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Mündiger Bürger, was tun?" Zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung | APuZ 15/1979 | bpb.de

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APuZ 15/1979 Artikel 1 Die lautlose Krake. Klassenkampf der Staatsbürokratie gegen die private Gesellschaft Von Tintenfischen und Fabelwesen. Replik zu Ulrich Lohmar Staatsbürokratie: Der falsche Adressat. Eine Antwort auf U. Lohmars Thesen Altbausanierung" statt Radikalkur .Bemerkungen zu Ulrich Lohmars „Staatsbürokratie — Das hoheitliche Gewerbe" Mündiger Bürger, was tun?" Zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung

Mündiger Bürger, was tun?" Zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung

Walter Ehlers

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Zusammenfassung

Soll die zunehmende Bürokratismusdiskussion greifbare Ergebnisse bringen, so muß sie letztlich von der öffentlichen Verwaltung selbst aufgenommen und dort in konkrete positive Ansätze umgesetzt werden. Dazu will dieser Aufsatz einen Beitrag leisten. Der Verfasser — ein langjähriger . Insider'— vertritt die These, der „Beamte" in unserer Demokratie sollte sich bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben vornehmlich als Sachwalter des Bürgers gegenüber dem Staat, als sein Berater gegenüber den Gesetzen und als Wahrnehmer seiner berechtigten Interessen verstehen. Der Verfasser hält dieses Ziel aufgrund der Ergebnisse einer breit angelegten Untersuchung nur für erreichbar, wenn der zu partnerschaftlicher Zusammenarbeit und Führung bereite Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung mehr als bisher und systematischer auf diese Aufgaben vorbereitet wird. Er sieht in einem politisch vorgegebenen System der Führung und Zusammenarbeit, in dem die Leistungsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung, die Humanität am Arbeitsplatz und ihre demokratische Qualität ideell gleichgewichtet sind, die Möglichkeit, diesen Mitarbeiter entsprechend zu motivieren. In den Auszügen aus seiner empirischen Untersuchung, bei der der Verfasser u. a. alle Parteien, Gewerkschaften und Verwaltungsführungen in Bund und Ländern detailliert zur Sache befragte, belegt er, daß die erforderlichen Impulse jedoch voraussichtlich weder von der Verwaltung allein noch von den Parteien und Gewerkschaften zu erwarten sind. Daraus zieht er den Schluß, daß nur ein ständiger nachhaltiger Druck der öffentlichen Meinung die Chance eröffnet, dem sicher langwierigen und schwierigen Bewußtmachungs-und Umwandlungsprozeß der öffentlichen Verwaltung näherzukommen.

Der Verfasser — Hamburger Bürger und Beamter — hat sich seit mehreren Jahren intensiv mit der Personal-und Führungsproblematik im Rahmen der funktionalen Verwaltungsreform auseinandergesetzt. Die nachstehend veröffentlichte Zusammenfassung seines Abschlußberichts über seine aus eigener Initiative vorgenommenen umfangreichen Untersuchungen steht als Beispiel für das wache Interesse des Bürgers an einer effizienten und nach innen und außen kooperativen, humanen Verwaltungsführung. Die Arbeit kann daher auch als ein Beitrag zur sogenannten Bürokratismus-Diskussion verstanden werden.

Es ist wohl ein ungewöhnliches Bemühen, daß ein einzelner Bürger sich — ohne Auftrag, unabhängig und somit keiner Richtung verpflichtet — vornimmt, es einmal nicht bei der verbreiteten Praxis zu belassen, nur auf „die Beamten" zu schimpfen und das Verhalten der öffentlichen Verwaltung allgemein zu kritisieren. Mich reizte, die Frage einmal konstruktiv zu Ende zu denken und eine möglichst konkrete Antwort darauf zu geben, wie man die öffentliche Verwaltung verbessern könnte. Dazu fühlte ich mich nicht zuletzt aufgerufen, weil ich selber seit 37 Jahren Beamter in der Verwaltung bin. Ich sehe aber auch wichtige Zusammenhänge zwischen dem Demokratieverständnis des Bürgers und dem Rollenverständnis der öffentlichen Verwaltung in unserer Demokratie. Schließlich fühlte ich mich auch als mündiger Bürger angesprochen.

Am Anfang meines Bemühens habe ich allerdings nicht geahnt, daß ich acht Jahre engagierter, aufwendiger Arbeit benötigen würde, um die Ergebnisse meiner Untersuchungen und Erkenntnisse — meinen jetzt fertiggestellten (bisher unveröffentlichten) „Abschlußbericht" — vorstellen zu können.

Es gibt über das Rollenverständnis der öffentlichen Verwaltung in unserem demokratischen und sozialen Rechtsstaat seit 1949 400 000 Seiten amtlicher und nichtamtlicher Literatur Ich habe davon im Laufe der Jahre 25 000 Seiten gelesen, um mir einen Über-blick über die Problematik zu verschaffen. Da sich kaum ein Verantwortlicher in Gesellschaft und Staat die Zeit nehmen kann, ähnlich zu verfahren, meinte ich, es müßte für In-teressierte und Betroffene von Vorteil sein, einmal die Substanz der Erkenntnisse zusammengefaßt vor sich zu sehen. Die Materie konnte ich in dem erwähnten Abschlußbericht auf 515 Seiten komprimieren. Der Bericht ist in seinen wesentlichen Teilen als Dokumentation angelegt. Auch die für den Bericht speziell erfragten Auffassungen zur Stellung, zu den Aufgaben und zum derzeitigen Leistungsstand der öffentlichen Verwaltung sowie die Möglichkeit, diesen zu verbessern, werden durch weitgehendes Zitieren der Antworten möglichst unverzerrt wiedergegeben. Damit ist es jedem Leser des Berichts möglich — unabhängig von den vom Verfasser vertretenen Ansichten und den von ihm gezogenen Schlußfolgerungen —, sich selber einUrteil zu bilden, ob er den Erkenntnissen des Berichts folgen will oder nicht. In diesem Artikel können nur die wesentlichen Endergebnisse der Untersuchung veröffentlicht werden, wie ich persönlich sie als Erkenntnisse und Schlußfolgerungen aus meinem Bemühen genommen habe.

