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Die deutsche Geschichte seit 1870 in sowjetischen Schulbüchern | APuZ 4/1971 | bpb.de

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APuZ 4/1971 Artikel 1 Die deutsche Geschichte seit 1870 in sowjetischen Schulbüchern Didaktische Aspekte zum Verhältnis von Politik und Geschichte

Die deutsche Geschichte seit 1870 in sowjetischen Schulbüchern

Hans-Heinrich Nolte

/ 65 Minuten zu lesen

Zur Einführung

Fritz Sandmann Didaktische Aspekte zum Verhältnis von Politik und Geschichte . . . . S. 29

Die Geschichtswissenschaft hat eine aufklärerische Funktion. Die Kenntnis der Entstehung von Zuständen gibt Hinweise darauf, ob und wie diese Zustände erhalten oder abgeschafft werden können und sollen. Das gilt nicht nur für innere Zustände und Verhältnisse; es wird auch bei der Verbreitung von historischen Kenntnissen über die Zusammenhänge zwischen Nationen augenfällig. Wenn ein Historiker nachweist, wie vielfältig die Beziehungen zwischen Nationen in aller Regel gerade in solchen Perioden gewesen sind, in denen lange und häufig Krieg zwischen ihnen geführt wurde, widerlegt er Ideologien von Erbfeindschaften in ähnlicher Weise wie bei dem Nachweis, daß Kriege oft nicht dem Interesse der Nation, sondern nur dem bestimmter Schichten oder sogar einzelner dienten, und er macht deutlich, daß auch in der Vergangenheit Kriege nicht die einzig mögliche Form der Auseinandersetzung waren. Weckt ein Historiker nicht die Kritik an den Kriegen der eigenen Nation, stellt er ihre Kriege ausschließlich als gerecht und siegreich dar, erhöht er die Kriegsbereitschaft seiner Leser. Die Wirkungen des Geschichtsbildes auf die langfristige Entwicklung zwischen zwei Völkern sind bedeutend und waren in manchen Fällen wohl sogar mit entscheidend.

Das Geschichtsbild, das in Schulbüchern verbreitet wird, kann nicht nur deshalb eine besonders starke und nachhaltige Wirkung haben, weil es gelernt wird, sondern auch, weil es schon aus didaktischen Gründen weniger differenziert ist, weil Gegeninterpretationen fehlen und der Schüler selbst fundierte Kritik nur selten entwickeln kann. Bei bloßer Ablehnung, bloßer Umkehrung der Vorzeichen aber bleiben falsche Urteile im Denkansatz oft vollständig erhalten. Das Bemühen um ausgeglichene Darstellungen der Beziehungen zwischen Nationen wird deshalb durch die UNESCO besonders gefördert. Da nach der Erfindung der Massenvernichtungsmittel Krieg selbst für größere Gruppen nicht mehr von Vorteil sein kann, entspricht diese Bemühung dem direkten Interesse aller Völker. In einem besonderen Maß entspricht diese Bemühung dem Lebensinteresse unseres Volkes, das in der Welt mit der Verantwortung für zwei Weltkriege belastet wird und einen dritten Weltkrieg mit größter Wahrscheinlichkeit nicht überleben würde.

Vergleichende Schulbuchstudien haben deshalb in der Bundesrepublik besondere Förderung erfahren. Die Auseinandersetzung mit den Schulbüchern westlicher Länder hat dabei bisher den größeren Teil der Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Das lag zwar nahe, brachte aber doch den Verdacht auf, es solle vorwiegend das bessere Verständnis der Völker des Westens untereinander gefördert werden. Eine solche Beschränkung würde jedoch unseren Interessen entgegenstehen, denn wer heute für Deutschland Politik machen will, muß wissen, vor welchem historischen Hintergrund unsere östlichen Gesprächspartner uns sehen. Unser wichtigster Gesprächspartner, die UdSSR, kennt keinen „Verlust der Geschichte". Manche Veränderungen des sowjetischen Geschichtsbildes nach 1917 waren einschneidend, andere wenig bedeutend, aber die Hochschätzung der Geschichtswissenschaft an sich ist so ungebrochen, wie sie von Marx übernommen worden ist.

In den volksdemokratischen Ländern und der UdSSR wird die Geschichtswissenschaft insgesamt unmittelbarer und stärker ideologisch in Anspruch genommen, als das im Westen der Fall ist; die Lehrbücher der Geschichte für Schulen bieten direkte Spiegelungen der herrschenden Auffassung. Dabei gibt es keine Wahlmöglichkeiten für die einzelnen Schulen. Für alle Schulen einer Republik der UdSSR gibt es nur ein Geschichtsbuch für eine bestimmte Periode. Die hier untersuchten Lehrbücher sind jeweils die der RSFSR, der Russischen Teil-republik. Da der Verfasser keine der anderen Unionssprachen beherrscht, kann er nicht mitteilen, wieweit die Geschichtsbücher der anderen Republiken sich von denen der RSFSR unterscheiden.

Das Schulsystem der UdSSR kennt keine direkte Differenzierung nach Leistungsgruppen, wie wir sie mit Gymnasial-und Real-Schulen besitzen. Allerdings ergibt sich eine gewisse Differenzierung nach Leistung durch die Fremdsprachenschulen, in denen schon frühzeitig verstärkt Englisch, Deutsch oder eine andere Fremdsprache unterrichtet wird. Alle Schüler besuchen zusammen die Vorschuleinrichtungen und die 8-Klassen-Schule. Zur Zeit wird angestrebt, daß alle Schüler nach der 8. Klasse auch die 9. und 10. Klasse der Mittelschule besuchen — nach der offiziellen Statistik beträgt der Prozentsatz der Absolventen der Mittel-schule 63 o/o aller Schulabgänger. Die Einschulung erfolgt mit sieben Jahren. Die Schüler haben bis zur 4. Klasse 24 und bis zu 10. Klasse 30 obligatorische Wochenstunden, also 276 obligatorische Wochenstunden in zehn Schul-

ahren. Davon sind der Mathematik 58 und dem Russisch-Unterricht 53 Stunden gewidmet, im 10. Schuljahr setzt der Russisch-Unterricht aus. Vom 4. bis zum 7. Schuljahr haben die Schüler zwei, im 8. und 10. Schuljahr drei und im 9. Schuljahr vier Wochenstunden Geschichte; im 10. Schuljahr sind zwei Wochenstunden Staatsbürgerkunde vorgesehen. Vom 4. bis zum 10. Schuljahr haben die Schüler also 18 Wochenstunden Geschichte.

Der Unterrichtsstoff ist in zwei parallele Kurse geteilt: nebeneinander werden die Geschichte der UdSSR und die Geschichte der Welt behandelt. Im 4. Schuljahr werden „Erzählungen“ zur Geschichte der UdSSR von der Vorgeschichte an, jedoch überwiegend aus der Zeit nach der Oktoberrevolution vorgeschaltet. Da-n 9ch wird chronologisch vorgegangen. Im 5 Schuljahr wird die Geschichte der alten \ " e t, im 6. die des Mittelalters von Frankreich i s China unterrichtet. In der 7. Klasse wird d e Geschichte der UdSSR bis etwa 1800, in der 8. bis 1917 geführt; außerdem wird im 8. Schuljahr die Geschichte der Neuzeit der Welt bi: 1870 dargestellt. In den beiden letzten Klas sen wird die Geschichte der Welt in der neuei und neuesten Zeit sowie die Geschichte de UdSSR nach 1917 behandelt.

Die Lehrbücher muß jeder Schüler sich selbe: kaufen; bei der Produktion und Verteilung de: mehrere Millionen hohen Auflagen hat es manchmal Schwierigkeiten gegeben. Bei einen Versuch, im August letzten Jahres in Moskai einige besonders interessante Lehrbücher zu kaufen, mußte der Verfasser nach langen Schlangestehen feststellen, daß diese Büche: nicht vorhanden waren. Auch hier ist das sowjetische Wirtschaftssystem mehr Produktions-als verbraucherorientiert.

Bei der Auswahl der Texte wurden solche Stellen bevorzugt, die besonders deutliche Urteile enthalten. Stellen mit Referaten von Fakten, die in Lehrbüchern natürlich recht häufig sind, wurden gekürzt oder zusammengefaßt. Die kursiv wiedergegebenen Passagen entsprechen den im Original kursiv gekennzeichneten Merksätzen. Auf Anmerkungen und eigene Urteile bei den Texten wurde bewußt verzichtet. Die oft sehr harte Konfrontation, die der Leser mit dem Urteil über unsere Geschichte erfahren muß, soll nicht durch Kommentare gemildert und abgelenkt werden.

Demjenigen, dem die marxistische Geschichtsauffassung ganz fremd ist, muß man jedoch eine Lesehilfe geben. Wenn über Aufstände berichtet wird, ist das ein Zeichen von Sympathie. Auch erfolglose Aufstände gegen die Bourgeoisie oder die Feudalherren werden hoch eingeschätzt, wenn sie entschlossen und radikal durchgeführt wurden. Die Parteien der Gemäßigten sind nie die Gruppen, denen die Anteilnahme gilt; gemäßigt und radikal sind fast im entgegengesetzten Sinn mit Wertungen aufgeladen, wie das im allgemeinen in der Bundesrepublik der Fall ist.

