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Zur Ideologiekritik wirtschaftsund sozialkundlicher Lehr-und Lernmittel - gezeigt am Beispiel von Unterrichtsmaterialien zum Thema „Geld und Währung" | APuZ 35/1973 | bpb.de

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APuZ 35/1973 Zur Ideologiekritik wirtschaftsund sozialkundlicher Lehr-und Lernmittel - gezeigt am Beispiel von Unterrichtsmaterialien zum Thema „Geld und Währung"

Zur Ideologiekritik wirtschaftsund sozialkundlicher Lehr-und Lernmittel - gezeigt am Beispiel von Unterrichtsmaterialien zum Thema „Geld und Währung"

Peter Weinbrenner

/ 73 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Ziel der Untersuchung ist es, ein ideologiekritisches Instrumentarium zu entwickeln und die Brauchbarkeit der einzelnen analytischen Kategorien anhand einschlägiger Unterrichtsmaterialien zum Thema „Geld und Währung" zu überprüfen. Im ersten Teil wird eine begriffskritische, problemgeschichtliche und Wissenschaftstheoretische Grundlegung des Ideologieproblems versucht. Im zweiten Teil werden drei analytische Kategorien der Ideologiekritik entwickelt, und zwar 1.der Ideologieproduzent, 2.der Ideologieadressat und 3. die ideologische Aussage. Im dritten Teil werden typische ideologische Argumentationsmuster im Kontext didaktischer Unterrichtsmaterialien zum Thema „Geld und Währung" dargestellt. Abschließend wird auf die Bedeutung der Ideologiekritik als Element wirtschaftsund sozialkundlicher Curricula hingewiesen. Der auf die Erkenntniswirklichkeit hin orientierte Ideologiebegriff schließt zwar den Zweifel an der prinzipiellen Unmöglichkeit völlig ideologiefreier Aussagen und damit reiner Wahrheitserkenntnis nicht aus, hält aber den Grad der Befangenheit der menschlichen Erkenntnis für reduzierbar. Hierin wird die Chance pädagogisch vermittelter Ideologiekritik gesehen.

Einleitung

Abbildung 1

Die hier vorgelegte Studie entstand im Zusammenhang einer Projektplanung der Bundeszentrale für po’itische Bildung in Bonn, die eine Arbeitsgruppe von Wissenschaftlern und Didaktikern beauftragt hat, didaktische Materialien zum Thema „Geld und Währung" zu entwickeln.

Beispiel 26:

Quelle: Alfred Krüger, Das Geld rollt, S. 15.

Schon die ersten Zusammenkünfte der Arbeitsgruppe haben gezeigt, daß der zur Diskussion stehende Problemkreis keineswegs eindeutig bestimmt und daher dem didaktischen Zugriff nicht unmittelbar zugänglich ist. Wie immer in solchen Fällen versuchte man zunächst, auf vorhandene Lehrund Lernmittel zurückzugreifen, um auf dieser Grundlage eigene Entwürfe zu entwickeln. Die Fülle und Vielfalt der vorliegenden Lehrbücher und Broschüren, die Verschiedenartigkeit des didaktischen Ansatzes-und die den einzelnen Materialien immanenten gesellschaftspolitischen Akzentuierungen konnten jedoch insgesamt wenig zur Klärung der eigenen Position beitragen. Es wurde bald deutlich, daß die Prüfung der vorliegenden Materialien nur mit Hilfe eines kritischen Rastersystems möglich ist, das anhand analytischer Kategorien eine gesellschaftspolitische, fachwissenschaftliche und didaktische Einordnung ermöglicht.

Der Verfasser hat versucht, in der vorliegenden Studie ein solches Instrumentarium zu entwickeln. Er hat die von der Bundeszentrale zur Verfügung gestellten Materialien zum Thema „Geld und Währung" um einige weitere Lehrbücher und Broschüren ergänzt und diese Unterlagen einer ideologiekritischen Analyse unterworfen. Hierbei war er sich der Problematik dieses Unterfangens durchaus bewußt. Die Auswahl der zitierten Materialien ist mehr zufällig und erhebt nicht den Anspruch, repräsentativ zu sein. Die zitierten Verfasser der einzelnen Lehrmittel und Unterrichtsbroschüren werden sich mit Recht da-gegen verwahren, anhand einzelner Zitate als Ideologieproduzenten abgestempelt zu werden. Abgesehen davon, daß die „subjektive Redlichkeit" der Lehrbuchautoren dem dieser Studie zugrundeliegenden Ideologiebegriff immanent ist, handelt es sich nicht um eine Lehrbuchanalyse. Erst eine solche könnte im Rahmen einer ideologiekritischen Gesamtanalyse des jeweiligen Lehrwerks zu einem eindeutigen Urteil kommen.

Der Ideologiebegriff

Eine wissenschaftliche Ideologienlehre steckt heute noch immer in ihren Anfängen. Es gibt wenige Ausdrücke, die im politischen Tages-kampf und in der wissenschaftlichen Diskussion so überansprucht und abgenutzt worden sind, wie derjenige der „Ideologie" 1).

Bei aller Verschiedenheit der erkenntnistheoretischen Position, der soziologischen Richtung und des gesellschaftspolitischen Standpunkts läßt die Überprüfung verschiedener Ideologiebegriffe doch eine weitgehende Gemeinsamkeif der Begriffsmerkmale erkennen. Dies soll im folgenden anhand der Ideologiebegriffe von Theodor Geiger, Werner Hofmann und Ernst Topitsch gezeigt werden.

Theodor Geiger plädiert für einen engen, auf Erkenntnisaussagen beschränkten Ideologie-begriff und grenzt sich damit sowohl gegenüber panideologischen als auch soziologischen Erkenntnistheoretikern wie Emile Durkheim, Max Scheler und Karl Mannheim ab Er entscheidet sich für einen „erkenntnisspeziellen Ideologiebegriff", dessen wesentliches Merk-mal die durch ein Vitalengagement bedingte „Fehlbeurteilung objektiver Wirklichkeit" ist und definiert Ideologie wie folgt: „Als Ideologie sollen jene Aussagen bezeichnet werden, die ihrer sprachlichen Form und dem in ihnen ausgedrückten Sinne nach sich als theoretische Sachaussagen geben, die aber a-theoretische, nicht der objektiven Erkenntniswirklichkeit zugehörende Bestandteile enthalten."

Werner Hofmann sieht im Gegensatz zu Theodor Geiger das Allgemeine der Ideologie in ihrer gesellschaftlichen Funktion begründet: „Ideologie soll verstanden werden als gesellschaftliche Rechtfertigungslehre. Ideologische Urteile wollen soziale Gegebenheiten absichern, legitimieren, aufwerten. Sie sind von konservierender Natur." 5) Hofmanns Ideologiebegriff ist deshalb funktional, weil nach seiner Ansicht der Inhalt von Ideologien mit den Umständen wechselt, also historisch bedingt ist, ihr allgemeiner Charakter jedoch in ihrer gesellschaftlichen Funktion begründet ist

Ernst Topitsch vereint in seiner Definition sowohl die Elemente des positivistischen Ideologiebegriffs Theodor Geigers als auch des soziologischen Ideologiebegriffs Werner Hofmanns. Er bezeichnet als Ideologien .... unwahre, halbwahre oder unvollständige Gedanken-gebilde ..., die sich auf soziale Sachverhalte beziehen und auf eine Befangenheit ihrer Träger zurückzuführen sind, welche durch deren gesellschaftliche Situation verursacht ist" 7).

Eine Analyse der verschiedenen Ideologie-begriffe ergibt folgende gemeinsame Begrifis-merkmale: 1. Verschleierungscharakter Alle Ideologiebegriffe gehen aus von der prinzipiellen Möglichkeit objektiver Erkenntnis und bezeichnen eine Form der Verhüllung, Verschleierung und Verfälschung der Erkenntniswirklichkeit.

2. Rechtfertigungscharakter Ideologien gehören prinzipiell herrschaftsgeordneten Gesellschaften an und sind insofern Aussagen von Personen oder Personengruppen, die Herrschaft anstreben, erhalten oder erweitern wollen

3. Wahrheitskern Ideologien entspringen immer einer Auffassung von Wirklichkeit, die mit dieser teilweise nicht übereinstimmt. Weder die platte Lüge noch der Irrtum sind daher mit Ideologie gleichzusetzen Das Spezifikum der ideologischen Aussage besteht gerade darin, daß sie allemal hinter der bereits möglich gewordenen (oder schon einmal erreichten) Einsicht zurückbleibt: „Ihre allgemeine Signatur ist der denkgeschichtliche Regress."

Eine Reihe weiterer sekundärer Begriffsmerkmale wie der pejorative Charakter von Ideologien, der ihnen seit Napoleon I. zugemessen wird die durchaus mögliche subjektive Redlichkeit des Ideologieproduzenten sowie die interessenpsychologischen Implikationen des Ideologieproblems sind nicht konstitutiv für den Ideologiebegriff und werden daher an dieser Stelle noch nicht erörtert.

2. Zur Geschichte des Ideologieproblems Es gibt einen historisch aufweisbaren Zusammenhang zwischen der Entstehung der kapitalistischen Geldwirtschaft und der damit einhergehenden Zirkulation sowie dem Austausch von Ideen. Mit der Entstehung freier Märkte gewannen Geld und Intellekt vermittelnde Funktionen für die Beziehung der Menschen untereinander. Die Entstehung des Ideologieproblems ist daher eng mit den Emanzipationsbestrebungen des frühen europä-ischen Bürgertums verbunden Es entwickelten sich sowohl ökonomische als auch kulturelle Marktbeziehungen und Konflikte, die durch die Interessenlage und die Herrschaftsansprüche der jeweiligen Personen und Gruppen bestimmt waren. Schon Francis Bacon hat in seinem „Novum Organon" diese Entwicklung und die sich daraus ergebenden erkenntnistheoretischen Folgen mit eindrucksvoller Klarheit beschrieben. Er verwies auf die sogenannten „Idola fori" (Idole des Marktes), die dadurch zustande kommen, daß die Menschen, ehe sie durch eigene Erfahrungen mit den Gegenständen ihrer Welt vertraut werden, bereits die Zeichen für die Dinge kennen, und zeigt hierbei den Verschleiemngscharakter von Wort und Geld auf: „Die Worte sind gleichsam die geläufige Münze, womit wir im geselligen Verkehr die Vorstellungen der Dinge... einnehmen: sie sind, wie das Geld im Handel, nicht der sachliche und natürliche, sondern der konventionelle Wert der Dinge, der durch die Verhältnisse des menschlichen Verkehrs gemacht wird." Diese Analogie wird von Kurt Lenk weitergeführt, wenn er sagt: „Der . Marktpreis', den eine Sache in unserer Sprache besitzt, muß nicht unbedingt die ihr selber zukommenden Bestimmungen treffen."

So können sich Worte wie Münzen gleichermaßen als Verschleierungsinstrumente erweisen, die dem erkennenden Subjekt den unmittelbaren Zugang zu den Erkenntnistatsachen versperren Die Verknüpfung dieser beiden Instrumente der Ideologiebildung bedeutet insofern eine Potenzierung jener das auf die Realität gerichtete Denken hemmenden Faktoren, die durch Ideologiekritik bewußt gemacht und neutralisiert werden müssen. 12

In der Verfolgung dieses problemgeschichtlichen Zusammenhangs lassen sich zwei Theorien unterscheiden: die Interessentheorie und die Priestertrugtheorie.

Die Interessentheorie der Aufklärung hat die erkenntnispsychologische Komponente des Ideologiebegriffs im Auge, wonach dem Men-

INHALT Einleitung I. Begriffskritische, problemgeschichtliche und wissenschaftstheoretische Grundlegung des Ideologieproblems 1. Der Ideologiebegriff 2. Zur Geschichte des Ideologieproblems 3. Wissenschaftstheoretische Aspekte des Ideologieproblems II. Analytische Kategorien der Ideologie-kritik 1. Der Ideologieproduzent a) Berufs-, Standes-und Verbands-ideologien b) Die subjektive Redlichkeit des Ideologieproduzenten 2. Der Ideologieadressat a) Emotionalisierung durch Leerformeln b) Mythologisierung durch Beschwörungsformeln 3. Die ideologische Aussage a) Zur Typologie ideologischer Urteile b) Zur Physiognomie des rechtfertigenden Meinens c) Zur Strategie der Aufdeckung von Ideologien III. Ideologische Argumentationsmuster im Kontext einschlägiger Unterrichtsmaterialien zum Thema „Geld und Währung" 1. Wissenschaftstheoretische Ideologis-men a) Historischer Monetarismus b) Mechanistischer Funktionalismus c) Begriffsrealistischer Essentialis-mus 2. Ideologische Argumentationsmuster im Kontext ausgewählter Probleme a) Das Geld im Kontext der Lohn-problematik b) Das Geld im Kontext der Preis-problematik c) Das Geld im Kontext von Sparen und Investieren IV. Ideologiekritik als Element wirtschaftsund sozialkundlicher Curricula sehen bei richtigem Vernunftgebrauch die reine und volle Wahrheit zugänglich ist. Die vollkommene Emanzipation des Verstandes von Affekten, Emotionen, Triebeinflüssen usw.

wird prinzipiell für möglich gehalten. Ideologien sind nach dieser Auffassung emotional bedingte Bewußtseinstrübungen, die zu einer Abweichung von der reinen Wahrheitserkenntnis führen. Solche Abweichungen entstehen durch die im Gefühls-, Triebund

Willensleben des Menschen wurzelnden Interessenmotive.

Der Mensch werde auf diese Weise am rechten Vernunftsgebrauch gehindert

Die Interessentheorie der Aufklärung hat nur eine bestimmte Art von Vitalbeziehungen, nämlich wirtschaftliche und politische Machtinteressen berücksichtigt. Für die Zwecke un-serer Analyse erscheint es zweckmäßig, auf diesen engen ideologischen Begriff der Aufklärung zurückzugreifen und nur den Aussagen nachzugehen, die sich nachweislich auf wirtschaftliche und/oder politische Machtinteressen zurückführen lassen.

Eine solche ökonomisch-politische Konkretisierung des Interessenbegriffs im Zusammenhang mit dem Ideologieproblem ist nach Werner Hofmann insbesondere wegen der Partiku-larität der Interessen notwendig: „Interesse gibt es immer nur in bezug auf ein anderes, entgegenstehendes. Im Begriff des vermeintlichen oder wirklichen Gesamt-, Interesses'(etwa eines ganzen Volkes) ist das dem Interesse Wesentliche, seine Sonderung, aufgehoben. — Unsere Wirtschaftsgesellschaft, die Gesellschaft der durch Märkte voneinander separierten einzelnen, ist die , Interessengesellschaft' schlechthin."

Mit dieser gesellschaftlichen Perspektivität der Interessentheorie ist eine wichtige Kategorie der Ideologiekritik gewonnen. Auch diese Dimension des Ideologieproblems ist bereits in der Aufklärungsphilosophie nachweisbar, und zwar in der Lehre vom Priester-und Herrentrug.

Diese Lehre geht aus von der Annahme einer Verschwörung der Mächtigen gegen das Volk, das in geistiger Unmündigkeit gehalten werden soll. Die Kritik am „ancien regime" führte zur Forderung nach demokratischen Gesellschaftsformen, in denen das Volk durch den autonomen Gebrauch seiner Verstandeskräfte die Entscheidungen und Maßnahmen der Regierung zu kontrollieren vermag. Hier liegt zugleich der Beginn einer auf Aufklärung und Emanzipation gerichteten Theorie der politischen Bildung.

Dieser Gedanke ist allerdings nicht neu. Bereits Spinoza spricht in der Vorrede zu seinem „theologisch-politischen Traktat" von der Vorliebe autokratischer Monarchen, die Untertanen in Irrtum und Furcht zu halten, weil die Behinderung des freien Urteils das beste Mittel sei, Herrschaft und Sklaverei als gottgewollte Institutionen zu legitimieren

Diese geschichtlich vielfach belegbare Verschwörung von Thron, Adel und Geistlichkeit bezeichnet einen wesentlichen Kern des Ideologieproblems: „Thron, Adel und Geistlichkeit beriefen sich bei der Ausübung ihrer Macht auf dogmatische Glaubenssätze, in deren Licht das Feudalsystem als gottgewollte Ordnung erscheinen konnte, so daß die Kritik an den bestehenden Einrichtungen als Auflehnung wider die göttlichen Gebote galt."

Die aufklärerische Intention der Lehre vom Priestertrug bestand darin, die Machtinteressen bloßzulegen, welche der Verklärung geschichtlich gewordener Verhältnisse zugrunde liegen.

Die Ideologisierung der Unterdrückten ist so-mit immer eine Form der Internalisierung gesellschaftlichen Zwangs. Die Gesellschaft erscheint hier als pseudo-objektive Wirklichkeit und als strafende Instanz, die das Denken und Handeln des Menschen als Ideologieadressaten reguliert: „Der Blick nach oben ersetzt das irdische Glück und verhindert zugleich jeden Gedanken an eine Veränderung des Bestehenden zum Besseren. Was bloße Gewaltanwendung nicht vermochte, wird nun von den Priestern geleistet: Die Durchsetzung des Herrschaftswillens der Obrigkeit bis in die letzten Winkel der menschlichen Seele hinein."

Wir halten als weitere analytische Kategorie für unsere Ideologiekritik fest: Ideologien dienen zur Wahrung gegebener und/oder zur Rechtfertigung zukünftiger Macht-und Herr- Schaftsverhältnisse. In dieser säkularisierten Form führt eine direkte Linie von der Priester-und Herrentrugtheorie zur klassenspezifischen Ideologienlehre von Karl Marx und neuerer Soziologen wie Franz Oppenheimer, Karl Mannheim und Werner Hofmann.

3. Wissenschaftstheoretische Aspekte des Ideologieproblems Das Ideologieproblem ist wissenschaftstheoretisch von verschiedenen erkenntnistheoretischen und methodologischen Positionen angegangen worden. Im Hinblick auf das Verhältnis von Wissenschaft und Ideologie ist hierbei insbesondere auf die positivistische und marxistische Ideologiekritik einzugehen.

Bei aller Verschiedenheit der im Nachfolgenden darzustellenden positivistischen und historisch-marxistischen Ideologienlehre ist doch auf eine wesentliche Gemeinsamkeit beider Ideologienlehren hinzuweisen, nämlich die Anerkennung der prinzipiellen Möglichkeit objektiver Wirklichkeitserkenntnis.

Wissenschaft ist in diesem Verständnis nicht durch den Erkenntnisstand, sondern die Art und Weise des methodischen Vorgehens bestimmt. Wissenschaft steht insofern auch nicht im Gegensatz zum einfachen Wahrnehmen und Denken. „Mit dem einfachen Denken teilt Wissenschaft das Grundverhältnis aller Erkenntnis: den elementaren Unterschied von Subjekt und Objekt der Einsicht und damit die Doppelmöglichkeit von Irrtum und Wahrheit."

Von dieser gemeinsamen Basis des Wissenschaftsverständnisses ausgehend, wird nunmehr kurz die positivistische der marxistischen Ideologienlehre gegenübergestellt.

a) Die positivistische Ideologienlehre Die positivistische Ideologienlehre geht nach Theodor Geiger von zwei Prämissen aus: — vom Begriff einer theoretischen oder Erkenntniswirklichkeit, nicht einer pragmatischen oder Existenzialwirklichkeit.

— Von der theoretischen oder Erkenntniswirklichkeit als dem Inbegriff der raumzeitlich bestimmten, unmittelbar oder mittelbar sinnlich wahrzunehmenden Erscheinungen.

Die ideologische Abweichung von der Erkenntniswirklichkeit besteht nach dieser Auffassung darin, daß eine Aussage sich gar nicht auf ein Erkenntniswirkliches bezieht oder beschränkt, sondern wirklichkeitsfremde Elemente enthält: „Die ideologische Aussage ist kraft ihrer Art und ihres Gegenstandes der empirischen Bewahrheitung oder Widerlegung unzugänglich."