Ausgangspunkte der Untersuchung Die weitverbreitete und offensichtlich tief verwurzelte Auffassung des Bürgers, daß der „Beamte" (als Prototyp des Bediensteten der öffentlichen Verwaltung) sich noch immer viel zu wenig — als sein (des Bürgers) Sachverwalter gegenüber dem Staat, — als sein Berater gegenüber den Gesetzen und — als Wahrnehmer seiner berechtigten Interessen versteht, ist ernst zu nehmen. Viele Bürger sehen den „Beamten" — zumindest unterschwellig — immer noch in erster Linie den Vertreter des Staates; vielleicht sehen sich einige „Beamte" selbst auch noch so. Die gesellschaftspolitischen und wissenschaftlichen Theorien befürworten jedoch ausnahmslos im Prinzip den zur Kooperation bereiten Mitarbeitertyp als denjenigen in der öffentlichen Verwaltung, der am besten die vom Bürger zu Recht erwartete Leistung des „Beamten" erbringt. Eine verbreitete Staatsverdrossenheit aber, die auch in dem vielfach zu negativen Bild des Bürgers vom „Beamten" zum Ausdruck kommt — das Nicht-identifizieren von Bürger und Staat also —, muß als ernsthaftes Hindernis für die weitere Verwirklichung eines demokratischen und sozialen Rechtsstaates angesehen werden. Sie ist zugleich auch als Legitimationskrise der Parteien und Gewerkschaften zu wertep, weil die erwähnten Negativerscheinungen und die offensichtlich bestehende Divergenz zwischen Theorie und Praxis nach dreißig Jahren Demokratie immer noch nicht wesentlich abgebaut werden konnten.

Die Begriffe „Dienstrechtsreform" und „Funktionale Verwaltungsreform" sind seit Jahren in der politischen Diskussion. Inhaltlich sind diese eng miteinander verzahnten Reformen jedoch kaum vorangekommen. Die Forderung nach Einführung neuer Managementmethoden und eines neuen Führungsstils in der öffentlichen Verwaltung gehört schon seit vielen Jahren zum Repertoire von Festreden und Grundsatzreferaten von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, obwohl gerade dieser Personenkreis nicht selten diese Prinzipien kaum kennt, geschweige denn sie selber als Vorbild praktiziert. Solange Sprüche wie: „Er ließ uns vergessen, daß er ein Beamter war" (Nachruf anläßlich der Pensionierung eines Ministerialbeamten) und „Einen guten Beamten erkennt man daran, daß er kein guter Beamter ist", . wohltuend'klingen, ist etwas faul am „Beamtentum"

Demokratie darf sich nicht in der Staats-und Regierungsform erschöpfen; sie muß auch Lebensform der Gesellschaft und damit des einzelnen Bürgers sein, wenn sie eine „lebendige" Demokratie sein will. Die Verwaltung in der Demokratie kann sich nach dem Verfassungsauftrag wegen ihrer Stellung in Staat und Gesellschaft nur in gleichem Sinne verstehen. Auch sie muß über das Organisatorische hinaus eigenständig eine demokratische Qualität als Ethos besitzen. Die demokratische Qualität nach außen ist der Dienst zum Wohle des Bürgers; die demokratische Qualität nach innen ist die Art und Weise der Zusammenarbeit und Führung der Mitarbeiter, Eine aufgabenorientierte, zeitgemäße und unserer Demokratie sachangemessene Führung und Zusammenarbeit in der öffentlichen Verwaltung ist letztlich eine Frage der politischen Bildung der Mitarbeiter; sie ist in gewissem Umfang lehr-, lern-und trainierbar. Unbestritten ist, daß die innere Führung und Zusammenarbeit in entscheidendem Maße sowohl die Leistungsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung gegenüber dem Bürger, ihr Rollenverständnis in Staat und Gesellschaft als auch die Arbeitshumanität gegenüber ihren Mitarbeitern mitbestimmt. Denn nach betriebssoziologischen Erkenntnissen sollen in der Arbeitswelt die Leistungsminderungen durch Reibungsverluste infolge mangelnder Führung und Zusammenarbeit 30 bis 40 v. H. betragen.

Um die Materie überschaubar zu machen, wurde zunächst 1974 ein Untersuchungsbericht „Leistung, Arbeitshumanität, demokratische Qualität der öffentlichen Verwaltung durch Führung und Zusammenarbeit" erarbeitet, in dem die derzeitige Theorie und Praxis einer aufgabenorientierten, zeitgemäßen und unserer Demokratie sachangemessenen Führung und Zusammenarbeit — und ihre Bedeutung für ihre Leistung — festgestellt wurden.

