. Department of State, zit. nach Emma Rothschild, Carter and Arms: No Sale, in: The New York Review of Books, 15. Sept. 1977, S. 10.

  27. Zumindest für Frankreich und Großbritannien ist dies eine realistische Annahme. In Italien dürften die Wachstumsraten noch größer sein. Für die

  28. Auszählung nach U. S. Arms Control and Disarmament Agency, World Military Expenditures and Arms Transfers 1967- 1975, Washington 1978, und The Comptroller General of the United Staates, a. a. O. (FN 25), Appendix II.

  29. Vgl. U. Albrecht, P. Lock, H. Wulf, a. a. O. (FN 11), S. 154— 170.

  30. Laut Milavnews 12/1977 lieferte allein die Sowjetunion 1977 für rund 500 Mio. US-Dollars Rüstung nach Äthiopien, das zu den ärmsten Ländern der Welt gehört.

  31. Berechnet nach U. S. Department of Defense, Foreign Military Sales and Military Assistance Facts, Washington 1976, und U. S. Department of Defense, a. a. O. (FN 23). Diese Summe entspricht dem Volumen der weltweiten Rüstungsexporte aus den USA von 1961 bis 1972.

  32. Zu diesen Ländern gehören unter anderem Peru, Sudan, Tansania, Indien, Pakistan, Sri Lanka, Iran, Syrien. Vgl. U. S. Arms Control and Disarmament Agency, World Military Expenditures and Arms Transfers 1967— 1976, Washington 1978, Tabelle VII.

  33. Beispiele sind Kuba, Ägypten, Indonesien, Somalia.

  34. Vgl. SIPRI-Yearbook, World Armaments and Disarmament, Stockholm 1976, S. 240 f. und 244 f.; bei den Kampfflugzeugen sind ausschließlich Lieferungen aus dem Herstellerland, nicht jedoch Wiederverkäufe eingeschlossen.

  35. A. H. Cahn, J. J. Kruzel, P. M. Dawkins, J. Huntzinger, Controlling Future Arms Trade, New York 1977, S. 31.

  36. Hier sind vor allem die Lieferungen von F-14 und F-15 Kampfbombern aus den USA und die Lieferungen von MiG 25 und Su-7BM aus der Sowjetunion zu nennen. Vgl. International Air Forces & Military Aircraft Directory, Stapleford Airfield, Essex, fortlaufend.

  37. So die Einschätzung der Exportpolitik durch U. S. Subcommittee on Foreign Assistance, A Staff Report, U. S. Military Sales to Iran, Washington, D. C. 1976, S. VII f.

  38. Vgl. U. Albrecht, B. Sommer, Deutsche Waffen für die Dritte Welt. Militärhilfe und Entwicklungspolitik, Reinbek 1972.

  39. U. S. Department of Defense, a. a. O. (FN 31), Washington 1976, S. 28 f.

  40. U. S. Subcommittee on Foreign Assistance, A Staff Report, U. S. Military Sales to Iran, Washington 1976, S. VII.

  41. U. S. Department of Defense, Foreign Military Sales and Military Assistance Facts, Washington 1975, S. 12 f.

  42. Laut Angaben der U. S. Central Intelligence Agency, Communist Aid to Less Developed Countries in the Free World, 1976, Washington, D. C. August 1977, sollen 1976 im Iran 120 Militärberater aus der Sowjetunion tätig gewesen sein. Vgl. S. 4.

  43. U. S. Central Intelligence Agency, Communist Aid to Less Developed Countries of the Free World, 1976, Washington August 1977. Die Zahlenangaben über sowjetische militärische Aktivitäten in Entwicklungsländern schwanken stark; die Berichterstattung ist äußerst vage und beruht zudem im wesentlichen auf nicht überprüfbaren, in der Regel nicht veröffentlichten Studien westlicher Geheimdienste.

  44. U. S. Central Intelligence Agency, a. a. O. (FN 42), S. 4.

  45. Africa Research Bulletin vom Mai 1978, S. 4859.

  46. Le Nouvel Observateur, zit. in Africa Research Bulletin vom Mai 1978, S. 4859.

  47. Vgl. Armee d'aujourd'hui, Januar/Februar 1978, S. 28— 29.

  48. Informationen aus der Beantwortung von Anfragen im britischen Unterhaus am 5. Dezember 1977.

  49. Fred Halliday, Die neue Ordnung am Golf, in: Dritte Welt Magazin 3/1977, S. XXVIII, beziffert die Zahl der 1975 allein in Oman tätigen britischen Soldaten auf etwa 1 500. Vgl. auch den Bericht eines dort tätigen Offiziers: Ranulph Fiennes, Where Soldiers Fear to Tread, London 1975.

