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Terrorismus -Ermittlungsversuch zu einer Herausforderung | APuZ 41/1977 | bpb.de

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APuZ 41/1977 Artikel 1 Staatsbewußtsein, Staatsbeamte, Lehrerschaft Terrorismus -Ermittlungsversuch zu einer Herausforderung Probleme der Organisation und Koordination bei der Terroristen-Bekämpfung in der Bundesrepublik

Terrorismus -Ermittlungsversuch zu einer Herausforderung

Manfred Funke

/ 41 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Die immer brutaleren Terroranschläge steigern die Verunsicherung unserer Gesellschaft In ihr werden zugleich Kräfte sichtbar, die unter dem Vorzeichen entschlossener Bekämpfung des Terrorismus auf die Wiederherstellung autoritärer Herrschaftsverhältnisse aus zu sein scheinen. Dieser Versuchung durch rechten und linken Irrationalismus muß eine wehrhafte Demokratie entgegenstehen. In ihr ist statt leichtfertiger Emotionalisierung des Terror-Problems eine um Sachlichkeit bemühte Ermittlung der Gründe für die Herausforderung unserer politischen und rechtlichen Normen anzustreben. Ein solcher Auftrag stellt sich jedoch nicht nur den zuständigen Ressorts, sondern stellt sich uns allen. Wir bilden jene Öffentlichkeit, die zum Kampfplatz von Terroristen und Exekutive geworden ist Es gibt dabei keinen Neutralen. Wie die jüngsten Flugzeugentführungen, Geiselnahmen und Morde zeigen, ist jeder von uns jederzeit potentielles Opfer. Bemüht um eine nüchterne Standortbestimmung, versucht der Beitrag die möglichen Ursachen des Terrors aus sozialen Strukturdefekten und revolutionärem Selbstverständnis zu ergründen. Dabei fällt im Vergleich mit der internationalen Terrorszene die programmatische Konturlosigkeit des westdeutschen Terrorismus ins Auge. Geht es gegenwärtig den Terroristen bei uns um eine allgemeine Zerstörung des Bestehenden, ohne selber eine bildfähige Alternative zur Gegenwart zu haben? Wollen sie einen Bürgerkrieg ohne iinale Sinngebung? Handelt es sich um politische Wohlstandskriminalität frustrierter, intellektuell und moralisch korrumpierter Jugendlicher? — Fragen, die in diesem Beitrag präzisiert werden, aber offen bleiben müssen, weil Geschichte und Manifestationen des Terrorismus weder übertragbare Definitionen zulassen noch die Formulierung griffiger Gegenrezepte. Aufgrund seiner unzähligen Erscheinungsformen, bedingt durch den jeweils höchst unterschiedlichen Aktionsverbund von Zielen, Mitteln, Handlungsräumen und Täter-Charakteren, ist Terrorismus nicht kategorisierbar. Er erzwingt aber damit um so nachdrücklicher die kritische Auseinandersetzung mit jeder ideologischen Verblendung, die Terroreinsatz . rechtfertigt" und das Toleranzgebot unserer Verfassung mißachtet.

Wenn aber auf die " Vernunft im Menschen nicht gewiß zu rechnen ist, bleibt dann überhaupt noch ein Grund des Vertrauens?

I. Die Herausforderung

Der von Systemkrisen und moderner Existenzangst attackierte Zukunftsoptimismus scheint der neuen Zangenbewegung des politischen Terrors deckungslos ausgesetzt, „L'Europe face ä la violence" resümierte die Schlagzeile des , France-Soir" vom 3. August 1977 einen Tatbestand, der keine Zweifel mehr läßt: Wir sind zur Anerkennung der jederzeit vorhandenen Möglichkeit einer persönlichen, nationalen, ja planetarisdien Katastrophe gezwungen. Der Mißbrauch von Giftstoffen zur Verseuchung des Wassers, Zerstörungen in der Erdatmosphäre, der Bau und Einsatz von nuklearen , Billig“ -Bomben und Raketen sind ebensowenig auszuschließen wie die Gefahr, daß jeder einzelne das nächste Opfer eines Anschlags sein kann, potentielles Opfer bereits ist

Damit sind wir vom Terrorismus gestellt. Man kann ihn nicht wie Müll heimlich in den Wald kippen. Terrorismus verbaut alle Fluchtwege in Problemverdrängung, in Wegsehen oder in wohlfeile »Rübe runter" -Rezepte gegen die Attentäter. Dies würde nur die Gewalteskalation stimulieren und wäre zugleich Beleg für die Verweigerung einer kritischen Überprüfung unserer sozialen Kompetenz und für die Negation ihrer sittlichen Normen.

Terrorismus testet die Einsatzbereitschaft und Organisationsfähigkeit für eine offene Gesellschaft. Mehr Polizei, Strafverschärfung bessere Fahndungsapparate bleiben letztlich unwirksam, wenn das Terrorproblem verstaatlicht wird und nicht aus subjektivem Betroffensein eine gesellschaftspolitische Abwehr erwächst, die ihre demokratische Wertbindung permanent überprüft, ihre Gegner ausmacht und jene Grenze zieht, hinter der diese Gegner Feinde sind. Die Notwendigkeit solchen Engagements ist zu bekennen und gemeinsam durchzustehen, nicht Ressorts zuzuschieben. Andernfalls würden Positionen geräumt, über die Terrorismus vordringt und eine Atmosphäre von Angst, Mißtrauen und Isolation verbreitet, in welcher das menschliche Leben vergifteter ist als unter der unmittelbaren Wirkung eines Terroranschlags . Die Verhinderung solcher Tendenzen gelingt nur über gefährlich schmalem Grat: Weder darf mit der das Toleranzprinzip verratenden Reaktion auf Gewalt ihre Ausbreitung dahin begünstigt werden, daß mit den Mitteln der Demokratie die Demokratie selbst aus den Angeln gehoben wird, wie in der ersten deutschen Republik geschehen; noch darf durch Überreaktionen im Einsatz der Herrschaftsmittel die vom revolutionären Terrorismus aufgebaute Falle zuschnappen, das heißt der bürgerlich-demokratische Verfassungsstaat ein „faschistisches" Gesicht bekommen und „Terror von oben" üben, im Zeichen eines aufgezwungenen Ausnahmezustandes die verfassungsmäßigen Rechte unangemessener, ja willkürlicher* Beschränkung unterwerfen. In diese Schere des Terrors von oben und/oder unten dürfen wir nicht hineingeraten. Dem apathisch Distanzierten ist klar zu machen, daß Politik unter dem Terror für jeden Menschen in jedem Land so real, so dringend, so unausweislich wie Essen und Trinken, Arbeitsplatz und Wetter wird: . Die politische Indifferenz, dieser Grundpfeiler des modernen Staates, wird dem Menschen unmöglich gemacht, und wäre er der größte Egoist oder der weltfernste Träumer." Auf diesem Hintergrund erweist sich folglich Terrorismus nicht nur als Herausforderung der existenziellen Frei-Raum-Sicherung, sondern auch als Infragestellung der politischen Entscheidungsautonomie aller Bürger. Denn etwa seit der Mitte des 18. Jahrhundert dient terroristische Gewalt angeblich nicht mehr zur Befriedigung individueller Machtgier, sondern im Terroreinsatz vollstreckt sich nach revolutionärem Verständnis der Wille des Volkes, das heißt jener Auftrag zur Beförderung des Gemeinwohls, das die Usurpation persönlicher Entscheidung aufgrund des erst mangelhaft entwickelten Klassenbewußtseins der Massen rechtfertigt Im Namen des Volkes, der Gerechtigkeit, der Humanität bombt, entführt, mordet der revolutionäre Terrorismus für eine bessere Zukunft der Menschheit.

Mit dem gleichen Instrumentarium will Staats-terror die Beherrschten glauben machen, die Regimegegner seien die wahren Volksverräter. Eine solche zunehmende, zutiefst beklemmende Pathologie des politischen Konfliktbewußtseins zwingt zur Herausnahme des Terrorismus aus dem Rahmen administrativer Geschäftsmäßigkeit und privilegierter akademischer Dialoge. Erkenntnis und Interesse, Wissen und Moral müssen vielmehr zu einem wechselseitigenKontrollverhältnis verschränkt werden, das die Frage zulassen muß, inwieweit terroristische Gewaltpolitik Ausdruck gesellschaftlicher Befindlichkeit ist, inwieweit Beweis eines hohen, krankhaften Defekts freischwebender Subjektivität

Dem wird man wohl allgemein zustimmen — bis zur rasch eintretenden Enttäuschung über

Sozialwissenschaften, Psychologie und Kriminologie als den befragten Versorgungsstatio.

nen für die rationale Bewältigung des Terrorismus. Offen oder verschämt kommen dann die Aufforderungen, mit den Terroristen . kurzen Prozeß" zu machen. In diesen Fällen hat die Angst bereits gegen die Einsicht höchster politischer Selbstgefährdung und Desavouierung des Rechtsstaates obsiegt, hat Panik dumm gemacht im Begreifen terroristischer Revolutionsstrategie. Rache statt Recht, Problemlösung durch Emotionsputsch verrieten den Geist unserer Gesetze und würden, wie das Reaktionsgefüge von Terror und Gegen-terrror in der Geschichte ausweist, ein unfreiwilliger Beitrag zur Schaffung hoher politischer Instabilität und damit zur Chancen-Ver-mehrung für revolutionäre Umtriebe sein. Die rechtgemäße Ahndung des Terrors und seine Verringerung verlangen deshalb unter Hintanstellung der Hoffnung auf spektakuläre Ergebnisfindung und standardisierbare Antiterrorstrategien um unserer eigenen politischen Glaubwürdigkeit willen eine möglichst dichte, um Objektivität bemühte Ermittlung der Ursachen, Ziele, Methoden und Instrumente im terroristischen Aktionsverbund.

Nach der Ermordung von J. Ponto schrieb U, Blanck im Leitartikel der Zürcher Weltwoche vom 10. 8. 77: „Doch schon jetzt ist abzusehen, daß weder die Anstiftung zur Hexenjagd noch die große Beschwichtigung und Verharmlosung viel weiterhelfen können. Der Terrorismus treibt die Bundesrepublik an den Punkt, wo sich zeigen muß, wie stark ihr demokratisches Selbstgefühl wirklich ist." Doch wie zeigt es sich in seiner Stärke? Wann und wo ist der Punkt? Er ist nicht geometrischer Natur, man kann sich ihm nur sorgend und wachsam zuwenden.