Thesen zu Leistung, Arbeitshumanität und demokratischer Qualität der öffentlichen Verwaltung Das praktische Verhalten bei der Führung und Zusammenarbeit entspricht in der öffentlichen Verwaltung noch in zu großem Maße nicht den gesellschaftspolitischen und wissenschaftlichen Theorien. Wesentliche Ursachen dafür sind: — Die Mitarbeiter (einschließlich der Vorgesetzten) in der Verwaltung sind mit den bisherigen Konzeptionen und Methoden nicht hinreichend ansprechbar. — Die Führenden in den Parteien, in den Gewerkschaften, in der Publizistik und in der Verwaltung sind bei diesem Thema nicht hinreichend engagiert. — Eine optimale Führungstheorie ist für die Arbeitswelt und speziell für die öffentliche Verwaltung in der Verwaltungswissenschaft noch immer im Experimentierstadium.

Eine allgemein anerkannte Konzeption mit dem konkreten Inhalt eines aufgabenorientierten, zeitgemäßen und unserer Demokratie sachangemessenen Führungsdenkens und -verhaltens in der öffentlichen Verwaltung und ebenso eine solche über Methoden ihrer Durchsetzung liegen bisher nicht vor.

— Die Öffnung der Verwaltung für diese Fragen ist offensichtlich zu gering, als daß sich daraus Lösungsmöglichkeiten ergeben könnten. — Eine Reform des Führungsund Arbeitsstils der öffentlichen Verwaltung ist dringend notwendig; sie ist andererseits ein umfassendes, kompliziertes, langfristiges Projekt. Sie hat nur dann die Chance des Gelingens, wenn sie gründlich vorbereitet ist und wenn der einzelne Mitarbeiter motiviert werden kann, dabei mitzudenken und an Lösungen mitzuarbeiten.

Thesen zu den Konsequenzen Es ist an den Parteien, in Ausfüllung ihrer politischen Verantwortung auch für die öffentliche Verwaltung a) durch politische Richtlinien für eine aufgabenorientierte, zeitgemäße und unsere Demokratie angemessene Führung und Zusammenarbeit Sorge zu tragen b) und die Regierungen und Verwaltungen in Bund und Ländern zu veranlassen, auf dieser Grundlage eine „Grundkonzeption für demokratisches Führen und Verhalten" zu entwikkeln, einzuführen und durchzusetzen.

Es ist an den Gewerkschaften, durch nachdrückliche Forderung eines fortschrittlichen Systems für Führung und Zusammenarbeit in der öffentlichen Verwaltung den erforderlichen Bewußtmachungsund Umdenkungspro-zeß zum Wohle unserer Demokratie und ihrer Bürger bei allen Betroffenen, Interessierten und Verantwortlichen in der Öffentlichkeit voranzutreiben.

Es ist an den Personalführungen in Bund und Ländern, ausreichend Denkkapazitäten bereitzustellen, die in der Lage sind, den Bildungsinhalt eines demokratischen Führungsstils für die öffentliche Verwaltung in angemessenen Fristen zu entwickeln und als Lehr-. Stoff aufzubereiten. Eine zentrale Steuerung ist zweckmäßig.

Dem genannten Untersuchungsbericht war als Diskussionsgrundlage für die Verbesserung der Leistungsfähigkeit und Arbeitshumanität der öffentlichen Verwaltung ein konkreter Vorschlag für eine „Grundkonzeption" beigefügt, die allen Mitarbeitern und Vorgesetzten als Orientierungshilfe den Rahmen aufzeigen soll, was (nach Auffassung des Verfassers) praktisch für die Arbeit im Berufsalltag des einzelnen unter einem demokratischen Führungsdenken und -verhalten verstanden werden sollte.

Die Grundkonzeption enthält u. a. Aussagen über — die gesellschaftspolitischen Grundlagen einer solchen Führung und Zusammenarbeit, — die daraus sich für den einzelnen ergebenden Grundeinsichten sowie die erforderlichen organisatorischen Voraussetzungen, — die Führungspflichten und -rechte des Vorgesetzten sowie die Verhaltenspflichten des Mitarbeiters, — die Bedeutung der gegenseitigen Information (Kommunikation), — den sinnvollen und zweckmäßigen Ablauf von Besprechungen und Gesprächen im Rahmen eines demokratischen Führungsstils sowie —Aussagen über Erfolgs-und Verhaltenskontrolle, die Bedeutung von Anerkennung und Kritik, das betriebliche Vorschlagwesen, führungsmäßige Aus-und Weiterbildung und führungsmäßige Beurteilungen.

Es wird die Auffassung vertreten, daß (nach eingehender Miterarbeitung einer solchen Konzeption durch alle Betroffenen) diese dann für alle Mitarbeiter als verbindlich erklärt werden müßte, wenn damit tatsächlich Wirkung erzielt werden soll.

Durch eine Meinungsumfrage zum Untersuchungsbericht wurden u. a. alle Parteien, Gewerkschaften und Verwaltungsführungen in Bund und Ländern detailliert befragt, wie sie zu den Ist-und Sollvorstellungen des Berichts und zu dem Vorschlag „Grundkonzeption für demokratisches Führen und Verhalten" stehen.

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Aktivitäten zur funktionalen Reform des öffentlichen Dienstes (nach Erarbeitung des Untersuchungsberichts) Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung und der Bundesminister für Forschung und Technologie starteten 1974 ein Aktionsprogramm: „Forschung zur Humanisierung des Arbeitslebens". Ziel des Programms ist u. a., daß sich die Humanisierung nicht nur im Abbau von Belastungen für den Menschen im Arbeitsleben erschöpfen soll, sondern daß darüber hinaus dem einzelnen auch Möglichkeiten für die Entfaltung seiner Fähigkeiten und damit zur Selbstverwirklichung gegeben werden. Schließlich ist auch an die Vermittlung von Managementmethoden gedacht. Dabei kommt es darauf an, dem Menschen eine ihn interessierende, befriedigende Arbeit zu geben. Wesentlich ist auch, welcher Einblick in die Bedeutung seiner Arbeit ihm eingeräumt wird, inwieweit er seine Arbeit selbst disponieren und verantworten darf, welche Kooperationschancen sich für ihn bei der Arbeit ergeben und welche Achtung ihm entgegengebracht wird. Eine solche „soziale Lebensqualität" im Arbeitsleben hängt weitgehend von der Organisation der Arbeit ab. Diese Forschungsziele und -bereiche sollen durch das Aktionsprogramm gefördert werden.

