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Probleme und Ergebnisse der Sozialstrukturforschung in der DDR nach 1971 | APuZ 23/1976 | bpb.de

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APuZ 23/1976 Imprssum Freiheit oder Unfreiheit im Äther. Auseinandersetzungen in der UNO und auf der KSZE Probleme und Ergebnisse der Sozialstrukturforschung in der DDR nach 1971

Probleme und Ergebnisse der Sozialstrukturforschung in der DDR nach 1971

Emil Schimck

/ 38 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Die bisherige Sozialstrukturforschung in der DDR ist einseitig auf den Industriebetrieb und den Produktionsarbeiter ausgericbtet. Dies erklärt sich aus der Selbstdarstellung der politischen Führung als Interessenvertreterin der die Mehrheit des Volkes umfassenden Arbeiterklasse und der marxistischen Geschichts-und Gesellschaftsdeutung. Trotz der sich daraus ergebenden Fixierung der theoretischen Überlegungen auf grobe makrosoziologische Kategorien erweisen sich die Merkmale „Qualifikation" und „Charakter der Arbeit" als unabdingbar für eine aussagekräftige Strukturbeschreibung der Klassen und Schichten in der DDR. Die empirische soziologische Forschung bedeutet also auch in der DDR ein wichtiges Korrektiv gegenüber steriler, inhaltsleere Schablonen reproduzierender Theorie. Der Realisierung der politischen Ziele „Höherentwicklung der Arbeiterklasse", „Annäherung von Arbeiterklasse und Intelligenz" bzw. „soziale Homogenisierung der Gesellschaftsmitglieder" und „Vermehrung des Anteils geistiger Arbeit" u. ä. sind durch die notwendig weiterbestehende gesellschaftliche Arbeitsteilung und angesichts fortschreitenden Wandels auf diesem Felde enge Grenzen gezogen. Eine Sozialstrukturforschung, die allein am Industriebetrieb ansetzt, greift auch hier zu kurz. Dabei zeigt sich ferner, daß der Stellenwert der Arbeit als Medium der Auseinandersetzung des Menschen mit der Natur sicherlich zwar nicht gering veranschlagt werden darf, aber in Politik und Wissenschaft der DDR neu reflektiert werden muß. Die Sozialstrukturforschung könnte dann Teil einer neuen, umfassenderen Forschungsrichtung, der „Sozialplanung", werden.

Einleitung

Philosophisch-politische Überlegungen und empirische Untersuchungen zur Sozialstruktur bilden seit einigen Jahren in westlichen und östlichen Gesellschaften gleichermaßen Schwerpunkte der wissenschaftlichen Diskussion. Diese Bemühungen lassen sich unter drei Gesichtspunkten erklären: a) Zum einen lassen sich Abnutzungserscheinungen traditioneller Deutungs-und Handlungsschemata aufzeigen auf der Basis der bislang herausgebildeten gesellschaftlichen Strukturen und Sinnsysteme ist dem sehr rasch und spontan sich vollziehenden Wandel durch neue, verstärkt zukunftsorientierte Sinngebung zu begegnen. Die Vergewisserung über Ablauf und Ausmaß sozialstrukturellen Wandels dürfte neben der generellen Orientierungskrise eine Ursache auch in dem sich verstärkt stellenden Legitimitätsproblem moderner Gesellschaften haben. Im Zuge der Erweiierung staatlicher Tätigkeit verschiebt sich die Grenze des politischen Systems gegenüber dem kulturellen, woraus z. B. Habermas auf eine überproportionale Steigerung des Legitimationsbedarfs schließt

b) In der DDR muß sich die revolutionäre Minderheit nach drei Jahrzehnten der Macht-behauptung nach der weiteren Berechtigung der „Diktatur des Proletariats" fragen lassen. Dies um so mehr, als eine Beteiligung an der Formulierung gesellschaftlicher Ziele durch die breite Masse der „Werktätigen" trotz Massenakklamation auf den Parteitagen so wenig wie je in Sicht ist. Vielmehr ist die „führende Rolle der Partei" erklärtermaßen weiterhin im Zunehmen begriffen. Dies darf nicht schlicht nur behauptet, sondern muß auch möglichst gut und möglichst wissenschaftlich gegenüber der Öffentlichkeit begründet werden.

c) Eine weitere Bedingung des gestiegenen Interesses an sozialstrukturellen Veränderungen muß in der zunehmenden Notwendigkeit einer umfassenden Sozialplanung gesehen werden. Wenn Karl Mannheim schon 1935 feststellen konnte, daß ein allmählicher Über-gang zum „planenden Zugriff" erforderlich wird, „daß nicht mehr nur einzelne Ziele mit beschränkten Objekten gesetzt werden, sondern daß jetzt auch die Fernwirkungen dieser einzelnen Ziele auf größere Zielsetzungen durchdacht werden können" dann gilt dies erst recht für die neuere Zeit

Wert-und Orientierungsproblematik, Legitimitätsproblem und der technische Aspekt der Planung sind eng miteinander verflochten. Soziale Planung, gleichgültig ob an Konfliktvermeidung oder an positiver Veränderung orientiert, tangiert in jedem Fall die anderen beiden hier genannten Bereiche.

Vor diesem Hintergrund muß das in den letzten Jahren rasch gestiegene Interesse der politischen Führungen in der DDR und den anderen RGW-Ländern an der Sozialstrukturforschung gesehen werden. Der rasche technische Wandel in diesen Ländern hat vielfältigen sozialen Wandel, etwa im Bereich des Bildungsniveaus, zur Voraussetzung bzw. zur Folge. Damit wird zugleich auch die sozialistisch-kommunistische politische und gesellschaftliche Wert-orientierung sowie die Legitimität des politi-sehen Systems in den Wandel mit einbezogen. Die in der DDR im Bereich der Sozialstruktur-forschung entfaltete Aktivität zeigt, daß diese Zusammenhänge erkannt und ernst genommen werden. An erster Stelle des zentralen Forschungsplans der DDR 1972— 1975 steht dementsprechend der Forschungskomplex: „Das weitere Wachstum der führenden Rolle der Arbeiterklasse und ihrer marxistisch-leninistischen Partei; die Klassenstruktur der DDR und die Bündnispolitik der Arbeiterklasse Auch eine neuere Umschreibung der „wissenschaftlich-technischen Revolution“ (WTR) bestätigt den hohen Stellenwert, der politischen und gesellschaftlichen Prämissen und Modellvorstellungen im Rahmen des technisch-sozialen Wandels eingeräumt wird

Wenn heute von kompetenten Fachvertretern in der DDR darauf hingewiesen wird, daß die marxistisch-leninistische Soziologie sich nahezu seit ihren ersten Anfängen — in der DDR zu Beginn der sechziger Jahre — mit Sozialstrukturforschung beschäftigt hat so ist doch nicht zu übersehen, daß die letzten Parteitage der kommunistischen Parteien 1971 die Auseinandersetzung der Gesellschaftswissenschaftler mit diesem Thema deutlich forciert haben.

Die in den einzelnen Ländern schon vor 1971 geführten Diskussionen litten, zumindest international gesehen, an der Uneinigkeit in grundlegenden theoretischen Fragen. Dazu gehörte die eigenwillige SED-Gesellschaftskonzeption in den letzten Jahren der UlbrichtÄra, nämlich das „entwickelte gesellschaftliche System des Sozialismus" (ESS), das den Sozialismus als eine lang andauernde, „relativ selbständige sozialökonomische Formation"

begriff Gerade die darin „zum Ausdruck kommende Bescheidenheit gegenüber der Sowjetunion" und die Distanz zu sowjetischen Experimenten lief deren Integrationsabsichten insbesondere für den ideologischen und wissenschaftlichen Bereich zuwider. Mit der programmatischen Wendung des VIII. Partei-tages der SED zur „entwickelten sozialistischen Gesellschaft" (ESG) wurden von dieser Seite grundlegende Voraussetzungen für eine auf gleichen Prämissen beruhende ideologische und sozialwissenschaftliche Zusammenarbeit mit der Sowjetunion hergestellt und deren Führungsrolle sogar noch verstärkt Doch auch in der Sowjetunion vorgelegte Veröffentlichungen zur Sozialstrukturforschung wiesen erhebliche Differenzierungen in theoretischen Fragen auf Nicht zuletzt diese Situation dürfte mit dazu beigetragen haben, daß die bereits im Herbst 1970 auf dem VII. Weltkongreß für Soziologie ängekündigte Untersuchung der Sozialstrukturen der sozialistischen Länder als eine Gemeinschaftsarbeit der marxistisch-leninistischen Soziologen bisher nicht realisiert wurde Es bedurfte einer Reihe von Konferenzen, um die unterschiedlichen Standpunkte miteinander zu konfrontieren und eine Einigung über grundlegende politisch-ideologische und theoretische Prämissen und Kategorien sowie Problemlagen und den daraus abzuleitenden Fragestellungen herbei-zuführen

I. Zur „führenden Rolle der Arbeiterklasse auf dem Hintergrund der SED-Gesellschaftskonzeption

Innerhalb der Sozialstrukturforschung der DDR stand der Legitimitätsaspekt zumindest gegen Ende der sechziger Jahre offensichtlich im Vordergrund. Aufgabe der Wissenschaften konnte und kann dabei nicht etwa die Beschreibung der „führenden Rolle" der Arbeiterklasse sein, sondern der Nachweis dieser führenden Rolle durch theoretische Reflexion.

Auch für längerfristig anzustellende Überlegungen, wie beispielsweise mittels sozialpolitischer Maßnahmen die (angeblich) führende Rolle aufrechterhalten oder im Zuge des durch Wirtschaftswachstum und wissenschaftlich-technische Entwicklung stimulierten sozialen Wandels gar erst erreicht werden könne, ist das Postulat von der „führenden Rolle der Arbeiterklasse" unter den gegebenen politischen Verhältnissen der DDR unabdingbar.

Der Berücksichtigung des Legitimitätsaspekts in der sozialwissenschaftlichen Forschung der sozialistischen Länder mußte gegen Ende der sechziger Jahre nicht zuletzt in der DDR geradezu existentielle Bedeutung zukommen. Forderte doch der „Prager Frühling" 1968 nicht nur eine militärische Intervention der War-schauer-Pakt-Staaten heraus, sondern mehr noch — und längerfristig — eine ideologische Gegenoffensive gegen die Relativierung des Machtmonopols einer kommunistischen Partei. Deutlich wurde auf diese Motivation der forschungspolitischen Orientierung im Beschluß des Politbüros des ZK der SED vom Oktober 1968 angespielt

Der Legitimitätsaspekt kommt auch darin deut-ich zum Ausdruck, daß die Gesellschaftswissenschaftler im Politbürobeschluß aufgefordert werden, die „wachsende Bedeutung der führenden Rolle der Arbeiterklasse und ihrer marxistisch-leninistischen Partei weiter auszuarbeiten" Hier ist ein Ergebnis der wissenschaftlichen Arbeit bereits festgeschrieben; allein der Begründungszusammenhang und die Präzisierung des Postulats obliegen noch der , wissenschaftlichen'Reflexion.

