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Die Europäische Währungsunion-Illusion oder Wirklichkeit? | APuZ 20/1971 | bpb.de

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APuZ 20/1971 Die Europäische Währungsunion-Illusion oder Wirklichkeit?

Die Europäische Währungsunion-Illusion oder Wirklichkeit?

Rolf Hasse

/ 75 Minuten zu lesen

Der Verfasser ist Mitautor eines Gutachtens des Instituts für Wirtschaftspolitik an der Universität zu Köln für das Bundeswirtschaftsministerium un-ter dem Titel „Konzept einer europäischen Konjunktur-und Währungspolitik" unter Leitung von Rrof. Dr. Hans Willgerodt gewesen. Das Gutachten wurde Ende August 1970 abgeschlossen und erscheint demnächst in überarbeiteter Form als Buch: Hans Willgerodt, A. Domsch, R. Hasse, V. Merx unter Mitwirkung von P. Kellenbenz, Wege und rrwege zu einer Europäischen Währungsunion (im dgenden zitiert: Hans Willgerodt u. a., Wege und Irrwege). Aufgrund der Gemeinschaftsarbeit an lesem Buch fühlt sich der Autor dieses Aufsatzes erpflichtet zu erwähnen, daß viele Anregungen von den Kollegen und insbesondere von rot. Willgerodt stammen. Den Inhalt dieses Auf-

atzes vertritt jedoch der Autor allein.

Eine Positionsbestimmung der gegenwärtigen Meinungsbildung im währungspolitischen Integrationsprozeß der EWG

Abbildung 1

Nach einer Phase der Stagnation wurden auf der Gipfelkonferenz von Den Haag vom /2. Dezember 1969 verheißungsvolle Initiativen für eine verstärkte europäische Integration ergriffen. Es wuchs die Hoffnung, daß eine Weiterentwicklung — der politischen Integration und — der Bereiche der Wirtschaftspolitik, die aufgrund der geringen politischen Bereitschaft für gemeinschaftliche Lösungen zurückgeblieben sind, möglich würde. Insbesondere für die Währungspolitik wurden mit dem Stufenplan der Sachverständigengruppe unter Leitung des luxemburgischen Ministerpräsidenten P. Werner (Werner-Gruppe) vielversprechende Ansätze erarbeitet.

Nach den Ministerratstagungen vom 23. November 1970 und 14. /15. Dezember 1970 sowie den Beschlüssen vom 8. /9. Februar 1971 kann festgestellt werden, daß der Einstieg in den Stufenplan vollzogen wurde. Offiziell hat die währungspolitische Zukunft der EWG zwar begonnen — aber mit spektakulären Rückschritten. Der Eintritt in den Stufenplan ist so problematisch, daß die Erfolgsaussichten, echte, dauerhafte und wirtschaftspolitisch vertretbare Integrationsfortschritte zu erzielen, unsicher sind. Frankreich sperrt sich entschieden, die wirtschaftspolitischen und politischen Konsequenzen einer echten Währungsunion auf sich zu nehmen 1). Es hat damit dem Anschein nach die Plattform des Haager Kommuniques wieder verlassen und sich auf die unverbindlichere Ebene der entsprechenden Regelungen der Römischen Verträge zurückgezogen.

Was wie ein plötzlicher Eklat aussieht, ist für denjenigen, der die währungspolitische Geschichte der EWG und die Diskussion 1970 genau verfolgte, gar nicht so überraschend gekommen. Erstaunlich für den Beobachter ist vielmehr gewesen, daß die eigentlichen Probleme so lange überdeckt wurden. Trotz des anfangs vielleicht berechtigten Optimismus mehrten sich jedoch relativ früh die Anzeichen dafür, daß sich hinter den gleichen Vokabeln in der Beschreibung des Zieles sehr unterschiedliche Strategien und Zielinhalte verbargen, die dann während der Ministerratssitzung vom 14. /15. Dezember 1970 für alle sichtbar wurden. Die Initiative von Den Haag traf sehr schnell auf die Bruchgrenze, an der in der EWG bisher viele Ansätze scheiterten — die mangelnde Übereinstimmung der Mitgliedstaaten in den politischen Zielen und Mitteln. Zu diesem Bereich muß auch — im Gegensatz zur Zollpolitik — die Währungsund Fiskalpolitik gezählt werden. Die Entwicklung bestätigte im Grunde eine ordnungspolitische Prognose, die bereits Ende August 1970 versucht wurde Um diese Thesen und die ordnungspolitische Prognose zu begründen, ist eine nüchterne und sachliche Analyse folgender Problemkomplexe erforderlich:

1. Wie ist die Initiative von Den Haag im . Vergleich mit den Regelungen im EWG-

Vertrag (EWG-V) zu bewerten?

2. Welche Gründe führten zur Gipfelkonferenz von Den Haag und welche Rückschlüsse sind daraus zu ziehen?

Welche Strategien und Ziele verfolgten die sogenannten „Ökonomisten" und „Monetaristen"?

Wie verlief die währungspolitische Diskussion 1970 und wie sind insbesondere die Berichte — der Sachverständigengruppe unter Leitung des luxemburgischen Ministerpräsidenten P. Werner (Werner-Gruppe), — die Stellungnahme der Kommission der Europäischen Gemeinschaften zu dem Abschlußbericht der Werner-Gruppe sowie

— die Entschließung und die Entscheidungen des Ministerrates vom 8. /9. Februar 1971 zu beurteilen?

I. Die währungspolitische Initiative von Den Haag und die wichtigsten Reaktionen im Jahre 1970

In Den Haag haben die Regierungschefs der EWG-Staaten in Ziffer 8 des Kommuniques ihren Willen bekundet, den für die Stärkung der Gemeinschaft und für ihre Entwicklung zur Wirtschaftsunion erforderlichen weiteren beschleunigt Ausbau Sie sind der Auffassung, daß der Prozeß der Integration zu einer Gemeinschaft der Stabilität und des Wachstums führen muß. Zu diesem Zweck sind sie übereingekommen, daß im Rat im Laufe des Jahres 1970 ein Stufenplan für die Errichtung einer Wirtschaftsund Währungsunion ausgearbeitet wird. Die Entwicklung der Zusammenarbeit in Währungsfragen sollte sich auf die Harmonisierung der Wirtschaftspolitik stützen." Einen ersten Ansatz dazu sahen die Regierungschefs im Memorandum der Kommission — dem sogenannten Barre-Memorandum — vom 12. Februar 1969, dessen wichtigste Vorschläge mittlerweile in die Tat umgesetzt wurden 3). Die bereits größ-tenteils verwirklichte Zollunion 4) sollte durch eine Währungsunion ergänzt werden, um aus der EWG eine Wirtschaftsunion werden zu lassen, in der binnenmarktähnliche Verhältnisse bestehen.

Als unmittelbare Folge der Haager Initiative wurde vom Rat am 6. März 1970 die Werner-Gruppe eingesetzt, um einen Stufenplan zur Verwirklichung der Währungsunion zu erarbeiten. Nach dem Zwischenbericht vom 20. Mai auch politisch bis zu einem gewissen Grade zusammenzuschließen.“ 1970 legte die Werner-Gruppe am Oktober 1970 ihren Abschlußbericht 8) vor, dessen Vorschläge von den einzelnen Ländern unterschiedlich beurteilt und interpretiert werden und die — wie später gezeigt wird — von der EWG-Kommission in ihrer Stellungnahme und in den Entwürfen für Entscheidungen des Rates vom 29. Oktober 1970 entscheidend verwässert worden sind. Darüber hinaus wurde eine Reihe von offiziellen und inoffiziellen Stufenplänen vorgelegt, die den Meinungsbildungsprozeß und die Polarisierung in die Gruppen der „Monetaristen" und „Ökonomisten“ förderten:

— vom Bundeswirtschaftsministerium — dem belgischen Finanzministerium — von der EWG-Kommission — vom luxemburgischen Ministerpräsidenten P. Werner — von der Talent-Gruppe — von Dr. Hans-Herbert Weber -vom DGB — in Form einer detaillierten Stellungnahme von der EWG-Sparkassenvereinigung — bereits 1968 wurde zudem für die Europa-

Union ein sehr detaillierter Stufenplan von B. Kohler/G. Schlaeger ausgearbeitet

II. Die Haager Initiative im Lichte der Regelungen des EWG-Vertrages

Um diese Initiativen richtig einordnen und beurteilen zu können, ist es als erstes notwendig, die Ziele und Maßnahmen des Haager Kommuniques mit den Regelungen des EWG-Vertrages zu vergleichen.

Im Haager Kommunique (Ziffer 8) sind folgende wirtschaftspolitische Ziele und materielle Aussagen über den zu beschreitenden Weg genannt und gemacht worden. Dabei sollte man die jeweils unterschiedlichen grammatikalischen Formen beachten (Indikativ, Konjunktiv).

1.und Währungsunion zu errichten. 2. Der Prozeß der Integration muß zu einer Gemeinschaft der Stabilität und des Wachstums führen.

3. Die Entwicklung der Zusammenarbeit in Währungsfragen sollte sich auf die Harmonisierung der Wirtschaftspolitik stützen.

4. Die Errichtung eines europäischen Reserve-fonds soll geprüft werden. Zu ihm müßte eine gemeinsame Wirtschafts-und Währungspolitik hinführen.

Neben diesen wirtschaftspolitischen Aussagen fällt in diesem Kommunique besonders die häufige Wiederholung und Bekräftigung der politischen Bedeutung der angestrebten Ziele auf.

Ziffer 3:

„Der Eintritt in die Endphase des Gemeinsamen Marktes heißt ja nicht nur die Unumstößlichkeit des bisher von den Gemeinschaften Erreichten anerkennen, sondern einem vereinten Europa den Weg bahnen ...“.

Ziffer 4:

„Die Staats-und Regierungschefs bekräftigen daher ihren Glauben an die politischen Zielsetzungen, die der Gemeinschaft ihren ganzen Sinn und ihre Tragweite verleihen, sie bekunden ihre Entschlossenheit, ihr Werk zu Ende zu führen, und sie betonen ihr Vertrauen auf den schließlichen Erfolg ihrer Bemühungen."

Ziffer 15:

„Sie beauftragten die Außenminister mit der Prüfung der Frage, wie, in der Perspektive der Erweiterung, am besten Fortschritte auf dem Gebiet der politischen Einigung erzielt werden können."

Diese Zielvorstellungen und die Betonung ihres politischen Charakters gehen weit über die Regelungen des EWG-Vertrages hinaus. Bei den Bemühungen um einen europäischen Zusammenschluß wurden von Anfang an nicht mit einheitlicher Intensität politische Integrationsziele mit dem wirtschaftlichen Zusammenschluß verbunden. Lediglich die Bundesrepublik Deutschland und Holland hoben sie hervor. Sie schlossen sich schließlich der Regelung an, daß zuerst die Zollunion verwirklicht, also Fortschritt auf dem wirtschaftlichen Gebiet erreicht werden sollte. Eine vertragliche Regelung des politischen Integrationsprozesses wurde so bei der Gründung der EWG fast vollständig ausgeklammert. Vielmehr vollzog sich eine Verlagerung der politischen Zielsetzung. Da die direkte politische Einigung nicht zu verwirklichen war, hoffte man auf einen immanenten Sachzwang der wirtschaftlichen Integrationspolitik. Uber die stärkere wirtschaftliche Verflechtung und insbesondere durch die Schaffung des gemeinsamen Agrarmarktes und der dafür notwendigen Gemeinschaftsorgane sollte quasi durch die Hintertür eine stärkere politische Zusammenarbeit, das heißt letztlich die Grundlage für die politische Union realisiert werden.

Der EWG-Vertrag ist in diesem Sinne ein kodifizierter Interessenausgleich, der lediglich in der Präambel schwache politische Ansätze durchscheinen läßt Dabei soll nicht übersehen werden, daß der EWG-Vertrag auf wirtschaftlichem Gebiet Regelungen enthält, die über den Bereich einer reinen Zollunion hinausreichen: so zum Beispiel die gemeinschaft-liehen Lösungen in der Agrarmarktpolitik, der Wettbewerbspolitik, der Sozialharmonisierung und der Gerichtsbarkeit. Sie gehören bereits zu den Bauelementen einer Wirtschaftsunion.

Am deutlichsten tritt der Mangel an politischer Koordinierungsbereitschaft im EWG-Vertrag in den Lösungen der wirtschaftsund währungspolitischen Zusammenarbeit zu Tage. Die Notwendigkeit einer konjunktur-und währungspolitischen Koordination wurde durchaus gesehen Diese Einsicht wurde aber überlagert von dem gegenseitigen Mißtrauen gegenüber den Zielsetzungen und der Funktionsfähigkeit gemeinschaftlicher Institutionen und vor allem von der fehlenden Bereitschaft, sich die nationale wirtschaftspolitische Souveränität über Beschäftigung, Wachstum und den Geldwert beschneiden zu lassen. Man einigte sich auf den „kleinsten gemeinsamen Nenner", indem man . praktisch alle Entscheidungsbefugnisse bei den nationalen Regierungen und Institutionen beließ. Zur gegenseitigen Abstimmung begnügte man sich in der Regel mit freiwilligen Konsultationsverfahren.

In Art. 2 EWG-V werden in allgemeiner Form die Ziele des magischen Vierecks als wirtschaftspolitische Grundlage des Vertrages formuliert. Um diese Ziele zu erreichen, sollen die Mitgliedstaaten ihre Wirtschaftspolitik (Art. 6 und 104) und Währungspolitik (Art. 105— 109) koordinieren und in der Konjunktur-politik (Art. 103) zusammenarbeiten. Kennzeichnend für die Unverbindlichkeit dieser Regelungen ist die Behandlung der „gemeinsamen" Konjunkturpolitik in Art. 103: „Die Mitgliedstaaten betrachten ihre Konjunkturpolitik als eine Angelegenheit von gemeinsamen Interesse." Diese Formulierungen wurden ebenfalls gewählt für die Koordinierung der Wirtschaftspolitik (Art. 104) und für die Wechselkurs-und Zahlungsbilanzpolitik (Art. 107— 109).

Eine logische Konsequenz dieser Grundeinstellung war, daß der Kommission und dem Ministerrat auf dem Gebiet der Konjunktur-und Währungspolitik nur das Recht eingeräumt wurde, einstimmig Emplehlungen und Stellungnahmen an die nationalen Regierungen zu richten. Gemäß Art. 189 Abs. 5 EWG-V sind diese „nicht verbindlich". Darüber hinaus enthält der EWG-Vertrag in Art. 73 für den Kapitalverkehr und in Art. 108/109 für den Handelsverkehr zwei Ausweichklauseln, die es den Mitgliedsländern erlauben, bei Zahlungsbilanzschwierigkeiten die Liberalisierungen des Wirtschaftsverkehrs befristet aufzuheben. W. Röpke sprach aus diesem Grunde von der EWG als einer „Zollunion mit Rücktritt-bremse"

Einen Ausweg aus den unzureichenden rechtlichen Regelungen suchte man in einem institutionellen Formalismus. Die Probleme wurden dadurch sichtbarer, blieben aber weiterhin ungelöst. Zur Koordinierung der Wirtschaftspolitik wurden teilweise bereits im Vertrag (Währungsausschuß, Art. 105 Abs. 2), größtenteils aber im Laufe des Integrationsprozesses folgende Koordinierungsinstitutionen eingerichtet: Ausschuß für Konjunkturpolitik 9. März 1960

Ausschuß der Zentralbankpräsidenten 8. Mai 1964 Ausschuß für Haushaltspolitik 8. Mai 1964 Ausschuß für mittelfristige Wirtschaftspolitik 15. April 1964

Ihre Tätigkeit wurde aber auf die Erarbeitung von Vorschlägen, Gutachten und Stellungnahmen und auf das Sammeln von Informationen beschränkt.

Es wurden zwar wirtschaftspolitische Ziele und allgemeine Verhaltensweisen umschrieben und Koordinierungsinstitutionen gegründet; verbindliche Verfahrensregeln für die Zusammenarbeit in. Konjunktur-und Währungsfragen zu beschließen, war politisch unerreichbar. Erst recht gelang es nicht, eine gemeinsame Rangordnung der wirtschaftspolitischen Ziele festzulegen, die Voraussetzung einer erfolg reichen Koordinierung der Wirtschaftspolitik ist. Die gewählten Lösungen waren zu schwach und wurden zu wenig beachtet, um wenigstens faktisch eine wirtschaftspolitische Solidarität zwischen den EWG-Staaten zu begründen. In allen bisherigen wirtschaftspolitischen Konfliktfällen im Integrationsprozeß — insbesondere 1964 und 1968/69 — wurde der Vorrang der nationalen Interessenwahrnehmung sichtbar. Gleichzeitig wurden auch die Hoffnungen auf einen Sachzwang als Integrationsvehikel von Grund auf zerstört. Der Agrarmarkt mit seiner Rechnungseinheit („grüner Dollar") wurde nach den Währungskrisen und den Paritätsänderungen Frankreichs und der Bundesrepublik Deutschland 1969 quasi suspendiert. Die nationalen Unterschiede in der Gewichtung der wirtschaftspolitischen Ziele und die unterschiedlichen theoretischen Grundsätze beim Einsatz der wirtschaftspolitischen Instrumente (ganz grob: Globalpolitik gegen Strukturpolitik) waren zu stark. Die nationale Orientierung der Wirtschaftspolitik wurde nicht überwunden.

In ihrer Diagnose des Ausgangspunktes bestätigt die Werner-Gruppe mit Bedauern diese Verhaltensweisen: „Die bisherigen Bemühungen ermöglichten Teilfortschritte, haben aber in der Praxis nicht zu einer wirksamen Koordinierung oder Harmonisierung der Wirtschaits-Politik in der Gemeinschaft geführt, die indessen dem Geist des Vertrages von Rom entsprochen hätte . . . Die Diskussionen über die Konjunkturlage in der Gemeinschaft führten häufig nur zu Empfehlungen ganz allgemeiner Art, selbst wenn das gemeinschaftliche Interesse konkrete Stellungnahmen erfordert hätte. Im allgemeinen hatten die Konsultationsverfahren nicht die erwarteten Ergebnisse, entweder weil sie rein formalen Charakter hatten oder weil sich die Mitgliedstaaten ihnen durch Inanspruchnahme von Ausnahme-klauseln entzogen."

III. Die Kontroverse zwischen den , Ökonomisten" und „Monetaristen" — Ursprung und Verlauf

1. Die Haager Initiative und die Motive der einzelnen EWG-Staaten Für das Verständnis der sehr bewegten Diskussion um die Wirtschafts-und Währungsunion im Jahre 1970 und der problematischen Kompromisse vom 8. /9. Februar 1971 ist es ferner wichtig, die besondere Situation in der EWG vor der Gipfelkonferenz von Den Haag zu beleuchten. Sie bietet einen guten Ansatz zur Erklärung der unterschiedlichen Positionen, von denen die Mitgliedstaaten bei der Abfassung des Kommuniques ausgingen.

Nach zwölf Jahren erfolgloser Bemühungen um eine wirtschafts-und währungspolitische Koordinierung in der EWG, nach den tiefgreifenden Währungskrisen der Jahre 1968 und 1969 in Frankreich und in der Bundesrepublik Deutschland und angesichts des ungelösten Problems, wie der Beitrittsantrag insbesondere Großbritanniens behandelt werden sollte, lag über der inneren und äußeren Integrationspolitik der Schatten der Stagnation. Fortschritte konnten nur mit Hilfe einer gemeinsamen politischen Initiative erzielt werden Besonders auf dem währungspolitischen Gebiet waren sie notwendig, um die bereits entstandene Asymmetrie zwischen der internationalen Verflechtung der Waren-, Dienstleistungs-und Arbeitsmärkte und der dazu fast anachronistisch anmutenden nationalen Wirt-schaftspolitik zu überwinden. Die Handelsbeschränkungen 1968 durch Frankreich, die verstärkte importierte Inflation in der Bundesrepublik Deutschland und die faktische Suspendierung des EWG-Agrarmarktes 1969 demonstrierten eindeutig, wie gefährdet der erreichte Integrationsstand war.