Der Bundesminister für das Post-und Fernmeldewesen hat 1976 eine „Leitlinie für die Zusammenarbeit und Führung bei der Deutschen Bundespost (DBP) herausgegeben. Dieser Veröffentlichung ging ein jahrelanges Bemühen um eine fortschrittliche Zusammenarbeit und Führung bei der DBP mit ihren über 500 000 Mitarbeitern voraus. Schon 1970 hatte die DBP eine „Akademie für Führungskräfte" eingerichtet. Nach den Erläuterungen der „Leitlinie" erfüllt die DBP ihre Aufgaben nicht zuletzt durch eine umfassende Zusammenarbeit und Führung ihrer Mitarbeiter, die in der Vergangenheit vornehmlich nur durch Weisungsrecht und Gehorsamspflicht geregelt waren. Die politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen der letzten Jahrzehnte haben diese Form immer mehr ausgehöhlt. Die daraus resultierenden Zweifel des mündigen Bürgers und Mitarbeiters an der Herrschaftslegitimation der Führenden verbanden sich mit ständig steigenden Anforderungen an die Führungskräfte. Die überholten Formen mußten nach Auffassung der DBP durch eine neue einheitliche Unternehmens-konzeption, zu der auch ein bestimmter Füh-rungs-und Verhaltensstil gehört, ersetzt werden. Es kann nicht im Interesse der Mitarbeiter liegen, je nach den speziellen Vorsteigen einzelner Führungskräfte unterschiedlichen Führungsstilen ausgesetzt zu sein. Die „Leitlinie" will eine faire Mischung zwischen dem Wunsch des Individuums nach Selbstbestimmung und der Notwendigkeit einer gewissen Fremdbestimmung in der Arbeitswelt sein. Ähnliche „Regeln für die dienstliche Zusammenarbeit" in der öffentlichen Verwaltung hat die Stadt Nürnberg 1974 erlassen. Diese sind jedoch (im Gegensatz zur „Leitlinie") im wesentlichen auf den Grundgedanken der sog. „Führung im Mitarbeiterverhältnis (Harzburger Modell)" aufgebaut, die wissenschaftlich und politisch nicht unumstritten ist. Auch die Stadt Nürnberg betreibt seit vielen Jahren in erheblichem Umfang eine führungsmäßige Fortbildung.

Die im Stadtrat vertretenen Parteien stehen hinter den Bemühungen um die Verwirklichung der Regeln für die dienstliche Zusammenarbeit. Auch die Berufsverbände stehen der Arbeit positiv gegenüber. Die Personal-vertretung war von Anfang an mit eingeschaltet. Ohne ihre positive Mitarbeit wäre das gesteckte Ziel nicht zu erreichen gewesen, stellt die Stadt Nürnberg fest.

Eine weitere größere Initiative ist aus Baden-Württemberg bekanntgeworden. Hier hat 1974 eine vom Innenminister aus zwölf jungen Mitarbeitern berufene Arbeitsgruppe einen Bericht über „Vorschläge für eine bürger-freundliche und effektive Verwaltung" erstellt. Der Bericht befaßt sich zu mehr als einem Drittel mit Fragen der Führung und Zusammenarbeit. Fast die Hälfte der 200 Einzelvorschläge gelten auch diesem Thema. Auf einen schriftlichen ufruf zur Mitarbeit an dem Bericht gingen leider nur sehr wenige Einzelvorschläge ein. Die Arbeitsgruppe äußerte Zweifel, ob alle Bemühungen der öffentlichen Verwaltung um eine Reform nach innen ohne eine grundlegende Reform des öffentlichen Dienstrechts nicht letztlich erfolglos bleiben müßten. Uber die Umsetzung des Beschlusses der Landesregierung, die in dem Bericht unterbreiteten „brauchbaren" Vorschläge phasenweise zu verwirklichen, ist bisher nichts bekanntgeworden. Die Arbeitsgruppe empfahl schließlich nicht die Übernahme des sog. „Harzburger Modells" als geschlossenes System, jedoch könne es als Lernmodell wertvolle Dienste leisten.

Der Stand der Verwaltungswissenschaft wird durch Prof. Hartmut Kübler in seinem 1974 erschienenen Buch „Organisation und Führung in Behörden" aufgezeigt. Kübler gibt einen allgemein verständlichen Überblick über die gegenwärtigen Organisationsund Füh-B rungsverhältnisse in der öffentlichen Verwaltung zusammen mit einem kritisch abwägenden und vorsichtigen pragmatischen Ausblick auf machbare Veränderungen — ohne euphorische Übersteigerung.

