Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

Die Freiheit des Bürgers zum Handeln „Citizens for Local Democracy" Das politische Denken einer Gruppe der amerikanischen . Neuen Linken'Eine Fallstudie | APuZ 5/1972 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 5/1972 Artikel 1 Die Freiheit des Bürgers zum Handeln „Citizens for Local Democracy" Das politische Denken einer Gruppe der amerikanischen . Neuen Linken'Eine Fallstudie Veränderungen des Rüstungsgleichgewichts zwischen den USA und der Sowjetunion

Die Freiheit des Bürgers zum Handeln „Citizens for Local Democracy" Das politische Denken einer Gruppe der amerikanischen . Neuen Linken'Eine Fallstudie

Michael Hereth

/ 46 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Die . Neue Linke'in den USA ist nicht mit der gleichen Ausschließlichkeit wie in Deutschland an marxistischen Traditionen orientiert. Während in Europa die Probleme des „Kapitalismus" im Zentrum der Kritik stehen, greifen die „Citizens for Local Democracy" (CLD) das Problem der Teilnahme des Bürgers an der Politik jenseits der Ökonomie auf. Diese Gruppe der amerikanischen . Neuen Linken'beruft sich auf die Tradition von Thomas Jefferson, der durch eine weitgehende Dezentralisation fast aller politischen Entscheidungen den revolutionären Geist der amerikanischen Republik erhalten wollte. Nach Jeffersons Vorstellungen muß der Geist der Freiheit durch unzentralisierte Selbstregierung der Bürger in „townships" (Räten) und durch das so mögliche aktive Mitwirken aller Bürger an der Politik erhalten werden. CLD greift diesen Gedanken Jeffersons auf und analysiert die Schwierigkeiten der amerikanischen Politik als das Ergebnis des Zerfalls der Idee und der Möglichkeit der Selbstregierung in den USA. Bürokratisierung, Monopolstellung der Parteiapparate und Reduktion der Politik auf die Ökonomie werden als die Negativfolgen des Abfalls der amerikanischen Union von ihrem Gründungskonzept interpretiert. Trotz einer problematischen Vernachlässigung der notwendigen Ordnungsstrukturen der Wirtschaft macht CLD in starker Anlehnung an Hannah Arendt die Dimension der politischen Republik, die jenseits der Ordnungsprobleme der Ökonomie liegt, bewußt und knüpft damit an die Tradition der amerikanischen Revolution an.

. Ich glaube, daß eine zentralisierte Verwaltung zu nichts anderem taugt, als die ihr unterworfenen Völker zu schwächen, denn sie vermindert in ihnen ohne Unterlaß den Bürgergeist. Die zentralisierte Verwaltung vermag allerdings zu einer gegebenen Zeit und an einer gegebenen Stelle alle verfügbaren nationalen Kräfte zu sammeln, aber sie schadet der Erneuerung der Kräfte. Sie läßt sie am Tage des Kampfes triumphieren und vermindert auf die Dauer ihre Macht. Sie kann wunderbar die vergängliche Größe eines Menschen fördern, aber nicht das dauerhafte Gedeihen eines Volkes."

Alexis de Tocqueville

I. Partizipation und Systemtheorie

Klaus Mayer Veränderungen des Rüstungsgleichgewichts zwischen den USA und der Sowjetunion .......................................... S. 20

Spätestens seit G. Almond und S. Verba in ihrer berühmten und grundlegenden Studie The Civic Culture'(Princeton 1963) die politische Partizipation der Bürger zu einem Schlüsselproblem der Analyse einer demokratischen Ordnung gemacht haben, spielt der Begriff der politischen Partizipation eine wesentliche Rolle in der zeitgenössischen politischen Wissenschaft. Die Teilnahme der Bürger am politischen Prozeß ihrer Gesellschaft, die Möglichkeiten der Bürger, diesen Prozeß zu beeinflussen und die dadurch der politischen Ordnung erwachsende Integrationskraft gegenüber den Bürgern haben Anlaß zu politik-wissenschaftlichen Fragestellungen gegeben, die ein breites Feld fruchtbarer Untersuchungen eröffneten Die Menge der Veröffentlichungen gerade auf diesem Feld spricht hier ein beredtes Zeugnis

Trotzdem ist nicht zu übersehen, daß der überwiegende Teil der Literatur über das Phänomen der politischen Partizipation von einer eigenartigen Verkürzung der Problematik der . participatory democracy'gekennzeichnet ist, die wahrscheinlich auf den äußerst engen Wissenschaftsbegriff der zitierten Autoren zurückzuführen ist. Lester W. Milbrath formuliert in seiner Arbeit . Political Participation'repräsentativ für die meisten der heute vorliegenden Untersuchungen die beiden zentralen Fragestellungen, unter denen die Analysen vorgenommen werden: „Wie beeinflussen die Hauptmerkmale des politischen Systems die Art und den Grad bürgerlicher Partizipation in der Politik?" und „Wie beeinflussen die Partizipationsmuster der Bürger das Funktionieren des politischen Systems?"

Beide Fragestellungen gehen damit aber von der Präexistenz eines . politischen Systems'aus, das modifiziert, beeinflußt, benutzt oder geändert werden soll, das aber doch die Voraussetzung und Basis politischer Partizipation darstellt. Jürgen Gebhardt stellt bei einer Analyse der Debatte über . Politische Partizipation fest, daß in der vorherrschenden Darstellung dieses Begriffes „die Bewußtseins-und Verhaltensmuster einer partizipatorischen politischen Kultur .. . strikt funktional aufgefaßt" werden und „material ausschließlich am Relevanzkriterium einer pragmatisch-utilitaristischen Rationalität gemessen" werden Die Haupt-argumentation in der Literatur über politische Partizipation richtet sich, wie Gebhardt überzeugend aufzeigt, am vorgegebenen „Wertsystem" technisch-administrativer Effizienz und einer ebenso reduzierten Rationalität aus, innerhalb dessen Partizipationsstrukturen als input-output-Vorgänge des vorgegebenen „Systems" analysiert werden.

Diese Reduktion der Partizipation auf die Teilnahme an einem vorgegebenen System, das de facto das System der an den Notwendigkeiten der Ökonomie organisierten Industriegesellschaft ist beseitigt damit jene Dimension der Selbstregierung und Selbstkontrolle der Bürger, die zumindest im Verlauf der amerikanischen Revolution den eigentlichen Inhalt demokratisch-republikanischen self-government ausmachte. Die Selbstregierung der Bürger und die gemeinsame Regelung der öffentlichen Angelegenheiten durch die Bürger, die um ihrer selbst willen Ziele der politischen Ordnung waren, fanden ihren Ausdruck im Symbol der , public happiness', des öffentlichen Glücks, das im aktiven Handeln der politischen Bürger und in der Selbstregierung ein eigenständiges Ziel sieht, das eben nicht dem Ziel der Effizienz eines vorgegebenen Systems von vornherein untergeordnet ist.

Die Tradition der Selbstregierung politischer Bürger, die in der Selbstregierung das oberste Ziel der Republik sieht, mußte damit aber in den Vereinigten Staaten von Amerika zu einem kritischen Instrument gegen die Ökonomisierung und Bürokratisierung der politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse werden, die gemeinhin mit dem Begriff der Industriegesellschaft bezeichnet werden.

So ist es nicht verwunderlich, daß ein Teil der . Neuen Linken’ in den USA — dem im Gegensatz zu den ähnlichen kontinentaleuropäischen Bewegungen marxistische und neo-marxistische Interpretationsstrukturen als Refugium der Gesellschaftskritik keine Selbstverständlichkeit sind — auf die Tradition der Selbstregierung eines Thomas Jefferson oder John Adams zurückgreift.

Wenn die Bewegung der . Neuen Linken'einen positiven Beitrag zur Reflexion und Erneuerung demokratischer Institutionen in der westlichen Zivilisation geleistet hat, so ist dies sicher im Bereich der aktiven Teilnahme des Bürgers am öffentlichen Leben. Die von den Universitäten in der gesamten westlichen Welt ausgehende Bewegung der , Neuen Linken'hat eine wesentliche Schwäche demokratischer politischer Institutionen sichtbar gemacht: Ursprünglich in der vorindustriellen Zeit errichtet mit dem Ziel, politische Freiheiten zu sichern, zu erhalten oder zu schaffen, wurden die politischen Institutionen der westlichen Gesellschaften unter dem Druck der Industrialisierung und der gesellschaftlichen Kräfte, die diese Industrialisierung vorantrieben oder erlitten, zur Erreichung sozialer oder ökonomischer Ziele eingesetzt und dadurch ihres ursprünglichen Zweckes beraubt.

In kaum einem anderen Lande der Erde muß dieser Vorgang der „Umfunktionierung" politischer Institutionen so sehr als ein Bruch mit den Zielen des demokratisch-republikanischen Zivilregimes empfunden werden, wie in den USA. Während in Europa Revolutionen ebenso wie die wichtigsten politischen Massenbewegungen und Parteien primär vom Gedanken einer gerechteren Partizipation aller Mitglieder der Gesellschaft an der wirtschaftlichen Produktion und Verteilung bestimmt sind, ist die amerikanische Revolution und das Denken der amerikanischen Verfassungsväter weniger an der wirtschaftlichen Partizipation der Mitglieder der Gesellschaft als an der politischen Partizipation der Bürger orientiert

Die Forderung nach direkter Mitwirkung der Bürger in ihren Angelegenheiten wird in den USA aber nicht als eine Forderung nach Teilnahme an einem zentral zusammengefaßten Entscheidungsprozeß erhoben. Es geht vielmehr um eine Dezentralisation der politischen Macht, um die Verteilung von Entscheidungskompetenzen möglichst nahe zu den lokalen, gemeindlichen Organisationen bürgerlicher Selbstregierung und notfalls um die Dezentralisation nicht mehr überschaubarer städtischer Regierungen.

II. Lokale Selbstregierung in den USA

Die Opposition gegen zentralisierte Macht und die Forderung nach unzentralisierter Selbstregierung der Bürger in kleinen Republiken hat in den USA für weite Bereiche des Landes keinen utopischen Charakter.

In keinem Lande dieser Erde sind die Rechte, Kompetenzen und Möglichkeiten der kommunalen Selbstregierung so ausgebaut wie in den Vereinigten Staaten von Amerika In keinem Lande aber spielt vor allem die lokale Selbstregierung in der Praxis und im politischen Denken der Bürger eine so wesentliche Rolle wie in Nordamerika. In den gesamten USA gibt es 508 720 Ämter in der lokalen Selbstregierung, die durch Wahl besetzt werden. Die Amtsinhaber werden in 81 248 lokalen Selbstregierungseinheiten von den Bürgern gewählt Der so gegebene hohe Grad aktiver Partizipation der Bürger am politischen Geschehen in ihrer Stadt oder Gemeinde ist eines der wesentlichen Kennzeichen der amerikanischen Demokratie, welches in Deutschland meist nicht die gebührende Beachtung findet 10a).

Die gemeindliche Selbstregierung in den USA ist Basis und Erbe der amerikanischen Revolution, die in die Verfassung von 1787 einmündete. Das „abschließende" Ergebnis der amerikanischen Revolution, die Verfassung, regelt die Zuordnung der einzelnen Bundes-und Staatsinstitutionen zueinander; von der lokalen Selbstregierung und aktiven Mitwirkung der Bürger am Leben der Stadt ist in der Verfassung nicht die Rede — eine Folge der Tatsache, daß die lokale Selbstregierung für die USA eine vorkonstitutionelle Selbstverständlichkeit war sozusagen der Ausgangspunkt und Träger der amerikanischen Revolution von 1763 bis 1789, der keiner verfassungsmäßigen Sicherung bedurfte, da er als die tragende Grundlage und Basis der Verfassung verstanden wurde.