Geiger läßt also den Ideologiebegriff nur als Begriff der Erkenntniskritik gelten. „Weder die soziale Wirklichkeit als solche, noch die sich auf diese beziehende Bewußtseinsstruktur könnten Gegenstand ideologiekritischer Analysen sein. Vielmehr sei allein das wissenschaftliche Einzelurteil daraufhin zu befragen, ob und inwieweit es mit der empirisch erfaßten, raumzeitlichen Wirklichkeit übereinstimme." ... „Die hinter dem einzelnen, als ideologisch bestimmten Urteil existierende Intention des Erkennenden bleibt jenseits der positivistischen Ideologiekritik: Sie wird als . Mentalität’ aus dem engeren Zusammenhang soziologischer Kritik des Denkens ausgeklammert." Mit dieser Auffassung steht Geiger ganz in der Tradition Auguste Comtes, des-sen antisubjektivistische Tendenz auf eine völlige Unterwerfung emotionaler Strebungen und Triebe unter die Zucht intellektueller Kontrolle hinzielt. Auch bei Geiger wird allein das erkennende und urteilende Einzelsubjekt als Ideologieträger anerkannt, und auch er sieht die Möglichkeit der Überwindung ideologischer Bewußtseinselemente in der „intellektuellen Gefühlsaskese und Selbstkontrolle" des „homo sensualis"

Die Problematik des Geigerschen Ideologiebegriffs liegt in der erkenntnistheoretischen Überforderung der Sprache als eines Mediums soziologischer Forschung: „Denn der noch von allen kryptonormativen Elementen gereinigte Satz enthält stets einen gewissen Unschärfegrad aufgrund der mangelnden definitorischen Bestimmbarkeit der in ihm verwandten Begriffe." Außerdem vernachlässigt Geiger weitgehend die soziologische Komponente des ideologischen Entstehungszusammenhangs In jüngster Zeit hat Hans Albert der positivistischen Ideologiekritik einen neuen Akzent gegeben. Er geht das Ideologieproblem in „kri-tizistischer Perspektive" an und diskutiert die bisherigen theoretischen Ansätze, bei denen soziologische und epistemologische Fragen so miteinander verschmolzen werden, daß unter logischen Gesichtspunkten der Einwand erhoben werden müsse, es sei nicht gelungen, „Probleme der Genese und der Gültigkeit von Erkenntnissen genügend auseinanderzuhalten" (Abgrenzungsproblem)

Für Albert ist das Ideologieproblem jedoch kein Abgrenzungsproblem, sondern ein Erklärungsproblem. Für ihn stehen Probleme der Motivation und des sozialen Wirkungszusam-menhangs im Vordergrund. Damit weitet er die bei Geiger schon im Ansatz vorhandene soziale Dimension des Ideologieproblems aus, bei der es primär um Fragen der Verursachung und sozialen Funktion von Ideologien geht.

Nach dieser Konzeption geht es um die Entwicklung eines theoretischen Systems von Aussagen, das nicht so sehr die logische Struktur von Aussagen, sondern die Strategien, die in bezug auf Aussagen und Aussagensysteme verwendet werden, zum Gegenstand hat Das Ideologieproblem wird auf diese Weise bei Albert ein methodologisches Problem:

„Wer die klassische Methodologie, die vom Prinzip der zureichenden Begründung ausgeht, akzeptiert, hat Möglichkeit, in überzeugender keine Weise zwischen Ideologie Erkenntnis und zu unterscheiden . . ." Er setzt anstelle des klassischen Prinzips der zureichenden Begründung das Prinzip der kritischen Prüfung und bestimmt aus dieser Perspektive die Aufgaben der Ideologiekritik, die zugleich als pädagogischer Lernzielkatalog verstanden werden können, wie folgt

— Ideologiekritik ist kein „Sprachreinigungsunternehmen"

zur Diffamierung bestimmter Wortund Aussagearten als Ideologien;

— Ideologiekritik hat die Aufgabe, die Ergebnisse und Methoden kritischen Denkens für die Bildung des sozialen Bewußtseins und damit auch der öffentlichen Meinung fruchtbar zu machen;

— Ideologiekritik soll einen Beitrag zur Förderung der Erziehung zu rationalem Problemlösungsverhalten leisten;

— Ideologiekritik soll Methoden lehren, die es dem einzelnen ermöglichen, sich ein selbständiges Urteil zu bilden und damit auch Strategien der Immunisierung, der Verdunklung, Vernebelung und Verklärung, also: dogmatische Verfahrensweisen zu durchschauen;

— Ideologiekritik soll die Immunität der Mitglieder einer Gesellschaft gegen irrelevante Arten der Argumentation erhöhen und sie zugleich empfänglich machen für echte und relevante Kritik;

— Ideologiekritik soll zu einer Korrektur bestimmter Vorurteile beitragen, besonders solcher Vorurteile, die sozial und politisch sehr wirksam sind;

I — Ideologiekritik darf sich nicht allein mit sprachlichen Mitteln zufriedengeben, sie muß sich auch anderer Mittel der Bewußtseinsschärfung (z. B. Literatur, Kunst usw.)

bedienen, soweit sie Aufklärung und Ent-

dogmatisierung zu befördern vermögen Mit dieser weitgehenden Identität von Wissenschaftszielen und Lernzielen bietet Albert eine wissenschaftstheoretisch und methodologisch begründete Programmatik der Ideologiekritik, die Studieim Rahmen dieser in didaktische Kategorien umzusetzen ist.

b) Die marxistische Ideologienlehre Es ist schwer, ein geschlossenes Gedankengebäude der marxistischen Ideologienlehre darzustellen, da Ideologie bei Marx sowohl objektiver Geist (überbau) als auch subjektiver Geist (soziales Bewußtsein) ist. Nach Theodor Geiger ist die pragmatische Intention der Marxschen Ideologiekritik die „Quelle des Mißverständnisses". Marx ist nicht nur der Auffassung, daß die Wissenschaft dem Leben zu dienen habe, sondern daß seine wissenschaftliche Erkenntnis unmittelbar selbst revolutionäre Tat sei und daß angesichts dieser „einzigartigen Verquickung von Kenntnis und Tat, Theorie und Praxis" das Ideologieproblem mit der Begriffssprache theoretischer Wissenschaft nicht hinreichend beschrieben werden könne

Zunächst ist Ideologie bei Marx eine Funktion („Manifestation") des Unterbaus, also Überbauphänomen. Trotzdem ist nach Geiger Marx kein Panideologist, weil er eine Gesellschaft prinzipiell für möglich hält, „deren geistiger überbau (Ideologie) mit der objektiven Wahrheit voll übereinstimmen, absolute Wahrheit sein werde, weil der (seiner Meinung einzige) verzerrende Faktor, das Produktionsverhältnis, aufgehoben sei. Die Menschen werden richtig denken, die Vorstellungswirklichkeit sehen, wenn ihnen nicht mehr durch ihre Stellung auf der einen oder anderen Seite des Produktionsverhältnisses der Kopf verdreht sein wird" Solange jedoch die Gesellschaft Klassengesellschaft ist, sind die Gedanken der herrschenden Klasse in jeder Epoche die herrschenden Gedanken Das Denken der Menschen ist also verfälscht, verzerrt, getrübt, weil es durch die Produktionsverhältnisse und den dadurch bedingten Klassenantagonismus die absolute Wahrheit nicht erfassen kann.

Auch das Proletariat innerhalb der kapitali-stischen Gesellschaft denkt insofern falsch. „Da es aber diejenige Klasse ist, die dank Marx und durch seine Augen schon die klassenlose Gesellschaft voraussieht, denkt das Proletariat verhältnismäßig richtiger als das Bürgertum und irgendeine Klasse vorher. Dem Proletariat gehört die Zukunft. Sein Denken verbindet sich in Übereinstimmung mit dem Geschichtsverlauf selbst. Darin liegt die Richtigkeitsgarantie."

Den Kern der marxistischen Ideologienlehre umreißt der vielzitierte Satz: „Nicht das Bewußtsein bestimmt das Leben, sondern das Leben bestimmt das Bewußtsein." In dieser Verknüpfung der Ideologienlehre mit der Klassentheorie liefert Marx eine entscheidende analytische Kategorie für jede Ideologiekritik. Danach heißt Ideologiekritik nicht die Entlarvung jedes Standpunktes als prinzipiell ideologisch, sondern die Aufdeckung der Ideologiequelle durch die Analyse der jeweiligen Klassenlage des Ideologieproduzenten sowie des Ideologieadressaten. In dieser Erweiterung des Begriffsinhaltes und der damit zugleich verbundenen Konkretisierung und Einschränkung des Begriffsumfangs liegt der Beitrag von Marx zu einer Schärfung des analytischen Instrumentariums der Ideologiekritik.

II. Analytische Kategorien der Ideologiekritik

Beispiel 6: Quelle; Hans-Dieter BURGHARDT, Geld und Währung, S. 27.

Jeder Versuch, Ideologiekritik am konkreten Beispiel von Textmaterialien oder auch an in bestimmten sozialen und historischen Zusammenhängen entstandenen mündlichen Aussagen von Personen durchzuführen, stößt auf das Problem, die Fülle der Merkmale, die insgesamt den Ideologiebegriff konstituieren, in einem griffigen Schema zu vereinigen. Es wird im folgenden versucht, ein solches System ideologiekritischer Kategorien zu entwickeln. Da aufgrund der vorangegangenen begrifflichen, problemgeschichtlichen und wissenschaftstheoretischen Erörterungen jede Ideologiekritik eine logische und erkenntnistheoretische Analyse sowie die Analyse des gesellschaftlichen Zusammenhangs, in dem die Aussage steht, zu leisten hat, muß ein Schema gefunden werden, das sowohl die Aussage selbst in ihrem rein sprachlichen Kontext als auch die in den sprachlichen Zusammenhang unmittelbar involvierten Personen und Personengruppen umfaßt.

Der Verfasser hat versucht, ein solches Schema aus folgenden Elementen zu entwickeln: dieser Überprüfung des Wahrheitsgehalts der Aussage ist dann auf der Ebene von Ideologieproduzent und Ideologieadressat der gesellschaftliche Hintergrund im Hinblick auf die Klassen-und Interessenlage der beteiligten Personen und Gruppen aufzudecken. Damit stellt das Schema den Versuch dar, die bisher getrennt dargestellten und problemgeschichtlich auch aus verschiedenen Begründungszusammenhängen entstandenen Ebenen der Ideologiekritik zu vereinigen, d. h. erkenntnistheoretische und soziologische Ideologiekritik zu verbinden.

1. Der Ideologieproduzent Die Analyse der Situation des Ideologieproduzenten kann von zwei Ansätzen ausgehen: einmal geht es um die Analyse der mental-kognitiven Struktur seines Denkprozesses. Hier ergeben sich zweifellos besondere Schwierigkeiten im Hinblick auf den introspektiven Charakter des Beobachtungsgegenstandes. Auf dieses Problem hat Theodor Geiger immer wieder hingewiesen Eine solche Dieses Schema ermöglicht einmal eine logische und erkenntnistheoretische Analyse der ideologischen Aussage und zum anderen die Analyse des sozialen Zusammenhangs der beteiligten Personen oder Personengruppen im Hinblick auf den Ideologieproduzenten und den Ideologieadressaten. Der gesamtgesellschaftliche Bezug ergibt sich auf der Ebene der Aussage im Hinblick auf den Aussagegegenstand(das Aussageobjekt). Der Ideologievor-wurf kann auf dieser Ebene durch die Analyse des Zusammenhangs von Aussage und defizienter Wirklichkeit erhärtet werden. Nach auf Erkenntniskritik beschränkte Analyse des Ideologieproduzenten versucht, die Ideologie-quelle innerhalb eines ganzen Aussagezusammenhangs aufzuspüren. Aus der Analyse einer ganzen Kette von Aussagen sollen die Voraussetzungen gefunden werden, von denen die ideologische Aussage abgeleitet wurde: „Wenn also eine Aussage ideologie-verdächtig ist, gilt es im Stromlauf ihrer Voraussetzungen die Stelle zu finden, wo ein trüber Bach unkontrollierter Gefühlsvorstellungen sich in das klare Wasser der Theorie ergossen hat." Geiger nennt solche Ideologien, die erst in einem längeren Ableitungszusammenhang aufgespürt werden können, „remote Ideologien“

Im zweiten Schritt gilt es jedoch dann, den sozialen Kontext, in dem die Aussage des Ideologieproduzenten steht, aufzudecken. Die ideologische Quelle kann durch reine Erkenntniskritik nicht vollständig offengelegt werden. Dies ist nur durch eine soziologische Analyse des gesellschaftlichen Hintergrunds, vor dem bestimmte Aussagen produziert werden, möglich: „Es sind etwa Beziehungen zwischen bestimmten Aussagen und der Interessenlage derer nachzuweisen, die sich ihrer bedienen; ebenso zwischen der Aussage und dem politisch-sozialen Verhalten der Ideologieträger (etwa: Widerspruch zwischen Behauptung und eigenem Verhalten)."

Die Interessenlage des Ideologieproduzenten ist jedoch allein kein zureichender Grund für den Ideologievorwurf. Es ist durchaus möglich, daß sich Personen und Personengruppen, die aufgrund ihrer gesellschaftlichen Stellung ganz bestimmte materielle und politische Interessen verfolgen, sich einer Argumentation bedienen, bei der eine volle Übereinstimmung zwischen Aussageinhalt, Aussagegegenstand und der Interessenlage der hinter dieser Aussage stehenden Personen oder Gruppen besteht, so daß dadurch eine unwiderlegbare Stützung der Position des bzw.der Sprecher erfolgt.

Solche Aussagen können grundsätzlich nicht dem Ideologieverdacht anheimfallen. Anders ist es, wenn eine falsche Aussage innerhalb eines ganz bestimmten Personenkreises verbreitet wird und eine Korrelation zwischen der Aussage und dem objektiv umschriebenen Personenkreis besteht. Hier ist eine nähere Analyse erforderlich. Geiger stellt hierzu fest:

„Die häufige Wiederholung einer Aussage ist eine Folge davon,, daß sie Zustimmung findet und akzeptiert wird. Die Frage lautet also genau genommen nicht: Wie kommt es, daß gerade die Personen der Kategorie N , so den-ken’, sondern: Wie kommt es, daß gerade die Personen der Kategorie N in besonders großer Zahl dem Irrtum zustimmen und ihn sich zu eigen machen? Die Erklärung wird gefunden durch a) eine Analyse des Aussageinhalts und der logischen Konsequenzen des in ihr enthaltenen Fehlers, b) eine Analyse der Existenz-Struktur der Personenkategorie, bei der die Fehlaussage starke Anhängerschaft hat, für die sie also statistisch typisch ist."

Gegen den einzelnen Vertreter der Kategorie richtet sich also zunächst nur ein — nie mit Sicherheit beweisbarer — Ideologieverdacht. Der Kategorie als solcher gegenüber darf nach Geiger der Ideologievorwurf erhoben werden

Anders als bei Theodor Geiger, der die Ideologiekritik allein auf die kognitive Dimension des Aussagenzusammenhangs beschränken will, erschließt sich nach Werner Hofmann die ideologische Eigenart der Aussage erst, wenn sie in Verbindung mit dem Ideologieproduzenten und seiner objektiven Interessenlage gebracht wird Unter „Interesse“ versteht Hofmann in diesem Zusammenhang „das in einer gegebenen sozialen Ordnung den Beteiligten nach ihrer Situation Gemäße". Interesse wird also als „objektiver Sachverhalt" verstanden, dem das subjektive „Interesse-Bewußtsein" entsprechen kann oder nicht Träger von Ideologien, also Ideologieproduzenten, sind danach „die jeweils herrschenden Teile der Gesellschaft, nicht die beherrschten". Die Ideologie soll Bestehendes sichern bzw. einzelnen Gruppen in der Gesellschaft ihren Platz innerhalb des Bestehenden wahren oder verschaffen Es sind also im folgenden die gesellschaftlichen Interessenlagen aufzudecken, die sich durch einen Machtund Herrschaftsanspruch innerhalb der Gesellschaft auszeichnen. Damit kommen wir zum Problem der Berufs-, Standes-und Verbandsideologien.

a) Berufs-, Standes-und Verbandsideologien Berufs-, Standes-und Verbandsideologien werden meist von in der Gesellschaft gut etablierten, privilegierten Gruppen (Ärzte, Rechtsanwälte, Lehrer, Geistliche, Beamte, Industrielle usw.) verbreitet. Diese Ideologien sind daher im Sinne der Mannheimschen Theorie partikularistisch Es gibt also keine einheitliche Ideologie „der Herrschenden", sondern die den einzelnen ideologischen Aussagen zugrunde liegenden Interessen sind von unterschiedlicher Allgemeinheit. Nach Hofmann sind historisch als Produzenten von Partial-, Standes-, Kastenideologien usw.der Adel, die Priester, die Krieger, die Kaufleute, die Grundherren und andere Gruppen aufgetreten In ihrer säkularisierten Form treten solche Partialideologien zumeist als mehr oder weniger verschleierte wirtschaftspolitische Wünsche industrieller Gruppen, der Bauernverbände, der Händler, der Gastwirte, der Binnenschiffer, der Winzer, der Geflügelzüchter usw. auf. Sie sind um so leichter zu durchschauen, je partikularer sie sind und je kleiner der Kreis der unmittelbar Interessierten ist

Die genannten Berufs-und Standesideologien entsprechen insofern einem typischen Grundmuster: Berufsund Standesvertreter verteidigen ihre Privilegien (geistige Freiheit, Unternehmerfreiheit, Freiheit der Arztwahl usw.) mit der Behauptung, daß die Sicherung dieser Privilegien zugleich dem Wohle der Allgemeinheit diene und daß sie im Interesse der allgemeinen Wohlfahrt der Gesellschaft aufrechterhalten werden müßten. Der Ideologieproduzent ist hierbei meist gutgläubig. Seine Aussagen sind das Ergebnis einer Analyse der Gesellschaft in ihrem gesamten strukturellen und funktionellen Zusammenhang, worin der Ideologieproduzent selbst seinen beruflichsozialen Standort einnimmt. Er macht eine Aussage über diesen Standort, die ihn bestimmende Funktion und deren Bedeutung für das Gesellschaftsganze. Bei dieser Argumentation unterläuft dem Ideologieproduzenten dann in der Regel eine Fehleinschätzung der tatsächlichen sozialen Funktion und politischen Bedeutung seiner Position

Die Wurzeln der Berufsideologie liegen also nach Geiger

— im persönlichen Interesse an der beruflichen Existenz, — in der Fehleinschätzung der funktionalen Bedeutung der eigenen Berufsleistung bzw.