Kübler versucht, die Möglichkeiten zur Verbesserung von Führung und Zusammenarbeit in der öffentlichen Verwaltung abgewogen — mit einer distanzierten Haltung zu Management-Aposteln — zu beschreiben. Somit stellen seine Denkansätze, Feststellungen und Konzeptionen eine weitere unabhängige Orientierungshilfe für das komplexe Thema dar. Er widmet in seinem Buch — sowohl vom Umfang als auch vom Inhalt her — kooperativen Führungsvorstellungen einen sehr breiten Raum. Andererseits warnt er vor der Vorstellung, es könne einen einheitlichen Führungsstil geben. Seine Versuche, zu differenzieren, konnten mich allerdings nicht überzeugen. Vom Prinzip her wird von mir ein einheitlicher, verbindlicher Rahmen für Führung und Zusammenarbeit für alle Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung für notwendig und auch für durchaus machbar gehalten.

Für die Hamburger Verwaltung sind zwei Organisationsgutachten von Unternehmensberatungsfirmen erstellt worden: das Gutachten der Firma Knight-Wegenstein/Schweiz von 1971 über die Erhöhung der Effektivität der Polizei und das Gutachten des Battelle-Instituts Frankfurt von 1975 für die Reform der Justizverwaltung.

Das Gutachten über die Erhöhung der Effektivität der Polizei leistet m. E. zur Problematik „Führung und Zusammenarbeit" keinen wesentlichen praktischen Beitrag. Es empfiehlt lediglich die Einführung bzw. Weiterentwicklung einer neuen Führungstechnik „Führung durch Zielsetzung", ohne weitere Einzelheiten zu nennen.

Durch das Gutachten für die Reform der Justizverwaltung zieht sich wie ein roter Faden, daß — die Arbeitszufriedenheit des einzelnen Mitarbeiters an seinem Arbeitsplatz und — das Bedürfnis nach sinnvoller Arbeit wichtige Motivierungen sind, eine optimale Leistungsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung zu erreichen. Betrachtet man jedoch den generellen Ausgangspunkt des Gutachtens und vergleicht diesen mit den schließlich daraus gezogenen Konsequenzen, dann wird bei den praktischen Vorschlägen der Änderung der Organisation sehr viel größere Bedeutung eingeräumt; mögliche Verhaltensänderungen der Mitarbeiter werden dagegen gar nicht ernsthaft ins Auge gefaßt. Arbeitszufriedenheit und Leistungsbereitschaft spielen nach diesem Gutachten also für den Arbeitsstil keine wesentliche Rolle. Diese Auffassung wird vom Verfasser nicht geteilt.

In der Schweiz wurden 1974 nach mehrjähriger Vorarbeit vom Schweizerischen Bundesrat „Richtlinien für die Verwaltungsführung im Bunde“ erlassen. Die Richtlinien sind unter Konsultation der Verbände des Bundes-personals erarbeitet worden. Sie sollen die Zusammenarbeit erleichtern; ihre Einhaltung wird überwacht. Der Bundesrat wird die Richtlinien periodisch überprüfen und sie der Entwicklung anpassen. In der Einführung heißt es u. a.: „Es wäre vermessen zu glauben, über den Weg von Führungsrichtlinien sei es möglich, den Menschen zum idealen Chef oder zum idealen Mitarbeiter zu erziehen . .. Die Führungsrichtlinien schaffen einen Kern von führungsbewußten und führungssicheren leitenden Persönlichkeiten, der dann auch durchaus in der Lage ist, einen neuen Geist auf die Umgebung zu übertragen und durch sein Beispiel für die würdige Durchsetzung der Zusammenarbeit zu sorgen. Daß die oberste Leitung hier Vorbild sein muß, ist unbestritten."

Im Mai 1976 hat die Bundesregierung ein „Aktionsprogramm zur Dienstrechtsreform'' verabschiedet, das dennoch konkrete Ausführungen zu der mit einer „Dienstrechtsreform" eng verzahnten „Funktionalen Verwaltungsreform", und hier speziell über Zusammenarbeit und Führung, leider ziemlich vermissen läßt.

In der Rede des Bundesinnenministers vom 10. November 1975 vor dem DBB-Vertretertag brachte dieser den Ansatz für beide Reformen noch auf den (vereinfachten) Nenner: „Steigerung der Leistungsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung unter Minderung der Kostenbelastung der öffentlichen Hände."

Nach Auffassung des Verfassers kann dagegen ein realistischer Reformansatz für eine Funktionale Verwaltungsreform nur lauten: Durch mehr Arbeitszufriedenheit mehr Leistungsbereitschaft des einzelnen Mitarbeiters und dadurch eine Steigerung der Leistungsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung zu erreichen.

Mehr Arbeitszufriedenheit und Leistungsbereitschaft wiederum ist nur vorstellbar durch ein Bündel systematischer, wohl ausgewogener Maßnahmen zur Veränderung sowohl der Aufbau-als auch der Ablauforganisation, aber auch des Verhaltens des einzelnen Mitarbeiters in der Richtung, daß er sich möglichst weitgehend mit seiner Arbeit identifiziert. Nachdem der Bundeshauptvorstand des Deutschen Beamtenbundes auf seinem Vertreter-tag 1975 zunächst eine umfangreiche Beschlußvorlage zur Funktionalen Verwaltungsreform vorgelegt hatte, wurde schließlich lediglich ein kurzes „Thesenpapier mit Aktionsprogramm" angenommen und die alte Beschlußvorlage nur noch u. a. als Material eingebracht. Nach dem Beschluß muß die Funktionale Verwaltungsreform die Möglichkeiten verbessern, den sozialen Rechtsstaat weiterzuentwickeln. Sie muß sich auch in Verantwortung für die Mitarbeiter und unter Beteiligung der Mitarbeiter vollziehen. Es wird unter anderem eine Gemeinschaftsstelle für Ver-waltungsverbesserung gefordert. Das Ziel der Verwaltungsverbesserung soll bei der Aus-und Fortbildung einen neuen Schwerpunkt bilden. Die Verwaltungsforschung ist zu intensivieren. Unabhängig von der Diskussion weiterer Modelle müssen die Führungssysteme einschließlich der Leistungsmotivation in der Praxis überprüft und vereinheitlicht werden. Es sind alsbald einheitliche Grundsätze für die Verwaltungsführung im Bund sowie in den Ländern und Gemeinden zu entwickeln und einzuführen. Die Bundesleitung wurde beauftragt, die Materialien zunächst durch eine Expertenkommission weiterzuentwickeln und im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten bei Parlamenten und Regierungen auf eine möglichst schnelle und umfassende Verwirklichung der Funktionalen Verwaltungsreform hinzuwirken.