Das vorgelegte Thema ist von Hans-Joachim Torke 1963 schon einmal dargestellt worden: „Die deutsche Geschichte in den Lehrbüchern der Sowjetunion." Sonderdruck aus dem Internationalen Jahrbuch für Geschichtsunterricht, Bd. 9, Braunschweig 1963. Wegen dieser Veröffentlichung sind hier Rückblicke auf frühere Geschichtslehrbücher weitgehend entbehrlich. Torke hat neben den Lehrbüchern auch die Geschichtsatlanten einbezogen, bei denen die Änderungen weniger tiefgreifend waren als bei den Lehrbüchern. Hinzuweisen ist ferner auf: „Die Sowjetunion und ihr Bildungswesen. Bericht einer Studienreise", hrsg. von Christian Graf von Krockow, Joachim Leuschner und Artur Levi, Göttingen 1965; und: Michail Prokofjew, Bildungswesen in der UdSSR, Moskau 1970.

Diese Arbeit hat ihren Zweck verfehlt, wenn der Leser sie mit dem angenehmen Gefühl aus der Hand legt, daß die Sowjets eben doch der Wahrheit nicht ins Auge sehen können, über die eigene Position wird am Schluß der Text-auswahl Rechenschaft gegeben.

Die zweite Periode der neuen Geschichte (bis 1917)

Der erste Abschnitt der „Neuen Geschichte" reicht für die sowjetische Geschichtsschreibung vom englischen Bürgerkrieg 1642 bis zum Vorabend der Gründung des Deutschen Reiches. Die zweite Periode behandelt die Zeit von der Pariser Kommune bis zur Oktoberrevolution Die Darstellung beginnt deshalb mit dem Deutsch-Französischen Krieg.

Die inneren Schwierigkeiten Frankreichs während des zweiten Kaiserreichs werden ausführlich geschildert (S. 5):

„Die Regierung Napoleons III. registierte die steigende Unzufriedenheit im Land und den Niedergang ihrer Autorität. Sie entschied sich, mit Hilfe eines Krieges eine Verbesserung der Lage herbeizuführen. Sie rechnete damit, daß ein Sieg über Preußen ihre Autorität stärken werde. Die Regierung nahm an, daß es ihr gelingen werde, Preußen zu schlagen, es daran zu hindern, die Einigung Deutschlands zu erreichen und, bei Erfolg, das westlich des Rheins gelegene deutsche Land zu erobern.

Die preußische Monarchie hatte ihrerseits sich schon seit einigen Jahren auf einen Krieg mit Frankreich vorbereitet, um das Haupthindernis für die Herrschaft Preußens und der Hohenzollerndynastie in Deutschland zu beseitigen und die demokratische Bewegung niederzuwerfen. Beide Seiten, Frankreich und Preußen, strebten den Krieg an."

In dem Geschichtsbuch von 1955 das den Deutsch-Französischen Krieg insgesamt etwas kürzer abhandelt, sind die Gewichte nicht so rische Geschichte des Feldzugs ausführlich dargestellt. Eine Karte der Bewegungen der deutschen Armeen bis Paris und eine genaue Skizze der Schlacht bei Sedan wird man, wie hier, in einem deutschen Geschichtslehrbuch im Augenblick kaum finden. Die zusammenfassende Beurteilung der ersten Etappe des Krieges begrüßt die nationale Einigung (S. 5 f.):

„Ungeachtet dessen, daß das preußische Junkertum und die Bourgeoisie reaktionäre Ziele verfochten, war der Krieg Deutschlands gegen Frankreich in seiner Anfangsetappe nach seinem historischen Gehalt objektiv für die Deutschen national und progressiv. Es war ein Krieg für die nationale Einheit Deutschlands und gegen eine fremde reaktionäre Macht, die dieser im Wege stand — das Imperium Napoleons III."

Aber die Revolution veränderte die Lage (S. 8):

„Die Revolution und die Niederlage Frankreichs veränderten den politischen Charakter des Kriegs. Frankreich stellte nicht mehr das Hindernis auf dem Weg zur Einigung Deutschlands dar, sodern die deutschen Militaristen, unterstützt von Junkertum und Bourgeoisie, führten den Krieg mit dem Ziel fort, Elsaß und Lothringen zu erobern. Der Krieg veränderte sich für Deutschland in einen Eroberungskrieg, und für die französische Republik in einen gerechtfertigten Verteidigungskrieg."

Als Beleg wird ein Marx-Zitat im Text gebracht. Die Ausgabe von 1965 streift die Partisanen-tätigkeit hinter den deutschen Linien mit einem Satz. Noch die Ausgabe von 1960 war ausführlicher und beschrieb auch die Gegenmaßnahmen der deutschen Befehlshaber (S. 8): sie erschossen für jeden getöteten deutschen Soldaten hunderte friedlicher französischer Bürger und brannten ganze Dörfer und Stadtteile nieder. ..."

Insgesamt 26 Seiten widmet das Lehrbuch von 1965 der deutschen Geschichte von 1870 bis 1914. Auf 125 Seiten wird die Entwicklung in den wichtigsten anderen Industriestaaten Großbritannien, Frankreich und USA, die Ge-schichte der Süd-und West-Slawen sowie diejenige Lateinamerikas, Afrikas und der asiatischen Länder dargestellt. Weltgeschichtliche Erscheinungen wie die Arbeiterbewegung, der Imperialismus und die Kultur nehmen — mit chronologischer Tabelle und einem kleinen Glossar — noch einmal 100 Seiten der Darstellung ein.

Die Reichsverfassung, an einer Skizze erläutert, wird in einem Merksatz zusammenfassend beurteilt (S. 31):

„Das deutsche Reich war ein halbabsolutistischer Staat." Preußen war nach Größe, Bevölkerung und Einfluß die herrschende Kraft im Reich. Aber (S. 32): „Preußen war ein Kriegs-staat, gewachsen in unablässigen Raubkriegen. Noch im 18. Jahrhundert sagte man, der Krieg sei die Nationalbeschäftigung Preußens.“

Marx-und Engels-Zitate unterstützen diese Urteile, auch Aussprüche russischer Schriftsteller werden zitiert (S. 32):

„Das deutsche Volk wurde Generationen hindurch in Hochachtung vor der Gewalt und im Geiste äußersten Chauvinismus erzogen. Von der Schulbank weg wurde in den Deutschen der Gedanke großgezogen, daß Macht über Recht, über Moral geht. Schule, Publizistik und Theater rühmten dauernd die Überlegenheit alles Deutschen; sie lehrten, daß die Deutschen ein . auserwähltes Volk'seien, das zur Herrschaft über die Welt berufen sei, daß alle übrigen Völker, und besonders die Slawen, in Unterordnung zur . höheren'deutschen Rasse leben sollten. Besonders im deutschen Militär war der Geist der Menschheitsverachtung verbreitet. General Moltke lehrte seine Vaterlandsgenossen: . Der Frieden ist ein Wunschtraum, und dazu noch keineswegs ein schöner; der Krieg ist ein unumgängliches Element im Leben der Menschheit'." Und S. 33: „Die Arbeiterklasse kämpfte in Gestalt der revolutionären Sozialdemokraten nach dem Maß ihrer Kräfte gegen Militarismus und Chauvinismus, aber ihre Kräfte waren in dieser Zeit noch nicht groß.“

Das Lehrbuch beschreibt Deutschland — etw im Vorgriff auf das allgemeine Imperial muskapitel — als Musterbeispiel schneller Ei wicklung industrieller Großformen und zune mender Monopolisierung. An die Darstellu der industriellen Entwicklung schließt sich d des Junkertums in Osteibien an (S. 37): „Die Besonderheit des deutschen Imperial mus war sein junkerlich-bourgeoiser Chara ter. Die monopolistische Bourgeoisie wun reich und mächtiger, aber das Junkertum hü seine Position. Die wirtschaftlichen Verbi düngen der einflußreichsten Großgrundbes zer mit den Monopolen breiteten sich aus. Vi le Junker und selbst Kaiser Wilhelm II. bes ßen Aktien der großen Monopole. Die Gemei samkeit der wirtschaftlichen Interessen ui auch der gemeinsame Kampf gegen die sozial stische und Arbeiterbewegung vereinten Jui kertum und Großbourgeoisie in den junkerlid bourgeoisen Block, der den Apparat der staa liehen Macht zum Kampf sowohl gegen di Proletariat wie gegen die Konkurrenten ai den internationalen Märkten ausnützte. Beid Seiten des Blocks waren an der Vergrößerun der Armee, der Errichtung von Flottenbase und einer Kriegsflotte interessiert. Sowohl da Junkertum wie die Bourgeoisie unterstützte die Kolonialpolitik der Regierung aktiv." Nach der Darstellung des Sozialistengesetze geht das Lehrbuch wieder auf die Außenpoli tik des Reiches ein (S. 39):

„In den 70— 80er Jahren machte die deutsch Regierung zweimal Anstalten, einen neue: Krieg gegen Frankreich zu beginnen, um die ses auf die Stellung eines deutschen Vasallet zu erniedrigen. Allerdings störte Rußland. E wünschte eine weitere Verstärkung Deutsch lands nicht und fürchtete sie. Die russische Re gierung gab der deutschen zu verstehen, dal Rußland eine neue vernichtende Niederlage Frankreichs nicht zuließe. Deutschland machte einen Rückzieher, gab aber seine Vorhaben nicht auf.