Die Mitgliedstaaten waren zunächst im Jahre 1969 zu der Einsicht gelangt, daß parallel mit einer Vorentscheidung über das Beitrittsproblem nach Vollendung der Zollunion die Wäh-rungskooperation versucht werden sollte. In Den Haag wurden alsbald das anspruchsvolle Ziel einer Wirtschaftsund Währungsunion formuliert und gleichzeitig bereits wichtige materielle Aussagen über den Integrationsweg gemacht (stufenweise; Gemeinschaft der Stabilität und des Wachstums; Harmonisierung der Wirtschaftspolitik; europäischer Reserve-fonds). Es entwickelte sich eine nahezu euphorische Stimmung, die dazu verleitete, die retardierenden Momente zu übersehen. Aber spätestens seit Ende Januar 1970 offenbarten die Inhalte der folgenden offiziellen Stufenpläne Belgien 27. Januar 1970 Bundesrepublik Deutschland 12. Februar 1970 Kommission der EG 4. März 1970 Werner-Plan, veröffentlicht am 10. März 1970 sowie amtliche als auch inoffizielle Stellungnahmen Frankreichs, Italiens und der Niederlande, daß erhebliche Differenzen in der Auslegung der Haager Initiative bestanden. Folgende Merkmale einer vollendeten Währungsunion wurden gleichermaßen aufgeführt: — Gemeinsame bzw. koordinierte Wirtschaftsund Währungspolitik;

— ein föderalistisches EWG-Zentralbanksy-

stem, ähnlich dem Federal Reserve System der USA;

— eine einheitliche Währung oder starre Wechselkursrelationen innerhalb der EWG, solange noch nationale Währungen bestehen;

— die Aufhebung von steuerlichen Wettbewerbsverzerrungen; — die Herstellung völliger Freiheit des Handels-, Dienstleistungs-und Kapitalverkehrs in der EWG.

Was angesichts dieser formalen Übereinstimmung wie ein nebensächlicher Disput um die Mittel sowie um die Zeit-und Rangfolge der Maßnahmen in der Übergangsphase aussieht, war aber in Wirklichkeit von Anfang an auch ein Streit um die Grundsätze, also um die Ziel-inhalte gewesen. Diese Aussage kann am Beispiel des geplanten EWG-Zentralbanksystems verdeutlicht werden. Die Einrichtung einer „zentralen Institution" allein reicht nämlich nicht aus. Damit sie wirksam die Geld-und Kreditpolitik in der EWG beeinflussen kann, müssen ihr gleichzeitig alle wichtigen Kompetenzen übertragen werden. Insbesondere muß das Verhältnis zu den politischen, nationalen und gemeinschaftlichen Instanzen klar fixiert werden. Es muß feststehen, ob sie weisungsabhängig — wie zum Beispiel in Frankreich und Italien — oder weitgehend unabhän-

gig 1— wie die Deutsche Bundesbank — sein soll. Das Innenverhältnis zwischen der europäischen Zentralbank und den nationalen Notenbanken muß geklärt und die währungspolitische Zielsetzung einer europäischen Zentralbank formuliert werden. Es muß darüber entschieden werden, ob die europäische Zentralbank mehr die Wirtschaftspolitik der politischen Instanzen unterstützen oder, davon relativ unabhängig, vorrangig dem Ziel der Währungsstabilität verpflichtet werden soll.

Wo also Einigkeit über eine Institution bestand, war deren Aufgabenkatalog so umstritten, daß von einer Konkurrenz der Ordnungsmodelle gesprochen werden kann.

Entsprechend dieser Kontroverse um grundlegende währungspolitische Ordnungsprinzipien lassen sich die gegensätzlichen Positionen durch die Antinomie „Monetaristen gegen Ökonomisten" kennzeichnen. Bis zum Kompromißvorschlag im Abschlußbericht der Werner-Gruppe konnten die EWG-Mitgliedstaa-ten wie folgt zugeordnet werden: Stärker „monetaristisch" orientiert waren Belgien, Frankreich und Luxemburg; überwiegend „ökonomistisch" ausgerichtet dagegen-die Bundesrepublik Deutschland, Italien und die Niederlande — wobei die jeweils stärksten inhaltlichen Gegensätze durch Frankreich und die Bundesrepublik Deutschland repräsentiert wurden. Zugleich spiegelt diese Kontroverse die unterschiedlichen Motive wider, die der Haager Zielsetzung zugrunde gelegen haben. Es lassen sich vier Motivgruppen unterscheiden 1. Die Bundesrepublik Deutschland suchte nach einem Weg, die Verpflichtung des § 4 des Stabilitätsund Wachstumsgesetzes zu erfüllen Die wirtschaftsund währungspolitische Koordination in der EWG sollte die notwendige außenwirtschaftliche Absicherung der binnenwirtschaftlichen Stabilität bringen Deshalb legte sie in ihrem Stufenplan besonders großen Wert auf vorangehende Koordinierungserfolge vor der Einführung monetärer Maßnahmen (Verengung der Bandbreiten, Zahlungsbilanzkredite, Poolung der Reser-ven) Als Mindestforderung verlangte sie, daß monetäre Maßnahmen nur parallel mit wesentlichen Koordinierungsbemühungen (Parallelitätspostulat) ergriffen werden dürften. Damit sollte das Stabilitätsziel auf die Gemeinschaft übertragen werden. 2. Die entgegengesetzte Position nahm Frankreich ein. Sein Hauptanliegen war, monetäre Mechanismen zu schaffen, um gemeinschaitlich nationale Zahlungsbilanzkrisen, wie sie nach den Mai-Unruhen gegeben waren, zu überwinden. Diese Vorstellungen gingen über die technischen und ökonomischen Aspekte einer Poo-lung der Reserven, einer Verengung der Bandbreite und Erschwerung von nationalen Wechselkursanpassungen weit hinaus. Es vertrat den Standpunkt, daß eine Änderung der Römischen Verträge nicht notwendig sei. Es lehnte also jede Übertragung von wirtschaftsund währungspolitischen Kompetenzen auf Ge-

meinschaftsorgane ab. Die Koordinierung der Wirtschafts-und Währungspolitik sollte in erster Linie durch die oben erwähnten monetären Hebel erzwungen werden (Sachzwangargument). Die Erschwerung rechtzeitiger nationaler Wechselkursänderungen vermindert aber die Möglichkeiten der stabilitätsorientierten Länder, sich zum Beispiel gegen Inflationsprozesse aus Partnerländern abzusichern — oder anders ausgedrückt: Wenn das Stabilitätsziel nicht allgemein verbindlich ist, dann kann das inflationsfreudigste Land die Inflationsrate in der Gemeinschaft bestimmen. Aus dieser Sicht erscheint es dann auch folgerichtig, wenn man von den Stabilitätsländern als Zeichen der Gemeinschaftssolidarität die Anpassung an eine durchschnittliche gemeinschaftliche Inflationsrate verlangte. 3. Bei der Kommission der Europäischen Gemeinschaften dominierte der Wille, durch die währungspolitischen Anstrengungen die bestehenden Agrarmarktregelungen abzusichern. In ihnen sieht die Kommission einen Eckpfeiler der Gemeinschaft 4. Die rein politischen Motive der EWG-Staaten beim Votum für eine Wirtschafts-und Währungsunion sind ebenfalls unterschiedlich gewesen.

a) Für die Bundesrepublik war der Beginn der verstärkten Westintegration eine Voraussetzung für ihre Ostinitiativen

b) Italien hoffte, mit dem Hinweis auf die Verpflichtungen in der Gemeinschaft sein innenpolitisches Reformprogramm leichter verwirklichen zu können.

c) Frankreich wiederum legte aufgrund seiner bisherigen Taktik die Vermutung nahe, daß es beabsichtigte, währungspolitische Fakten zu schaffen, die auch für die beitritts-willigen Länder neue Hürden bedeuten könnten. 2. Wirtschafts-und währungspolitische Grundsätze für eine Währungsunion und die Positionen der „Ökonomisten" und „Monetaristen"

Allein schon die sehr konträren Motive ließen mehr Zurückhaltung oder gar Skepsis gegenüber schnellen Erfolgen angeraten sein. Insbesondere die Terminierung auf ein Jahrzehnt schien m. E. von Anfang an weder der politischen Ausgangslage noch den geschichtlichen Erfahrungen auf diesem Gebiet gerecht zu werden. Damit ist bereits angedeutet, daß die Einigkeit in Den Haag mehr formeller als materieller Natur gewesen ist. Im Grunde waren nämlich alle essentiellen Punkte Umstritten. Strittig waren vor allem folgende Problembereiche: 1. Die Anerkennung des politischen Charakters des Zieles der Wiftschaftsund Wäh-rungsunion. Es war das Ringen um die Einigung über die politische Bedeutung des Stufenplans von seiner ersten Phase an. Die Frage stellte sich also, ob der Eintritt-in die erste Stufe des Planes bereits einen irreversiblen Prozeß auslöst oder ob er nur einem experimentellen Anfang entspricht.

2. Der damit eng verbundene Fragenkomplex, ob und wann gemeinschaftliche wirtschaftsB und währungspolitische Institutionen errichtet und mit welchen Kompetenzen sie ausgestattet werden sollen.

3. Die Frage über die zweckmäßigste Methode; ob die Integration unter Beachtung des Parallelitätspostulats, also durch eine direkte politisch autorisierte Koordination unterstützt und beschleunigt oder mehr indirekt über die freiwillige Koordination aufgrund postulierter Sachzwänge gefördert werden soll.

4. Die Entscheidung, welche Rangfolge den wirschaftspolitischen Zielen in der Übergangszeit und in der vollendeten Wirtschaftsund Währungsunion beigemessen werden soll.

Die Abweichungen in den Positionen der „Ökonomisten" und „Monetaristen" lassen sich am besten zeigen, wenn sie an einigen Grundsätzen über die Ziele und Institutionen einer Währungsunion und über einen Integrationsweg gemessen werden. Sie können somit auch als Maßstab zur Beurteilung der tatsächlichen Entwicklung bis zu den Minister-ratsbeschlüssen vom 8. /9. Februar 1971 verwendet werden.

Grundsatz 1: Der politische Gehalt einer Währungsunion Die Währungsunion hat einen eminent politischen Gehalt. Die wesentlichsten Kennzeichen der echten Währungsunion sind, daß die Geld-und Kreditpolitik und die Konjunktur-politik durch übernationale Instanzen ausgeübt werden.

In einer sehr aufschlußreichen Studie hat Hans R. Krämer nachgewiesen, daß Währungsunionen in der Vergangenheit und auch in der Gegenwart nur dann erfolgreich waren, wenn sich die Staaten von vornherein oder später auch zu einer politischen Union zusammenschlossen.

Diese Erkenntnis für eine Zeit, in der das liberale Trennungsprinzip zwischen Politik und Wirtschaft weitgehend galt, gewinnt heute um so mehr an Bedeutung. Das 20. Jahrhundert ist das Zeitalter der „Politisierung" der Wirtschaftspolitik durch den Protektionis-mus im Handelsverkehr, die Konvertibilitäts-schranken im Kapitalverkehr, die Manipulation der Geldschaffung und durch den gesteuerten Einsatz der Fiskalpolitik. Die Schaffung binnenmarktähnlicher Verhältnisse ist die Grundlage jeder Währungsunion. Damit werden die Märkte und die nationalen wirtschaftspolitischen Maßnahmen internationalisiert. In dem Maße, in dem die Möglichkeit der nationalen Kontrolle und Beeinflussung der Märkte schwindet, wird deshalb heute nicht nur die wirtschaftspolitische, sondern auch die politische Souveränität der Einzelstaaten beschränkt.

Die Währungsunion kann am besten im Rahmen einer bereits bestehenden politischen Union verwirklicht werden. Sofern diese noch nicht besteht, verlangt die Errichtung einer Währungsunion eine sehr weitgehende politische Bereitschaft, auf nationale Rechte ganz oder teilweise zugunsten gemeinsamer Organe zu verzichten. Dieser Verzicht ist natürlich um so größer und verursacht dementsprechende Widerstände, je stärker der Staatseinfluß auf den nationalen Wirtschaftsprozeß im Ausgangszeitpunkt ist. Deshalb sollte bereits am Anfang eines Integrationsprozesses die Endstufe auch mit ihrem politischen Inhalt gesehen und akzeptiert werden, um zu vermeiden, daß die Ziele und der Integrationsweg zur vollendeten Union verstärkt in den Strudel kurzfristiger nationaler Interessengegensätze geraten. Die Währungspolitik ist für die unter solchen Gegebenheiten zu erwartenden Kompromisse der denkbar ungeeignetste Bereich.

Grundsatz 2: Das Verhältnis wirtschaits-und währungspolitischer Organe zu den politischen Instanzen Es ist daher unerläßlich, um die Wirtschaftsund Währungspolitik verbindlich und wirksam zu koordinieren und zu zentralisieren, zwar schrittweise, aber endgültig die Entscheidungskompetenz auf gemeinschaftliche Institutionen zu übertragen.

Als Grundsatz hat zu gelten:

— Für die interne Geld-und Kreditpolitik sollte bereits in der Übergangszeit begonnen werden, ein von politischen Instanzen weisungsunabhängiges Zentralbanksystem zu schaffen. Die Bank Deutscher Länder (1948—57) könnte dabei als Vorbild dienen, da sie weisungsunabhängig war und föderalistische Elemente mit der Notwendigkeit zentraler währungspolitischer Entscheidungen verband.

— Für die Fiskalpolitik muß auf Gemeinschaftsebene ein Entscheidungsgremium und ein politisches Kontrollorgan — zum Beispiel das Europäische Parlament — geschaffen werden.

Grundsatz 3: Die wirtschaftspolitische Zielformulierung für eine Währungsunion Ebenso wichtig ist, daß eine Währungsunion nur dann angestrebt werden sollte, wenn Klarheit über die Rangordnung der wirtschaftspolitischen Ziele besteht. Konkret heißt das: dem Ziel der Währungsstabilität ist die Priorität einzuräumen. Die Koordination der Inflationsraten auf ein mittleres gemeinschaftliches Niveau ist abzulehnen. Die Währungsstabilität ist kein bloßes Glaubensbekenntnis — es ist nicht unmöglich, sie annähernd zu erreichen. Hinter diesem Ziel stehen schwerwiegende ökonomische und gesellschaftspolitische Überlegungen. Stabile Preise sind die besten Voraussetzungen für gesellschaftspolitische Stabilität, für eine Intensivierung der internationalen Arbeitsteilung und gegen Zahlungsbilanzstörungen. Ferner gibt es keine durchschlagenden Argumente, daß das Ziel der Geldwertstabilität grundsätzlich mit den Zielen der Vollbeschäftigung und des Wachstums nicht vereinbar ist

Die Anerkennung oder Abschwächung dieser Grundsätze zur Erreichung einer echten Währungsunion sind der eigentliche Kern der Kontroverse zwischen den „Ökonomisten" und „Monetaristen". Während die „Ökonomisten" bereit sind, diese Grundsätze zu akzeptieren und für eine parallele Einführung von monetären Maßnahmen sowie von verbindlichen Koordinierungsanstrengungen plädieren, lehnen die „Monetaristen" das Ziel der Preisstabilität, eine verbindliche Koordinierung der Wirtschaftspolitik und vor allem eine eindeutige Erklärung zu den politischen Implikationen des Integrationsprozesses ab oder glauben, darauf verzichten zu können. Sie wollen in erster Linie über eine „monetäre Schiene" die Integration verwirklichen. Sie behaupten, daß vor allem durch die frühzeitige Schaffung quasi binnenmarkt-ähnlicher Verhältnisse — geringe Bandbreite der Wechselkurse — ein ausreichender Integrationszwang zu erreichen sei.

Da die Frage nach der Stichhaltigkeit dieser Argumentation gerade nach den Beschlüssen vom 8. /9. Februar 1971 in den Mittelpunkt des Interesses gerückt ist, soll sie genauer analysiert werden. Um die innere „Logik" der „monetaristischen" Argumentation zu begreifen, muß man ihre Maßnahmenkombination im ganzen untersuchen.

Zuvor jedoch einige Bemerkungen zu der Sachzwangstrategie der „Monetaristen": Dazu sei zunächst auf ein weiteres Ergebnis der bereits erwähnten Studie von Hans R. Krämer verwiesen, daß nämlich politische Unionen durch wirtschaftliche Integrationsformen wohl erleichtert, aber nie erzwungen werden. Die „Monetaristen" lehnen eine direkte Koordination der Wirtschaftspolitik ab. Sie wollen sie zwar auch, aber nur durch die Hintertür eines Sachzwanges. Da die „Ökonomisten" ohnehin koordinierungsbereit sind, legen die „Monetaristen" also sich selber einen Zwang auf. Diese Art der Selbstüberlistung ist zu durchsichtig, um dahinter nicht eine weitergehende Zielsetzung zu vermuten.

Eine Verengung der Bandbreite oder gar eine Fixierung der Wechselkurse als erster Schritt zur Währungsunion muß nicht zwangsläufig falsch sein. Letztlich kann jeder Wechselkurs — und sei er noch so falsch — nachträglich zu einem Gleichgewichtswechselkurs gemacht werden, wenn die Wirtschaftspolitiker bereit sind, die binnenwirtschaftlichen Wertgrößen durch Inflation (bei unterbewertetem Kurs) oder Deflation (bei überbewertetem Kurs) an das Datum des Wechselkurses anzupassen. Die Rückkehr Großbritanniens 1926 zur Gol Parität von 1914 und teilweise auch die Weigerung der Regierung Brüning, de Wechselkurs abzuwerten, sind Beispiele u eine solche Wirtschaftspolitik. Ein Sachzwang geht von der Fixierung der Wechselkurse nur aus, wenn die Wirtschaftspolitik zur abhängigen Variablen des Wechselkurses erklärt wird Eine autonome Konjunktur-politik, bei der unterschiedliche Präferenzen für eines der wirtschaftspolitischen Ziele (Vollbeschäftigung, Geldwertstabilität) bestehen und bei der der geld-und fiskalpolitische Mitteleinsatz (Globalpolitik oder mehr Strukturpolitik) international stark voneinander abweichen, wäre dann ausgeschlossen. Aber heute bestehen teilweise äußere Bedingungen, wie zu Zeiten der Goldwährung (über längere Zeiträume stabilisierte Wechselkurse), und gleichzeitig wird eine nationale Wirtschaftspolitik betrieben, als ob flexible Wechselkurse existierten. Von der Anerkennung eines Sachzwanges kann dabei keine Rede sein. Derartige Verhaltensweisen, gekoppelt mit nahezu auflagenlosen Zahlungsbilanzkrediten, sind die Ursachen der internationalen Inflationsübertragung.

Da in der EWG gerade die „Monetaristen" eine Tendenz zu diesen Verhaltensweisen dokumentieren, müßten sie bei einer Befolgung ihrer eigenen Sachzwangstrategie eine erstaunliche Kehrtwendung in ihren konjunkturpolitischen Verhaltensweisen vollziehen. Diese ist jedoch gar nicht vorgesehen. Im Gegenteil, beabsichtigt ist zumindest ein teilweiser Export der eigenen Inflation und eine Verlagerung der Anpassungslasten auf die Nachzügler im inflationären Geleitzug der Gemeinschaft.