Seitdem ist lediglich bekanntgeworden, daß der DBB Anfang 1978 eine Dokumentation zu ausgewählten Fragen der Funktionalen Verwaltungsreform vorgelegt hat. Sie gibt das Ergebnis einer Befragung von Personal-ratsmitgliedern u. a. zu Problemen der Personalwirtschaft und Personalführung wieder.

Hinsichtlich der Führung hielten 87 v. H.der Befragten Leitsätze, die bestimmte Regeln für das Führen und den Führungsstil der öffentlichen Verwaltung enthalten, für notwendig.

Aufgrund der persönlichen Eindrücke über die derzeitige Führung fanden davon 65 v. H.

eine Mischung aus sachorientierten und ethisch-moralischen Führungsgrundsätzen am besten. 28 v. H. sahen nur sachorientierte Hinweise als das Richtige an. Eindeutig weniger, nämlich nur 3 v. H., entschieden sich für „ethisch-moralische Führungsgrundsätze" allgemeiner Art.

Die Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung (KGSt) hat 1976 einen Bericht „Probleme der Mitarbeiterführung in der öffentlichen Verwaltung" herausgegeben, der sich als offizielle Empfehlung unmittelbar an die Praxis der Kommunalverwaltung mit ihren 750 000 Mitarbeitern wendet. Der KGSt-Bericht stellt in einer Vorbemerkung fest, daß „die Leistungsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung wesentlich von der Qualität ihrer Führung abhängt." Die zum Teil auch grundsätzlichen Unterschiede zu den Ergebnissen des Verfassers werden insbesondere bei den Vorstellungen über die Möglichkeiten der praktischen Umsetzbarkeit der Theorie deutlich. Es gibt nach den Erfahrungen keinerlei Anzeichen dafür, daß sich ein systematisches neues Führungsdenken allein aus der Verwaltung heraus hinreichend entwickeln wird. Auch eine Seminar-Konzeption, bei der die Schwierigkeiten der Umsetzung herausgearbeitet und ein Stufenplan sowie Hinweise für ein örtliches Fortbildungsprogramm entwickelt wurden, zerstreut die Bedenken gegen eine generelle Umsetzbarkeit — die nämlich einen entsprechenden allgemeinen politischen Be-wußtmachungsund Umdenkungsprozeß in Staat und Gesellschaft sowie bei der Mitarbeiterführung der öffentlichen Verwaltung voraussetzen würde — nicht. Die erforderliche Initialzündung wird durch den KGSt-Be-richt in der öffentlichen Verwaltung voraussichtlich nicht entstehen. Stellt man das „Aktionsprogramm zur Dienstrechtsreform" dem KGSt-Bericht gegenüber, wird aus den unterschiedlichen Vorstellungen zudem deutlich, wie wenig bisher Führungsvorstellungen in der öffentlichen Verwaltung koordiniert sind.

Auswertung der Meinungsbefragung des Untersuchungsberichts Insgesamt wurden 235 Organisationen, Institutionen (Parteien, Gewerkschaften, Verwaltungsführungen) bzw. Personen befragt. 123 Fragebogen wurden zurückgegeben. Das sind 52, 3 v. H.

Bei der Art und Weise der detaillierten Befragung war nicht davon ausgegangen worden, daß die angeprochenen Organisationen und Institutionen etwa erst nach (langwierigen) Meinungsund Willensbildungsprozes-sen ihr Votum abgeben sollten und würden. Geantwortet haben im Regelfall die zuständigen Sachbearbeiter bzw. Referenten. Dennoch wird man davon ausgehen können, daß deren Auffassungen mit der allgemeinen Grundhaltung der Organisation bzw. Institution abgestimmt und daher mit ihr identisch sind, so daß die Antworten insgesamt als repräsentativ für die derzeitige Bewußtseinslage in den politischen Organisationen, in den Gewerkschaften und Verbänden und in den Verwaltungsführungen in Bund und Ländern angesehen werden können.

Durch die Meinungsumfrage wurde überzeugend ermittelt, daß die potentielle Gefahr, Lösungsmöglichkeiten bei der angesprochenen Problematik nicht näher zu kommen, voraussichtlich gar nicht so sehr durch erklärte Gegner der vorgetragenen Vorstellungen (insbesondere „Grundkonzeption") entstehen wird, sondern vielmehr durch Kräfte, die es offensichtlich grundsätzlich ablehnen, konkret und offen über diese Fragen nachzudenken und dann ihre Meinung dazu zu sagen. Dadurch wird das weitere Bemühen insofern besonders erschwert, weil diese Personen bzw. Gruppen sich freiwillig einer offenen geistigen Auseinandersetzung in der Sache nicht stellen. Daß diese Kräfte offensichtlich so zahlreich Führungspositionen in Parteien, Gewerkschaften und Verwaltungen gegenwärtig innehaben, verstärkt die Gefahr nochmals erheblich. Nur 41, 6 v. H.der angesprochenen Parteien, Gewerkschaften und Verwaltungsführungen waren dazu zu bewegen, ihre Meinung in der Sache zu äußern, obwohl die durchschnittliche Rücklaufquote der Aktion bei 52, 3 v. H.

lag. 93 v. H. aller „verlorengegangenen"

Untersuchungsberichte waren bei den Parteien und Gewerkschaften nicht auffindbar.