Die Institutionen der Bundesverfassung wurden von den Gründungsvätern der USA nicht als Institutionen zur Organisation der Demokratie verstanden und eingerichtet, sondern als Instrumente der Sicherung der vorkonstitutionellen republikanischen Ordnung, die in den Gemeinden, Städten und Counties entstanden war Das Hauptziel der Verfassungseinrichtungen der USA war nach den Intentionen der Gründer eine föderative Ordnung, die nur Angelegenheiten von gemeinsamem Interesse regeln sollte. Auswärtige Beziehungen der USA, Regelung von Konflikten zwischen einzelnen Bundesstaaten, Garantie des freien Handels in der Union und mit anderen Staaten, Geldwesen und notwendigerweise bundeseinheitliche Einrichtungen werden vom Bunde und seinen Institutionen geregelt. Die Vielzahl politischer Entscheidungsrechte sollte dezentralisiert in den Staaten, Landkreisen und vor allem in den Gemeinden verbleiben. Selbstregierung und Demokratie waren weniger als Ziele der Bundesverfassung konzipiert; der Bundesverfassung war vielmehr die Aufgabe zugedacht, die dezentralisierte Selbstregierung der amerikanischen Bürger nach außen und innen zu schützen.

Unter dem Druck der Industrialisierung und der damit verbundenen Ausrichtung der gesellschaftlichen und politischen Ordnung an den Notwendigkeiten der Ökonomie erlebte die politische Ordnung der USA auf der Ebene der Gemeinde und der Stadt überall dort schwere Erschütterungen, wo sich Industrie und damit Bevölkerung in einer Weise zusammenballten, die die traditionellen Einheiten des selt-government fragwürdig werden ließ. Nach dem Abschluß des amerikanischen Bürgerkrieges erlebten die Neuenglandstädte im Osten der USA zudem im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts einen Zustrom von Einwanderern aus europäischen Ländern, der die Städte förmlich überflutete. Allein in New York waren im Jahre 1870 44 °/o der Bevölkerung nicht in den USA geboren Diese Einwanderer, die ihre Lebenschancen in den USA nicht — wie frühere Immigranten — wegen der politischen Freiheiten, sondern wegen wirtschaftlicher Aussichten suchten, stießen auf eine bis in die politischen Führungsgruppen zutiefst demoralisierte amerikanische Gesellschaft, die die Folgen des Bürgerkrieges noch nicht überwunden hatte. Die traditionelle „civic Jahrhunderts einen Zustrom von Einwanderern aus europäischen Ländern, der die Städte förmlich überflutete. Allein in New York waren im Jahre 1870 44 °/o der Bevölkerung nicht in den USA geboren 13). Diese Einwanderer, die ihre Lebenschancen in den USA nicht — wie frühere Immigranten — wegen der politischen Freiheiten, sondern wegen wirtschaftlicher Aussichten suchten, stießen auf eine bis in die politischen Führungsgruppen zutiefst demoralisierte amerikanische Gesellschaft, die die Folgen des Bürgerkrieges noch nicht überwunden hatte. Die traditionelle „civic responsibility" des amerikanischen Bürgers wurde mehr und mehr durch ein reines Erwerbsstreben ersetzt, das auch in der Politik nicht mehr sah als ein Instrument zur Befriedigung privater Profitinteressen 14). Einwanderer wurden durch „party-machines" als Wähler für eine Politik organisiert, die sie nicht im geringsten zu kontrollieren gedachten; Stadtgebiete wurden unter dem Gesichtspunkt ökonomischer Einheit und politischer Kontrollierbarkeit durch die Parteiorganisationen mit dem Umland zu größeren Einheiten zusammengefügt. Auf der Strecke blieben bei dieser Entwicklung die Möglichkeiten der Bürger, ihre lokalen Angelegenheiten in überschaubaren Einheiten der Selbstregierung selbst zu regeln. Vor allem im Osten der USA entstanden die großen urbanen Zentren, deren Wählerschaft von Parteibürokratien kontrolliert wurde.

In jener Zeit der Transformation der traditionellen , New England-townships'in die großen urbanen Agglomerationen wurde auch jenes Konzept der Verwaltung der Städte entwickelt, das bis auf den heutigen Tag praktiziert wird. Die Macht der Gemeinderäte wurde radikal beschnitten zugunsten der Entscheidungsrechte des Bürgermeisters, der die wachsenden ökonomischen und sozialen Aufgaben mit Hilfe einer ausgedehnten Bürokratie zu bewältigen hatte. „Der Gedanke breitete sich aus, daß städtische Verwaltung mehr eine Angelegenheit der Unternehmensleitung als eine Angelegenheit der Selbstregierung sei. Ein mächtiges, aber wenig effektives Gemeindeparlament war schlicht eine wirtschaftlich schlechte Unternehmensleitung." 15)

So ist heute festzustellen, daß trotz der eindrucksvollen Vielzahl von Ämtern der lokalen Selbstregierung ungefähr 40 °/o der Bevölkerung in den Großstädten der USA konzentriert sind, die von den rund 81 000 kommunalen Selbstregierungseinheiten nicht einmal 1000 umfassen 16). In diesen Gebieten kann in der Tat von der Möglichkeit aktiver Partizipation für den einzelnen Bürger nicht oder kaum mehr die Rede sein 17), Den Bürgern in den Agglomerationsgebieten stehen aber nur 26, 3 % der Selbstverwaltungsinstitutionen der gesamten USA zur Verfügung 18). Der Unterschied der Partizipationschancen wird noch deutlicher, wenn man die erhalten gebliebenen alten Selbstregierungseinheiten besonders in Massachusetts berücksichtigt. Das SMSA-Gebiet Boston (Massachusetts) hat 2 595 481 Einwohner; dies ist ein urbanes Siedlungsgebiet. Die Selbstregierung ist dort nicht zentralisiert. Außer Boston-City (697 197 Einwohner) und Cambridge-City (107 716 Einwohner) hat keine Selbstregierungseinheit über 100 000 Einwohner. Das gesamte Gebiet ist in 78 townships aufgeteilt. Dagegen wohnen im urbanen Siedlungsgebiet von Philadelphia, das in acht Städte aufgeteilt ist, 4 342 897 Einwohner 19). Die Großstädte sind aber zweifellos die politisch entscheidenden Zentren des politischen Lebens der USA, und genau dort ist die Selbstregierung der Bürger praktisch nicht existent

III. Exkurs: Die Republik von Thomas Jefferson

Diese Zerstörung der Möglichkeit der traditionellen Selbstregierung der amerikanischen Bürger in kleinen politischen Einheiten und ihr Ersatz durch Großveranstaltungen mit dem Ziel der Effizienz, das das Ziel der aktiven Teilnahme verdrängte, ist die Grundlage der Argumentation einer Gruppe amerikanischer Bürger, die sich in der Vereinigung „Citizens for Local Democracy" (CLD) zusammenge-schlossen haben. CLD ist eine Gruppe, die dem nicht-marxistischen radikalen Flügel der , Neuen Linken'in den USA zuzurechnen ist.

In ungefähr 30 Großstädten der USA bestehen lokale Gruppen, wobei der Hauptteil der Mitglieder im Osten der USA zu finden ist. Ungefähr 4000 amerikanische Bürger beziehen die Zeitschrift der Gruppe The Public Life'. Die Mitgliedschaft konzentriert sich besonders im Staate New York, wo auch die Zentrale der Organisation in der 5, h Avenue in New York City residiert.

Hauptsächlich rekrutieren sich die Mitglieder voh CLD aus Bürgern der unteren Mittel-klasse, Studenten und einer Reihe von akademischen Lehrern in den Vereinigten Staaten. Im Advisory Committee der Vereinigung finden sich u. a. folgende führende Persönlichkeiten des intellektuellen Lebens der USA: Hannah Arendt, E. T. Carrington, Noam Chomsky, Donald Judd, Murray Kempton, Frances Lanza und Donald Weeden.

Politisch trat die Gruppe besonders im großen Schulstreik der Lehrergewerkschaft in New York hervor, wo sie sich mit aller Schärfe öffentlich gegen den Gewerkschaftsvorsitzenden erklärte. CLD wies nach, daß der Streik der Lehrergewerkschaft 1968 vom Gewerkschaftsvorsitzenden inszeniert wurde, um den Plan zur Dezentralisierung des Schulwesens in New York City zu bekämpfen, der den personalpolitischen Einfluß der Gewerkschaft radikal beschnitten hätte.

Dieser konkrete Kampf für Dezentralisierung, um Partizipation der Bürger möglich zu machen, führte innerhalb von CLD zum Entwurf eines theoretischen Konzeptes, von dem im folgenden die Rede ist.

Unser Interesse für CLD bezieht sich weniger auf die Organisation und den effektiven Einfluß der Gruppe, sondern vielmehr auf die politischen Gedanken, die Philosophie, die von dieser Gruppe entwickelt wird und die unübersehbar auf die Tradition der Gedanken von Thomas Jefferson rekurriert. In allen ihren Veröffentlichungen beruft sich die Gruppe auf ihn als die letzte Instanz des amerikanischen radikalen Republikanismus.

Hannah Arendt weist in ihrem Buch „Uber die Revolution" darauf hin, daß wohl keiner der amerikanischen founding fathers so sehr von den Erfahrungen der Revolution geprägt war wie Thomas Jefferson, der — daran kann kein Zweifel bestehen — seine Vorstellungen über die politische Ordnung der menschlichen Angelegenheiten in starkem Maße an diesen Erfahrungen entwickelt hat.

Die Freiheit des Bürgers zum Handeln war für den Politiker aus Virginia die Grundfreiheit, auf die die Verfassung organisiert werden mußte. Die Revolution und die Erstellung einer Verfassung als der aktive Vollzug politischer Freiheit waren für Jefferson die Praxis eben dieser Freiheit. In einem Brief an William Smith spricht er unmißverständlich die Hoffnung aus, Gott möge verhüten, daß die Vereinigten Staaten jemals Jahre ohne eine Rebellion der Bürger erleben würden 20). Er fährt fort: „. . . welches Land kann seine Freiheiten erhalten, wenn die Regierenden nicht von Zeit zu Zeit gewarnt werden und erfahren, daß das Volk den Geist des Widerstandes erhalten hat? ... Was bedeuten schon ein paar Tote in ein oder zwei Jahrhunderten? Der Baum der Freiheit muß von Zeit zu Zeit mit dem Blut von Patrioten und Tyrannen aufgefrischt werden ..."

Die Erhaltung der Freiheit war für Jefferson eine Frage ihrer Praxis, eine Frage der Erfahrung, die jede Generation von neuem machen mußte. Folgerichtig warnt Jefferson vor jeder Überhöhung von Verfassungstexten, die die niedergeschriebene Verfassung zu einem sacrosankten Text machen könnte. „Manche betrachten Verfassungen mit einer geradezu demütigen Haltung und halten sie für zu heilig, um sie anzurühren. Sie billigen den Männern der Vergangenheit eine übermenschliche Weisheit zu und unterstellen, daß es keine Verbesserungsmöglichkeiten gebe. Ich kenne diese Vergangenheit nur zu gut, ich gehöre ihr zu und habe in ihr gewirkt . . . sie war nicht anders als die Gegenwart, nur ohne unsere heutigen Erfahrungen."