Berufsgruppe für die Allgemeinheit und — in der Beanspruchung überlegenen Geltungsprestiges durch den Grad der Spezialausbildung in einzelnen Berufszweigen

Als weiteres analytisches Instrument für un-sere Ideologiekritik können wir somit festhalten: Aussagen, die dazu dienen, materielle Herrschaftspositionen in der Gesellschaft zu erreichen, zu sichern und zu erweitern, erweisen sich bei einer Analyse der gesellschaftlichen Stellung des Ideologieproduzenten in der Regel als Berufs-, Standesoder Verbandsideologien.

b) Die subjektive Redlichkeit des Ideologieproduzenten

Theodor Geiger ist der Meinung, daß eine Lüge niemals als solche eine Ideologie sein könne und daher überhaupt nichts in einer wissenschaftlichen Lehre von den Ideologien zu suchen habe Dieses Kriterium des objektiven Ideologiebegriffs, also das Phänomen der notwendigen Selbsttäuschung des Ideologieproduzenten, spielt in der Priesterund Herrentrugtheorie der Aufklärung noch keine Rolle. Der Priestertrug steht der Lüge näher als dem falschen Bewußtsein

Bei Ernst Topitsch dagegen ist die subjektive . Redlichkeit des Ideologieproduzenten ein wesentliches Begriffsmerkmal der Ideologie: Nach ihm „sollen nur solche geistige Gehalte als Ideologien gelten, von deren Richtigkeit. Wahrheit oder Güte ihre Vertreter subjektiv aufrichtig überzeugt sind“ Damit wird die bewußte Lüge als Ideologie ausgeschlossen Im Gegensatz zu Topitsch ist es bei Werner Hofmann nur von psychologischer Bedeutung, ob dem einzelnen die Fehlerhaftigkeit eines Urteils bewußt ist oder nicht, ob eine unwahre oder irrige Aussage vorliegt Die moralisierende Frage nach dem Grad subjektiver Redlichkeit von Ideologieproduzenten geht nach seiner Ansicht an der „überindividuellen Natur" der Ideologien zeugenden objektiven gesellschaftlichen Interessen vorbei So wenig wie die Beziehung von Fehlurteil und Interesse zumeist offen zutage liege, so wenig seien die Ideologieproduzenten in aller Regel als bewußte Wahrheitsfälscher anzusehen; sie seien im gewissen Maße selbst Opfer — wenn auch, in ihrer Gesamtheit betrachtet, gleichzeitig Nutznießer — ihrer falschen Auffassungen. Es triumphiere etwas letztlich durchaus Unpersönliches über sie, eine Art von gesellschaftlichem Instinkt der Selbsterhaltung 62). Die Ideologie kann nach dieser Auffassung beim Ideologieproduzenten durchaus den Charakter einer Zwangsvorstellung annehmen: „Sie ist Vernunftsgründen durchweg unzugänglich; und auch die überführte Ideologie vermag weiter zu wirken." Die Vorstellung von der subjektiven Redlichkeit des Ideologieproduzenten liegt auch der marxistischen Ideologielehre zugrunde. Danach kann der Kapitalist gar nicht anders den-ken und an seinem guten Glauben ist nicht zu zweifeln. Er ist an seine Klassenlage gebunden und in ihre Interessen verstrickt Es ist das Verdienst der marxistischen Ideologienlehre, durch die Theorie der Interesse-überfremdung und Interesse-Illusion auch einen Begründungszusammenhang für den Typus von Ideologien zu liefern, der mit den Kategorien der positivistischen Ideologiekritik nicht erklärt werden kann.

2. Der Ideologieadressat Aus den bisherigen Ausführungen zur Interessenlage und gesellschaftlichen Position des

Ideologieproduzenten ist es verhältnismäßig einfach, die Position des Ideologieadressaten im ideologischen System zu bestimmen. Ideologische Aussagen sind so angelegt, daß sie von den Ideologieadressaten, an die sich diese Aussage richtet, geglaubt werden sollen. Sie werden in ihrem Charakter so formuliert, daß der Ideologieadressat von der suggestiven Kraft der Aussage überwältigt wird und gar nicht mehr die Möglichkeit hat, sich mit dem Inhalt der Aussage kritisch auseinanderzusetzen. Ideologieproduzenten versuchen auf diese Weise, den Ideologieadressaten zu einer bestimmten Beurteilung eines Sachverhaltes zu bewegen, die mit ihrer eigenen Interessenlage übereinstimmt. Die Aussage wirkt also gegenüber dem Ideologieadressaten im Sinne einer „Interesse-Entfremdung"; sie ist eine Form der „Übermächtigung des Bewußtseins“ 65). Diese Akzentuierung der spezifischen Interessenlage des Ideologieproduzenten als einem Vertreter des überlegenen Teiles der Gesellschaft gegenüber dem Ideologieadressaten als dem Vertreter unterdrückter und unterprivilegierter Gruppen der Gesellschaft grenzt den Ideologiebegriff Hofmanns, dem wir uns in dieser Hinsicht anschließen, gegenüber anderen Theoretikern wie Eduard Spranger, Hans Freyer und Theodor Geiger deutlich ab Immer geht es dem Ideologieproduzenten dar-um, den Ideologieadressaten zu einer bestimmten Einstellung bzw. zu einem bestimmten Handeln zu bringen, das der Interessenlage des Ideologieproduzenten dienlich ist. Bei diesem Versuch der mentalen und psychischen Überwältigung des Ideologieadressaten werden in der Regel folgende Mittel eingesetzt: a) Emotionalisierung durch Leerformeln Leerformeln sind Aussagen, die wegen ihres weiten oder gar totalen logischen Spielraums mit jedem beliebigen Inhalt gefüllt werden können Sie erhalten so den Charakter ideologischer Scheinbegründungen. Ihre gesellschaftliche Funktion besteht darin, daß mit ihrer Hilfe jede beliebige, bestehende oder erwünschte politische Ordnung oder Einzelmaßnahme verteidigt oder bekämpft werden kann Durch ihren beliebig auswechselbaren Wertgehalt erfüllen sie gegenüber dem Ideologieadressaten beschwichtigende Funktion; sie bestärken und rechtfertigen jene ideologischen Gedankengebilde, die die Herrschaftsposition des Ideologieproduzenten begründen Auf diese gesellschaftliche Funktion von Leerformeln hat auch Urs Jaeggi in seiner Analyse der Machtund Herrschaftsverhältnisse der Bundesrepublik hingewiesen: „Diejenigen, die die Macht besitzen, bevorzugen unklare und verschwommene Begriffe; sie suchen ihre Prinzipien zu verdecken; diejenigen, die dem abhelfen wollen, stehen demgegenüber vor der Notwendigkeit, ihre Ideen klar herauszustellen und zu identifizieren." Leerformeln treten in zwei Formen auf:

1. und als pseudoempirische Leerformel 2. als pseudonormative Leerformeln 71).

Der ideologische Charakter pseudoempirischer Leerformeln besteht darin, daß der Anschein erweckt wird, als ob etwas über die soziale Wirklichkeit ausgesagt würde. In Wirklichkeit geht es lediglich um die Suggestion einer positiven Grundeinstellung zu einem bestimmten Sachverhalt, den der Ideologieproduzent rechtfertigen will. In diese Kategorie gehören Aussagen wie: „Die Soziale Marktwirtschaft — Gebot der Vernunft und Motor des Fortschritts" oder „Die Institution des Privateigentums ist unverzichtbare Grundlage jeder geordneten Gesellschaft" oder „Die Deutschen sind bereit, mit friedlichen Mitteln einen gerechten Frieden für das ganze Volk zu erringen". Mit diesen Formeln läßt sich fast jede beliebige Maßnahme rechtfertigen oder mißbilligen.

Pseudonormative Leeriormeln erwecken den Anschein und treten mit dem Anspruch auf, inhaltlich bestimmte und unbedingt gültige Anweisungen für das soziale Verhalten anzugeben.

Beispiele hierfür sind Aussagen wie:

„Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen" oder die Aufforderung, man solle die „goldene Regel" beachten oder die „rechte Mitte" halten. In die gleiche Kategorie fallen Postulate wie: „Jeder Deutsche soll ausreichend mit Wohnraum versorgt werden"

oder „Die neue Regierung wird sich für soziale Sicherheit, gerechte Steuern und eine freiheitliche Politik einsetzen."

Alle diese Formulierungen haben das alleinige Ziel, den Ideologieadressaten zu einer Sympathieerklärung für den Ideologieproduzenten zu bewegen. Der Ideologieadressat soll zu der Überzeugung gebracht werden, daß die Verfolgung seiner ureigenen persönlichen Inter-essen in der Obhut des Ideologieproduzenten bestens aufgehoben ist.

b) Mythologisierung durch Beschwörungsformeln

Nach dem Schema von „Zuckerbrot und Peitsche"

stehen dem Ideologieproduzenten noch weitere sprachliche Mittel zur Verfügung, um auch hartnäckige Ideologieadressaten auf den rechten Weg zu bringen. Eines davon ist die Mythologisierung sozialer Sachverhalte mit Hilfe der Bildersprache und beschwörender Formeln. Meistens wird bei diesem Typus ideologischer Aussagen in apokalyptischen Bildern ein düsteres Zukunftsbild gezeichnet. Der Ideologieproduzent will dem Ideologieadressaten Furcht und Angst einjagen, um ihn dann mit irgendeinem Heilsversprechen, das den Ideologieadressaten auf die Interessenlage des Ideologieproduzenten verpflichtet, wieder davon zu erlösen. Ideologieproduzenten pflegen in solchen Ausführungen z. B. auf den „Ernst der Lage" hinzuweisen. So werden von Unternehmerverbänden die „Gefahren für die von der Verfassung vorgesehene und geschützte unternehmerische Funktionsfähigkeit" beschworen, eine Mittelstandsvereinigung warnt vor „Sozialisierung" und andere Gruppen empfehlen sich als „Bollwerk der Demokratie" und „Verfechter der Sozialen Marktwirtschaft". Typisch für solche Formeln ist, daß sie den Anschein objektiver Information über bestimmte soziale Tatsachen erwecken, in Wirklichkeit aber ohne jeden Informationsgehalt sind, sondern lediglich orakelgleich angeblich bevorstehendes Unheil ankündigen. Auch hierzu ein Beispiel: In einer Berichterstattung der FAZ vom 25. 6. 1971 wird über eine Rede des CSU-Vorsitzen-den Franz Josef Strauß auf dem Wirtschaftstag der CDU berichtet. Wir entnehmen dem Bericht folgende drei Sätze:

(1) „Bei der Formulierung der Eckwerte zur Steuerreform habe Schiller — ... Schleiertänze nach allen Seiten aufgeführt. “

(2) „Es schade dem Ansehen Deutschlands in der Welt, wenn — ... das sogenannte . moderne Deutschland’ zu einem . Pestalozzidorf für Erwachsene’ gemacht würde."

(3) „Betriebsverfassungsgesetz, Kartellnovelle, Steuerreform und Wechselkursfreigabe — ... hingen als drohende Ge-witter am Horizont."

Die drei Aussagen folgen alle dem gleichen Argumentationsmuster: Im ersten Teil des Satzes wird der Eindruck erweckt, als erhalte man über einen bestimmten Tatbestand (Eckwerte zur Steuerreform, Ansehen Deutschlands, Betriebsverfassungsgesetz usw.) eine konkrete Information. Im zweiten Teil des Satzes folgen jedoch metaphorische Wendungen bzw. beschwörende Formeln (Schleiertänze, Pestalozzidorf, drohende Gewitter am Horizont). Der Ideologieadressat erfährt also nichts über den Aussagegegenstand, sondern wird lediglich emotionell verunsichert, so daß er sich gerne der sicheren Obhut des Ideologieproduzenten anvertraut.

Auch Ideologieadressaten denken und handeln also im Bewußtsein subjektiver Redlichkeit. Durch die Übermächtigung des Bewußtseins seitens der Ideologieproduzenten sind sie unfähig, ihre subjektive Befangenheit zu erkennen und sich aus ihr zu emanzipieren. Es ist Aufgabe der Erziehung, insbesondere des wirtschaftsund sozialkundlichen Unterrichts, während der Sozialisationsphase des jungen Menschen in Familie, Schule und Betrieb, diese Interessenentfremdung durch die Übung im Umgang mit einem ideologiekritischen Instrumentarium zu neutralisieren.

3. Die ideologische Aussage Die gedankliche Isolierung ideologischer Aussagen von Aussagen anderer Art geht von der Voraussetzung aus, daß es eine außerhalb des

individuellen Bewußtseins und unabhängig von ihm gegebene objektive Wirklichkeit gibt. Diese von Theodor Geiger so bezeichnete „theoretische oder ErkenntnisWirklichkeit" wird zum Maßstab wissenschaftlicher Erkenntnis: „Ein Satz ist wahr, wenn er mit dieser Wirklichkeit nachweisbar übereinstimmt." Das heißt jedoch nicht, daß jede Aussage, die nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmt, bereits ideologischer Natur ist. Die ideologische Aussage ist nach Geiger „falscher als bloß falsch": „Nicht bloß und in erster Linie ihrem Inhalt nach, in dem, was über einen Gegenstand ausgesagt wird, sondern in dem Aussagegegenstand, worüber etwas geurteilt wird, vergeht die ideologische Aussage sich an der Wirklichkeit. Daß dann auch der Aussageinhalt wirklichkeitsinadäquat ist, folgt aus dem Mißgriff in der Gegenstandswähl." Eine Aussage ist danach dann ideologisch, „wenn sie ... von der theoretischen oder Erkenntnis-Wirklichkeit abweicht, deren gedankliche Abbildung Aufgabe des Erkennens ist"

Der Zusammenhang zwischen der ideologischen Aussage und dem Ideologieproduzenten ist nach Geiger so zu verstehen, daß die ideologische Aussage sich nicht auf den Aussagegegenstand selbst bezieht, sondern Auskunft gibt über den Ideologieproduzenten im Hinblick auf das Objekt oder über die Bedeutung des Objekts für den Sprechenden. Geiger nennt diese Haltung die „vital-interessierte oder attachierte Haltung", die als typisch für den Ideologieproduzenten angesehen wird Jede Ideologiekritik bzw. Analyse von Ideologien muß von der Struktur der Aussage, also dem Aussageinhalt, ausgehen.

Psychologische Spekulationen über die Gefühlslage und Denkprozesse des Ideologieproduzenten können in der Regel nicht wissenschaftlich gesichert werden. Eine Aussage wird dann als ideologisch identifiziert, „wenn sie para-theoretisch, d. h. durch das Eindringen eines Vitalengagements verfälscht ist"

Geiger hat in diesem Zusammenhang auf die methodologische Schwierigkeit hingewiesen, daß sich einerseits die Ideologiekritik auf die ideologische Aussage beschränken solle und andererseits die durch ein Vitalengagement des Ideologieproduzenten bedingte Verfäl-schung und Verzerrung der Aussage aufgewiesen werden müsse, und die Frage aufgeworfen: „Wie können wir ohne Introspektion, ohne Rekurs auf den die Aussage hervorbringenden Denkprozeß, d. h. ausschließlich unter Bezugnahme auf die Aussage selbst, das Vorliegen dieses Sachverhalts behaupten?" Seine Antwort lautet, daß der ideologische Charakter einer Aussage grundsätzlich aus der Inhaltsstruktur des Satzes selbst abgelesen werden könne, und zwar insbesondere bei der Aufdeckung von offenen und versteckten Werturteilen sowie aller Aussagen transzendent-metaphysischen Inhalts Eine weitere Möglichkeit der Identifizierung ideologischer Aussagen besteht schließlich in der Analyse des Aussagezusammenhangs: „Der Nachweis, daß die Aussage ideologisch ist, bedeutet hier zugleich die Lokalisierung der Ideologiequelle in der Herleitung der Aussage. Irgendwo in der Kette finden wir z. B. eine metaphysische Prämisse, oder ein verkapptes Werturteil, oder die Berufung auf ein ausgedientes Begriffsmodell, das mit zugänglichem Tatsachenwissen unvereinbar ist und also nur infolge einer Denkgewohnheit übernommen sein kann, oder ähnliches."

Eine kritische Würdigung der Geigerschen Ideologienlehre muß eingestehen, daß die von ihm genannten Kategorien und Verfahren allein nicht ausreichen, um dem dieser Studie unterlegten Anspruch zu genügen, Ideologiekritik als System funktionaler Beziehungen zwischen Ideologieproduzent, Ideologieadressat und ideologischer Aussage zu betreiben. Der bei Geiger bisweilen zutage tretende naive Empirismus und seine weitgehende Beschränkung der ideologischen Analyse auf Logik und Erkenntniskritik macht es notwendig, über die Darstellung einer Typologie ideologischer Urteile sowie der Physiognomie des rechtfertigenden Meinens eine weiterführende Strategie der Aufdeckung von Ideologien zu entwickeln.

a) Zur Typologie ideologischer Urteile In Anlehnung an Werner Hofmann unterscheiden wir folgende Arten von Urteilen, auf die alle „ideologischen Verkappungen" gestülpt werden können

I. Urteile 1. Konstatierende (Sachverhaltsurteile)

Fragestellung: Wie ist der Sachverhalt?

Beispiel: Das Bruttosozialprodukt ist im Jahre 1971 real um 2, 8 % gestiegen.

2. Deutende (Bedeutungsurteile)

Fragestellung: In welchem historischen und gesellschaftlich-politischen Kontext steht der Sachverhalt? Welche Ursachen und Wirkungen ergeben sich aus dem konstatierten Sachverhalt?

Beispiel: Die Wachstumsrate des realen Bruttosozialprodukts ist im Jahre 1971 gegenüber 1970 von 5, 5 auf 2, 8 % gefallen. Für 1972 ist ein weiterer Abfall der Wachstumsrate auf 1, 5 °/o zu erwarten. Damit sind die Wachstumsraten in den vergangenen drei Jahren erheblich zurückgegangen. Als ursächlich für diese Entwicklung können die hohen Raten der Preissteigerung sowie die zweimalige Änderung des Wechselkurses (Aufwertung) angesehen werden. Es ist zu erwarten, daß den Forderungen der Gewerkschaften nach höheren Löhnen in anbetracht dieser Umstände harter Widerstand entgegengesetzt werden wird.

II. Werturteile 1. Beziehende (einschätzende Urteile)

Fragestellung: Welche wünschenswerten oder negativen Begleiterscheinungen und Folgen ergeben sich aus dem Sachverhalt, wenn übergeordnete Wertmaßstäbe oder Zielvorstellungen auf ihn angewandt werden?

Beispiel: Durch den Rückgang der Wachstumsraten unserer Volkswirtschaft von 1970 = 5, 50/0 auf 1972 = 1, 5% ist die Vollbeschäftigung gefährdet.

2. Weisende (normative Urteile)

Fragestellung: Welche kontrollierenden, korrigierenden, lenkenden, prohibitiven oder fördernden Maßnahmen sollten ergriffen werden, um den Sachverhalt im Interesse politisch und sozial erwünschter Zielvorstellungen zu beeinflussen?

Beispiel: Die staatliche Konjunkturpolitik sollte im Interesse der Vollbeschäftigung für die kommenden Jahre eine durchschnittliche jährliche Wachstumsrate des Bruttosozialprodukts von 5 % anstreben.

Die Beispiele machen deutlich, daß die verschiedenen Urteilsformen aufeinander aufbauen

b) Zur Physiognomie des rechtfertigenden Meinens Ideologisches Denken ist dadurch charakterisiert, daß es sich typischer, wiederkehrender Verstöße gegen die Prinzipien der Erkenntnistheorie und Logik schuldig macht. Obwohl eine Typologie und Morphologie ideologischer Urteile bis jetzt kaum entwickelt wurde, bietet sich nach unseren bisherigen Überlegungen doch der Umriß eines Rasters an, das für eine ideologiekritische Analyse wirt-schafts-und sozialwissenschaftlicher Aussagen hilfreich sein könnte. Nach Werner Hofmann und Theodor Geiger können folgende Verfahrensmängel in der Argumentation als charakteristische Merkmale ideologischer Aussagen unterschieden werden:

1. Vermischung von Tatsachenaussagen und Werturteilen bzw. Vermischung des Unterschiedes zwischen den Urteilstypen In die Aussage gehen ohne weitere Begründung Wertauffassungen ein, welche die Meinung des Ideologieadressaten schon bei Mitteilung eines einfachen Sachverhalts beeinflussen.

Beispiel 1: Die Lohnfortzahlung an kranke Arbeiter stellt eine unzumutbare Belastung für die Unternehmer dar.

Die Aussage muß zunächst auf ihren Sachgehalt reduziert werden, wobei die verschiedenen Urteilsebenen zu unterscheiden sind:

a) Die Lohnfortzahlung wird von den Arbeitgebern geleistet (konstatierendes Urteil).

b) Die Lohnfortzahlung bedeutet für die Unternehmer eine Erhöhung der Lohnkosten (deutendes Urteil).c) Die Lohnfortzahlung ist für die Arbeitgeber zumutbar bzw. unzumutbar (wertendes Urteil).

Die Entscheidung über „zumutbar" oder „unzumutbar" ist nur möglich auf der Grundlage einer operationalisierten Richtgröße, die es erlaubt, die im Einzelfalle gegebene Belastung zu messen und im Hinblick auf ihre Zumutbarkeit zu beurteilen.

Beispiel 2: Die in der Metallindustrie erfolgte Lohnerhöhung von 7, 5 0/0 wird ohne Zweifel zu Preissteigerungen und zur Freisetzung von Arbeitskräften führen.