Der methodologische Zugriff auf „Terrorismus'stößt allzubald an ein rückwärtige Begrenzung. Durch sie hindurch dringt die Rekonstruktion nicht von der Tatausführung über die Entscheidungsverläufe bis zurück zum letzten Kern der Terrorursache, verliert sich im Irrgarten ideologischer Rechtfertigung, personaler Entstauungszwänge, lokaler und instrumenteller Zufallsbindung. Trotz der folglichen Ungewißheit, ob mit der Aufklärung über Terrorismus Verbrechensverhinderung überhaupt erreichbar ist, bleiben wir dem Anspruch unterstellt, den vor Jahren Hans Langemann so formulierte: „Die echte Abwehr des politischen Einzelmordes, wie der politischen Gewaltkriminalität schlechthin, erfordert vor allem die vielleicht nur philosophisch zu begrel” fende Besinnung darauf, daß man den Täter zwar absperren oder töten kann, daß aber seinen die Tat im Innersten tragenden Idealen oder Idolen, für die jederzeit ein anderer Täter die Hand zum Schlag erheben mag, nur mit ideellen Waffen wirksam zu begegnen ist. Diese sind nur da zu suchen, wo im weitesten Sinne Humanität und Gerechtigkeit ihre Verwirklichung gefunden haben. Alles andere ist dagegen situations-und affektbedingtes Stückwerk, das in sich zerfällt, wenn der Vergeltung Genüge getan ist.“

Wo aber haben am weitesten Humanität und Gerechtigkeit ihre Verwirklichung gefunden? Für den Terroristen im Terrorakt. Wo für uns? Mit der Anbindung an diese Frage soll ein Stück rationaler Durcharbeitung unserer Realität versucht werden, aus der Terror nicht durch Protestgeschrei, nicht durch parteipolitisch vermarktbare, monokausale Schuldzuweisung zu eliminieren ist. Das Ziel der Terrorminderung, das Ziel der Erhöhung der Hemmschwelle muß die Befragung der sozialen Strukturdefekte und repressiven Toleranz auf ihre Verantwortlichkeit für das Entstehen von Terrorismus und die Bildung von Sympathisantenzirkeln zulassen. Nur aus diesem Ermittlungsprozeß kann die Frage an den potentiellen Terroristen materialisiert werden nach den Motiven der Vermischung von Vernunft-und Offenbarungswahrheit, von chiliastischer Heilsgewißheit und faschistoidem Aktivismus: wieso der Terrorist zur Beförderung der Humanität über Leichen zu gehen vermag, die Bewunderung der Komplizen ihm wichtiger ist als die Schreie der Opfer.

Diese Fragen schaffen keine Lösungsmodelle, können nur Spuren einer Ermittlung sein, die hineinführen in die Dimensionen des Analysefeldes „Terrorismus" und das Defizit komplementärer Erkenntnismethoden abzubauen helfen, die der hochkomplexen Realität des Terrors bis jetzt nicht beikommen. Er blieb allzulang vernachlässigtes Forschungsobjekt. Nach der anfänglichen Blüte des Interesses von Historikern und Sozialwissenschaftlern in der Zwischenkriegszeit fühlte sich bis in die jüngste Gegenwart keine Disziplin für die wissenschaftliche Analyse des politischen Terrorismus zuständig, „it has remained a non-man’s land" „Seit der Welt Homers wurde immer wieder Gewalt von Menschen gegen Menschen geübt, aber es existiert keine Wissenschaft von der Gewalt", kommentierte am 29. 7. 77 Ph. Boucher in Le Monde den über 700 Seiten starken „Gewalt-Rapport" der französischen Regierung. Auch in jüngsten wissenschaftlichen Publikationen wird die Not, Terrorismus auf den Begriff zu bringen, nicht abgebaut. „There is an almost infinite variety of events, phenomena, persons and objects that may, under certain conditions, strike terror into the hearts of human beings" (Paul Wilkinson) Was sind denn diese gewissen Bedingungen? Warum wird der ermittelnden Rationalität der Zugang zumeist verschüttet?

II. Zur Verursachung und Zweckbestimmung des Terrorismus

Politischer Terrorismus ist allgemein bestimmbar als systematische, planmäßige Androhung oder Anwendung von als Überraschungscoup organisierter Gewalt. In allen wichtigen sozialwissenschaftlichen Kompendien wird der Aspekt des systematischen Gebrauchs betont. Politischer Terror dient folglich zumeist strategischen Ziel, also einem Langzeitprogramm. Er hält dieses Ziel im Bewußtsein der Allgemeinheit wach und gegenwärtig durch Zuschlägen und Verschwinden, ohne die Schätzung des Wie und Wann seiner Wiederholbarkeit zu gestatten. Politischer Terror unterscheidet sich damit erheblich von den kurzen, eruptiven Aktionen, die auf Machtergreifung durch Palastrevolutionen, Putsche, Staatsstreiche gerichtet sind. „These seek to surprise, but not to terrorise systematically." In der Vorbereitung, Durchführung, Organisation und Stabilisierung einer Revolution fungiert Terror als taktisches Mittel, stellt er eine spezifische Form der Gewalt dar, die nicht Selbstzweck sein soll, sondern Instrument. Wie alle Mittel und Werkzeuge bedarf Gewalt immer eines Zwecks, „der sie dirigiert und ihren Gebrauch rechtfertigt. Und das, was eines anderen bedarf, um gerechtfertigt zu werden, ist funktioneller aber nicht essentieller Art" Modellhaft und stets die ideal-typologisierende Formel M. Webers bedenkend, ist das Essentielle des politischen Terrors die Abschaffung bestehender Herrschaftsverhältnisse, die Etablierung radikaler Alternativen nicht in evolutionärer, sondern revolutionärer Manier. Terror dient der Beseitigung der Herrschaftseliten beziehungsweise ihrer prominentesten Repräsentanten, der „top dogs" (J. Galtung). Sie müssen aus dem Weg, weil sie ihre Macht über die Menschen mißbrauchten zu deren Ausbeutung, Glücksentzug, Entfremdung. Diesen Mißbrauch von Macht soll der Terrorakt bestrafen, offenkundig machen und zur Überwindung des institutionalisierten Unrechts anspornen. Die notwendige Veränderung des Systems hat aus der Sicht des Terroristen der Angegriffene selbst verschuldet, als Hersteller oder Verwalter hochverdichteter struktureller, direkter Gewalt Der solchermaßen legitimierten Vernichtung der top dogs korrespondiert die Rechtfertigung des Terrors zur Aufrüttelung der „under dogs", der vermeintlich oder tatsächlich Unterdrückten. Sie will der Terrorist auf die Schwachstellen, die Verwundbarkeit des Repressionssystems hinweisen. Zugleich soll Problembewußtsein geschärft, Gehorsamsverweigerung geprobt, zum Aufstand ermutigt werden. Die entpolitisierten Massen sollen spüren, daß die Gewalt qua physischer Stärke, die jeder einzelne hat, Mittel der Politik sein kann. Bereits das Programm der Narodnaja volja vom Oktober 1880 umriß den Zweck von Terroraktionen: „Ihr Ziel ist es, das Ansehen der Regierungsmacht zu kompromittieren, die Möglichkeit eines Kampfes gegen die Regierung unaufhörlich unter Be-weis zu stellen, den revolutionären Geist des Volkes und seinen Glauben an den Erfolg unserer Sache dadurch zu stärken und schließlich kampffähige Kader zu bilden.“

Die revolutionäre Zielstruktur bestimmt Terror als kompensatorischen Waffeneinsatz und taktisches Optimierungskalkül. Er soll für die Massen den Identifikationsprozeß zwischen der neuen, heilbringenden sozialen Theorie und der umzustürzenden politischen Faktizität erleichtern und beschleunigen Terror als revolutionäre Komponente aus dem Gesamtkonzept instrumentell auszugrenzen im Rahmen einer Praxis-Analyse, ist dabei unmöglich. Hingegen ist eine wechselseitige Dynamisierung von Ziel und Mittel häufig zu beobachten, wie nicht nur der Verlauf der Französischen Revolution beweist Die Terrortat ist Prophetie von etwas, das in der durch Angst und Schrecken erzwungenen Aufmerksamkeit den Unterdrückten als Hoffnung, den Unterdrückern als Drohung mitgeteilt wird. Der Terrorist setzt Zeichen für die kommenden Dinge, er zielt auf „Generalinspiration“ der Massen Die Propaganda der Schreckenstat soll wachrütteln und Konvertiten machen. „Such an act does more propagandizing in a few days than do thousands of pamphlets'(P. Kropotkin)

Die Erzielung dieses Propagandaeffekts weist dem Terroropfer eine besondere Funktion zu: Wenngleich es zumeist ausgesucht wird unter prominenten Repräsentanten der verhaßten Gesellschaftsstruktur, geht es dem Terroristen mit seiner Tat zwar auch um die Schwächung des Machtapparates, aber primär geht es ihm um die Reaktion der Öffentlichkeit auf diese Tat. Denn hier hat der moderne Terrorismus in vielen Pressemedien geradezu Multiplikato-

ren der angestrebten Systemverängstigung gefunden. Statt pressepolitisch Rechtsstaatlichkeit aktiv und diszipliniert zu bekennen, wird Sensationsfuror angerichtet, werden Triebe statt Klugheit mobilisiert, heizt sich der Kreislauf von Gewalt und Gegengewalt auf, was den vom Terrorismus erstrebten Ausnahmezustand tendenziell näherrückt. Denn in ihm würden sich die Mittel von Angreifer und Verteidiger immer ähnlicher, für die Massen aber die Herrschaftslegitimation des „Systems" um so fragiler, je tiefer es in die Gewalteskalation hineingezogen wird. Das Prinzip, daß eine Gewalttat die andere treibt ist für den Terroristen besonders attraktiv, wenn es genährt wird von dem Begehren der Massen oder großer Schichten, ein für alle Mal von Abwehrschwäche, Existenzangst, Unruhen befreit zu werden Die Morde an Liebknecht, Luxemburg, Eisner, Auer stehen als Beispiele für solche Schubwirkung von Gewalttat

Bei der Akkumulation der Chancen für den revolutionären Umsturz ist der politische Terrorismus auf Machtdeflation, Autoritätsverlust der Herrschenden und besonders zwecks Schaffung des „Auslösers" auf Gewinnung der Jugend für die neuen Ideen und Idole aus. Die Distanz zum Status quo, der romantische Bindungshunger, der dumpfe Wunsch nach der großen Alternative zu den Stolperschwellen systemkonformer Erfolgsleitern macht die Jugend empfänglich für radikale Perspektiven; besonders für Jugendliche, die ihren Emanzipationsdruck gegen ein arriviertes Elternhaus chancenlos sehen, die vorgezeichneten Erfolgsbahnen aber ablehnen, weil sie zur Identifikation mit dem Vorgegebenen zwingen und mehr als den bekannten standardisierten Nonkon-formismus aufmüpfiger Verspieltheit für die jugendlichen Formationsjahre der künftigen top dogs nicht zulassen. Im Ausbruch aus dem Sozialsystem und in seiner Bekämpfung ist folglich Rache für die individuelle Entfaltungsverhinderung durch Familie und durch den ererbten Sozialstatus als Motiv vermischt mit dem Drang nach Beförderung des bonum commune, nach mehr Gerechtigkeit, die in revolutionären Menschenbildern inkarniert scheint und sich dogmatisch verabsolutiert zur Entscheidungsbasis gegen die Gesellschaft, zur Rechtfertigung ihrer Zerstörung

Dieser Zweckbestimmung des Terrors als Element revolutionärer Gewaltpolitik korreliert der Terror als konterrevolutionäres Instrument.