Deutschland bereitete sich auf einen Krieg voi und begann, Bundesgenossen zu suchen. 189? verbündete es sich mit Österreich, das auf der Balkanhalbinsel mit Rußland konkurrierte . . 2 Der Rückversicherungsvertrag wird nicht erwähnt, wenn man ihn nicht in folgendem Text angesprochen sehen will (S. 40):

„Das Kriegsbündnis zwischen Deutschland, Osterreich-Ungarn und Italien wurde Dreibund genannt. Damit stand Deutschland an der Spitze einer Koalition, die gegen Rußland und Frankreich gerichtet war. Bismarck sah in Ruß-land ein Hindernis für seine politischen Vorhaben. Er suchte so viel wie möglich Rußland zu schaden, aber er tat es durch die Hände anderer, indem er versuchte, England und die Türkei auf Rußland zu hetzen. Er selbst, nachdem er sich des Bündnisses mit Osterreich-Ungarn versichert hatte, verwandte nicht wenig Mühe darauf, es nicht zu einem russisch-deutschen Krieg kommen zu lassen.

Die Furcht vor Rußland war der Hauptgrund, der Deutschland veranlaßte, vor einem neuen Überfall auf Frankreich in den siebziger und achtziger Jahren zurückzustehen. Bismarck verstand, welche Schwierigkeiten der Krieg auf zwei Fronten für ihn bedeuten würde — gegen Frankreich und Rußland zugleich. Er erinnerte sich, daß sogar so berühmte Heerführer wie Karl XII. und Napoleon in Rußland Niederlagen erlitten haben. Bismarck verstand auch, daß der Zarismus die Entwicklung Rußlands hinderte, und bemühte sich deshalb, die reaktionärsten Elemente in Rußland zu unterstützen. Zugleich mit der Vorbereitung für den Krieg in Europa begann Deutschland mit der Eroberung von Kolonien, die das deutsche Großkapital forderte. Dabei gingen die deutschen Kolonisatoren mit der zivilen Bevölkerung außerordentlich grausam um und schreckten nicht vor Massenmord, Raub und Verrat zurück."

Als Beispiel wird besonders die Niederwerfung des Hereroaufstandes herangezogen. Auszüge aus der Proklamation des Generals von Trotha 1905 und aus der Aussage eines Mitglieds der deutschen Truppe werden als Nachweise und Dokumente anschließend aufgeführt. In der Ausgabe von 1960 beschränkte sich die Darstellung des deutschen Kolonialismus auf eine Aufzählung der erworbenen Kolonien (ebda., S. 25 f.). In der Ausgabe von 1955 fanden sich noch mehrere Unterabschnitte über den deutschen Imperialismus (S. 36 ff.); die unmittelbar zum Krieg führenden Ereignisse sind in einem besonderen Unterkapitel überschrieben: „Die Vorbereitung zum imperialistischen Krieg" (S. 39). In der Ausgabe von 1960 ist dieses Thema in einem besonderen Abschnitt zusammengefaßt: „Der deutsche Imperialismus am Anfang des 20. Jahrhunderts" (S. 28 ff.). In der Ausgabe von 1965 ist der Abschnitt erweitert und trägt eine neue, Deutschland deutlicher von den anderen imperialistischen Mächten absetzende Überschrift: „Die Vorbereitung der deutschen Imperialisten zum Krieg um die Aufteilung der Welt" (S. 42 ff.).

Die Darstellung geht aus von einer erneuten Beschreibung des schnellen Wirtschaftswachstums in Deutschland und der zunehmenden Konkurrenzsituation mit anderen kapitalistischen Ländern (S. 42):

„Der junge und starke Räuber — der deutsche Imperialismus — fand, er sei bei der Aufteilung der Kolonien übergangen worden. Er kam, mit den Worten Lenins zu reden, zum Tisch der kapitalistischen Speisen, als die Plätze von den alten kapitalistischen Ländern schon besetzt waren.

Der deutsche Imperialismus bemühte sich, das Entgangene einzuholen. In den 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts begann man, unter den mächtigsten Magnaten aus Kapital und Junkertum Pläne für die Weltherrschaft Deutschlands auszudenken. Chauvinistische Organisationen begannen, beharrlich dem deutschen Volk närrische Ideen über die Überlegenheit der . germanischen Rasse'einzuflößen und über ihr . Recht', die Welt zu beherrschen. Die Aggressivität des deutschen Imperialismus verstärkte sich ..."

Nach der Darstellung der Intervention in China und der Marokkokrise sowie des Flottenbauprogramms wird der Bagdadbahn zentrale Bedeutung zugemessen (S. 45): „Die Bagdad-bahn sollte zur Vorbereitung weiterer Eroberungen im Osten dienen, die von den deutsche Imperialisten schon durchdacht worden waren." Eine Karte auf S. 44 erläutert diesen Satz. Von der Linie der Bagdadbahn her sind Angriffspfeile „auf den Kaukasus", „nach Persien", „nach Indien", „nach Ägypten" eingezeichnet, und diese Pfeile werden in der Legende als „Eroberungspläne Deutschlands" erklärt (S. 45):

„Die Eroberungspläne der deutschen Imperialisten führten zu künftigen Konflikten mit anderen kapitalistischen Mächten — England, Frankreich, Rußland. Der deutsche Imperialismus bereitete sich zum Kampf um die Aufteilung der Welt zu seinen Gunsten vor. Er nahm eine ganz besonders aggressive Position ein.

In den letzten Jahren vor dem Weltkrieg verstärkte Deutschland das Wettrüsten. Es vermehrte seine Armee beträchtlich. Der Reichstag beschloß immer neue Anleihen zum Bau von Linienschiffen und zum Aufbau einer Unterwasserflotte." Währenddessen stieg zwar die Bedeutung der deutschen Arbeiterbewegung und auch die Bedeutung des Marxismus in ihr. Das Erfurter Programm der Sozialdemokratie entsprach, zwar vielen Forderungen des Marxismus, aber (S. 47): im Programm waren schwerwiegende Konzessionen an den Opportunismus. Unter Opportunismus in der Arbeiterbewegung versteht man Übereinstimmung mit der Bourgeoisie, Unterordnung der Klasseninteressen des Proletariats unter deren Interessen, Abweichung vom Marxismus.

Die Führer der Sozialdemokratie fürchteten sich, die Forderung nach einer demokratischen Republik als nächstes Kampfziel der deutschen Arbeiter in das Programm aufzunehmen. Sie hatten Angst, daß deswegen von seifen der Regierung neue Repressionen gegen die Partei gerichtet werden könnten. Aber der schwerste Fehler des Erfurter Programms war, daß in ihm die proletarische Revolution und die Diktatur des Proletariats nicht einmal erwähnt wurde ..."

Die Kritik, die Engels am Programm übte, hätten die Führer vor der Partei verborgen gehalten (S. 47 f.):

„In der zweiten Hälfte der 90er Jahre begann der Opportunismus in den Reihen der deutschen Sozialdemokratie beträchtlich zuzunehmen. Die Monopolvereinigungen der Kapitalisten, die große Gewinne machten, bestachen auf Rechnung dieser Gewinne einen kleinen Teil der Arbeiterklasse, hauptsächlich die Meister und qualifiziertesten Arbeiter, aber auch die Führr der Gewerkschaften. Die Bestechung wurde gewöhnlich auf dem Weg der Bezahlung höherer Arbeitslöhne durchgeführt, die zwei-bis dreimal über den mittleren Arbeiterlöhnen lagen. Manchmal überließen die Kapitalisten den qualifizierten Arbeitern einen unbedeutenden Teil der Gewinne, versorgten sie mit besseren Wohnungen usf. In dieser Weise war das Wachstum der Monopole in allen Ländern von der Erscheinung einer kleinen privilegierten und vergleichsweise hoch-bezahlten Zwischenschicht in der Arbeiterklasse begleitet, die man . Arbeiteraristokratie'zu nennen begann. Diese Arbeiteraristokratie wurde zusammen mit der , Arbeiterbürokratie', den Gewerkschaftsfunktionären, zur Hauptstütze des Opportunismus, zum Agenten der Bourgeoisie innerhalb der Arbeiterklasse."