In diesem Beispiel werden Deutungen als unmittelbare Feststellungen von Tatsachen ausgegeben, an denen nicht zu rütteln ist. Die Beweisform bedient sich häufig sprachlicher Wendungen wie: „Es versteht sich von selbst", „für jeden Denkenden ist einleuchtend", „ohne Zweifel..." etc.

Beispiel 3: Das freie Unternehmertum ist der Garant einer prosperierenden Wirtschaft oder Beispiel 4: Der Unternehmergewinn ist der notwendige Antrieb für den wirtschaftlichen Fortschritt

Hier wird einem Sachverhalt, dem freien Unternehmertum bzw.dem Unternehmergewinn, nicht etwa Wert oder Unwert durch das urteilende Subjekt beigemessen, er besitzt vielmehr Wert oder Unwert als inhärente Eigenschaft, die vom Sachverhalt nicht trennbar erscheint. Die Wertungen erhalten damit die Gewißheit von Tatsachen. Formal gesehen handelt es sich bei diesen Konstruktionen um eine scheinobjektive Erschleichung von Werturteilen, die dem Ideologieadressaten suggeriert: Der Sachverhalt oder Gegenstand X ist gut, meinen Interessen förderlich, also positiv zu bewerten, oder der Sachverhalt Y ist schlecht, meinen Interessen abträglich, also negativ zu bewerten 2. Voraussetzungen, aus denen Schlüsse gezogen werden, sind unrichtig oder unvollständig. Eine nicht näher bezeichnete Vorauswahl ist getroffen worden. Beispiel 5 (Voraussetzung unrichtig): Durch die Verschlechterung der Auftragslage in der Maschinenindustrie ist es der Branche nicht mehr möglich, weitere Lohnerhöhungen zu verkraften.

Die Aussage ist dann ideologisch, wenn erwiesen ist, daß sich die Auftragslage in der Maschinenindustrie nicht verschlechtert hat. Beispiel 6 (Voraussetzung unvollständig): Die Lohnerhöhung in der Bauwirtschaft in Höhe von 8 % zu Beginn dieses Jahres ist die Ursache für die Baupreissteigerungen in diesem Jahr.

Diese, im Zusammenhang mit der Diskussion um die sog. „Lohn-Preis-Spirale" häufig anzutreffende Argumentation, ist deshalb ideologisch, weil sie nur eine Bestimmungsgröße, nämlich die Lohnkosten, als ursächlichen Faktor für die Baupreissteigerungen anführt Außerdem ist es wegen der Langfristigkeit der Vertragsabwicklung im Baugewerbe problematisch, die Lohnsteigerung am Jahresbeginn für die Preissteigerungen desselben Jahres verantwortlich zu machen.

3. Das zu Beweisende wird stillschweigend schon in die Voraussetzungen der Aussage aufgenommen.

Die weitere Ableitung ist ein Scheinschluß. Beispiel 7: Die große Kostenbelastung der Arbeitgeber durch die Lohnfortzahlung hat die Wettbewerbslage der deutschen Wirtschaft sehr geschwächt.

Wie bereits in Beispiel 1 gezeigt, muß ja erst bewiesen werden, daß die Lohnfortzahlung für kranke Arbeitnehmer eine Belastung für die Arbeitgeberseite darstellt. Erst die objektive, aufgrund einer operationalisierten Maßgröße für die Belastbarkeit ermittelte Effektivbelastung kann Auskunft darüber geben, ob sich die Wettbewerbslage verschlechtert hat oder nicht.

4. Hypothetische Annahmen verwandeln sich unversehens in feste Behauptungen. Die

Annahmen erscheinen durch die mit ihrer Hilfe abgeleiteten Schlüsse, zu denen man gelangen wollte, nachträglich als ausreichend erhärtet.

Beispiel 8: „Wenn die SPD an die Macht kommt, bedeutet dies den Untergang Deutschlands", oder dazu das französische Pendant: Beispiel 9: „Wenn de Gaulle abtritt, bricht in Frankreich das Chaos aus"

und schließlich die neueste Variation: Beispiel 10: „Wir wissen, eine Regierung Barzel/Strauß wäre die schlechteste Regierung, seit der römische Kaiser Caligula sein Pferd zum Konsul ernannte."

Hier wird deutlich, daß der Wunsch der Vater des Gedankens ist und nicht eine historisch als zwangsläufig sich vollziehende Entwicklung. 5. Falsche oder einseitige kausale Beziehungen werden hergestellt, etwa: Y folgt nicht wie behauptet wird, aus X, sondern vielmehr aus U, V, W; oder andererseits:

aus X folgt nicht Y, sondern vielmehr Z;

X und Y bedingen einander nicht einseitig, sondern wechselseitig und sind selbst vielleicht wieder das Resultat weiterer Umstände. Beispiel 11 (falsche Kausalbeziehung): „Durch die Aufwertung der D-Mark werden die Preise steigen."

Diese Aussage kommt dem in der Bevölkerung weit verbreiteten Irrglauben sehr entgegen, daß eine Aufwertung grundsätzlich mit Preissteigerungen verbunden sei. In Wirklichkeit steigt der Außenwert der inländischen Währung und erhöht auf diese Weise die Kaufkraft im Ausland, was sich z. B. im Portemonnaie des deutschen Touristen im Ausland bemerkbar macht. Außerdem entsteht wegen des durch die Aufwertung begünstigten Importdruckes in der Regel im Inland eine Tendenz zur Senkung des Preisniveaus. Die Aussage steht also offensichtlich im Widerspruch zu den eindeutig nachweisbaren Kausalbeziehungen zwischen Aufwertung und Kaufkraft-entwicklung. Beispiel 12 (einseitige Kausalbeziehung): „Die Aufwertung der D-Mark stellt für die deutsche Wirtschaft eine große Belastung dar", oder Beispiel 13: „Die Erweiterung der EWG auf 9 Mitgliedsstaaten bedeutet eine Verschärfung des Wettbewerbs und Konkurrenzdrucks für die deutsche Wirtschaft."

In dieser Argumentation ist die undifferenzierte und daher einseitige Schlußfolgerung zu beanstanden. In Beispiel 12 betrifft die Belastung einseitig lediglich die Exportwirtschaft, während die Importwirtschaft durch eine Aufwertung eine Entlastung bzw. Verbesserung ihrer Marktposition erfährt. In Beispiel 13 wird nicht berücksichtigt, daß sich durch die Erweiterung der EWG auch die Absatzchancen der deutschen Wirtschaft durch die Vergrößerung der Märkte verbessern.

6. Partikulare Interessen werden als Gesamtinteressen ausgewiesen Beispiel 14: „Die Landwirtschaft ist die Grundlage der Existenzsicherung des ganzen Volkes.“ Diese Aussagen gehören zu dem Typ der Berufs-und Standesideologien. Sie treten heute besonders zahlreich als sog. „Verbandsideologien" auf und sind, je partikularer die Interessenlage ist, die diese Ideologie propagiert, verhältnismäßig leicht zu erkennen

7. Vorgefundene Sachverhalte werden in unzulässiger Weise verallgemeinert Beispiel 15: „Durch den Terrorakt der palästinensischen Freischärler bei den Olympischen Spielen 1972 in München ist jeder in der Bundesrepublik Deutschland lebende Araber als potentieller Terrorist anzusehen, was eine sofortige Ausweisung aller Araber aus der BRD geboten erscheinen läßt."

Nach diesen Überlegungen zur Morphologie ideologischer Aussagen können wir uns nunmehr der Strategie der Aufdeckung ideologischer Urteile zuwenden.

c) Zur Strategie der Aufdeckung von Ideologien Werner Hofmann empfiehlt zur Aufdeckung ideologischer Urteile eine Strategie, die sich in zwei Schritten vollzieht : (1) Erkenntnistheoretische und logische Analyse der Aussage Hierbei geht es um die Überprüfung des Wahrheitsgehalts bestimmter Aussagen, die unter Ideologieverdacht stehen. Es handelt sich also um eine Form der „immanenten Kritik", durch die die Fehlerhaftigkeit der Aussage aufgedeckt werden soll: „Nur unrichtige Meinungen, nicht etwa zutreffende Aussagen können von ideologischer Natur sein."

Diese immanente Kritik von Urteilen und ihrer Verknüpfung zu Urteilsketten wird dabei einerseits den Inhalt der Aussage an der Wirklichkeit und andererseits auch den gnoseologischen Weg zu prüfen haben, auf dem unzutreffende Aussagen gebildet worden sind.

(2) Soziologische Analyse der Aussage Die immanente Kritik der Aussage ist die Voraussetzung für den zweiten Schritt der Analyse: die soziologische Kritik. Hierbei geht es um die Deutung der Aussage, d. h. ihre Inbeziehungsetzung mit anderen sozialen Sachverhalten. Diese Beziehungen können verschiedener Natur sein. Hofmann verweist auf folgende Möglichkeiten

— Beziehung zwischen der Aussage und der Interessenposition derer, die sich ihrer bedienen: z. B. die Aufdeckung von wirtschaftlichen Verbandsinteressen von Unternehmerverbänden, Bauernverbänden, Markenartikelverbänden usw.;

— Beziehung zwischen der Aussage und dem Verhalten ihrer Träger

— Beziehung der Aussagen aufeinander: Nicht nur Behauptungen und Verhalten des Ideologieproduzenten, sondern auch die Behauptungen selbst können miteinander im Widerspruch stehen. Ideologieproduzenten sind in ihrer Mittelwahl nicht konsequent, sondern passen sich stets der jeweiligen Gegebenheit an;

— Beziehung einer Aussage zu ihren verborgenen Konsequenzen: Da Ideologien zumeist final gerichtet sind und auf ein Ergebnis hinstreben (theoretisch oder praktisch), das in der Aussage selbst verborgen bleibt, gilt es, die latente Konsequenz der Aussage offenzulegen. Diese geheime Folgerichtigkeit wird einmal im Fortgang des Denkens als auch der sich darauf stützenden Praxis aufgedeckt. Auch eine solche Analyse verborgener Konsequenzen von Ideologien ist nur im Kontext sozialer Beziehungen zu leisten.

Im folgenden Abschnitt werden wir uns nunmehr den verschiedenen Unterrichtsmaterialien zum Problemkreis „Geld und Währung" zuwenden, um auf diese Weise unser Kategoriensystem zu überprüfen. Erst eine solche Exemplifikation ermöglicht es, etwas über die Brauchbarkeit und Zweckmäßigkeit des entwickelten Instrumentariums auszusagen.

III. Ideologische Argumentationsmuster im Kontext einschlägiger Unterrichtsmaterialien zum Thema „Geld und Währung"

Beispiel 7:

Quelle; Alfred KRÜGER, Das Geld rollt, S. 1. Wirtschaftsgeld Geschäfte kaufen beim Großhandel ^Einkauf 4, in die Geschäfte Hausfrau geht zum

1. Wissenschaftstheoretische Ideologismen Die Anwendung der bisher entwickelten wissenschaftstheoretischen Kategorien der Ideologiekritik auf eine Reihe einschlägiger Unterrichtsmaterialien zum Thema „Geld und Währung" zeigt, daß folgende ideologische Argumentationsmuster besonders typisch sind:

a) Historischer Monetarismus b) Mechanistischer Funktionalismus c) Begriffsrealistischer Essentialismus a) Historischer Monetarismus Hierbei handelt es sich um die Verkürzung des Problems „Geld“ auf seine vordergründigen Erscheinungsformen und Funktionen, ohne den gesamtgesellschaftlichen und politischen Kontext deutlich zu machen, innerhalb dessen sich die einzelnen Transaktionen und Beziehungen monetärer Art abspielen. Historische Abrisse sind im Zusammenhang von Darstellungen über Geld und Währung sehr beliebt. Unbestritten bleibt, daß die Entwicklung des Geldwesens in jeder wirtschaftsund sozialgeschichtlichen Darstellung einen zentralen Platz einnimmt. Dieser wirtschafts-und sozialgeschichtliche Kontext wird jedoch in vielen didaktischen Schriften zum Thema „Geld" weitgehend vernachlässigt. Die historischen Daten beschränken sich in der Regel auf eine einseitige monetaristisch-funktionalistische Darstellung ohne Bezug auf die politischen und sozialen Realitäten, innerhalb derer das Geld ganz bestimmte gesellschaftliche Funktionen vermittelt. Die bewegenden sozialen Kräfte, die Macht-und Herrschaftskämpfe um wirtschaftliche Positionen, die die Entwicklung des Geldwesens determinieren, bleiben vielfach völlig außer Betracht. Geschichte reduziert sich hier oft als „Geschichte des Geldes" zu einer abstrakten Stufenfolge, die beginnend mit dem Warentausch über das Warengeld, Metallgeld, Papiergeld zum Buch-geld unserer Zeit fortschreitet. Die hinter diesen vordergründigen Manifestationen der Geldarten liegenden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Faktoren bleiben dem Leser verborgen oder werden durch nebulöse Ge-schichtsmetaphysik verschleiert: Das Geld wird zum Subjekt seiner eigenen Geschichte. Beispiel 1: „Es entwickelte sich der moderne Geldbegriff. Geld bzw. die Münze bekam langsam den heutigen Geldcharakter und wurde mehr als nur eine neutrale, gegen alles eintauschbare Ware."

Beispiel 2: „Die Münzen wurden später weitgehend durch das bequemere Papiergeld verdrängt."

Beispiel 3: „Die moderne Geldwirtschaft entwickelte eine neue Art des Geldes, die immer mehr an Bedeutung gewinnt, das Buchgeld (Giralgeld) der Banken ..."

• Der ideologische Charakter dieser Aussagen besteht darin, daß sie den Anschein einer Eigendynamik des Geldes vermitteln und den Zusammenhang zwischen den eigentlichen so-nd politischen Antriebskräften der Gevermissen lassen 95).

ch außerhalb der üblichen historischen zur Geschichte des Geldes lassen sich istische Verkürzungen des Problem-enhangs nachweisen. Diese Darsteierwecken oft den Eindruck, als ob es lativ selbständigen, abgrenzbaren, von igen ökonomischen Faktoren unabhänrach eigenen Gesetzen funktionieren-mechanischen Kreislaufschemata ab-n Bereich „Geld und Währung" gäbe. Iche Betrachtungsweise verkennt den Zusammenhang monetärer Größen mit igen ökonomischen Einflußfaktoren 96). ologievorwurf solcher monetaristischer ungen liegt in der Gefahr begründet, se isolierte Betrachtungsweise erneut leldschleier über eine Reihe sozialer inde und Prozesse legt und damit eine e Erklärung sozialer Wirklichkeit rhüllt als befördert. Der Ideologievors Monetarismus kann allerdings nicht einzelner Zitatstellen erhoben wer-rdern betrifft immer den Gesamtkon-zum Geld-problem text der jeweiligen. Abhandlung

Eine weitere Variante monetaristischer Verkürzung stellt der ethische Monetarismus dar. Beispiel 4: „Jeder sinnvolle, schnelle und gerechte Warenaustausch geht erst ... mit Hilfe des Geldes vonstatten."

Mit dieser Aussage wird die Illusion vermittelt, als ob allein schon das Medium Geld die Gerechtigkeit des Warenaustausches garantiere. Diese durch das Attribut „gerecht" verstärkte apriorische Weihe eines an sich ethisch völlig neutralen Mediums hat dann schwerwiegende Konsequenzen für das Lohn-problem, wenn — wie es der zitierte Autor an anderer Stelle tut — die Arbeitskraft des einzelnen als Ware angesehen wird, die man auf dem Arbeitsmarkt „verkauft"

b) Mechanistischer Funktionalismus Mit dieser Bezeichnung sind in erster Linie die geldtheoretischen Kreislaufvorstellungen gemeint. Kreislaufmodelle erfreuen sich sowohl innerhalb der Fachwissenschaften als auch bei Didaktikern der Wirtschaftslehre großer Beliebtheit. So läßt z. B. eine nach dem Kreislaufdenken gegliederte Theorie nach Meinung von Heinz Frisch und Lothar Surkau „am ehesten den Wirtschaftsprozeß und die volkswirtschaftlichen Zusammenhänge erkennen" Eine solche Begründung läßt allerdings den Verdacht aufkommen, daß hier der Gesichtspunkt der didaktischen Handhabbarkeit vor dem. Gesichtspunkt theoretischer Fruchtbarkeit rangiert. Die Gefahren ideologischer Verfälschung von Kreislauf-modellen und der mit ihrer Hilfe dargestellten Sachverhalte und Prozesse sind jedoch sehr groß. Besonders unter der Hand von Didaktikern verwandeln sich oft fachwissenschaftlich integre Kreislaufmodelle im Sinne eines analytischen Instrumentariums unversehens in einen Geldstrom-Mythos Beispiel 5: „Der große Strom des Geldes ist in ständigem Fluß. Das Geld bewirkt ein unaufhörliches Produzieren und Konsumieren." ... „Geld weckt neue Kräfte. Geld schafft immer wieder neue Werte. Geld ist die Triebkraft der gesamten Volkswirtschaft."

Der Geldkreislauf stellt sich hier im Bewußtsein des befangenen Betrachters als ein geschlossenes System eng miteinander verbundener Größen dar, die gemäß einem höheren Bewegungsprinzip funktional ineinander-greifen. In dieser Hypostasierung des „Geldstroms" gewinnt das System eine immanente Normativität, die jede von außen kommende Beeinflussung der Größen als „Störung" empfinden muß. Störungen kommen in diesem Schema grundsätzlich von außen, so daß die eigentlichen Prozeßgrößen wie „Unternehmereinkommen", „Arbeitseinkommen", „Verbrauch", „Sparen", „Kapitalbildung" usw. als Konstanten des Systems erscheinen. Der Sachverhalt ist an einigen Beispielen zu illustrieren: Die Schaubilder suggerieren ein völlig ausgewogenes, stationäres Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Bezugsgrößen. Der harmonistische Charakter des Modells wird in Beispiel 8 verstärkt durch das versteckte Werturteil, daß dieser „Kreislauf des Geldes" dem ethischen Postulat der Ausgewogenheit von „Geben und Nehmen" bzw. „Sparen und Investieren" entspreche.

Durch den zusätzlichen Gebrauch metaphorischer Formulierungen und organizistischer Analogien (Blutkreislauf) entsteht auf diese Weise der My thos vom Geldstrom.

Beispiel 9: „Der Geldstrom wird häufig mit einem durch einen Kanal geleiteten Wasser-strom verglichen, der von den Schleusenwärtern (Haushaltsvorständen) zu bestimmten Zeiten in unregelmäßigen Mengen in die verschiedenen Kanäle (Industriezweige) geleitet wird."

Hier tritt neben die Metaphorik die Fiktion des souveränen Konsumenten (Haushaltsvorstand), der die Geldströme in die verschiedenen Kanäle der Industriezweige lenkt. Beispiel 10: „Mit der Wirtschaft geht es wie mit der Gesundheit: man spürt sie nicht, solange sie reibungslos funktioniert. Erst wenn sie ernsthaft gestört wird, macht sie sich bemerkbar."