Jede Generation, so erklärt er, sollte deshalb das Recht einer Generalrevision der Verfassung haben, d. h., es sollte in der Verfassung sichergestellt werden, daß alle 19 bis 20 Jahre eine derartige Revision stattfindet Die Schaffung einer revidierten neuen Verfassung sollte nicht allein das Ergebnis einer Versammlung gewählter Volksvertreter sein. Vielmehr gingen Jeffersons Vorstellungen dahin, daß vor dieser Versammlung das gesamte Volk in Räten — er nannte sie , Wards'— über die Verfassung beraten und beschließen sollte Hannah Arendt zeigt in ihrer genannten Untersuchung, welch starke Bedeutung Thomas Jefferson den , Wards'beimaß In einem Brief an John Adams weist Jefferson darauf hin, daß seine Vorstellung von den , Wards'als Instrumente der Handlungsfähigkeit der Bürger von den Erfahrungen der . townships'in den Neuenglandstaaten in der Revolutionszeit beeinflußt sind Und wenige Jahre später beschreibt er in einem Brief an Joseph C. Cabell diese Erfahrung der Aktionseinheit der . townships'in der Revolution gegen England: „Es gab keinen Bürger in ihren (Neu-england-) Staaten, dessen Körper nicht von der Bewegung zur Aktion mitgerissen worden wäre."

Diese Räte (Wards 1) waren nach Jeffersons Vorstellungen die Grundeinheiten der Republik. Jeder sollte als kleine Republik organisiert und von so geringer Bevölkerungszahl sein, „daß jeder Bürger, wenn nötig, persönlich mitwirken kann" Alle Angelegenheiten, die im Rat geregelt werden können, sollten auch dort geregelt werden. Denn nur so werde jeder Bürger ein handelndes Mitglied der Regierung des Volkes

Jefferson wird nicht müde, die Aufteilung des gesamten Landes, vor allem in seinem Staat Virginia, in , Wards'zu fordern und dies neben der der Erziehung zum Frage allgemeinen wichtigsten Ziel der Republik zu erklären

Zwei Gesetzentwürfe, die er in der Volksvertretung Virginias einbrachte, sahen die Aufteilung des Landes in , Wards'vor Aber beide Gesetzentwürfe wurden gerade in diesem Punkte geändert bzw. nicht verabschiedet. Jefferson erkannte richtig, daß die amtierenden politischen Führer, die meist die Großgrundbesitzer in den Landkreisen waren, sahen, daß sie in den , Wards'von den weniger wohlhabenden Bürgern überstimmt werden würden

Die möglichst breite Mitwirkung aller Bürger an der Selbstregierung aber war für ihn die einzige Garantie gegen Korruption und Degeneration des Geistes der Freiheit: „Jede Regierung verkommt, wenn sie den Regierenden allein anvertraut wird. Die Bürger selbst sind deshalb die einzige Sicherung .. . Wenn jeder einzelne, was die Masse des Volkes ausmacht, an der letzten Entscheidungsgewalt partizipiert, wird die Regierung gut sein ..." Gemeinsames Handeln der Bürger — nicht nur passive Zustimmung — ist der Grundgedanke der wahren partizipatorischen Demokratie, welche für Jefferson allein den Geist der Freiheit sichert. „Ein allgemeines Zusammenrufen von Wardversammlungen im ganzen Staat würde jederzeit ...den Staat in die Lage versetzen, als Masse zu handeln ..." Denn für Jefferson sind alle Einrichtungen der Republik auf Staats-oder Bundesebene keine übergeordneten Instanzen, sondern Koordinationsinstrumente eines zusammengehörigen Ganzen, das sich aus den kleinen Republiken der , townships’ und , Wards'zusammensetzt Nur mit den , Wards'als kleinen Einheiten der Selbstregierung entwickelten nach Jefferson die Amerikaner während der Revolutionszeit die Möglichkeit, im ganzen Lande schnell und erfolgreich zu handeln und gleichzeitig alle Bürger direkt an diesen Handlungen zu beteiligen. Diese Möglichkeit der aktiven Teilnahme an den politischen Angelegenheiten ist aber für Jefferson die unabdingbare Voraussetzung, die allein die Bezeichnung einer politischen Ordnung als Republik rechtfertigt Die Erfüllung von Jeffersons Forderung nach einer Aufteilung der politischen Macht in kleine Einheiten der Selbstregierung stellt für die „Citizens for Local Democracy" (CLD) die einzige Möglichkeit dar, die Teilnahme der Bürger an den öffentlichen Angelegenheiten zu sichern. Die so verstandene aktive Partizipation erweist sich als kritischer Maßstab gegenüber den Erscheinungen der Bürokratisierung der Politik und der Unterwerfung der gesamten Gesellschaft unter die Interessen des politischen, militärischen und ökonomischen Planungsmanagements in den USA.

IV. Die gemäßigte Neue Linke; Citizens for Lokal Democracy

. .selbst in Amerika, wo ja die Revolution ihr unmittelbares Ziel, die Gründung eines neuen politischen Gemeinwesens erreichte, ist es nicht gelungen, diese gleichsam zweite Aufgabe der Revolution zu erfüllen und den Geist und die Prinzipien des Gründungsaktes in dauernden Institutionen festzuhalten''

Vom Ziel der Möglichkeit aktiver Partizipation ausgehend formuliert CLD in der Zeitschrift „The Public Life“ und in einer Reihe von Flugschriften eine radikale Kritik am Zustand und an der politischen Ordnung der amerikanischen Union, die in vielen Bereichen die gleichen Phänomene attackiert, wie die in der gesamten westlichen Zivilisation mit der Renaissance des Marxismus bekannt gewordene marxistische und neo-marxistische Kritik oder die Kritik der „Frankfurter Schule". Die Orientierung des gesamten gesellschaftlichen und politischen Lebens an den Zielen der Wirtschaftlichkeit, der Reibungslosigkeit, der Anpassung und Funktionalisierung kann aber nach CLD nicht, wie dies die neo-marxistische Schule meint, durch eine Änderung der Eigentumsverhältnisse geändert werden. CLD kämpft vielmehr primär um eine Änderung der politischen Strukturen, d. h. um eine Rückkehr zu den republikanischen Prinzipien des self-government der amerikanischen Revolution. In der Terminologie der Neomarxisten: Die „Überwindung der Entfremdung" soll nicht durch revolutionäre Veränderung der ökonomischen Basis, sondern durch eine Veränderung des Überbaus, d. h.der politischen Strukturen erreicht werden

So steht am Beginn der Bewegung ein Pamphlet der damals noch in der „Federation for Participatory Democracy" organisierten künftigen Mitglieder von CLD, das sich von der radikalen Linken absetzt: „Wir schlagen vor, die Linke in zwei getrennte Gruppen zu unterscheiden: die radikale Linke und die gemäßigte Linke (, immediate left'— , mediate left').

Die radikalen Linken sind jene, die an die direkte Radikalisierung glauben, während die gemäßigten Linken jene sind, die glauben, daß bestimmte Bedingungen erfüllt sein müssen, bevor das Volk sich seiner Situation bewußt wird ..."

Die gemäßigte Linke warnt davor, die Menschen durch unvermittelte Radikalisierung von der Reflexion abzuhalten und sie so ihren privaten Phantasien zu überlassen. „Wir glauben, die Menschen müssen entemotionalisiert (de-yahooed’) werden, bevor sie sich ihrer Situation bewußt werden können ..."

Es folgt sodann eine Gegenüberstellung der zentralen Begriffe der radikalen und der ge-mäßigten Linken: „Radikale Linke Gemäßigte Linke Ökonomie Politik demokratischer Zentralismus autonome Einheiten Staatsbürokratie partizipatorische Demokratie Radikalisierung des Entemotionalisierung Volkes des Volkes direkte Aktion Schaffung von freien Handlungsräumen Kampf gegen die Polizei der Kontrolle der Gemeinschaft über die Polizei Ablehnung von Wahlen um Kontrolle über den eigenen politischen Bereich zu gewinnen die Universität als revolutionäre freie und autonome Kraft Universität die Arbeiter in Gewerkschaften Arbeiter als Bürger organisieren sehen

die Massenmedien benützen Massenmedien überflüssig machen durch die Schaffung von Räumen freier Debatte und Aktion Zentralisierung zum Ablehnung der Zentralisation der Effizienz

"

Die in dem „Newsletter" angeführten zentralen Begriffe der gemäßigten Linken, die sich als radikale Verfechter der Tradition der amerikanischen Revolution verstehen, werden uns im folgenden als Schlüsselbegriffe, an denen sich das politische Denken von CLD orientiert, immer wieder begegnen.

Im Rahmen dieser Untersuchung treten einige Probleme auf, auf die hinzuweisen mir notwendig erscheint:

1. Sämtliche zitierte Literatur, soweit sie amerikanische Quellen referiert, wurde von mir ins Deutsche übertragen. Die unterschiedliche politische Kultur der amerikanischen Union bereitete hier beträchtliche ÜbersetzungsSchwierigkeiten. So steht z. B. in der deutschen Tradition für „local self-government" der Begriff der „gemeindlichen Selbstverwaltung". Aus Gründen, die unten dargestellt werden, scheint mir der Begriff der Selbstverwaltung das amerikanische „self-government" nicht übersetzen. richtig zu Ich habe es deshalb vorgezogen, von „Selbstregierung" zu sprechen. Ebenso schwer übersetzbar ist der Begriff der den „Community control", ich meist mit beschreibenden Nebensätzen darzustellen vorgezogen habe — ein Verfahren, das sich noch für einige weitere Begriffe als notwendig erwies. In einigen Fällen war es notwendig, den -ame rikanischen Ausdruck unübersetzt zu übernehmen. 2. Es sei mir außerdem gestattet, auf die unterschiedlichen gesellschaftlichen Organisationsformen in den USA hinzuweisen, die bei der wörtlichen Übersetzung von Begriffen wie „Gewerkschaft" oder „Parteimaschine" nur für den mit der amerikanischen Politik und ihrer Sprache einigermaßen vertrauten Leser die Tatbestände transparent machen. Eine Übertragung auf deutsche Verhältnisse erscheint mir nicht ohne weiteres zulässig.

3. Soweit über CLD berichtet wird, habe ich mich bemüht, nur veröffentlichtes Material heranzuziehen. Es handelt sich vor allem um Flugschriften und Broschüren der Gruppe sowie um Aufsätze aus der Zeitschrift „The Public Life" (New York 1968 ff.). Ich habe eine Reihe von Gesprächen mit führenden Mitgliedern von CLD geführt, die ich um der Nachprüfbarkeit meiner Aussagen willen nicht zur Basis meiner Äußerungen gemacht habe. Es ist aber nicht zu leugnen, daß vor allem die Gespräche mit Herrn Harvey Shapiro von CLD meine Analyse beeinflußt haben. Ich konnte auf direkte Bezüge auf diese Gespräche trotzdem verzichten, weil die Grundgedanken von CLD in den Veröffentlichungen hinreichend dargestellt sind.