In allen Stufenplänen wird davon ausgegangen, daß in naher Zukunft innerhalb der EWG noch Zahlungsbilanzstörungen auftreten werden. Die „Ökonomisten" verlangen deshalb verstärkt eine Ursachentherapie — die verbindliche Koordinierung der Wirtschaftspolitik zur präventiven Vermeidung von Zahlungsbilanzungleichgewichten. Die „Monetaristen" dagegen bestehen auf einer Kompensationstherapie — der Bereitstellung von Zahlungsbilanzkrediten und einer frühzeitigen teilweisen Poolung der Reserven (Aufhebung der Rückzahlungsverpflichtung) zur nachträglichen Überbrückung von Zahlungsbilanz-Schwierigkeiten. Parallel dazu verweigern oder erschweren sie eine verbindliche wirt-schaftspolitische Zielformulierung und Koordinierung sowie eine Übertragung wirtschaftspolitischer Instrumente auf Gemeinschaftsorgane. Die Zahlungsbilanzkredite, die heute im Rahmen des IWF und zusätzlich innerhalb der EWG gewährt werden, werden von den Empfängerländern, das heißt in der Regel von den Stabilitätsländern, durch tendenziell inflatorische Nettogeldschöpfung finanziert In diese Länder fließen die Kapitalien, weil ihre Zinsen relativ höher sind und/oder sie erleben eine zusätzliche Güternachfrage aufgrund der inflationären Übernachfrage des Defizitlandes, weil ihre Preise günstiger sind. Dieser mikround makroökonomische Prozeß der Inflationsübertragung ist besonders stark, wenn in den relativ preisstabilen Ländern bereits Vollbeschäftigung herrscht. Ferner wirkt dieser Inflationierungsprozeß um so nachhaltiger, je größer das Kreditvolumen ist und je später die Rückzahlung des Zahlungsbilanzkredits verlangt wird Ein neues Gleichgewicht kommt nur bei einem höheren Preisniveau zustande! Die vorgeschlagenen EWG-Kreditmechanis-men sowie die von den „Monetaristen" angestrebte Poolung der Reserven erfüllen die oben skizzierten Bedingungen (teilweise ein automatisches Zugriffsrecht, keine oder nur sehr vage wirtschaftspolitische Auflagen, ein Volumen, das auf ein Land kumuliert werden kann, von 2 Mrd. RE — 1 RE = 1 US-Dollar — sowie eine Laufzeit bis zu fünf Jahren).

Die „Monetaristen" sind letztlich gar nicht bereit, sich einem Sachzwang zu unterwerfen.

Im Gegenteil: Sie wollen nicht nur ihre wirtschaftspolitischen Instrumente behalten, son- dem den Spielraum für ihren Einsatz sogar noch vergrößern. Sie fordern monetäre Mechanismen, die es ihnen ermöglichen, ohne eigene schmerzhafte binnenwirtschaftliche Anpassungen ihre Schwierigkeiten teilweise zu exportieren. Sie könnten ihre relativ autonome Konjunkturpolitik weiterführen und er-erhielten bei selbst verschuldeten Zahlungsbilanzstörungen Kredite, die die Stabilitätsländer durch Nettogeldschöpfung finanzieren. Die von den „Monetaristen" angestrebte Maßnahmenkombination (Verringerung der Bandbreite, kurz-und mittelfristige Kreditmechanismen, teilweise Poolung der Reserven in einem Devisenausgleichsfonds und eine Koordinierung der Wirtschaftspolitik auf freiwilliger Basis) eröffnet die Gefahr einer stärkeren Inflationierung der Gemeinschaft. Angesichts dieser Extremposition hätten die „Ökonomisten" mit Nachdruck auf dem Ziel einer Stabilitätsgemeinschaft und auf der Verwirklichung des Parallelitätspostulats beharren müssen. 3. Die Berichte der Werner-Gruppe Was geschah 1970? Nachdem bis März 1970 die Standpunkte aller Mitgliedstaaten ungefähr zu übersehen waren, wurde die Ausarbeitung eines Kompromißvorschlages vom Ministerrat am 6. März 1970 einer Sachverständigengruppe unter Leitung des luxemburgischen Ministerpräsidenten P. Werner übertragen. Am 20. Mai 1970 legte die Werner-Gruppe einen Zwischenbericht vor, der neben einer Wiederholung der unterschiedlichen Standpunkte auch folgende einstimmig vorgetragene Aussagen enthielt, die vom Ministerrat aufgenommen wurden. Dadurch erscheint die spätere Entwicklung teilweise als ein klarer Rückzug von bereits akzeptierten Grundsätzen:

— Es wurde festgestellt, daß bis zur und vor allem in der Endstufe wirtschafts-und währungspolitische Kompetenzen auf zentrale Organe übertragen werden müßten.

— Es wird klar gesagt, daß die erforderlichen institutioneilen Reformen Änderungen des Vertrages von Rom voraussetzen; „die hierzu notwendigen Vorarbeiten müssen schon im Laufe der ersten Stufe abgeschlossen werden" — Als oberster Grundsatz für die Verwirklichung des Stufenplanes wurde genannt:

„. . . die wirtschafts-und währungspolitische Einigung ist ein irreversibler Prozeß, auf den man sich mit dem festen Willen einlassen muß, ihn zum Abschluß zu bringen, indem man alle seine wirtschaftlichen und politischen Auswirkungen akzeptiert"

Der Zwischenbericht wurde auf der Ministerratstagung vom 8. und 9. Juni 1970 den Wirtschaftsund Finanzministern der EWG-Länder vorgelegt. Ohne substantielle Abstriche wurden gerade die . letzten Aussagen von allen Ländern angenommen

Diese Ministerratstagung brachte ferner für das Wechselkursproblem eine wichtige Vor-entscheidung:

Die EWG-Mitgliedstaaten beschlossen, unabhängig vom Ausgang der Wechselkursdiskussion im Rahmen des IWF von einer zulässigen größeren Bandbreite der Wechselkurse innerhalb der EWG keinen Gebrauch zu machen.

Am 8. Oktober 1970 legte dann die Werner-Gruppe ihren Abschlußbericht vor, der von allen Sachverständigen als gemeinsamer Kompromißvorschlag akzeptiert wurde. In diesem Bericht sind die weiter oben entwickelten Grundsätze über den politischen Gehalt einer Währungsunion, über die Zuordnung der Kompetenzen auf gemeinsame wirtschaftsund währungspolitische Entscheidungsorgane und über die wirtschaftspolitische Zielformu-

lierung fast vollständig enthalten. Wenn daraus in den Detailvorschlägen auch nicht alle Konsequenzen gezogen wurden so muß doch festgehalten werden, daß er stark „ökonomistische" Züge trägt und im ganzen als ein erfolgversprechender Ansatz gewertet werden muß, das Ziel einer Wirtschaftsund Währungsunion zu verwirklichen. Insbesondere wurde das Sachzwangargument der „Monetaristen" abgelehnt — aufgrund der schlechten Erfahrungen in der EWG und der wohl richtigen Einschätzung der monetaristi-schen Argumentation und der dahinterstehenden Motive und Ziele. Der Abschlußbericht übernimmt im wesentlichen die Beschreibung des Endzustandes und den umfassenden Maßnahmenkatalog des Zwischenberichtes

Er wird aber durch Grundsatzüberlegungen zu den erforderlichen wirtschaftspolitischen und politischen Institutionen in der Endstufe und durch detaillierte Vorschläge für Koordinierungsverfahren für die erste Stufe (1971—73) erweitert, in der nach Meinung seiner Verfasser die Entscheidung über Erfolg oder Mißerfolg der Bemühungen fallen wird. Die wichtigsten Grundsätze und Maßnahmen sind: 1. Die Autoren heben die politische Bedeutung des Integrationsprozesses zur Währungsunion hervor, indem sie ausführen, daß die unabdingbaren Koordinierungs-und Harmonisierungsbemühungen eine „progressive Entwicklung der politischen Zusammenarbeit" voraussetzen. „Die Wirtschafts-und Währungsunion erscheint somit als ein Ferment für die Entwicklung der politischen Union, ohne die sie auf die Dauer nicht bestehen kann." Auf dieser grundlegenden Aussage bauen die weiteren Grundsätze, Anregungen und Detailvorschläge auf. 2. Es wird die Schaffung von zwei arbeitsfähigen wirtschaltspolitischen Institutionen auf Gemeinschaftsebene vorgeschlagen. Ein „wirtschaftspolitisches Entscheidungsgremium" für die Fiskal-und Konjunkturpolitik, das durch ein politisch gestärktes Europäisches Parlament kontrolliert werden soll, und ein „gemeinschaftliches Zentralbanksystem", über dessen Weisungsunabhängigkeit innerhalb der Werner-Gruppe bereits Einvernehmen bestand

3. Ebenso eindeutig wird in der Schlußfolgerung A die wirtschaftspolitische Zielsetzung formuliert. Die Wirtschafts-und Währungsunion „soll es ermöglichen, Wachstum und Stabilitätin der Gemeinschaft zu sichern ... und aus der Gemeinschaft einen Stabilitätsblock zu machen"

4. Es wird unmißverständlich das Parallelitätspostulat als Grundsatz aller Integrationsbemühungen gefordert. Danach muß die Schaffung der Währungsunion mit „parallelen Fortschritten in der Konvergenz und später in der Vereinheitlichung der Wirtschaftspolitiken" verbunden sein. Ferner müssen „parallel zur Einschränkung der wirtschaftspolitischen Autonomie der Mitgliedstaaten . . . entsprechende Kompetenzen auf der Gemeinschaftsebene aufgebaut werden"

Um die Koordinierung verbindlicher zu gestalten, werden folgende behutsame erste Schritte vorgeschlagen: Die Konsultationsverfahren sollen obligatorisch werden, indem jedes Land auf die Anwendung der Ausweichklauseln in den bestehenden Konsultationsabkommen verzichtet Weiterhin soll sich das betroffene Land bei der Abstimmung über wirtschaftspolitische Empfehlungen jeweils der Stimme enthalten 5. In der Frage der Wechselkursfixierung, Aktivierung eines mittelfristigen Kreditmechanismus derund der Schaffung eines „Europäischen Fonds für währungspolitische Zusammenarbeit" (Fonds) wurde eine sehr elastische, aber keineswegs problemlose Lösung gewählt Die Wechselkursbandbreiten zwischen den EWG-Währungen sollen bereits am Anfang der 1. Stufe in einer Experimentierphase von bisher ± 0, 75% = 1, 5% auf ± 0, 6% = 1, 2 Wo gegenüber dem Dollar verringert werden Weitere Maßnahmen (rechtliche Fixierung der verringerten Bandbreiten; weitere Einengung der Schwankungsbreiten; Interventionen am Devisenmarkt auch in Gemeinschaftswährungen) sollen ebenso wie die Schaffung des Fonds abhängig gemacht werden von der Zweckmäßigkeit solchen Vorgehens und von den erzielten Fortschritten in der Konvergenz der Wirtschaftspolitik.

6. Für die Koordinierung der Wirtschafts-und Währungspolitik schlägt die Werner-Gruppe folgende Verfahren und Kompetenzverteilung vor

In der ersten Stufe soll der Ministerrat (Wirtschafts-und Finanzminister der Mitgliedstaaten; die zuständigen Mitglieder der Kommission) das zentrale Entscheidungsorgan für die allgemeine Wirtschaftspolitik sein. An seinen Sitzungen sollen regelmäßig die Notenbank-präsidenten und, wenn es erforderlich ist, weitere hochgestellte Vertreter der Regierungen und der Zentralbanken mit ausreichenden Befugnissen teilnehmen. Auf mindestens drei Tagungen pro Jahr sollen die Wirtschaftslage untersucht, quantitative Orientierungsdaten für die Eckwerte der öffentlichen Haushalte erarbeitet und festgelegt werden. Als Schlußstein soll dann der Rat auf Vorschlag der Kommission einen „Jahresbericht zur Wirtschaftslage der Gemeinschaft" verabschieden. Dieser soll, ebenso wie die auf Gemeinschaftsebene festgelegten mittelfristigen quantitativen Ziele, dem Wirtschafts-und Sozialausschuß und dem Europäischen Parlament vorgelegt und den nationalen Parlamenten vor der Haushaltsberatung zur Kenntnis gebracht werden.

Neben diesen regelmäßigen Untersuchungen sind sogenannte ad hoc-Examen bei Gefahrensituationen vorgesehen. Sie sollen auf Antrag eines Mitgliedstaates oder der Kommission durchgeführt werden, um spezifische Maßnahmen zu empfehlen oder zu beschließen.

Zur besseren Koordinierung der Währungspolitik soll der Ausschuß der Zentralbankpräsidenten Orientierungen für die Geld-und Kreditpolitik festlegen, insbesondere für das Zinsniveau, die Entwicklung der Bankenliquidität und für die Kreditgewährung an den privaten und öffentlichen Sektor. Geplante und tatsächliche Abweichungen von diesen Orientierungen sollen zu Konsultationen im Ausschuß führen. Ebenfalls soll dem Ausschuß das Recht eingeräumt werden, „an Rat und Kommission Stellungnahmen über die von ihm für erforderlich gehaltenen Gemeinschaftsaufgaben zu richten" 7. Für den Übergang zur zweiten Stufe und zur Schaffung der rechtlichen Grundlagen für den Übergang zur vollständigen Währungsunion soll am Ende der ersten Stufe eine Regierungskonferenz gemäß Art. 236 EWG-V einberufen werden. Auf ihr sollen alle Anpassungen und Ergänzungen des EWG-Vertrages als Paket beschlossen werden.

Zusammenfassend muß noch einmal betont werden, daß dieser Bericht bereits ein Kompromiß ist. Er enthält ein Integrationskonzept, das trotz einiger schwerwiegender Einwände die Chance eröffnet, eine echte Währungsunion und Stabilitätsgemeinschaft zu verwirklichen. Voraussetzung dafür wäre jedoch, daß die Grundsätze und Vorschläge konsequent realisiert und gleichermaßen auf die noch ungelösten Fragen (vgl. u. a. Fußnote 46) angewandt werden. 4. Die Stellungnahme der Kommission zu dem Abschlußbericht der Werner-Gruppe Der Abschlußbeicht der Werner-Gruppe wurde trotz geringer Abweichungen von fünf EWG-Staaten begrüßt. Dabei hatten Belgien und Luxemburg eine Annäherung an den Standpunkt der „Ökonomisten" Vollzogen. Paris schwieg. Es drangen nur inoffizielle Informationen durch, daß gaullistische Politiker und Staatspräsident Pompidou den französischen Delegierten in der Werner-Gruppe, B. Clappier (Vizegouverneur der Banque de France und Vorsitzender des EWG-Währungsaus-Schusses), gerügt hätten, weil er den Abschlußbericht unterzeichnete, in dem der französische Standpunkt nicht dominierte.

Kaum zwanzig Tage nach der Veröffentlichung des Abschlußberichtes nahm die Kommission am 29. Oktober 1970 zu den Vorschlägen der Werner-Gruppe Stellung und formulierte Entschließungsvorschläge und -entwürfe für den Rat Diese Eile war ungewöhnlich. Sie kann zum Teil dadurch erklärt werden, daß bis Ende 1970 der Stufenplan verabschiedet werden sollte — allerdings verfolgte sie dabei eine bemerkenswerte Taktik. Der Inhalt des Kommissionspapiers weicht nämlich stark ab von den Vorschlägen der Werner-Gruppe. Die Kommission beschleunigte nicht die Beschlußfassung; ihr Papier kam vielmehr einem Geschäftsordnungsantrag auf Wiedereröffnung der Diskussion gleich. Mögliche Motive dieser Intervention könnten gewesen sein:

1. Eine Stärkung der eigenen Stellung. Die Kommission versteht sich als Motor der Integration. Im Abschlußbericht der Werner-Gruppe werden ihr keine neuen Aufgaben und Rechte zugeteilt

2. Die bewußte Schaffung eines „monetaristischen" Gegengewichts, nachdem in der Werner-Gruppe die „Ökonomisten" einen Sieg nach Punkten errungen hatten. Dafür spricht, daß der Stufenplan der Kommission vom 4. März 1970 stärker „monetaristisch" war und daß die für Währungsfragen zuständige Generaldirektion „Wirtschaft und Finanzen" von dem Franzosen R. Barre geleitet wird, der als „Monetarist" bezeichnet werden kann.

Wenn man die Aussagen der Kommission in ihren Grundzügen klassifiziert und sie den Vorschlägen des Schlußberichts der Werner-Gruppe zuordnet, so hat sie -

— den Abschlußbericht der Werner-Gruppe zu einer subsidiären Entscheidungshilfe für einen Stufenplan abqualifiziert;

— das politische Endziel und die damit verbundenen institutionellen Reformen teilweise ausgeklammert und teilweise abgeschwächt; — mit einer Ausnahme keinen Vorschlag der Werner-Gruppe übernommen, der die Koordination der Wirtschaftspolitik verbindlicher machen sollte;

— die monetären Maßnahmen hervorgehoben; — das Stabilitätsziel entscheidend relativiert und — versucht, ihre eigene Position zu stärken

Die Vorstellungen der Kommission fanden in Paris umgehend ein positives Echo und wurden in der sich anschließenden Diskussion in der Tendenz noch bestärkt. Frankreich gab mittelbar über die Zustimmung zu dieser Stellungnahme der Kommission sein Minderheitsvotum ab. Deshalb ist es zweckmäßig zu umreißen, wie groß die Kluft zwischen den Auffassungen der fünf EWG-Länder, die den Abschlußbericht der Werner-Gruppe stützten, und Frankreich und der Kommission zu diesem Zeitpunkt noch war. a) Die Beurteilung des Abschlußberichtes der Werner-Gruppe durch die Kommission Die Kommission stimmt den Schlußfolgerungen des Abschlußberichts nur „im großen und ganzen" zu. Diese Einstufung wird in dem „Entwurf einer Entschließung" verdeutlicht. In ihr wird der Abschlußbericht nicht gebilligt, sondern in den Vorbemerkungen unter den Erwägungsgründen nur erwähnt. Der Rat soll diese Vorschläge zwar „berücksichtigen", sich aber nicht bei seinen Entscheidungen auf sie „stützen" b) Das politische Ziel der Währungsunion und ihr institutioneller Rahmen im Kommissionspapier

Sofort am Anfang hebt die Kommission unzweideutig hervor, daß sie die im Abschlußbericht „vertretenen Ansichten über die für die Existenz einer Wirtschafts-und Währungsunion unerläßlichen Elemente und über die wirtschaftlichen Konsequenzen einer solchen Union" teilt. Aus dieser Einengung auf den wirtschaftlichen Bereich kann man folgern, daß sie die politischen und institutionellen Schlußfolgerungen des Abschlußberichtes nicht teilt.

Diese Haltung wird an vielen Stellen präzisiert, indem wesentlich schwächere Formulierungen als im Abschlußbericht gewählt werden. Es wird die Taktik eingeschlagen, mög-lichst am Anfang keine verbindliche Vorentscheidung über die politische Entwicklung der Währungsunion treffen zu müssen, zumal für die Kommission die Ergebnisse des Abschlußberichts zeigen, „daß wichtige Fragen sowohl hinsichtlich des Endpunktes wie des Überganges zur Wirtschaftsund Währungsunion noch gründlich untersucht werden müssen" Da der Abschlußbericht gerade hier klare Ziele nennt, bedeutet diese Aussage, daß man sie nicht akzeptiert und sie deshalb relativieren möchte.