Auf die ideologischen Implikationen des Organismusdenkens innerhalb geldtheoretischer Erörterungen wird im nächsten Kapitel noch einzugehen sein. Zunächst noch ein weiteres Beispiel für den unreflektierten Gebrauch von Kreislaufmodellen („Modellanalysen"): Beispiel 11: „Mit ihrer Hilfe lassen sich sonst nur schwer zu durchschauende Sachverhalte durch die Ausschaltung störender Umwelteinflüsse auf ihren Wesensgehalt reduzieren." Gerade in der „Ausschaltung störender Umwelteinflüsse" liegt der ideologische Gehalt der Aussage. Warum und wen „stören" die Umwelteinflüsse? Werden vielleicht nicht gerade die Umwelteinflüsse ausgeschaltet, die für das Verständnis wirtschaftlicher und monetärer Probleme von besonderer Bedeutung sind? Was heißt, auf den „Wesensgehalt" reduzieren? Ist das ein extramentaler Wesens-gehalt, eine platonische Idee, die in diesem Modell abgebildet wird? Auf dieses Problem ist im Zusammenhang mit dem begriffsrealistischen Essentialismus einzugehen.

c) Begriffsrealistischer Essentialismus Die unter dieser Überschrift zu behandelnden Sprachmuster treten innerhalb des Problembereichs „Geld und Währung" immer dann auf, wenn das Geld als Substanzbegriff und nicht als Funktionsbegriff verstanden wird Das begriffsrealistische Denken ist dadurch gekennzeichnet, daß Begriff und Begriffsgegenstand nicht klar geschieden werden. Der Begriffsrealist übersieht, daß es im Begriffs-bereich keine Wahrheitsfragen geben kann, da Begriffe grundsätzlich keine Erkenntnisse vermitteln können, die nicht bereits schon bei der Begriffsbildung zur Verfügung gestanden haben Ähnlich beschreibt Werner Hofmann den gleichen Sachverhalt, wenn er sagt: „Ideologisches Denken verwischt den Unterschied von Urteilsgegenstand und Urteilsinhalt: Vor die Wirklichkeit drängt sich das Bild, die Vorstellung davon als das eigentliche Werkstück des Geistes. Der Begriff gewinnt Eigenleben gegenüber der Sache." Begriffsrealistischer Essentialismus tritt im Zusammenhang geldtheoretischer Erörterun-reifacher Weise in Erscheinung, und Wesensfrage, Hypostasierung des Geldbegriffs und Organismusanalogie.

‘esensfrage ristisch für die (phänomenologisch-ehe) Wesensbetrachtung ist die Frage". Es gibt kaum eine geldtheo-Darstellung, in der nicht Fragestel-de „Was ist Geld?", „Was ist Kauf-Was ist Inflation?" usw. vorkommen, wird nach dem „Wsen des Geldes", der Wirtschaft", „Wesen des Buchisw. gefragt 108). Die so beliebte We- deutet auf einen weit verbreiteten n der Darstellung sozialer und wirt-er Probleme hin: nämlich die Ge, in Substanzbegriffen anstatt in sbegriffen zu denken. Geld wird jeht wegen seiner Substanz geschätzt, wegen seiner Funktion, die es innerGesellschaft erfüllt, nämlich Tausch- i sein. Geld hat niemals Eigenwert, ht als Metallgeld (z. B. in Form von zen). Sein Wert ist immer abgeleitet, tiv zur Menge der Güter und Dienst-n, die man damit kaufen kann 109), agen und Was-ist-Fragen sagen nur etwas aus, wie der betreffende Autor : „Geld" verwendet und stellen keine onen über die Erkenntniswirklichkeit Mißverständnis besteht also gerade iß die meisten Autoren mit ihren Aussagen" auch einen Erkenntniszu verbinden pflegen.

st auch die Methode, das „Wesen" es aus der Geschichte des Geldes zu m 110). Gegen dieses Verfahren hat -lofmann mit Recht eingewandt: „Eine estimmung des Geldes kann nicht sen geschichtlich wechselnden For-men,sie muß von der Funktion ausgehen, die dem Geld zugewiesen wird."

2. Die Hypostasierung des Geldbegriffs Eine Hypostasierung des Geldbegriffes liegt dann vor, wenn dem Geld wesensgemäße Eigenschaften zugeschrieben werden. Diese Eigenschaften sind sachlich gesehen Bedingungsfaktoren für die verschiedenen Geldfunktionen. So sind z. B. die sog. Eigenschaften der „Teilbarkeit" und „Wertbeständigkeit" Voraussetzungen für die Funktionen „Tauschmittel" und „Wertaufbewahrungsmittel". Bei der Darstellung besonderer Eigenschaften des Geldes besteht die Gefahr, daß diese Eigen-schäften als im Gegenstand selbst liegende, inhärente Qualitäten des Geldes verstanden werden und so einem essentialistischen Geldverständnis Vorschub leisten

Die Hypostasierung des Geldbegriffs verhindert eine instrumentelle und funktionale Betrachtungsweise des Geldproblems. So wird z. B. von Hans-Dieter Burghardt unter Berufung auf G. Obst und O. Hintner ausgeführt: „Die zahlreichen Funktionen des Geldes ma-chen deutlich, , daß das Geld seinem Wesen nach nicht als eine Sache, als eine Einzelerscheinung dinglicher Art begriffen werden kann'." Wie anders als eine „Einzelerscheinung dinglicher Art", als ein Instrument, das ganz bestimmte Funktionen zu erfüllen vermag, soll Geld denn verstanden werden? Eine ähnliche Hypostasierung findet sich beim Be-griff „Kaufkraft", die bei Burghardt eine „im Geld wirksam werdende Fähigkeit zum Kauf von Waren" bzw. eine „dem Geld immanente (zugehörige) Kraft" ist 1. Auch diese Betrachtungsweise ist geeignet, einer Mythologisierung des Geldes Vorschub zu leisten z. B. Hans-Dieter Burghardt, Geld und S. 6 und 10, oder den Titel des Buches . Riester: „Wesen und Unwesen des Gel-t ist das Beispiel des Schiffbrüchigen, der iner Kiste Gold auf eine einsame Insel dennoch mangels Nahrung Hungers stert z. B. die Intention W. F. Riesters in sei-

über „Wesen und Unwesen des Geldes". Vorwort auf S. 6 und die Ausführungen Ein Beispiel für die magisch-mystische Deutung des Geldes sei mit folgendem Gedicht gegeben:

Beispiel 12:

Geld „Aus dunkler Vergangenheit kommend von Freuden und Tränen begleitet, Macht und Ohnmacht zugleich. Tauschmittel der Menschheit und Wertmesser aller Güter.

Triebkraft wirtschaftlichen Strebens und Lohn fortwährenden Schaffens."

3. Die Organismusanalogie Die ausgeprägteste Form des begriffsrealistischen und essentialistischen Denkens im Rah-men monetärer Betrachtungen stellt die Organismusanalogie dar. Das Geld erscheint hierbei dem Schüler als Naturphänomen, als Teil der göttlichen Schöpfung, die nicht nur den Menschen, sondern daneben noch eine Reihe weiterer organologischer Funktionsgebilde sozialer Natur geschaffen hat

Ein charakteristisches Beispiel für eine typische Form „anthropomorpher Projektion" soll den gemeinten Sachverhalt illustrieren: Beispiel 13: „Wichtig allein ist, daß der Durchlauf des Geldes durch die Wirtschaft funktioniert, daß es keine Kreislaufstörungen gibt. Mit einem Wort: Das Geld und das Umlaufsystem müssen gesund sein.

Am deutlichsten wird das, wenn wir die Wirtschaft mit dem menschlichen Körper vergleicheu. Das Geld ist das Blut in unserem . Wirtschaftskörper'.

Wenn das Blut nicht gesund ist oder die Umlaufwege, die Adem nicht intakt sind, so ist der ganze Körper krank. Wie im menschlichen Körper Herz und Lunge den Blutkreislauf durch gut leitende Arterien und Venen regeln, so hat auch der . Wirtschaftskörper' entsprechende Organe, um sein Blut, d. h. das Geld, den Gliedern der Wirtschaft zuzuführen und zu erneuern. Ist das Geld nicht gesund oder sind die Umlaufwege verstopft, dann klappt es mit der Erzeugung und Verteilung der Güter nicht, die wir zum Leben brauchen. Dann leidet auch der Staat; das Zusammenleben der Menschen wird gestört."

Dieses sehr beliebte Darstellungsverfahren, den Wirtschaftskreislauf in Analogie zum menschlichen Blutkreislauf abzubilden, geht auf Frangois Quesnay (1694— 1774) zurück. Quesnay war als Leibarzt von Ludwig XV. und somit als Höfling in einer gesellschaftlichen Position, von der aus er den verschwenderischen Lebenswandel des Herrschers sowie die Ausbeutung der Bauern durch Adel und Geistlichkeit, den Eigentümern von Grund und Boden, zu rechtfertigen versuchte. Insofern kann Quesnay mit Recht als Chefideologe der Physiokraten bezeichnet werden. Sein genialer Einfall, diese Ideologie in den Mantel wissenschaftlicher Objektivität zu kleiden, bestand im Entwurf des ersten ökonomischen Kreislaufschemas, dem berühmten „Tableau Economique". Die ideologische Wirksamkeit dieses Kreislaufmodells bestand einmal in seiner formallogischen Stringenz, zum andern aber in der organizi-stischen Einkleidung des Modells, wonach zwischen „gesundem" und „krankem" volkswirtschaftlichem Kreislauf zu unterscheiden war. Als „krank" wurden danach alle diejenigen Kreisläufe bezeichnet, die nicht dem das bestehende Herrschaftssystem legitimierenden „Tableau" entsprachen volkswirtschaftliche Kreislaufbetrachten wissenschaftliche und didaktische arkeit außei’ Zweifel steht, muß daher ellschaftspolitischen Prämissen ihrer roßen offenlegen und reflektieren, will t von vornherein dem Ideologiever-iheimfallen. Es geht um die überwiner Scheinobjektivität, bei der Zahlen tschaftsprozesses in einer Weise kreis-retisch verarbeitet werden, als sei einzig mögliche, wissenschaftlich ge-md den realen Verhältnissen adäquate mgsform. Es geht didaktisch vor allem Vermittlung der Einsicht, daß die Aus-t wirtschaftlicher Zahlen nicht so m der Exaktheit des Zählens und abhängt, als vielmehr von der Dealer Begriffe und damit der Bezugsozeßgrößen des jeweiligen Modells, unreflektierten Zahlengläubigkeit ent-wirken, müssen die historisch erkläreologischen Komponenten der einzeloretischen Konzeptionen aufgezeigt 120). ogische Argumentationsmuster im ext ausgewählter Themen zum Pro„Geld und Währung" m Kapitel ist zu prüfen, inwieweit aufgezeigten Verfahrensmängel der Station sowie die im vorigen Ab-behandelten wissenschaftstheoretileologismen innerhalb konkreter The-iche des Problems „Geld und Wäh-vriderspiegeln. Erst in dieser thema-Konkretion kann über die Fruchtbar-

hier entwickelten Instrumentariums : werden. Im Hinblick auf die herregründende und herrschaftsstabilisie-unktion von Ideologien muß das geInstrumentarium dort angewandt wo die zentralen ökonomischen Kon-i Kontext des Problems „Geld" abge-werden. Solche Konfliktfelder finden olgenden thematischen Bereichen:

ontext der Lohnproblematik, ontext der Preisproblematik und ntext von Sparen und Investieren. a) Das Geld im Kontext der Lohnproblematik Bei der Behandlung der Lohnproblematik in den einzelnen Lehrbüchern fällt auf, daß die Darstellung in der Regel verhältnismäßig abstrakt und relativ allgemein gerät. Es häuft sich die Verwendung unbestimmter Zahlwörter und unpersönlicher Fürwörter. So ist z. B. für manche Menschen „der Gelderwerb geradezu zum Lebenszweck schlechthin geworden" 121), „Geld kann man (!) auf drei Möglichkeiten erwerben" und schließlich taucht ein mysteriöser „Herr X" auf, dem von seiner Firma monatlich 900 DM Gehalt auf sein Konto überwiesen werden 12) 2. Auf diese Weise bleibt die Problematik der Geldquellen weitgehend im Dunkeln. Wenn dem Schüler gesagt wird, daß man Geld durch (1) Dienstleistung (2) Einsatz des eigenen Kapitals und (3) Gewinn oder Erbschaft erwerben könne dann erfährt der Schüler nichts darüber, unter welchen konkreten sozialen Verhältnissen bestimmte Personen oder Personengruppen Geld durch Dienstleistungen, durch Einsatz des eigenen Kapitals bzw. durch Gewinn oder Erbschaft erwerben.

Eine weitere ideologische Verfälschung der Lohnproblematik ergibt sich aus der nachfolgenden Fehldeutung der Rolle des Staates:

Beispiel 14: „. .. das vom Staat als gesetzliches Zahlungsmittel bestimmte Geld gibt dem Empfänger Sicherheit, einen seiner wahren bzw. geleisteten Dienstleistungen gleichwertigen Anweisungsschein auf Güter und Dienstleistungen zu bekommen ... Der Staat garantiert also, daß die gesetzlichen Zahlungsmittel den ihrem Erwerber augenblicklich zustehenden Wert besitzen."

Beispiel 15: „Ein Geldschein ist ... nichts anderes als eine verbriefte Forderung des Empfängers an den Staat..."

In diesen Beispielen wird das Lohnproblem zu einem staatlich sanktionierten Verteilungsmechanismus verfälscht, dem zudem noch die Weihe sozialer Gerechtigkeit verliehen wird Beispiel 16: „In der Regel wird Geld durch Dienstleistungen bzw. Kapital verdient." Die Beispiele 14— 16 zeigen alle eine verschleiernde und damit ideologische Tendenz, da sie die zentrale Fragestellung der Lohnproblematik, nämlich den Konflikt zwischen den Lohninteressen der Arbeitnehmer und den Gewinninteressen der Arbeitgeber verhüllen. Der affirmativ-verschleiemde Charakter der Aussage in Beispiel 16 ergibt sich z. B. aus der Wendung „in der Regel" sowie aus der völlig undifferenzierten Gleichsetzung von Gelderwerb durch Arbeitsleistung (im Zitat irreführend mit „Dienstleistung" bezeichnet) und Gelderwerb durch Einsatz von Kapital. Bezeichnend für den ideologischen Charakter dieser Aussage ist auch das daran anschließende Beispiel, wo die Problematik des Produktionsmitteleinsatzes am Beispiel eines bäuerlichen Betriebs, der „einen Zentner Kartoffeln" produziert, dargestellt wird 8. Diese diminuierende Darstellung verschleiert das Problem ökonomischer Herrschaftsgewalt über Produktionsmittel und den daraus resultierenden Konflikt zwischen Arbeit und Kapital.

Im Zusammenhang mit der Lohnproblematik ist schließlich noch auf die weit verbreitete Ideologie des Produktivitätslohnes einzugehen. Beispiel 17: „Lohnerhöhungen sollten sich ... innerhalb des Produktivitätszuwachses halten, da dann der Unternehmer trotz steigender Lohnkosten die Preise stabil halten kann." Die Bindung einer durchschnittlichen Lohnerhöhung in der Gesamtwirtschaft an die Entwicklung der Arbeitsproduktivität bedeutet jedoch nach Werner Hofmann aus folgenden drei Gründen keine Versachlichung der Lohnpolitik:

1. Der „Lohn" ist keine eindeutig bestimmbare Größe. Es ist unklar, ob die volkswirtschaftliche Lohnsumme (Summe aller Einkommen aus unselbständiger Arbeit einschließlich der Angestellten-und Beamtengehälter)

oder lediglich die Lohnsumme der in der unmittelbaren Produktion Beschäftigten verändert werden soll. Ferner wäre zu klären, ob die Tariflöhne oder die Effektivverdienste entsprechend der Produktivitätszunahme wachsen sollen. 2. Die Größe der „Arbeitsproduktivität" ist ebenfalls keine eindeutige Größe. Ist z. B.

die „Produktivität" der öffentlichen Verwaltung und der Rüstungswirtschaft inbegriffen?

In welchem Verhältnis steht die Steigerung der Arbeitsproduktivität zur gleichzeitigen Entwicklung der Rentabilität der Unternehmungen und daher ihrer Lohnzahlungskraft?

3. Nach welchen objektiven Kriterien soll schließlich die für möglich gehaltene durchschnittliche Steigerung der Lohnsätze auf die verschiedenen Wirtschaftszweige und beschäftigten Kategorien verteilt werden?

Mit Recht verweist angesichts dieser Unsicherheiten und ungelösten Fragen Hofmann auf den „Reißbrett-Schematismus" dieser Konstruktion und macht darauf aufmerksam, daß die Wahl der Arbeitsproduktivität als Kriterium für die Lohnentwicklung bereits eine „Parteinahme im Lohnstreit" zugunsten der Arbeitgeberseite bedeutet: „Sie betrachtet den Lohn ausschließlich als Kostenfaktor der Unternehmungen und geht von der selbstverständlichen Voraussetzung aus, daß die Lohnquote am Volkseinkommen konstant zu bleiben habe." Mit dieser Argumentation wird die „Ideologie des Produktivitätslohnes" als rein privatwirtschaftliche Interessenten-Sicht-weise entlarvt und kann als typisches Beispiel einer Rechtfertigungsstrategie zur Aufrechterhaltung gegenwärtiger Herrschaftsund Verteilungsstrukturen angesehen werden.

b) Das Geld im Kontext der Preisproblematik Dieses Thema stellt einen weiteren wichtigen Prüfstein für die ideologikritische Analyse einschlägiger Unterrichtsmaterialien zum Thema „Geld" dar. Hierbei geht es insbesondere um die Überprüfung der Frage, inwieweit dem Schüler ein realistisches Bild von der Situation des Verbrauchers in unserer Gesellschaft vermittelt wird. Der Mensch ist in unserer modernen „Konsumgesellschaft" in eine Rolle gedrängt worden, in der die industrielle Produktion nicht mehr Instrument und Mittel zu seiner existentiellen Sicherung und Bedürfnisbefriedigung ist, sondern wo umgekehrt das System der Massenproduktion im Interesse der Kapitalverwertung und Substanzerhaltung den bedingungslosen Konsum fordert. Dadurch hat eine weitgehende Funktionsverlagerung stattgefunden, durch die das industrielle System nicht mehr auf die Befriedigung, son-B. dem auf die Schaffung immer neuer Bedürfnisse ausgerichtet ist.

Von dieser Situation ist der jugendliche Verbraucher besonders betroffen, da er ungeschützt und unvorbereitet einem Konsumdruck ausgesetzt wird, dessen er sich in der Regel nicht einmal bewußt ist und dem er sich daher auch kaum entziehen kann. Insofern stellt das Thema eine weitere ideologiekritische Nagelprobe dar. Es ist zu prüfen, inwieweit die Darstellung der Preisproblematik bzw.des Kaufkraftproblems die Illusion von der „Allmacht" des Verbrauchers fördert oder ob sie in realistischer Einschätzung der bestehenden Verhältnisse auch über die weitgehende „Ohnmacht" des Verbrauchers informiert.

Ein charakteristisches Beispiel für die Fehleinschätzung des Verbrauchers im Hinblick auf seine Marktstellung liefern unter der Überschrift „Die Macht der Verbraucher" Heinz Frisch und Lothar Surkau.

Beispiel 18: „Viele unerwünschte Auswüchse des täglichen Marktgeschehens sind nur von unvernünftig handelnden Verbrauchern verschuldet.

Die Macht des Verbrauchers liegt in der ihm gegebenen Möglichkeit, einen wirksamen Einfluß auf die Preisgestaltung zu neh-men und damit die Produktion nach den Wünschen des Verbrauchers zu lenken ..."

In dieser Sicht werden die Verbraucher gerügt, sie könnten mit ihrer „Einkommensfreiheit gar nichts Rechtes anfangen“, sie würden vielmehr „den zahllosen Versuchungen, denen sie Tag für Tag z. B. durch die moderne Werbung ausgesetzt sind“, erliegen und kauften „unüberlegt und planlos." Als Fazit ergibt sich die selbstverschuldete Unmündigkeit des Konsumenten Auf diese Weise feiert das Märchen vom „König Kunde" bzw. die Ideologie der 'Verbrauchersouveränität Triumphe. Anstatt die durch die Wirtschaftswerbung bedingte psychische Überwältigung des Verbrauchers darzustellen, um auf diese Weise einen Beitrag zur Verbrauchererziehung und zur Verbesserung der Marktposition des zukünftigen Konsumenten zu leisten, wird die „irrige Meinung" bekämpft, „daß die Ausgabenpolitik der öffentlichen Hand allein für die Stabilität der Währung entscheidend ist", werden die Verbraucher darauf hingewiesen, daß sie sich ihrer „beherrschenden Marktstellung nicht bewußt" seien, wird die gemüsekaufende Hausfrau getadelt, daß sie „an steigenden Preisen, d. h. am Kaufkraftschwund mitschuldig" sei und wird der Käufer darauf aufmerksam gemacht, daß er „den Produzenten zwingen kann, wichtige und hochwertige Ware anzubieten". Schließlich wird der Verbraucher gerügt, er habe nach den Jahren der Entbehrung die „Kaufkraftdisziplin" vermissen lassen, so daß es zu Kaufwellen mit Preissteigerungen gekommen sei Wirtschaftliche Stabilität ist nach dieser Argumentation „das Verdienst jedes verantwortungsbewußten Bürgers." Durch Sparen und kritische Überprüfung der Warenqualität sowie durch Preisvergleiche soll er die richtige „ verantwortungsbewußte staatsbürgerliche Gesinnung" entwickeln, die letztlich „durch vorbildliches, beispielhaftes Handeln aller Wirtschaftsbürger" zu erreichen sei 3. Diese Beispiele einer weitgehenden Verkennung der realen Situation des Verbrauchers in unserer Wirtschaftsordnung sind in ihrer ideologisierenden Funktion im höchsten Maße geeignet, die Emanzipation des jungen Menschen als zukünftiger Wirtschaftsbürger und Verbrau-, eher zu verhindern und der Willkür ungehemmter Konsumgüterproduktion Vorschub zu leisten.