Dem Agitationsterror steht der Repressions-terrorgegenüber Die griffige Formel von rotem und weißem Terror markiert den Grundkonflikt zweier Konkurrenten, die in der Gewißheit ihrer guten Sache, des gerechten Krieges, gegeneinander angetreten sind. Oft ähnlich im Waffenarsenal, will die eine Partei den Umsturz herbeiführen, die andere im Zeichen des provozierten oder künstlich inszenierten Ausnahmezustandes die militante Opposition ausmerzen. Die beiderseitige Imagination, es bedürfe nur noch einer letzten großen Anstrengung, um die Aufwiegler auszurotten oder das Herrschaftsgebäude der Unterdrücker zum Einsturz zu bringen, macht Terror so brutal und zum Eskalationsimpuls für Revolutionsfortschritt und Herrschaftstotalisierung. Das Bild vom Terror als altbekannter Waffe der Tyrannen erweitert sich um den Staatsterror als Ordnungsfaktor als Hüter nationaler Interessen. Die Terrorjustiz Freislers wurde im Namen des Volkes geübt. Stalins Dirigismus erhielt seine Begründung aus dem Versagen der Pariser Kommune, das heißt, für die Diktatur Stalins als einzig möglicher Demokratie diente die Kommune von 1871 als Apologie des Terrors. Die revolutionäre Grundüberzeugung erzwang wissenschaftlich notwendig die Vernichtung von Gegnern, ohne der Grausamkeit als Lustprinzip zu frönen

Verfolgung und organisierter Mord an Juden vollzogen sich kalt oder als Pogrom emotionsgeladen wie in der „Kristallnacht", jeweils nach der spezifischen Zweckbestimmung des gouvernementalen NS-Terrors als Ausrottungsoder Unterdrückungsmechanismus beziehungsweise gar als Antriebswelle für die Fanatisierung der Nation zur Kriegsbereitschaft durch Greuelpropaganda Im Terroreinsatz von oben dokumentiert sich ein prinzipieller Monopolisierungsanspruch auf Macht, der sich zeigt in Folterung, Schauprozessen, öffentlichen Hinrichtungen zur Abschreckung und zur Unterbindung von tätiger Systemkritik. Wenn Propaganda und Korruption nicht mehr ausreichen als Disziplinierungsmittel, der Staat Angst vor seinen Bürgern bekommt, erliegt er der totalitären Versuchung

Aus welchen Motiven kommt Terror beim Prozeß politischer Willenserzwingung zum Einsatz? Der folgende Versuch einer Erfassung terroristischer Zweckvarianten darf nicht in der Entmischung und künstlichen Präzisierung den hohen Komplexitätsgrad der Gewaltpraxis vergessen lassen.

Zwei Ordnungsbereiche für Terrorverursa-

chung lassen sich unterscheiden: Im ersten wären Terrortaten aus eng subjektiver Verursachung zu erfassen, also Aktionen, in denen sich Stärkung, Bestätigung von Ich-Dominanz eher manifestiert als eine zur Tat geronnene Sozialutopie, die gegen den gesellschaftlichen Status quo katapultiert wird. Terror als Typi. sierungsmittel für systematische Gewaltpro. zesse, das heißt Terroreinsatz mit makrosozia-ler Determination wäre im zweiten Ordnungs. bereich darzustellen.

Erster Bereich (Terrormotivation mit personaler, höchstens mikrosozialer Determination und gering systematischer Komponente):

— Fähigkeit zum Terror aus „Ver-rücktsein’, hellsichtiger Versponnenheit (man denke an J. Conrads „Geheimagent");

— Triebtat aus „Fixer-Idee" -Hörigkeit (Morde an Kotzebue, an Präsident Kennedy)? ]);

— Demonstrationsterror zum Hinweis auf soziale Übelstände (Sprengstoffanschlag Vaillants gegen das französische Parlament);

— Rache aus verletzter intellektueller Eitelkeit (Raskolnikow);

— Anerkennungserzwingung (Herostrat); — Behauptungsdruck durch verinnerlichte Geheimbündelei (vgl. die Beispiele bei Eugen Lennhoff, Politische Geheimbünde, neu bearbeitet und ergänzt von Harry Wilde, Wien usw. 1966);

— Märtyrer-Ethos (repräsentiert in den antizaristischen Bombenwerfern; sie handelten im Wissen, das System nicht beseitigen zu können, versuchten in der Tötung einzelner ihrer revolutionären Pflicht nach Vermögen zu genügen) ;

— Frustrationskompensation (Rocker-Terror); — Bandentum aus Gewinnsucht (Mafia, Chicagoer Al-Capone-Ära);

— Plünderterror (New Yorks „Night of Terror" beim Stromausfall im Juli 1977);

— Inquisition und Exorxismus („Erlösung durch Folter);

— Geheimbündischer „Gerechtigkeits" -Fanatismus (Lynchjustiz, Ku-Klux-Klan, Todesschwadronen) ;

— Bluträusche aus Haß (vgl. z. B. die „Feind • Behandlung in den Bauernkriegen bei Eric Müller, Ewig in Aufruhr. 18 Porträts deutscher Rebellen, Berlin 1928, S. 87). — Sektenfanatismus (der Thug-Sekte der Göttin Kali fielen im 19. Jahrhundert fast eine Million Menschen zum Opfer (G. Bouthoul, a. a. O., S. 51; vgl. bes. E. Mühlmann, Chilias-

mus und Nativismus, Berlin 1961, S. 323 ff.);

— Parteien-Kämpfe („Rotfront" gegen „SA", Bolschewiki gegen Menschewiki, Stalinisten gegen Trotzkisten; neuerdings etwa die „Roten Brigaden" in Italien, vgl. Neue Zürcher Zeitung v. 14. 7. 77);

— Chauvinistischer Vernichtungsterror (Ende 1965 soll sich die Zahl der Opfer bei der indonesischen Kommunistenverfolgung auf 400 000 beziffert haben);

— Anarchistische Herrschaftsbeseitigung. Die Anarchisten wollen den Massen als Wahnsinn begreiflich machen, mit aller Macht nur ihre Beherrscher zu wechseln.

Diese Wesensmerkmale gelten ähnlich wie das von Carl J. Friedrich ermittelte Totalitarismus-

Syndrom „more or less", das heißt, attributive Wirkstoffkombinationen können auf die Zielsetzungen in einer qualitätsverändernden Weise zurückstrahlen, Ziele und Mittel verfallen eventuell gemeinsamer Verwandlung im konkreten Aktionsverbund von Täter-Personalität, Handlungsklima, Zielkonstanz, verfügbarem Kampfinstrument.

Zweiter Bereich (Terrormotivation mit makrosozialer Determination: Herrschaftsumsturz, Herrschaftsfestigung) — Autoritäre, totalitäre Ideologie (Stalinismus, Faschismus, Hitlerismus, bedingt auch Maoismus, wenn man an die Christenverfolgung denkt beziehungsweise an den totalitären Zugriff der Ideologie auf den einzelnen, dessen Konfliktbewußtsein gegenüber der Gesellschaft jedoch nicht mit dem Spannungsverhältnis von Staat und Gesellschaft westlicher Provenienz in bezug gesetzt werden darf aufgrund eines gänzlich anders geprägten Selbstverständnisses) ; — Soziale Revolution (z. B. Emanzipation des vierten Standes); — Elitentausch durch einander bekämpfende Herrschaftsclans; — Organisierte Ausrottung (Genozide); — Religionskriege; — Nationalistischer Separatismus, Selbstbestimmung ethnischer Minoritäten (Nordiren, Basken, Südtiroler, Palästinenser); — Sozialrebellion gegen Okkupation, Friedensoktrois, Diktatur (Freikorps, Guerilleros, Partisanen);

III. Zu den taktischen und instrumenteilen Wesensmerkmalen des politischen Terrorismus

In einer Untersuchung des politischen Mordes im Wandel der Geschichte stellte Paul Liman für die Eintrittsphase in die moderne Zeitgeschichte eine außerordentliche Heftigkeit des politischen Terrorismus fest: „Es ist, als ob das letzte Viertel des neunzehnten Jahrhunderts völlig epidemisch verseucht war. überall fin-den wir die Chemiker der Revolution und die Bombenwerfer an der Arbeit" ... „Kaiser und Könige, Richter und Polizeibeamte fallen als Opfer, Beter in der Kirche, harmlose Gäste in den Restaurants müssen sterben.“ Nach dieser Welle der achtziger und neunziger Jahre des neunzehnten Jahrhunderts, einem weiteren Höhepunkt in der Blüte von Faschismus, Stalinismus, Hitlerismus, einem neuen Anstieg während der sechziger Jahre in Südamerika, Südostasien und Nahost tritt gegenwärtig der politische Terrorismus in eine neue Dimension. Sie wirkt besonders eindringlich, da bis Mitte der sechziger Jahre Terrorhandlungen bei uns in der Bundesrepublik nahezu unbekannt waren, aber auch in der übrigen Welt mit den genannten Ausnahmen eine gewisse Abschwächung beobachtet werden konnte Das Hochschnellen des Terrorismus seit 1968 wird als Bedrohung um so intensiver empfunden, als die psycho-sozialen und technischen Abwehrkräfte und Schutzdämme immer brüchiger wirken. Streiks und globaler Rohstoffterror könnten Industrienationen disziplinlos machen, unter der zusätzlichen Wirkung gehäufter Terroraktionen ins Chaos stürzen. Bereits 1865 wurde Nitroglycerin für kriminelle Zwecke mißbraucht wann kommt die erste „hausgemachte" Atombombe für terroristische Erpressung zum Einsatz „Our society has become increasingly vulnerable. The concentration of populations in vast, inadequately policed cities, the multiplication of dams and viaducts, of industrial concentrations, harbours, power stations, oil wells, and petroleum refineries have created numerous targets which are not only extremely important but also highly vulnerable. For example, in November 1972, two American „air pirates“ circled several times over the nuclear power Station at Oakridge in an aeroplane they had seized, threatening to crash into it.“

Verschärft wird die Besorgnis angesichts der Erzwingung internationaler Partizipation und Involvierung bei Terroraktionen durch den sogenannten Terrorexport, also die beliebig weite Verlegung der Schauplätze vom terroristischen Steuerungszentrum.

Mit dem zunehmenden Gefühl des Ausgesetztseins, der Auflösung transzendentaler Glaubensgeborgenheit und der tiefen Irritation durch Rückfälligkeit in schlimmste Barbarei bekommen aber auch die traditionellen Taktiken und Instrumente des Terrorismus zusätzlich erhöhte Bedeutung im Krisenbewußtsein des einzelnen. Unter Betonung des Modellcharakters ließe sich das klassische Instrumentarium zur Stützung oder Beseitigung von Herrschaft in Staaten oder sozialen Gruppierungen etwa folgendermaßen aufschlüsseln: — Psychoterror zur Schwächung und Vereinzelung von Regimegegnern. Es kommen zum Einsatz: Telefonterror, Drohbriefe, Arbeitsplatzentzug, Publikationsverbot, soziale Isolierung. Andererseits wird Psychoterror geübt zur Befähigung zur terroristischen Tat durch Fanatisierung, revolutionäre Indoktrination; — Beugehaft-Erziehungsterror, z. B. in Konzentrationslagern („Archipel-Gulag"), Politische Psychiatrie; — Folter, Verstümmelung, Schauprozesse; — Bombenwürfe, Briefbomben, Zeitbomben, Brandsätze; — Attentate gegen prominente System-Repräsentanten; gegen Verräter der Revolution;

— Entführung von Politikern, Diplomaten, ho-hen Industriemanagern;

— Lähmung der antiterroristischen Verfolgungsorganisationen durch Scheinangriffe, Zusammenrotten, Scharmützel mit der Polizei usw. Der aktiven Bekämpfung des Terrorismus wird durch Objektschutz und Personenobservation Personal tausendfach entzogen;

— Demonstrationsattentate zur Einschüchterung und Erweckung des Eindrucks von großer Mächtigkeit und Kompromißlosigkeit (Ermordung von Israelis bei der Olympiade in München) ;

— Kommando-Unternehmen (RAF, „ 2. Juni', „Schwarzer September", Tupamaros, Monto-neros usw.);

— Geheimpolizei (Tscheka, Gestapo, Staatssicherheitsdienste) ;

— Wahlterror (Einschüchterung, Schlägereien, Fälschungen);

— Sabotage (Sprengung von Lichtmasten, Bahnschienen);

— Flugzeugentführungen;

— Geiselnahme zur Erpressung;

— Von besonderer Aktualität ist die Guerillaund Partisanentaktik. Mit modernsten Kleinwaffen und technischem Gerät wird „Krieg geführt unter besonderer „tellurischer -Zamora ] Anpassung an das jeweilige Ope35a) rationsterrain, gemäß Maos Weisung: „Rückt der Feind vor, ziehen wir uns zurück; macht erhalt, umschwärmen wir ihn; ist er ermattet, schlagen wir zu; weicht er, verfolgen wir ihn.“

Die attributive, instrumentelle Qualität des politischen Terrorismus wird nirgends so deutlich wie darin, daß die revolutionären Handlungsanleitungen von Mao, Castro, Guevara und anderen inzwischen von den angegriffenen Machthabern gegen ihre Regimegegner zum Teil erfolgreich angewendet werden, wie Fritz R. Allemann mit Bezug auf die südamerikanische Szene feststellt’ Eine hier nicht weiter verfolgbare Sonderform von Gewaltpolitik stellt Kriegsterror dar, z. B. Bombenterror gegen Großstädte, U-Boot-Krieg gegen Neutrale, Talsperrenvernichtung, Gasangriffe, Kamikaze, Haßerziehung durch Greuelpropa-ganda, Feindvernichtung („keine Gefangenen machen").