Diese Taktik tritt hervor in der Behandlung des Übergangs zur zweiten Stufe. Die Werner-Gruppe schlägt eine Regierungskonferenz vor, auf der alle erforderlichen Vertragsänderungen für die Verwirklichung der Wirtschafts-und Währungsunion als Paket verabschiedet werden. Der Kommissionsentwurf spricht dagegen nur ganz allgemein von Maßnahmen, die „nach der 1. Stufe zu treffen sind" Es wird zwar anerkannt, daß „gewisse" Befugnisse übertragen werden müssen und daß hierin das eigentliche Problem der Führung der Wirtschaftspolitik in der Wirtschaftsunion liege. Eine Lösung dieses Problems wird jedoch ausgeklammert, indem behauptet wird, daß „die endgültige Verteilung der Zuständigkeiten zwischen den Gemeinschaftsinstitutionen einerseits, diesen Institutionen und den Behörden andererseits . . . jetzt noch nicht präjudiziert werden (kann)" Auch dieser Grundsatz hat mehr den Charakter eines taktischen Instruments. Konsequent werden die Stellung des Europäischen Parlaments und seine politischen Befugnisse in der Endstufe offengelassen und in der ersten Stufe abgeschwächt Gleichzeitig wird aber versucht, bei der Koordinierung der Geld-und Kredit-politik die Weichen für ein weisungsabhängiges„europäisches Zentralbanksystem" zu stellen Dadurch würde die Autonomie der Deutschen Bundesbank bereits in der ersten Stufe beschnitten werden. c) Die Koordination der Wirtschaitspolitik Der Grundsatz der Parallelität zwischen monetären Maßnahmen und solchen zur Koordination der Wirtschaftspolitik sowie zwischen der Aufgabe nationaler Instrumente und der Schaffung gleichwertiger Gemeinschaftsinstrumente bleibt unberücksichtigt. Ebenso werden die beiden Vorschläge des Abschlußberichtes nicht übernommen, wonach das jeweils betroffene Land bei Empfehlungen des Rates sich der Stimme enthält und wonach die Mitgliedstaaten auf jede Einschränkung ihrer Konsultationspflicht verzichten. Dafür geht die Kommission aber bei der Haushalts-politik über den Abschlußbericht hinaus, indem sie dem Rat in der ersten Stufe nicht nur das Recht zuspricht, Empfehlungen zu geben, sondern auch Entscheidungen und Richtlinien zu erlassen, die nach Art. 189 Abs. 3 und 4 EWG-V verbindlich sind Ferner legt sie ein größeres Gewicht auf die gemeinsame Regional-und Strukturpolitik bereits in den ersten Stufe. d) Die Betonung monetärer Maßnahmen Ihre Präferenz für monetäre Maßnahmen bekundet die Kommission, indem sie einer Verringerung der Bandbreiten „ganz besondere Bedeutung" beimißt und in der Art, wie sie die Vorschläge für einen Fonds präzisiert. Nach Meinung der Kommission „verdient diese sehr wichtige Frage eine eingehende Prüfung, die unverzüglich fortgesetzt werden sollte". Deshalb schlägt sie vor, daß der Währungsausschuß und der Ausschuß der Zentralbankpräsidenten „bis spätestens 30. Juni 1972" einen Bericht über die Schaf-fung und die Aufgaben eines Fonds erstellen Die Werner-Gruppe war hier zurückhaltender. e) Die Relativierung des Stabilitätszieles Nach den sehr klaren Aussagen im Abschlußbericht begnügt sich die Kommission mit einer Aufzählung der Ziele des magischen Vielecks. Mit dieser Formulierung der wirtschaftspolitischen Ziele wählt sie eine Form, — die schwächer als die des Haager Kommuniques und darüber hinaus sogar — unbefriedigender ist als die des Art. 2 des EWG-Vertrages, in der immerhin eine „größere Stabilität" gefordert wird.

Das Ziel eines Stabilitätsblocks bleibt also offen. Auch bietet diese Zielbeschreibung in Kombination mit der völlig unzureichenden Berücksichtigung der Koordinierung der Wirtschaftspolitik keinen Ansatz, um die unterschiedlichen Zielpräferenzen innerhalb der EWG zu überwinden.

Diese Analyse könnte noch sehr detailliert fortgesetzt werden, da das Kommissionspapier noch viele Nuancierungen, kleinere Auslassungen und verbale Umformulierungen enthält, die eine Abweichung vom Abschlußbericht der Werner-Gruppe bedeuten. Aber diese Gegenüberstellung zeigt bereits deutlich, daß insbesondere Frankreich nicht gewillt war, einem Kompromiß zuzustimmen, der zu große Abstriche am eigenen Konzept verlangen würde. Vielleicht wurde aber die Stellung auch aus taktischen Überlegungen heraus bewußt so gegensätzlich dargestellt, um in den Verhandlungen auf Randgebieten sich nachgiebig erweisen zu können — also Kompromißbereitschaft'zu zeigen —, ohne den Kern aufgeben zu müssen. Die Kontroverse brach wieder aus, allerdings stand Frankreich diesmal einer recht geschlossenen Phalanx der übrigen EWG-Staaten gegenüber. 5. Die Ergebnisse der Ratstagungen vom 23. November und 14. /15. Dezember 1970

Das Kommissionspapier geriet sofort nach seiner Fertigstellung in das Kreuzfeuer der Kritik. Auf der Ratstagung am 23. November 1970 wurden dann die Fronten neu geklärt, indem die Ratsmitglieder die Haltung ihrer Länder erläuterten.

Mit Ausnahme Frankreichs betonten alle EWG-Staaten, daß der Eintritt in den Stufen-plan für eine Wirtschafts-und Währungsunion nur gewagt werden kann, wenn alle EWG-Mitglieder bereit seien, die wirtschaftlichen, politischen und institutionellen Konsequenzen und die Irreversibilität dieses Schrittes anzuerkennen. Die kompromißloseste Haltung nahmen die Niederlande ein. Staatssekretär Schöllhorn vom Bundeswirtschaftsministerium erklärte, daß die Annahme dieser Grundsätze für die Bundesregierung die Voraussetzung sei, um die währungs-und fiskalpolitischen Bindungen eingehen zu können. Belgien und Italien übernahmen diesen Standpunkt mit kleinen Nuancen. Belgien vertrat die Ansicht, daß der Übergang zur zweiten Stufe konkretisiert werden müßte und dann automatischer erfolgen sollte. Italien hingegen sah im Tempo der Steuerharmonisierung gewisse Probleme.

Indem der Präsident der Kommission, Malfatti, in seiner Rede die politischen Elemente des anzustrebenden Zieles stärker betonte und damit vom abwich, wurde Kommissionspapier Frankreich noch stärker isoliert. Frankreich erklärte sich noch einmal mit den Vorschlägen der Kommission einverstanden. Es plädierte für eine konkrete Ausgestaltung der ersten Stufe und wollte diese Aufgabe nicht durch einen Streit um institutioneile Fragen belastet sehen. Diese könnten später eventuell akut werden. Deshalb sollten sie auch erst dann behandelt werden und nicht zu Beginn des Integrationsprozesses. Immerhin vertrat es auch die Auffassung, daß eine Umschreibung der Ziele des Stufenplanes zu den Notwendigkeiten des Augenblicks zähle.

Auf dieser schmalen Verhandlungsbasis sollten die Ständigen Vertreter einen Kompromiß bis zur Ratstagung am 14. /15. Dezember 1970 vorbereiten. Trotz einiger Fortschritte schlug dieser Einigungsversuch fehl. Damit konnte der Auftrag aus dem Haager Kommunique, bis Ende 1970 einen Stufenplan zu verabschieden, nicht verwirklicht werden. Es war weder eine volle Einigung in der Sadie noch über einen neuen Verhandlungstermin zu erzielen. Auch lehnte es die deutsche Vertretung ab, wieder einmal die Uhren anhalten zu lassen, um noch unter ihrer Rats-führung die Verhandlungen fortzuführen. Da der Ratsvorsitz mit dem 1. Januar 1971 auf Frankreich überging, wollte sie mit der Über-gabe der Verhandlungsleitung die Verantwortung für den vorläufigen Fehlschlag klarstellen. Indessen ließen sich folgende Ergebnisse erzielen: Der Abschlußbericht der Werner-Gruppe wurde als Grundlage für Entscheidungen anerkannt. Das Ziel der Stabilitätsgemeinschaft wurde akzeptiert, ebenso wie die Absicht, das Integrationsziel in zehn Jahren zu erreichen. In den Kernpunkten des Integrationsvorhabens wich Frankreich jedoch keinen Schritt von seiner Position zurück. Es war weder bereit, allgemein das politische Ziel zu vertreten, noch dem „gemeinsamen Zentralbanksystem" eine Eigenständigkeit zuzugestehen, noch dem Europäischen Parlament soviel Kompetenzen und Verantwortung zu übertragen, daß es eine wirksame demokratische Kontrolle der wirtschaftspolitischen Gemeinschaftsorgane ausüben kann. Frankreich vertrat den Standpunkt, daß die Wirtschaftsund Währungsunion ohne Änderungen der Römischen Verträge erreicht werden könnte Weiter oben wurde schon gezeigt, wie unzureichend gerade auf dem Gebiet der Wirtschafts-und Währungspolitik die Regelungen des EWG-Vertrages sind.

IV. Die Einigungsbemühungen Anfang 1971 und die Entschließungen und Entscheidungen des Ministerrates über den Stufenplan am 8. /9. Februar 1971

1. Die gemeinsame Plattform zwischen Bonn und Paris nach den deutsch-französischen Konsultationen vom 25. /26. Januar in Paris Die Bemühungen um eine Einigung wurden nicht unterbrochen. Kurz vor Weihnachten 1970 gelang es, eine Finanzregelung für die EWG zu verabschieden, die dem Europäischen Parlament größere Befugnisse einräumt. Die entscheidenden Impulse für die Entschließungen von Anfang Februar 1971 gingen aber von einem deutsch-französischen Kompromiß aus.

Am 21. Januar 1971 äußerte sich Staatspräsident Pompidou während der großen Pressekonferenz zu dem Problem einer Wirtschafts-74 und Währungsunion. In diesen Ausführungen tauchten zwar neue Vokabeln auf, substantiell wurde aber der alte Standpunkt und die geringe Bereitschaft zu Konzessionen bekräftigt.

Er sprach zwar von einer „Konföderation" als möglicher politischer Form für Europa, behandelte diesen Komplex aber so abstrakt und benutzte dafür die Form des Konjunktivs, daß das langfristige Konzept einer französischen Europapolitik letztlich sehr unverbindlich blieb. Demgegenüber wurde das Prinzip der nationalen Eigenständigkeit und einer pragmatischen Politik herausgestellt. Pompidou unterstrich noch einmal das Einstimmigkeitsprinzip auf EWG-Ebene und stellte ihm als Alternative den Bruch der Gemeinschaft gegenüber. Er wies alle supranationalen Zielvorstellungen als Spekulationen zurück und empfahl, „anstatt theoretische Reden darüber auszutauschen, was vielleicht von 1980 an geschehen könnte, sollten sich die Mitgliedstaaten resolut für die erste Etappe engagieren", sie sollten die Methode übernehmen „durch Tatsachen voranzuschreiten und nicht durch Worte und die. Bewegung durch das Voranschreiten zu beweisen" Pompidou benutzte also den „Pragmatismus" und „Realismus" als Schutzschild und taktisches Instrument gegen eine frühe Festlegung auch auf die politischen Ziele der Wirtschafts-und Währungsunion.

Knapp vier Tage nach dieser Bekräftigung des französischen Standpunktes und dem Aufruf zu einer „pragmatischen" Politik begannen die zweitätigen deutsch-französischen Kosultationen in Paris. Die während und nach den Konsultationen veröffentlichten Verlautbarungen von Bundeskanzler Brandt, daß es zwischen Paris und Bonn keine Unterschiede in der Interpretation des Abschlußberichts der Werner-Gruppe gäbe und daß man eine „gemeinsame Plattform" gefunden hätte waren eine Überraschung. Sie signalisierten, daß eine Seite ihre Haltung revidiert haben mußte. Da Frankreich im Laufe der EWG-Verhand-lungen noch nie seine Grundsatzposition so kurzfristig umgeworfen hatte, konnte das nur auf deutscher Seite geschehen sein. Diese Vermutung wurde bestätigt, als der Bundesaußenminister die „gemeinsame Plattform" am 29. Januar 1971 in einer Rede vor dem Bundestag vortrug und erläuterte

Die „gemeinsame Plattform" umfaßte danach folgende Bereiche:

1. „Die Bundesregierung und Frankreich stimmen darüber überein, daß alles darangesetzt werden muß, die Wirtschaftsund Währungsunion innerhalb der vorgeschlagenen Zehn-jahresfrist zu verwirklichen."

2. Der Zusammenhang zwischen wirtschaftlichen und monetären Maßnahmen wird von Frankreich „voll" anerkannt.

3. Man einigte sich auf gemeinsame Orientierungslinien für die weiteren Beratungen, insbesondere über die Ausgestaltung der Endstufe und die Übertragung der erforderlichen Befugnisse auf Organe der Gemeinschaft. Dabei soll für das Verhältnis der Gemeinschaft zu den Mitgliedstaaten das Subsidiaritätsprinzip gelten.

4. Insbesondere für das „gemeinschaftliche Zentralbanksystem" wurde das Prinzip der Eigenständigkeit von beiden Seiten akzeptiert. 5. „Nach Ablauf der ersten Stufe muß darüber gesprochen und entschieden werden, wie denn der weitere Weg aussieht, den wir in den nächsten Etappen — das mögen noch zwei oder noch drei oder wie viele auch immer sein — gehen müssen."

6. „Es muß darüber entschieden werden, ... ob für diese weiteren Etappen Vertragsänderungen nötig sind und wie solche Vertragsänderungen aussehen können."

7. Die erste Stufe soll mit allen währungspolitischen Maßnahmen (Einengung der Bandbreiten der Wechselkurse innerhalb der Gemeinschaft, gemeinsame Interventionen der Zentralbanken der Gemeinschaft auf den Devisenmärkten, Bereitstellung eines mittelfristigen Währungsbeistandes bis zu 2 Mrd. RE und eventuell die Errichtung eines Devisenausgleichsfonds oder eines Reservefonds) für vorerst vier Jahre beginnen. Da diese Entscheidung die Gefahr einer Perpetuierung allein der monetären Maßnahmen nicht ausschließt, wurde zur Absicherung des Parallelitätspostulates folgendes Verfahren vorgeschlagen: Nach drei Jahren soll Bilanz gezogen und über die weiteren Integrationsschritte entschieden werden. Falls keine Einigung erzielt wird, bleiben die währungspolitischen Maßnahmen für ein weiteres Jahr in Kraft. Wenn dann ein Partner weiterhin den Übergang zur zweiten Stufe mit ihren verstärkten wirtschafts-und finanzpolitischen Maßnahmen verhindern sollte, würde er entweder — von dem gemeinschaftlichen Währungsbeistand ausgeschlossen werden („clause de prudence" — ein Vorschlag des französischen Staatspräsidenten) oder — die monetären Mechanismen und Einrichtungen würden automatisch auslaufen („clause de sauvegarde" — Verfallsklausel; der Vorschlag der deutschen Seite).

Diese Plattform wurde vom Bundeswirtschaftsminister am 29. Januar 1971 vor dem Bundestag in einem Acht-Punkte-Programm als Marschroute der Bundesregierung für die Verhandlungen vom 8. /9. Februar 1971 in Brüssel „ökonomistischer" zusammengefaßt

1. Die Regierungen sollen am Anfang des Stufenplanes den politischen Willen bekräftigen, die Wirtschaftsund Währungsunion innerhalb von zehn Jahren zu verwirklichen.

2. Zwischen wirtschafts-und währungspolitischen Aktionen muß durchgehend eine efiektiveParallelität gesichert sein. 3. Es müssen einige fundamentale Prinzipien auch für die Endstufe zu Beginn des Integrationsprozesses formuliert werden: insbesondere über die Kompetenzen von Gemeinschaftsorganen für eine gemeinsame Geld-und Kreditpolitik, für die Steuerpolitik, für die Budgetpolitik und für die Kapitalmarktpolitik. 4. Die Gemeinschaftsorgane müssen in der Lage sein, rasch und wirksam die wirtschaftspolitischen Entscheidungen treffen zu können, „die für den Zusammenhalt und für das Funktionieren der Union erforderlich sind". Dabei müssen „selbstverständlich" die Befugnisse des Europäischen Parlaments ausgebaut werden.

5. Ein gemeinschaftliches Zentralbanksystem muß eine seinen Aufgaben adäquate Eigenverantwortlichkeit besitzen. Die Art der Zusammenarbeit zwischen den nationalen Notenbanken soll der Ausschuß der Zentralbankpräsidenten festlegen. Mit dieser Lösung könnte auch der in den einzelnen Ländern unterschiedlichen konstitutionellen Stellung der Zentralbanken Rechnung getragen werden.

6. Die erste Stufe könnte mit allen monetären Maßnahmen bald beginnen.

7. Da heute niemand rechtsverbindlich erklären kann, ob die Einigung am Ende der ersten Stufe zustande kommen wird, soll eine Verfallsklausel vorgesehen werden. Eine bloße Sicherheitsklausel sei zu schwach, um einen „heilsamen Druck" auszuüben. Die Verfalls-78) klausel könnte wirksam werden, wenn nach spätestens vier Jahren keine Einigung erzielt würde.

8. Die Gemeinschaft soll die Beschlüsse so formulieren, „daß auch Beitrittsanwärter am Ende der ersten Stufe für den gemeinsamen Über-gang zur folgenden Phase und für deren Gestaltung optieren könnten".

Dieses Maß an Übereinstimmung wurde bei den Gesprächen zwischen dem italienischen Ministerpräsidenten Colombo und dem französischen Staatspräsidenten Pompidou am 28. Januar 1971 nicht erzielt. Italien vertrat die Schlußfolgerungen des Abschlußberichtes der Werner-Gruppe. Es befürwortete wohl eine realistische Politik — mit einer klaren politischen Zielsetzung und einer klaren Formulierung der Endstufe. Inoffiziell sollen Mitglieder der italienischen Delegation ihre Enttäuschung über das deutsche Einlenken auf die französische Linie angedeutet haben Diesen Verdacht wies die Bundesregierung zurück, indem sie hervorhob, daß sie von dem „ursprünglichen Konzept auf der Basis des Werner-Berichtes nichts weggegeben (habe)“ Weiterhin betonte sie, daß sie gerade das politische Ziel nicht aus dem Auge verloren habe

Die Ergebnisse der deutsch-französischen Konsultationen haben die Beschlußfassung am 8. /9. Februar im Ministerrat entscheidend geprägt. Aus diesem Grunde soll die Haltung der Bundesregierung nach den Pariser Konsultationen mit der Auffassung in ihrem Stufenplan und in ihrer Stellungnahme zum Bericht der Werner-Gruppe erst im Anschluß an eine Darstellung der endgültigen Beschlüsse des Ministerrates verglichen werden. 2. Der Beginn des Stufenplanes: Die Entschließung und die Entscheidungen des Ministerrates vom 8. /9. Februar 1971

Nach dem Kompromiß innerhalb der Werner-Gruppe und der Kontroverse um diesen Bericht kam es am 8. /9. Februar 1971 in Brüssel zu einem Kompromiß über den Kompromiß. Mit den getroffenen Entschließungen und Entscheidungen begann die erste Stufe auf dem Weg zur Währungsunion.