Zu dieser Art der Ideologiebildung gehört auch der Appell an den Opferund Gemeinschaftssinn des Verbrauchers. In einer Unterrichtsbroschüre der Sparkassen soll z. B.dem Schüler . gezeigt werden, „wie der einzelne durch sein Verhalten die gesamte Wirtschaft positiv oder negativ unter Zurückhaltung seiner persönlichen Interessen beeinflussen kann" Diese Formulierung ist problematisch und enthält eine ideologische Tendenz.

Sie ist geeignet, die weit verbreitete Illusion zu stärken, daß der einzelne durch sein individuelles Verhalten einen nachhaltigen Einfluß auf das Wirtschaftsgeschehen ausüben könne. Ideologische Tendenz bekommt die Aussage durch den darin enthaltenen Appell an den Schüler zur „Zurückhaltung seiner persönlichen Interessen." Hier wird ein Konflikt zwischen den „persönlichen" Interessen des einzelnen und einem irgendwie gearteten „höheren" Interesse konstruiert, den es in diesem Sinne nicht gibt. Interessen sind — wie bereits gezeigt wurde — immer partikulari-stisch und stehen insofern grundsätzlich im Konflikt mit anderen Interessen, hinter denen sich wieder gesellschaftliche Gruppen und wirtschaftliche Herrschaftspositionen verbergen. Bevor also an den Opfersinn des Schülers appelliert wird, müßte ganz klar gezeigt werden, -welche Interessen konkret gemeint sind und von welchem Interessenkonflikt ausgegangen wird.

Schließlich ist im Zusammenhang der Behandlung des Preis-und Kaufkraftproblems noch auf zwei typische Aussagenmuster hinzuweisen, nämlich auf die Fisher'sche Verkehrs-gleichung als Verschleierungsformel und die Ideologie von der „Lohn-Preis-Spirale".

1. Die Fisher’sche Verkehrsgleichung als Verschleierungsformel Dieser Formel kommt nach Ansicht der meisten Vertreter der Nationalökonomie nur eine illustrative Bedeutung zu. Sie kann auf keinen Fall zur Erklärung von Kaufkraftschwankungen herangezogen werden, da ihr empirischer Erklärungswert wegen ihres tautologischen Charakters gleich Null ist. Sie kann daher nicht zur Richtschnur möglicher Geldversorgungspolitik gemacht werden, da sie nichts darüber aussagt, ob eine Veränderung der Geldmenge auf die Preise einwirkt oder ob umgekehrt eine Veränderung in den Umsätzen entsprechende Konsequenzen auf der Seite der Geldversorgung nach sich zieht

Trotz dieser Einschränkungen glaubt fast kein Lehrbuchautor, auf diese didaktisch so griffige Formel verzichten zu können, was in aller Regel eine Fehlinterpretation mit den oben genannten Mängeln zur Folge hat

Im Hinblick auf die aufgezeigten Gefahren der Ideologisierung der Quantitätsgleichung empfiehlt sich grundsätzlich eine zurückhaltende und kritische Darstellung dieser Formel.

2. Die Ideologie von der „Lohn-Preis-Spirale" Die schleichende Inflation unserer Epoche kann durch das Theorem der „Lohn-Preis-Spirale", das dem Gewerkschafts-Kartell der Beschäftigten die Verantwortung für ein mechanisches, zwangshaftes Reagieren der Preis-setzer auf jede Lohnerhöhung zuschieben will, nach Ansicht von Werner Hofmann nicht erklärt werden Nach seiner Ansicht ist das Lohn-Preis-Spiralen-Modell aus folgenden Gründen ein unzureichendes und in seiner Aussagetendenz ideologisches Erklärungs-schema

(1) Die Bedeutung einer Lohnerhöhung für die Kostenlage der Unternehmungen ergibt sich erst aus der Betrachtung des Anteils der Lohnsumme an den Gesamtkosten (es können z. B. Individuallöhne steigen, während gleichzeitig durch Rationalisierungsmaßnahmen der Anteil der Löhne an den Gesamtkosten der Unternehmung sinkt).

(2) Lohnerhöhungen dürften im Sinne der Lohn-Preis-Spiralen-Theorie nur zu einer unterproportionalen Erhöhung der Preise führen, da die Löhne immer nur einen Teil der Gesamtkosten ausmachen.

(3) Die Möglichkeit der Unternehmungen, ihre Preise über die Kosten hinaus anzuheben, ist nicht eine Resultante vorangegangener Lohnerhöhungen, sondern eine Folge der durch die Konzentration in der Wirtschaft eingetretenen Ausschaltung des nationalen und internationalen Wettbewerbs, also ein Ergebnis von Marktmacht.

(4) Die Arbeitnehmerseite befindet sich im Hinblick auf das Lohn-Preis-Karussell in der Defensive: „Bei einer fortgesetzten Steigerung der Lebenshaltungskosten, bei einer in Wahrheit schon gewohnheitsmäßigen periodischen Erhöhung der Preise müssen die Nominallöhne erhöht werden, wenn nicht der Reallohn sinken soll."

Ein Beispiel für die ideologische Verzerrung des Lohn-Preis-Problems gibt Hans-Dieter Burghardt In ausführlicher Darstellung wird zum Thema „Die Kaufkraft des Geldes" ein Beispiel aus dem Bausektor zur Illustration der Ursachen einer steigenden Preisentwicklung bzw. Kaufkraftminderung entwik-kelt. Zunächst wird festgestellt, daß die Bau-preise in den Jahren von 1959— 1963 um 33 0/0 gestiegen sind. Es folgt der Hinweis, daß der Anteil der Löhne und Gehälter im Bauhandwerk 1959 32, 6 % betrug. Daraus folgert der Autor:

Beispiel 19: „Lohnerhöhungen bewirken daher vor allem in diesen (gemeint sind die lohnintensiven Branchen, P. W.) Industrie-zweigen steigende Preise. Die enge Beziehung zwischen Lohnkosten und Preisen zeigt sich hier deutlich. Da nun die Kaufkraft der D-Mark auf dem Baumarkt so stark gesunken ist, verlangt die Gewerkschaft zum Ausgleich höhere Löhne. Diese führen aber wieder zu Preiserhöhungen. Die Lohn-Preis-Spirale kommt in Bewegung."

In dieser Argumentation lassen sich alle oben genannten Fehlinterpretationen der Lohn-Preis-Problematik aufweisen. Um den ideologischen Charakter dieser Darstellung zu verdeutlichen, sollen die genannten Zahlen kurz durchgerechnet werden: Bei einem Lohnkostenanteil der Bauindustrie von rund einem Drittel und einer Baupreissteigerung von 33 0/0 zwischen 1959 bis 1963 hätten die Löhne nach der Lohn-Preis-Spiralen-Theorie um das Dreifache der Baupreise, also um 100% bzw. um 25 % im Jahr steigen müssen Bezeichnend für diese Art der Argumentation ist auch, daß Burghardt einen der wichtigsten Faktoren für die Entwicklung der Baupreise überhaupt nicht erwähnt, nämlich die Problematik unseres Bodenrechts und die damit verbundene Entwicklung der Baulandpreise. Statt dessen verweist er auf „das nicht marktkonforme Verhalten der Käufer", die nicht warten können, bis die Preise wieder fallen, um sogleich in einer Fußnote zu fragen: „Kann man aber mit ruhigem Gewissen jemand raten, den Haus-bau zurückzustellen, bis die Preise fallen?"

Bei der Widersprüchlichkeit und ideologischen Verzerrung des ganzen Problemkomplexes muß sich für den Schüler-ein Bild der Verwirrung und ein Zustand persönlicher Ratlosigkeit ergeben.

Für Wilhelm Könneker, ein ehemaliges Mitglied des Direktoriums der Deutschen Bundesbank, ist das Problem der „Lohn-Preis-Spirale" eine Rätselfrage ähnlich der Frage nach dem Ursprung von Henne und Ei bzw. eine Frage des jeweiligen politischen Standorts:

Beispiel 20: „Die Lohn-Preis-Spirale dreht sich. Oder handelt es sich um eine Preis-Lohn-Spirale? Laufen die Preise den Löhnen nach oder umgekehrt die Löhne den Preisen? Wer recht hat, ist ebensowenig zuverlässig zu ermitteln, wie die uralte Frage zu beantworten ist, ob zuerst das Huhn oder das Ei da war. Die Antwort richtet sich je nach dem Standpunkt, den der Beurteiler in der Wirtschaft einnimmt."

Mit dieser eher diplomatischen als sachlich und wissenschaftlich vertretbaren Antwort läßt auch Könneker den Leser bzw. Schüler in einem Zustand der Verwirrung und Ratlosigkeit und liefert ihn auf diese Weise ungeschützt und unkritisch den Ideologen aus, anstatt ihn über die verschiedenen „Standpunkte" und Interessenlagen bei der Beurteilung der Lohn-Preis-Spirale aufzuklären.

c) Das Geld im Kontext von Sparen und Investieren Eine ideologiekritische Analyse dieses Themenbereichs fördert folgende Ergebnisse zutage: (1) Die Verschleierung des Tatbestandes sozialer Abhängigkeit der Vermögenslosen, (2) die Überbetonung des Sicherheitsmoments der Geldanlage gegenüber dem Aspekt der Vermögensmehrung, (3) die unrealistische Einschätzung der Sparfähigkeit privater Haushalte und (4) die Uberbetonung und idealistische Verklärung des Spargedankens. (1) Die Verschleierung des Tatbestandes sozialer Abhängigkeit der Vermögenslosen Der in den verschiedenen Lehrbüchern auftretende Sparer ist in der Regel ein soziologisches Neutrum. Eine schichtenspezifische Analyse der Beispiele deutet jedoch auf eine einseitige mittelständische Orientierung der Lehrbuchautoren hin.

Beispiel 21: „Herrn X werden von seiner Firma monatlich 900 DM Gehalt auf sein Konto überwiesen."

Sparer sind in der Regel Gehaltsempfänger und nicht Lohnempfänger, weil offensichtlich das Sparproblem sonst relativ irrelevant zu werden droht.

\ Beispiel 22: „Der Schüler Peter bekommt monatlich 10 DM Taschengeld, mit dem er auf ein Transistorgerät spart."

Die Mittelstandsorientierung dieses Beispiels läßt sich an folgenden 3 Merkmalen aufzeigen:

(1) an der monatlichen Zahlungsweise, (2) an der Höhe des Betrags und (3) am Sparobjekt.

ad 1: Nach neueren Untersuchungen zum Taschengeldproblem entstammen die Eltern, die den Kindern das Taschengeld in monatlichen Abständen zahlen, meist der Mittelund Oberschicht

ad 2: Die Höhe des monatlich verfügbaren Taschengeldes schwankt im Durchschnitt von ca. 3, 80 DM für Siebenjährige bis zu etwa 5, 80 DM für Zehnjährige 9. Der Betrag von DM 10 im Monat liegt somit weit über dem statistischen Durchschnitt.

ad 3: „Peters größter Wunsch ist ein Transistorgerät."

Abgesehen davon, daß der im Unterrichtsbeispiel angegebene Betrag von DM 30 für ein Transistorgerät eher zu tief angesetzt ist, ist ein solcher Wunsch typisch für die Bedürfnisstruktur und Wunschskala von Mittel-und Oberschichtkindern. Hier fehlen leider gesicherte empirische Befunde, doch erscheint die Annahme nicht unrealistisch, daß die Anschaffung eines Transistorgeräts in den meisten Arbeiterhaushalten, das sind immer noch fast 50 °/o der privaten Haushalte, zumindest im Rahmen des Taschengeldbudgets von Kindern außer Diskussion steht.

Eine schichtspezifische Differenzierung des Sparproblems läßt auch das folgende Beispiel vermissen:

Beispiel 23: „Ein Sparer X, der 5000 DM angespart hat, kann jederzeit mit dem Geld als neutralem Anweisungsschein alle die Waren und Dienstleistungen erwerben, die ihm die gesamte Volkswirtschaft anbietet. Kaufte er aber mit den angesparten 5000 DM ein Auto, so ginge diese Beweglichkeit verlöten. Sind bei einer plötzlich auftretenden Krankheit die Dienstleistungen des Arztes zu bezahlen (Arztrechnung), so muß er entweder sein Auto beleihen lassen oder verkaufen. In beiden Fällen ist Herr X gezwungen, einen Geldgeber zu suchen. Er kann nicht sofort bezahlen, er ist nicht liquide (flüssig). Nur der Besitz von Geld gibt also die Möglichkeit, sofort jede Ware oder Dienstleistung zu erwerben. Je mehr Geld man spart, desto größere und vielfältigere Kaufmöglichkeiten eröffnen sich (Geld als Wertaufbewahrungsmittel oder Liquiditätsreserve)."

Die Darstellung bleibt weitgehend im Allgemeinen und Anonymen („Sparer X", „Herr X", „je mehr man spart"). Sie gibt keine Auskunft darüber, für welche Gruppen der Gesellschaft sich „größere und vielfältigere Kaufmöglichkeiten eröffnen" und welche Gruppen unserer Gesellschaft durch mangelnde Sparfähigkeit ihre „Beweglichkeit" verlieren — eine euphemistische Umschreibung des Tatbestandes sozialer Abhängigkeit.

Die Darstellung erweckt den Anschein, als sei die Sparwilligkeit und Sparfähigkeit in das Belieben der privaten Haushalte gestellt. In einer Informationsschrift der Sparkassen wird als Lernziel zur Geldanlage genannt: „Der Schüler soll , Sparen'als ein zu lösendes Problem des privaten Haushalts erkennen." Diese Aussage ist deshalb ideologisch, weil sie das Sparproblem einseitig in den Kontext des privaten Haushalts verlagert. Die zentrale Problematik des Zusammenhangs von Einkommensbildung und Sparquote wird dadurch aus-geklammert. Diese Problematik wird auch nicht mit dem an das obige Beispiel anschließenden Lernziel aufgehoben: „Der Schüler soll den Zusammenhang von Einkommen — Lebenshaltungskosten — Sparen mit verschiedenen Beispielen beschreiben (!) können." Auch dieses Lernziel bleibt affirmativ und läßt die Frage nach den Ursachen der Einkommensund Vermögensverteilung und davon abhängig der Sparquote der privaten Haushalte nicht aufkommen

Ähnlich irreführend und das eigentliche Problem verschleiernd ist die Behandlung des Sparproblems bei Rosemarie von Schweitzer im Anschluß an das Sprichwort „Wer den Pfennig nicht ehrt, ist des Talers nicht wert", wenn der Schüler zu diesem Sprichwort die programmierte Antwort erhält: „Das Sprichwort „Wer den Pfennig nicht ehrt, ist des Talers nicht wert’ können wir so auffassen, daß wir nur dann reich (!) werden, wenn wir gut überlegen, was wir mit dem Geld machen sollen." So einfach ist das also.

(2) Die Überbetonung des Sicherheitsmoments der Geldanlage gegenüber dem Aspekt der Vermögensmehrung Es fällt auf, daß in manchen Schriften der Sicherheitsfaktor gegenüber den Renditeüberlegungen der Geldanlage im Vordergrund steht. So wird z. B. die Aktie als „relativ sicheres Mittel der Kapitalbeteiligung" (!) empfohlen, bei Investmentpapieren darauf verwiesen, daß „das Risiko für den Käufer wesentlich vermindert" sei, auf die „Sicherheit für den Anleihenverkäufer" hingewiesen und darauf aufmerksam gemacht, daß der Käufer bei den Renten in Normalzeiten „kaum ein Risiko" trage

Solche Wendungen erwecken den Anschein, als ob das Sicherheitsrisiko das entscheidende Moment bei der Geldanlage darstelle. Primär dürfte jedoch bei der Abwägung zwischen Aktienerwerb, Investmentsparen, Anleihenkauf usw. die Frage nach der Rentierlichkeit Form von Sparprämien erhalte. Daß der Sparer der jeweiligen Anlage interessieren. Hierzu wird im Zusammenhang der obigen Zitate allerdings nichts gesagt. Vielmehr wird bei der Darstellung des Prämiensparens die Illusion verstärkt, daß der Sparer vom Staat eine besonders gute Verzinsung seiner Anlage in diese Prämie in Form von Steuern weitgehend selbst aufbringt und daß die Arbeitgeberzulage zum größten Teil in die Lohnkosten eingeht, also ebenfalls vom Sparer als Arbeitnehmer selbst bezahlt werden muß, wird verschwiegen 6.

Hinzu kommt, daß im Zusammenhang mit der Kapitalbildung durch Sparen die Illusion einer Teilhaberschaft an der Vermögensbildung der Unternehmen begünstigt wird.

Beispiel 24: „Große Firmen brauchen häufig sehr viel Geld, um notwendige Investitionen durchzuführen ... Die Firma versucht daher, möglichst viele an dem Unternehmen zu beteiligen, die alle gemeinsam die Summe aufbringen müssen."

Beispiel 25: „Durch dein Sparen wirst du Mitträger der Wirtschaft."

Die in diesen Beispielen zum Ausdruck kommende Illusion einer „Beteiligung" am Unternehmen unterschlägt die Tatsache der relativen Ohnmacht und Einflußlosigkeit des Kleinaktionärs und Investmentsparers, denn nur dieser kann gemeint sein, wenn „Herr X" monatlich 200 DM erspart

In diesem Zusammenhang taucht wieder das Problem der begriffsfixierten Ideologienbildung auf. Die Jugendsparerziehung soll nach Ansicht von Theodor Holl und Rolf Röhm „die Einsicht vermitteln, daß die Wirtschaft Fremdkapital benötigt, das nur durch Sparen gebildet werden kann" Die Ideologiebildung fängt hier bei der Unterscheidung von Eigen-und Fremdkapital an. Die hier und anderswo gebräuchliche Terminologie ist nur verständlich auf dem Hintergrund der Anerkennung des Privateigentums an Produktionsmitteln. Jede Infragestellung dieser Institution würde auch weitgehende definitorische Folgen haben Die Aussage, daß „die Wirtschaft" Fremdkapital benötige, unterstellt wiederum eine angebliche Identität zwischen Einzelinteresse und Gesamtinteresse. Dieser Zusammenhang wird insbesondere in folgendem Schaubild deutlich:

(3) Unrealistische Einschätzung der Spar-iähiqkeit privater Haushalte Das Thema „Sparen oder Konsumieren?" macht den verschiedenen Lehrbuchautoren deshalb besondere Schwierigkeiten, weil es im

In dieser Darstellung wird ein stringenter, logisch zwingender Zusammenhang zwischen Investitionen (1), Beschäftigungslage (4), Einkommensmehrung (5) und Verbesserung der persönlichen Chancen (7) behauptet. Das Schaubild stellt eine Variante des Kreislauf-modells dar und vermittelt den Anschein vollkommener Interessenharmonie aller beteiligten Größen.