Die Wahl aus der Vielfalt des Instrumentariums und seine taktische Anwendung richtet sich nach dem angestrebten Ziel und den jeweiligen Prozeßdaten und -Verläufen auf Zielverwirklichung hin Ist die Ziel-Mittel-Relation im Terrorakt für die Analytiker auffindbar, so ist dies ungleich schwieriger für die Ermittlung der personalen Wesensmerkmale des Terrorismus.

IV. Zu den personalen Wesensmerkmalen des Terrorismus

War die bisherige Ermittlung der allgemeinen Zwecke und Ziele des politischen Terrorismus nur statthaft unter Betonung des Modellcharakters, so gilt auch bei der Frage nach den Charakteristika von Terroristen, daß es keinen „typischen Terroristen" gibt. „Es gibt jedenfalls eine unendliche Vielzahl von Varianten, und genauso, wie sich der Terrorismus im Laufe des letzten Jahrhunderts verändert hat, haben sich seine Protagonisten verändert." Denn bei der Annäherung über die situativen und habituellen Bedingungsfaktoren für Terror an die Personalität der Akteure halten diese einer Introspektion nicht stand. Die Ambivalenzen in der Psychostruktur des Terroristen sind zu spannungsträchtig und flirrend. Zum selben Zeitpunkt kann sich der Terrorist als Richter und Märtyrer fühlen, zugleich bestimmt von sportiven Affekten. Er sieht sich als Akteur in einem erregenden und gefährlichen Spiel, fühlt sich als Gejagter und Jäger zugleich

Im Terroristen transzendiert der möglicherweise aus kranker Seele, aus Frustration geborene Kompensationsdrang gemeinsam mit der an vielfältigen Manifesten des Unrechts und Leidens geschärften Vernunft zur Offenbarungswahrheit. Sie setzt über alle Schran-ken von Wenn und Aber hinweg. Die Subjektivität des Terroristen wird umgeprägt zu einer geheimbündischen Koexistenz mit der Idee, daß der Mensch trotz aller Gegenbeweise aus dem bisherigen Geschichtsverlauf mit dieser Welt in Zukunft versöhnbar sei. Jedenfalls setzt die Absolutheit seiner Wertvorstellungen den Terroristen in ein stets höheres Recht. Wie für den Revolutionär die Revolution Erlösungscharakter hat, so weiß sich der Terrorist als Medium, das durch Ge-walt die Menschen aus ihrem bisherigen Gewaltschicksal herausführt Damit erkennt er sich gegenüber den bestehenden Gesetzen für injustiziabel. „Nicht die Revolution, nur ihr Scheitern kann vor Gericht stehen. ... Denn der Revolutionär bleibt bei seinem Recht, ge-gen das er nicht verstoßen, für das er im Gegenteil gekämpft hat. Deshalb können die Richter nur seine Niederlage sanktionieren: ihr Urteil statuiert nicht Rechts-, sondern Machtverhältnisse." Seine Unbedingtheit der Überzeugung stellt den Revolutionär frei zur terroristischen Tat — im Prinzip. Praktisch nämlich agieren Revolutionär und Terrorist zumeist „arbeitsteilig".

Der Terrorist ist eher Jünger, Apostel der Tat, bestimmt aber selten die „Dialog" -Regie mit dem Feind. Der Terrorist ist nicht intellektueller Stratege, bestenfalls hochqualifizierter Stoßtruppführer. Der Zukunftsentwurf ist weniger seine Sache als die rücksichtslose Schwächung des Gegners sowie die Überprüfung der sozialen Strukturbelastung durch terroristische Aktionen. In ihnen weiht sich der Terrorist einem revolutionären Ziel, dessen Realitätsfähigkeit auf ihn als Infragestellung kaum mehr zukommt; in der Notwendigkeit des Umsturzes hat für ihn die Tat ihre Plausibilität. Der Terrorist fühlt sich offenbar weder bedürftig noch beauftragt, die Begrenztheit erfahrbarer Wahrheit und ihre dauernde Übergängigkeit zurückzuweisen. Der dialektische Prozeß für die Aussperrung von Zweifeln wird primär dem Revolutionsideologen zugewiesen. Von ihm wird Terrorismus im Anspruchsfeld von Glaubensmacht und von kritischer Prüfung der aus der Geschichte rinnenden Möglichkeiten sozialer Qualitätsveränderung mit höchst unterschiedlichem rationalem und emotionalem Aufwand legitimiert.

Neben herostratischen Psychoten, neben nero-nischen Eiferern, die Gott sein vollen, steht sich oft qualvoll reflektierendes Märtyrertum, wie vier Beispiele zeigen mögen:

Der »Anarchist" Emile Henry erläuterte sein Tun vor Gericht: „Wenn ein Mensch in der gegenwärtigen Gesellschaft ein Rebell wird, der seiner Tat bewußt ist, so heißt dies, daß sich in seinem Geiste ein deduktiver Gedankenprozeß vollzogen hat, der sein ganzes Leben umfaßt und die Ursachen seines Leidens erforscht hat. Er allein ist also Richter darüber, ob er ein Recht hat oder nicht, den Haß zu nähren und wild, sogar grausam zu werden."

Dagegen steht aus humanitärer Verpflichtung das Selbstverbot Guevaras, lediglich zur Trauer fähig zu sein: „Viele werden mich einen Abenteurer nennen und ich bin auch einer, nur von besonderer Art, einer von denen, die ihre Haut hinhalten, um ihre Wahrheit zu beweisen. Es kann sein, daß dies das Ende ist. Ich suche es nicht, aber es liegt im logischen Kalkül der Möglichkeiten." Camilo Torres werden die Worte zugeschrieben: „Ich glaube, daß ich mich aus Liebe zu meinen Mitmenschen der Revolution geweiht habe! Ich habe aufgehört, die Messe zu lesen, um diese Liebe zu den Menschen auf , welt-lichem', das heißt wirtschaftlichem und sozialem Gebiet zu verwirklichen. Wenn die Revolution vollzogen sein wird, werde ich wieder das Meßopfer feiern. Der Kampf ist lang. Laßt uns beginnen.“

In seinem Werk „Der stumme Prophet" formuliert Josef Roth die ideologische Ausweglosigkeit: „Die Natur hat uns für unsere Ohnmacht mit einer zu starken Liebe begabt, sie übersteigt unsere Kräfte. Wir gleichen einem Menschen, der nicht schwimmen kann, einem Ertrinkenden ins Wasser nachspringt und untergeht. Aber wir müssen springen. Manchmal helfen wir dem andern, aber meist gehn wir beide unter. Und es ist unbekannt, ob man im letzten Augenblick eine Seligkeit empfindet oder einen gewissen bitteren Zorn." Solch reflektierter Moralität steht das Credo einer Ulrike Meinhof gegenüber, die die sich sorgende Skepsis wohl wie mit Steinen erschlug, von selbstvernichtender Härte war, um Symbol zu werden, um Zeichen zu setzen — aber für was? Weder Meinhof selbst noch Nachfolgekomitees oder Parallelorganisationen boten hinter und bieten bislang der Vereisung ihrer Gefühle die bildfähige Alternative einer gerechteren Gesellschaft an, ja scheinen sogar die Herbeiführung ihrer Voraussetzungen durch die Art des Terroreinsatzes zu hintertreiben. Eine Mußmaßung, die Stichwort für eine kurze Betrachtung des westdeutschen Sonderfalls unter den allgemeinen personalen Wesensmerkmalen von Terroristen sein möge. Vermag der IRA-Kämpfer, der Palästinenser, der French-Canadian, der Molukker oder Baske, der korsische Autonomist oder der Tiroler Separatist seine Terrormotive rezipierbar zu machen, der westdeutsche Terrorismus vermag es nicht, läßt seine Realitätsfähigkeit unüberprüfbar. Das Wort Johano Strassers von dem „Denkschema einer säkularisierten Kar-freitagsmystik" verweist auf einen Argumentationswirrwarr, aus dem der Terror in einer Weise hervorbricht, die im Grunde revolutionäre Vorbilder ebenso hintergeht wie die taktischen Verfahren zur Schaffung der Umsturz-Situation. Statt propagandistisch zu wirken gegen die Machtzentren des Gegners, statt „Terror als Mittel der Überzeugung“ (Lenin) geschickt in die Massenagitation ein-zubauen, scheint sich in den jüngsten brutalen Terrorakten Ich-Dominanz, autistische Perversion jeglicher Revolutionskultur zu verabsolutieren. In ekstatischer Kälte, in Verkümmerung revolutionärer Strategien zu platten Racheparolen wird Terror geübt, ohne seine Funktionalität für eine „gewaltsame Selbsttransformation der Gesellschaft" (K. W. Deutsch), sprich Revolution, zu strukturieren

Das gegenwärtige Gebaren der westdeutschen Terroristen verfällt geradezu dem Leninschen Verdikt über den linken Radikalismus als Kinderkrankheit des Kommunismus. Weder werden revolutionäre Prozesse gefördert, noch Anhänger rekrutiert Der Terrorist macht damit die Ideen unglaubwürdig, in deren Na-men er zu handeln vorgibt. Er vertut die Chance, sich wie ein Guerillero als Avantgarde des Volkes fühlen zu dürfen, verengt die eigenen Versorgungsund Rückzugsareale, vernichtet in der Terrortat einen Teil des revolutionären Kalküls. Die Qualität des gegenwärtig beobachtbaren Terrorismus unterstreicht geradezu exemplarisch die Ignoranz gegenüber dem von Paine formulierten Kampfprinzip: „Die größte Gefahr droht Revolutionen von dem Versuch, sie auszulösen, ehe ihre Prinzipien oder ihre Vorteile hinreichend erkannt und verstanden werden." Konträr zu jeder, besonders jeder sozialistischen Subversionsregie, die eine spezielle Verpflichtung zur systematischen Propaganda enthält erscheinen die terroristischen Aktivitäten ohne angemessene Rationalität. Sie sind nicht als Schild angelegt, unter welchem die Stollen zur neuen Freiheit vorgetrieben werden.