Dennoch ähnelt dieses Ergebnis mehr einem Januskopf als dem Anfang eines dynamischen, irreversiblen Integrationsprozesses. Die Sicht nach vorn ist da, wenn auch gegenüber dem Abschlußbericht der Werner-Gruppe abge-

schwächt: Die getroffenen Maßnahmen und die Behandlung des politischen Zieles beharren aber stärker auf dem Status quo oder beinhalten das Risiko eines frühzeitigen Scheiterns. Nahezu alle wirtschaftlichen Schlußfolgerungen des Werner-Berichtes wurden übernommen. Es besteht aber eine klare Asymmetrie zwischen den Zielen und den Maßnahmen. Die erste Stufe ist gekennzeichnet durch konkrete Beschlüsse auf dem monetären und Absichtserklärungen im wirtschaftspolitischen Bereich. Als Kern dieses Kompromisses erweist sich aber die Tatsache, daß das politische Ziel gegenüber dem Abschlußbericht der Werner-Gruppe teilweise abgeschwächt und an der entscheidenden Stelle ausgeklammert wurde. Der Rat folgte hier dem Kommissionspapier. Die Beschlüsse setzen sich zusammen aus einer Entschließung und zwei Entscheidungen, und zwar über die Koordination der kurzfristigen Wirtschaftspolitik sowie über die Verstärkung der Zusammenarbeit zwischen den Zentralbanken. Es genügt, im folgenden nur die wichtigsten Grundsätze aufzuzeigen. a) Die Entschließung des Rates Der politische Kern der Ratsentschließung:

Die Entschließung des Rates basiert zwar auch auf den Schlußfolgerungen des Abschlußberichtes der Werner-Gruppe, stützt sich jedoch in dem wesentlichen Punkt auf das Kommissionspapier: Es werden für die Endstufe nur die wirtschaftlichen, nicht aber auch die politischen Konsequenzen einer Wirtschaftsund Währungsunion akzeptiert. Folgerichtig äußert der Rat auch nur den Wunsch, den irreversiblen Charakter des Integrationsprozesses zu bekräftigen.

Die angestrebten wirtschaftspolitischen Ziele:

Verbal folgt der Rat dem Abschlußbericht der Werner-Gruppe. Es wird der politische Wille bekundet, innerhalb der kommenden zehn Jahre die Wirtschafts-und Währungsunion als eine Stabilitätsgemeinschaft mit binnenmarkt-ähnlichen Verhältnissen zu verwirklichen. Da-

u ist beabsichtigt, wesentliche wirtschafts-und währungspolitische Befugnisse auf Gemeinschaftsinstitutionen zu übertragen — auf ein eigenständiges gemeinschaftliches Zentral-banksystem und auf ein wirtschaftspolitisches Entscheidungsgremium, das vom Europäischen Parlament kontrolliert wird. In der Übergangszeit soll bei allen Maßnahmen das Parallelitätspostulat beachtet werden.

Die beabsichtigten Maßnahmen zur Koordinierung und Harmonisierung der Wirtschaftsund Währungspolitik:

Damit die Ziele und Grundsätze verwirklicht werden — soll der Rat die kurzfristige Wirtschaftspolitik wirksamer koordinieren und quantitative Orientierungen für die Wirtschaftspolitik festlegen. Um die vorherigen obligatorischen Konsultationen zu intensivieren, erteilte der Rat dem Ausschuß der Ständigen Vertreter den Auftrag, bis zum 1. Juli 1971 solche Verbesserungen zu prüfen;

—wird der Rat die notwendigen Maßnahmen ergreifen, um die wirtschaftspolitischen Instrumente schrittweise zu harmonisieren;

— sollen die wichtigsten Steuern harmonisiert werden

— soll der Kapitalmarkt für Emissionspapiere schrittweise liberalisiert und die Kapitalmarktpolitik koordiniert werden;

— wird der Rat die erforderlichen Maßnahmen für einen ersten Schritt zu einer Struktur-und regionalen Strukturpolitik auf Gemeinschaftsebene beschließen;

— soll die Geld-und Kreditpolitik stärker koordiniert werden, vor allem durch Konsultationen innerhalb des Währungsausschusses und des Ausschusses der Zentralbank-8 Präsidenten. Beide Ausschüsse sollen in enger Zusammenarbeit ihre Bemühungen um eine Harmonisierung der währungspolitischen Instrumente fortsetzen.

Diese beabsichtigten Koordinierungsbemühungen werden durch folgende währungspolitische Beschlüsse und weitere Aufforderungen an die Mitgliedstaaten ergänzt:

— Es wird noch einmal der Beschluß vom 8. /9. Juni 1970 wiederholt, in dem die EWG-Staaten darauf verzichten, von der Möglichkeit Gebrauch zu machen, das Wechselkurs-system im Verhältnis zueinander aufzulockern

— Der Rat und die Mitgliedstaaten ersuchen die Zentralbanken der Mitglieds-länder, durch abgestimmte Interventionen am Devisenmarkt schon zu Beginn der ersten Stufe versuchsweise die Bandbreite zwischen den EWG-Währungen zu verringern.

— Der Ministerrat entschied endgültig über die Einführung eines mittelfristigen finanziellen Beistandssystems. Es hat ein Volumen von 2 Mrd. RE und soll ab 1. Januar 1972 in Kraft gesetzt werden.

— Bis spätestens 30. Juni 1972 sollen der Währungsausschuß und der Ausschuß der Zentralbankpräsidenten einen Bericht über die Errichtung, Aufgaben und Satzung eines Fonds erstellen — Den Schlußstein bildet die Verfallsklausel. Sie lautet: „Zur Unterstützung einer harmonischen Durchführung des Planes für die Wirtschafts-und Währungsunion und um insbesondere die notwendige Parallelität zwischen den wirtschafts-und währungspolitischen Maßnahmen sicherzustellen, beträgt die Gültigkeit der Bestimmungen währungspolitischen Charakters .. . sowie die Anwendungsdauer des mittelfristigen Beistandssystems 5 Jahre vom Beginn der ersten Stufe an. Nadi einer Übereinkunft über den Eintritt in die zweite Stufe bleiben die oben erwähnten Maßnahmen in Kraft."

Der Übergang zur zweiten Stuie:

Vor Ende der dreijährigen ersten Stufe treffen der Rat und ggf. die Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten „die Maßnahmen, die nach dem Übergang zur zweiten Stufe zur vollständigen Verwirklichung der Wirtschafts-und Währungsunion führen". Dazu zählen auch Ergänzungen (Art. 235) und Änderungen (Art. 236) des EWG-Vertrages. Damit wird die Forderung der Werner-Gruppe nach einer Verabschiedung aller noch ausstehenden Regelungen in einem Paket auch von Frankreich angenommen b) Die Entscheidungen des Rates zur Koordinierung der Wirtschafts-und Währungspolitik vom 8. /9. Februar 1971

Auf der Grundlage der soeben dargestellten Entschließung traf der Rat zwei Entscheidungen, die sich nur in wenigen, aber wichtigen Passagen von den Entwürfen und Vorschlägen der Kommission vom 29. Oktober 1970 unterscheiden (s. o.).

Die Entscheidung des Rates zur Verstärkung der Koordinierung der kurzfristigen Wirtschaftspolitik:

Der Rat tritt jährlich dreimal zusammen, um die Wirtschaftslage zu prüfen. Auf der Grundlage einer Mitteilung der Kommission, die gegebenenfalls Vorschläge für Entscheidungen, Richtlinien oder Empfehlungen enthält, legt der Rat die Leitlinien für die kurzfristige Wirtschaftspolitik fest, „die im Interesse einer harmonischen wirtschaftlichen Entwicklung von der Gemeinschaft und von jedem einzelnen Mitgliedstaat zu verfolgen ist", über weitere Koordinierungsverfahren sollen — wie bereits erwähnt — die Ständigen Vertreter bis 1. Juli 1971 einen Bericht vorlegen. In einer Erklärung für das Protokoll vertraten die belgische und italienische Delegation die Auffassung, daß der Rat im Hinblick auf eine verbindlichere Koordinierung der Wirtschaftspolitik nur noch Beschlüsse oder Richtlinien erlassen sollte. Der Rat seinerseits hält es für zweckmäßig, daß die Gouverneure der Zentralbanken an den Beratungen des Rates teilnehmen.

Dem Europäischen Parlament wird wie in der Stellungnahme der Kommission nur ein Anhörungsrecht zugestanden. Der Vorschlag der Werner-Gruppe, daß sich das jeweils betroffene Land bei Abstimmungen über wirtschaftliche Entscheidungen der Stimme enthält, wird nicht aufgegriffen.

Die Entscheidung des Rates über die Verstärkung der Zusammenarbeit zwischen den Zentralbanken der Mitgliedstaaten:

Bemerkenswert ist die Art und Weise, wie die Koordination zwischen den nationalen Zentralbanken geregelt wird. In der Entschließung des Rates wird für die Endstufe der Wirtschaftsund Währungsunion für ein weisungsunabhängiges gemeinschaftliches Zentralbanksystem votiert. Es soll „im Rahmen seiner Eigenverantwortung zur Verwirklichung des Stabilitäts-und Wachstums-zieles der Gemeinschaft beitragen". Für die Koordinierung der Geld-und Kreditpolitik in der ersten Stufe wird jedoch auf eine Weichenstellung in diese Richtung — entgegen den Vorschlägen der Werner-Gruppe — verzichtet. Zwar wird festgelegt, daß die Geld-und Kreditpolitik „unter Beachtung der vom Rat festgelegten allgemeinen wirtschaftspolitischen Leitlinien" koordiniert werden soll. Die umstrittene Formulierung der Kommission wird also nicht übernommen. Gleichzeitig kommt jedoch zum Ausdruck, daß die Mitgliedstaaten zu diesem Zweck ihre Zentralbanken einladen, „in den Grenzen ihrer Befugnisse und im Rahmen ihrer Eigenverantwortung a) ihre Geld-und Kreditpolitik im Ausschuß der Notenbankgouverneure zu koordinieren; b) die allgemeinen Leitlinien, die jede von ihnen einhalten soll, festzulegen ..." (Her-vorh. vom Autor).

Damit wird lediglich den jetzigen rechtlichen Stellungen der nationalen Notenbanken Rechnung getragen, das heißt, der Ausschuß der Notenbankgouverneure erhält keine größeren Kompetenzen, als sie die Werner-Gruppe vorsah. Somit ist aber auch die Formel „unter Beachtung..." problematisch, denn da zum Beispiel in Frankreich die Banque de France weisungsabhängig ist, wiegt eventuell die nationale politische Abhängigkeit bei der Ausrichtung der Geld-und Kreditpolitik stärker als die formell bekräftigte Unabhängigkeit des Ausschusses der Notenbank-gouverneure. Die Belugnisse der Banque de France würden in Konfliktfällen für eine derartige Koordination dann nicht ausreichen. Diese Feststellung wiegt um so schwerer, da dem Ausschuß der Notenbankgouverneure nicht gesagt wird, welches wirtschaftspoli tische Ziel er vorrangig anstreben soll. Eher kann man sagen, daß indirekt alle nationalen Zielhierarchien in diesen Ausschuß getragen werden, denn die Zentralbanken koordinieren „ihre Geld-und Kreditpolitik".

Die praktischen Modalitäten des Koordinierungsverfahrens sollen durch die Zentralbanken erst noch festgelegt werden90a).

V. Beurteilung der Beschlüsse vom 8. /9. Februar 1971

L Die Positionsänderung der Bundesrepublik Deutschland und ihre Auswirkungen Vor der Darstellung der endgültigen Beschlüsse über den Stufenplan wurde bereits darauf hingewiesen, wie problematisch diese Einigungsformeln sind. Im großen und ganzen hat sich — zumindest für die erste Stufe — die französische Haltung durchgesetzt. Um lese Aussage zu begründen, soll stellvertretend für die anderen EWG-Länder, die zuvor ebenfalls die Schlußfolgerung des Abschlußberichtes der Werner-Gruppe vertraten, die Positionsänderung der Bundesregierung untersucht werden. Sie ermöglichte die Beschlüsse von Brüssel.

Bundeswirtschaftsminister Schiller vertrat am 10. Februar 1971 die Meinung daß alle acht Punkte, die er als Marschroute für die deutsche Delegation am 29. Januar 1971 vor dem Bundestag nannte, in den Entschlüssen von Brüssel enthalten seien. Er zog daraus die Schlußfolgerung, daß mehr erreicht sei, als mancher vorher gedacht hätte. Diese acht Punkte enthalten aber bereits das Ergebnis der Pariser Konsultationsverfahren, so daß sie zunächst einmal analysiert werden müssen. Dabei reicht es nicht aus, jede Regelung isoliert zu betrachten. Da Ziele, Grundsätze und Maßnahmen divergieren, müssen jeweils ganze Maßnahmenkombinationen einzelnen Zielen gegenübergestellt werden. Wenn man die deutsche Haltung nach den Pariser Konsultationen vergleicht mit derjenigen in ihrem Stufenplan vom Februar 1970 und mit den Stellungnahmen zum Abschlußbericht der Werner-Gruppe sogar bis nach der Dezember-Ratstagung, so muß festgestellt werden, daß die Bundesregierung in Paris von Prinzipien abrückte, für die der Bundeswirtschaftsminister am 14. /15. Dezember 1970 in Brüssel noch entschieden eintrat. Sie erklärte sich bereit, entscheidende Punkte der französischen Taktik zu unterstützen und den Schritt in die erste Stufe mit einem Torso von Stufenplan zu wagen. So wurden zum Beispiel folgende Grundsätze aufgegeben bzw. relativiert:

a) In Paris wurde der vorher eherne Grundsatz aufgegeben, daß bereits vor dem Eintritt in den Stufenplan die fundamentalen wirtschaftlichen und politischen Prinzipien der Endstufe verbindlich geklärt werden müssen. Damit wurde ebenfalls der Grundsatz der Irreversibilität relativiert.

In Paris äußerte Prof. Schiller seine Besorgnis, daß ohne diese Versicherungen die Wirtschafts-und Währungsunion bereits in der ersten Phase stecken bleiben könnte. Der französische Wirtschaftsund Finanzminister Giscar d'Estaing nahm diese Formel jedoch nicht an So kam es erneut zu einem Kompromiß. Die Bundesregierung verlangte eine Verfallsklausel als Sicherheit und tolerierte dafür, daß Frankreich im Grunde nur die wirtschaftlichen Konsequenzen einer Union anerkannte.

Frankreich akzeptierte ferner folgende Regelungen für die Endstufe: Das gemeinschaftliehe Zentralbanksystem erhält seine Eigenständigkeit, es müssen ausreichende wirtschaftspolitische Kompetenzen auf Gemeinschaftsorgane übertragen werden und dem Europäischen Parlament wird ein Kontrollrecht gegenüber wirtschaftspolitischen Entscheidungsgremien zugestanden. Daraufhin reduzierte die Bundesregierung ihre politische Zielsetzung in erster Linie darauf, daß „die Regierungen von Anfang an ihren politischen Willen bekräftigen, die Wirtschaftsund Währungsunion innerhalb eines Zeitraumes von etwa zehn Jahren zu vollenden" Auf dieser Basis liegen auch die Beschlüsse vom 8. /9. Februar 1971.

Uber allen Einigungen schwebt aber das Damoklesschwert der Verfallsklausel, die mehr Ausdruck gegenseitiger Skepsis als der Übereinstimmung über Ziele und Mittel ist. Sie hebt auch die zuvor geforderte Irreversibilität auf. Prof. Schiller nennt dieses Problem offen und dokumentiert damit, für wie wenig solide er das Fundament der gemeinsamen Beschlüsse hält. Er sagte vor dem Bundestag:

„Heute kann niemand — das ist das eigentliche Dilemma — rechtsverbindlich erklären, ob man trotz aller politischen Absichtserklärungen hinsichtlich der bisher skizzierten Vorschläge am Ende der Dreijahresperiode, also der ersten Phase, wirklich zu einer inhaltlichen Einigung im einzelnen kommen wird."

Das bedeutet, daß man als Gegenleistung für den Verzicht auf die politischen Elemente der Integration — zumindest bis zum Ende der ersten Stufe —• einen in der Zukunft einzulösenden Scheck erhalten . hat, der zur Zeit völlig ungedeckt ist. Dieser Tatbestand kennzeichnet eindeutig die rechtliche und politische Qualität der Leistungen und Gegenleistungen bei diesem Kompromiß.

b) Indem man zustimmte, die verbindliche Verpflichtung auf den politischen Charakter des Integrationszieles bis zum Ende der ersten Stufe zu verschieben, akzeptierte man teilweise das Sachzwangargument. Einmal sollen die monetären Maßnahmen die Konvergenz der Wirtschaftspolitik fördern, zum anderen hofft man, daß der mögliche Fortfall der währungspolitischen Regelungen und Institutionen (verringerte Bandbreite des Wechselkurses, Reservefonds, Zahlungsbilanzkredite) einen „heilsamen Druck" ausüben wird, „daß man die praktischen Schritte auch wirklich tut, nachdem die erste Etappe einer Währungs-union angelaufen ist" Gleichzeitig nahm man in Brüssel eine Schwächung dieser zu einem Instrument erkorenen Klausel hin. Die monetären Maßnahmen und Zugeständnisse haben auf jeden Fall eine Laufzeit von fünf Jahren und nicht, wie ursprünglich vorgesehen, von vier Jahren. Ferner ist für den Fall eines Scheiterns der Verhandlungen über die Fortsetzung der Integration über die erste Stufe hinaus nicht geplant, die im Hinblick auf das erstrebte Ziel der Währungsunion bereits getroffenen währungspolitischen Maßnahmen auslaufen zu lassen. Vielmehr will man sie aufhalten, „wobei es nicht unsere Absicht ist, diesen Vorgang dann auf 0, auf den 1. Januar 1971, zurückzuführen" Man hält immerhin eine teilweise Fortführung der monetären Maßnahmen für wahrscheinlich! 2. Die Kontinuität der französischen EWG-Politik

In dem Brüsseler Ergebnis vom 8. /9. Februar 1971 spiegelt sich ein etwas sonderbares Solidaritätsbewußtsein wider, das allerdings in der EWG nicht neu ist. Solidarisch und integrationsfreundlich sein heißt allem Anschein nach, den französischen Standpunkt als „rocher de bronce" möglichst „unbearbeitet" zu übernehmen.

Diese Positionsbestimmung bliebe deshalb unvollkommen und einseitig, wollte man nicht auch die Position Frankreichs etwas ausführlicher betrachten. Schließlich muß geklärt werden, warum sich die französische Ansicht so stark behauptet hat.

Die Härte der französischen Verhandlungsführung ist kein Einzelfall, sondern vielmehr ein Beispiel für die Kontinuität der französischen Position und der französischen Interessenwahrnehmung. Die Geschichte der EWG kennt viele vornehmlich von den Vertretern Frankreichs gestellte „questions prealables" und plötzliche Kehrtwendungen von der Verhandlungsbereitschaft zur Konfrontation, wenn sich Ergebnisse abzeichneten, die für Frankreich nicht erwünscht waren.

— Auf der Ministerkonferenz im Herbst 1957 waren die Franzosen bereit, die EWG-Ver-handlungen als gescheitert zu erklären, weil sie in der Frage der Harmonisierung der sozialen Belastungen ihren Standpunkt nicht durchsetzen konnten. Auf deutsch-französischer Ebene wurde ein Kompromiß mit einer Schutzklausel für Frankreich erarbeitet.

— Kurz vor dem erfolgreichen Abschluß der Bemühungen, eine große europäische Freihandelszone zu gründen und unmittelbar nach einer konstruktiven EWG-Ministerratssitzung erklärte urplötzlich der französische Informationsminister Soustelle in einem Interview am 14. November 1958 die Verhandlungen für gescheitert, obwohl — oder gerade weil — der erfolgreiche Abschluß der Verhandlungen in greifbare Nähe gerückt war. Auf der folgenden EWG-Ministerratssitzung wurde der französische Standpunkt kurzerhand und ohne große Erläuterungen bestätigt.