Die versteckten Werturteile dieser Darstellung ergeben sich aus der linearen Struktur des Schaubilds und der Häufung von Komparativen, die dem Betrachter (Schüler) suggeriert, daß die staatliche „Investitionsspritze" in ihrer wirtschaftsbelebenden Wirkung letztlich einzig und allein dem Wohle des einzelnen und der Gesellschaft insgesamt diene. Damit wird das diesem Schema zugrunde liegende Wirtschaftssystem in toto als die einzig mögliche, weil die optimale Wohlfahrt des einzelnen und der Gesellschaft garantierende Form des Wirtschaftens dargestellt.

Hinblick auf die reale Situation der derzeitigen Einkommens-und Vermögensverteilung in der BRD nicht leicht ist, dem Schüler immer einen potenten Sparer zu präsentieren, bei dem dann die verschiedenen Sparformen und Anlagemöglichkeiten exemplifiziert werden können. Zu welch grotesken Konstruktionen diese Verlegenheit führt, zeigt das folgende Beispiel:

Beispiel 27: „Am Stammtisch des Gasthofes , Zum Löwen'sitzen die zwei Freunde Sparmann und Akers zusammen und warten auf den dritten Mann zur wöchentlichen Skat-runde. Als endlich Herr Konen kommt, hat er eine große Neuigkeit zu berichten. Von einem Notar bekam er die Nachricht vom Tode einer entfernten Verwandten die ihm 18 000 DM in bar hinterlassen hat. Aus dem Skat-spiel wird an diesem Abend nichts. Herr Konen bittet seine Freunde um Vorschläge, was er mit dem unerwarteten Geld tun kann. Im Moment weiß er tatsächlich nicht, was er mit dem Geld anfangen soll, weil er keine finanziellen Sorgen hat. Er bewohnt mit seiner Frau eine preiswerte Werkswohnung, die er nicht aufgeben möchte. Als Vorarbeiter in einer Maschinenfabrik verdient er soviel, daß die Familie immer ganz gut zurechtgekommen ist."

Der ideologische Charakter dieses Beispiels liegt in seiner völlig unrealistischen Ausgangssituation, und zwar im einzelnen darin, daß — der außergewöhnliche Fall einer Erbschaft zur Definition der Ausgangsgröße, des Sparkapitals, herangezogen wird, — die Familie „keine finanziellen Sorgen" hat, — der Sparer mit seiner Familie in einer „preiswerten Werkswohnung" wohnt und — die Familie mit dem Verdienst des Vaters „immer ganz gut zurechtgekommen ist". Auf diese Weise entsteht durch die Häufung außergewöhnlicher Umstände eine derart verfälschte Lebenssituation, daß sie sicherlich für keinen einzigen Schüler der Gruppe, die mit diesem „Rollenspiel" arbeiten soll, zutrifft. Trotzdem legt dieses vordergründig als realistisch und lebensnah präsentierte Beispiel eine weitgehende Identifikation des Schülers mit den Akteuren dieses Rollenspiels nahe. Das Problem „Sparen oder Konsumieren?" bleibt völlig im Rahmen kalkulatorischer Überlegungen.

(4) Überbetonung und idealistische Verklärung des Spargedankens Die Thematik des Sparens nimmt in vielen Darstellungen über „Geld und Währung" einen unverhältnismäßig großen Raum ein. Oft geht eine solche Überbetonung des Spargedankens einher mit der negativen Akzentuierung des Konsumdenkens. Diese konsumfeindliche Tendenz führt dann leicht zu einer idealistischen Verklärung des Sparens. Auch dieses Argumentationsschema gerät nur allzu leicht in ideologische Bahnen. Es wird ja durchaus zutreffend immer wieder darauf hingewiesen, daß unsere Gesellschaft eine „Wohlstandsoder Konsumgesellschaft" sei, und niemand käme wohl auf den Gedanken, von einer „Sparoder Sparergesellschaft" zu sprechen. Auch das Verhältnis von Konsum und Sparen unterliegt wie alles wirtschaftliche Geschehen dem historischen und sozialen Wandel. Zweifellos hat der Spargedanke in unserer Zeit einen anderen Stellenwert als z. B. in den Notzeiten nach dem letzten Weltkrieg 6. Die einseitige Betonung des Sparprinzips führt dann oft zu moralpädagogischen Überlegungen, die die reale Situation des Sparers in unserer Zeit verkennen „Das Sparen wird heute vor allem als Zwecksparen, um früher oder später zu erreichender, konkreter Kaufziele willen, betrieben. Dieses stark verbreitete konsumorientierte Sparen, das einer haushälterischen, aber keiner asketischen Einstellung entspringt, erfolgt heute in der Regel nicht durch einen lebensverdüsternden Konsumverzicht, sondern häufig neben einem zwar partiell eingeschränkten, aber keineswegs dürftigen Verbrauch."

Die idealistische Verklärung und moralpädagogische Akzentuierung des Spargedankens muß sich deshalb den Ideologievorwurf ge-fallen lassen, weil sie von der primären Zielrichtung des Wirtschaftens, nämlich der Befriedigung der Konsumbedürfnisse aller Gesellschaftsmitglieder, ablenkt. Insofern ist auch das Sparen lediglich eine aus dem Konsumgedanken abgeleitete Größe: Sparen als vorläufiger Konsumverzicht zugunsten zukünftigen Konsums. Oder vom Gesichtspunkt der Kapitalbildung: Sparen als die Ermöglichung wirtschaftlicher Investitionen zum Zwecke der Sicherung und Erhöhung zukünftiger Konsumgüterproduktion. Nicht der Konsumasket und heroische Sparer sollte das Leitbild wirtschaftlicher Erziehung und Bildung sein, sondern der rational handelnde, mündige Verbraucher, in dessen Überlegungen zur rationalen Haushaltsführung und Budgetplanung auch der Spargedanke seinen richtigen Ort hat.

Der Ideologievorwurf stützt sich jedoch noch auf eine andere Überlegung. Die Vermögensbildung der privaten Haushalte ist in der Regel beschränkt auf die Bildung von Nominalvermögen. Die Bildung von Sach-oder Realvermögen, also die Verwendung von Nominalvermögen zu investiven Zwecken, zur Produktion und damit zur Schaffung weiterer Einkommen und Vermögen, ist unselbständigen Privathaushalten kaum möglich. Der Pro-zeß der Umwandlung von Nominal-in Realvermögen vollzieht sich über die Kapitalsammelstellen (Sparkassen, Banken), die das Geldvermögen der unselbständigen Privathaushalte akkumulieren, um es als Kredit den Investoren, also den Unternehmen, zuzuleiten. Auf diese Weise findet eine Vernichtung der produktiven Potenz des Geldvermögens der Arbeitnehmer und Sparer und eine Erhöhung des „Verfügungseinkommens“ der Unternehmen statt. Der kleine Sparer — und er ist es ja, der in der Regel in Gestalt des Schülers von den Lehrbuchautoren angesprochen wird — finanziert auf diese Weise mit seinem Geld das Sachvermögen anderer, der Selbständigen, die ihn gleichzeitig von der weiteren Verfügung und Mitbestimmung über seinen Anteil ausschließen

IV. Schlußbetrachtung

Beispiel 8:

Quelle: Alfred KRÜGER, Das Geld rollt, S. 5.

Objekt der Ideologiekritik ist nicht der rational denkende und handelnde Mensch. Als Triebfedern des menschlichen Denkens und Handelns werden vielmehr Strebungen, Wünsche, Ängste und Hoffnungen angesehen. Es ist der irrationale Mensch, dessen Denken durch seine Interessen, Leidenschaften und Gefühle befangen ist. Insofern geht die Ideologiekritik schon bei den Vertretern der Aufklärungsphilosophie (Bacon, Locke, Hobbes, Condillac usw.) von einem realistischen Menschenbild aus: „Ihre Anthropologie mündet... in eineAnalyse der Affekte und Emotionen als der psychischen Grundsubstanz des Menschen."

Der auf die theoretische Erkenntniswirklichkeit hin orientierte Ideologiebegriff schließt zwar den Zweifel an der prinzipiellen Unmöglichkeit völlig ideologiefreier Aussagen und damit reiner Wahrheitserkenntnis nicht aus, hält aber den Grad der Befangenheit der menschlichen Erkenntnis für reduzierbar. Hierin wird die Chance pädagogisch vermittelter Ideologiekritik gesehen. Die Schule kann und muß die Schüler befähigen, die ideologische Befangenheit ihres eigenen Denkens sowie des Denkens anderer zu erkennen und zu analysieren. Schüler sollen lernen, Aussagen auf ideologische Elemente hin zu untersuchen und sich bei der Formulierung eigener Aussagen des ideologischen Risikos bewußt zu sein. Ideologiekritik ist insofern die Voraussetzung für — Aufklärung und Entdogmatisierung, — intellektuelle Redlichkeit, — das Vermögen, eigene Interessen zu erkennen, zu artikulieren und durchzusetzen, — die Fähigkeit, soziale Verhältnisse zu durchschauen und auf ihre wünschbare und mögliche Veränderbarkeit zu prüfen, — die Möglichkeit, Herrschaftsund Machtpositionen in der Gesellschaft zu erkennen und abzubauen.

Die Vermittlung dieser Fähigkeiten durch die Schule ist die Voraussetzung dafür, daß die schlimmsten sozialen Ungerechtigkeiten und die bestehenden irrationalen Herrschafts-und Machtverhältnisse überwunden werden können. Einer solchen befreiten Gesellschaft wäre dann der Boden entzogen, auf dem erst ideologische Strukturen des Bewußtseins gedeihen können

Insofern ist Ideologiekritik immer zugleich Gesellschaftskritik. „Beizeiten den Sinn auch der Aufnehmenden für ideologiehaftige Aussagen zu wecken und zu schärfen, gehört zu den wichtigsten Bildungsaufgaben einer wissenschaftlich verstandenen Sozialkunde."

Die Notwendigkeit und Fruchtbarkeit des ideologiekritischen Verfahrens aufzuzeigen, war die Absicht dieser Studie. Der Verfasser hat versucht, anhand eines relevanten Themenbereichs der Wirtschafts-und Sozialkunde ein ideologiekritisches Instrumentarium zu entwickeln und dieses am Beispiel einschlägiger Lehrbücher und Unterrichtsmaterialien zu erproben. Er bittet abschließend die zitierten Autoren und Herausgeber um Verständnis: Die Zusammenstellung der einzelnen Beispiele und die Zitierung verschiedener Passagen aus den einzelnen Lehrbüchern bedeutet in keinem Fall, daß das zitierte Werk bzw.der jeweilige Verfasser pauschal als „ideologisch" abqualifiziert werden.

Der Verfasser möchte in jedem Fall seine Kritik als konstruktive Kritik verstanden wissen. Er erhofft sich von dieser Kritik einerseits eine teilweise Revision vorhandener Materialien, zum andern verbindet er mit dieser Studie die Hoffnung, daß zukünftige Lehrbuchverfasser und Curriculumkonstrukteure die aufgezeigten Mängel der bisherigen Lehr-und Lernmittel vermeiden. Emanzipatorische Lernziele im wirtschafts-und sozial-kundlichen Unterricht können nur dann mit Aussicht auf Erfolg realisiert werden, wenn dem Schüler die Kenntnisse und Fertigkeiten vermittelt werden, die ihn befähigen, sich aus der Macht unbegriffener Verhältnisse zu befreien. Denn: „Ideologien sind wie Meeres-algen: aus ihrem Element gezogen, sterben sie im Sonnenlicht. Ideologien bloßzulegen aber ist die eigentliche Aufgabe von Aufklärung in unserer Zeit."

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. Ernst Topitsch: Begriff und Funktion der Ideologie, in: ders., Sozialphilosophie zwischen Ideologie und Wissenschaft, Neuwied 1961, S. 15.

  2. Vgl. Theodor Geiger: Ideologie und Wahrheit. Eine soziologische Kritik des Denkens, Neuwied und Berlin 1968 2, S. 117 ff. und S. 138 ff.

  3. Ebenda, S. 140 f.

  4. Ebenda, S. 58.

  5. Vgl. Werner Hofmann, Wissenschaft und Ideologie, S. 54, und ders., Grundelemente der Wirtschaftsgesellschaft. Ein Leitfaden für Lehrende, Reinbek 1969, S. 16.

  6. Vgl. Werner Hofmann, Grundelemente der Wirtschaftsgesellschaft, S. 17.

  7. Zur Abgrenzung von Irrtum und Lüge von der Ideologie vgl. Helmut Seiffert. Marxismus und bürgerliche Wissenschaft, München 1971, S. 59 ff.

  8. Werner Hofmann, Wissenschaft und Ideologie, S. 54.

  9. Vgl. Ernst Topitsch, a. a. O., Artikel „Ideologie", Sp. 194.

  10. Vgl. Kurt Lenk, Problemgeschichtliche Einleitung zum Textband „Ideologie", Ideologiekritik und Wissenschaftssoziologie, hrsg. von Kurt Lenk, Neuwied 1970 4, S. 31.

  11. Kuno Fischer, Francis Bacon und seine Nachfolger. Entwicklungsgeschichte der Erfahrungsphilosophie, 18752, S. 165. Zitiert nach Kurt Lenk, Pro-

  12. Kurt Lenk, Problemgeschichtliche Einleitung, S. 19.

  13. Dieser Vergleich mag auf den ersten Blick überinterpretiert erscheinen. Andererseits tauchen in der Aufklärungsphilosophie im Zusammenhang mit der ökonomischen Theorienbildung zum ersten Mal die Begriffe „Geldschleier" und „Geldillusion" auf, so daß problemgeschichtlich in diesen Begriffsbildungen eine erste Formulierung des Ideologieproblems im Hinblick auf unsere Themenstellung gesehen werden kann.

  14. Kurt Lenk sieht den Hauptmangel dieser interessenpsydiologischen Ideologienlehre im relativ ungeschichtlichen Charakter des Vernunftbegriffes der Aufklärung und in der bloß äußerlichen Zurechnung der Ideologien zu Interessen und Affekten, bei der mit einer prinzipiell unveränderlichen Struktur des Menschen operiert wird. Vql. ebenda. S. 28 f.

  15. Werner Hofmann, Wissenschaft und Ideologie, S. 55, Fußnote 6.

  16. Vgl. Kurt Lenk, Problemgeschichtliche Einleitung, S. 21.

  17. Ebenda, S. 21.

  18. Ebenda, S. 24.

  19. Ebenda, S. 50 f.

  20. Vgl. Theodor Geiger, Ideologie und Wahrheit, S. 44.

  21. Ebenda, S. 44.

  22. Kurt Lenk, Problemgeschichtliche Einleitung, S. 50.

  23. Ebenda, S. 50 f.

  24. Vgl. Theodor Geiger, Ideologie und Wahrheit, S. 31.

  25. Kurt Lenk, Problemgeschichtliche Einleitung, S. 52.

  26. Diesen Aspekt hat Theodor Geiger erst in seiner letzten Arbeit zum Ideologieproblem kurz angedeutet. Vgl. Theodor Geiger, Artikel „Ideologie", in: Handwörterbuch der Sozialwissenschaften, hrsg. Erwin von Beckerath u. a., 5. Band, Stuttgart/Tü-bingen/Göttingen 1956, S. 180.

  27. Vgl. Hans Albert, Traktat über kritische Vernunft, Tübingen 1968, S. 80 ff.

  28. Ebenda, S. 80.

  29. Vgl. insbesondere das Kapitel über Frageantrieb und Aussagesteuerung bei Theodor Geiger, Ideologie und Wahrheit, S. 97 f.

  30. Vgl. Hans Albert, Traktat über kritische Vernunft, S. 83.

  31. Ebenda, S. 87, Hervorhebung im Original.

  32. Vgl. ebenda, S. 88 ff.

  33. Vgl. ebenda, S. 90 mit Hinweis auf Feyerabend, Paul K.: Theater als Ideologiekritik. Bemerkungen zu Ionesco. In: Die Philosophie und die Wissenschaften. Simon Moser zum 65. Geburtsatg. Meisenheim 1967, S. 400 ff. sowie auf die Theaterarbeiten von Bert Brecht.

  34. Vgl. Theodor Geiger: Ideologie und Wahrheit, S. 35. Zur Unterscheidung der theoretischen von der pragmatischen Ideologiekritik vgl.derselbe: Art. „Ideologie", S. 180.

  35. Theodor Geiger, Ideologie und Wahrheit, S. 36.

  36. Vgl. Karl Marx und Friedrich Engels, Die deutsche Ideologie, in: Karl Marx und Friedrich Engels, Werke, Band 3, Berlin (Ost) 1969, S. 46.

  37. Theodor Geiger, Ideologie und Wahrheit, S. 36.

  38. Karl Marx und Friedrich Engels, Die deutsche Ideologie, S. 27.

  39. Vgl. Theodor Geiger, Ideologie und Wahrheit,

  40. Vgl. ebenda, S. 80.

  41. Ebenda.

  42. Werner Hofmann, Grundelemente der Wirtschaftsgesellschaft, S. 17 f.

  43. Theodor Geiger, Ideologie und Wahrheit, S. 149 f.

  44. Vgl. ebenda, S. 150.

  45. Vgl. Werner Hofmann, Wissenschaft und Ideologie, S. 57.

  46. Vgl. ebenda, S. 55, Fußnote 6.

  47. Vgl. ebenda, S. 56 f.

  48. Zum Begriff der partikulären Ideologie vgl. Karl Mannheim, Ideologie und Utopie, S. 53 ff. Vgl. auch zum „Phänomen des Partikularisierens" ders., Artikel „Wissenssoziologie“, in: Handwörterbuch der Soziologie, Hrsg. Alfred Vierkandt, Stuttgart 1931, S. 666 f.

  49. Vgl. Werner Hofmann, Wissenschaft und Ideologie, S. 57.

  50. Vgl. ebenda, S. 58.

  51. Vgl. Theodor Geiger, Ideologie und Wahrheit, S. 88. Geiger liefert zum Typus der Berufs-und Standesideologien zwei treffende Beispiele: Der Bauer weist darauf hin, daß die Menschen Hungers sterben müßten, wenn er nicht Weizen säte und

  52. Vgl. ebenda, S. 89.

  53. Hierzu gehören z. B. auch „die Ideologie des Abiturs", „die Ideologie der akademischen Bildung" und andere Bildungsideologien.

  54. Vgl. Theodor Geiger, Ideologie und Wahrheit, S. 25.

  55. Vgl. Kurt Lenk, Problemgeschichtliche Einleitung, S. 24.

  56. Ernst Topitsch, Artikel „Ideologie", Sp. 193.

  57. Anders bei Karl Mannheim, der unter dem Be-griff der „Partikularen Ideologie" auch solche Aussagen subsumiert, die „mehr oder weniger die Struktur der Lüge haben." Vgl. Karl Mannheim, Artikel „Wissenssoziologie", S. 660.

  58. Vgl. Werner Hofmann, Wissenschaft und Ideologie, S. 51 f. und 55.

  59. Vgl.ders., Grundelemente der Wirtschaftsgesellschaft, S. 17.

  60. Ebenda, S. 59, Sperrung im Original.

  61. Vgl. Theodor Geiger, Ideologie und Wahrheit, S. 26.

  62. Vgl. ebenda, S. 56.

  63. Zum Leerformelproblem vgl. insbesondere Ernst Topitsch, über Leerformeln. Zur Pragmatik des Sprachgebrauchs in Philosophie und Politischer Theorie, in: Probleme der Wissenschaftstheorie, Hrsg. Ernst Topitsch, Wien 1960.

  64. Vgl. Ernst Topitsch, Sprachlogische Probleme der sozial-wissenschaftlichen Theoriebildung, in: Logik der Sozialwissenschaften, Hrsg. Ernst Topitsch, Köln 1965, S. 28.