Um Mißverständnissen vorzubeugen, wird ausdrücklich betont, daß nicht etwa jeder in vorstehendem Sinne gegebenen negativen Antwort auf die Meinungsumfrage die erwähnte Motivation unterstellt wird.

Den nicht positiv eingestellten Gruppen und Personen steht die bedeutende Gruppe derjenigen gegenüber, die sich dem Ruf, „Flagge zu zeigen", nicht entzogen haben.

Von den Antwortenden stimmten 84 v. H. mit der erstellten Analyse über die derzeitige Führungssituation überein, mit den Sollvorstellungen sogar 89 v. H.; 73 v. H.sehen den gemachten Verbesserungsvorschlag (Grund-konzeption) als eine realistische Möglichkeit für einen Fortschritt an, wenn auch voraussichtlich erst in einem langwierigen und schwierigen Bewußtmachungs-und Umden-kungsprozeß erreichbar.

Wegen der Vielzahl der weiter ermittelten Ergebnisse können hier Aussagen nur beispielhaft genannt werden. So waren 91 v. H.der Antwortenden der Auffassung, daß das in der interessierten Öffentlichkeit und in der Verwaltung vorhandene Vorstellungsvermögen von der Problematik durch den Untersuchungsbericht erweitert und vertieft würde, so daß Aufgeschlossenheit und Sachurteil des einzelnen fundierter würden. Nur 65 v. H. meinten, das Thema interessiere ihre Kollegen und Vorgesetzten; andererseits meinten 89 v. H.der Antwortenden von sich selbst, daß sie sich der Komplexität des Problems bewußt seien.

Alle Antwortenden (bis auf eine Ausnahme) waren der Auffassung, daß die Leistungsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung auch wesentlich vom Führungsdenken und -verhalten abhängig ist. Auch fast keinen Widerspruch gab es, daß die „partnerschaftliche Führung und Zusammenarbeit zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern" grundsätzlich als zeitgemäßer und unserer Demokratie sachangemessener Führungsstil anzusehen ist.

Es gab eine überwältigende Übereinstimmung dahin gehend, daß das Führungsverhalten nicht jedem einzelnen Vorgesetzten und Mitarbeiter selbst überlassen bleiben kann. 84 v. H. sprachen sich für eine politische Zielsetzung und Kontrolle hinsichtlich des Stils der Zusammenarbeit und Führung in der öffentlichen Verwaltung aus; 63 v. H. waren für politisch festgelegte „Leitsätze", auf deren Grundlage dann eine „Grundkonzeption" zu entwickeln wäre.

Schließlich stimmten die Antwortenden einhellig überein, daß die öffentliche Verwaltung wegen ihrer Stellung in Staat und Gesellschaft auch eine demokratische Qualität besitzen müsse, das heißt, daß ihre Mitarbeiter eine positive, aktive geistige Grundeinstellung zur Demokratie haben müssen.

85 v. FI.der Antwortenden waren dafür, die Leistung gegenüber dem Bürger, die Humanität am Arbeitsplatz und die demokratische Qualität der Verwaltung als ideell gleichgewichtige Ziele eines fortschrittlichen Führungsdenkens anzustreben.

97 v. H. hielten modernes Führungsverhalten für lehr-, lern-und trainierbar. 93 v. H. sprachen sich dafür aus, daß „partnerschaftliche Zusammenarbeit und Führung" systematisch durch weitere Information und Diskussion im Rahmen von Aus-und Fortbildung erheblich vertieft werden müßten. 89 v. H. meinten, daß der allgemein für erforderlich gehaltene „geistige Umstellungsprozeß" auf fortschrittliche Führungsvorstellungen nicht ohne weitere wesentliche systematische Anstöße durch die Verwaltungsführungen hinreichend positiv verlaufen würde.

Die Auswertung der Antworten auf die speziell an die Angehörigen des öffentlichen Dienstes gestellten praxisbezogenen Fragen (hier war keine repräsentative, sondern nur eine zufällige Befragung möglich) ergab unter anderem besonders unterschiedliche Ergebnisse zwischen den Antworten der Mitarbeiter, die aus den Verwaltungsführungen geantwortet haben, und denjenigen aus dem gehobenen Dienst, die derzeit in der durchführenden Verwaltung praktisch tätig sind. Zum Beispiel ist die unterschiedliche Einschätzung der Divergenz zwischen Führungs-Ist und -Soll enorm hoch. 92 v. H.der Kollegen aus dem gehobenen Dienst halten die im Untersuchungsbericht vorgenommene Einschätzung für richtig, aber nur 59 derjenigen, die in den Verwaltungsführungen tätig sind, waren derselben Auffassung. Dementsprechend unterschiedlich treten diese beiden Gruppen auch für die Entwicklung und Einführung einer „Grundkonzeption" ein, nämlich zu 92 bzw. 58 v. H.

Nur 68 v. H. aller Antworten meinen, daß sie derzeit die für die Erfüllung ihrer Aufgaben notwendigen fachlichen Informationen erhalten; 30. v. H. meinen, sie erhielten in größerem Maße überflüssige Informationen. Noch schlechter waren die Ergebnisse bei den Fragen nach Informationen über personelle und organisatorische Veränderungen.