Die platte These Clutterbucks, der Terrorist erzeuge nur selten fortschrittliche Veränderungen, zumeist schaffe er nichts, „außer, daß er tötet und zerstört" findet in der westdeutschen Szene Bestätigung. „Die Frage in-dessen, wie die gewaltige Kluft zwischen den vereinzelten terroristischen Aktionen und der Entfaltung eines von Volksmassen getragenen Volkskrieges jemals überbrückt werden könnte, wird vom deutschen Terrorismus nicht gestellt." Die Art der Attentate und ihre sich in Schlagwort-Völlerei erschöpfende Begründung wenden sich geradezu verräterisch ge-gen die einfachsten Gebote revolutionärer Strategie find taktischen Vorgehens. Die revolutionäre Aufforderung, bewaffnete Kampfformationen zu bilden, wie Stadtguerillas zu operieren gegen „Reform" (!), gegen „Faschismus" und „bürgerliche Gewalt" bleibt ohne Programmatik, veräußert sich in Kugelblitzen punktueller Die Tat-und Täterbilder reizen auf zur billi-gen Charakterisierung als Psychopathen. Doch was heißt das schon? Was sind sie wirklich? Jedenfalls sind es keine Putschisten und Palastrevoluzzer, die einen Elitentausch an der Spitze des sonst intakt zu belassenden Systems anstreben. Es sind keine sozialistischen Revolutionäre, keine Sozialrebellen, keine Guerilleros, die auf die Sympathien der Massen aus sind, in ihnen ihre Stützpunkte suchen Es sind keine Anarchisten, weil sie sich für eine syndikalistische Befähigung zur Organisation herrschaftsfreien Lebens nirgends beweispflichtig zeigen Sie sind keine Akrati-sten, die politische Herrschaftskonflikte in flower festivals umbetten möchten

Begriffe wie „Extremist" und „Radikaler“ helfen auch nicht weiter. Denn der Extremist bekämpft das System, zu dessen Mitte er in einer extremen Position steht, noch von der Innenseite der Systemgrenze her. Dem Extremisten ist stets die Darlegung möglich, statt Umsturz Kurskorrekturen zu wollen, nur auf die Beschleunigung

evolutionärer

Veränderungen

hinzuarbeiten. Der Extremist ist im Grunde gegenüber dem System nicht in der Position des von seinem Gewissen bevollmächtigten Revolutionärs, sondern als Gegner der Regierung und gewisser Sozialstrukturen in jener des radikalen Reformers, wie etwa die kaiserliche Sozialdemokratie, bevor sich das „anarchistische" Potential in ihr als Alternative 1907 in Amsterdam organisierte

Der Radikale personalisiert einen hohen Intensitätsgrad von Systemkritik, läßt seine Argumente aber nicht aus Gewehrläufen kommen, geht zwar an die Wurzel des „Übels", fetischiert es in seiner Theorie, ohne bei der politisch-praktischen Extraktion mit Hand anzulegen. Bei Protestaktionen marschiert er mit den Genossen Arm in Arm — allein. Seine Beziehungen zum Volk winden sich durch Bücherwände, in der unmittelbaren Begegnung mit der-Masse hat er seinen existenziellen Entscheid zu treffen — entweder revolutionärer Anführer zu werden (Lenin, Trotzki) oder sich zurückzuziehen in die Bezirke der politischen Philosophie, wo man Wegweiser ist, ohne selber vorangehen zu müssen, wo man eloquent neue Horizonte aufreißt, nach denen die kritische Jugend bereits tastete (Marx, Sartre, Merleau-Ponty, Marcuse)

Auf diesem Hintergrund vermag der westdeutsche Terrorismus erst recht keine konkretisierbaren revolutionären Ziele zu vermitteln, mag er sich auch subjekt durch eine Aufstandsideologie determiniert sehen. Ist die Terrortat möglicherweise nur Ersatz-Revolution? Ist sie Ausdruck des Wunsches, wenigstens im spitzen Augenblick des terroristischen Aktes sich der existenziellen Spannung von Stärke, Recht, Moralität zu entziehen und den Grundkonflikt von Herrschaft und Wider-stand einfach mit Argumenten nicht mehr austragen zu wollen? „Waren die . direkten Aktionen'der Antiautoritären so etwas wie nichtterroristische . Propaganda der Tat'und von relativ großem Einfluß auf die Hochschulreform, so war der Terror der RAF . bewaffneter Kampf ohne revolutionäre Massen, ohne revolutionäre Parteien und Gewerkschaften, ohne anarchistische Strategie — sinnlos.“ Hoffen die Terroristen nur auf eine allgemeine Fruchtbarkeit aus der strikten Negation des Bestehenden, auf einen Bürgerkrieg ohne finale Sinngebung?

Mit solchen Fragezeichen, mit Feststellungen von romantischen Rückfällen ins Bodenlose, von antirationalistischer Emigration und Preisgabe traditioneller Revolutionsprinzipien will und kann es nicht sein Bewenden haben. Die Herkunft und der während der Ausbildung vor Abgleiten in die Terrorszene beobachtbare intellektuelle Zuschnitt der meisten heute bekannten Terroristen nährt immer wieder den Verdacht, es müsse mit ihnen eine ganz besondere Bewandtnis haben, es müsse verborgene, hochkarätige Strategien geben oder eine geheimnisvolle ideologische Kraftquelle, die gegen das Leiden der Opfer und die Chancenlosigkeit der eigenen Zukunft immunisiert. Die mentalen Dispositionsanalysen lassen bis-her jedoch nur gewisse Annäherungen an den Kern der Persönlichkeit des Terroristen zu Obwohl sie nicht objektvierbar ist, sondern sich nur im jeweiligen „Paradigma“ (T. S. Kuhn) der Tat konstituiert, so erscheint als Regel, daß Terroristen über beachtliches intellektuelles Format, technische Gewandtheit und optimale Beherrschung des Aktionster-rains verfügen. Die Befähigung zur Mimikry, die eine Operation dicht am Feind erfolgreich macht, verlangt geradezu, daß sich die revolutionären Terrorgruppen zusammensetzen und geführt werden von Abtrünnigen jener Gesellschaftsschichten, die nun besondere Angriffsziele sind. Eigene materielle Not treibt sie nicht; ihr Eintritt für mehr Menschlichkeit und Gerechtigkeit mit Terroraktionen setzt jedoch an die Stelle der Vernunft die absolute Offenbarungswahrheit, leugnet die Geschichte als Prüffeld für die Machbarkeit des neuen Menschen und verfällt als despotische Moralität dem sich in der Tat perpetuierenden großen Befähigungsnachweis für die terroristische Ordensgemeinschaft. Gerade die Umstände im Fall Ponto und Schleyer verweisen auf diese ausweglose Selbstverstrickung, die LJ. Matz se ausweglose Selbstverstrickung, die U. Matz formuliert hat: „Aus dem Terror als Mittel zur Erreichung der Utopie, dem zukünftigen wahren Leben des Menschen, wird der Terror der Vernichtung, hinter dem kein fernerer Zweck mehr erkennbar ist, ein Terror, der womöglich aus der maskierten Verzweiflung lebt, daß ein Leben der Utopie niemals gelebt werden wird.“

Unterstellen wir einmal dem Terroristen das Wissen, daß mit jedem Fingerzeig auf das angefeindete System drei Finger auf ihn selbst zuruckweisen, dann wäre die Terrortat dennoch zielimmanent zu rechtfertigen mit einem angestrebten Brutalisierungsund Faschisierungseffekt unserer Exekutive und Rechtspre*chung Doch gerade jene, deren Unterdrük-kung zu mildern die Terroristen angetreten sind, rufen um so lauter nach „law and order", während sich die Sympathisanten, wie zum Beispiel die „Göttinger" Reaktionen auf die Ermordung Bubacks beweisen, in jenen Kreisen finden, die der Täterherkunft konvenient sind. Die programmatische Konturlosigkeit der jüngsten Entwicklungen des westdeutschen Terrorismus muß die Frage zulassen: Sind die Untaten der Terroristen in Wahrheit Vatermorde? — mit subjektiven Motiven einer Feindseligkeit, die übermächtig ist wie bei Triebtätern? Eine andere „Begründung“ deutet der einstige Insider des deutschen Terrorismus Michael „Bonnui" Baumann an: „Daß du dich für den Terrorismus entscheidest, ist schon psychisch vorprogrammiert. Ich kann es heute bei mir sehen, das ist einfach Furcht vor der Liebe gewesen, bei mir selber, aus der du dich flüchtest in eine absolute Ge-walt."

Setzt man dieses Problem in Bezug zu den Terrorszenen in aller Welt, bestätigt sich besonders für das Erscheinungsbild bei uns: „Where sociology deals with violence, it finds no solid base but the factual description of the actions and Statistical enumeration: all motives re-main subjective" Damit scheint Terrorismus undefinierbar, nur als Schlüsselbegriff theoriefähig.

V. Zusammenfassung und Probleme einer empirischen Terrorismustheorie

Die Motivvielfalt, die Wechselwirkung von personalen, situativen und habituellen Elementen im Terrorakt sind nicht kategorisierbar, d, h. nicht wie im naturwissenschaftlichen Experimentbeliebig oft überprüfbar zu machen; sie entziehen sich einem Organigramm empirischer Theorie Wenn diese dadurch bestimmt ist, daß in einem Aussagesystem von Ursachen, Zielen, Instrumenten und Akteuren einige Elemente austauschbar sind, ohne den hohen Organisationsgrad des Aussagesystems insgesamt zu zerstören, dann verweigert sich Terrorismus solch theoretischer Bewältigung.

Denn Terror ist nicht als Gegenstand statuierbar, Erschrecken und Angst lassen ihre Intensität nicht ins konservierende Wort setzen, sonst würden sie sich begrifflich entleiben. Der „Hiroshima-Effekt" etwa, also die in der Distanz zum Tatort variierende Anteilnahme — man denke an die bei uns medienpolitisch auf tragische Groteske getrimmte Terrorherrschaft Idi Amins —, bestätigt, daß wir alles, was wir kognitiv erfassen, uns mit unterschiedlicher Rezeptivität und Intentionalität aneignen. Nicht nur das bisherige Unvermögen, verbindlich zu definieren, was zum Beispiel Demokratie, was Frieden, was Aggression ist, offenbart dies.

Sehen die einen etwa im Stalinismus einen verabscheuungswürdigen Gipfel von Staatsterror, betrachten ihn andere als notwendige Hindernisbeseitigung für eine auf weniger Entfremdung angelegte Revolution. Wollen die einen Präsidentenmörder und Bombenwerfer ohne Federlesen abschießen, bezeichnen andere die Täter als krank, die kaputt machen, was sie kaputt gemacht hat, also die vom Präsidenten präsidierte Gesellschaft. Sind Taten irischer Geheimorganisationen für Engländer Anlaß zu tiefstem Abscheu, wird sie mancher Ire vom Zwang der Umstände her billigen. Galt Terror hier als niederträchtigstes Emanzipationsmittel des vierten Standes, galt er dort als einziger Hebel zur Besserung des Lebensschicksals. Kurz: Terror hat seine begriffliche, jederzeit ortsungebunden überprüfbare Qualität nicht durch sich selbst, sondern konstituiert sich als Schlüsselbegriff für das Maß jeweils spontaner Betroffenheit.

Terror ist nie spezifische Interaktion zwischen Tätern, Opfern und reagierendem Umfeld, die sich abtastbar gegenständlich veräußert, sondern sich spontan als Spannung zwischen individueller Autonomie und sozialer Herausforderung einstellt, subjektiv verdichtet zu Entsetzen, Berührungsangst, Fatalismus. Patentrezepte dagegen zu erheischen, wäre Selbstbetrug. „Es ist nicht möglich, Gesinnungsethik und Verantwortungsethik unter einen Hut zu bringen oder ethisch zu dekretieren: weichet Zweck welches Mittel heiligen solle, wenn man diesem Prinzip überhaupt irgendwelche Konzessionen macht."