  65. „Gerade in den Leerformeln, die ja infolge ihrer Inhaltslosigkeit mit jedem nur denkbaren Wertgehalt vereinbar sind, kann der kontemplative Betrachter, der erschüttert vor den Wechselfällen der Weltgeschichte und der Vielfalt gegensätzlicher Wertüberzeugungen steht, die ewigen, unveränderlichen Prinzipien der Gerechtigkeit erblicken, an denen er den Frieden seiner Seele wiederfin-det." Ernst Topitsch, Sozialtheorie und Gesellschaftsgestaltung, in: Theorie und Realität. Ausgewählte Aufsätze zur Wissenschaftslehre der Sozialwissenschaften, Hrsg. Hans Albert, Tübingen 1964, S. 326.

  66. Urs Jaeggi, Macht und Herrschaft in der Bundesrepublik, Frankfurt 1969, S. 16.

  67. Theodor Geiger, Ideologie und Wahrheit, S. 30.

  68. Ebenda, S. 31.

  69. Ebenda, S. 32.

  70. Vgl. ebenda, S. 60.

  71. Ebenda, S. 143.

  72. Ebenda, S. 143.

  73. Vgl. ebenda, S. 144.

  74. Ebenda, S. 145.

  75. Vgl. Werner Hofmann, Wissenschaft und Ideologie, S. 59 f.

  76. Auf diesen Tatbestand stützt Hofmann seine Behauptung der prinzipiellen Möglichkeit, Werturteile wissenschaftlich ableiten und nachprüfen zu können. Vgl. ebenda, S. 51 u. 60.

  77. Vgl. Werner Hofmann, Grundelemente der Wirtschaftsgesellschaft, S. 17 f.; ders., Wissenschaft und Ideologie, S. 60 ff., und Theodor Geiger, Ideologie und Wahrheit, S. 47 ff.

  78. Vgl. Werner Hofmann, Wissenschaft und Ideologie, S. 60 f.

  79. Vgl. zu diesem Beispiel die ausführliche Analyse bei Theodor Geiger, Ideologie und Wahrheit, S. 61.

  80. Hofmann verweist in diesem Zusammenhang auf einige gängige Ausdrücke, die diese Form der Verwechslung eines Sachurteils (z. B. „der Tisch ist rund") mit einem Werturteil (z. B. „der Tisch ist schön") illustrieren, z. B. Wendungen wie „die Redlichkeit des Unternehmers" oder „die Unbestechlichkeit des deutschen Beamten". Vgl. ebenda, S. 61. Theodor Geiger entwickelt den gleichen Sachverhalt am Beispiel des Urteils: „Hyazinthen sind wohlriechend". Vgl. Theodor Geiger, Ideologie und Wahrheit, S. 47 ff.

  81. Zur inhaltlichen Ideologiekritik der Lohn-Preis-Spiralen-Theorie vgl. S. 30 f.

  82. Vgl. Werner Hofmann, Wissenschaft und Ideologie, S. 58, und ders., Grundelemente der Wirtschaftsgesellschaft, S. 18.

  83. Vgl. Werner Hofmann, Wissenschaft und Ideologie, S. 63 ff., und ders., Grundelemente, S. 17.

  84. Werner Hofmann, Grundelemente, S. 17. Fehlurteile und Irrtümer sind hierbei nicht identisch mit der platten Lüge, die insofern niemals Ideologie sein kann. Ähnlich äußert sich Theodor Geiger, wenn er sagt, „daß der Begriff der Lüge überhaupt nichts in einer wissenschaftlichen Lehre von den Ideologien zu suchen habe". Vgl. Theodor Geiger, Ideologie und Wahrheit, S. 25.

  85. Vgl. Werner Hofmann, Wissenschaft und Ideologie, S. 64 ff.

  86. „Das Recht, als Vorteil gebraucht, das Bekenntnis zum freien Marktwettbewerb im allgemeinen, d. h. zum Wettbewerb der andern, als Folie für den Ausschluß des Wettbewerbs im je besonderen Konkurrenzzweig, die abstiakte Freiheit im Staat, in deren Namen mit den konkreten Freiheiten aufgeräumt wird, verraten bald, was sie sind: Fallen für die Gutgläubigen, Leimruten zum Gimpelfang." Ebenda, S. 65.

  87. Hans-Dieter Burghardt, Geld und Währung, Frankfurt 1971 3, S. 8.

  88. Ebenda

  89. Ebenda, S. 10. ilt z. B. auch für die historischen Darstelei Wilhelm F. Riester, Wesen und Un-s Geldes, Hrsg. Niedersächsische Landesür politische Bildung, Hannover 1970. Dergibt auf den Seiten 29- 38 eine historisie-nktechnische Darstellung, die den Schüler Fülle relativ unsystematisch dargebotener berschüttet, ohne ihm irgendwelche kri-tegorien für die Beurteilung geldtheorend währungstechnischer Zusammenhänge

  90. Einen solchen Vorwurf muß sich z. B. Horst Be-loch, über die Wirtschaft, Hrsg. Adalbert Kitsche und Heinz Markmann, Wiesbaden o. J., gefallen lassen. In diesem Buch findet sich eine höchst farblose, vordergründige Darstellung des Geldproblems, ohne auch nur eines der in diesem Kontext relevanten Koniliktthemen (Lohnbildung, Preisbildung, Kapitalbildung, Macht der Banken usw.) anzusprechen. Das Buch ist ein typisches Beispiel für ein Arbeitsprodukt, das im Auftrag der Arbeitgeber und Gewerkschaften erstellt wurde und darauf angewiesen war, den Segen beider Auftraggeber zu bekommen. Die Schrift stellt in Aufmachung und Inhalt ein „Neutrum" dar. Der Verfasser ist in der Titulatur nicht zu erkennen; man muß ihn mühsam im Impressum suchen. Inhaltlich findet sich eine weitgehend formalisierte, raum-zeitlich überhöhte Darstellung einzelner Kapitel, die nach Art eines Lexikons von A = Außenhandel bis W = Wirtschaftspolitik reicht.

  91. Hans-Dieter Burghardt, Geld und Währung, S. 17.

  92. Vgl. ebenda, S. 16: „Bezahlt z. B. ein Lehrer den Friseur, so tritt er einen Bruchteil seiner dem Staat verkauften Arbeitskraft (Dienstleistung) dem Friseur mit Hilfe des neutralen Tauschmittels Geld ab." Das Zitat zeigt zudem den Widerspruch zwischen dem Geld als „neutralem Tauschmittel" und der ihm in Beispiel 4 zugeschriebenen inhärenten Eigenschaft, „gerechte" Tauschakte zu vermitteln.

  93. Heinz Frisch und Lothar Surkau, Volkswirtschaft in unserer Zeit. Volkswirtschaftstheorie und Volkswirtschaftspolitik, Bad Homburg 1969 4, S. 3.

  94. Alfred Krüger, Das Geld rollt — Kreislauf und Außenwert des Geldes. Arbeitsbogen für Schule und Ausbildung, hrsg. im Auftrag der Wirtschaftsakademie der Lehrer, Heft 6., Bad Harzburg 19712, S. 1. Um die in diesen Aussagen liegende mythologisierende Tendenz noch zu verstärken, soll der Schüler im Anschluß an die oben zitierten Ausführungen die Frage beantworten: „Was denkst du dir, wenn du hörst: Geld ist das Blut der Wirtschaft'?"

  95. Hans-Dieter Burghardt, Geld und Währung, S. 28.

  96. über die Wirtschaft. Ein Lese-und Arbeitsheft, hrsg. im Auftrag der Arbeitsgemeinschaft zur Förderung der wirtschaftlichen und sozialen Bildung e. V. von Dr. A. Kitsche und Dr. H. Markmann, Wiesbaden 1970, S. 2.

  97. Heinrich Obermaier, Geld und Wirtschaft. Ein Überblick über Grundfragen des Geldwesens, Hrsg. Bayerische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit, München 1970 2, S. 18.

  98. Vgl. hierzu Theodor Geiger, Ideologie und Wahrheit, S. 126. Der Begriff „Essentialismus" ist wissenschaftsgeschichtlich aus dem „philosophischen Realismus" entstanden. Zum „methodologischen Essentialismus" vgl. Karl Raimund Popper, Die offene Gesellschaft und ihre Feinde, Bd. II: Falsche Propheten. Hegel, Marx und die Folgen, Bern 1958, S. 362, Anmerkung 38; ders., Das Elend des Historizismus, Tübingen 1965, S. 21 ff.; zur realistischen Position in der Sozialphilosophie vgl. z. B. die Schriften von Egon E. Nawroth, Die Sozial-und Wirtschaftsphilosophie des Neoliberalismus, Heidelberg 1962 2, S. 26 ff., und ders., Zur Sinnerfüllung der Marktwirtschaft, Köln 1965, S. 13 ff.

  99. Vgl. Hans Albert, Probleme der Theoriebildung. Entwicklung, Struktur und Anwendung so-zialwissenschattlicher Theorien, in: Theorie und Realität, Hrsg. Hans Albert, Tübingen 1964, S. 21; Gerhard Weisser, Politik als System aus normativen Urteilen, Göttingen 1951, S. 17.

  100. Werner Hofmann, Wissenschaft und Ideologie, S. 61.

  101. Vgl. Werner Hofmann, Grundelemente der Wirtschaftsgesellschaft, S. 19.

  102. Solche besondere „Eigenschaften" des Geldes werden in verschiedenen Darstellungen unabhängig von der Geldfunktion entwickelt. Vgl. z. B. Hans-Dieter Burghardt, Geld und Währung, S. 13 f.

  103. Hans-Dieter Burghardt, Geld und Währung, S. 21, mit Hinweis auf G. Obst und O. Hintner, Geld-, Bank-und Börsenwesen, Stuttgart 1955 34, S. 2.

  104. Vgl. ebenda, S. 21.

  105. Zur magisch-mystischen Deutung des Geldes vgl. Hans Gundermann, Kleine Geschichte des Gel-des, Hrsg. Informationsdienst der Sparkassen und Girozentralen, Bonn 1972 4, S. 5, mit Hinweis auf das Stufenschema von Hans Gebhart (Numismatik und Gesellschaft, Heidelberg 1949). Gebhart unterscheidet 3 Stufen: Stufe I — Geldsubstanz: magischmystisch bedingt, Stufe II — Geldsubstanz: stoffbedingt, Stufe III — Geldsubstanz: funktionsbedingt (Substanz und Funktion fallen zusammen).

  106. Alfred Krüger, Das Geld — Geschichte, Aufgaben und Funktionen. Arbeitsbogen für Schule und Ausbildung, hrsg. im Auftrag der Wirtschaftsakademie für Lehrer, Heft 5, Bad Harzburg 1970, S. 7.

  107. Ernst Topitsch bezeichnet diese Form des Organismusdenkens als „anthropomorphe Projektion". Vgl. Ernst Topitsch, Vom Ursprung und Ende der Metaphysik. Eine Studie zur Weltanschauungskritik, Wien 1958, S. 19. Nach Kurt Lenk spricht es für die „Tragweite der von Topitsch verwandten Kategorien, daß in der Entwicklungspsychologie Jean Piagets Erkenntnisse vorliegen, die das ontogenetische Pendant zur phylogenetischen Theorie Topitschs bilden. Bei seinen empirischen Arbeiten über die Entstehungsphasen der frühkindlichen Intelligenz war Piaget auf die Tatsache gestoßen, daß für die kindliche Phantasie Analogievorstellungen eine entscheidende Rolle spielen”. Kurt Lenk, Problemgeschichtliche Einleitung, S. 33. Dieser für den Erziehungswissenschaftler höchst bedeutsame Hinweis legt es nahe, der Analogiebildung des Schülers bei der Konfrontation mit didaktischen Materialien besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Die zur Analogiebildung auffordernden Begriffsschemata und Denkmodelle stellen unter diesem Aspekt eine große Gefahr der Ideologisierung sozialer Sachverhalte dar.

  108. Wilhelm Könneker, über das Geld und seine Verwaltung. Wiesbaden o. J., S. 6.

  109. Durch diese ideologiekritische Deutung des tableau economique soll die großartige theoretische Leistung Quesnays in keiner Weise geschmälert werden. Selbst Karl Marx hat dieses Modell als eine der bahnbrechendsten Entdeckungen des Jahrhunderts bezeichnet. Vgl. zur Ideologiekritik Ques-nays F. Geigant u. a., Der Milliardenkreislauf. Volkseinkommen und Volksvermögen. Eine Einführung in Theorie und Praxis der volkswirtschaftlichen Kreislaufbetrachtung und Vermögensrechnung, Hrsg. Bayerische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit, München 1972, S. 22 ff.

  110. Ebenda, S. 15.

  111. Vgl. dazu ebenda, S. 15.

  112. Ebenda, S. 14.

  113. Ebenda, S. 14 f.

  114. „Weder ein freier noch ein gebundener oder kontrollierter Markt kann aber Preise ergeben, die als . gerecht* oder . richtig', d. h. von allen weder zu hoch noch als zu niedrig angesehen werden." Wilhelm F. Riester, Wesen und Unwesen des Geldes, S. 73.

  115. Hans-Dieter Burghardt, Geld und Währung, S. 16.

  116. Vgl. ebenda, S. 16.

  117. Ebenda, S. 24. Vgl. auch S. 53.

  118. Werner Hofmann, Grundelemente der Wirt-schaftsgesellschaft, S. 74 f.

  119. Ebenda, S. 75. Hervorhebungen im Original.

  120. Heinz Frisch und Lothar Surkau, Volkswirtschaft in unserer Zeit, S. 146.

  121. Ebenda, S. 146.

  122. Alle Zitate bei Hans-Dieter Burghardt, Geld und Währung, S. 31.

  123. Ebenda, S. 32.

  124. Beschäftigung mit der Sparkasse. Ein Modell der Möglichkeiten, die Aufgaben und die Arbeit von Sparkassen mit Unterrichtsmaßnahmen zu behandeln, Hrsg. Deutscher Sparkassen-und Giroverband e. V., Bonn 1972, S. 11.

  125. Vql. stellvertretend für viele zu diesem Thema Erich Carell, Allgemeine Volkswirtschaftslehre, Heidelberg 1961, S. 295; Dieter Dahl, Volkswirtschaftstheorie und Volkswirtschaftspolitik, Wiesbaden 1968, S. 258; Werner Hofmann, Grundelemente der Wirtschaftsgesellschaft S. 83.

  126. Eine solche didaktische Überstrapazierung der Formel findet sich beispielsweise bei Wilhelm F. Riester, Wesen und Unwesen des Geldes, S. 78 ff. Vgl. beispielhaft für die gängige Darstellung und Interpretation dieser Formel auch Heinz Frisch und Lothar Surkau, Volkswirtschaft in unserer Zeit, S. 66— 69. Hier wird die Gleichung z. B. im Sinne eines Erklärungsschemas verstanden und dem Schüler die Frage gestellt: „Lösen Sie die Quantitätsgleichung nach allen darin vorkommenden Größen auf und versuchen Sie, das jeweilige Ergebnis zu beschreiben und zu erklären!" Ebenda, S. 69.

  127. Vgl. Werner Hofmann, Grundelemente der Wirtschaftsgesellschaft, S. 75.

  128. Vgl. ebenda, S. 76.

  129. Ebenda.

  130. Vgl. Hans-Dieter Burghardt, Geld und Währung, S. 21— 26.

  131. Ebenda, S. 23 f.

  132. Das Beispiel ist selbstverständlich unrealistisch, weil es die übrigen Faktoren, z. B. die Veränderung der Investitionsgüter-und Materialpreise außer acht läßt. Es soll hier lediglich die Logik des „Lohn-Preis-Spiralen-Theorems" ad absurdum geführt werden.

  133. Vgl. ebenda, S. 24 f.

  134. Das ganze Kapitel läuft in seiner Gesamttendenz auf eine rechtfertigende Begründung der Bau-preissteigerung hinaus.

  135. Wilhelm Könneker, über das Geld und seine Verwaltung, S. 64.

  136. Hans-Dieter Burghardt, Geld und Währung, S. 17.

  137. Vgl. über die Wirtschaft, S. 3.

  138. Vgl. Josef Hitpass, Das Schulkind und sein Geld. Anregungen für Eltern von Kindern im Grundschulalter, Stuttgart 1972, S. 18.

  139. Vgl. ebenda, S. 17.

  140. über die Wirtschaft, S. 3.

  141. Hans-Dieter Burghardt, Geld und Währung, S. 17.

  142. Vgi „Beschäftigung mit der Sparkasse", S. 25.

  143. Auch den übrigen in der Broschüre genannten Lernzielen fehlt jede kritische Perspektive. Vgl. ebenda, S. 25.

  144. Vgl. Rosemarie von Schweitzer, Vom Umgang mit Geld. Lehrprogramm für Wirtschaftskunde und Haushaltsführung, Folge 1, Düsseldorf 1971, Lernschritt 1 und 5.

  145. Das Zitat ist mißverständlich, es müßte wohl besser „Anleihenkäufer" heißen

  146. Alle Zitate bei Hans-Dieter Burghardt, Geld und Währung, S. 18— 20.

  147. Vgl. ebenda, S. 20.

  148. Ebenda, S. 18.

  149. Alfred Krüger, Das Geld, S. 29.

  150. Vgl. Hans-Dieter Burghardt, Geld und Währung, S. 17 f.

  151. Theodor Holl und Rolf Röhm, Fachbegriffe der Geldwirtschaft, Hrsg. Deutscher Sparkassen-und Giroverband e. V. Bonn, Stuttgart 1970, S. 85.

  152. Vgl. z. B. die Definition zum Stichwort „Eigenkapital": „Mittel, die dem Eigentümer des Unternehmens gehören". Ebenda, S. 50.

  153. Klaus Farber und Friedhelm Hense, Sparen oder Konsumieren? Rollenspiele zur Wirtschaftslehre, Nr. 3, Dortmund 1972. Das Zitat ist der „Informationskarte" des Rollenspiels entnommen.

  154. Vgl. hierzu Josef Hitpass, Das Schulkind und sein Geld, S. 5.

  155. Vgl. zu den historischen Wurzeln dieser Argumentation im Pauperismus Erich Weber, Wirtschaftspädagogische Aspekte. Probleme der allgemeinbildenden Schulen in der Konsumgesellschaft, Deutscher Sparkassen-und Giroverband e. V. Bonn 1970, S. 4 ff.

  156. Ebenda, S. 9.

  157. Vgl. zu dieser Argumentation Jörg Hufschmid, Die Politik des Kapitals. Konzentration und Wirtschaftspolitik in der Bundesrepublik, Frankfurt 19705, S. 24 ff. Zum Begriff „Verfügungseinkommen" vgl. Adolf Kozlik, Volkskapitalismus. Jenseits des Wirtschaftswunders, Wien 1968, S. 79 ff.

  158. Kurt Lenk, Problemgeschichtliche Einleitung, S > 25.

  159. Vgl. Ebenda, S. 24.

  160. Werner Hofmann, Grundelemente der Wirtschaftsgesellschaft, S. 17.

  161. Werner Hofmann, Wissenschaft und Ideologie, S. 66.

Weitere Inhalte

Peter Weinbrenner, Dr. rer. pol., geb. 1936 in Heidenheim; Oberstudienrat im Hochscbuldienst an der Universität Bielefeld, Mitglied der Aufbaukommission Laborschule als Vertreter für den Bereich Wirtschafts-, Berufs-und Arbeitslehre. Veröffentlichungen u. a.: 15 Jahre Streit um die Wirtschaftsverfassung — Eine Analyse, in: Fragen der Freiheit, Schriftenreihe für Ordnungsfragen der Wirtschaft, des Staates und des kulturellen Lebens, Folge 49 (1966), S. 18— 33; Die soziale Marktwirtschaft als Erziehungs-und Bildungsproblem. Ein Beitrag zum Problem Wirtschaftsordnung und Wirtschaftspädagogik, Diss. Köln 1968; Die Schule der Demokratie und die Demokratisierung des Erziehungswesens, in: Fragen der Freiheit, Schriftenreihe für Ordnungsfragen der Wirtschaft, des Staates und des kulturellen Lebens, Folge 72 (1968), S. 16— 28. Curriculare Analyse: Das Geld im Kontext der Arbeitnehmer-, Verbraucher-und Sparerrolle, in: Gegenwartskunde, Nr. 1/1973, S. 109— 138.