Mit der Frage nach der Bündnispolitik der SED wird der Legitimitätsaspekt um das Problem der politisch-praktischen Absicherung der führenden Rolle der Partei erweitert. Die Fragestellung der Soziologie bzw.der Sozial-wissenschaften wird damit ausgeweitet auf die Strukturierung der nicht zur Arbeiterklasse (in dem erst noch aufzuweisenden Sinn) gehörenden Bevölkerung und ihrer ökonomischen und sozialen Lage, ihre Interessengerichtetheit und mögliche Verklammerung mit der Arbeiterklasse und im weitesten Sinne ihre Politisierung durch die SED.

Die Begründung der „führenden Rolle der Arbeiterklasse" auf der Basis des zentralen Stellenwertes der Kategorie „Arbeit" und „Eigentum" im marxistischen Begriffssystem wurde und wird von den kommunistischen Parteien ergänzt durch die Vereinnahmung der Wissenschaft selbst, ausgedrückt etwa durch den Anspruch auf „wissenschaftliche Weltanschauung" oder „wissenschaftliche Führungstätigkeit". Die Politik der SED soll insofern als die Politik des wissenschaftlichen Fortschritts erscheinen

Die Behauptung von der „führenden Rolle der Arbeiterklasse" ist überhöht durch die führende Rolle der Partei. Die aus der sozialökonomischen Lage der Arbeiterklasse abgeleitete „wissenschaftliche Weltanschauung" wird erweitert um die Behauptung der Wissenschaftlichkeit der (partei) politischen Willens-und Entscheidungsfindung, wodurch überhaupt erst die die Klasse angeblich auszeichnenden Kriterien praktisch wirksam werden können. Eine tatsächlich führende Rolle kann die Arbeiterklasse also erst durch eine entsprechende Politik der Partei erlangen — und durch eine mit der praktischen Politik abgestimmte soziologische Interpretation dessen, was „Arbeiterklasse" sein soll. Die Partei, die ihre Legitimation aus der Klasse ableitet, ist gezwungen, ihre eigene — politisch-institutionell abgesicherte — führende Rolle auch dauernd der Klasse zuzuschreiben.

Eine zeitlang allerdings lief die Partei Gefahr, sich selbst Für untreu zu werden. das „ent-wickelte gesellschaftliche System des Sozialismus“, dessen Ausbau die SED nach ihiem VII. Parteitag 1967 proklamiert hatte, galt als Zielfunktion noch die „sozialistische Menschengemeinschaft". Dies mußte die Gefahr beinhalten, den Führungsanspruch der Arbeiterklasse — wenn er auch mit Hinweis auf die Eigentümerfunktion, die Rekrutierung der Partei aus der Klasse und dergleichen mehr verbal reklamiert wurde — auf die Dauer in den Gesamtwillen aller Gesellschaftsmitglieder umzudeuten.

Diese Gefahr und andere Mängel der Gesellschaftskonzeption suchte die SED auf ihrem VIII. Parteitag vom Juni 1971 zu beseitigen. Die relativ statische Interpretation der Gesellschaftsentwicklung (Langfristigkeit und relative Selbständigkeit des Sozialismus) wurde durch das Entwicklungsziel „kommunistische Gesellschaft" dynamisiert, noch bestehende Konflikte und Widersprüche wurden benannt und anerkannt. Insbesondere aber wurde der politische Führungsanspruch der Partei — in Absage an ein Selbstregelungsmodell der Gesellschaft, unter Kritik des vorangegangenen „wissenschaftlichen" Sprachgebrauchs und unter demonstrativer Durchführung einer Art Arbeiterpolitik (Privilegierung bei Hochschulbildung, Wohnungszuweisung u. ä.) — wieder stark betont. Die Partei suchte ihre Legitimitätsbasis wieder in der Führungsrolle einer deutlich konturierten „Bündnispolitik" gegenüber den übrigen Bevölkerungsgruppen.

Die von ihr nun angestrebte differenziertere Politik gegenüber deutlich in bezug auf Einstellungen, Lebensweise, Bildungsniveau und Interessen sich unterscheidenden Bevölkerungsgruppen ist aber nur möglich, wenn die differenzierte Realität erkannt, in ihren Entwicklungsmöglichkeiten anerkannt und von den gewünschten Verhältnissen klar abgegrenzt wird

Erst diese deutliche Abgrenzung ermöglicht es, sinnvoll auch solche Momente'der Gesellschaftsentwicklung zu planen und durchzusetzen, die unter-ideologischen Gesichtspunkten als politisch wünschbar ausgewiesen sind. Eine mit der Sowjetunion und den übrigen europäischen sozialistischen Ländern auf den Kommunismus zusteuernde DDR — Aufbau des Kommunismus in der sozialistischen Staatengemeinschaft nach dem Aufbau des Sozialismus in einem Land — mußte notwendigerweise auch die kommunistischen Zielvorstellungen in ihre gesellschaftstheoretische Konzeption mit hineinnehmen. Im Innern wurde so eine Art Doppelstrategie: das eine —-Vollendung des Sozialismus — tun und das andere — Aufbau des Kommunismus — nicht lassen, als der entscheidende Unterschied zur Konzeption des ESS eingeleitet. Im Verhältnis zu den anderen europäischen sozialistischen Ländern hat damit die DDR den Weg freigemacht zu einer engen wirtschaftlichen, praktisch-politischen, ideologischen und wissenschaftlichen Zusammenarbeit.

II. Verhältnis von Arbeiterklasse, Bauernschaft und Intelligenz

Nicht allein die sozialen Differenzierungen nach den Kategorien Stadt/Land, körperliche/geistige Arbeit oder nach der Berufsstruktur, nach Ausbildungsniveau, Einkommen oder Interessen sollen das Spezifische der sich im Übergang befindlichen Gesellschaft bewirken, sondern das Weiterbestehen von Klassen und deren von der vorangegahgenen wie der nachfolgenden Gesellschaftsordnung fundamental sich unterscheidenden Beziehungen zueinander. Allerdings wird der Sozialismus — wenigstens intern — wegen des behaupteten Feh-lens antagonistischer Klassen schon nicht mehr als Klassengesellschaft definiert, aber „auch 'noch nicht als klassenlose Gesellschaft .. (bet zeichnet), weil es noch Klassenunterschiede j gibt" Zu fragen ist, welche Klassenunterschiede von den Politikern, Gesellschaftstheo-f retikern und Soziologen in der DDR gesehen und wie sie begründet werden

1. Arbeiter und Genossenschaftsbauern — Klassenbegriff

Entscheidendes Kriterium sowohl für die Konstituierung von Klassen wie auch für die Bestimmung der Zugehörigkeit von Individuen i zu Klassen ist der Eigentumsbegrift. Die zen[trale Bedeutung des Eigentumsbegriffs wird damit erklärt, daß bei Marx „Eigentum als Grundverhältnis ... in seiner jeweili1 gen Qualität ... ursprünglich Verhalten des arbeitenden (produzierenden) Subjekts (oder 'sich reproduzierenden) zu den Bedingungen seiner Produktion oder Reproduktion als den seinen" meint Das gesamtgesellschaftliche Eigentum an Produktionsmitteln charakterisiert dann nach dieser Auffassung den Entwicklungsprozeß der sozialistischen Gesellschaft insgesamt: die Aneignung der materiellen Produktionsbedingungen und das Verhältnis der Klassen und Schichten zueinander.

Ein „unmittelbares Verhältnis zum gesamtgesellschaftlichen Eigentum an Produktionsmitteln" wird für die Arbeiterklasse postuliert.

Aus dieser behaupteten Unmittelbarkeit wird gefolgert, daß die Arbeiterklasse „keinerlei begrenzte Sonderinteressen, sondern das Interesse der gesamten Gesellschaft vertritt* und daß deshalb nur sie den Prozeß der Aneignung leiten kann

Es kann nun nicht übersehen werden, daß dieses behauptete „unmittelbare Verhältnis" erst noch einer näheren Bestimmung und Präzisierung bedarf. Gerade in einer arbeitsteiligen industrialisierten Produktion vollziehen sich vielfältige Differenzierungs-und Spezialisierungsprozesse, die in immer höherem Maße Funktionsteilungen nach sich ziehen und damit auch je spezifische Verhältnisse zum gesamtgesellschaftlichen Eigentum begründen. Die funktionale Untergliederung von Gruppen in der Industrie bedingt zumindest die interne Strukturierung der Arbeiterklasse, auf die weiter unten noch ausführlich einzugehen sein wird. Sie verweist gleichzeitig aber auch auf die Kategorie „körperliche und geistige Arbeit" und auf den zentralen Stellenwert von Wissenschaft und wissenschaftlicher Tätigkeit im betriebs-und volkswirtschaftlichen Produktions-und Reproduktionsprozeß — und damit auf die eben nicht zur Arbeiterklasse zählende Intelligenz.

Das „unmittelbare Verhältnis" der Arbeiterklasse zum gesamtgesellschaftlichen Eigentum an Produktionsmitteln kann weniger ein klassenkonstituierendes Moment darstellen als vielmehr eine Sozialnorm, die insbesondere durch politische Institutionen und komplexe soziale Mechanismen erst realisiert werden muß.

Andererseits ist einzuräumen, daß die wie immer geartete Verbindung zum gesamtgesellschaftlichen Eigentum eine sinnvolle Unterscheidung zur sozialökonomischen Lage der Bauern aufgrund deren Verbindung mit genossenschaftlichem Eigentum begründet. Allerdings ist dieses Konzept durch wichtige weitere Determinationsfaktoren zu ergänzen, die die gegenwärtige sozialökonomische Lage entscheidend beeinflussen, etwa die Siedlungsstruktur oder die Ausbildungs-und Beschäftigungsmöglichkeiten. Demgegenüber stellt der Eigentumsbegriff einen politischen Hebel dar, insoweit er zum unumgänglichen Ansatzpunkt einer politischen Strategie wird, die eine sozialökonomische Veränderung auf dem Lande in Richtung zentralgeleiteter industriemäßiger Produktion und industrieller Lebensweise anstrebt. Im Sinn des Übergangs zu landwirtschaftlicher Großproduktion lag die 1960 in der DDR praktisch abgeschlossene Gründung der LPG verschiedenen Typs. Mit der Gründung der Produktionsgenossenschaften hatten nach dein SED-Selbstverständnis „die sozialistischen Produktionsverhältnisse auch auf dem Land gesiegt". Inzwischen ist bereits die Weiterentwicklung ins Auge gefaßt: „Mit dem Übergang zu industriemäßigen Produktionsmethoden, zu kooperativen Abteilungen Pflanzenproduktion u. a. verändert sich die Zusammensetzung und soziale Lage der Genossenschaftsbauern weiter, wächst ihre soziale Einheit, und das sozialistische Bewußtsein bestimmt immer mehr deren Denken und Handeln." Nach den zunehmenden Zusammenschlüssen von Genossenschaften zu Kooperationen und Kooperationsverbänden ist geplant, die Industrialisierung der DDR-Landwirtschaft durch Konzentration, Spezialisierung und Arbeitsteilung weiter voranzutreiben. Audi Bildungsfragen und soziale Konsequenzen der Umstrukturierung sollen dabei berücksichtigt werden Politisch sollen die aus den unterschiedlichen sozialökonomischen Lagen der Arbeiter und Bauern sich ergebenden Interessenunterschiede — ebenso im Falle der Intelligenz — durch die „Bündnispolitik" der Arbeiterklasse aufgehoben werden. Real ist an die Aufhebung dieser Unterschiede in einem höheren Stadium des Kommunismus gedacht, wo eben die soziale Homogenität erreicht sein soll, wenn auch die Auffassung, es werde dann überhaupt keine Arbeitsteilung mehr geben, als utopisch zurückgewiesen wird.