Die somit äußerst mühevolle Ergründung im Terror manifestierter Sozialpathologien und die Ermittlung praktikabler Präventionen verlangen analytische Beharrlichkeit und ein sich im Ermittlungsprozeß schärfendes Bewußtsein für die Kon-fliktbeziehungen zwischen ideologischen Absolutheitsansprüchen und den Gewaltpotentialen in unseren Produktionsund Sozialstrukturen. Diese Beharrlichkeit muß die bisherige Sucht abbauen, rasch starre Positionen zu beziehen und Widersprüche nicht auszutragen Wie bereits bei vielen anderen Problemen geschehen, darf Terrorismus nicht zum Fetisch des rechten und linken Irrationalismus werden. Nur wenn eine demokratisch legitimierte Gesellschaft sich nicht nur zu ihren Bequemlichkeiten, sondern auch zu den Pflichten und Gefahren offensiv und tätig bekennt können die Strahlungsherde des Terrorismus ausgemacht, kann das Sympathisantenfeld eingeengt werden. Hier sollte endlich ein intensiveres Bemühen um psychologische Aufhellung der Gruppendespotie, der Angst-Bindung der Terroristen untereinander einsetzen Schwerpunkte im Aufklärungsprogramm ge-gen politischen Terrorismus müßten sein die Isolation der jetzigen Terroristen und die Ausräumung der sozialen Strukturdefekte, die zur Sozialisation des Terrors unter der besonders für ihn anfälligen Jugend befähigen. Die Isolation der aktiven Terroristen sollte angestrebt werden durch Hinweise darauf, daß im gesamten Geschichtsverlauf in nur wenigen Fällen Terrorismus zum erstrebten Erfolg geführt hat und Aussichten auf Systemveränderung zur Enttäuschung wurden 72). Natürlich ruht die Schwäche dieser Information darin, daß der bisherige Mißerfolg erst recht und gerade aufreizend für neue Versuche wirken kann, zumal das Waffenarsenal wirkungsvoller und die gegnerischen Ziele verwundbarer geworden sind. Entsprechend sollte die technische und personelle Verbesserung des Auf-klärungs-und Fahndungsapparates ebenso erfolgen wie eine gezielte Strafverschärfung aber auch eine qualitativ bessere bewußtseinsmäßige Zurüstung der Rechtspflege für Terroristenprozesse. Wichtig wäre dazu eine Informationspolitik, die den Bürger aus seiner Zuschauerrolle löst und ihn zur kritischen Unterstützung bei der Ermittlung gegen Terroristen gewinnt. Ferner müßte mit der internationalen Ausweitung des Terrors die Internationalisierung seiner Bekämpfung synchron gehen

Parallel zur instrumenteilen Verbesserung der Terrorismusbekämpfung muß eine Politik für und durch die Öffentlichkeit betrieben wer-den, die junge Menschen davon abhält, sich als Stafettenträger, Lieferanten oder Informanten für die Terroristen anwerben zu lassen, ihre Nachschubdepots, Verstecke und Waffenlager zu betreuen und zu versorgen, Fluchtwege offen zu halten. Um Jugendliche dem Magnetfeld des Terrorismus zu entziehen, darf nicht nur verbal bekannt werden, daß „das beste Mittel zur Verbrechensvorbeugung soziale Gerechtigkeit ist" Wir müssen alles tun zur Verhinderung, daß die Jugend dem Gewaltkult verfällt, sich aufgibt, weil sie nichts mehr zu verlieren hat außer dem Willen, sich nicht in Existenzangst und Opportunismus zu ducken. Wir dürfen nicht Zeugen und Mittäter sein beim Anwachsen der Unfähigkeit, „einen wesentlichen Teil unserer Grundwerte an einen wichtigen Teil der jun-gen Generation weiterzugeben" Allzulange wurde mit der Prosperität als wahrer Klammer der Nation auf Gemeinschaftsfrieden gepokert. Wenn sich nun viele Jugendliche als politische Ware im Kampf von Gruppeninteressen und als Objekt wechselseitiger Verantwortungsdelegation für fragil gewordene Zuwachsraten verstanden sehen, bildet ihr radikaler Protest gegen die verschärfte Ideologie des job power jenen Boden, wo Terrorismus Wurzeln schlägt.

Junge Menschen müssen durch Vorbilder der Tat darüber Gewißheit erhalten, daß alle zum Kampf um bewahrende und erneuernde Gerechtigkeit als anthropologische Grundausstattung aufgerufen sind daß Recht nicht um seiner selbst willen, nicht um einiger Gruppen willen, sondern für die Gesellschaft da zu sein hat Damit kann einer gegen den anderen nicht nur als Anspruchsteller auftreten — auch nicht der protestierende Jugendliche, der Extremist, der potentielle Terrorist. Ihrer Verurteilung des Herrschaftssystems muß die Frage entgegenstehen nach ihrem neuen Verständnis von Gerechtigkeit und ihrer Mach- barkeit. Auch der Einwand muß zugelassen werden, ob sich der Terrorist als Erwählter, Betrogener oder Selbstbetrüger versteht, aufgehoben in einer Person, die keine Warum-Anfrage mehr gestattet.

Wenn Erich Fried auf Fremdverschulden plädiert: „Die sogenannten Terroristen werden gemacht" so ist solche Klassifikation des Menschen als Produkt erbärmlich, negiert ihn als entscheidungsfähiges handelndes Subjekt politischer Prozesse. Jeder Systemkritiker hat sich zu vergegenwärtigen, daß Radikalismus zur Entwurzelung immer dann verlockt, „wenn die Furcht vor dem Irrtum den Willen zur Wahrheit überwältigt” Das Wort von J. Goebbels, der Sprache zur terroristischen Tatwaffe umfunktionierte, sollte den Terror-Sympathisanten hellwach machen: „Der revolutionäre Mensch steht am Anfang einer Umwälzung, nicht irgendeine soziale Notlage. Das kommt dazu. Der Revolutionär bedient sich ihrer zur Erreichung seiner machtpolitischen Ziele." Carl J. Friedrich hat Terror benannt als extreme Form gesetzloser Gewaltanwendung, „gleichgültig, ob er für die Aufrechterhaltung oder die Vernichtung eines politischen Systems angewendet wird" Dieses Wissen um die wechselseitige Versuchung durch Macht vermag von blinder Rechthaberei hier abzuhalten, dort die Hemmschwelle für Aggressivität zu erhöhen, vermag eine politische Kultur zu begründen, in der sich das Bekenntnis zu freiheitlich-demokratischen Grundwerten im existenziellen Handeln ausweist. Die Ermittlung der Sozialpathologie des Terrorismus macht zugleich wesentliche Entscheidungsprämissen für die Stabilität der Demokratie verfügbar. Dazu zählt bedachtsame Zähigkeit. Moralines Wetterleuchten und Pogromtiraden laden terroristische Energiezellen nur auf. Ihre Ausschaltung gelingt nicht in der Zielperspektive Sicherheit oder Freiheit, sondern in jener von Freiheit als Sicherheit auf Gegenseitigkeit: „Will nun unser Staat seinem freiheitlichen Leitprinzip treu bleiben, so sind seine Möglichkeiten zur Abhilfe sehr beschränkt, Wenn die inneren Regulierungskräfte der Gesellschaft ausbleiben sollten. Der freiheitliche Staat geht auch insoweit — um der Aufrechterhaltung der Freiheit willen — ein Risiko ein. Seine Möglichkeiten zur Abhilfe sind sehr beschränkt, wenn die inneren, sittlichen Regulierungskräfte in der Gesellschaft versagen." Nicht allein im Geist und im Stil ihres Kampfes gegen den Terrorismus legt sie Rechenschaft über den letzten Sinn unseres politischen Tuns, sondern auch in der wachsamen Kontrolle über jene Kräfte, die unter dem Vorwand der Terrorabwehr mit Datenbanken und Angstmacherei Maulkorb-Politik gegen Bürger betreiben wollen deren Ziel die Verkürzung der Leidenswege zur politischen Emanzipation ist.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. Details zur Verwundbarkeit der hochtechni-sierten Welt bei Gaston Bouthoul: Definitions of terrorism, in: David Carlton — Carlo Schaerf (Ed.), International Terrorism and World Security, Lon-don 1975, S. 51, S. 56,- vgl. auch Rolf Tophoven, Der Internationale Terrorismus — Herausforde-rung und Abwehr, in: Aus Politik und Zeitge-schichte, B 6/77, v. 12.2.1977, Anm. 25.

  2. S. dazu Rolf Schroers, Der Partsan, Ein Beitrag zur politischen Anthropologie, Köln/Berlin 1961, o. 42..

  3. Vgl. Urs Schwarz, Die Angst in der Politik, Düsseldorf/Wien 1976, S. 110.

  4. „Man darf nicht bedingungslos von dem Grundsatz ausgehen, auch alle die, die intolerant sind, zu tolerieren. Denn sonst vernichtet man nicht nur sich selbst, sondern auch die Toleranz." (Karl R. Popper, Utopie und Gewalt, in: Kritischer Rationalismus und Sozialdemokratie, hrsg. v. Georg Lührs u. a., Bonn-Bad Godesberg 19752, S. 305).

  5. Crane Brinton, Die Revolution und ihre Gesetze, (dt.) Frankfurt/M. 1959, S. 249.

  6. Näher dazu Paul Wilkinson, Political Terrorism, London 1974, S. 36.

  7. „La violence est en l'homme. Sauf ä se complaire dans l'utopie ou ä verser dans le totalitarisme, on ne peut former l’espoir de sa Suppression“. (Aus dem Gewalt-Rapport des franz. Justizministers Peyrefitte, zitiert nach l’Humanit v. 29. 7. 1977, S. 1).

  8. Hans Langemann, Das Attentat. Eine kriminalwissenschaftliche Studie zum politischen Kapitalverbrechen, Hamburg 1956, S. 19.

  9. Zeev Iviansky, Individual Terror. Concept and 19P 219Ys in: Journal of Contemporary History,

  10. Political Terrorism, a. a. O., S. 9, wie Anm. 8.

  11. So in Encyclopaedia of the Social Sciences, s 14 Bd., New York 1937, 12. Nachdruck 1957, 575 ff, — The New Encyclopaedia Britannica, 5 IX, Micropaedia, Ed. 197615, S. 904. — Brock»aus Encyklopädie, Wiesbaden 1973 ’, 18. Bd., s 1578. — Dizionario di Politica, Torino 1976, • 1034 ff. — „Terror kann als eine Form der Machteinem ausübung definiert werden, die auf der systematischen Erzeugung von Furcht und Schrecken beruht“ (P. Waldmann in „Grundbegriffe der politikwissenschaftlichen Fachsprache", hrsg. v. Paul Noack und Theo Stammen, München 1976, S. 305).

  12. Gaston Bouthoul, a. a. O., S. 51. Vgl. ferner Paul Wilkinson, a. a. O., S. 9 — T. P. Thornton, Terror as a Weapon of Political Agitation, in: Harry Eckstein (Hrsg.), Internal War. Problems and Approaches, 1964, S. 71 ff., zit. bei Carl J. Friedrich, Pathologie der Politik, (dt.) Frankfurt/M. 1973, S. 61; Brian Crozier, Rebellen. Anatomie eines Aufstands, (dt.) München 1961, S. 172.