  50. Vgl. Milavnews 2/1977.

  51. In den meisten Ländern sind Teams von drei bis vier Leuten tätig. Vgl. Wehrdienst vom 13. November 1978.

  52. Dieser Teil des Aufsatzes beruht auf einem von den Autoren 1976 und 1977 durchgeführten

  53. Zur Geschichte der argentinischen Rüstungsindustrie vgl. SIPRI, The Arms Trade with the Third World, Stockholm 1971, S. 759— 768; neuere Daten in: U. Albrecht, D. Ernst, P. Lock, H. Wulf, Rüstung und Unterentwicklung, Reinbek 1976, S. 50 ff.

  54. Vgl. Mark E. Berent, „All that Newton Allows". Israel's Aviation Today, in: Aerospace International, Mai/Juni 1977, S. 88— 93, und Irvine Cohen, Israel Aircraft Industries, in: Flight International, 3. April 1975, S. 562— 565. Regelmäßige Nachrichten in Aviation Week & Space Technology sowie Armies & Weapons.

  55. Zu Indien siehe ebenfalls SIPRI (FN 53), S. 741— 758, und aktueller U. Albrecht u. a. (FN 53), Kapitel IV.

  56. Selbst in Indien, wo Rüstung nur in staatlichen Betrieben produziert wird, bietet der Rüstungskomplex zusätzliche Absatzmöglichkeiten für die Privatindustrie (Maschinenbau, Werftsektor, Elektround Elektronikindustrie). Die Privatindustrie liefert zwar keine kompletten Waffensysteme, aber die Zulieferungen sind beträchtlich und das Risiko der Rüstungsproduktion liegt beim Staat. Ca. ein Viertel der Ausgaben der Zentralregierung in Indien werden für militärische Zwecke ausgegeben, davon wiederum mehr als 5O°/o für Beschaffungen.

  57. Vgl. die Liste „Herstellung deutscher Kriegsschiffe im Ausland" in: U. Albrecht, P. Lock, H. Wulf (FN 11), S. 165— 170.

  58. Siehe Jane's Infantry Weapons 1975, London 1976, S. 234; vgl. auch die Selbstdarstellung der Firma in ihren Anzeigen. Abgebildet und kritisiert in: Militärpolitik Dokumentation 9/10 „Rüstungswerbung in der Bundesrepublik“, Stuttgart 1978.

  59. Nähere Angaben in Internationale Wehrrevue 3/1977, S. 471 f.

  60. Vgl. die umfänglichen Literaturangaben zu diesen Aussagen in Robert E. Harkavy, The Arms Trade und International System, Cambridge, Mass. 1975. Belege für diese Argumentation finden sich auch in SIPRI, The Arms Trade with the Third World, Stockholm 1971, S. 74 ff.

  61. Auch im Bericht des U. S. Subcommittee on Foreign Assistance, a. a. O. (FN 40), S. 1, wird angenommen, daß die Stärkung des Irans durch Waffenlieferungen zur Stabilisierung in der Golfregion beitrage. Nicht nur die amerikanische Regierung betont bei Rüstungsexporten deren angeblich stabilisierende Wirkung; dies wird auch häufig in Frankreich, Großbritannien und in der Bundesrepublik Deutschland behauptet.

  62. Zit. nach U. S. House of Representatives. Committee on International Relations, International Security Assistance Act of 1976 (Hearings), Washington 1976, S. 6.

  63. Zit. in Frankfurter Rundschau am 4. September 1974.

  64. Zu sämtlichen Zahlenangaben vgl. Peter Lock und Herbert Wulf, Militarismus, a. a. O. (FN 52), S. 30 ff.

  65. Die unterschiedlichen Prozentzahlen ergeben sich aus den abweichenden Schätzungen von ACDA einerseits und SIPRI andererseits. Genauere Angaben in: Peter Lock, Obstacles to Disarmament relating to the World Economic and Political Order: International Economic Structures Unesco Arbeitspapier Paris 1978 mimeo, S. 29 f.