Das Lehrbuch beschreibt dann die Entstehung des Revisionismus und die Tätigkeit Bernsteins (S. 48): „Die folgenden geschichtlichen Ereignisse zeigten die völlige Inkonsequenz und Fehlerhaftigkeit der Ansichten Bernsteins und sein Gesinnungsgenossen. Das Auftreten Bei Steins kam der Bourgeoisie zugute. Der Rei sionismus schadete der Sache der Arbeiterkia se sehr. Die antimarxistischen Ansichten Ber Steins wurden in Kürze zum Programm d Opportunisten aller Länder.

In der deutschen Sozialdemokratie fanden di se Ansichten nicht genügend Widerstand. 1 den Reihen der russischen Arbeiterbewegui beurteilte V. I. Lenin sofort den ganzen Sch den und die Gefährlichkeit des Bersteinism Auf diese Weise entsteht und wächst in di deutschen Arbeiterbewegung am Ende d 19. Jahrhunderts neben der revolutionäre Richtung, die sich zum Beispiel im heldenha ten Kampf der Sozialdemokraten während dt Ausnahmegesetzes zeigt, die opportunistisch Richtung.“

Auch die Entwicklung der Arbeiterbewegun nach 1900 wird ausführlich dargestellt. Von de Lohnsituation ausgehend werden die Streik beschrieben, besonders die Streiks nach de russischen Revolution 1905 (S. 51): „Aber di Leiter der Sozialdemokratie führten dies mächtige Erhebung der Arbeitermassen nid an .. ."

Nach 1905 entwickelten sich in der Sozialde mokratie immer deutlicher drei Richtungen „Revisionisten", „Zentristen" und „Linke (S. 51): „Bernstein und andere Revisionisten bildetei den rechten Flügel der Partei und nahmen eint offene opportunistische Position ein ... Aud in Fragen der Außenpolitik befanden sich dif Revisionisten auf chauvinistischen Positionei und rechtfertigten den kolonialen Raub des deutschen Imperialismus.

Der Ideologe der zentristischen Richtung wa Karl Kautsky. Auch für die Zentristen war eint opportunistische Politik eigentümlich, aber sie führten sie insgeheim durch, verbargen sie unter revolutionären Phrasen und täuschten die Arbeiterklasse.

Die geheimen Opportunisten, die Zentristen, handelten mit den offenen Opportunisten zusammen und ordneten im wesentlichen die Interessen des Proletariats denen der Bourgeoisie unter. Lenin warnte rechtzeitig, daß der Zentrismus als geheimer Opportunismus für die Arbeiterbewegung besonders gefährlid sei." Von den linken Sozialdemokraten werden Klara Zetkin, Rosa Luxemburg und Karl Lieb-knecht den Schülern auch mit Bildern vorgestellt (S. 52 f.):

„Die Linken standen fest auf dem Boden des revolutionären Klassenkampfs und forderten die Arbeiter unablässig zu außerparlamentarischen Massenaktionen auf" . . . „Allein in einer Reihe prinzipieller Fragen des revolutionären Kampfes machten viele Linke theoretische und taktische Fehler. So hielt zum Beispiel Rosa Luxemburg, die eine glühende Anhängerin des politischen Massenstreiks war, einen solchen Streik für die . stärkste Waffe', für das äußerste und letzte Mittel im Klassenkampf des Proletariats. Sie nahm an, daß ein politischer Massenstreik spontan in einen bewaffneten Aufstand umschlagen könne. Darin zeigte sich eine Unterschätzung der Organisationsrolle der Partei. Die deutschen linken Sozialdemokraten nahmen in der Agrarfrage eine grundlegend falsche Position ein: sie bestritten die Rolle der Bauernschaft als Verbündete des Proletariats in der sozialistischen Revolution."

Die Stärke der Organisation, der Presse und der Reichstagsvertretung wird eingehend beschrieben. Aber (S. 53):

„Allein zu dieser Zeit war die führende Oberschicht der Partei auf die Seite der Feinde des Proletariats übergelaufen" . . . „Der Prozeß der opportunistischen Degeneration der Sozialdemokratie in eine Partei der sozialen Reformen war abgeschlossen, außerdem hatte sie sich aus einer internationalistischen Partei in eine chauvinistische Partei gewandelt."

Auch bei der Darstellung der Geschichte der internationalen Arbeiterbewegung wird (S. 188 ff.) die „Verstärkung des Opportunismus in der Führung der II. Internationale" beschrieben (S. 189 f.): „In Deutschland, Holland, Belgien, Bulgarien, USA und anderen Ländern erhoben sich Gruppen linker Sozialdemokraten. Sie alle waren nicht frei von verschiedenen Fehlern, aber im wesentlichen stand ihre Mehrheit auf revolutionären Positionen. Allein eine völlig und bis zum Ende konsequente revolutionär-marxistische Linie nahmen nur die russischen Bolschewiken unter der Führung von V. I. Lenin ein."

Die „Führende Rolle des russischen Proletariats in der internationalen Arbeiterbewegung wird S. 190 ff. beschrieben, beim Kampf gegen den imperialistischen Krieg wird Rosa uxemburg als einzige Mitstreiterin Lenins erwähnt.

Wie sich schon bei der Beschreibung des deutschen Imperialismus andeutete, wird bei der Darstellung der internationalen Beziehungen in der Periode vor dem Ersten Weltkrieg großes Gewicht auf die Aggressivität des deutschen Imperialismus gelegt. Die expansiven Ziele der anderen kapitalistischen Länder werden dabei ebenfalls deutlich genannt. Bei der Darstellung des Kriegsbeginns werden die Positionen so zusammengefaßt (S. 221):

„Bis 1914 spitzten sich die Gegensätze zwischen den imperialistischen Mächten bis zur Höchstgrenze zu. Alle bereiteten sich angestrengt auf den Krieg vor.

Der deutsche Imperialismus bereitete sich auf den Krieg vor und rechnete sich aus, er werde die Welt zu seinen Gunsten aufteilen, einen großen Teil Europas und des Nahen Ostens unterwerfen und die Weltherrschaft errichten können.

Die Imperialisten Osterreich-Ungarns strebten danach, Serbien ihrem Einfluß zu unterwerfen, die Befreiung der slawischen Völker zu verhindern und ihre Herrschaft auf dem gesamten Balkan und an der Adria aufzurichten.

Die englischen Imperialisten rechneten sich aus, sie würden mit Hilfe des Krieges Deutschland schwächen, deutsche Kolonien erobern, das Türkische Reich aufteilen und dabei seine Besitzungen in Mesopotamien (dem jetzigen Irak) und der arabischen Halbinsel erobern sowie die weiten Kolonialbesitzungen des Britischen Reiches noch vergrößern.

Der französische Imperialismus strebte nicht nur nach der Wiedereroberung Elsaß-Lothrin-gens, sondern auch nach der Eroberung des Saar-Kohle-Beckens und eines Teils der deutschen Kolonien.

Rußland befand sich in einiger Abhängigkeit von Frankreich und teilweise von England. Aber das zaristische Rußland hatte auch eigene Gründe für die Teilnahme am Krieg. Der russische Imperialismus wollte die Verstärkung des deutschen Einflusses in der Türkei, in den Balkanländern nicht zulassen. Die russischen Imperialisten strebten danach, selbst ihre Herrschaft in diesen Ländern zu errichten. Und sie waren äußerst eifersüchtig auf die Konkurrenz der deutschen Waren auf dem russischen Binnenmarkt." Die Verantwortung für den eigentlichen Kriegsausbruch fällt Deutschland zu (S. 221): Das Wettrüsten „verschärfte sich besonders im Jahr 1912, als Deutschland seine Armee so-wohl im Sinne des Mannschafts-Bestands wie der Menge und Qualität der Bewaffnung bedeutend verstärkte. Rußland und Frankreich antworteten mit nicht weniger umfangreichen Maßnahmen zur Verstärkung ihrer Armee. Aber im Vergleich zu Deutschland kamen sie zu spät. 1914 kam der Moment, in dem die deutschen Machthaber — Kaiser Wilhelm II., sein Kanzler und seine Berater — zu dem Schluß gelangten, daß Deutschland zum großen Krieg vollständig vorbereitet sei, während seine Feinde zurückgeblieben waren und die völlige Kriegsbereitschaft erst später erreichen würden. Die deutschen Imperialisten entschlossen sich, den so günstigen Moment nicht verstreichen zu lassen; sie benutzen ihn, um den Krieg um die lange vorbereitete, grundlegende Neuverteilung der Welt zu ihren Gunsten zu beginnen . (S. 222): „Sofort nach der Ermordung des Thronfolgers wandte sich die Wiener Regierung an Berlin um Hilfe. Aber dort brauchte sie nicht lange um Hilfe zu bitten. Wilhelm II., der Interessen der Kaiser die deutschen Imperialisten vertrat, stachelte Österreich-Ungarn direkt zum Kriege an. Die deutsche Regierung sagte ihrem Bundesgenossen alle Hilfe zu. In Berlin dachte man nicht nur an Abrechnung mit sondern auch Serbien, an die Vernichtung Rußlands und Frankreichs, an die Nutzung des günstigsten Moments für eine grundlegende Neuverteilung der Welt.“ (S. 224): „Der Krieg, der Juli-August 1914 begann, war ein imperialistischer Raubkrieg, ungerechtfertigt für beide Seiten. Nur Serbien führte in diesem Krieg einen langjährigen Kampf gegen die Drohung deutsch-magyarischer Unterdrückung. Für Serbien war es ein gerechtfertigter nationaler Befreiungskrieg. Aber das veränderte nicht den räuberischen Charakter des Weltkrieges insgesamt. Die Schuldigen des Ersten Weltkrieges waren die Imperialisten aller Länder, da sie alle Eroberungspolitik betrieben. Aber die Initiatoren seiner Entfesselung im Jahr 1914 waren Deutschland und sein Bundesgenosse Österreich-Ungarn. Sie begannen den Krieg, weil sie Zeit gefunden hatten, sich früher und besser auf ihn vorzubereiten als ihre Gegner."