  13. Hannah Arendt, Macht und Gewalt, (dt.) München 1970, S. 52, Serie Piper 1.

  14. VgL etwa Ottheim Rammstedt, Die Instrumentalisierung der Baader-Meinhof-Gruppe, in: Frankfurter Hefte, Jg. 30, 1975, H. 3.

  15. In: Roland Gaucher, Saboteure und Attentäter, Köln/Berlin 1967, S. 24 (hier zit. nach Günther Gerstenberg (München), Zemlja i volja, unveröffentl Manuskript).

  16. Näheres zum revolutionären „set" bei John Dunn, Moderne Revolutionen. Analyse eines politischen Phänomens, (dt.) Stuttgart 1974; Theodor Schieder, Theorie der Revolution, in: ders. (Hrsg Revolution und Gesellschaft. Theorie und Praxis der Systemveränderung, Freiburg i. Br. 1973 (Herder Bücherei 462); Lawrence Stone, Recent Acade-mic Views of Revolution, in: Lawrence Kaplan (Ed.), Revolutions. A comparative study front Cromwell to Castro, New York 1973, S. 43.

  17. „Das Prinzip der demokratischen Regierung 1 die Tugend, und das Mittel, sie zur Herrschaft z bringen, ist der Terror" (Robespierre). Zit. nac Urs Schwarz, a. a. O., S. 105.

  18. Friedrich Hacker, Terror. Mythos, Realit 1 Analyse, rororo Sachbuch 6928, S. 168.

  19. Zit. nach Ted R. Gurr, Why men rebel, Punce ton, N. J. 1970, S. 212.

  20. Exemplarisch: „Die Wirkung des FLN-Terroris-mus auf die französische Politik war der Entschluß, die Rebellion um jeden Preis niederzuschlagen, ja, es war geradezu ein Effekt des Terrors, daß er jede andere Politik von selbst verbot“ (Brian Crozier, ; a. 0., S. 189).

  21. Siehe generell dazu Raphael Lenne, Das Ur-Phänomen Angst. Analyse und Therapie, München 175 (bes. Kap. 10); James Ch. Davies, Aggression, Violence, Revolution, and War, in: Jeanne N. Knutson (Gen. Ed.), Handbook of political psychology, London etc. 1973; Margarete Mitscherlich, Müssen wir hassen? Uber den Konflikt zwischen innerer und äußerer Realität, München 1972.

  22. vgl. hierzu Hans Langemann, a. a. O., S. 44 ff.;

  23. Liman, Der politische Mord im Wandel der Geschichte. Eine historisch-psychologische Studie, Berlin 1912, S. 211; Ted R. Gurr, a. a. O„ S. 213; K, e Iviansky Chalmers Jo, han. sao. n°, R'Se-vo 46l. utionstheorie, (dt.) Köln Wl, S. 157 ff.

  24. Näheres zur Terroristen-Typologie im Abschnitt IV.

  25. Zum Zwangsterror von oben vgl. Carl Joachim Friedrich, Pathologie der Politik, (dt.) Frankfurt/M. 1973, bes. S. 62 ff.; Sven Papcke, Progressive Ge-walt, Studien zum sozialen Widerstandsrecht, Frankfurt/M. 1973, auch Fischer TB 6501; Ewald H. Englert, Zur Sozialpsychologie der Gewalt, in: Eduard J. M. Kroker (Hrsg.), Die Gewalt in Politik, Religion und Gesellschaft, Stuttgart etc. 1976, bes. S. 198; ferner in Kroker die S. 37, 65, 66, 100, 106; Fritz R. Allemann, Macht und Ohnmacht der Guerilla, München 1974, S. 437 ff.

  26. Eugen Kogon, Staatsterror als Ordnungsfaktor, in: Frankfurter Hefte, Jg. 31, 1976, H. 6.

  27. Vgl. Kurt Lenk, Theorien der Revolution, München 1973, S. 115, UTB 165; Barrington Moore, jr., Terror and Progress. Some sources of change and stability in the Soviet dictatorship, Cambridge/Mass. 1954, S. 157.

  28. Vgl. z. B. Martin Broszat, Zur Kritik der Publizistik des antisemitischen Rechtsextremismus; Ino Arndt, Wolfgang Scheffler, Organisierter Massenmord an Juden in nationalsozialistischen Vernichtungslagern, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 19/76, v. 8. Mai 1976; Vgl. bes. Himmlers Ansprache bei der Versammlung der Reichs-und Gauleiter in Posen am 6. 10. 1943, in: Heinrich Himmler, Geheimreden 1933 bis 1945 und andere Ansprachen, hrsg. v. Bradley F. Smith u. Agnes F. Peterson mit einer Einführung von Joachim C. Fest, (dt.) Berlin etc. 1974, S. 162 ff.

  29. Siehe exemplarisch für die Terrorisierung des politischen Bewußtseins Jutta Sywottek, Mobilmachung für den totalen Krieg. Die propagandistische Vorbereitung der deutschen Bevölkerung auf den Zweiten Weltkrieg, Opladen 1976.

  30. Vgl. zur gegenwärtigen Weltsituation die Sonderausgabe von Le Monde, Nr. 43, Juli 1977 „Les Droits de 1'homme"; „Bericht über die Folter" von Amnesty International 1976, (dt.) Fischer TB 1711; Fred R. v. d. Mehden, Comparative political violen-ce, Englewood Cliffs, N. J. 1973, S. 40 und 45.

  31. Paul Liman, a. a. O., S. 209 ff.; siehe ferner den Abschnitt „Historical origin", in: Paul Wilkinson, a a. O., S. 36— 37, 39— 41; Franco Venturi, Roots of Revolution, New York 1966; besonders das Stichwort . Terror“, in: Sowjetsystem und demokratische Gesellschaft“, Bd. VI, S. 341 ff.

  32. Unterstellt man, daß lexikalische Nachschlagewerke in der Abhandlung politischer Begriffe jeweils den korrelierenden Zeitgeist spiegeln, so ist interessant, daß in der Ausgabe der Encyclopaedia of the Social Sciences, Ausgabe 1937, 12. Nachdruck, 1957, dem Stichwort Terror/Terrorismus vier Seiten gewidmet sind, dem Nachfolgeunternehmen . International Encyclopaedia of the Social Sciences" (17 Bde.) «in Stichwort Terror/Terrorismus weder aus dem Index-Band noch unter „violence" zu entnehmen istl Auch im zwölfbändigen „Handwörterbuch der SozialWissenschaften" (1956 ff.) existiert im 1968 vorgelegten Registerband kein Stichwort „Terrorismus". Im Evangelischen Staatslexikon (erste Ausgabe 1966) fehlt noch das Stichwort „Terrorismus" in der revid. Neuausgabe 1975. Auch im Staatslexikon der Görres-Gesellschaft ist selbst im 1970 erschienenen 3. Ergänzungsband (XI) kein Stichwort zum politischen Terrorismus entdeckbar.

  33. Nach Z. Iviansky, a. a. O., S. 60.

  34. Am 17. Mai 1977 berichtete 1t. Kölnische Rundschau vom Folgetag der „Daily Express", er habe selber einen Atom-Sprengsatz hergestellt, um die Gefahr terroristischen Mißbrauchs zu demonstrieren.

  35. Gaston Bouthoul, a. a. O., S. 56.

  36. Vgl. Carl Schmitt, Theorie des Partisanen. Zwischenbemerkung zum Begriff des Politischen, Berlin 1963, S. 26.

  37. Zitiert nach Ch. Johnson, a. a. O., S. 184.

  38. Fritz R. Allemann, a. a. O„ S. 437 und S. 439 ff.

  39. Vgl. zum taktischen Variantenreichtum Paul Wilkinson, a. a. O., S. 34.

  40. Walter Laqueur, Interpretationen des Terrorismus: Fakten, Fiktionen und politische Wissenschaft, n: Manfred Funke (Hrsg.), Terrorismus, a. a. O., S. 80-81.

  41. Gaston Bouthoul, a. a. O., S. 52.

  42. Vgl. Jean Amry, Die Geburt des Menschen aus dem Geist der Violenz, in: Permanente Revolution von Marx bis Marcuse, München 1969, S. 65.

  43. Hans M. Enzenberger, in: ders. (Hrsg.), Freisprüche. Revolutionäre vor Gericht, Frankfurt/M. 1970, S. 451— 452. — „Man fühlt sich nicht persönlich schuldig, sondern tut etwas im Auftrag eines vermeintlich höheren Zweckes“ (Die Frankfurter Kriminologin Helga Einsele, zit. in Kölnische Rundschau v. 9. 8. 1977).

  44. Zit. nach Paul Liman, a. a. O., S. 234.

  45. Zit. nach Harald Irnberger, Die Terrormultis, München/Wien 1976, S. 43.

  46. Zit. nach Hans-Jürgen Benedict, Schöne Worte jenseits der Fronten? Die Friedensvoten der Kirchen und die politische Realität, in: Hans-Eckehard Bahr (Hrsg.), Weltfrieden und Revolution, Frank. furt/M. 1970, S. 168 (Fischer TB Informationen zur Zeit 1102).

  47. Joseph Roht, Der stumme Prophet, Ausgabe Erankfurt/M. etc. 1969, S. 109- 110.

  48. Johano Stiasser, Konfliktstrategie der „Neuen Linken', in: Der Mensch in den Konfliktfeldern der Gegenwart, Köln 1975, S. 269.

  49. Vgl. Karl W. Deutsch, Staat, Regierung, Politik. Eine Einführung in die Wissenschaft der verglei»enden Politik, (dt.) Freiburg i. Br. 1976, S. 191.

  50. Vgl. W. i Lenin, Ausgewählte Werke in 6 Bänden, Bd. V, Berlin (Ost) 1973, bes. S. 471.

  51. nach Sven Papcke, a. a. O., S. 89.

  52. Chalmers Johnson, a. a. O., S. 181. — Vgl. W. I. Lenin, Ausgewählte Werke, a. a. O„ Bd. 1, S. 416.

  53. j Richard Clutterbuck, Terrorismus ohne Chance, Stuttgart 1975, S. 180.

  54. Horst Herold, Taktische Wandlungen des deutschen Terrorismus, in: DIE POLIZEI, S. 402, H. 12, 1976.

  55. So der Aufruf der Zeitung „Revolutionärer Zorn", zit. nach „Innere Sicherheit", Ausgabe v. 18. 8. 1976, Nr. 35.

  56. Vgl. Chalmers Johnson, a. a. O., S. 185.

  57. Vgl. generell Peter Lösche, Anarchismus — Versuch einer Definition und historischen Typologie, in: Politische Vierteljahresschrift, H. 1, 1974, S. 53 ff; siehe auch Günther Bartsch, Kommunismus, Sozialismus, Anarchismus. Marx und die sozialen Bewegungen, Bonn 1975 (Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung Bd. 72).

  58. Vgl. dazu den Bericht Walter Haubrichs über das internationale Treffen der Anarchisten in Barcelona in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung v. 26. 7 1977.

  59. Vgl. zu diesem stichwortartigen Hinweis Walter Borgius, Die neuere Entwicklung des Anarchismus, in; Zeitschrift für Politik, Bd. 1, 1908, S. 514 ff.