  66. Peter Lock und Herbert Wulf, Militarismus..., a. a. O. (FN 52), S. 31.

  67. Angaben von Michael T. Klare, Hoist With Our Own Pahlavi, in: The Nation, 31. Januar 1976, S. 113. Zu technischen Daten einzelner Waffensysteme vgl. die verschiedenen Jane's Jahrbücher.

  68. Diese Angaben sind auf Schweden bezogen. Vgl. SIPRI, a. a. O. (FN 60), S. 806.

  69. Bestand an Fahrzeugen laut IISS, Military Balance 1977/78.

  70. Berechnungen anhand der Angaben in Economic Commission for Europe, Bulletin of Statistics on World Trade in Engineering Products — 1976, New York, 1978, S. 26.

  71. Aufgrund der unterschiedlichen Wirtschaftssysteme stellt sich für die Sowjetunion die Frage der Abhängigkeit anders; ein direkter Vergleich dieser Zahlen ist nicht zulässig. Außerdem ist zu berücksichtigen, daß wirtschaftspolitische Überlegungen bei der Entscheidung über Rüstungsexporte politischen Kriterien untergeordnet sind.

  72. So beispielsweise Horst Regling, Militärausgaben und wirtschaftliche Entwicklung, Hamburg 1970.

  73. Belege hierfür in Bernhard Udis, Adjustment of High Technology Organization to Reduced Military Spending: The Western European Experience, Boulder, CoL, 1975, S. 413— 433.

  74. Die gemeinsame Entwicklung der Concorde wurde lanciert, nachdem die britische Regierung den Plan, einen eigenen Überschall-Kampf-Bom-ber, den TSR 2, zu entwickeln, endgültig fallengelassen hatte und dadurch alle mit der Forschung und Entwicklung dieses Projektes Beschäftigten arbeitslos wurden.

  75. Kurt W. Rothschild, Military Expenditure, Exports and Growth, in: Kyklos, Vol. XXVI, 4/1973, S. 804— 814. Detaillierter wird dieses Argument ausgeführt in U. Albrecht, P. Lock und H. Wulf, a. a. O. (FN 11), Kapitel I, 5, S. 85 ff.

  76. S. Melman, Twelve Propositions on Productivi-ty and War Economy, in: Armed Forces and Society, Vol. 1, 4/1975, S. 490— 497.

  77. Berechnet nach U. S. Arms Control and Disarmament Agency, a. a. O. (FN 28), Tabelle I.

  78. Drohungen, auch militärisch einzugreifen, falls die Rohstoffversorgung der kapitalistischen Industrieländer aufgrund eines Lieferboykotts nicht mehr gewährleistet sei, sprachen der damalige Außenminister der USA, Kissinger, und der Verteidigungsminister Schlesinger während der soge-nannten Ölkrise 1973/74 öffentlich aus. Die Aufgabenstellung und die Manöver der U. S. Navy und des Marine Corps zeigen, daß die militär-taktischen und logistischen Voraussetzungen zur Intervention

  79. In einer Studie über die wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Rüstungswettlaufs kommt der Generalsekretär der Vereinten Nationen zum Ergebnis, daß „Analysen im Zusammenhang mit der Errichtung einer neuen internationalen Welt-wirtschaftsordnung ... meistens Überlegungen über die Einflüsse des Rüstungswettlaufs insgesamt ausgelassen haben". Vgl. Bericht des Generalsekretärs der Vereinten Nationen, Die wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Rüstungswettlaufs, in: Militärpolitik Dokumentation, 8/1978.

Weitere Inhalte

Peter Lock, Assistent am Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg; mehrjähriger Aufenthalt in Ecuador. Herbert Wulf, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Institut für Friedens-forschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg; mehrjähriger Aufenthalt in Indien. Gemeinsame Veröffentlichungen u. a.: Rüstung und Unterentwicklung. Die verschärfte Militarisierung. Iran, Indien, Griechenland/Türkei, Reinbek 1976 (zusammen mit U. Albrecht und D. Ernst); Arbeitsplätze durch Rüstung? Warnung vor falschen Hoffnungen, Reinbek 1978 (zusammen mit U. Albrecht); Review of Research Trends and Annotated Bibliography: Social and Economic Consequences of the Arms Race and of Disarmament, UNESCO, Reports and Papers in the Social Sciences No. 39, 1978 (Mitautoren).