Da — als Folge des am Eigentumsbegriff orientierten Klassenkonzepts — die Genossenschaftsbauern eine Grundklasse darstellen, zählt „die Festigung des Bündnisses der Arbeiterklasse mit den Genossenschaftsbauern ... zu den Hauptaufgaben der Bündnispolitik in der Gegenwart" Die Klassen und Schichten seien nun zwar durch die Gemeinsamkeiten des sozialistischen Eigentums, des „Arbeiter-und Bauern-Staates" und der gesellschaftlichen Grundinteressen verbunden, doch müsse die „Dialektik von Einheitlichkeit und Differenziertheit in der Klassenentwicklung" beachtet werden, denn „die noch bestehenden sozialen Unterschiede verringern sich nicht im Selbstlauf" Das Genossenschaftseigentum gilt bereits als sozialistisch und wird damit als Grundlage für die sozialökonomische Verbindung und Einigung der Arbeiter und Bauern betrachtet.

Mit der Veränderung des Genossenschaftseigentums zum kommunistischen Eigentum ist sozusagen nur der Grundprozeß in der „Annäherung" der Bauernschaft an die Arbeiterklasse gekennzeichnet. Begleitet werden soll dieser Prozeß von „Folgeerscheinungen" (wie man konsequenter sagen müßte), die jedoch geplant, analysiert, initiiert und geleitet werden müssen. Dies gilt für Bevölkerungsbewegungen, Siedlungszentren und -formen, die Entwicklung der Organisationsformen landwirtschaftlicher Produktion oder den Abbau von sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Unterschieden zwischen Stadt und Land ebenso wie für Veränderungen im Charakter und Inhalt der Arbeit, die sich bereits heute, wie behauptet wird, in der Entwicklung eines neuen Typs des spezialisierten und zugleich disponiblen Genossenschaftsbauern ausdrükken

Je nach dem Charakter der Arbeit, die ein einzelner verrichtet, wird er sich auch durch ein bestimmtes Bildungsniveau, durch kulturelle Interessen und Bedürfnisse auszeichnen, die die Sozialstruktur im einzelnen kenn-i zeichnen. Für eine erste analytische Auf-I schlüsselung dieses Zusammenhangs versucht I man vom marxistischen Standpunkt aus das f Begriffspaar „körperliche/geistige Arbeit“ zu machen.

2. Arbeiterschaft/Intelligenz — Abgrenzung der „Schicht" der Intelligenz

Gerade das, Kriterium „Charakter der Arbeit"

könnte nun, da mehrere Variable darin eingehen, die Grundlage für ein Stratifikationsmodell der gesamten sozialistischen Gesellschaft oder wenigstens der in der zentralgeleiteten „volkseigenen" Wirtschaft Beschäftigten bilden. Stratifikationsmodelle, die vor ’ einigen Jahren insbesondere in ungarischen, aber auch in tschechischen Publikationen vertreten wurden, sahen sich in der DDR be'reits sehr frühzeitig einer scharfen Ablehnung i ausgesetzt

Es entspricht marxistischem Denken, wenn im je unterschiedlichen Arbeitsvollzug die entscheidende Determinante für die differenzie’ renden Einstellungen, Verhaltensweisen, Interessen usw. gesehen wird Am Beispiel der Intelligenz wird allerdings das aus der Anwendung sozialökonomischer Kriterien herrührende Dilemma des überkommenen Klassenstrukturkonzepts besonders anschau’ lieh. Auf eine entsprechende Frage eines früI heren Möbeltischlers und heutigen Betriebsingenieurs nach seiner Zugehörigkeit zur Arbeiterklasse mochte Politbüromitglied Kurt Hager beispielsweise nicht mit „ja" oder : „nein" antworten, sondern erläuterte: „Der VIII. Parteitag hat klar und eindeutig hervorgehoben, daß die Arbeiterklasse im Bündnis mit den anderen Werktätigen, also auch mit der Intelligenz, die sozialistische Gesellschaft aufbaut. Ich finde also, daß Sie stolz sein können, als ehemaliger Arbeiter heute zur sozialistischen Intelligenz zu gehören und unserem Staat der Arbeiter und Bauern durch Ihre Kenntnisse zu dienen. Sie sind persönlich ein Beispiel für die schöpferischen Fähigkeiten der Arbeiterklasse."

Hager stellte nun also — im Gegensatz zu früheren Gepflogenheiten — auf die Existenz einer neuen, sozialistischen Intelligenz ab, die insbesondere durch das Kriterium der sozialen Herkunft charakterisiert sei. Ihre Unterscheidung von Arbeiterklasse und Bauernschaft wird mit dem Charakter der Arbeit, der Rolle in der gesellschaftlichen Produktion, der vorwiegend geistigen Tätigkeit und dem höheren Bildungsniveau begründet Ihr Aufgehen in der Arbeiterklasse gilt allerdings als ein historischer Prozeß von wesentlich längerer Dauer, als früher angenommen wurde. Die Revision der vorschnellen Vereinnahmung von Wissenschaft und Intelligenz in die Arbeiterklasse führte also zur Möglichkeit einer differenzierenden Betrachtung der sozial-strukturellen Gliederung Die Art der Tätigkeit, der Charakter der Arbeit hat so gegenüber sozialökonomischen Bestimmungen der Sozialstruktur eine deutliche Aufwertung erfahren.

Nicht endgültig geklärt ist — wie schon die umständlichen Ausführungen Hagers zeigten —, ob wenigstens ein Teil der Intelligenz der Arbeiterklasse zugerechnet werden kann. So wird von sowjetischen Philosophen und Soziologen die Auffassung vertreten, daß soziale Grenzen fließend sind und daß in den Grenzbereichen neue soziale Gruppen entstehen oder es wird gar von einer „Schicht der Arbeiterintelligenz" gesprochen, die mit der Entfaltung des wissenschaftlich-technischen Fortschritts zunehme

Diese divergierenden und zum Teil unklaren Äußerungen über die Zugehörigkeit der Intelligenz zur Arbeiterklasse haben ihre Ursache in der unterschiedlichen Gewichtung und Zuordnung differenzierender Kriterien bzw. in der unterschiedlichen Ausdeutung, Ergänzung und Anwendung der für eine heute vorzunehmende Analyse unzureichenden Leninschen Klassendefinition. Deutlich stärker als bei den pragmatischen sowj etischen Gesellschaftswissenschaftlern ist die Diskussion in der DDR am traditionellen Kategoriensystem des Marxismus-Leninismus festgemacht. Insbesondere in der ersten Zeit nach dem VIII. Parteitag, als es galt, kritisierte Positionen zu räumen, mochte den Gesellschaftswissenschaftlern in der DDR der Rückgriff auf diese Kategorien als ein geeigneter „ideologischer Regenschirm" erscheinen, mit dessen Hilfe man sich dem politisch gesetzten Erkenntnisinteresse relativ ungefährdet annähern konnte. So ging man davon aus, daß es weder gerechtfertigt sei, „unter Berufung auf die gemeinsamen Eigentumsverhältnisse die gesamte Intelligenz der Arbeiterklasse zuzuordnen, noch... sie in ihrer Gesamtheit unter Berufung auf die Existenz von Unterschieden von der Arbeiterklasse abzugrenzen"

Als Bezugspunkt ihrer Differenzierung und ihres Verhältnisses zur Arbeiterklasse wird jetzt die sozialökonomische Heterogenität der Intelligenz gesehen. Vor allem müsse sie nach ihrer Stellung in der gesellschaftlichen Organisation der Arbeit differenziert werden und es müsse dann zweitens „die objektive Dialektik von Gemeinsamkeiten und Besonderheiten im Verhältnis zur Arbeiterklasse für jeden dieser verschiedenen Teile der Intelligenz soziologisch konkret herausgearbeitet werden"

Das Kriterium „Rolle in der gesellschaftlichen Organisation der Arbeit" wird nicht unter funktionalen Aspekten gesehen, sondern es wird für den durch gleiche Eigentumsverhältnisse wie die Arbeiterklasse charakterisierten Teil der Intelligenz erläutert als „die unterschiedliche Beziehung zur sozialistischen Großproduktion einschließlich ihrer Leitung, Planung, Organisation und Vorbereitung und auf dieser Basis das unterschiedliche Niveau der objektiven Organisiertheit und Vergesellschaftung"

Ausdrücklich wird darüber hinaus an der gleichen Stelle festgestellt:

„Die sozialökonomische Qualität der Beziehungen zwischen Arbeiterklasse und Intelligenz kann nicht in erster Linie auf der Grundlage des Charakters der Arbeit u. ä. Merkmale beurteilt werden." Verstärkt wird diese Ar-gumentation noch dadurch, daß für die Bewertung des sozialistischen Charakters der Intelligenz — obwohl kurz vorher als peripher bezeichnet — das Kriterium der sozialen Herkunft herangezogen wird

Kriterien wie Nähe zu den Produktionsmitteln, Vergesellschaftungsgrad der Arbeit u. ä. werden von den DDR-Soziologen konzeptionell überbewertet. Dagegen treten — zumindest was die Charakterisierung der Intelligenz und ihre Abgrenzung von der Arbeiterklasse betrifft — „subjektive" Kriterien wie Qualifikation und konkrete Tätigkeit zu stark in den Hintergrund. Gerade über diese Kriterien jedoch würden Sozialisationsmedien für die Analyse erschlossen, ohne die eine auf Gesamtgesellschaft angelegte Sozialstruktur-untersuchung und -theorie schlechterdings nicht auskommen kann. Unter diesen Umständen erscheint es fraglich, ob die Absicht der in der DDR vorgenommenen Strukturanalyse, „die objektive Determiniertheit wesentlicher gesellschaftlicher Entwicklungsprozesse, wie z. B.der Formung der sozialistischen Persönlichkeit, aufzudecken" auch nur annähernd realisiert werden kann.

In Schwerpunktsetzung und methodologischem Vorgehen der Sozialstrukturforschung in der DDR mischen sich also — jedenfalls gilt dies für die Definition des Verhältnisses von Intelligenz und Arbeiterklasse — in der marxistischen Tradition begründete Orientierungsdaten mit'aktuellen Herrschaftsinteressen, insbesondere dem Nachweis der Legitimität des politischen Systems, das durch den heute sich vollziehenden raschen sozialen Wandel in der Folge des wissenschaftlich-technischen Fortschritts Verunsicherungen ausgesetzt ist. Das in der DDR feststellbare, im Vergleich zur Sowjetunion stärkere Bezugnehmen auf traditionelle marxistischleninistische Kategorien kann als Maßstab für den Grad der Verunsicherung gerade in diesem Bereich genommen werden.