V. Die Zerstörung der Republik

In der ersten Ausgabe der alle zwei Wochen erscheinenden Zeitschrift „The Public Life" vom 21. 10. 1968, dem Organ der Vereinigung „Citizens for Local Democracy", machen die Herausgeber W. Karp und H. Shapiro ihre grundlegende Konzeption in einer Stellungnahme der Herausgeber bekannt. Diese Stellungnahme ist gekennzeichnet von einer radikalen Kritik an den Mißständen der amerikanischen Demokratie und von dem ebenso radikalen Konzept der Restauration der politischen Ordnung der amerikanischen Revolution: „Wir müssen es schaffen, Jeffersons Demokratie unter den Bedingungen einer reichen, technologisch fortgeschrittenen Gesellschaft einzurichten. Und dies ist genau möglich, weil wir reich sind. Es ist genau deshalb so nötig, weil wir nur reich sind; denn eines ist sicher: Wir können nicht ewig so weitermachen, als bloße Verbraucher von Handelswaren."

In diesen wenigen Sätzen sind die Kritik, das Konzept politischer Ordnung und der Optimismus der Bürger von CLD ausgesprochen, die sich wie ein roter Faden durch sämtliche Veröffentlichungen der Gruppe ziehen. Die Kritik am Abfall vom Prinzip der republikanischen Partizipation wird gleich noch einmal präzisiert. Die Institutionen der Republik, so heißt es, sind nicht für die Freiheit der Industrie und der Unternehmer, sondern für die freie und aktive Teilnahme der Bürger geschaffen worden: „Unsere Konservativen haben vergessen, daß diese Republik nicht gegründet wurde, um die ungestörte (und von der Regierung gestützte) Macht der industriellen Unternehmungen zu garantieren und die Menschen ökonomischen Kräften auszuliefern."

Die Kritik an der Gesellschaft von Produzenten und Verbrauchern kulminiert im Symbol der Massengesellschaft, das immer wieder herangezogen wird: „Wir bilden eine Massengesellschaft von bloßen Berufstätigen (jobholders), verurteilt zu privaten und sozialen Ängsten, während unsere öffentlichen Angegenheiten in den Händen von wenigen sind ... Die kapitalistische Rechte versichert dem Berufstätigen, er sei in seiner Freizeit der . souveräne Konsument', dessen Wünsche für sie Befehl seien: wie z. B.der Wunsch, einen Wagen zu besitzen, der nach drei Jahren zusammenbricht. Die modernen marxistischen Sozialisten erzählen den Arbeitern, im Sozialismus wäre ihre Arbeit nicht mehr . entfremdet', was die Arbeit kein bißchen weniger häßlich machen wird, der Sozialismus wird auch ihr . sozialisiertes'Arbeiterleben nicht intensiver mit öffentlicher Freiheit und Verantwortlichkeit erfüllen. Die liberale Mitte verspricht Chancengleichheit unter einer Bundesverwaltung und impliziert damit, das wichtigste vorstellbare Ziel sei eine Gesellschaft, die die Chance, einen besseren Job zu bekommen, gleichmäßig verteilt ..."

Die „jobholder-society’, die die Freiheit des Konsums und des Geldverdienens zur einzigen Freiheit macht, wird als eine Karikatur politischer Freiheit kritisiert: „In so einer Gesellschaft ist das Recht, unnötige Waren zu kaufen, für die meisten Menschen die einzige direkte Erfahrung von Freiheit."

Der Hintergrund dieser ritik an einer Gesellschaft, die sich ausschließlich in ihrer ökonomischen Dimension verliert und deshalb von den Maximen der Wirtschaft beherrscht wird, ist eindeutig: „Die Menschen können nicht von einem ökonomischen System regiert werden, denn ökonomisches Interesse kann keine politische Gesellschaft zusammenfügen. Die Prinzipien der Wirtschaft sind nicht Recht und Kontrolle, sondern Akkumulation."

Dies haben die meisten Amerikaner nicht verstanden. „Die Unterscheidung zwischen Demokratie als einer politischen Ordnung und Kapitalismus als einer Wirtschaftsordnung scheinen die meisten Amerikaner vergessen zu haben."

Hinter dieser Kritik steht die Ablehnung nicht nur der Ideologie des modernen Kapitalismus, sondern ebenso die radikale Ablehnung marxistischen Denkens. Beide Ideologien basieren auf der Überbetonung der Wirtschaft, auf der „ökonomischen Ideologie: dem Glauben, daß Freiheit und Gleichheit sich direkt aus dieser oder jener ökonomischen Ordnung entwikkeln . . . (diese Ideologien) sind der Illusion verfallen, daß Freiheit und Gleichheit außerhalb der republikanischen Ordnung existieren können ..."

Die republikanische Ordnung, die Verfassung der Freiheit, die allein den Bürgern die Möglichkeit gibt, selber zu handeln und ihre eigenen Angelegenheiten zu regeln, ist die zentrale Alternative zum Konzept aller an der Ökonomie orientierten Träume. „Auch wenn es schwer ist, sich in dieser Zeit derartiges vorzustellen, die Alternative zur Jobholdersociety'existiert. Die Alternative war von Anfang an in der Struktur dieser Republik angelegt. Sie geht davon aus, daß Menschen von Natur politische Wesen sind — nicht Arbeiter, nicht Berufstätige, nicht Verbraucher und nicht ängstliche und fleißige Tiere, wie Tocqueville einmal den Zustand auf die Arbeit reduzierter Menschen beschreibt. In einer Republik sind die Menschen vor allem Bürger . . .der Bürger ist ein politischer Mensch, er praktiziert zu Recht die Möglichkeit, öffentlich bei’ der Gestaltung der öffentlichen Angelegenheiten zu reden und zu handeln. Nur für Angelegenheiten, die die Bürger auf lokaler Ebene nicht regeln können, geben die Bürger ihr Recht der Selbstregierung an die höhere Ebene ab."

Bei dieser Konzeption des self-government handelt es sich um etwas völlig anderes als um die kontinentaleuropäische gemeindliche Selbstverwaltung. Es handelt sich im echten Sinne des Wortes um eine Form aktiver und direkter Selbstregierung von Bürgern in kleinen, überschaubaren Bereichen, die zum Zwecke gemeinsamen Handelns öffentlich beraten und so in völlig dezentralisierter Form ihre Macht ausüben. Die kleine Gemeinde gibt beispielsweise nicht alle Aufgaben ab, die höhere Instanzen mit einem höheren Grad von Effizienz lösen können. Die Republik (und auch jede dieser kleinen Einheiten der Selbstregierung ist eine Republik) „wurde nicht mit dem Ziel der . Effizienz'gegründet. Wenn es um Effizienz gegangen wäre, hätten wir eine Monarchie gegründet. Die Republik wurde vielmehr gegründet, um das freie Leben der Bürger möglich zu machen — um seiner selbst willen. Wenn wir darin effizient sind, wäre dies genug."

Die Republik, die ein letztes Ziel der politischen Ordnung ist, wird so zum Maßstab, an dem wirtschaftliche, soziale und politische Institutionen gemessen werden — immer unter der zentralen Fragestellung, inwieweit sie der Republik dienen. Eine Reihe gesellschaftlicher Organisationen ist folglich Objekt härtester Kritik, denn „es sind nicht die privaten Interessen, die die Menschen trennen, sondern deren Organisationen" Der Hauptvorwurf, der beispielsweise den amerikanischen Gewerkschaften gemacht wird, ist, daß sie ihre Mitglieder nicht als Bürger, sondern als Arbeitnehmer sehen und sie auch entsprechend dieser Sicht vertreten und behandeln Das gesamte Erziehungssystem in den USA wird kritisiert, weil es die Heranwachsenden nicht auf ihre Tätigkeit als aktive Bürger der Republik vorbereite, sondern auf ihre Funktion als Berufstätige in der Wirtschaft Auch die Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika ist Objekt einer Neu-Interpretation, die das Entstehen von Parteiapparaten, Trusts, Monopolen, Gewerkschaften, Rüstungswirtschaft, Urbanisierung usw. unter dem Gesichtspunkt der Zerstörung der Einheiten lokaler Selbstregierung untersucht und als schrittweisen Abfall vom revolutionären Gründungsgedanken darstellt.

Es ist in der Tat nicht zu bestreiten, daß eine Demokratie, die den Bürgern kein anderes Recht läßt, als in regelmäßig wiederkehrenden Abständen die weit entfernte — und wegen der großen Zahl der Bürger deren Einfluß entzogene —• Regierung zu wählen, ihren Namen nicht verdient. Wenn man nicht bereit ist, einen fiktiven „Volkswillen" oder gar einen ebenso fiktiven „Fortschritt der Menschheit" als gegeben und aus unerklärlichen Gründen von der gewählten Regierung exekutiert anzunehmen, bleibt in einem großen Flächenstaat von einer Selbstregierung der Bürger nicht mehr übrig als der Name Demokratie. In einem derartigen Regierungssystem können sich tatsächlich nur organisierte und verwaltete Interessen gegenüber den politischen Institutionen effektiv durchsetzen; von einer aktiven Partizipation der Bürger (und nicht der Mitglieder der Wirtschaftsgesellschaft am ökonomischen Verteilungsprozeß) kann nicht die Rede sein. Wenn es nicht um eine wie auch immer geartete Beeinflussung der Handlungen anderer, sondern um die aktive und direkte Macht der Bürger geht, ihre Angelegenheiten selbst zu regeln, kann nur eine radikale Dezentralisation Abhilfe schaffen. „In sich selbst regierenden Gemeinschaften können . . . die Menschen trotz ihrer privaten Interessen zu gemeinsamem Handeln kommen. Je mehr Macht jede lokale Gemeinschaft hat, um so mehr Angelegenheiten von gemeinsamem Interesse werden von den Bürgern gemeinsam gelöst."

Dies war das Gründungskonzept der amerikanischen Revolution, auf das man sich wieder besinnen müsse. „Jede dieser Einheiten der lokalen Selbstregierung, erklärte Jefferson, . wäre eine Republik in sich und jedermann im Staate würde so ein aktives Mitglied der gemeinsamen Regierung werden'. . . Diese kleinen Republiken sind die primären öffentlichen Arenen, jene öffentlichen Räume, in die der normale Bürger eintreten kann . . . Ohne diese lokale politische Öffentlichkeit ist die Bezeichnung Bürger bedeutungslos, denn nur in ihren eigenen lokalen Gemeinschaften können sich die Bürger mit ihren Mitbürgern treffen und ihre öffentlichen Angelegenheiten dirigieren und kontrollieren."

Da die großen urbanen Konzentrationen an den Küsten der Vereinigten Staaten und in den Großstädten im Inneren des Landes zu politischen Einheiten zusammengefügt wurden, ist dort die Möglichkeit der aktiven Selbstregierung zerstört Die Größe dieser Einheiten macht direkte und aktive Partizipation der Bürger unmöglich und schafft so die Basis für die Macht der amerikanischen Parteimaschinen, die, nicht von den Bürgern kontrollierbar, ihrerseits die in einer Masse von Untertanen transformierten Wähler kontrolliert Dieses System sei gegen den Geist der Republik und wird als „Wahl-Despotismus" bezeichnet da es die Möglichkeit aktiven Handelns in den Einheiten der Selbstregierung unmöglich macht.