— Im Januar 1963 wurde ebenfalls außerhalb des EWG-Ministerrates, der bereits konkrete Ergebnisse erzielt hatte, durch de Gaulles Veto der erste Beitrittsantrag Großbritanniens abgelehnt. Dabei übersah Frankreich geflissentlich, daß viele Zugeständnisse, die es zuvor in den Agrarverhandlungen erhalten hatte, nur in Hinblick auf Fortschritte in den Beitrittsverhandlungen von seinen Partnern gewährt wurden.

— Konsequent weigerte sich Frankreich auch, den Art. 148 des EWG-Vertrages zu akzeptieren und sich Mehrheitsbeschlüssen zu unterwerfen. In den Agrarverhandlungen benutzte Frankreich aber gerade diese Bestimmung als Instrument, um in der gemeinsamen Landwirtschaftspolitik Konzessionen insbesondere von der Bundesrepublik Deutschland zu erreichen. Die von Frankreich verfolgte „Politik des leeren Stuhles" wurde erst durch das „Luxemburger Agreement" von 1966 beigelegt. Die Einstimmigkeit blieb entgegen den Bestimmungen des EWG-Vertrages (Art. 148) das Entscheidungsprinzip im Ministerrat.

Diese Reihe läßt sich mit der Agrarkrise (1965) und der Euratom-Krise (bis 1969) weiterführen. Kennzeichnend für die Haltung der Verhandlungsführer Frankreichs ist, — daß sie in Grundsatzfragen kompromißlos waren und die Konfrontation ebensowenig wie eine Verhandlungsführung am Rande des Scheiterns fürchteten;

— daß sie die Aufgabe politischer Rechte entschieden ablehnten, weil für sie die Identität der historischen Staaten Europas unaufgebbar ist — das schließt aber nicht aus, daß man die Chancen und Vorteile wahrnimmt, die die wirtschaftliche Integration für Frankreich bietet;

— daß zahlreiche Zugeständnisse, die von den übrigen EWG-Ländern gemacht wurden in Hinblick auf ein zukünftiges Wohlverhalten Frankreichs bei wichtigen Entscheidungen über den Fortgang der europäischen Integration, letztlich doch nicht honoriert wurden;

— daß man sich auch nicht scheut, bei der Wahrnehmung französischer Interessen gegebenenfalls verbindliche Regelungen des EWG-Vertrages zu übersehen.

Die Kontinuität dieser Merkmale französischer Politik läßt sich übrigens eindrucksvoll anhand von zwei Äußerungen des jetzigen Staatspräsidenten G. Pompidou demonstrieren: Am 5. November 1964 stellte er vor der parlamentarischen Presse in Paris unbeschönigt fest: „Wenn ein mündiger Staat wie Frankreich zu einem bestimmten Zeitpunkt zu der Überzeugung gelangen würde, daß der Gemeinsame Markt nicht mehr bestehen kann, würde er eines schönen Todes sterben, ganz gleich, wie die Texte lauten."

Nicht anders ist sechs Jahre später seine Äußerung zur europäischen Integration auf der Pressekonferenz am 21. Januar 1971 zu deuten: „Die Zeiten haben sich geändert: die europäischen Nationen haben ihre Wirtschaft und ihre Währungen wieder aufgerichtet, sie sind sich ihrer Persönlichkeit, ihrer Interessen und ihrer Aufgaben wieder bewußt geworden ..."

In diesem Zusammenhang ist für die französische Haltung bezeichnend, wie Pompidou das Problem der politischen Entscheidungen im Ministerrat bei unterschiedlichen Auffassungen der EWG-Staaten beurteilt: „In diesem Fall ist entweder die Minderheit der Meinung, daß die Frage nicht von entscheidender Bedeutung ist, und sie beugt sich der Mehrheit. Oder aber sie ist der gegenteiligen Meinung und läßt es zum Bruch der Koalition kommen. Es ist natürlich ganz klar, daß man es in unserem europäischen Gebäude nicht zum Bruch kommen lassen kann, weil sonst alles einstürzt. Daraus schließe ich, daß die bedeutenden Entscheidungen nur in vollem Einvernehmen getroffen werden können, und daß es sich hier weit mehr um eine politische Selbstverständlichkeit handelt als um eine Rechtsregel, und daß, wenn man sie mißachten will, man alles zerstören würde."

Eine kritische Würdigung dieser an jenen Beispielen nochmals veranschaulichten integrationspolitischen Maximen Frankreichs vermag dazu beizutragen, auch seinen Standort in der europäischen Währungspolitik zu verdeutlichen. Der französische Minister M. Debre fixierte ihn zudem unzweideutig in einer Rede am 25. Februar 1971, indem er die Währungspolitik, sowie die wichtigsten Koordinierungs-und Harmonisierungsbereiche auf dem Wege zur Währungsunion mit der politischen Autorität und mit einem Statussymbol nationaler Souveränität identifizierte „Das Kennzeichen des Gaullismus ist die ständige Sorge um das Maß der Unabhängigkeit Frankreichs. Der Staatspräsident, der Premierminister und auch ich vertreten getreu diesen Grundsatz der Vernunft. Frankreich, sicherlich, wird Verpflichtungen eingehen, aber Verpflichtungen nach seinem Maßstab, die mit seinem eigenen Willen übereinstimmen . . . Die Sorge um eine nationale Währung, die im Inland und im Ausland geschätzt wird, gehört zum gaullistischen Erbe. Die Währung ist in erster Linie das Kennzeichen einer politischen Autorität. Wer die Steuer hat, wer die Ersparnisse hat, wer den Kredit hat, der hat die Macht. Das Wort . europäische Währung'ist deshalb zweideutig. Um es ganz klar auszudrücken, das würde bedeuten, daß Europa eine Nation ist und daß alles entschieden ist. Das ist nicht unser Weg. Wir dagegen sind für eine Konzertierung und Zusammenarbeit, um exzessive Veränderungen der Wechselkurse zu vermeiden. Ebenso wie uns der letzte Aspekt realistisch zu sein scheint, ebenso ist der andere gegenwärtig eine Utopie."

Diese direkte Koppelung von währungspolitischen und politischen Problemen entspricht zwar dem weiter oben entwickelten ersten Grundsatz zur Währungsunion. Er trifft hier aber auf die eindeutige Ablehnung, gerade die für das Zustandekommen einer Währungsunion unerläßlichen, bisher noch nationalen politischen Kompetenzen auf zentrale GemeinSchaftsorgane zu übertragen, über diesen Tatbestand kann auch nicht die von Staatspräsident Pompidou entwickelte Form einer Konföderation hinwegtäuschen. Im Sinne des klassischen Völkerrechts verfügt nämlich eine Konförderation — im Gegensatz zur Föderation — nicht über die Kompetenzkompetenz und deshalb auch nicht über entsprechende eigene Exekutivorgane. Pompidou hält es zwar für denkbar, daß in einer letzten Integrationsphase Fachminister existieren, die „nunmehr mit rein europäischen Aufgaben betraut werden". Rein europäische Aufgaben können aber der oben skizzierten französischen Auffassung zufolge sich eigentlich nur auf Bereiche beziehen, die kein Äquivalent von Bedeutung auf nationaler Ebene haben, denn sonst wäre ja dieses Gremium der Europaminister gegenüber den nationalen Regierungen weisungsberechtigt, ohne daß seine verfassungsmäßige Legitimation geklärt ist. Diese Interpretation wird von Pompidou selber bestärkt, indem er ein echtes europäisches Parlament erst dann für möglich hält, wenn eine echte europäische Regierung zustande kommt. Bis dahin erscheinen ihm jedoch die Spekulationen über die europäische parlamentarische Versammlung als vollkommen unnütz. Er verlangt also nicht mehr und nicht weniger als den Verzicht auf eine politische Zielsetzung und auf eine konstruktiv mitgestaltende Politik

VI. Risiken und Chancen für eine europäische Währungsunion

Diese ausführliche Standortbestimmung der französischen Position ist notwendig gewesen, um die recht weitgehenden Zugeständnisse der anderen EWG-Partner in Brüssel am 8. /9. Februar 1971 noch besser bewerten und um eine Prognose über die Zukunft der weiteren währungspolitischen Integration wagen zu können.

Die Bundesregierung akzeptierte in Paris und die anderen EWG-Staaten akzeptierten in Brüssel eine „pragmatische" Politik, das heißt, man ließ sich auf eine Verhandlungsstrategie ein, die sich — richtig verstanden — auf erkennbare gegenwärtige Probleme konzentriert, deren Lösung nicht durch Erwägungen prinzipieller Art belastet werden soll. Dabei werden, um eine Übereinkunft zu erleichtern, Auffassungen, Ziele und Maßnahmen jeweils isoliert, ohne Rücksicht auf ihre Interdependenz, betrachtet und zum Gegenstand der Verhandlungen gemacht. Diese Methode ist allerdings nur dann anwendbar, wenn ein politischer Konsensus über die Grundsätze zwischen den Partnern besteht, nicht aber, wenn grundsätzliche Auffassungen und Zielsetzungen stark divergieren. Ein an langfristigen Zielen oder politischen Konstanten orientierter Verhandlungspartner wird die „pragmatische" und „realistische" Lösung von Problemen empfehlen, da ja die Aufteilung und einzelne Verhandlung von Problemen für ihn vorteilhaft ist. Er kann auf diesem Wege Zugeständnisse erzielen, die aus der Logik zum Beispiel des währungspolitischen Integrationsprozesses einer Vorwegnahme von Vorteilen der vollendeten Währungsunion oder auch nur späterer Integrationsphasen gleichzusetzen ist (Verringerung der Bandbreite, echte oder quasi-Poolung der Reserven). Der Partner er-hält als Preis für konkrete monetäre Leistungen in modifizierter Form lediglich die Aussicht auf gleichwertige wirtschaftspolitische und politische Gegenleistungen.

Welche Überlegungen letztlich die fünf EWG-Staaten zum Einschwenken auf die französische Position bewegten und sie veranlaßten, einer Entschließung zuzustimmen, mit der die unterschiedlichen Auffassungen nicht überwunden werden, ist im einzelnen nicht zu ergründen 103a). Für den Beobachter ist es insbesondere schwer verständlich, weshalb bereits zwei Monate nach der gescheiterten Dezembertagung eine Lösung in Kraft gesetzt wurde, die im Vergleich mit den zuvor geäußerten Vorstellungen der fünf Staaten als mangelhaft bezeichnet werden muß. Aufgrund der französischen Haltung war zu diesem Zeitpunkt sicherlich keine bessere Lösung möglich. Es stellt sich aber die Frage, ob eine Entschließung als Deklaration des Integrationswillens bereits ein Fortschritt ist, wenn ihr die eigentliche Substanz fehlt.

Mit der Maßnahmenkombination vom 8. /9. Februar 1971 hat man vorerst weniger den Weg zu einer Währungsunion als vielmehr den Weg zu einer Währungsreserven-Union eingeschlagen. Die wichtigsten Probleme sind nicht gelöst, sondern nur um fünf Jahre aufgeschoben worden. Zur Zeit ist jedoch kein Anzeichen sichtbar, daß es zu einer währungsund wirtschaftspolitischen Einigung kommen wird. Die größte Wahrscheinlichkeit dafür besteht wohl nur, wenn äußerer politischer Druck erneut eine stärkere politische Zusammenarbeit der Europäischen Gemeinschaft zweckmäßig erscheinen läßt. Diese politische Konstellation beschleunigte die Gründung und Intensivierung der Zusammenarbeit in der EWG von 1955 an. Bei unveränderten wirtschaftspolitischen Verhaltensweisen der Mitgliedstaaten besteht durchaus die Gefahr, daß die asymmetrische Konstruktion der ersten Stufe zu verstärkten währungspolitischen Krisenerscheinungen führen wird. Dabei muß besonders beachtet werden, daß die Liberalisierung des Kapitalverkehrs, die Harmonisierung einzelner Steuern, insbesondere die Angleichung der Bemessungsgrundlage und der Sätze der Mehrwertsteuer zu nachhaltigen Rückwirkungen auf die Handels-und Kapital-ströme und damit auf die Wechselkurse und die Zahlungsbilanzen führen werden. Völlig offen ist bisher noch, wie die EWG die Wechselkurse gegenüber Drittländern festlegen wird. Davon wird abhängen, ob verstärkt auch externe Faktoren und Inflationserscheinungen auf die Wirtschaftsentwicklung der einzelnen Staaten in der EWG einwirken werden. Es erweist sich also als zweckmäßig, die Chancen für eine erfolgreiche währungspolitische Integration nicht mehr nach dem „Prinzip Hoffnung" zu beurteilen. Die Diskrepanz zwischen Hoffnung und Realität auf dem Gebiet der politischen Integration Europas, die gerade für die Entwicklung einer Währungsunion unerläßlich ist, mahnt zur Skepsis.

Die Koordination der Wirtschaftsund Währungspolitik verlangt bereits politische Souveränitätsverzichte — um so mehr eine Wirtschafts-und Währungsunion. Wer die politi-sehen Vorstellungen Pompidous für realistisch und allein realisierbar hält, sollte sich nicht scheuen, den Gedankengang auf die Wirtschafts-und Währungspolitik auszudehnen. Eine Konförderation ist politisch zu schwach für eine stabile Wirtschaftsund Währungsunion. Wenn sie aber in absehbarer Zukunft die einzige politische Alternative ist, dann gewinnen das Stabilitätsziel und das Parallelitätspostulat eine noch größere Bedeutung.

Dann müssen währungspolitische Maßnahmen strikt mit wirtschaftspolitischen Koordinierungsfortschritten gekoppelt werden, um Inflationsprozesse zu vermeiden. Wie die Situation in der Bundesrepublik Deutschland seit geraumer Zeit sehr eindringlich zeigt, haben höhere Inflationsraten und die dann eigentlich notwendigen Maßnahmen in stabilitätsbewußten Ländern eminent politische Rückwirkungen auf internationaler und auf EWG-Ebene.

Exkurs: Die Probleme einer deutschen Aufwertung

Eine Freigabe des deutschen Wechselkurses wird vor allem von der Kommission und wohl auch von Frankreich abgelehnt. Als Begründung werden im wesentlichen zwei Argumente vorgetragen:

1. Mit einer Freigabe allein des deutschen Wechselkurses wäre es unmöglich, den Beschluß zu verwirklichen, innerhalb der EWG die Bandbreite der Wechselkurse von bisher ± 0, 75 % auf ± 0, 6 % zu verringern.

Dem ist entgegenzuhalten: Im Beschluß vom 8, /9. Februar 1971 in Brüssel wird ausdrücklich davon gesprochen, daß es sich bei dieser Maßnahme um einen Versuch handelt. Wenn also die Voraussetzungen dafür nicht gegeben sind, muß er sowieso aufgegeben werden, um nicht die Inflationsübertragung zu institutionalisieren. Eine Veränderung der Wechselkursparität (Stufenflexibilität) kann jede Regierung beschließen. Es bestehen keine rechtlichenHemmnisse, wenn man davon absieht, daß der Internationale Währungsfons (IWF) sie „genehmigen" muß. Er hat aber kein Vetorecht. Eine Stufenflexibilität würde auch die Verwirklichung der Beschlüsse nicht vereiteln.

In der Diskussion steht aber auch noch die völlige Freigabe der Wechselkurse, wie sie bereits von Ende September bis zum 27. Oktober 1969 durchgeführt wurde. Durch diese Maßnahme sollten sowohl spekulative Kapital-importe abgewehrt als auch die Festlegung des Aufwertungssatzes erleichtert werden. Eine zeitlich begrenzte Freigabe des Kurses würde der IWF sicherlich tolerieren, zumal da die Exekutivdirektoren des IWF in einer Studie zur Reform des Weltwährungssystems gerade diese Maßnahme vorgeschlagen haben. Auf der letzten Jahreskonferenz der IWF-Mitglieder in Kopenhagen konnte darüber aber keine Einigung erzielt werden.

Problematischer ist eine Freigabe des Wechselkurses für die Verhältnisse innerhalb der EWG. Sie steht aber nicht im Widerspruch zu den Beschlüssen vom 8. /9. Juni 1970 und vom 8. /9. Februar 1971. Darin wird eine Erweiterung der Bandbreiten innerhalb der. EWG abgelehnt. Eine temporäre Freigabe des Wechselkurses entspräche zwar einer erweiterten Bandbreite — aber nur solange, bis eine neue Parität von der Regierung festgelegt wird. Die genannten Beschlüsse richten sich aber nicht gegen eine zeitlich begrenzte, sondern gegen eine rechtlich dauernde Erweiterung der Bandbreiten! Zweifellos ist es richtig, daß für die Dauer einer Freigabe des Wechselkurses die geplante Verringerung der Bandbreiten innerhalb der EWG nicht verwirklicht werden kann. Aus den oben genannten Gründen ist dieses Argument jedoch nicht stichhaltig.

2. Insbesondere die Kommission wird die Ansicht vertreten, daß sowohl eine einfache Aufwertung (Stufenflexibilität zu einem Zeitpunkt) als auch eine Freigabe des Wechselkurses mit dem EWG-Agrarmarkt nicht vereinbar sei oder ihn nach der Krise von 1969 bereits wieder erschüttern würde. Dem ist entgegenzuhalten: Die neu aufgetretenen währungspolitischen Spannungen zeigen nur abermals, wie falsch und ökonomisch fragwürdig der EWG-Agrarmarkt konstruiert ist. Er birgt auch bei völlig starren Wechselkursen noch so viel Sprengstoff in sich, daß eine Reform sowieso irgendwann erforderlich wird.

Mit dem Aufwertungssatz wird wieder an die Landwirte ein direkter Einkommensausgleich gezahlt werden müssen, weil die Preise für die landwirtschaftlichen Marktordnungsgüter um den Aufwertungssatz automatisch fallen. Möglich ist auch ein allmähliches Sinken der Preise; diese Maßnahme verlangt dann aber — wie im umgekehrten Falle in Frankreich nach der Abwertung — einen Grenzausgleich. Dieser Grenzausgleich wäre auch für die Zeit der Freigabe des Wechselkurses an Hand der Import-und Exportbescheini31 gungen denkbar. Die Kommission wird wie 1969 den Grenzausgleichsmaßnahmen Widerstand entgegensetzen. Festgehalten werden muß aber, daß eine Aufwertung, gekoppelt mit einem direkten Einkommensausgleich, dem englischen Agrarsystem des „deficiency payment" entgegenkommt, das währungspolitisch neutraler und dadurch ökonomisch rationaler ist

Eine weitere Möglichkeit ist, daß die EWG-Staaten gemeinsam ihre Parität gegenüber dem Dollar verändern. Eine solche Maßnahme würde sich in einem fortgeschrittenen Stadium der Währungsunion bei währungspolitischen Spannungen von selbst verstehen. Heute ist sie dagegen unwahrscheinlich, da vor allem Frankreich einen Expansionskurs steuert, den es nicht durch eine konzertierte Aufwertungsaktion und damit eine Erschwerung seiner Exportmöglichkeiten gefährden möchte. Die zu erwartende Uneinigkeit der EWG-Staaten, die zu einem Widerstand gegen eine nationale Wechselkurskorrektur führt, zeigt noch einmal, wie problematisch zur Zeit die währungspolitischen Beschlüsse vom 8. /9. Februar 1971 sind.