Im folgenden soll herausgearbeitet werden, ob und inwieweit die Analyse der internen Struktur der Arbeiterklasse'sich von dem hier dargestellten Erkenntnisinteresse und Kategorienschema abhebt.

III. Zur inneren Struktur der Arbeiterklasse

1. Gliederungskonzeptionen: sozialökonomisehe Betrachtung und Arbeitsteilung

Gemeinsame Ausgangsbasis der Gesellschaftswissenschaftler in den sozialistischen Ländern — auch derjenigen in der angeblich historisch fortgeschritteneren Sowjetunion. — ist die Annahme, daß soziale Unterschiede zwischen Gruppierungen innerhalb der Arbeiterklasse bestehen. Das Problem, die Unterschiede zwischen den Klassen und Schichten zu überwinden, verknüpft sich „mit dem nicht weniger komplizierten Problem ..., schrittweise Unterschiede innerhalb der Klassen zu überwinden" Die Entwicklung zur sozial homogenen Gesellschaft verläuft über den Prozeß — so wird angenommen — einer weiteren Differenzierung: über sich herausbildende fortgeschrittene Schichten in einzelnen sozialen Gruppen gleicht sich die gesamte Gruppe aus. „Die Differenzierung wird in dieser Gesellschaft nicht aufgehoben, sondern nimmt offensichtlich neue Formen an."

Unterschiede zeigen sich — ähnlich den oben dargestellten — zwischen sowjetischen und DDR-Gesellschaftswissenschaftlern in der Gewichtung sozialökonomischer Betrachtungsweisen und Differenzierungskriterien.

In diesem Zusammenhang spielt die Interpretation des Marxschen „Gesamtarbeiters" eine wichtige Rolle. Sowohl in der sowjetischen Literatur wie auch in der DDR wurde vor einigen Jahren von einzelnen Autoren der „gesellschaftliche Gesamtarbeiter" mit der Arbeiterklasse identifiziert. Auf der Grundlage dieses Verständnisses wurde die gesellschaftliche Arbeitsteilung -in die Arbeiterklasse integriert, so daß auch von daher die Zuordnung wenigstens von Teilen der Intelligenz zur Arbeiterklasse begründet werden konnte Diese Auffassung wurde von Fedossejew kritisiert, der darauf verwies, daß Karl Marx den Begriff „Gesamtarbeiter" keineswegs mit der Arbeiterklasse identifizierte, sondern im Gegenteil „auf die innere soziale Ungleichartigkeit der durch diesen Begriff bestimmten Belegschaft eines Betriebes" verwies

Von der von Fedossejew genannten Denkfigur aus gelangt man offensichtlich sehr viel leichter zu einer funktionalen Untergliederung nicht nur aller Beschäftigten, sondern auch der Arbeiterklasse selbst. Entsprechend wird in der sowjetischen Literatur die Untergliederung der Arbeiterklasse nach dem Charakter der Arbeit bzw. gar nach dem Qualifikationsgrad vorgenommen

Im Unterschied dazu geht man in der DDR immer wieder von politisch unverfänglicheren globalen sozialökonomischen Strukturmerkmalen aus. Als Grundlage der Struktur der Arbeiterklasse gilt die gesellschaftliche Arbeitsteilung, insbesondere die Stellung in der gesellschaftlichen Organisation der Arbeit: „Hier geht es durchaus nicht um eine technologische Funktionsteilung, sondern um solche gesellschaftlich relevante Dimensionen wie: Struktur der Klasse nach objektiven Bereichen der Volkswirtschaft, nach grundlegenden arbeitsteiligen Funktionen innerhalb des Reproduktionsprozesses, nach unterschiedlichen Graden der Vergesellschaftung und der Konzentration, nach dem Grad der Modernität und Komplexität der Produktion und der Produktionsmittel u. a. m."

Mit diesem Herangehen an die Untergliederung der Arbeiterklasse wird zunächst unterstellt, daß in verschiedenen Wirtschaftszweigen, in verschiedenen Betriebsgrößen und bei unterschiedlichen Produktionsbedingungen beschäftigte Arbeiter sich in ihrer sozialen Lage unterscheiden. Veränderungen in der Strukturentwicklung der Arbeiterklasse wären dann als Folge von Veränderungen der Struktur der materiell-technischen Basis der Volkswirtschaft zu registrieren. Die Schwierigkeit bei diesem Ansatz besteht für die marxistisch-leninistischen Gesellschaftswissen-schaftler in der DDR nun darin, Untergliederungen einer sozialen Gesamtheit nachweisen zu wollen, die als solche ihnen noch gar nicht bekannt ist. Folglich wird nicht die Arbeiterklasse an sich, sondern ein konstruierter „Idealtypus" Objekt der weiteren Reflexion und soziologischen Untersuchung.

Bei der Festlegung dieses „Idealtyps" stützt man sich auf politische und aus der Theorie des Marxismus-Leninismus vorgegebene Gesichtspunkte. Ausgehend von der „Frage nach den politischen Führungsgrößen im Anwachsen der Führungsrolle der Arbeiterklasse, nach Veränderungen in der Struktur dieser Klasse sowie gestützt auf die , Klassiker"', sollen „Untersuchungen über die Produktionsarbeiter im allgemeinen und die Industriearbeiter im besonderen ein Schlüssel für die Beantwortung einiger der hier aufgeworfenen Fragen sein"

Seinen auf sozialökonomische Kategorien fixierten Denkansatz führt H. Pawula noch dadurch fort, daß er den Produktionsarbeiter der Industrie zum Prototyp des Produktionsarbeiters überhaupt erklärt. Die typischen Wesensmerkmale der Produktionsarbeiter seien bei den Industriearbeitern (= Produktionsarbeiter der Industrie) am stärksten ausgeprägt, was sich vorrangig aus der Tatsache ergebe, „daß die Industrie den wichtigsten Wirtschaftszweig darstellt, von dem die Entwicklung der Produktivkräfte und damit auch der Wohlstand der Gesellschaft als Ganzes weitgehend abhängt" Darüber hinaus sieht Pawula die Arbeiter der sozialistischen Industrie, besonders der Großindustrie, als den „Kern der sozialistischen Arbeiterklasse"

2. Präzisierung, Differenzierung und Erweiterung der Kategorien/Forsdiungsansätze

Ausgehend vom sozialökonomischen Denkansatz werden aber auch feiner strukturierende Kriterien genannt. Dazu gehören das Verhältnis von körperlicher und geistiger Arbeit, der Charakter der Arbeit, Qualifizierung und Bildung, Einkommen, „Lebensniveau" und demographische Kriterien Während weiter oben Charakter der Arbeitstätigkeit und Qualifikation als Kriterien bezeichnet werden, die abgeleitete Erscheinungsformen der Klassenstruktur widerspiegeln, gelten sie hier als sozialökonomische, primäre Kriterien für die Strukturentwicklung der Arbeiterklasse Darüber hinaus versuchen dieselben Autoren, sich noch weiter von einer verkürzten materialistischen Betrachtungsweise zu entfernen: Die sogenannten Kriterien müßten insbesondere durch solche Strukturmerkmale ergänzt werden, „die sich aus der politisch-ideologischen Funktion der Arbeiterklasse in der sozialistischen Gesellschaft ergeben, wie z. B. die politische Organisiertheit, die Entwicklung des Bewußtseins, die Interessen-und Bedürfnisstruktur usw." 54). 51 wangsläufig — ähnlich wie in der UdSSR — ußten auch in der DDR mit der Inangriffihme empirischer Untersuchungen die Kririen . Charakter der Arbeit', Qualifikationsveau'und , Berufsstruktur'an Bedeutung geinnen. Da solche Untersuchungen insbesonere mit dem Ziel durchgeführt werden, Zummenhänge zwischen den verschiedenen rukturkriterien aufzudecken, um von hier is Vorschläge an die Politik unterbreiten zu innen, sind bereits in der Anlage einer Unrsuchung hypothetische Verknüpfungen notendig. ie für den industriellen Reproduktionsproß festgestellten Hauptfunktionen: unmittelires Produzieren in der materiellen Produkon , Vorbereiten von Produktionsprozessen, erwalten von Sachen'sowie . Leiten von •oduktions-und Verwaltungsprozessen'beimmen wesentlich — so wird gesagt — den halt der Arbeitstätigkeit.. Zugleich stellen e verschiedenen Funktionen aber nicht allein ne Funktionsstruktur dar, sondern sie beimmen wesentlich auch die soziale Differenerung in verschiedenen Lebensbereichen, wie wa die Arbeits-und Lebensbedingungen im isammenhang mit Ausbildung, kulturellen teressen, politischer Aktivität, Einkommen ier Familienverhalten

us den im Industriebetrieb festgelegten rundfunktionen wurden weiter die folgenden schäftigungsgruppen abgeleitet:

-Produktionsgrundarbeiter -Produktionsarbeiter in Hilfsfunktionen und Dienstleistungen -Leiter -ingenieurtechnisches Personal -technische Angestellte (Laboranten, Güte-kontrolleure, Angehörige des Gesundheitswesens usw.)

-Verwaltungsangestellte ohne Leitungsfunktion -Hoch-und Fachschulkader in Forschung und Entwicklung

ierzu wurden dann empirisch erfaßbare Aritsplatzmerkmale (APM) festgelegt. „Auf ese Weise wird es möglich, 1. die konkrete usprägung der . Struktur nach Stellung im eproduktionsprozeß'und die Unterschiede im thalt der Arbeitstätigkeit zu zeigen. Damit erden 2. Zusammenhänge zwischen dem Inilt der Arbeitstätigkeit und anderen Strukrmerkmalen wie Qualifikation, Schwere der Arbeit usw.deutlich und 3. kann der konkreten Wirkung des Inhalts der Arbeitstätigkeit auf Einstellungen, Erwartungen, soziale Verhaltensweisen nachgegangen werden."

Um Angaben über Determinationsfaktoren im Prozeß der Sozialisation zu gewinnen, sollten die Untersuchungen in der DDR so angelegt werden, „daß entscheidende Strukturen mit . Verhaltensdaten'korreliert werden können" Als Verhaltensdaten gelten u. a. das gesellschaftliche Verantwortungsbewußtsein, Informationsbedürfnisse und -Zufriedenheit, Einstellung zur Weiterbildung, kulturelle Bedürfnisse und Freizeitverhalten.