Die Möglichkeit zu einer aktiven Partizipation an der Regierung und das Bewußtsein, „daß das Wort und der Einfluß eines einzelnen Bürgers wirklich etwas bewirkt, findet man in den Tausenden von Gemeinden, wo die Bürger ihre Ratsmitglieder, Amtsinhaber und Beamten der lokalen Regierung kennen, die beschließen und ausführen, was viele der täglichen Aktivitäten eines Bürgers berührt"

Das Fehlen kleiner republikanischer Einheiten der Selbstregierung macht die Großstädte Amerikas zu Einheiten der Massengesellschaft, die von den Parteibossen und den Bürokraten kontrolliert werden. Die Kontrolle wird nicht im Interesse der Bürger durchgeführt, sondern im Interesse der Parteimaschine und der Bürokratie: nämlich der Erhaltung ihrer Herrschaft. „Diese nicht verantwortliche Macht . . . blüht überall dort, wo lokale Selbstregierung ... nicht existiert", eben in den großen Städten und in den großen Landkreisen der Südstaaten Unverantwortliche Macht, d. h. Macht, die nicht direkt vom aktiven Bürger kontrolliert wird, ist eine Perversion der Republik. „Diese Perversion der Republik produziert die allgemeine Degradierung des Lebens in der Massengesellschaft, denn die Massengesellschaft ist der Zustand einer Gesellschaft, der sich unter Menschen einstellt, die ihre eigenen Angelegenheiten nicht mehr kontrollieren, die, kurz gesagt, aufhören, Bürger zu sein."

Der Bewohner der Großstadt ist kein Bürger mehr, weil seine Haltungen, Wünsche und Vorstellungen keine Konsequenzen haben. „Völlig von der Teilhabe an der Macht ausgeschlossen, kann der durchschnittliche Stadtbewohner alles oder nichts glauben, denn seine Überzeugungen haben überhaupt keine Bedeutung. Wenn er überhaupt irgend welche Meinungen bildet, bleiben diese völlig privat und verlieren so leicht jede Beziehung zur Realität."

Der Mensch, der nur noch seinen Träumen lebt, der keine gemeinsame Welt mit seinen Mitbürgern hat, ist die Folge dieses Entfremdungsprozesses. Es handelt sich bei diesem Beharren auf dem Prinzip der aktiven Selbstregierung in kleinen Einheiten sicherlich nicht um die Marotte einiger Hinterwäldler, die einfach ohne Rücksicht auf die bestehenden Probleme eine Restauration der vorindustriellen amerikanischen Gesellschaft betreiben. Hinter dem Konzept von CLD steht eine Auffassung von politischer Freiheit, die unserem, vom kontinentaleuropäischen Liberalismus geprägten Freiheitsbegriff diametral entgegensteht: die Freiheit, zu handeln, die Freiheit, zusammen mit anderen Bürgern Macht auszuüben, die Freiheit, öffentlich aufzutreten, einen öffentlichen Bereich mit den Mitbürgern zu teilen, in dem man als Freier und Gleicher über gemeinsame Probleme debattiert und diese handelnd löst. So wird die Forderung nach einem für die Bürger gemeinsamen öffentlichen Bereich zur Vorbedingung für politische Freiheit überhaupt

VI. Die Wiedererrichtung der Republik

Die Konsequenz aus dieser Überlegung ist im echten Sinne des Wortes radikal. Die Radikalität dieser Konsequenz sprengt alle traditionellen Kategorien administrativen Denkens, weil es ihr nicht um Effizienz, Leistung oder Reibungslosigkeit, sondern um politische Frei-heit geht. Die radikale Konsequenz von CLD lautet schlicht: Zerschlagung der administrativ-politischen Einheiten der Großstädte und Aufteilung in eine Vielzahl kleiner kooperierender Republiken Jede dieser Gemeinschaften innerhalb der Stadt „sollte unter anderem über ihre Schulen, ihr Gesundheitswesen, den öffentlichen Wohnungsbau, Bebauungspläne, Erholungsgebiete, Krankenhäuser etc. entscheiden. Zusätzlich müßte jede dieser Gemeinschaften ein Stadtzentrum haben. In ihm wären die öffentlichen Einrichtungen, ein Park, Cafes und andere soziale Hilfen konzentriert, um es zu einem zentralen Treffpunkt der Gemeinschaft zu machen. Dieses Stadtzentrum ist eine unabdingbare Bedingung für eine sich selbst regierende Gemeinschaft ..."

Selbstverständlich gibt es Aufgaben, die die Leistungsfähigkeit der kleinen Selbstregierungseinheit übersteigen. Diese, aber auch nur diese sollten dem allgemeinen Rat der gesamten übertragen werden. Der Bürgermeister etwa und der Gesamtstadtrat würden die Aufgaben der Wasserversorgung, der Abwasserbeseitigung, des öffentlichen Transportwesens, der Schnellverkehrsstraßen u. ä. entscheiden Auf diese Weise würde beispielsweise die Stadt New York in etwa 50 kleine Selbstregierungseinheiten aufgeteilt, „jede mit lokaler Kontrolle der lokalen Einrichtungen und mit einer eigenen demokratischen Struktur, d. h. einem lokal gewählten Rat ..." Denn, so wird argumentiert, eine kleine Einheit, die ihre Wasserversorgung nicht mehr allein regulieren kann, braucht deswegen noch lange nicht aufzuhören zu existieren; eine Banalität, die schon durch die Existenz von vielen, in den Einzugsgebieten der großen Städten liegenden selbständigen . suburbs'sichtbar bewiesen wird

Dieser Plan der Aufteilung der großen Städte in . townships'wird mit einer ganzen Reihe von Karten für die verschiedensten Städte und Bundesstaaten der USA illustriert. Es wird auch ein Grundriß des geplanten Gemeinschaftszentrums aufgezeigt, das selbst kleine Details genau beschreibt Dieses Stadium der Konkretisierung ist zweifellos der problematischste Teil des Konzepts von CLD. Der Versuch, das Ziel der aktiven Partizipation allein durch technisch institutioneile -Mittel er reichen zu wollen, offenbart einen überraschenden einen Glauben an die Möglichkeit, die Menschen allein durch Institutionen in ihrer Einstellung gegenüber Umwelt, Gesellschaft und Politik ändern zu können, der letztlich befremdet.

Ganz richtig wird betont, daß zum erstenmal in der Geschichte der Menschheit die technologisch fortgeschrittenen Gesellschaften einen Grad von Produktivität erreicht haben, der es den Menschen erlaubt, genügend Freizeit zu haben, um sich um die Angelegenheiten der Politik zu kümmern Aber der Grund dafür, daß die Menschen dies nicht tun, wird anscheinend ausschließlich in fehlenden institutionellen Möglichkeiten für aktive Partizipation gesehen. So heißt es in The Public Life, „wenn Bürger in sich selbstregierenden Gemeinschaften repräsentiert sind, die wirklich Macht über ihre lokalen Lebensumstände haben, werden öffentliche Angelegenheiten unmittelbare Erfahrung — alle Apathie verschwindet"

Daß der ökonomische Reproduktionsprozeß, die Erhaltung und Steigerung des wirtschaftlichen Wachstums, eine entsprechende Einstellung der Menschen voraussetzt (eben die Einstellung der Menschen einer „jobholdersociety') und die bestehende „Wirtschaftsgesellschaft" von eben dieser Einstellung abhängt, wird nicht gesehen. So stellt es für CLD offenbar überhaupt kein Problem dar, daß die Institutionen der . townships'von den im ökonomischen Denken befangenen Bürgern für recht private und gar nicht republikanische Ziele mißbraucht werden könnten Es bleibt eine offene Frage, ob allein durch die Schaffung entsprechender Institutionen die Verfassung politischer Freiheit überhaupt garantiert werden kann oder ob die republikanische Ordnung nicht eines anderen Menschen-typs bedarf als des ökonomisch orientierten Mitglieds der Industriegesellschaft.

James Madison war sich der Unmöglichkeit, die Republik und die Freiheit allein auf Institutionen zu begründen, bewußt. In der Virginia Convention erklärte er am 20. Juni 1788, keine noch so komplizierte Ausbalancierung der Gewalten könne einer Republik die Garantie von Kontinuität und Sicherheit geben. „Es ist eine unsinnige Vorstellung zu meinen, es gäbe irgendeine Regierungsform, die Freiheit und Glück der Bürger sichert, ohne daß Tugend [virtue] im Volke vorhanden ist.

VII. Das Dilemma der demokratischen Republik

Die theoretische Konzeption von CLD steht nicht allein. Die kritische Auseinandersetzung der . Neuen Linken'in den USA kreist nicht mit jener erschreckenden Ausschließlichkeit um die marxistische Interpretationssymbolik moderner industrieller Gesellschaft, die die europäische . Neue Linke'prägt und oft zur Unfruchtbarkeit verdammt. Der revolutionäre Gedanke der amerikanischen republikanischen Tradition der „participatory democracy" ist auch heute noch stark genug, um einen wichtigen Beitrag in der Debatte zu leisten, die von jenen geführt wird, die die heutigen Gegebenheiten der funktionalisierten Industriegesellschaft nicht hinnehmen wollen

Der Gedanke der direkten und aktiven Teilnahme der Bürger an ihren Angelegenheiten, wie er im Gründungskonzept der Vereinigten Staaten für die Neuzeit zum Durchbruch kam, stellt ein Gegengewicht gegen die zunehmende Kontrolle administrativer und ökonomischer Großbürokratien dar, das dem Menschen einen politischen Raum erkämpfen will, in dem er als freier und gleicher Bürger an der Regierung mitwirken kann. So wie dieses Konzept republikanischer Selbstregierung von CLD formuliert wird, macht es aber zugleich ein amerikanisches Dilemma sichtbar, das letztlich das Dilemma der demokratischen Ordnung in einer hochindustrialisierten Gesellschaft schlechthin ist: Dieses Dilemma konzentriert sich in dem Konflikt zwischen den Notwendigkeiten und Bedürfnissen hochtechnisierter -zen und damit tralisierter Industrieproduktion und dem Konzept kleiner republikanischer Selbstregierungseinheiten, die ein Höchstmaß an Nicht-Zentralisation voraussetzen. Alle Versuche, diesen Gegensatz etwa durch eine Ideologie der „wohlinformierten und gutwilligen" Groß-bürokratie oder durch Willensbildungsmechanismen von „unten nach oben" zu verleugnen, scheitern erstens an der Pluralität menschlicher Vorstellungen, und Bedürfnisse Wünsche und zweitens an der Tatsache, daß es sich nicht um Mitwirkung an einem zentralisierten Entscheidungsprozeß, sondern primär um ein Konzept der direkten Selbstregierung handelt, das lediglich die menschliche Fähigkeit zu reden und zu handeln in kleinen, überschaubaren, öffentlichen Bereichen konkret realisieren will. Das heißt, eine nicht zentralisierte Republik setzt die Bereitschaft voraus, Pluralität und Unterschiedlichkeit der Lebensumstände in den verschiedenen Einheiten der Republik zu akzeptieren. Industrielle Planung und Produktion setzen homogene Bedürfnisse, kalkulierbare Verhaltensweisen der Menschen sowie große Märkte für Input und Output der Industrieproduktion voraus; vor allem bedarf „die moderne Industriegesellschaft" eines bestimmten Menschentyps, der die Fähigkeit zu produzieren und zu konsumieren in das Zentrum seines Lebens und Bewußtseins stellt. Die republikanische Ordnung der Selbstregierung bedarf hingegen der Dezentralisation, der Pluralität und Freiheit der Menschen; sie setzt die Existenz eines völlig anderen Menschentyps voraus: des Menschen, der den Sinn seiner Existenz als Bürger erfüllt sieht, der in der Freiheit des Redens und gemeinsamen Handelns ein zu erstrebendes Ziel sieht. Mit einem Satz, dem an der Wirtschaft, am Herstellen und Verbrauchen organisierte „homo oeconomicus" steht das am aktiven Handeln orientierte „zoon politicon" gegenüber, für das der öffentliche Raum der Republik wesentlicher Existenzbereich ist.