Die zweite Internationale brach zusammen, die Sozialisten aller Länder unterstützten den Krieg (S. 225): „Die deutschen sozialistischen Reichstagsabgeordneten stimmten an ein und demselben Tag, dem 4. August 1914, für die Bewilligung der Mittel für die Kriegsführung wie die französischen sozialistischen Parlamentsmitglieder. Die sozialistischen Führer verrieten die Interessen der Arbeiterklasse und nahmen eine chauvinistische Position ei Man begann, sie Sozial-Chauvinisten zu ne nen. Nur die Bolschewiken unter der Fü rung Lenins hielten an der Friedenslosu fest."

Der Schlieffenplan wird mit einer Karte skizze genau erörtert, das Vorrücken der deu sehen Armee mit einer zweiten Kartenskiz; gezeigt (S. 229):

„Uber Frankreich hing eine tödliche Gefah Aber die russische Armee beeilte sich, um ihi zu helfen. Ohne zu warten, bis die Zusammei fassung aller Kräfte durchgeführt war, began sie ihren Angriff wesentlich früher, als ihn di Deutschen erwarteten. Zwei russische Armee rückten Mitte August in Ostpreußen ein. (S. 230): ..... Der Angriff der russischen Trup pen nötigte die Deutschen, zweieinhalb Koip von der Westfront abzuziehen und sie an di Ostfront gegen Rußland zu senden. Danad blieben den Deutschen nicht genügend Kräft zur vorgesehenen Umgehung von Paris uni der linken Flanke der Franzosen aus Nordei und Westen..." (S. 231): „Der Sieg da Armeen der Entente an der Marne wurde nui möglich dank des schnellen Eingreifens dei russischen Truppen an der Ostfront.

In Ostpreußen veränderte sich das Verhältnis der Kräfte nach Ankunft der Verstärkung® aus dem Westen zugunsten der Deutschen Die russische Armee unter dem Kommando Samsonovs wurde von ihnen umzingelt (vgl das Kartenschema) und vernichtet — ein Teil der Truppen geriet in Gefangenschaft, eit großer Teil kam im ungleichen Kampf um. Als die russischen Truppen in Ostpreußen in diese schwierige Lage kamen, gaben die westlichen Verbündeten ihnen nicht ausreichende Unterstützung ..." 1915 führte das deutsche Oberkommando vor allem Krieg im Osten. Am 2. Mai begann der Angriff bei Gorlice (S. 234 f.):

„Die russischen Soldaten kämpften mit großer Mannhaftigkeit. Aber sie mußten unter unglaublich schwierigen Bedingungen kämpfen — ohne genügend Kriegsvorräte. Oft hatten sie nichts, um das Feuer der deutschen Artillerie zu erwidern. Die russische Armee mußte sich zurückziehen. Die englische und französischen Oberkommandos taten erneut nichts, um die Lage Rußlands zu erleichtern."

Aber trotz der Siege gelang es der deutschen Seite nicht, Rußland zur Kapitulation zu Zwingern. Mit der Brussilovoffensive gelang es Rußland 1916, einen Teil dieser Gebiete zurückzuerobern. Außerdem unterstützte es die Franzosen vor Verdun.

Unterdessen entwickelten sich die europäischen Verhältnisse zur Krise (S. 241):

„Während des Ersten Weltkrieges beschleunigte sich der Umschlag des monopolistischen Kapitalismus in einen staatlich-monopolistischen ... Der Krieg brachte Bourgeoisie und Gutsbesitzern ungeheuere Profite und verschlechterte die Lage der Arbeitenden übermäßig... In Deutschland wurde die allgemeine Arbeitspflicht für Männer zwischen 16 und 60 eingeführt, die V. I. Lenin , Kriegszwangsarbeit für Arbeiter'nannte. In England wurden Streiks verboten . . “

Rationierung wurde eingeführt, die soziale Unruhe verstärkte sich. Außer in Rußland erhoben auch in Bulgarien, Deutschland, USA, Serbien, Polen und Litauen linke Sozialisten ihre Stimme gegen den Krieg. Abgesehen von den Bolschewiken wird über die deutschen linken Sozialdemokraten am meisten berichtet (S. 244): „In Deutschland war Karl Liebknecht der einzige Abgeordnete, der gegen die Kredite für die Kriegsführung stimmte. Von der Tribüne des Reichtstags aus rief er das deutsche Proletariat dazu auf, die Waffen gegen ihre Klassen-feinde innerhalb des Landes zu wenden. Die Linken trieben illegale revolutionäre Propaganda unter den Arbeitern. Anfang 1916 organisierten sie eine Konferenz ihrer Parteigänger, die aus verschiedenen Städten kamen. Auf dieser Konferenz nahmen die linken Sozialdemokraten die Bezeichnung . Spartakus'an. Im gleichen Jahr ging der . Spartakus'zur Agitation und zu aktivem kämpferischen Handeln über: er führte Streiks an, organisierte Demonstrationen und andere Erhebungen der Arbeiter, vereinigte die revolutionären Elemente im Land.

Die deutschen Linken kämpften mannhaft gegen den imperialistischen Krieg und die Verkündung des . inneren Friedens'. Aber sie waren nicht völlig folgerichtige Revolutionäre: lange weigerten sie sich, mit den Opportunisten zu brechen und zögerten, die bolschewistische Losung von der Veränderung des imperialistischen Kriegs in einen Bürgerkrieg zu übernehmen.''

Lenin unterstützte die deutsche Linke, kritisierte aber auch ihre Fehler.

Die Oktoberrevolution brachte den Austritt Rußlands aus dem Krieg (S. 251): „Die deutschen Imperialisten benutzten die Bemühungen der sowjetischen Regierung, das Land aus dem imperialistischen Krieg zu befreien, um Sowjetrußland den Raubfrieden von Brest aufzuzwingen."

Deutschlands Niederlage war jedoch nicht mehr aufzuhalten (S. 255 f.): „Deutschland hoffte, Nahrungsmittel und Rohstoffe aus der von seinen Truppen besetzten Ukraine herauszuziehen. Aber die Ukrainer, wie die Weißrussen und die baltischen Völker, antworteten den Eroberern mit entschlossener Gegenwehr. In der Ukraine loderte das Feuer des Partisanenkriegs. Die Okkupanten mußten dort mehr als eine Million deutsche und ungefähr 300 000 österreichisch-ungarische Soldaten unterhalten. Das schwächte die Kräfte Deutschlands in Frankreich." (S. 259): „Oktober 1918, als der Angriff der Armeen der Entente sich auf der gesamten Länge der Front entwickelte, begriffen die deutschen Imperialisten, daß die Niederlage unausweichlich war. Da entschlossen sie sich zu Maßnahmen, um die Armee und Kriegsindustrie zu erhalten.

Indem es die Wünsche der deutschen imperialistischen Kreise zum Ausdrude brachte, forderte das deutsche Oberkommando ultimativ vom Kaiser, einen Waffenstillstand abzuschließen. Es hoffte, dadurch die Explosion der Revolution zu verhindern ..."

Anfangs weigerte sich die deutsche Delegation, die schweren Bedingungen der Kapitulation anzunehmen. Aber am 3. November erhoben sich die Kieler Matrosen, am 9. November wurde die Republik ausgerufen (S. 26): „Die deutsche Delegation bei den Waffenstillstandsverhandlungen verstand, daß man nicht länger zögern konnte. Bei Tagesanbruch des 11. November 1918 wurde im Wald von Compiegne, im Stabswaggon Foches, der Waffenstillstand zwischen Deutschland und den Staaten der Entente unterschrieben." (S. 260): „Am Anfang des Krieges war Deutschland besser vorbereitet für ihn als die Gegner. Aber sobald es ihm nicht gelang, den Krieg in kurzer Zeit zu beenden, machte sich die Überlegenheit der Mittel der Entente bemerkbar.“ (S. 261): „Das deutsche militärische Kommando zeigte seine Unfähigkeit, nüchtern die eigenen Kräfte und die der Gegner abzuschätzen. Es handelte oft tollkühn und führte sein Land und dessen Bundesgenossen in die Katastrophe. Der Bourgeoisie aller Länder, der siegreichen wie der unterlegenen, brachte der Krieg kollos-sale Profite. Am meisten verdienten die Kapi-talisten der USA. Der Erste Weltkrieg war eine Katastrophe, wie sie die Welt noch nicht gesehen hatte. Die Schuld für die grauenhaften Verbrechen des Krieges trifft die herrschende Klasse und ihre Regierungen, den Imperialismus, das ganze kapitalistische System."