Zur empirischen Erfassung wurden, wie berichtet wird, Merkmalskomplexe der Arbeitstätigkeit gebildet. Jeder Komplex umfaßt mehrere Variable, so der Komplex . Qualifikation'z. B. Schulbildung, Berufsausbildung, das Verhältnis zwischen geforderter Fachqualifikation und der tatsächlich erreichten Qualifikation sowie Fähigkeiten und Fertigkeiten am jeweiligen Arbeitsplatz. Jedes Arbeitsplatz-merkmal wird skaliert, um Differenzierungen zwischen und innerhalb der Beschäftigtengruppen erfassen zu können. Für das Merkmal . Qualifikationserfordernis'gilt beispielsweise die Skala: Ungelernter, Angelernter, Facharbeiter, Meisterqualifikation, Fachschulabsolvent, Hochschulabsolvent

Hier wird ersichtlich, welche Bedeutung den nicht „primären" sozialstrukturellen Kriterien in der empirischen Forschung der DDR zukommt. Uber Charakter und Inhalt der Arbeit werden Gruppierungen erst herausgearbeitet, die in der sozialen Realität tatsächlich vorhanden sind und verschiedene, in einem Ursache-Wirkung-Zusammenhang stehende Merkmale auf sich vereinigen. Wenn auch die forschungspolitisch vorgegebene Konzentration auf Pro-duktions-bzw. Industriearbeiter bestehen bleibt, so kann die DDR-Sozialstrukturforschung'durch die angeführte Differenzierung und die Verknüpfung sozialökonomisch determinierter mit konkreten, die Individuen prägenden Kriterien schließlich doch zu einem brauchbaren Instrument der Politik für die Gestaltung industrieller Arbeitsorganisation, des Ausbildung? -, speziell des Berufsausbildungswesens oder auch kulturpolitischer Programme werden.

3. Faktische Gliederungs-und Entwicklungstendenzen

Wenn mit den Sozialstrukturuntersuchungen in der DDR — wie bereits hervorgehoben — beabsichtigt ist, die zunehmende soziale Homogenität der Arbeiterklasse nachzuweisen, so muß bei Betrachtung der veröffentlichten Daten festgestellt werden, daß dies allenfalls ein sehr allgemeiner und wohl eher durch bildungs-und sozialpolitische Maßnahmen herbeigeführter bzw. herbeizuführender Entwicklungstrend sein kann als eine Folge des technologischen und sozioökonomischen Wandels in der Volkswirtschäft.

Politische Absicht dabei ist es, „nicht mehr gerechtfertigte soziale Unterschiede zwischen bestimmten Teilen der Klasse ... auf dem Wege der Sozialpolitik, der konsequenten Anwendung des Leistungsprinzips, durch die Erweiterung des Facharbeiterstammes, die verstärkte Aus-und Weiterbildung der Frauen zu Produktionsfacharbeitern, durch die Verbesserung der Arbeitsbedingungen usw." zu reduzieren bzw. allmählich zu überwinden Aber selbst die zunehmende Angleichung der Arbeitsbedingungen in formaler Hinsicht unter dem Signum . sozialistische industrielle Großproduktion'— abgesehen davon, daß diese Produktionsform als Arbeitsbedingung der Beschäftigten im volkswirtschaftlichen Maßstab sehr enge Grenzen hat — kann nicht eine nach Einstellungen, Verhalten, Interessen, Ausbildungsstand, Disponibilität und beliebigen Bewußtseinsinhalten homogene Masse von Angehörigen der Arbeiterklasse hervorbringen. Die von den Soziologen in der DDR vorgelegten Ergebnisse zeigen in der Tat, daß der im Gefolge des wissenschaftlich-technischen Fortschritts sich vollziehende sozioökonomische Wandel zu vielfältigen Momenten sozialer Differenzierung führt.

So spielt z. B. eine wichtige Rolle, daß die von Föurastie festgestellte Tendenz industrieller Gesellschaften, den tertiären Sektor auf Kosten des primären, vor allem aber des gewerb-j liehen Sektors immer mehr auszuweiten, auch I um sozialistische Volkswirtschaften keinen Bogen macht. Die Zahl der in den „nicht pro-j duktiven" Bereichen Beschäftigten nimmt also i in den sozialistischen Ländern zu. „In der So-j wjetunion wuchs in den 10 Jahren von 1960 j bis 1970 der Anteil der in diesen Bereichen I Beschäftigten von 22 auf 28 °/o. Auch in der ! DDR wuchs in den letzten 10 Jahren der Anteil der Arbeiter und Angestellten im nichtprodu-l zierenden Bereich rascher als im produzieren-j den Bereich der Volkswirtschaft." Interessant sind auch Untersuchungen, die j Verschiebungen in der Anzahl der Beschäftig-i ten zwischen den verschiedenen Industriezweigen nachweisen. Damit sind Anhaltspunkte für Planung der Berufsausbildung, aber auch, . wenn Tendenzen aufgezeigt werden können, die Wirtschaftsplanung oder den Städte-sowie auch für die Verkehrsplanung abzu-• lesen. So wurde festgestellt, daß der prozen-I tuale Anteil der Arbeiter des Maschinen-und i Fahrzeugbaus an der Gesamtarbeiterzahl der Industrie von 24, 6 im Jahre 1955 auf 26, 1 im I Jahre 1971 anstieg. Im Bereich Elektrotechnik/Elektronik/Gerätebau, in der chemischen Industrie und in der Metallurgie wär die relative ) Steigerung beträchtlich höher. Diese Verschiebungen werden überlagert durch Verschiebun-i gen der Qualifikationsstruktur, bezogen auf’ die Industriezweige

Verschiebungen in der Qualifikationsstruktur I können entstehen durch normative Umorientierungen in der Gesellschaft, etwa durch Hö-I her-oder Minderbewertungen einer bestimm-j ten Tätigkeit und daraus abgeleiteten Ansprüchen an das Ausbildungsniveau oder auch durch die Arbeitsmarktsituation, die zu einem bestimmten Zeitpunkt die Besetzung bestimmter Positionen mit hochqualifizierten Bewerbern zuläßt und zu einem anderen nicht. Nicht selten, so. zeigen die in der DDR angestellten Untersuchungen, sind Verschiebungen in der Qualifikationsstruktur jedoch unmittelbare Folgen des wissenschaftlich-technischen Fort-i schritts bzw. neueingeführter Produktionstechnologien. Dabei zeichneten sich bisher widersprechende Tendenzen in der Anforderung an die Qualifikation ab. Einerseits führen produktionstechnische Neuerungen u. a. zur Herausbildung neuer Berufe und in diesem Prozeß zu einer Anhebung des Ausbildungsniveaus. Eine Viel-* f zahl neuer Berufe bedarf einer umfassenderen I Ausbildung, die für die überkommene Berufs-Struktur nicht erforderlich war. Insgesamt nimmt damit der Bedarf an gut ausgebildeten ; Arbeitern zu. Als Ergebnis dieser Tendenz j kann man die Verdoppelung des Anteils der unter den Arbeitern der soziali[stischen Industrie von 1955 bis 1970 betrachten diese Erhöhung des Ausbildungsniveaus jedoch nicht immer unmittelbare Folge neuer f Produktionstechnologien und -techniken sein muß, ergibt sich daraus, daß in der Industrie der DDR auch Dequalifizierungstendenzen sichtbar wurden. In einigen Bereichen stagniert der Anteil der Facharbeiter oder geht zurück, während der Anteil der Angelernten zunimmt. I Diese Tendenz tritt vor allem beim Übergang I von der Werkstattfertigung zur mechanisierten Fließfertigung auf, M. Lötsch und R.

Weidig schließen daraus, „daß eine bestimmte Richtung der technischen Entwicklung durch-I aus zu Erscheinungen der Dequalifizierung führen kann, wenn die Erfordernisse der Qualifikation ausschließlich aus den Erfordernissen der Technologie abgeleitet werden" Das bedeutet, daß auch in einer sozialistischen Gesellschaft zumindest in Einzelfällen ausgebildete Facharbeiter bei Umstellung der Produktionstechnik in Positionen eingesetzt werden, in denen sie ihre relativ gute bzw. spezifische Qualifikation nicht nutzen können. Damit entstehen nicht allein Probleme unter bildungsökonomischen Gesichtspunkten bzw. solchen der volkswirtschaftlichen Effizienz, als vielmehr auch individuelle Problemsituationen, die mit dem Terminus Entfremdung angedeutet werden können. Das für den Kommunismus avisierte Ziel der Aufhebung der Entfremdung wird also zumindest heute noch durch ihm widersprüchliche Entwicklungen im Bereich der Produktion blockiert.

So wurde beobachtet, daß im Fertigungsprozeß nebeneinanderstehende Angelernte und Facharbeiter Arbeiten der gleichen Wertigkeit ausführten, Arbeiten, die die gleichen Vorkenntnisse erfordern, was dazu führt, daß teilweise bisherige Kenntnisse und Fertigkeiten brachliegen und verkümmern Auch Monotonie-erscheinungen wurden — wie in allen hochindustrialisierten Gesellschaften — in der Industrie der DDR beobachtet. Wenn auch Entfremdung, Dequalifizierung und Monotonie als mit den in der Ideologie vorgegebenen Werten’unvereinbar erachtet werden, so wird andererseits gesehen, daß die gegenwärtigen und mittelfristigen Produktionsbedingungen immer noch ein Abwägen zwischen weiterem wirtschaftlichen Wachstum und negativen Begleiterscheinungen beim Arbeitsprozeß abverlangen: „Da die Fließbandproduktion noch eine weitere Ausdehnung erfahren wird und bei uns über eine längere Zeitperiode das dominierende Fertigungsprinzip sein wird, werden viele, auch junge Arbeiter einen großen Teil ihres Lebens unter diesen Bedingungen arbeiten. Es kommt daher darauf an, Mittel und Methoden zu suchen, zu erproben und anzuwenden, die die Monotonie herabsetzen oder aufheben."

Auch ein Vergleich des „Profils" eines voll-mechanisierten Arbeitsplatzes mit dem eines vollautomatischen Arbeitsplatzes zeigt, daß technischer Fortschritt nicht immer auch zugleich sozialen Fortschritt bedeutet. „Die vollautomatischen Arbeitsplätze haben Tendenzen zu mittleren Schweregraden der physischen Arbeit, zu , mittlerer'Aufmerksamkeit, zu einer . angelernten Qualifikation', während die vollmechanisierten Arbeitsplätze sowohl . geringe'als auch . große'körperliche Arbeit erfordern, zu , sehr großer'Aufmerksamkeit tendieren und . Angelernten-'und Facharbeiter-qualifikation’ verlangen." Eine ähnliche Problematik ist durch die Notwendigkeit von Schichtarbeit gegeben. Mögliche Entfremdungserscheinungen im Arbeitsprozeß werden u. U. hier noch überlagert durch das relative Abgeschnittensein des Schichtarbeiters vom gesellschaftlichen Kommunikationsprozeß. Zu einer teilweise geringeren Informationsmöglichkeit kommen noch reduzierte Möglichkeiten der gesellschaftlichen Betätigung. Entsprechende Untersuchungen in der DDR haben z. B. ergeben, daß die tatsächlichen Möglichkeiten für Schichtarbeiter nicht deren durchschnittlicher Weiterbildungsbereitschaft entsprechen Auch dieses Beispiel zeigt, daß der „Sachzwang" der materiellen Produktion nicht selten Normen und Werten aus dem politischen System entgegensteht und daß folglich zwischen verschiedenen Zielsetzungen abzuwägen ist bzw. Folgeprobleme auftreten, die zu ihrer Lösung politische Entscheidungen und zusätzliche gesellschaftliche Leistungen über den Produktionsbereich hinaus bedürfen.