Dieser Gegensatz zwischen Ökonomie und Republik ist in den Veröffentlichungen von CLD durchaus präsent und bewußt; aber die adäquaten Überlegungen, die den Gegensatz dieser „Welten" konsequent zugunsten der Republik lösen würden, bleiben aus. In einer Reihe von Artikeln in der Zeitschrift „The Public Life" wird zwar die dienende Funktion der Ökonomie in der Republik betont aber im Gegensatz zur detaillierten Beschreibung der institutioneilen Ordnung der Politik wird für die Ökonomie ein naives Konzept der Wiederherstellung der Konkurrenz vieler Produzenten vorgeschlagen Diese Abstinenz von den Ordnungsfragen der Wirtschaft hat ihre Ursache in der überraschenden These, daß die hochkartellierte und mit der öffentlichen Bürokratie verbundene „New Corporate Economy" der USA nicht durch die Entwicklungsgesetze des Kapitalismus bedingt, sondern eine Schöpfung der Politiker und der Parteiapparate sei. Die ersten vier Ausgaben des zweiten Jahrgangs von „The Public Life“ sind einer Studie über die Entwicklungsgeschichte der Par-teien gewidmet. Anhand einer Reihe wichtiger Entscheidungen wird der Aufbau und die Förderung der kartellierten amerikanischen Industrie durch die Präsidenten und Parteiapparate der USA aufgezeigt Die Anhänger von CLD scheinen offensichtlich zu glauben, dieser Prozeß wäre reversibel durch Entscheidungen, die den gewünschten Zustand einer nicht die Politik beherrschenden Wirtschaftsordnung herbeiführen, indem etwa die Konkurrenz wiederhergestellt wird.

Diese Haltung ist um so erstaunlicher, als in einer ganzen Reihe von Äußerungen in der Zeitschrift deutlich wird, daß der oben geschilderte Gegensatz zweier „Welten" (der Ökonomie und der Republik) voll bewußt ist. Es wird vom Gegensatz der „jobholdersociety'und der . Republik'gesprochen, die rein private, weil weitgehend machtlose Existenz des Wirtschaftsbürgers wird als Leben in einer „Welt des Traums" und nicht der politischen Realität einer gemeinsamen Welt kritisiert Die bewußtseinsmäßige Gebundenheit der Mitglieder der Industriegesellschaft an die ökonomische Reproduktion, die den Menschen den Blick für die mögliche Freiheit des Bürgers in der Republik versperrt, wird nicht ernst genommen. Das Problem der reich gewordenen armen Leute, die „entschlossen für nichts anderes leben als für die Befriedigung ihrer nun ins Gigantische gestiegenen Bedürfnisse" ist für CLD ein durch Institutionen lösbares Problem. Die Macht des ökonomischen Denkens und der ökonomischen Interpretation der eigenen Existenz, die den Menschen zum funktionierenden Mitglied der Industriegesellschaft werden läßt und die ihre Basis im Bewußtsein derer hat, die sich in der Gesellschaft den Imperativen von Kosumtion und Produktion unterwerfen, wird negiert oder als unwesentlich bezeichnet. Konsequenterweise präsentieren sich die Übel einer von den Imperativen der Ökonomie beherrschten Industriegesellschaft als das Ergebnis einer Verschwörüng von Politikern, Parteien und Feinden der Republik gegen die Möglichkeiten republikanischer Selbstregierung.

Auch wenn in „The Public Life" emphatisch betont wird, „wir sprechen nicht über eine Verschwörung" so wird eben dieser Gedanke ständig und immer wieder induziert: „Man soll das nicht für einen romantischen Versuch halten, , die Uhr zurückzudrehen'. Es ist vollkommen klar und niemand weiß dies besser als die Manager unserer Angelegenheiten, was immer ihnen sonst fehlen mag, daß die Menschen ihre freie Zeit den öffentlichen Angelegenheiten widmen werden. So ziehen sie es vor, uns beschäftigt zu halten. Sie werden Milliarden ausgeben, um uns beschäftigt zu halten, und sie verlangen auch noch, daß wir sie für ihren . Liberalismus'loben. Es ist kein reiner Zufall, daß wir in dem Augenblick der Geschichte, in dem wir reich genug sind, um als politische Bürger zu leben, mit Vollbeschäftigungspolitik und der Pflicht zu konsumieren, beschäftigt werden. Man erzählt uns, lokale Demokratie sei im . komplexen'modernen Zeitalter unmöglich, und man verlangt von uns, wir sollten die Möglichkeit der . Freizeit der Massen'als gefährliches Zeichen erkennen."

Daß die Realisation der Möglichkeit von mehr freier Zeit auch deswegen nicht angestrebt wird, weil sie gar nicht in den geistigen Horizont eines Politikers der „jobholder-society’ einbezogen ist, wird nicht diskutiert. So bleibt der Eindruck, es handle sich um die bewußte Entscheidung von Politikern, denen die mögliche Alternative der Restauration der Republik des self-government durchaus präsent ist. Mit der gleichen Unerbittlichkeit wird auch das amerikanische Parteiensystem ausschließlich als eine Veranstaltung dargestellt, die zu dem Zwecke eingerichtet ist, die „local democracy" zu verhindern. Die Parteien würden das Land bewußt in Einflußsphären aufteilen und die jeweilige Minderheitspartei unternähme keinen ernsthaften Versuch, das bürokratische Regime der Mehrheit zu sprengen Eine Reihe von Gegebenheiten spricht für die Richtigkeit dieser These für weite Bereiche der USA. Das Verhalten der Parteien aber einzig auf die Tatsache zurückzuführen, daß sie unter dem Schock der populistischen Revolte von 1890— 1896 beschlossen hätten, alles zu tun, derartiges in Zukunft unmöglich zu machen und die , local democracy', die der Kontrolle der Parteien entzogen sei, zu verhindern erscheint uns als eine Uberinterpretation der Handlungen amerikanischer Parteien und Politiker. Korrespondierend zu dieser Behauptung einer bewußten Verschwörung gegen den republikanischen Gründungsgedanken der lokalen Selbstregierung, steht die Überschätzung der , local democracy'. Wenn man den Veröffentlichungen in „The Public Life" Glauben schenken will, sind eigentlich fast alle Übel und Probleme, die heute in den USA Gesellschaft und Politik beschäftigen und die die USA an den Rand der Selbstzerstörung treiben, auf die Nichtexistenz der , local democracy'zurückzuführen.

Die gleiche doktrinäre Monomanie, die dogmatische Marxisten dazu treibt, alle Übel und Probleme der Gesellschaft auf die Existenz des Privateigentums an den Produktionsmitteln zurückzuführen, treibt CLD zu der Behauptung, die amerikanischen Schulprobleme, der von den Bürgern nicht gewollte Krieg in Vietnam, die Korruption von Parteien und Bürokratien, das Rassenproblem, das Armutsproblem, das Rauschgiftproblem, die Jugendkriminalität und alle anderen Probleme der „Massengesellschaft" seien nur eine Folge des Fehlens der , local democracy'in den Vereinigten Staaten von Amerika

Nun wäre es natürlich einfach, eine schlichte Erklärung mit der Feststellung ihrer Schlichtheit zu beantworten. Dies ist schon deshalb unzulässig, weil die Erklärung für einen Teil der Probleme richtig ist. Tatsächlich ist beispielsweise nicht zu leugnen, daß die imperiale Politik eines nationalen Machtstaates europäischen Musters, wie sie von den USA in Vietnam betrieben wird dem Gründungskonzept der Vereinigten Staaten widerspricht.

Eine derartige Politik war erst möglich, nachdem die USA von einer unzentralisierten Allianz lokaler Republiken zu einer teilweise zentralisierten Union nationalstaatlicher Prägung mit zentraler Administration umgebildet worden war, in der die Bundesbürokratie Außenpolitik unter Ausschluß der Öffentlichkeit betreiben kann.

Ebenso ist nicht zu bestreiten, daß sich ein Teil der Probleme, die bei der Durchführung der Wohlfahrtsprogramme der Bundesregierung oder bei der Stadtplanung auftreten, auf die Zentralisierung und Bürokratisierung der Entscheidungsprozesse zurückführen läßt

Wenn aber CLD jeden in „The Public Life" oder in anderen Veröffentlichungen debattierten Mißstand ausschließlich durch die Einrichtung von , citizens controT und , local democracy'bekämpfen will, läßt dies nur die Erklärung zu, daß alle Übel der Gesellschaft durch eine Therapie geheilt werden sollen. Ob es sich um den angeblichen Antisemitismus der Schwarzen in New York, der als Trick des Führers der Lehrergewerkschaft entlarvt wird, mit dem er seine Macht in der Gewerkschaft sichert oder um eine Kritik an den Phänomenen der „Massengesellschaft" handelt die letzte Ursache auftretender Defekte sei das Fehlen der , local democracy'. So wird der „Pragmatismus", die Bürger in Parteien und Interessengruppen zu organisieren, als „Pragmatismus der Blinden“ angegriffen; „dieser Pragmatismus führt Zum folgenden: zum Glauben, es sei besser, ein Problem zu lösen, als die unersetzliche Voraussetzung für die gerechte Lösung aller öffentlichen Probleme zu sichern: die Möglichkeit für die Bürger, jene direkt zur Verantwortung zu ziehen, denen er seine Macht anvertraut"

So wird die , local democracy'Schritt für Schritt zum Symbol für die gute Ordnung der menschlichen Angelegenheiten schlechthin, zum Symbol für eine heile Welt, die frei ist von den Übeln der erfahrbaren pragmatischen Realität: „Unsere gegenwärtigen politischen Probleme können weder durch unsere bestehenden politischen Parteien und Bürokratien noch durch Stiftungen oder andere quasi-bürokratischen Ämter gelöst werden. Unser gegenwärtiger politischer Zustand kann auch durch Massenmedien weder erklärt noch verstanden werden . . . Der Grund hierfür ist, daß unsere Probleme genau die Folge der Existenz von Massenparteien, zentralen Bürokratien und Massenmedien sind."

Die Organisation der Bürger in kleinen Selbstverwaltungseinheiten, in , townships', gäbe den Bürgern ihre Identität im gemeinsamen Reden und Handeln, hebe die Entfremdung der Massengesellschaft auf. Hier ist der Platz, wo die Bürger ... sich zu Hause fühlen können in der Welt . .." „In der demokratischen Republik ist die kleine Selbstregierungseinheit Ziel um ihrer selbst willen. Sie ist die Verfassung von politischer Freiheit und Selbstregierung und tatsächlich das Ziel und der Sinn für die Existenz der Republik."