Erstaunlich ist, daß trotz allem 71 v. H.der Antwortenden das Betriebsklima für befriedigend oder besser hielten. Nur 55 v. H.der Antwortenden waren der Auffassung, daß Dienstbesprechungen in ihrer Dienststelle in hinreichendem Maße stattfinden. 59 v. H. bejahten die Frage, ob die Vorgesetzten in der Regel ihre Anordnungen und Entscheidungen auch begründen. Nur 52 v. H.der Mitarbeiter lassen sich in ihrem Mitdenken und Mitarbeiten durch das Verhalten ihrer Vorgesetzten nicht beeinträchtigen. 48 v. H. halten die fachliche Fortbildung und 76 v. H. die führungsmäßige Fortbildung nicht für ausreichend. Damit allein scheint bewiesen, daß die öffentliche Verwaltung ihr optimales Leistungsvermögen noch nicht erreicht hat.

Warum ist es so schwer, die Leistungsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung zugunsten des Bürgers zu verbessern?

Als wesentliches Ergebnis der Untersuchung muß bisher — gemessen an dem Interesse des Bürgers an einer leistungsfähigen öffentlichen Verwaltung — ein schon merkwürdig anmu-tendes, allgemein verbreitetes Desinteresse sowohl in der Gesellschaft (in den Parlamenten, in den Parteien, in den Gewerkschaften, in der Publizistik) als auch in der Verwaltung selbst an den Fragen der innerbetrieblichen Führung und Zusammenarbeit der Verwaltung festgestellt werden. Da wird zwar, besonders in den Massenmedien, kräftig auf die vermeintlichen oder tatsächlichen unzulänglichen Leistungen der öffentlichen Verwaltung geschimpft, und Politiker beteiligen sich besonders lebhaft an der Kritik. Geht es aber darum, den Ursachen sachlich nachzugehen, zielstrebig Verbesserungen zu diskutieren und bis zur Durchsetzung zu verfolgen, dann überwiegt die verbreitete Gleichgültigkeit. Tiefgründiger analysiert, handelt es sich allerdings vielmehr um eine verbreitete Hilflosigkeit, eine Resignation und Ohnmacht, die Platz gegriffen haben, weil es in der Tat für diese Fragen kein Patentrezept mit nur wenigen Thesen als Problemlösung gibt.

Die Parteien und Gewerkschaften sind damit in der akuten Gefahr, daß ihre politischen programmatischen Vorstellungen über die öffentliche Verwaltung unglaubwürdig wirken. Der damit verbundene Vertrauensschwund für unsere Demokratie sollte beachtet werden.

Die Verwaltung wird aus sich heraus allein keine Problemlösung finden. Sie ist damit auch überfordert, denn letztlich ist es eine Frage der gesellschaftspolitischen Bildung ihrer Mitarbeiter, die nur politisch bestimmt werden kann. Darum bleibt also nur, der veröffentlichten Meinung dieses Problem klarzumachen. Ist die Bürgerinitiative „Leistung, Arbeitshumanität, demokratische Qualität der öffentlichen Verwaltung durch Führung und Zusammenarbeit" eine Utopie?

Der Abschlußbericht kommt zu dem Ergebnis, daß das Ziel der derzeit noch „Ein-MannBürgerinitiative", die Leistungsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung wesentlich zu verbessern, mit Hilfe einer aufgabenorientierten, zeitgemäßen und unserer Demokratie sachangemessenen Führung und Zusammenarbeit erreichbar sein müßte. Dennoch muß man bei realistischer Gesamt-würdigung des bisher Versuchten und dabei Erreichten — wenn man den Ergebnissen des Abschlußberichts die Anstrengungen gegenüberstellt — zu einer verhältnismäßig negativen Zwischenbilanz kommen.

Es ist bisher nicht geglückt, — die für erforderlich gehaltene Sachdiskussion auf breiter Basis über die „Grundkonzeption" sowohl innerhalb der Verwaltung als auch auf politischer Ebene zu erreichen, — entscheidende politische Initiativen und Aktivitäten bei Parteien und Gewerkschaften auszulösen, — die Mitarbeiter der Verwaltung auf breiter Basis zu motivieren und zu aktivieren, aus sich heraus eine „Grundkonzeption" zu fordern, — die Frage der „Zusammenarbeit und Führung in der öffentlichen Verwaltung" als Schlüssel zu ihrer Leistungsverbesserung in das öffentliche Problembewußtsein zu rücken und — die veröffentlichte Meinung so weit für das Thema zu interessieren, daß auf diese Weise ein entsprechender öffentlicher Druck entsteht.

Letzteres soll allerdings auch erstmalig systematisch durch diese Zusammenfassung und den Abschlußbericht versucht werden.

Fussnoten

Fußnoten

  1. So Professor Wittkämper in seinem Vortrag „Der neue soziale Rechtsstaat und die öffentliche Verwaltung“ . auf dem Bundesvertretertag des Deutschen Beamtenbundes 1975 in Hamburg.

  2. Vgl. Hartmut Kübler, Organisation und Führung in Behörden, Köln 1974.

Weitere Inhalte

Walter Ehlers, geb. 1925 in Hamburg, ab 1941 im öffentlichen Dienst tätig; seit 1965 Dezernent im Versorgungsamt Hamburg. Publikationen in Fach-und Gewerkschaftszeitschriften u. a. zu den Themen: Demokratie und Verwaltung, Kooperatives Führungsdenken und -verhalten, Funktionale Verwaltungsreform.