Zu den positiven Folgen des Fortschreitens der Industrialisierung in der DDR gehören dagegen die Abnahme schwerer körperlicher Arbeit und die Zunahme geistiger Tätigkeitsinhalte. Für den Zeitraum 1965/66 bis 1971/72 werden die folgenden Veränderungen angegeben:

Kontrollfunktionen an Maschinen Zunahme um 22 0/0 geistige Bedienungstätigkeit an Maschinen Zunahme um 20 0/0 andere Kontroll-und Überwachungstätigkeit Zunahme um 16 0/0 körperliche Arbeit mit energiebetriebenen Maschinenwerkzeugen Zunahme um 15 0/0 körperliche Bedienungstätigkeit an Maschinen Zunahme um 12 0/0 Maschinenarbeit Zunahme um 11 0/0 körperlich schwere Tätigkeit an Maschinen Rückgang um 8% allgemeine Maschinenarbeit Rückgang um 9% körperliche Arbeit ohne energiebetriebenes Werkzeug Rückgang um 30 0/0

Gleichzeitig wird jedoch darauf hingewiesen, j daß nur etwa 12 0/0 der Beschäftigten der I Industrie geistige Bedienungsfunktionen aus- Daran zeigt sich, daß die Zunahme geistiger Arbeit ein in nur gemäßigtem Tempo in nicht umfassenden Ausmaß ablaufender i, Prozeß sein kann.

In Auswertung einer Untersuchung, die an, 18 000 Angehörigen der Arbeiterklasse und '

einigen anderen Werktätigen durchgeführt wurde, kommt H. Meyer zu diesem Ergebnis: i „Die Arbeitsteilung vertieft sich, aber sie vertieft sich nicht auf einem gleichbleibenden, heute gegebenen Niveau (etwa derart, daß zu'j den bestehenden Berufen und Tätigkeiten immer neue, technisch und sozial gleichartige , •hinzukommen). Es finden vielmehr tiefgreifende Umgestaltungen statt. Man kann diese im-groben als Verlagerung der aufzuwendenden geistigen Arbeit aus der operativen Durchfüh-1 rung und Lenkung der Produktionsprozesse in Vorbereitungs-und Nachbereitungsphase J charakterisieren. Vor einigen Jahren wurde angenommen, daß diese Veränderungen sehr rasch verlaufen und in wenigen Jahrzehnten die unkomplizierte Arbeit im wesentlichen 'verschwunden sei, daß 80 °/o der Menschen Abitur, Fach-und Hochschulbildung haben. Recht trat eine gewisse Ernüchterung ein, denn dieser Prozeß verläuft doch wesentlich 72) Eine Tendenz zur Zerlegung 1 des Arbeitsprozesses in immer einfachere Ein-j heiten ist also auch hier zu beobachten. Andererseits müsse man, so H. Meyer, „von I der Voraussetzung ausgehen, daß die für den gesellschaftlichen Reproduktionsprozeß auf-zuwendende geistige Arbeit rasch zunimmt. .. Zugleich erhöhen sich die objektiven gesellschaftlichen Anforderungen an das I Verständnis komplizierter Gesamtprozesse, an -das Verantwortungsbewußtsein der Werktätigen, an ihre Fähigkeiten bei.der Leitung und i Planung, Organisation und Kontrolle der Ar-1 beit mitzuwirken". Einer Zünahme der Ar-{ beitsplätze mit geringerer geistig-schöp-j ferischer Beanspruchung steht wegen des I viel höheren Wertes der Pröduktionsmit-eine Zunahme der Verantwortung ge-1 genüber Diese objektiven, von der Pro-j duktionstechnik vorgegebenen Daten stehen . in offensichtlichem Zusammenhang mit sozialen Daten, die die jeweiligen Positionsinhaber charakterisieren. So zeichnen sich Arbeiter an Vollautomaten denjenigen an Werkzeugmaschinen traditionellen Typs gegenüber dadurch aus, daß sie ein geringeres Anspruchsniveau an selbständige und schöpferische Arbeit, größere Zufriedenheit mit monotoner Arbeit und mit niedrigeren Qualifikationsanforderungen aufweisen. Andererseits sind sie stärker an der (Neuererbewegung'beteiligt, üben mehr gesellschaftliche Funktionen aus, fühlen sich häufiger für das gesamte Kollektiv verantwortlich, sind stärker auf Probleme der Technik als auf Fragen des Einkommens orientiert und stellen höhere Erwartungen an das gesellschaftliche, geistige und kulturelle Leben im Betrieb

Noch deutlicher als in der Zunahme geistiger Tätigkeit macht sich der technische Wandel durch die Veränderung der Berufsstruktur bemerkbar.. Bestimmte Berufe gewinnen an Bedeutung andere verschwinden und neue bilden sich heraus. So wurden in der DDR Anfang der sechziger Jahre die Ausbildungsberufe verringert und die Grundausbildung in den Berufen der Metallindustrie, Elektroindustrie und für die Maschinisten vereinheitlicht. Für einige Bereiche wurden der neue Berufs-typ des Grundberufs geschaffen Um die in den Grund-und Ausbildungsberufen Ausgebildeten in ihrer Qualifikation den veränderten technischen Bedingungen anzupassen, wurde ein System der Aus-und Weiterbildüng geschaffen. Diese Maßnahmen werden als „Schritte in der von Lenin geforderten Richtung des allseitig entwickelten Menschen" begriffen Zumindest diskutiert wurde in der DDR die Einführung eines „Forschungsfacharbeiters" der chemischen Industrie, der einer in der Sowjetunion festgestellten Tendenz Rechnung tragen soll, wonach die Zahl der in wissenschaftlichen Kollektiven Beschäftigten schneller steigt als der Qualifikationsgrad

Nicht zuletzt an diesem Beispiel des Forschungsfadharbeiters erhellt, daß der soziale Wandel im Zuge des wissenschaftlich-technischen Fortschritts in bestimmten Richtungen und in z. T. recht engen Grenzen verläuft. Insofern erscheint die Feststellung von H. Meyer plausibel, wonach die Produktionsarbeiter quantitativ und nach ihrer sozialen Charakteristik die prägende Basis des gesamten Reproduktionsprozesses sind und es für lange Zeit bleiben werden Zugleich deutet dieses Ergebnis, darauf hin, daß die heute noch weitgehend auf den Industrie-betrieb sich fixierende Sozialstrukturforschung nicht den gesamtgesellschaftlichen Wandel in den Griff bringen und entsprechend auch nicht den an sie gerichteten Erwartungen unter den Gesichtspunkten einer umfassenden Sozialplanung, der Vervollständigung des „Orientierungswissens" und der politischen Legitimation gerecht werden kann: Auch in anderen Bereichen wird der soziale Wandel nicht so überstürzt vor sich gehen, als daß man sich auf längere Frist im gesamtgesellschaftlichen Maßstab nicht an der Norm des im industriellen Großbetrieb tätigen Produktionsarbeiters wird orientieren können. Vielfältige, aus den großen gesellschaftlichen Arbeitsteiligungen überkommene soziale Unterschiede werden weiterbestehen, neue Differenzierungen werden auch unter sozialistischen Verhältnissen hinzukommen. Diesen Entwicklungstendenzen entsprechend werden die Vorstellungen von einer homogenen Gesellschaft, von der Aufhebung des Stadt-Land-Unterschiedes und der Über-windung von Unterschieden aus körperlicher und geistiger Arbeit noch eingehender Präzisierung bedürfen. Dies gilt nicht nur in bezug auf die analytische Funktion der entsprechenden Kategorien, sondern durchaus auch bezogen auf ihren Gehalt an politischer Norm. Vieles hängt damit von den Definierem des kommunistischen Endziels ab. In ihrem Belieben liegt es weitgehend, zu bestimmen, wer noch Arbeiter ist oder nicht mehr oder wer wieder.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. Emil Küng, Die Wohlstandsprobleme sind einigermaßen gelöst — was nun?, in: Neue Zürcher Zeitung vom 11. November 1973, Nr. 524 (Fernausgabe Nr. 308), S. 37; Tradition und Fortschritt — eine obsolete Antithese? Sozialer Wandel als Orientierungsproblem (Bericht über die Antrittsrede von Hermann Lübbe in Zürich), in: Neue Zürcher Zeitung vom 6. Juli 1973, Fernausgabe Nr. 181, S. 49. Rainer Döbert/Gertrud Nunner-Winkler, Konflikt-und Rückzugspotentiale in spätkapitalistischen Gesellschaften, in: ZfS 4/1973, S. 301 ff., S. 321.

  2. Jürgen Habermas, Legitimationsprobleme im Spätkapitalismus, Frankfurt 1973, S. 100 f.

  3. Karl Mannheim, Die Umgestaltung des menschlichen Handelns und Denkens, in: Bernhard Schäfers (Hrsg.), Gesellschaftliche Planung. Materialien zur Planungsdiskussion in der BRD, Stuttgart 1973, S. 98 u. 99.

  4. Vgl. Leonhard Neidhart, Möglichkeiten und Schranken der „politischen Planung" in der Referendumsdemokratie, in: Neue Zürcher Zeitung vom 31. März 1974, Nr. 151 (Fernausgabe Nr. 89), S. 37 f.

  5. Zentraler Forschungsplan der marxistisch-leninistischen Gesellschaftswissenschaften der DDR bis 1975, in: Einheit 2/1974, S. 169 ff., S. 173.

  6. Nach Werner Kalweit, Vizepräsident der AdW der DDR, ist „die wissenschaftlich-technische Revolution ... weder auf einzelne hervorragende wissenschaftliche Entdeckungen in der Physik, der Biologie oder den neuen kombinierten Wissenschaften zurückzuführen, noch ist sie allein durch technische Erfindungen wie Atomkraftwerke und elektronische Datenverarbeitungsmaschinen Zu erklären. Bestimmend ist die neue Qualität der gesellschaftlichen Produktivkräfte insgesamt, ihr historisches Niveau, das unter dem Einfluß der Ergebnisse der modernen Wissenschaft entsteht". Zitiert bei M. Gerhard Anders, Neue Fragen der wissenschaftlich-technischen Revolution, über ein RGW-Symposium in Moskau, in: Forum 5/1974, S. 13.

  7. Vql. Manfred Lötsch, über die Entwicklung der Klassenstruktur und der Struktur der Arbeiterklasse beim Aufbau der entwickelten sozialistischen Gesellschaft, und: Hansgünter Meyer, Theoretische Probleme und empirische Ergebnisse soziologischer Untersuchungen der Struktur der Arbeiterklasse, beide in: Zur Sozialstruktur der sozialistischen Connlschaft, Schriftenreihe „Soziologie", Berlin (nnt) 1974 S. 26 u. 55. Dieser Band der Schriften-reihe enthält Referate und Diskussionsbeiträge des Kolloquiums zu Fragen der Sozialstruktur der sozialistischen Gesellschaft, das vom 29. 11. - 1. 12. in 1972 Ost-Berlin stattfand. Der Band wird künftig zitiert als „Sozialstruktur".

  8. Vgl. dazu insbesondere Hans Lades, Zur Funktion des „entwickelten gesellschaftlichen Systems des Sozialismus" in der DDR, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 6/71, S. 3 ff.