  60. Vgl. hierzu generell unter bes. Berücksichtigung Sartres den Aufsatz von Karl Heinz Stahl, Terror und Terrorismus, in; Tribüne, H. 57, 1976, 15. Jg. — S. ferner Hans Heinz Holz, Die abenteuerliche Rebellion. Bürgerliche Protestbewegungen in der Philosophie. Stirner, Nietzsche, Sartre, Marcuse, Neue Linke, Darmstadt/Neuwied 1976, bes. S. 240 (Philosoph. Texte 5). George Lichtheim, über Trotzki, in: Das Konzept der Ideologie, edition suhrkamp 676, bes. S. 112 ff.

  61. Vgl. generell Niklas Luhmann, Macht, Stuttgart 1975, S. 64 ff. 91)

  62. Generell Arthur Kaufmann in Verb, mit Leonhard E. Backmann (Hrsg.), Widerstandsrecht, Darmstadt 1972 (Wege der Forschung CLXXIII). — Diese strategische Blindheit wird besonders eindringlich im Bezug auf Maurice Merleau-Ponty, Humanismus und Terror, (dt.) Frankfurt/M. 1976.

  63. Franz Neumann, Anarchismus, in: ders. (Hrsg.), Handbuch politischer Theorien und Ideologien, Handbuch rororo 6214, S. 278.

  64. Vgl. Ronald Grossarth-Maticek, Revolution der Gestörten? Heidelberg 1975; ders., Anfänge anarchistischer Gewaltbereitschaft in der Bundesrepublik Deutschland, Bonn-Bad Godesberg 1975. Lothar von Balluseck, Auf Tod und Leben. Letzte Dämmerungen für Deutschland, Bonn-Bad Godesberg 1977, S. 143 ff. Edith Eucken-Erdsiek, Jugend, die nicht Erbe sein will, in: dies., Die Macht der Minderheit, Herderbücherei 372. Besonders anfällig für ein Abgleiten in den Terrorismus ist nach dem jüngsten, umfassenden Gewalt-Rapport der franz. Regierung vom Juli 1977 die Gruppe der 16-bis 25jährigen, in Großstädten wohnhaft, mit „gestörten" Familien-Verhältnissen. — Hans J. Horchern, Wurzeln des Terrorismus in Deutschland, in: Die neue Gesellschaft, 1976, H. 1. Alexander Mitscherlich, Pro test und Revolution, Toleranz — Überprüfung eines Begriffs. Ermittlungen, Frankfurt/M. 1974, S. 136 ff. (st 213). Richard Clutterbuck, Terrorismus ohne Chance. Analyse und Bekämpfung eines internationalen Phänomens, (dt.) Stuttgart 1975, S. 33, S. 181 Michael Baumann, Wie alles anfing. München 1975, (1. Aufl.).

  65. Ulrich Matz, Politik und Gewalt. Zur Theorie des demokratischen Verfassungsstaates und der Revolution, Freiburg/München 1975, S. 264.

  66. Bernd Guggenberger, Guerilla in Deutschland? shwierigkeiten und Gefahren in der Demokratie, nDie politische Meinung, H. 166, 21. Jg. 1976, 3. 64.

  67. So der „Stern“ v. 11. 8. 1977, Nr. 34 S. 77 — Vgl. Werner Marion Gräfin Dönhoff, Wenn alles in Frage 9estelt wird, DIE ZEIT, 5. 8. 1977. — Vgl. bes. Wiederentdeckung einer Realität", in: „Neue Zür«erZeitung", 17. /18. 4. 1977, s-1. 1.

  68. Michael Baumann, Wie alles anfing, zitiert nach der Ausgabe Frankfurt 1976, S. 130.

  69. Gaston Bouthoul, a. aO., S. 57.

  70. Hier gilt die gleiche Voraussetzung wie bei der vergeblichen Typologisierung von „Revolution“. Vgl. die Schlußbetrachtung bei John Dunn, Moder-ne Revolutionen. Analyse eines politischen Phänomens, (dt.) Stuttgart 1974, S. 207 ff. — Als Vorbild zur Ermittlung des „Terrorismus“ vom Allerweltsbegriff bis hin zu seiner Existenzial-Qualität und seinem Kategorisierungsentzug vgl.den methodischen Prozeß bei Uwe D. Adam, Anmerkungen zu methodologischen Fragen in den Sozialwissenschaften: Das Beispiel Faschismus und Totalitarismus, in: Politische Vierteljahresschrift, 16. Jg., 1975, H. 1.

  71. Max Weber, Politik als Beruf, Ausg. Berlin 1968, S. 60.

  72. Siehe dazu das Vorwort von Günther Grass . Die angelesene Revolution" zu Jens Litten, Eine verpaßte Revolution? Nachruf auf den SDS, Hamburg 1969, S. 7. — Im Kontext: „Der schwer zu ertragende, aber notwendige Widerspruch loyaler Bindung in Institutionen bei gleichzeitig kritischer Distanz zu ihnen, läßt sich nur auflösen, wenn ein anderer Widerspruch verschwindet: der Widerspruch zwischen denen, die naiv auf der Geltung von Institutionen bestehen, weil sie über den dynamischen Charakter unserer Gesellschaft im unklaren (gelassen) sind, und denen, welche die zeitliche und strukturelle Bedingtheit von Institutionen kennen und planerisd einsetzen" (Martin Greiffenhagen, Tradition und Fortschritt als Herausforderung, in: Neue Zürcher Zeitung v. 25. 3. 1977).

  73. Hier sei zu erinnern: „Artikel 1 des Grundgesetzes sagt den Instanzen des Staates eben nicht, an welchem Ort, mit welchen Mitteln, zu welchen Lasten oder Inkaufnahme welcher Risiken der Staat die Würde des Menschen zu schützen hat.. IHe mut Schmidt, Grundwerte in Staat und Gesellschaft. Stellungnahmen von Helmut Schmidt, Helmut Kohl und Werner Maihofer, in: Herder Korrespondenz H. 7, Juli 1976, S. 356). ,

  74. Vgl. zum Ansatz Irenäus Eibl-Eibesfeldt, HeD 8 und Haß. Zur Naturgeschichte elementarer Verha tensweisen, Serie Piper 113, S. 190 ff. — Ferner zu „Gruppennarzißmus" Erich Fromm, Anatomie 142 menschlichen Destruktivität, rororo sachbuch 703 S. 229 f.

  75. Beispielhaft Emilio Lussu, Theorie des Aufstands, (dt.) Wien 1974, S. 103. — Fritz R. Allemann, a. a. O., S. 10.

  76. Das gilt insbesondere für den notwendigen Abbau von Hindernissen auf Grund der föderativen Strukturen bei uns (vgl. dazu „Terror und Gewaltkriminalität", Diskussionsprotokoll Reihe Hessenforum, hrsg. v. Eugen Kogon, Frankfurt/M. 1975). Vgl. „Bundeskabinett beschließt Sofortmaßnahmen im Sicherheitsbereich", in: Innere Sicherheit v. 10. 6. 1977.

  77. Vgl. hier Vierzehntes Strafrechtsänderungsgesetz vom 22. 4. 1976, Bundesgesetzblatt, Jg. 1976, Teil I, S. 1056 ff. — Gesetz zur Änderung des Straf-

  78. Werner Hill in DIE ZEIT v. 19. 12. 1975. — Vgl. gesetzbuches, der Strafprozeßordnung, des Gerichtsverfassungsgesetzes, auch Harald Irnberger, Die Terrormultis, der Bundesrechtsanwaltsord-Wien/München 1976, S. 306. In diesem Fall kann nung und des Strafvollzugsgesetzes vom 18. 8. 1976. natürlich nur gemeint sein ein Bemühen in kritischer Teil I, Jg. 1976, S. 2181 ff. Solidarität um die Ermittlung dessen, was soziale -B. die Europäische Konvention zum gemein- Gerechtigkeit zumindest sein muß. samen Kampf gegen den Terror/vgl. DAS PARLA-MENT,

  79. Richard Löwenthal, zit. in Rene Ahlberg, Ursachen Nr. 6, 12. 2. 1977. — Zu den Aktivitäten der Revolte. Analyse des studentischen to UNO vgl. EUROPA-ARCHIV, Folge 6/1977, Protests, Urban TB 834, S. 87. D. 137— 138 Vg] ferner „Innere Sicherheit“

  80. Vgl. hierzu die Besprechung des Buches von 18 . 8. 1976, Nr. 9— 10. — Zu den Maßnahmen s. John Rawls, Eine Theorie der Gerechtigkeit, in: auch Hans-Jochen Vogel, Innere Sicherheit — ein Evangelische Kommentare, Juli 1976, Nr. 7.

  81. Vgl. Schwerpunkt sozialdemokratischer Politik, in: Die hierzu ferner Eugen Fink, Traktat über die Gewalt Bleue Gesellschaft, März 1975, S. 188 ff.des Menschen, Frankfurt/M. 1974, S. 187.

  82. Zit. von Karl-Heinz Janßen in DIE ZEIT v. 13. 5. 1977.

  83. Helmut Kuhn, Politische Entmythologisierung, in: Zeitschrift für Politik, H. 1, 1974, 21. Jg. S. 39.

  84. Zit. bei Thilo Schabert, Das revolutionäre Bewußtsein, in: Zeitschrift für Politik, 1974, H. 1, Jg. 21, S. 11.

  85. Carl J. Friedrich, Pathologie der Politik, (dt.) Frankfurt/M., 1973, S. 62.

  86. Helmut Schmidt: Ethos und Recht in Staat und Gesellschaft, in: Günter Gorschenek (Hrsg.), Grundwerte in Staat und Gesellschaft, München 1977, S. 20— 21, (BSR 156).

  87. Vgl. dazu etwa Martin Greiffenhagen, Zurück zu Metternich? — Radikale und Verfassungsfeinde im demokratischen Rechtsstaat, in: ders. u. Hermann Scheer (Hrsg.), Die Gegenreform. Zur Frage der Reformierbarkeit von Staat und Gesellschaft, Reinbek 1975, S. 74 ff. (rororo aktuell 1943); Jürgen von Kempski, Recht und Politik. Studien zur Einheit der Sozialwissenschaften, Stuttgart 1965, S. 190. Symptomatisch das Wort Alfred Grossers: „... es scheint mir doch, als ob in der Bundesrepublik immer mehr von der Verteidigung der Grundordnung durch den Staat die Rede sei, und immer weniger von der Verteidigung der Grundfreiheiten gegen den Staat." (Grosser in seiner Dankansprache anläßlich der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels, zit. nach Werner Hill, Recht und Terrorismus, in: Vorgänge, 15. Jg., H. 20, S. 31). — Heinz Wiesbrock (Hrsg.), Die politische Rolle der Angst, Frankfurt/M. 1967. — Siehe ferner: Numerierte Bürger, hrsg. v. Gerd E. Hoffmann u. a., Wuppertal 1975.

Weitere Inhalte

Manfred Funke, Dr. phil., Lehrbeauftragter Akademischer Oberrat am Seminar für politische Wissenschaft der Universität Bonn; Redaktionsleiter der Bonner Schriften zur Politik und Zeitgeschichte. Veröffentlichungen u. a.: Sanktionen und Kanonen. Hitler, Mussolini und der internationale Abessinienkonflikt, Düsseldorf , * 1971 ital. Übersetzung Mailand 1972; Friedensforschung — Entscheidungshilfe gegen Gewalt (Hrsg.), Bonn und München 1975; Hitler, Deutschland und die Mächte — Materialien zur Außenpolitik des Dritten Reiches, Düsseldorf 19772; Mitherausgeber und Mitbearbeiter der Bibliographie zur Politik in Theorie und Praxis, aktualisierte Neuaufl. Düsseldorf 1976.