Aus diesen Gründen auf währungspolitische Korrekturen zu verzichten, ist ökonomisch und vor allem politisch falsch. Der Bundeskanzler hat es richtig umschrieben, als er sagte, daß, wenn auf EWG-Ebene keine vernünftige Einigung erzielt werden könne, der EWG am meisten gedient sei, wenn die BRD ihr Haus allein in Ordnung hält. Die Folge eines wirtschaftspolitischen Stillhaltens ist nur eine verstärkte Inflationsübertragung aus EWG-Ländern und aus Drittstaaten. Immerhin sind die Währungsreserven der Deutschen Bundesbank in den letzten sechs Monaten um fast 30 Milliarden (!) gestiegen. Unter derartigen Umständen ist eine sinnvolle Wirtschafts-und Währungspolitik unmöglich. Bei Inflationsraten von 4— 5 % pro Jahr wird sich in der BRD keine Regierung behaupten können. In höheren Geldentwertungsraten kann aber auch nicht der Sinn einer internationalen Währungszusammenarbeit liegen. Angesichts dieser Konstellation in Nibelungentreue an Regelungen des IWF oder vermeintlich bindenden Beschlüssen innerhalb der EWG festzuhalten, ist nicht vertretbar und wäre ein Zeichen extrem statischer Denkweise.

Neben diesen marktwirtschaftlichen Lösungswegen werden aber auch dirigistische Maßnah-men erwogen, z. B. die Eindämmung der Dollarflut durch eine Genehmigungspflicht für Kapitalimporte. Die Anwendung des § 23 des Außenwirtschaftsgesetzes wird angeblich von Frankreich befürwortet. Darin äußert sich aber in erster Linie die starke französische Präferenz für dirigistische Maßnahmen, der man auf keinen Fall folgen sollte. Denn die Konsequenzen eines teilweisen Rückfalls in den Dirigismus, dem die Bundesrepublik Deutschland im großen und ganzen seit 1958 abgeschworen hat, sind unübersehbar. Sie reichen — wie das französische Beispiel sehr eindeutig zeigt — von hoheitlicher Schnüffelei und Kontrollen bis zur Briefzensur, und das alles nur, weil eine klare marktwirtschaftliche Lösung nicht gewagt wird. Devisenbeschränkungen sind in ihrer Wirkung so unsicher, daß die Gefahr einer Perpetuierung der Maßnahmen und der damit verbundenen Währungsspekulation heraufbeschworen wird. Wenn gleichzeitig eine binnenwirtschaftliche relative Stabilität wiedergewonnen wird, entsteht ohnehin gegenüber dem Ausland ein Kosten-und Preisgefälle, das zu einer späteren Aufwertung zwingt. Die großen verwaltungstechnischen Anstrengungen wären nicht nur zwecklos gewesen, sondern sie würden zugleich das internationale Vertrauen in die Freiheit des Handels und die Konvertibilität der Deutschen Mark erschüttern. Rückwirkungen auf andere Länder können nicht ausgeschlossen werden, weil schlechte Beispiele immer am nachhaltigsten im Gedächtnis bleiben und weil sie bequeme Alibis für halbherzige Maßnahmen anderer Länder bieten. übertrieben sind wohl auch die von der Industrie angeführten Rezessionsgefahren. Einmal dürften die Überwälzungschancen im Ausland angesichts der Expansionsund Preisaultriebstendenzen günstig sein; zweitens ermöglicht eine Aufwertung eine vom internationalen Konjunkturverbund gelöste binnenwirtschaftliche Konjunkturpolitik. Darüber hinaus ist zu erwarten, daß die neuen währungspolitischen Daten einen Einfluß auf die Entscheidungen der Tarifpartner haben werden und so zu einer teilweisen Entlastung auf der Kostenseite der Unternehmen führen werden.

Die direkten Stabilisierungseffekte der Aufwertung liegen in den wahrscheinlich sinkenden oder zumindest nicht mehr steigenden Importpreisen und auf deutscher Seite in einer umfangreicheren Belieferung der Binnenmärkte mit Waren, deren Absatz im Ausland schwieriger und ungünstiger geworden ist.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Die vollständige Währungsunion beinhaltet, daß die Geld-und Kreditpolitik und damit verbunden auch die Konjunkturpolitik durch übernationale Instanzen ausgeübt wird. Sie setzt keine einheitliche Währung voraus. Solange noch nationale Währungen bestehen, müssen in der vollendeten Währungsunion starre Wechselkurse zwischen den Währungen und vollständige Konvertierbarkeit von einer Währung in eine andere gewährleistet sein.

  2. Vgl. Hans Willgerodt u. a., Wege und Irrwege, a. a. O.

  3. Memorandum der Kommission an den Rat über die Koordinierung der Wirtschaftspolitik und die Zusammenarbeit in Währungsfragen innerhalb der Gemeinschaft. (Vorgelegt am 12. Februar 1969.) Sonderbeilage zum Bulletin Nr. 3-1969 der Europäischen Gemeinschaften. — Am 17. Juli 1969 verabschiedete der Rat eine Entscheidung über die Koordinierung der kurzfristigen Wirtschaftspolitik. Am 9. Februar 1970 trat das Abkommen der Zentralbanken der Mitgliedstaaten über einen kurzfristigen EWG-Währungsbeistand in Kraft (Laufzeit der Kredite drei bis sechs Monate; Volumen maximal 2 Mrd. RE; 1 RE = 1 US-Dollar). — Am 8. /9. Februar 1971 beschloß der Ministerrat, am 1. 1. 1972 einen mittelfristigen EWG-Währungs-beistand zu aktivieren (Laufzeit der Kredite zwei bis fünf Jahre, Volumen maximal 2 Mrd. RE). — Ende Oktober 1970 legte die Kommission dem Rat das „Dritte Programm für die mittelfristige Wirtschaftspolitik" für die Jahre 1971— 75 vor, das der Rat am 8. /9. Februar 1971 verabschiedete. Es ist

  4. Eine Zollunion liegt nach Art. 24 Ziff. 8 a des GATT vor, wenn zwei oder mehrere Zollgebiete durch ein einziges ersetzt werden. Dabei werden im Innern der Zollunion die Zölle und sonstigen Handelsbeschränkungen abgebaut und gegenüber der Außenwelt einheitliche Zölle und Handelsvorschrif ten angewandt.

  5. Eine Wirtschaitsunion liegt vor, wenn „verschiedene Länder ihre Volkswirtschaften unter Schaffung binnenmarktähnlicher Verhältnisse zu einem Wirtschaftsgebiet zusammenfassen, innerhalb dessen der Wirtschaftsablauf nach einheitlichen Gesichtspunkten gestaltet wird. Dies erfordert, daß die Länder bereit sein müssen, sich schließlich

  6. Dazu zählen: Unbeschränkte Freiheit des Handels, des Dienstleistungs-und des Kapitalverkehrs, das Fehlen von erheblichen Steuerunterschieden, die den Wettbewerb verzerren; Freizügigkeit lu die Arbeitskräfte; Niederlassungsfreiheit für Unt nehmen und Betriebe und starre Wechselkurse oder eine einheitliche Währung.

  7. Bericht an Rat und Kommission über die stufenweise Verwirklichung der Wirtschaftsund Währungsunion der Gemeinschaft, Dokument 9. 504/11/70-D, Luxemburg, den 20. Mai 1970 (im folgenden zitiert: Zwischenbericht).

  8. Bericht an Rat und Kommission über die stufenweise Verwirklichung der Wirtschafts-und Währungsunion in der Gemeinschaft, Dokument 19. 956/II/70-D, Luxemburg, den 8. Oktober 1970 (im folgenden zitiert: Abschlußbericht, a. a. O.).

  9. Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Mitteilung und Vorschläge der Kommission an den Rat über die stufenweise Einführung der Wirtschafts- und Währungsunion, Dok., KOM (70) 1250, Brüssel, den 29. Oktober 1970.

  10. Der Bundesminister für Wirtschaft, Memorandum. Grundlinien eines Stufenplanes zur Verwirklichung der Wirtschaftsund Währungsunion in der EWG, Bonn, den 12. Februar 1970 (zitiert: Memorandum des BMWi).

  11. Un plan de solidarite monetaire europeenne en trois etapes 1971— 1977, Ministere des Finances, Brüssel vom 27. Januar 1970.

  12. Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Mitteilung der Kommission an den Rat über die Ausarbeitung eines Stufenplanes für die Errichtung einer Wirtschafts-und Währungsunion, Dok. (70) 300, Brüssel, vom 4. März 1970.

  13. Der Werner-Plan für eine totale Währungsunion. Umfassender Auszug, „Europe/Dokumente", Nr. 566, vom 10. März 1970.

  14. La crise de paiements dans le marche commun, Par le groupe talent, „Cahiers Economiques de Bruxelles“, Nr. 44, 4^ trimestre 1969, S. 500 ff. Die Autoren sind: Von der Freien Universität Brüsse: H. Glejser, R. Henrion, E. S. Kirschen, F. e leslags. Von der Katholischen Universität Lö-wen: A. P. Barten, P. Duran, T. Peeters, F. R. yanesi sowie J. P. Abraham (Universität Namur) nd J. Godeaux (Banque Lambert).

  15. H. -H. Weber, Währungspolitik in Europa. Bilanz und Ausblick, in: Die Zukunft der europäischen Integration. Tagung der Europa-Union Deutschland am 16. April 1970, Köln 1970, S. 35 ff.

  16. Vorschlag für einen Stufenplan zur Errichtung einer Wirtschafts-und Währungsunion in der EWG, „DGB-Informationsdienst", Jg. 1970, Nr. 7, Düsseldorf vom 19. März 1970.

  17. Stellungnahme zur Wirtschafts-und Währungsunion. Sparkassenvereinigung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. DOK D 31/70 rev. 2, Brüssel, vom 7. September 1970.

  18. Beate Kohler, Gert Schlaeger, Ein Markt und eine Währung. Europäische Schriften des Bildungswerks Europäische Politik, Bd. 17, Köln 1968.

  19. Hervorhebungen vom Autor. — Der in Ziff. 15 des Haager Kommuniques erteilte Auftrag wurde mit dem D'Avignon-Bericht erfüllt, der am 20. Juli 1970 fertiggestellt und am 30. Oktober 1970 veröffentlich wurde. Er enthält wenig politische Substanz. Vgl.den Text in: Bulletin des Presse-und Informationsamtes der Bundesregierung, 31. Oktober 1970, S. 1589— 91.

  20. Z. B. im „Memorandum der Regierung der Bundesrepublik Deutschland über die Fortführung der Integration", überreicht am 1. Juni 1955, abgedrud in: Bulletin des Presse-und Informationsamtes der Bundesregierung 1955, S. 880. Diese Haltung wurde in einem vom Bundestag bei der Ratifizierung des EWG-Vertrages am 5. Juli 1957 angenommenen Entschließungsantrag bekräftigt. Deutscher Bundes tag, 2. Wahlperiode, Umdruck 1300.

  21. In die Präambel ist folgende recht allgemein 0 Formel aufgenommen worden: „In dem festen Wi len, die Grundlagen für einen immer engeren sammenschluß der europäischen Völker zu send fen".

  22. So z. B. von Italien im „Memorandum der italienischen Regierung zur europäischen Integrationspolitik vom 2. Juni 1955", Ziff. 2. Abgedruckt in: Archiv der Gegenwart 1955, S. 5190. VgL auch: Ph. C. M. v. Campen, Bericht im Namen des Wirt-Schaftsund Finanzausschusses über die Koordinierung der Währungspolitik im Rahmen der EWG, in: Europäisches Parlament, Sitzungsdokumente 1962— 1963, Dokument 17 vom 7. April 1962.

  23. »Aufgabe der Gemeinschaft ist es, durch die Errichtung eines Gemeinsamen Marktes und die schrittweise Annäherung der Wirtschaftspolitik «er Mitgliedstaaten eine harmonische Entwicklung des Wirtschaftslebens innerhalb der Gemeinschaft, eine beständige und ausgewogene Wirtschaftsausweitung, eine größere Stabilität, eine beschleunigte Hebung der Lebenshaltung und engere Beziehungen zwischen den Staaten zu fördern, die in aeser Gemeinschaft zusammengeschlossen sind."

  24. Hervorhebung vom Verfasser. Die Wahl des Ortes ihre zeigt deutlich, daß die wirtschaftspoliisChen . Entscheidungskompetenzen ohne wesent1 e Einschränkung bei den einzelnen Mitglied-

  25. W. Röpke, Gemeinsamer Markt und Freihandelszone. 28 Thesen als Richtpunkte, in: ORDO, Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft, Bd. 10 (1958), S. 49.

  26. Abschlußbericht, a. a. O., S. 45.

  27. Bundeskanzler Brandt wies auf diese Konstellation unzweideutig in seiner Regierungserklärung hin: „Der bevorstehenden Konferenz der Sechs in Den Haag kommt eine besondere Bedeutung zh Sie kann darüber entscheiden, ob Europa in den sachlich miteinander verknüpften Themen des in neren Ausbaus, der Vertiefung und der Erwetk rung der Gemeinschaft einen mutigen Schritt na vorn tut oder in eine gefährliche Krise geraar Bulletin des Presse-und Informationsamtes Bundesregierung, Nr. 132, Bonn, den 29. Okto e 1969, S. 1128.

  28. Die Gruppierung entspricht in den Grundzügen der Analyse, die Ministerialdirigent Dr. Tietmeyer vom Bundeswirtschaftsministerium in einem Vortrag im Institut für Wirtschaftspolitik der Universität Köln am 5. Februar 1971 vorgenommen hat.

  29. „Bei außenwirtschaftlichen Störungen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts, deren Abwehr durch binnenwirtschaftliche Maßnahmen nicht oder nur unter Beeinträchtigung der in § 1 genannten Ziele möglich ist, hat die Bundesregierung alle Möglichkeiten der internationalen Koordination zu nutzen ..."

  30. Vgl. dazu die Erklärung des Bundeskanzlers Brandt auf der EWG-Gipfelkonferenz in Den Haag, in: Bulletin des Presse-und Informationsamtes der Bundesregierung, Nr. 146, Bonn, 2. Dezember 1969, V„ S. 1242.

  31. Vgl. Memorandum des BMWi, a. a. O., S. 3: „Der Stufenplan sollte vorsehen, daß in diesem Prozeß zunächst die ökonomischen und politischen Voraussetzungen für eine gleichgewichtige gesamtwirtschaftliche Entwicklung in der Gemeinschaft geschaffen werden. Wenn so die Gefahr der Entstehung von schwerwiegenden ökonomischen Un-gleichgewichten zwischen den Mitgliedstaaten entscheidend vermindert ist, wird die Zeit dafür reif sein, in das Stadium einer Währungsunion mit dem Übergang zu festen und garantierten Währungsparitäten einzutreten.''(Hervorh. vom Autor)

  32. Dabei geht die Kommission von der irrigen Meinung aus, daß die EWG-Agrarmarktordnungen bei fixierten Wechselkursen problemlos funktionieren würden. Vgl. dazu: Alfred Müller-Armack,

  33. Stellvertretend für viele Äußerungen von Regierungsmitgliedern in diesem Zusammenhang-Antwort der Bundesregierung auf eine Große An frage der Fraktionen der SPD und FDP, Antwor zu Fiage 5, in: Bulletin des Presse-und Informa tionsamtes der Bundesregierung, Nr. 9, Bonn, 8 26. Januar 1971, S. 77.

  34. Hans R. Krämer, Experience with Historical Monetary Unions. Kieler Diskussionsbeiträge zu aktuellen wirtschaftspolitischen Fragen, Heft 5, uni 1970. K. untersuchte die Lateinische Münzunion, die Skandinavische Währungsunion, die Wahrungsunion des Deutschen Reiches von 1871, ie Schweizer Währungsintegration, die Deutsch-sterreichische Währungsunion von 1857 und die alienische Währungsintegration.

  35. Eine Begründung der Forderung nach einer unabhängigen Zentralbank kann hier aus Raumgründen nicht abgeleitet werden. Vgl. dazu: Otto Veit, Grundriß der Währungspolitik, 3. durchgängig erneuerte Aufl., Frankfurt am Main 1969, bes. S. 191 ff.

  36. Ein besonderes Problem wird sein, daß auf Ge-meinschaftsebene — im Gegensatz zu den Einzelstaaten — kein öffentlicher Haushalt bestehen wird, der einen großen Einfluß auf den Wirtschaftskreislauf in der EWG haben wird. Aus diesem Grund muß dieses Entscheidungsgremium gegenüber den nationalen Regierungen ein gewisses Weisungsrecht erhalten, um in Konfliktfällen eindeutige Maßnahmen treffen zu können.

  37. Vgl. dazu Alfred Müller-Armack, Die verharmloste Inflation, in: Wirtschaftspolitische Chronik, Institut für Wirtschaftspolitik an der Universität zu Köln, Heft 2, 1970.

  38. Die negativen Erfahrungen im Ausland beruhen vielfach auf einer falschen wirtschaftspolitischen Ziel-Mittel-Kombination. Es wird zuviel mit globalen Maßnahmen überdeckt, was im Rahmen der Strukturpolitik behoben werden müßte. Deshalb spricht vieles dafür, daß die Zielkonflikte in erster Linie eine Folge ganz bestimmter Wirtschaftspolitiken sind, deren Ergebnisse unzulässigerweise zu ökonomischen Gesetzmäßigkeiten erhoben werden.

  39. Ein Zwang zu einer derartigen Wirtschaftspolitik bestünde, wenn der Wechselkurs endgültig ixiert wäre und keine Devisenreserven zur Stabilisierung eingesetzt werden könnten. Eine an den Wechselkursen ausgerichtete Wirtschaftspolitik entspräche einer freiwilligen Koordination, wie sie er Lehrbuch-Goldstandard für die Zeit vor 1914 beschreibt.

  40. Angenommen, das Gläubigerland ist gleichzeitig das Devisenzuflußland. Die Kreditgewährung bzw. -bereitstellung bedeutet eine Eventualverpflichtung. Sowie der Kredit in Anspruch genommen wird, tritt ein Aktivtausch (Devisen gegen Forderung an das Schuldnerland! in der Notenbankbilanz des Gläubigerlandes auf, die noch keine Auswirkung auf den binnenländischen Geldkreis-lauf hat. Dafür muß die Passivseite der Notenbank-bilanz sich verändern. Dies tritt ein, wenn das Schuldnerland seinen Wechselkurs mit dem Zahlungsbilanzkredit auf dem Devisenmarkt stabilisiert und die Wirtschaftssubjekte, die die Währung des Schuldnerlandes gegen Devisen verkauft haben, die Devisen am Devisenmarkt des Gläubigerlandes so reichlich anbieten, daß sie von der Notenbank umgetauscht bzw. aufgekauft werden müssen (nationale Währung gegen Devisen). Die Bilanz der Notenbank wird verlängert. In Höhe der Devisenzustroms ist netto Geld geschaffen worden! Für eine genaue Analyse dieses Problem-komplexes vgl. Hans Willgerodt u. a., Wege und Irrwege, a. a. O., Kapitel II, B und D.

  41. Vgl. ebenda Kapital II, B.

  42. Insbesondere in der Frage einer frühen Verringerung der Wechselkursbandbreiten und der Schaffung eines Devisenausgleichsfonds.

  43. Zwischenbericht, a. a. O., S. 7.

  44. Ebenda, S. 8.

  45. Der Begriff der „Irreversibilität" des Prozesses wurde nicht wörtlich, wohl aber inhaltlich übernommen: „Die erste Stufe darf nicht als ein Ziel an sich angesehen werden. Sie ist unlöslich mit dem Gesamtprozeß der Wirtschaftsund Wäh rungsintegration verbunden. Sie muß daher mit der Entschlossenheit in Angriff genommen werden, das Endziel zu erreichen.“ Vgl. Auszug aus der Zusammenfassung der Ratsbeschlüse der 116. Tagung vom 8. und 9. Juni 1970, Anlage 4 zu: Abschlußbericht, a. a. O. .