  9. Hans Lades, Zur Funktion ..., a. a. O., S. 5.

  10. Vgl. hierzu Emil Schmickl, Soziologie und Sozialismustheorie in der DDR, Köln 1973, S. 71 ff.

  11. Vgl. dazu u. a. S. G. Tschaplygina/L. G. Tscherwonnaja, Die Intelligenz in der sozialistischen Gesellschaft (Rezension zu drei sowjetischen Veröffentlichungen über die soziale Struktur der Intelligenz), in: GWB 1/1972, S. 91 ff.

  12. Noch auf dem im Mai 1974 veranstalteten II. Soziologenkongreß der DDR wurde angeregt, „Vergleichsuntersuchungen in der DDR und der Volksrepublik Polen über die Entwicklung der Arbeiterklasse und die Sozialstruktur in Angriff zu nehmen". Vgl. Brigitte Hering, Beitrag zur Leitung und Planung sozialer Prozesse. Nachbetrachtungen zum II. Soziologenkongreß der DDR, in: ND vom 21. 5. 1974, S. 4.

  13. Zu den wichtigsten Konferenzen vgl. I. I. Krawtschenko/O. N. Trubizyn, Probleme der Sozialstruktur der sowjetischen Gesellschaft (Konferenzbericht), in: GWB 11/1972, S. 1202 ff.; Frank Rupprecht, IX. Beratung von Vertretern der Reiaktion philosophischer und soziologischer Zeitschriften europäischer sozialistischer Länder (Konerenzbericht), in: DZfPh 6/1972, S. 718ff.: Karleinz Ladegast/Günter Weber, Bericht vom Kollouium zu soziologischen Problemen der Sozialstruktur in der entwickelten sozialistischen Gesellschaft, in: Informationen zur soziologischen Forschung in der Deutschen Demokratischen Republik 1/1973, ff. S. 14

  14. Vgl. Die weitere Entwicklung der marxistischeninistischen Gesellschaftswissenschaften in der DDR (Beschluß des Politbüros des ZK der SED vom 22. 10. 1968), in: Einheit 12/1968, S. 1455 ff.

  15. Ebenda, S. 1459 (Hervorhebung v. Verf.).

  16. Ebenda.

  17. Kurt Hager, Grundfragen des geistigen Lebens im Sozialismus (Referat auf der 10. Tagung des ZK der SED), in: ND vom 30. 4. 1969, S. 3 ff.

  18. „Diese Differenziertheit (von Arbeiterklasse, Bauernschaft und Intelligenz) verlangt eine differenzierte Politik besonders auch auf ideologischem und sozialpolitischem Gebiet, wodurch für die entwickelte sozialistische Gesellschaft notwendige Differenzierungen erhalten und überholte Differenzierungen abgebaut und schließlich überwunden werden müssen ... Schließlich ist es notwendig, vereinfachende (und letztlich sektiererische) Tendenzen zu überwinden, die sich daraus ergeben, bei konkreten Fragen (von der Zulassungspolitik über die Vergabe von Wohnraum bis hin zur bevorzugten Belieferung mit Konsumgütern) einzig und allein, wie das in der Praxis verschiedentlich in schematischer Weise geschieht, von der Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zur Arbeiterklasse auszugehen." Rudi Weidig/Manfred Lötsch, Probleme der

  19. Zitat G. J. Glesermann bei Manfred Lötsch, Uber die Entwicklung der Klassenstruktur ..., a. a. O., S. 33.

  20. Uns interessieren dabei insbesondere die neueren, nach dem VIII. Parteitag der SED vom Juni 1971 vorgetragenen Äußerungen, da diese bereits im Zusammenhang mit der heute gültigen Gesellschaftskonzeption zu sehen sind. Eine detaillierte Darstellung und Analyse der bis Anfang 1970 in der DDR vorfindlichen Klassenkonzeption und divergierenden Interpretationen gibt Horst Röder, Abschied vom Klassenbegriff?, Opladen 1972. Wenn im übrigen entsprechend dem marxistischen Sprachgebrauch von der „Schicht der Intelligenz" die Rede ist, dann ist damit nicht — wie dies nichtmarxistischen Stratifikationsmodellen entsprechen würde — eine nach bestimmten Kriterien als sozial homogen zu konstatierende Menge von Menschen gemeint. Vielmehr sind damit zunächst unterschiedliche Gruppen mit relativ hoher Ausbildung bezeichnet, die weder zusammen eine Klasse bilden noch insgesamt einer solchen zugeordnet werden können.

  21. Horst Taubert, Zur Bedeutung des Marxschen Eigentumsbegriffs für die Erforschung der Entwicklungsprobleme der Arbeiterklasse und ihrer Struktur in der sozialistischen Gesellschaft, in: „Sozialstruktur", a. a. O., S. 172.

  22. Ebenda, S. 173.

  23. Kurt Krambach/Manfred Lötsch/Rudi Weidig, Die Entwicklung der Klassenstruktur in der DDR und der Prozeß der Annäherung der Klassen und Schichten, in: Einheit 9— 10/1974, S. 1145 ff., S. 1147.

  24. Vgl. Rudi Schuster, der und Bündnis Arbeiter Bauern in der DDR, in: Marxistische Blätter 5/1974 S. 28 ff., S. 34 f.

  25. Siegfried Grundmann, Einige aktuelle Probleme der marxistischen Klassentheorie, in: „Sozialstruktur", a. a. O„ S. 146.

  26. Arbeiterklasse — Partei — Bündnispolitik. Von einem Autorenkollektiv unter Leitung von Kurt Schneider (Probleme des wissenschaftlichen Kommunismus), Berlin (Ost) 1973, S. 91.

  27. Kurt Krambach/Manfred Lötsch/Rudi Weidig, Die Entwicklung der Klassenstruktur in der DDR ..., a. a. O., S. 1147 ff.

  28. Bereits 1969 war die Rede von der Herausbildung neuer Formen sozialistischen Eigentums „durch unmittelbare Verzahnung zwischen genossenschaftlichem und Volkseigentum“. Vgl. Kurt Krambach, Probleme der Bewußtseinsentwicklung der Klasse der Genossenschaftsbauern und die Aufgaben der Agrarsoziologie, in: Probleme und Ergebnisse agrarsoziologischer Forschung zur Bewußtseinsbildung der Genossenschaftsbauern bei der Gestaltung der sozialistischen Betriebswirtschaft und Kooperation, Schriftenreihe „Soziologie", Berlin (Ost) 1969, S. 29.

  29. Ebenda, S. 31 u. S. 14.

  30. Vgl. Kurt Krambach, Die weitere Annäherung der Klasse der Genossenschaftsbauern an die Arbeiterklasse — ein Grundprozeß der Veränderung der Sozialstruktur der sozialistischen Gesellschaft, in: „Sozialstruktur", a. a. O., S. 138. So soll die Schichtarbeit auf dem Land als Form typischer industriemäßiger Arbeitsorganisation dazu beitragen, das Problem zusammenhängender Arbeitszeit und regelmäßiger Freizeit zu lösen. Vgl. Kurt Krambach/Jörg Müller/Hans Schmidt, Uber einige Aspekte des Zusammenhangs zwischen der Annäherung der Klasse der Genossenschaftsbauern bei der Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft, in: Soziologische Probleme der Klassenentwicklung in der DDR. Materialien vom H. Kongreß der marxistisch-leninistischen Soziologie in der DDR, 15. — 17. Mai 1974. Schriftenreihe „Soziologie", Berlin (Ost) 1975, S. 227,

  31. Vgl. Hansgünter Meyer, Zu einigen Lehren Lenins für die soziologische Analyse der Sozialstruktur der sozialistischen Gesellschaft, in: Philosophen-Kongreß der DDR 1970, Teil III, Berlin (Ost) 1970, S. 195.

  32. Zu den Anforderungen an die Gesellschaftswissenschaftler in der DDR und der Sowjetunion, entsprechend analytisch tätig zu werden, vgl. Kurt Hager, Die entwickelte sozialistische Gesellschaft. Aufgaben der Gesellschaftswissenschaften nach dem VIII. Parteitag der SED. Referat auf der Tagung der Gesellschaftswissenschaftler am 14. Oktober 1971 in Berlin, Berlin (Ost) 1971, S. 23, und P. W. Kopnin/J. T. Frolow, Die Politik der KPdSU und die gegenwärtigen Probleme der Philosophie, in: GWB 10/1971, S. 1009 ff., S. 1017.

  33. Kurt Hager, Sozialismus und wissenschaftlich-technische Revolution, Berlin (Ost) 1972, S. 13.

  34. Ebenda, S. 12 u. S. 13.

  35. Auch Dieter Voigt konstatiert gegenüber der Vergangenheit den „Beginn differenzierter Einschätzung und Untersuchung des Phänomens der sozialen Ungleichheit". Dieter Voigt, Sozialstrukturforschung in der DDR, in: Deutschland Archiv 5/1975, S. 476 ff., S. 494.

  36. I. I. Krawtschenko/O. N. Trubizyn, Probleme der Sozialstruktur der sowjetischen Gesellschaft, a. a. O., S. 1206.

  37. So bei M. Rutkevic (Soziologie und Leitung der Gesellschaft), vgl. ASR DDR, Informationszentrum Staat und Recht, Referateblatt Reihe A, s (1973) 12, Bl. 603— 2 S.

  38. Manfred Lötsch/Rudi Weidig, Soziologische Probleme der Entwicklung der Arbeiterklasse bei der Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft, in: DZfPh 5/1972, S. 614 (Hervorhebung im Original).

  39. Ebenda, S. 614.

  40. Ebenda, S. 613.

  41. Vgl. ebenda, S. 614 u. S. 612.

  42. Manfred Lötsch/Rudi Weidig, Soziologische Probleme der Entwicklung der Arbeiterklasse bei der Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft, a. a. O., S. 616.

  43. Kurt Krambach/Manfred Lötsch/Rudi Weidig, Die Entwicklung der Klassenstruktur in der DDR..., a. a. O., S. 1150.

  44. So F. N. Gelbuch und O. N. Trubizyn nach I. I. Krawtschenko/O. N. Trubizyn, Probleme der Sozialstruktur der sowjetischen Gesellschaft, a. a. O., S. 1206.

  45. Vgl. Hansgünter Meyer, Zu einigen Lehren Lenins ..., a. a. O., S. 197, und O. I. Schkaratan nach Autorenkollektiv, Die entwickelte sozialistische Gesellschaft. Wesen und Kriterien — Kritik revisionistischer Konzeptionen, a. a. O., S. 170 f.

  46. Vgl. Autorenkollektiv, Die entwickelte sozialistische Gesellschaft. Wesen und Kriterien — Kritik revisionistischer Konzeptionen, Berlin (Ost) 1973, S. 171.

  47. In: Die entwickelte sozialistische Gesellschaft..., a. a. O., S. 168, werden „drei grundlegende soziale Schichten" innerhalb der Arebiterklasse unterschieden: „unqualifizierte und wenig qualifizierte Arbeiter, Arbeiter mit mittlerer Qualifikation sowie hochqualifizierte Arbeiter".

  48. Manfred Lötsch/Rudi Weidig, Soziologische Probleme der Entwicklung der Arbeiterklasse bei der Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft, a. a. O., S. 616.