Die erste Periode der neuesten Geschichte

Die Periode der „neuesten Geschichte" beginnt für die sowjetische Geschichtsschreibung mit der Oktoberrevolution. Ausführlich wird sie im Lehrbuch für die Geschichte der UdSSR dargestellt über die Notwendigkeit für die junge Sowjetrepublik, schnell Frieden zu schließen, heißt es (S. 60 f.): „Der Abschluß eines Friedensvertrags war damals eine Frage von Leben und Tod für die Sowjetmacht. Eine weitere Teilnahme unseres Landes am Krieg, während die alte Armee zusammenbrach und die neue erst gegründet wurde, hätte zur unausweichlichen Zerschlagung der Sowjetrepublik durch die Raubheere des deutschen Imperialismus geführt. ..."

Die Opposition Trotzkis gegen eine Unterschrift unter den Friedensvertrag im Dezember 1917 gilt als wesentlicher Grund für die weitere Schwächung der russischen Position (S. 62): „Das deutsche Oberkommando nutzte die Weigerung Trotzkis, den Friedensvertrag zu unterschreiben, verletzte treubrüchig die Waffenstillstandsbedingungen und führte seine Truppen am 18. Februar zum Angriff. Die zusammenbrechende alte russische Armee konnte dem Feind keinen Widerstand leisten. Die deutsche Armee drang in die Tiefe unseres Landes vor."

In den darauffolgenden Kämpfen entstand die Rote Armee; der russische Widerstand zwang die Deutschen, die Friedensverhandlungen wieder aufzunehmen (S. 63): „Deutschland nutzte die Schwäche Sowjetrußlands aus und zwang ihm einen räuberischen Friedensvertrag auf, der in Brest am 3. März 1918 unterschrieben wurde ..."

„Der Abschluß des Friedens von Brest war ein mutiger und weitsichtiger Schritt der Sowjetregierung unter der Leitung Lenins ... Indem sie den Frieden abschloß, erhielt die Sowjet-machteine friedliche Atempause zur Festigung der Republik, zur Gründung der Roten Armee, zum Beginn des wirtschaftlichen Aufbaus. Außerdem besaß der Frieden von Brest große internationale Bedeutung. Er war ein ernsthafter Beitrag der Sowjetrepublik zum Kampf um den allgemeinen Frieden.“

Auf S. 89 wird die Partisanenbewegung in der Ukraine, Weißrußland und den baltischen Ländern gegen die deutschen Truppen geschildert: „Aber die Völker der Ukraine, Weißrußlands und des Baltikums brauchten die Hilfe Sowjetrußlands, da sie die Okkupanten aus eigenen Kräften nicht vertreiben konnten." Erst mit der Revolution in Deutschland und Osterreich „entstanden günstige Bedingungen für die Vertreibung der deutsch-österreichischen Okkupanten von der sowjetischen Erde".

Die Bedeutung der Oktoberrevolution, der „ersten siegreichen sozialistischen Revolution in der Geschichte der Menschheit", wird auch in dem Lehrbuch der allgemeinen neuesten Geschichte (Zitat ebda., S. 3) an den Anfang gestellt (S. 12):

„Unter dem Einfluß der Oktoberrevolution kam es vor allem in den Ländern zum größten Ausmaß der revolutionären Bewegung, die die nächsten Nachbarn Rußlands waren ... In Deutschland waren die Klassengegensätze schärfer als in vielen anderen Ländern. Dort gab es Voraussetzungen für eine sozialistische Revolution und zur gleichen Zeit noch Überbleibsel des Feudalismus: der monarchische Aufbau, Privilegien und Güter der Adligen, halbfeudale Methoden der Ausbeutung der Bauern und Landarbeiter. In den Kriegsjahren liquidierte die Diktatur des Militärs die bürgerlich-demokratische Freiheit und die Sozialgesetzgebung, führte Arbeitszwang ein und erhöhte die Steuern. Die Wirtschaft des Landes war ruiniert, die Produktion sank fast um die Hälfte. An den Fronten verlor Deutschland 1, 8 Millionen Menschen, als Resultat von Hunger und Epidemien noch einmal 6 Millionen."

Die Gruppe Spartakus forderte die Arbeiter auf, dem Beispiel Rußlands zu folgen. Aber (S. 13): „In Deutschland gab es keine revolutionäre Partei und die Arbeiterbewegung war gespalten. Die Führer der Sozialdemokratischen Partei (SPD) unterstützten die junkerlich-bourgeoise Regierung. Sie versprachen den Arbeitern, den Sozialismus auf dem Wege der Reformen einzuführen, ohne Sturz der Monarchie und der bestehenden Regierung. Viele Arbeiter glaubten der SPD noch. Ein Teil der Arbeiter stand unter dem Einfluß der Zentristen, die die Unabhängige Sozial-Demokratische Partei (USPD) führten. Die Zentristen glaubten, man könne den Sozialismus ohne Diktatur des Proletariats erreichen."

Als ein Höhepunkt der deutschen Revolution wird die Verkündung der sozialistischen deutschen Republik durch Liebknecht vom Balkon des Berliner Schlosses dargestellt (S. 14): „Aber die Mehrheit der Arbeiter glaubte den Führern von SPD und USPD, die sich auf einen großen Parteiapparat stützten. Die Mehrheit der Arbeiter-und Soldaten-Räte verfiel dem Einfluß der Opportunisten... Im Dezember 1918 trat der Reichskongreß der Räte zusammen. Die Mehrheit der Delegierten bestand aus Parteigängern der SPD. Der Kongreß lehnte die Forderung der progressiven Arbeiter nach unmittelbarer Sozialisierung von Banken und Industrie ab. Er beschloß, die Entscheidung über den Staatsaufbau der Nationalversammlung zu überlassen. Die Erhaltung der führenden Positionen in Wirtschaft und Politik für Bourgeoisie und Gutsbesitzer war eine Vorentscheidung für ihren Sieg bei den Wahlen zur Nationalversammlung und für die Liquidation der Räte. Die Anhänger des Spartakus nannten den Kongreß der Räte einen Kongreß von Selbstmördern." (S. 15): „Als Ergebnis der Novemberrevolution wurde die Monarchie abgeschafft, Deutschland zu einer Republik, die demokratischen Freiheiten verkündet, der Kriegszustand beendet, der Achtstundentag eingeführt, Männer und rauen gleichberechtigt . . . Die Arbeiter entrangen der Großbourgeoisie und den Gutsbesitzern eine Reihe von Zugeständnissen. Aber ie Macht blieb in den Händen der Bourgeoisie .. . *

Die deutsche Arbeiterbewegung war nicht nur gespalten, sie war auch kein Bündnis mit der Bauernschaft eingegangen. Die einzige revolutionäre Gruppe, die Gruppe Spartakus, war klein und bewertete organisatorische Arbeit zu gering. Deutsche Truppen halfen der Entente gegen die UdSSR. (S. 15): „Aber die revolutionären Erhebungen der Arbeitenden Deutschlands gestattete es der Sowjet-Regierung, den Raubfrieden von Brest-Litowsk zu annullieren; ihr Kampf unterstützte Sowjetrußland und förderte die Entwicklung revolutionärer Bewegungen in anderen Ländern."

Am 30. Dezember wurde in Berlin die KPD gegründet. (S. 16): „Die Gründung der KPD war ein Wendepunkt in der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung. Jetzt gab es für die deutschen Arbeiter eine zwar noch kleine, aber wirklich revolutionäre Partei. Die revolutionären Kräfte begannen, sich um sie zu sammeln. Die herrschenden Kreise entschlossen sich, mit der revolutionären Avantgarde des Proletariats abzurechnen. Anfang Januar 1919 provozierten sie die Arbeiter Berlins zu einem vorzeitigen und unvorbereiteten Aufstand. Die konterrevolutionären Truppen unter der Leitung des rechten Sozialdemokraten Noske griffen die von Arbeitern besetzten Quartiere an. Gefangene erschossen sie auf der Stelle. Offiziere nahmen K. Liebknecht und R. Luxemburg fest und ermordeten sie brutal. In jenen Tagen fielen viele Kommunisten als Opfer des konterrevolutionären Terrors."

Auch die bayerische Räterepublik wurde mit großen Opfern niedergeschlagen (S 17): „Nachdem sie ihre Macht gesichert hatte, begann die Bourgeoisie, den Arbeitern die Errungenschaften wieder abzunehmen und liquidierte die Räte."