  46. Problematisch bzw. ungelöst blieben u. a. fol-gende Bereiche: Die Gestaltung der Wechselkurse gegenüber Drittstaaten; während die vollständige Konvertibilität innerhalb der EWG gefordert wir , bleibt offen, wie sie gegenüber den Drittstaaten gehandhabt werden soll; auf mögliche Gefahren un Ungereimtheiten der EWG-Kreditmechanismen pIa nicht eingegangen; die währungspolitischen Pro bleme einer Erweiterung der EWG bleiben une wähnt; die vorgeschlagenen normativen und ko patiblen Wirtschaftsbudgets als Grundlage Koordination sind ordnungspolitisch problematse. einerseits wird eine Koordinierung der Wirtscha Politik mit Nachdruck verlangt und zur Grund ag weiterer Schritte erhoben, andererseits wird g sagt, daß sie bis zum Übergang zur vollende Währungsunion nur „in den Grundzügen bereits erreicht sein sollte“; es wird beklagt, daß die Ausweichklauseln des EWG-Vertrages (Art. 73, 108/109) Liberalisierungsfortschritte zeitlich rückgängig machen können, die frühzeitige Abschaffung dieser Klauseln wird jedoch nicht vorgeschlagen. Im einzelnen vgl. dazu: Hans Willgerodt u. a., Wege und Irrwege, a. a. O., passim.

  47. Für folgende Gebiete werden sehr tiefgreifende Koordinierungs-und Harmonisierungsvorschläge unterbreitet, die bereits in der ersten Stufe zumindest teilweise realisiert werden sollen: Abgestimmte Haushaltspolitik; Beseitigung der Steuer-grenzen, insbesondere Harmonisierung der indirekten Steuern; erste Schritte zur Liberalisierung der Kapitalmärkte; Koordinierung der Geld-und Kreditpolitik; Verringerung der Schwankungsbreiten der Wechselkurse; Abbau von wettbewerbsverzerrenden Beihilfen und Subventionen u. a.

  48. Abschlußbericht, a. a. O., S. 10 und S. 27 (Schlußfolgerung B).

  49. Im einzelnen werden folgende Aufgaben den Institutionen zugeordnet:

  50. Der Ausschuß der Zentralbankpräsidenten als Vorläuferinstitution soll Orientierungen für die Geld-und Kreditpolitik geben, aber lediglich „unter Berücksichtigung der vom Rat für die Wirtschaftspolitik erarbeiteten Schlußfolgerungen". Ebenda, S. 21.

  51. Ebenda, S. 27 (Schlußfolgerung A). Hervorhebungen vom Autor. Auf S. 6 wird eine offenere Form gewählt. Danach sollen ein befriedigendes Wirtschaftswachstum, ein hoher Beschäftigungsgrad und die Stabilität des Preisniveaus „gleichzeitig und gleichrangig" erreicht werden.

  52. Ebenda, S. 12 und S. 28 (Schlußfolgerung D und E).

  53. Eine Konsultationspflicht besteht nur, „sofern die Umstände dem nicht entgegenstehen". Da aus einer Verweigerung der Konsultation keine Rechts-folgen erwachsen, wurden diese Ausweichsklauseln häufiger in Anspruch genommen.

  54. Vgl. Abschlußbericht, a. a. O., S. 15/16.

  55. Problematisch an diesem Kompromiß ist, daß innerhalb dieses Interventionssystems der EWG-Währungsbeistand bis zu einer Höhe von 2 Mrd. RE in Anspruch genommen werden kann. Der Wechselkurs eines oder mehrerer EWG-Länder kann so entgegen den Marktbedingungen mittelfristig künstlich stabil gehalten werden. Damit wird der Prozeß der Inflationsübertragung institutionalisiert. Gleichzeitig wird das Parallelitätspostulat teilweise durchbrochen, da dem temporären Verzicht auf nationale Wechselkursänderungen kein gleichwertiges, stabilitätsorientiertes Instrument auf Gemeinschaftsebene gegenübersteht. Für eine genaue Darstellung und Analyse der Funktionsbedingungen und Gefahren dieses Interventionssystems vgl. Hans Willgerodt u. a., a. a. O., Kapitel II, C und D.

  56. Im Rahmen des Internationalen Währungsfonds (IWF) beträgt die maximale Schwankungsbreite einer Währung gegenüber dem Dollar ± 1 Prozent, für die Mitgliedstaaten des Europäischen Währungs-Abkommens (EWA) seit 1958 nur noch ± 0, 75 Prozent. In diesem EWG-Wechselkurssystem entsteht eine sogenannte „interne Bandbreite" von 1, 2% zwischen den EWG-Währungen, die innerhalb der weiter bestehenden Bandbreite von 1, 5% gegenüber dem Dollar nach oben und unten gemeinsam verschoben werden kann. Ferner sollte folgendes beachtet werden: Die Bandbreite einer EWG-Wahrung gegenüber dem Dollar beträgt maximal 1, 2 Prozent. Die maximale Schwankungsbreite zwischen den EWG-Währungen beträgt dann 2 mal 1, 2 Prozent = 2, 4 Prozent. Das erklärt sich folgendermaßen. Wenn der Wechselkurs des französischen Franc am oberen und die Lira am unteren Interventionspunkt liegen, umfaßt ihre Kursdifferenz 1, 2 Prozent. Wenn sich dieses Kursverhältnis danach genau umgekehrt — der französische Franc am unteren und die italienische Lira am oberen Interventionspunkt — verdoppelt sich die Schwankungsbreite! Die maximale Schwankungsbreite beträgt also im Zeitablauf 2 X 1, 2 Prozent = 2, 4 Prozent.

  57. Der von den „Monetaristen" favorisierte Fonds soll auf jeden Fall in der zweiten Stufe, eventuel bereits in der zweiten Phase der erslen Stufe errichtet werden. Dafür ist eine gründliche Studie über die Bedingungen seiner Errichtung und über seine Arbeitsweise vorgesehen. Zur Erleichterung der Interventionen am Devisenmarkt ist am Anfang die Einschaltung eines „Agenten", wahrscheinlich der Bank für Internationalen Zahlungsausglei (BIZ), vorgesehen, die aber vorerst nur Budifu rungs-und Informationsaufgaben erfüllen soll. V 9 Abschlußbericht, a. a. O., S. 24 und 27.

  58. Vgl. ebenda, S. 14— 18.

  59. Im Beschluß vom 8. Mai 1964 zur Bildung des Ausschusses der Zentralbankpräsidenten werden in Art. 3 folgende Aufgaben aufgezählt: Konsultationen über die großen Linien der Zentralbankpolitik, Austausch von Informationen, Prüfung von beabsichtigten währungspolitischen Maßnahmen und Beobachtungen der Währungslage innerhalb und außerhalb der Gemeinschaft. Vgl. Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, 1964, S. 1206.

  60. Abschlußbericht , a. a. O., S. 17.

  61. Kommission der Europäischen Gemeinschaften. Mitteilung und Vorschläge der Kommission an den Rat über die stufenweise Einführung der Wirtschafts-und Währungsunion, Dok. KOM (70) 1250, Brüssel, den 29. Oktober 1970 (im folgenden zitiert: Kommission, Mitteilung und Vorschläge). Dieses Papier besteht aus vier Teilen: 1. Mitteilung, 2. Entwurf einer Entschließung, 3. Entwurf einer Entscheidung des Rates über die Verstärkung der Zusammenarbeit zwischen den Zentralbanken der Mitgliedstaaten der europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und 4. Vorschlag einer Entscheidung des Rates über die Verstärkung der Koordinierung der kurzfristigen Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten.

  62. Während dem Ministerrat und dem Ausschuß der Zentralbankpräsidenten neue Entscheidungsbereiche und Initiativrechte zugeordnet werden, soll die Kommission nur weiterhin dem Rat Vorschläge „im Rahmen der ihr von den Verträgen übertragenen Zuständigkeiten“ unterbreiten.

  63. Wo die Werner-Gruppe eine institutionelle Frage bewußt offenließ, setzt sich die Kommission als Initiator ein. So will sie bis zum 1. Mai 1973 die Entwürfe für Vertragsänderungen nach Art. 236 EWG-V vorlegen. Darüber hinaus beschneidet sie die Kompetenzen anderer Organe (Teilnahme der Zentralbankpräsiqenten an Ratssitzungen; deren Recht, Stellungnahmen und Empfehlungen an den Rat zu richten; die Einberufung von hochgestellten Persönlichkeiten zu „Ad hoc-Examen" der Wirtschaftslage), um ihre Stellung auf diese Art indirekt zu stärken.

  64. Ebenda, 1. Mitteilung, S. 3 und 4; 2. Entwurf einer Entschließung des Rates, S. 1, 3. Erwägungsgrund.

  65. Ebenda, 1. Mitteilung, S. 1, II. Abs. 1 (Hervorhebung vom Autor).

  66. Ebenda, 1. Mitteilung, S. 1, Abs. 4 und S. 4, Abs. 5.

  67. Er enthält keinen Terminplan, läßt offen, ob für die 2. Stufe Vertragsänderungen erforderlich sind und erwähnt die Regierungskonferenz nur indirekt mit dem Hinweis auf Art. 236 EWG-V als eine Möglichkeit. Vgl. ebenda, 2. Entwurf einer Entschließung, S. 2 und 4.

  68. Ebenda, 1. Mitteilung, S. 2.

  69. Die Werner-Gruppe schlug vor, den Jahreswir • Schaftsbericht an den Wirtschafts-und Sozialausschuß und das Europäische Parlament zu leiten. Die Kommission sieht nur eine vorherige Anhörung vor. Vgl. ebenda, 4. Vorschlag einer Entscheidung des Rates über die Verstärkung der Zusammenarbeit der Koordination der kurzfristigen Wirtschaftspolitik, Art. 4.

  70. Die Orientierungen für die Geld-und Kredit-politik sollen „im Rahmen der vom Rat“ beschlossenen Leitlinie für die Wirtschafts-und Währungspolitik und nicht wie im Abschlußbericht („unter Berücksichtigung“) festgelegt werden. Ebenda, 3. Entwurf einer Entscheidung des Rates über die Verstärkung der Zusammenarbeit zwischen den Zentralbanken, Art. 1.

  71. Vgl. ebenda, 4. Vorschlag einer Entscheidung zur Koordinierung der kurzfristigen Wirtschaftspolitik, Art. 1.

  72. Vgl. ebenda, 1. Mitteilung, S. 3/4; 2. Entwurf einer Entschließung, S. 2/4.

  73. Vgl. dazu: Klippen auf dem Weg zur europäischen Wirtschafts-und Währungsunion, Neue Zürcher Zeitung, Fernausgabe Nr. 345 vom 16. Dezember 1970, S. 14.

  74. Vgl. Bulletin des Presse-und Informationsamtes der Bundesregierung, Nr. 182, Bonn 31. Dezember 1970, S. 1984 f.

  75. Französische Botschaft, Informationsblätter, Jg. 20, Nr. 84 vom 31. Januar 1971, S. 7/8.

  76. Vgl.: Brandt folgt Pompidous Konzept, „Handelsblatt“, vom 27. Januar 1971.

  77. Vgl.: Rede des Bundesministers des Auswärtigen vor dem Deutschen Bundestag am 29. Januar

  78. Vgl.: Bulletin Nr. 14, a. a. O„ S. 149— 151.

  79. Vgl.: Paris und Rom differieren in Fragen der Europa-Politik, „Die Welt“ vom 1. Februar 1971.

  80. Bulletin Nr. 14, a. a. O„ S. 151.

  81. Ebenda, S. 127.

  82. Schaffung der Wirtschafts-und Währungsunion. Ungekürzter Wortlaut des von den „Sechs" erretc. ten Kompromisses, „Europe/Dokumente", Nr. 614, 10. Februar 1971. Die Hinweise auf die Erklärungen in das Ratsprotokoll wurden vom Autor en -nommen aus: Nichtamtliche, vorläufige Textfassung aufgrund der Ergebnisse des Ministerrates vo 8. /9. Februar 1971, o. Verf., o. O. (im folgenden zitiert: Nichtamtliche, vorläufige Textfassung, ad O.).

  83. Dazu gehören im einzelnen: eine gemeinschaftliche

  84. Der Währungsausschuß wurde beauftragt, die Einbeziehung von mittel-und langfristigen Krediten in die schrittweise Liberalisierung zu prüfen.

  85. Bei der Entscheidung über die Verstärkung der Zusammenarbeit zwischen den Zentralbanken wurde ins Ratsprotokoll aufgenommen, daß „nach französischer Auffassung die Koordinierung der Währungs-und Kreditpolitik vor allem im Währungsausschuß erfolgen (soll)". Dabei ist zu beachten, daß der Währungsausschuß keine wesent-liehen Befugnisse besitzt. Eine Erweiterung seiner Kompetenzen wird nicht vorgesehen! Vgl. Nichtamtliche, vorläufige Textfassung, a. a. O., Anmerkung zu Art. 1 der Entscheidung des Rates vom 8, /9. Februar 1971 über eine Verstärkung der Zusammenarbeit zwischen den Zentralbanken.

  86. Dazu gaben die deutsche und niederländische Delegation zu Protokoll, daß „eine vollständige und unwiderrufliche Verwirklichung der .. . genannten Ziele und Verpflichtungen gefährdet werden kann, wenn es nicht gelingen sollte, durch Übergang zur zweiten Stufe eine ausreichende und verläßliche Harmonisierung der Wirtschaftspolitik und Wirtschaftsentwicklung der Mitgliedsländer sicherzustellen". Nichtamtliche, vorläufige Textfassung, a. a. O., S. 13.

  87. Die Form des „Ersuchens" ist notwendig aufgrund der unterschiedlichen Rechtsstellungen der nationalen Notenbanken. In der Experimentierphase ist die Mitarbeit der Notenbanken freiwillig, da eine rechtliche Regelung (für die Bundesbank wäre ein Gesetz, für die Banque de France oder Banca d'Italia eine Verordnung notwendig) sofort eine „de jure-Lösung“ impliziert. Weitere Schritte (de jure Verengung der Bandbreiten und weitere Verringerung der Schwankungsbreiten) werden von den Ergebnissen der Berichte (zweimal jährlich) des Ausschusses der Zentralbankpräsidenten abhängig gemacht.

  88. Er soll noch während der ersten Stufe errichtet und der gemeinsamen Organisation der Zentralbanken unterstellt werden, sofern Fortschritte in

  89. Ferner will die Kommission bis zum 1. Mai 19'dem Rat eine Mitteilung über die erzielten Fort-schritte in der ersten Stufe vorlegen. Weiterhin beabsichtigt sie, zusammen mit den zuständigen Ausschüssen einen Bericht vorzulegen über die Aufteilung der Befugnisse auf die Gemeinschaftsorgane in den Bereichen der Konjunktur-un Haushaltspolitik und der Geld-und Kreditpoit

  90. Rat der Europäischen Gemeinschaften. General

  91. Vgl.: Bulletin Nr. 22, Bonn, 12. Februar 1971, S. 233- 235.

  92. Schiller besorgt, „Die Welt" vom 27. Januar 1971, S. 2.

  93. Bulletin Nr. 14, a. a. O., S. 150.

  94. Ebenda, S. 151.

  95. So der Bundesminister des Äußeren W. Scheel vorpdem Bundestag. Ebenda, S. 126.

  96. Bulletin Nr. 22, a. a. O„ S. 235. An dieser Fest-selung ändert auch die teilweise Berichtigung des Undeswirtschaftsministeriums nichts. Vgl. Bulletin r. 24 vom 16. Februar 1971, S. 259.

  97. Diese Krise ist ein gutes Beispiel dafür, wie konstruktive europäische Lösungen erst durch einen äußeren Druck auf ein oder mehrere EWG-Staaten zustande kommen. Erst als für Frankreich sich die Alternative stellte, ob das französische Kraftwerk-Unternehmen Jeumont-Schneider zusammen mit der belgischen Elektrizitätsgesellschaft ACEC unter amerikanischer Führung von Westinghouse auf dem europäischen Markt dominieren oder aber die europäische Zusammenarbeit verstärkt werden sollte, entschloß es sich 1969 für eine europäische Lösung. Vgl. Gerda Zellentin, Krisen der europäischen Integration. Ursachen und Wirkungen, in: Integration, Vierteljahreshefte zur Europaforschung, Heft 1, 1970, S. 30.

  98. Vgl. Waldemar Besson, Der europäische Regio-nalismus im Widerstreit von Integration und Nation, in: Moderne Welt, 10, 1969, S. 129.

  99. Französische Botschaft. Informationsblätter, Jg. 13, Nr. 310 vom 15. November 1964.

  100. Französische Botschaft. Informationsblätter, Jg. 20, Nr. 84 vom 31. Januar 1971, S. 7.

  101. Ebenda, S. 8.

  102. M. Michel Debre definit les caracteristiques de l’heritage gaulliste, „Le Monde“, No. 8125 vom 26. Februar 1971 (eigene Übersetzung).

  103. Ein Beispiel, daß die französische Einstellung auch innerhalb der Bundesregierung besteht, könnte eine Äußerung der Parlamentarischen Staatssekretärin im Bundeskanzleramt Dr. Katharina Focke sein, die für die Koordination der EWG-Politik zuständig ist: „Es dürfte heute überhaupt verfrüht sein, mitten in einem höchst dynamischen Entwicklungsprozeß der Gemeinschaft zu beschreiben oder festzulegen, wie sie in einem Endstadium — wenn es überhaupt ein Endstadium gibt — einmal auszusehen habe". K. Focke, Europa-Politik nach Den Haag. Neubeginn in der europäischen Integration?, in: Europa-Archiv, Folge 8/1970, S. 278.

  104. Die Währungsunion ist gekennzeichnet durch eine gemeinsame — zentrale oder koordinierte — Währungspolitik. Dafür sind keine verbindlichen Regelungen getroffen worden. Statt dessen werden bzw. sind ein kurzfristiger und ein mittelfristiger Währungsbeistand zusammen mit einer Verringerung der Schwankungsbreiten der Wechselkurse in Kraft gesetzt. Ferner kann bereits in der ersten Stufe ein Devisenausgleichsfonds errichtet werden. Diese Maßnahmenkombination eröffnet in erster Linie die Möglichkeit einer de facto oder de jure Poolung der Devisenreserven, nicht aber die einer wirksamen Koordinierung der Wirtschafts-und Währungspolitik.

  105. Asymmetrisch, weil in erster Linie Maßnahmen getroffen wurden, die nur eine nachträgliche Überbrückung von Schwierigkeiten ermöglicht (Beistandskredite bei verringerten Schwankungsbreiten), sie aber nicht verhindert (durch Koordinierung der Wirtschaftsund Währungspolitik). Besonders problematisch dabei ist, daß die Beistandskredite als Nebenwirkung eine internationale Übertragung der Inflationsbazillen hervorrufen (vgl. Fußnote 40).

  106. Das gilt zum Beispiel für Frankreich, wenn die Bundesrepublik Deutschland — wie die Steuerrechtskommission vorschlug — im Rahmen der Steuerharmonisierung die Mehrwertsteuer anheben

  107. Vgl.: Andreas Müller-Armack, Die Dauerkrise in der europäischen Agrarpolitik, in: Aus Politik und Zeitgeschichte. Beilage zur Wochenzeitung „Das Parlament", B 17/70 vom 25. April 1970, S. 19 ff.

Weitere Inhalte

Rolf Hasse, Diplom-Volkswirt, geb. 1940 in Berlin, wissenschaftlicherAssistent am Wirtschaftspolitischen Seminar der Universität zu Köln. Redaktionsschluß: 6. Mai 1971