  49. Harry Pawula, Rolle und Platz der Produktionsarbeiter der Industrie innerhalb der sozialistischen Arbeiterklasse, in: DZfPh 6/1973, S. 678 ff., S. 680. Pawula war Leiter einer Forschungsgruppe des Franz-Mehring-Instituts der Karl-Marx-Universität Leipzig, die im Sommer 1973 Untersuchungen unter mehr als 26 000 Beschäftigten von Großbetrieben der Stadt und des Bezirkes Leipzig durchführte. Vgl. Gert Friedrich/Hartmut Kästner/Ehrenfried Pößneck, Probleme der führenden Rolle der Arbeiterklasse im Sozialismus (Bericht von der Arbeitstagung im Franz-Mehring-Institut der Karl-Marx-Universität Leipzig vom September 1973), in: DZfPh 6/1974, S. 739 ff., S. 740. Zur Charakterisierung der Produktionsarbeiter vgl. Pawula, S. 682 f. Nicht zuletzt gelten die Produktionsarbeiter deshalb als so wichtig für die Entwicklung der gesamten Klasse, weil „ihre soziale Bestimmtheit auch dann noch erhalten bleibt, wenn — durch den Prozeß des wissenschaftlich-technischen Fortschritts bedingt — neue Gruppen in der Arbeiterklasse entstehen, die sowohl in ihrer Bedeutung zunehmen als auch quantitativ wachsen können". Manfred Zimek, Die Produktionsarbeiter — soziale Hauptgruppierung der Arbeiterklasse, in: Soziologische Probleme der Klassenentwicklung in der DDR, a. a. O., S. 117.

  50. Harry Pawula, Rolle und Platz der Produktionsarbeiter ..., a. a. O., S. 684.

  51. Ebenda, S. 685. Vgl ähnlich K. Richter, zitiert bei D. Pellmann/H. Kästner, Arbeiterklasse im Sozialismus (Bericht von der Arbeitstagungdm Franz-Mehring-Institut der Karl-Marx-Universität Leipzig vom September 1973), in: BzG 2/1974, S. 312 ff., S. 313, und Hansgünter Meyer, Soziologie und i sozialistische Gesellschaftsplanung, in: Spektrum I 9/1973, S. 15 ff., S. 16. Vgl. auch Rudi Weidig/Man-j fred Lötsch, Probleme der Beziehungen ..., Thesen, a. a. O., S. 10 f. Hier werden als Kern der Arbeiterklasse die Produktionsarbeiter in der materiellen Großproduktion definiert. Sie gelten als „jener Teil der Klasse, der die entscheidenden materiellen des Lebens der Gesellschaft produziert, das Profil, die revolutionäre Kraft, die Interes-3 sen, Disziplin und Organisiertheit der ganzen Ar-wesentlich prägt, von dessen Bewußt-j heit, Aktivität und gesellschaftlichen Beziehungen j hauptsächlich die Entwicklung der sozialistischen 'Gesellschaft bestimmt wird".

  52. Rudi Weidiq/Manfred Lötsch, Probleme der Be-ä Ziehungen ..., Thesen, a. a. O., S. 12. • 53) Ebenda, S. 6 u. S. 12.

  53. Ebenda, S. 12. Vgl. auch Harry Pawula, Rolle i und Platz der Produktionsarbeiter ..., a. a. O„ ; S. 687. Die Erklärung für die einmal als abgeleitet, I das andere Mal als sozialökonomisch qualifizierten ] Kriterien ergibt sich aus dem Kontext. Im ersten J Fall ging es um die Abgrenzung von Arbeiter-1 klasse und Intelligenz, im zweiten um die innere Struktur der Arbeiterklasse. Allenfalls im Verhält-! nis zu (politischen) Bewußtseinsinhalten könnten ä die genannten Kriterien mit Recht als sozialökono-1 mische charakterisiert werden.

  54. Horst Laatz, Die empirische Erfassung von Aritsplatzmerkmalen in der soziologischen Sozialrukturanalyse, in: „Sozialstruktur", a. a. O.. S. 200.

  55. Ebenda, S. 201. —

  56. Ebenda.

  57. Rudi Weidig/Manfred Lötsch, Probleme der Beziehungen .. ., Thesen, a. a. O., S. 12 f.

  58. Horst Laatz, Die empirische Erfassung von Arbeitsplatzmerkmalen in der soziologischen Sozialstrukturanalyse, a. a. O., S. 201 ff. Zu den Definitionen „Facharbeiter", „angelernte Arbeiter" und ungelernte Arbeiter" vgl. Gerda Grammdorf, Die Veränderung der sozialen Struktur der Arbeiterklasse in der Stadt Rostock von 1952 bis 1970, in: Wiss. Z. Univ. Rostock 5/1972, G, S. 465 ff., S. 469, Fußnoten. Für Qualifikation schlägt Gramm-dorf gegenüber der in der Statistik gebräuchlichen Definition eine Neufassung vor. Qualifikation soll danach sein „die Gesamtheit der erworbenen Arbeitserfahrungen, Arbeitsfertigkeiten und Arbeitsfähigkeiten, die zur Durchsetzung und Erfüllung bestimmter Produktionsaufgaben entsprechend dem Stand der Produktivkräfte und zur schöpferischen Teilnahme an der Planung und Leitung des Reproduktionsprozesses erforderlich sind". Ebenda, S. 470.

  59. Rudi Weidig, Die Arbeiterklasse im Prozeß der Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft, in: Einheit 4/1973, S. 430 ff„ S. 437.

  60. Ebenda, S. 438.

  61. Harry Pawula, Rolle und Platz der Produktionsarbeiter ..., a. a. O., S. 692.

  62. Ebenda, S. 689. Lötsch und Weidig geben für 1956 25, 8 °/o für 1970 52 °/o an. Manfred Lötsch/Rudi Weidig, Soziologische Probleme der Entwicklung der Arbeiterklasse bei der Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft, a. a. O., S. 617.

  63. Manfred Lötsch/Rudi Weidig, Soziologische Probleme der Entwicklung der Arbeiterklasse bei der Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft, a. a. O., S. 617.

  64. Ebenda, S. 618. Daraus resultiert auch die Forderung, die Lösung von Problemen der sozialen Entwicklung zusammen mit dem wissenschaftlich-technischen Prozeß anzugehen und die „Verbindlichkeit sozialer Zielkriterien des wissenschaftlich-technischen Fortschritts entscheidend" zu erhöhen. Rudi Weidig, Die'Entwicklung der Arbeiterklasse und der Persönlichkeit bei der Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft in der DDR, in: Soziologische Probleme der Klassenentwicklung in der DDR, a. a. O., S. 53.

  65. Fred Müller, Gemeinschaftsarbeit kontra Monotonie, Berlin (Ost) 1969, S. 53.

  66. Ebenda, S. 55 f. Wohl aus der Einsicht in die Notwendigkeit heraus hätte Wolfgang Eidihorn II 1965 auf einer Konferenz neben weiteren Anforderungen, die im gesellschaftlichen Arbeitsprozeß gestellt würden, auch von „Monotoniefestigkeit" gesprochen. Dazu entspann sich laut F. Müller eine lebhafte Diskussion. Fred Müller, Gemeinschaftsarbeit kontra Monotonie, a. a. O., S. 69.

  67. Als vollmechanisiert gilt ein Arbeitsplatz, an dem der Arbeiter über 50 °/o seiner Arbeitszeit unmittelbare Arbeit an der Maschine verrichtet, am vollautomatischen Arbeitsplatz sind über 50 °/o der Arbeitszeit Überwachung des Automaten. Horst Laatz, Die empirische Erfassung von Arbeitsplatz-merkmalen in der soziologischen Sozialstrukturanalyse, a. a. O., S. 205.

  68. Ebenda, S. 205 u. 208. Laatz untersuchte auch die Kommunikationsmöglichkeiten am Arbeitsplatz (S. 204) und stellte dabei fest, daß bei immerhin 21 °/o der Befragten die Kommunikation behindert, bei 18% stark behindert und bei 5% fast unmöglich ist.

  69. K. Stange/R. Hesse, Der Einfluß der Mehrschichtaibeit auf die Einstellung der Produktionsarbeiter zur Qualifizierung, in: R. Stollberg (Hrsg.),. Schichtarbeit in soziologischer Sicht (Beiträge zu einer Konferenz vom Juni 1972), Berlin (Qst) 1974, S. 52ff., . insbes. S. 57 ff.

  70. Manfred Lötsch/Rudi Weidig, Soziologische Probleme der Entwicklung der Arbeiterklasse bei der Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft, 618. a. O., S.

  71. Ebenda, S. 16 u. S. 17.

  72. Ebenda, S. 17.

  73. So in der Sowjetunion der Beruf des Schlossers, des Elektroschlossers und des Maschinenarbeiters der Metallindustrie, in der Bauwirtschaft der DDR z. B. noch immer der des Maurers. Harry Pawula, Rolle und Platz der Produktionsarbeiter ..., a. a. O., S. 690 f.

  74. Herwart Pittack, Die Bedeutung von Produzententätigkeit und Berufsqualifikation für die Entwicklung der Arbeiterklasse, in: BzG 2/1974, S. 275 ff., S. 281.

  75. Ebenda.

  76. Vgl. Günther Bohring, Die wachsende Rolle der Arbeiterklasse bei der Verwirklichung des Zusammenschlusses von Wissenschaft und Produktion, in: Persönlichkeit und Kollektiv in der Forschung,

  77. Hansgünter Meyer, Soziologie und sozialistische Gesellschaftsplanung, a. a. O. , S. 16.

  78. Gerade zu diesem Aspekt werden unter Berufung auf Engels neuere Überlegungen angestellt, die von dauernden territorial unterschiedlichen Lebensbedingungen ausgehen. Vgl. Siegfried Grundmann, Zu einigen Problemen der Entwicklung einer sozialistischen Lebensweise, der Sozialstruktur und des Territoriums, in: Soziologische Probleme der Klassenentwicklung in der DDR, a. a. O., S. 180.

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Emil Schmickl, Dr. rer. pol., Diplom-Sozialwirt, geb. 1941 in Geiselwind; Studium der Wirtschafts-und Sozialwissenschaften in Nürnberg und Heidelberg; 1967— 1969 wiss. Mitarbeiter am Sozialwissenschaftlichen Forschungszentrum der Universität Erlangen-Nürnberg; seit 1969 wiss.. Mitarbeiter am Institut für Gesellschaft und Wissenschaft (IGW) an der Universität Erlangen-Nürnberg in Erlangen. Veröffentlichungen u. a.: Soziologie, in: Produktivkraft Wissenschaft. Sozialistische Sozialwissenschaften in der DDR, herausgegeben von Hans Lades und Clemens Burrichter, Hamburg 1970; Soziologie und Sozialismustheorie in der DDR, Köln 1973; Zur Wissenschaftsentwicklung im sozialistischen System. Soziologie in der DDR als Ergebnis sozialen Wandels und politischer Programmatik, in: Ana-’ lysen und Berichte aus Gesellschaft und Wissenschaft (IGW Erlangen) 1/75.