Am deutlichsten wird dies bei der Konzeption der „Erziehung für die Republik", die alle anderen Erziehungsziele nicht zu ergänzen, sondern zu ersetzten habe. H. Shapiro stellt in seiner Arbeit „The Political Lie that is American Education" fest, daß das heutige Erziehungssystem anstelle der republikanischen Erziehung, die die Kenntnis der Republik und die Erziehung zum Bürger zum Ziel hat, anderen Herren dient. Die reine Anpassungsfunktion der Schule, die die Heranwachsenden auf die Wirtschaft und das soziale Leben vorbereitet, wird mit scharfen Worten kritisiert: „Wir haben heute Ausbildung zur . gesellschaftlichen Effizienz'oder . Berufsvorbereitung'oder entsprechend .den Bedürfnissen der Gesellschaft'. . ., aber republikanische Erziehung ist nicht von den Bedürfnissen der Gesellschaft bestimmt. Die Republik hat nichts mit der Gesellschaft [der Produktion] zu tun. Republikanische Erziehung erzieht zum Bürger, zum politischen Wesen, die in einer freien politischen Ordnung handeln."

Am Erziehungskonzept wird Loslösung, ja die das Konzept der Abschaffung des ökonomischen Bereichs als Gegenstand politischen Handelns und politischer Entscheidungen sichtbar. Die pädagogische Vorbereitung auf den Bereich ökonomischer Reproduktion, auf Beruf und Gesellschaft, soll kein Gegenstand der öffentlichen Schulen sein. Dies habe mit dem eigentlichen Ziel der Republik nichts zu tun. Republikanische Erziehung „ist nicht Erziehung zu Arbeitern oder Gesellschaftsmitgliedern, denn Menschen sind Arbeiter und Gesellschaftsmitglieder selbst in der Tyrannis. Demokratische Erziehung lehrt Kindern nicht, , wie man einen besseren Job bekommt', denn das würde heißen, sie zu lehren, was die Fabrik und das Büro von'ihnen verlangen, als ob Fabrik oder Büro die Republik wären oder als ob die Republik eine Fabrik oder ein Büro wäre." Hier schlägt die Kritik an der politischen Wirklichkeit, deren Ausrichtung an den Bedürfnissen der Ökonomie abgelehnt wird, in eine Opposition gegen jede Berücksichtigung der sozio-ökonomischen Bedingungen um. Der gesellschaftlich-wirtschaftliche Bereich — so wird erklärt — ist kein Gegenstand der Republik. Diese ist damit nicht nur Ziel in sich, sie genügt sich auch selbst.

So entpuppt sich am Ende die Kritik an der , jobholder-society‘ nicht als eine Kritik an der Dominanz der Imperative der Ökonomie in der modernen industrialisierten Gesellschaft, sondern als eine Kritik an ihrer Existenz überhaupt. Diese Kritik zielt jedoch nicht auf die Abschaffung dieser Dominanz, sondern vielmehr auf ihre Behandlung als Quantite ngligeable, die überhaupt kein Gegenstand der Politik zu sein habe. Der Gegensatz zwischen der Welt der Ökonomie und der Welt der Republik, die den redenden und handelnden politischen Bürger zum Ziel der politischen Ordnung macht, wird nicht ausgetragen.

So bleibt trotz aller erfreulich unorthodoxen Analyse und Kritik der amerikanischen Wirklichkeit die Position von CLD unklar. Die Chance der Errichtung einer Republik freier Bürger steht und fällt so offensichtlich mit der Kontrolle der Wirtschaft und ihrer Beschränkung auf den Bereich der wirtschaftlichen Subsistenz, daß die Nichtbehandlung dieses Bereichs und die Verdrängung der Ökonomie aus dem Blickfeld das Konzept des , self-government’ zu einem „amerikanischen Traum" macht.

VIII. Republik und Ökonomie

Trotzdem gibt das politische Konzept von CLD Anstoß zu fruchtbarer Reflexion. Während sich auf dem europäischen Kontinent die Linke monomanisch auf die Fragen der Kontrolle der ökonomischen Entwicklung versteift, verteidigt der amerikanische Beitrag der , participatory democracy’ die Dimension des redenden und handelnden politischen Menschen, der letztlich der Sinn einer Kontrolle der Ökonomie sein müsse. Dazu Karl Marx: „Das Reich der Freiheit beginnt in der Tat erst da, wo das Arbeiten, das durch Not und äußere Zweckmäßigkeit bestimmt ist, aufhört; es liegt also der Natur der Sache nach jenseits der Sphäre der eigentlichen materiellen Produktion. Wie der Wilde mit der Natur ringen muß, um seine Bedürfnisse zu befriedigen, um sein Leben zu erhalten und zu reproduzieren, so muß es der Zivilisierte, er muß es in allen Gesellschaftsformen und unter allen möglichen Produktionsweisen. Mit seiner Entwicklung erweitert sich dies Reich der Naturnotwendigkeit ...; aber zugleich erweitern sich die Produktivkräfte, die diese befriedigen. Die Freiheit in diesem Gebiet kann nur darin bestehen, daß der vergesellschaftete Mensch, die assoziierten Produzenten, diesen Stoffwechsel mit der Natur rationell regeln, unter ihre gemeinschaftliche Kontrolle bringen, statt von ihm als einer blinden Macht beherrscht zu werden; ihn mit dem geringsten Kraftaufwand und unter den ihrer menschlichen Natur würdigsten und adäquatesten Bedingungen vollziehen. Aber es bleibt dies immer ein Reich der Notwendigkeit. Jenseits desselben beginnt die menschliche Kraft-entwicklung, die sich als Selbstzweck gilt, das wahre Reich der Freiheit, das aber nur auf jenem Reich der Notwendigkeit als seiner Basis aufblühen kann."

Die amerikanischen Bürger von CLD wissen im Gegensatz zu vielen Neo-Marxisten, daß die Verfassung der Freiheit nicht das Ergebnis einer wie auch immer gearteten ökonomischen Organisation ist. Sie wissen, daß der eigenständige Bereich der Politik auch einer eigenständigen Verfassung bedarf. Wenn das von Marx angesprochene „Reich der Freiheit" mehr sein soll als ein Reich Marcusescher Träumer, dann muß der Gedanke einer Selbstregierung der Bürger in kleinen Einheiten der Republik das zentrale Organisationsprinzip eines „novus ordo saeculorum" werden.

Ob dies allerdings durch die administrative Einrichtung von Selbstregierungsrepubliken erreichbar ist, erscheint zweifelhaft. Der Anstoß zur Entwicklung eines Konzepts der Selbstregierung in kleinen Einheiten ist vom Ereignis der amerikanischen Revolution ebenso wenig zu trennen wie festgestellt werden kann, daß die verwandten europäischen Entwicklungen, die zur Bildung von Räten führten, immer nur im Gefolge weitreichender politischer Umwälzungen stattfanden. Ob in den USA, in der russischen Revolution und in der Revolution in Deutschland am Ende des Ersten Weltkrieges oder in Ungarn 1956 — das Konzept und die Praxis der Selbstregierung in Räten trat immer im Verlauf eines Ereignisses auf: einer Revolution.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Die folgende Untersuchung wurde durch einen vom American Council of Learned Societies finanzierten Forschungsaufenthalt in den USA ermög-licht.

  2. Dazu nur einige Beispiele: St. Rokkan, Approaches to the Study of Political Participation, Bergen 1962; L Lipson, The Democratic Civilisation, New York 1964; W. Milbrath, Political Participation, Chicago 1965; Almond/Powell, Comparative Polltics, Boston 1966; S. P. Huntington, Political Order in Changing Societies, New Haven 1968; Cook/Morgan (eds.), Participatory Democracy, New York 1971; Benello/Roussopopoulos (eds.), The case for Participatory Democracy, New York 1971. Eine kritische Darstellung der gesamten Debatte gibt: W. -D. Narr, Theoriebegriffe un(i Systemtheorie, Stuttgart 1969.

  3. Ebenda, S. 6.

  4. Jürgen Gebhardt, Politische Partizipation und Machtstruktur in den USA, in: Politische Studien, 21. Jg., Nov. /Dez. 1970, S. 656 ff.; siehe dazu auch die leider nur skizzenhafte Kritik von W. -D. Narr in: Narr/Naschold, Theorie der Demokratie, Stuttgart 1970, S, 28 ff. und S. 44 ff.

  5. Ebenda, S. 658.

  6. Besonders deutlich wird dies bei der Arbeit von Dahl/Lindblohm, Politics, Economics and Welfare, New York 1953.

  7. Dazu Hannah Arendt, Uber die Revolution, München, o. J., S. 73 ff. und passim.

  8. Zum Gewicht und zu den Kompetenzen der lokalen Selbstregierung in den USA siehe: Jewell C. Philipps, Municipal Government and Administration in America, New York 1960; Edward C. Banfield, Urban Government, Glencoe 1961; George S. Blair, American Local Government, New York 1964; Carl A. McCandless, Urban Government and Politics, New York 1970.

  9. Siehe: US Department of Commerce, Bureau of the Census, 1967, Census of Governments, Vol. VI, No. 1, Popularly Elected Officials of State and local Governments, Washington DC 1968, S. 7, Table 1.

  10. Geht man von der Minimalforderung aus, daß jeder Bürger mindestens einen Inhaber eines öf-fentlichen Amtes persönlich kennen muß, so kann man feststellen, daß dies für weite Gebiete der USA zutrifft. (Siehe Daniel J. Elazar, Community Self-Government and the Crisis of American Politics, in: Ethics, Vol. 81, No.'2, Chicago 1971, S. 91 ff.)

  11. Dazu: A.de Tocqueville, a. a. O., 1. Buch, 1. Teil, IV. Kap. Zum Self-Government im vorrevolutionären Amerika siehe: Charles McLean Andrews, Colonial Self-Government, New York 1904 (mit einer ausführlichen Bibliographie), und Herbert L. Osgod, The American Colonies in the Seventeenth Century, Vol. I und II, New York 1904; ders., American Colonies in the Eighteenth Century, Vol. I und II, New York 1924. Zum Gesamtproblem siehe auch: H. Arendt, a. a. O., S. 216 ff., S. 227 ff. und S. 302 ff.

  12. Vgl. George S. Blair, a. a. O., S. 3 ff. und S. 18 ff.

  13. Clifford W. Patton, The Battle for Municipal Reform, College Park, Maryland 1940, Reprinted New York 1969, S. 12 f.

  14. Siehe Executive Office of the President, Bureau of the Budget 1967, Standard Metropolitan Statistical Areas, Washington DC 1967, S. 7 ff. und S. 31.

  15. The Writings of Thomas Jefferson (ed. Lipscomb), Washington DC 1903 — Memorial Edition (ME), Vol. VI, Brief an William Smith vom 13. 11. 1787, S. 372 ff.

  16. Ebenda, S. 373.

  17. Brief an Samuel Kercheval vom 12. 7. 1816, ME, Vol. XV, S. 40.

  18. Ebenda, S. 42; den gleichen Gedanken äußert er in einem Brief an Major John Cartwright vom 5. 6. 1824; ME, Vol. XVI, S. 48.

  19. Ebenda, Vol. XV, Brief an Smith, S. 43.

  20. Hannah Arendt, a. a. O., S. 321 ff.

  21. Brief an John Adams vom 28. 10. 1813, ME, Vol. XIII, S. 399 f.

  22. Vom 2. 2. 1816, ME, Vol. XIV, S. 422.

  23. Brief an Kercheval vom 12. 7. 1816, ME, Vol. XV, S. 37.

  24. Ebenda, S. 38.

  25. Brief an J. C. Cabell vom 31. 1. 1814, ME, Vol. XIV, S. 84; Brief an S. Kercheval vom 12. 7. 1817, ME, Vol. XV, S. 37 f.; Brief an John Taylor vom 16. 7. 1816, ME, Vol. XV, S. 44; Brief an S. Kercheval vom 5. 9. 1816, ME, Vol. XV, S. 70f.; Brief an J. C. Cabell vom 28. 11. 1820, ME, Vol. XV, S. 291 und 293; Brief an Major John Cartwright vom 5. 6. 1824, ME, Vol. XVI, S. 46; weitere Äußerungen siehe bei Hannah Arendt, a. a. O., S. 320 ff.