Auf S. 34 ff. wird in dem Lehrbuch das „System von Versailles" beschrieben: „Das System von Versailles befestigte das neue Kräfteverhältnis, das nach dem Ersten Weltkrieg entstanden war. Aber die imperialistischen Widersprüche verschwanden nicht. Nach dem Krieg verschärften sich die Widersprüche zwischen den Siegermächten. Zwischen England und Frankreich wurde der Kampf um die Hegemonie in Europa geführt. Die USA, die ihre imperialistischen Pläne der Errichtung der Weltherrschaft und der Schwächung der Positionen Englands und Frankreichs in Europa und im Osten nicht erreichten, weigerten sich, den Versailler Vertrag zu ratifizieren und blieben außerhalb des Völkerbunds. Auch die Widersprüche zwischen den Siegern und den Besiegten waren außerordentlich scharf. Der Versailler Vertrag beendete den Militarismus und die Kriegsindustrie Deutschlands nicht. Das gab die Möglichkeit der Revanche, von der die deutschen Imperialisten träumten. Zugleich legte das Versailler System alle Schwere der Reparationen und der anderen Kriegsfolgen auf die Schultern der Arbeiter der besiegten Länder .. . Das Versailler System schuf die Voraussetzungen für einen neuen Krieg.“

Bei der Darstellung der internationalen Arbeiterbewegung und der Geschichte der Komintern wird die „revolutionäre Krise des Jahres 1923", werden Ruhrkampf und die Bildung von SPD/KPD-Regierungen in Sachsen und Thüringen erwähnt (S. 45):

„Der Kampf der Arbeiter dieser Provinzen gegen die Regierungstruppen konnte die Unterstützung der Arbeiter aller Länder erhalten und der Anfang der Revolution werden. Aber die Arbeiterregierungen kapitulierten. Die Vertreter der KPD in diesen Regierungen erwiesen sich als Opportunisten."

Der Hamburger Aufstand vom 23. Oktober 1923 wird dagegen als „heroische Ruhmestat" gefeiert (S. 45 f.) : „Drei Tage lang kämpften die Arbeiter Hamburgs gegen 6000 bis an die Zähne bewaffnete Polizisten. Aber ihr Aufstand fand keine Unterstützung in anderen Gegenden Deutschlands. Die Kommunisten mußten zurückweichen und in den Untergrund gehen. "

Während die Lage der deutschen Arbeiter in der Zeit der „zeitweiligen, teilweisen Stabilisierung des Kapitalismus" (S. 49) nach 1924 schlecht blieb, stieg der Einfluß des einheimischen und fremden Kapitals (S. 54): „Der Lebensstandard der Arbeiter in Deutschland war niedriger als in den USA, in England und Frankreich, und die Verdienste der Kapitalisten höher. Das zog ausländisches Kapital nach Deutschland. Außerdem halfen die Imperialisten der USA, Englands und Frankreichs den deutschen Monopolisten, die Kriegsindustrie wiederherzustellen und zu erweitern, um Deutschland zum Überfall auf die UdSSR vorzubereiten. Allein in den Jahren 1924— 1930 investierten sie in das Wachstum der deutschen Wirtschaft über 30 Milliarden Mark. Das ermöglichte die Steigerung des Einflusses der großen Banken und Monopole, solcher, wie die Firma des Kanonenkönigs Krupp und des Chemie-Trusts IG Farbenindustrie."

Die Arbeiterbewegung erreichte als Resultat von Streiks einige Lohnverbesserungen (S. 55): „Aus der KPD wurden verbissene Dogmatiker, Sektierer und Abenteurer ausgeschlossen. Seit 1925 leitete Ernst Thälmann, standfester Anhänger Lenins, die Partei. 1928 errang die KPD in den Wahlen zum Reichstag bemerkenswerte Erfolge, sie wurde die drittstärkste Partei im Land . . . Die Oberschicht der SPD geriet über die kapitalistische Stabilisierung in Entzücken. Sie bemühte sich, die Arbeiterbewegung zu unterdrücken. Am 1. Mai 1929 gab der Polizeipräsident von Berlin, ein rechter Sozialdemokrat, der Polizei den Befehl, auf Arbeiter zu schießen — auf die Teilnehmer einer Demonstration mit 200 000 Teilnehmern. Ungefähr 30 Menschen wurden getötet und einige hundert verwundet."

Die Wirtschaftskrise beendete diese vorübergehende Stabilisierung. Während der Wirtschaftskrise wuchs der Einfluß der KPD und die Zahl ihrer Stimmen bei den Wahlen. (S. 56): „Die herrschenden Klassen Deutsch-lands konnten das Land mit bourgeois-demokratischen Methoden nicht länger regieren. Im Kampf gegen die revolutionäre Bewegung setzten sie jetzt die sogenannte nationalsozialistische Partei, die schon 1919 gegründet worden war, an die erste Stelle. Ihre Leitung hatte Hitler."

(S. 57): „In Wirklichkeit war die Hitlerpartei weder national noch sozialistisch. Sie war eine Partei des tierischen Chauvinismus, der Aggression und des Kriegs. Die Hitlerleute erklärten die Deutschen zur . höheren Rasse’, forderten die Erweiterung ihres Lebensraums und die Verwandlung aller . niederen Rassen'in Sklaven der .deutschen Herren'. Sie forderten dazu auf, andere Völker zu vernichten und zu berauben — Juden, Slawen, Franzosen usf. Hitler wollte seine Ziele in der Außenpolitik mit Hilfe eines neuen Krieges . . .

erreichen. Die Hitlerleute nannten sich selbst Verteidigei des Westens, . Bastion gegen den Bolschewismus'. Die Partei der Hitlerleute war eine Partei der äußersten Reaktion und des blutigen Terrors ...“ (S. 58 als Merksatz):

„Die Hitlerpartei war der eingeschworene Todfeind des deutschen Volkes. Sie war eine faschistische Partei und diente den Interessen der aggressivsten und reaktionärsten Kreise des deutschen Finanzkapitals." Sie erhielt von den deutschen Financiers Geld, um ihre „bewaffneten Banden" zu gründen. Aber auch amerikanische und englische Kapitalisten unterstützten sie, weil sie für ihre Investitionen in Deutschland fürchteten und auf einen Krieg gegen die UdSSR hofften. (S. 58): „Die KPD war die einzige Partei, die entschieden und konsequent gegen den Faschismus kämpfte. In den ersten Jahren der Wirtschaftskrise hielt die KPD allerdings die sozialistische Revolution für die erstrangige, direkte Aufgabe, und einige Kommunisten hielten die SPD für genauso einen Feind wie den Faschismus. Das war falsch. 1931 wurden diese Fehler mit Hilfe der Komintern berichtigt. Die KPD setzte die Aufgabe des Kampfes um die Erhaltung der bürgerlichen Demokratie, des Kampfes gegen den Faschismus an die erste Stelle . . . Aber die Führer der SPD versagten sich einer Handlungseinheit mit der KPD ..."

Der Merksatz zur Machtergreifung lautet (S. 59):

„Die Imperialisten und Gutsbesitzer hielten die faschistische Diktatur für das einzige Mittel, einen Sieg des deutschen Proletariats zu verhindern. Sie nutzten dabei aus, daß es in Deutschland durch die Schuld der rechten Sozialdemokraten keine Einheit der Arbeiterklasse, keine antifaschistische Volksfront gab. Das waren die Gründe dafür, daß die Faschisten an die Macht kamen. Die Errichtung der faschistischen Diktatur konnte nur der gemeinsame Aufstand der gesamten Arbeiterklasse hindern. Die KPD schlug der SPD vor, einen allgemeinen antifaschistischen Streik auszurufen, aber die Führer der SPD lehnten ab und desorganisierten den Kampf der Arbeitenden gegen den Faschismus ..."

Mit der Machergreifung wurde eine (S. 59) „offene terroristische Diktatur der reaktionärsten, chauvinistischen und aggressivsten Kreise des Finanzkapitals“ eingerichtet. Der von einer „Gruppe von Nazis" (S. 60) inszenierte Reichstagsbrand diente als Vorwand und Signal zur Verfolgung der KPD. Trotz des Terrors erhielt die KPD im März 1933 noch 4, 8 Millionen Stimmen. (S. 60): „Aber die Mandate der Kommunisten wurden annulliert. Der bourgeoise Reichstag gab Hitler das Recht, beliebige Gesetze zu erlassen. Die rechten Sozialdemokraten bedeckten sich mit Schande — i re Abgeordneten im Reichstag stimmten für itler. Trotzdem lösten die Faschisten im Som-Hier 1933 die SPD auf, und danach auch alle urgerlichen Parteien, außer der faschistischen ..

Nach dem Reichstagsbrandprozeß wird die Innenpolitik der NSDAP, die Errichtung von Konzentrationslagern, die Schaffung der Gestapo, des Spitzelsystems beschrieben. (S. 61): „Das faschistische Deutschland wurde ein Gefängnis mit schwerer Zwangsarbeit für die Werktätigen. Die Machtergreifung der Nazis fiel mit dem Ende der Wirtschaftskrise zusammen. Das trug dazu bei, die Position der Hitlerleute zu festigen. Die faschistische Regierung vergrößerte die Rüstungsausgaben stark. Die Wirtschaft wurde vollständig den militärischen Zielen untergeordnet..."