  26. Siehe Brief an John Adams vom 28. 10. 1813, ME, Vol. XIII, S. 399 ff., und Francis W. Hirst, Life and Letters of Thomas Jefferson, New York 1926, S. 134; die beiden Gesetzentwürfe siehe ME, XV, S. 44 ff. (1779), und ME, XVII, S. 418 ff. (1817).

  27. Autobiography, ME, Vol. I, S. 72; zur politischen Vormachtstellung der Großgrundbesitzer in 'Virginia siehe A.de Tocqueville, De la Democracie en Amerique, 1. Buch, 1. Teil, III. Kap.

  28. Notes on Virginia, ME, Vol. II, S. 207.

  29. Brief an John Adams, ME, Vol. XIII, S. 400.

  30. Brief an Major John Cartwright vom 5. 6. 1824, ME, Vol. XVI, S. 47.

  31. Siehe dazu: Adrienne Koch, The Philosophy o Thomas Jefferson, Gloucester, Mass. 1957, S. 162f weiteres Material dortselbst.

  32. Hannah Arendt, a. a. O.

  33. The Public Life, New York, Vol. III (1971), N°-1, S. 7.

  34. The Newsletter of the Federation for Participatory Democracy, Vol. I, No. 3, S. 3.

  35. The Public Life, Vol. I, No. 1, S. 3.

  36. Ebenda. Die Berufung auf die Gründungsväter der USA und auf die Ziele der amerikanischen Revolution ist ein ständig wiederholtes Motiv in der Argumentation von CLD (z. B. The Public Life, Vol. I, No. 7, S. 3; Vol. L, No. 9, S. 1; Vol. I, No. 14, S. 2; Vol. I, No. 16, S. 1 f.; Vol. I, No. 20, S. 1; Vol. II, No. 5— 15, S: 2; besonders Vol. III, No. 1, S. 1— 8; ebenso: CLD [ed. ] How to make the United States a Democracy, New York, o. J., S. 3, S. 5 ff.), das sich mit der Berufung auf die Tradition der „Peoples Party", der populistischen Bewegung vom Ende des 19. Jahrhunderts, verbindet. Diese populistische Bewegung, die sich in starkem Maße, aber nicht ausschließlich auf die Farmer der mittleren Staaten der USA stützte, war in der Tat in vielen Bereichen eine Rebellion gegen die Ökonomisierung der amerikanischen Politik, die nach den Worten der Populisten die Tradition der amerikanischen Revolution zu zerstören drohte. Zur populistischen Bewegung ist auch heute noch wenig Literatur erreichbar, in der die Ziele dieser bislang einzigen, wenigstens teil-und zeitweise erfolgreichen dritten Partei in den USA untersucht werden. Das Standardwerk über die Populisten ist noch

  37. The Public Life, Vol. I, No. 2, S. 3, siehe ebenso Vol, I, No. 7, S. 1.

  38. Vol. I, No. 13, S. 3.

  39. Vol. I, No. 5, S. 1.

  40. Vol. I, No. 20, S. 2.

  41. Vol. I, No. 2, S. 3.

  42. Ebenda.

  43. Vol. I, No. 6, S. 4.

  44. Vol. I, No. 13, S. 1 ff.

  45. Vol. III, No. 1, S. 9 ff., besonders S. 22 ff., S. 31 ff. und passim.

  46. Vol. I, No. 20, S. 1.

  47. Vol. I, No. 16, siehe auch No. 6, S. 2 und No. 20, S. 1.

  48. The Public Life, Vol. II, No. 5— 15, S. 2 f., S. 4f., S. 7 ff.

  49. Ebenda.

  50. How to make, a. a. O., S. 4.

  51. J. C. Philipps, a. a. O., S. 3; eine exzellente Schilderung einer aus apathischem Schlaf erwachenden Kleinstadt 40 km nordwestlich von New York gibt: George McKenna, Diary of a Mad Householder, in: Not man apart, New York 1971, Vol. I, No. 8, S. 22 ff. Er schildert, wie sich die Bewohner von Congers gegen die Errichtung einer Fabrik der Firma Reynolds erfolgreich zur Wehr setzen und in der direkten Aktion ihr entschwundenes Bürgerbewußtsein wiedergewinnen, das jetzt den kleinen Ort mit neuem Leben erfüllt.

  52. The Public Life, Vol. I, No. 16, S. 2.

  53. Ebenda, 3. 3.

  54. How to make, a. a. O., S. 3.

  55. CLD (ed.), The Democratic Republic and the Modern Crisis, New York o. J., S. 3, S. 91.

  56. CLD (ed.), How to make, a. a. O., und The Public Life, Vol. II, No. 16— 18, S. 1 ff.

  57. How to make, a. a. O., S. 2, siehe auch S. 5.

  58. Ebenda, S. 2.

  59. Ebenda.

  60. Zu den . subsurbs'siehe die ausgezeichnete Artikelfolge in der New York Times vom 16., 17., 18. und 19. 8. 1971.

  61. How to make, a. a. O., S. 2, S. 4; The Public Life, Vol. II, No. 16— 18, S. 2 f.

  62. The Public Life, Vol. I, No. 2, S. 4.

  63. Vol. I, No. 7, S. 3, ebenso Vol. I, No. 16, S. 1 ff.

  64. Siehe dazu die oben erwähnten Berichte in der New York Times, besonders The New York Times, 17. 8. 1971, S. 1 und S. 39.

  65. Zitiert nach: Saul K. Padover (ed.), The Com-plete Madison, The Forging of American Federa-lism, Selected Writings of James Madison, New York 1953, S. 48 ff.

  66. Wenige Beispiele der neuesten Literatur dazu: Marcus G. Ruskin, Being and Doing, New York 1971; Cook/Morgan (eds.), Participatory Democracy, New York 1971; Benello-Roussopopoulos (eds.), 19 Case for Participatory Democracy, New York

  67. Z. B. The Public Life, Vol. I, No. 2, S. 4; Vol. I, No. 6, S. 3; Vol. I, No. 7, S. 4; Vol. I, No. 11, S. 1 ff; Vol. I, No. 20, S. 3; Vol. II, No. 2, S. 1 ff.; Vol. II, No. 3, S. 2f.

  68. The Public Life, Vol. I, No. 20, S. 3.

  69. The Public Life, Vol. II, No. 1— 4.

  70. Vol. I, No. 2, S. 3.

  71. Hannah Arendt, a. a. O., S. 180.

  72. Vol. I, No. 6, S. 2.

  73. The Public Life, Vol. I, No. 2, S. 4, ebenso Vol. I, No. 6, S. 3.

  74. The Public Life, Vol. I, No. 9, S. 1; Vol. I, No. 14, S. 1 ff.; Vol. I, No. 17, S. 3 ff.; Vol. I, No. 18, S. 2ff. i Vol. II, No. 5— 15, S. 3.

  75. Dazu: The Public Life, Vol. II, No. 2, S. 1; Vol. II, No. 2, S. 3 ff.; Vol. II, No. 3, S. 1; Vol. II, No. 4, S. 1; siehe außerdem H. Shapiro, Why there is no democracy in the United States; The Public Life, Vol. II, No. 5— 15, Special Book Length Issue, New York 1970, S. 2 ff., S. 5f., S. 12 ff., S. 15, S. 19.

  76. Dazu z. B.: The Public Life, Vol. I, No. 16, S. 3f.

  77. Die Veröffentlichungen der New York Times über die Hintergründe der Entscheidungsprozesse, die die USA in diesen Krieg hineintrieben, haben auf diese neue Situation der imperialen USA ein bezeichnendes Licht geworfen. (Siehe: Neil Sheehan (ed.), The Pentagon Papers, New York 1971.) Obwohl der amerikanische Geheimdienst 1948 ausdrücklich feststellte, es gäbe keinen ernsthaften Hinweis auf die Tatsache, daß Ho Chi Minh in irgend einer Weise von Moskaus Direktiven bewegt werde (ebenda, S. 8), wurde der gesamte Krieg mit der Ideologie gerechtfertigt, es gelte, den sowjetischen Einfluß im Fernen Osten einzudämmen (ebenda, S. 6, S. 7, S. 9, S. 37 und passim). Es handelte sich nach den Berichten der amerikanischen Nachrichtendienste zumindest in den Jahren bis 1959 nicht um einen Angriff gegen Süd-Viet-nam aus dem Norden, sondern um die Erhebung Von Südvietnamesen gegen das auch von den Amerikanern als korrupt erkannte Regime von Präsident Diem (ebenda, S. 67 ff.). Diem aber wurde durch den amerikanischen Geheimdienst an die Macht gebracht und gestützt (ebenda, S. 19 ff. und S. 53 ff.). Der offensichtlich zentrale Grund für

  78. Dazu: Advisory Commission on Intergovernmental Relations. Urban America and the Federal System, Washington DC 1969, Doc. No. M-47, S. 79 f.; Committee for Economic Development, Improving the Public Welfare System. A Statement by the Research and Policy Committee, April 1970, New York 1970, S. 21; Committee for Economic Development, Reshaping Government in Metropolitan Areas. A Statement by the Research and Policy Committee, February 1970, New York 1970, S. 19 f., S. 43 ff.

  79. The Public Life, Vol. I, No. 8. — Der Artikel erschien am 16. 3. 1969 als ganzseitige Anzeige in der New York Times.

  80. The Public Life, Vol. III, No. 1, Special Book Length Issue, H. Shapiro, The Political Lie that is American Education, März 1971, S. 6 f.

  81. The Public Life, Vol. I, No. 20, S. 2.

  82. The Public Life, Vol. II, No. 16— 18 „Citizens Organize to Form Urban Townships“, S. 1.

  83. H. Shapiro, The Political Lie ..., a. a. O., S. 7.

  84. Ebenda, S. 6 f.

  85. The Public Life, Vol. III, No. 1.

  86. Ebenda, S. 8.

  87. Ebenda, S. 8.

  88. Friedrich Engels (Hrsg.), Karl Marx, Das Kapital, 3. Bd„ Berlin 1957, S. 873 f.

Weitere Inhalte

Michael Hereth, Dr. phil., geb. 1. Dezember 1938 in Bayreuth, Studium der Nationalökonomie, der Politischen Wissenschaft und der Soziologie in München, Bonn und Erlangen. 1964— 1968 Studienleiter der Georg-von-Vollmar-Schule in Kochel/Obb.; seit 1968 Wissenschaftlicher Assistent an der Ruhr-Universität Bochum. Mitglied der SPD-Fraktion des Nordrhein-Westfälischen Landtages. Veröffentlichungen u. a.: Mobilisierung der Demokratie, München 1966 (Mithrsg.); Junge Republik, München 1966 (Hrsg.); Parlamentarische Opposition in der Bundesrepublik, München 1969 (Hrsg.); 20 Jahre Bundesrepublik in Dokumenten, München 1969 (Hrsg.); Die Reform des Deutschen Bundestages, Köln 1971. Zahlreiche Zeitschriftenaufsätze zum parlamentarischen Prozeß.