Die Profite der Monopolisten und Bankiers stiegen; um die Rüstungsausgaben zu bezahlen, wurden jedoch die Steuern der Werktätigen erhöht (S. 62): „Millionen Arbeitsloser erhielten Arbeit — sie wurden in der Kriegsindustrie beschäftigt, halfen den Krieg vorbereiten, der das Leben von Millionen Deutschen kostete ..." (S. 63): „Die Hitlerleute liquidierten die Artikel des Vertrages von Versailles, welche die Bewaffnung Deutschland einschränkten, und erreichten die Rückkehr der Saar. Unter Ausnutzung der Duldung durch die herrschenden Kreise Englands, Frankreichs und der USA eroberten sie Österreich, teilten die Tschechoslo-wakei, verwandelten die Tschechei in ein Protektorat Deutschlands. Diese Eroberungen verdrehten vielen Deutschen den Kopf. Millionen Menschen wurden von den Hitlerleuten getäuscht und danach in den verbrecherischen Krieg hineingezogen. Das war die Tragödie des deutschen Volkes, das nicht imstande war, den faschistischen Gewalttätern Widerstand zu leisten. Ungeachtet des harten Terrors fuhren die Kommunisten, wenn auch in den Untergrund getrieben, sowie viele andere Arbeiter fort, gegen den Faschismus zu kämpfen ..."

Die Kommunisten versuchten, eine antifaschistische Front zu errichten und Sozialdemokraten sowie andere Antifaschisten zu vereinen. (S. 64): „Unter der Führung von Wilhelm Pieck und Walther Ulbricht erarbeitete die KPD ein Programm, in dem es hieß, daß nach der Niederwerfung des Faschismus die Macht in Deutschland in die Hände des Volks übergehen müsse. Um dieses große Ziel kämpften Tausende Arbeiter-Antifaschisten. Viele von ihnen fielen als Opfer des faschistischen Terrors. Durch ihren heroischen Kampf retteten sie die Ehre des deutschen Proletariats."

Der Zweite Weltkrieg

Nach der Darstellung der Geschichte der USA, Englands und Frankreichs folgen die Beschreibungen der Bürgerkriege in China, der revolutionären Bewegungen in Indien, des spanischen Bürgerkriegs und der Geschichte der Komintern sowie der Außenpolitik der UdSSR in dieser Zeit. Von den insgesamt 155 Textseiten sind dann 37, in einem eigenen Abschnitt zusammengefaßt, dem Zweiten Weltkrieg gewidmet. In dem Lehrbuch über die Geschichte der UdSSR sind es von insgesamt 408 Textseiten 64; jeweils ohne Einbeziehung der Vor-und Nachkriegsgeschichte. In der letzten Ausgabe des Lehrbuchs der neuesten Geschichte von 1969 in dem der Zweite Weltkrieg der jüngsten Periode der neuesten Geschichte zugeteilt ist, sind ihm 52 von 281 Textseiten gewidmet. Das erste Geschichtsbuch, das ein sowjetischer Schüler in die Hand bekommt, ist das erzählende Geschichtsbuch für die vierte Klasse Es enthält 210 Textseiten und 62 Geschichten, und davon handeln Geschichten auf 30 Seiten vom „Großen Vaterländischen Krieg''.

Schon aus diesen Zahlen wird deutlich, welchen Rang die Geschichte des Zweiten Weltkriegs im Geschichtsbild der sowjetischen Schulen einnimmt. Es ist unmöglich, dieses Geschichtsbild in diesem Rahmen im einzelnen zu behandeln bzw. anhand von Zitaten zu belegen. Ein Zitat aus dem Lehrbuch für die Geschichte der UdSSR möchte ich bei dem Versuch einer übersichtlichen Auswahl an erster Stelle bringen 8): „Unser Land verlor in den Kriegsjahren über 20 Millionen Menschen.

Der allgemeine materielle Schaden, der unserem Heimatland zugefügt wurde, zusammen mit den Rüstungsausgaben und dem zeitweisen Verlust der Einkünfte aus der Volkswirtschaft der besetzten Territorien machte etwa 2 Trillionen 600 Milliarden Rubel (in Vor-kriegspreisen) aus. Der Krieg hielt das Vo dringen unseres Landes zum Kommunism um mindestens 10 Jahre auf."

In den „Erzählungen" für die vierte Klas behandelt die erste Geschichte den „Überla der faschistischen Eroberer auf die UdSSI (S. 134 ff.). Der deutsch-sowjetische Nichta griffspakt und die Grenzverschiebungen we den in diesem Buch nicht erwähnt, ebenso, da die UdSSR mit einer Reihe kapitalistisch Staaten verbündet war (S. 134): „Schon lang bereiteten die kapitalistischen Länder sich da: auf vor, die UdSSR zu überfallen. Sie haßte den freien sozialistischen Staat. Der schlimi ste Feind des sowjetischen Volkes war da faschistische Deutschland. Die Faschisten strel ten danach, die ganze Welt zu erobern. 193 überfielen sie Polen und entfesselten de Krieg. Schrittweise wurden in diesen Krie fast alle Länder der Erde verwickelt (Englan Frankreich, USA, Italien, Japan und andere! Das war der Zweite Weltkrieg . .

Die Anfangserfolge der deutschen Arme« werden mit dem Moment der Überraschung et klärt, mit der größeren Zahl der Panzer um Flugzeuge. Dem wird vor allem der Helder mut der Sowjets entgegengestellt, und imme wieder wird von Heldentaten von Komsomol zen berichtet, die nur wenig älter waren al die Viertklässler. So wird von Zina Portnow erzählt, die in einem Offizierskasino arbel tete und (S. 155): „ . . heimlich das Essen ver giftete. So vernichtete sie hundert faschistisdh Offiziere. Später wurde Zina Mitglied eine Partisanenabteilung und eine kühne Kund schafterin. In der Abteilung wurde sie in da Komsomol aufgenommen ..."

Der Pionier Valja Kotik war elf Jahre alt uni ging zur 6. Klasse als der Krieg begann S. 1571 „Valja erinnerte sich gut an die Worte seine Pioniereides. Er erinnerte sich auch daran, dal sein Landsmann der Held des Bürgerkriegs um Schriftsteller-Kommunist Nikolaj Ostrovski war. Dessen Buch , Wie ich gestählt wurde'wä Valjas Lieblingsbuch. Valja Kotik wurde elt kühner Partisanen-Aufklärer. Einmal gelan es ihm und seinen Genossen in Erfahrung 2! bringen, zu welcher Zeit ein wichtiger faschi stischer Offizier eine bestimmte Straße entlang kam. Der Offizier war ein Unterdrücker un quälte die sowjetischen Menschen. Die Part sanen beschlossen, ihn zu töten. Zwei Pionier . übererfüllten'ihre Aufgabe. Sie lauerten nid nur dem Wagen auf, sondern sprengten ihn mit Granaten und vernichteten den faschistischen Offizier mit seiner Bewachung. Am nächsten Tag teilten die Faschisten mit, daß eine große Partisanenabteilung den Wagen überfallen habe. In Wirklichkeit aber waren das zwei sowjetische Pionier-Jungen."

Besonders beschrieben wird die Verteidigung von Brest-Litowsk, von Moskau, Stalingrad, Leningrad und Sewastopol. Eine Heldin von Leningrad war die Komsomolzin Vera Sceki-na, die in der unter entsetzlicher Hungersnot und Brennstoffmangel leidenden Stadt 39 Kindern das Leben rettete und sie zum Teil aus Häusern holte, in denen nur noch Tote waren. Ein eigener Abschnitt gilt dem Partisanenkampf. Selbst die, die in Gefangenschaft gerieten, kämpften weiter. Aus den „Lagern des Todes" suchten sie zu entkommen oder ertrugen unerschüttert die Folterungen (S. 138):

„Die Feinde, die unser Land überfallen hatten, waren stark und sehr grausam. Die Anführer der Faschisten verlangten von ihren Soldaten, daß sie erbarmungslos die sowjetischen Menschen töten sollten. , Töte jeden russischen, sowjetischen Menschen, und zögere nicht, wenn vor dir ein Alter oder eine Frau steht, ein Mädchen oder ein Junge', hieß es in einem faschistischen Befehl. Und die Faschisten töteten. Sie töteten und folterten Millionen sowjetischer Menschen. Sie töteten Waffenlose, Schwache, Kranke. Sie folterten und töteten Alte, Frauen und Kinder. So steht es in dem Brief eines kleinen Mädchens: Die Deutschen kochten bei Petja in der Kammer Essen. Petja aß ein Stück Butter und eine kleine Kartoffel.

Dafür verbrannten die Deutschen Petja. Zina Petuskova ging auf der Straße entlang und sah bei den Deutschen einen offenen Kasten mit Konfekt. Sie war erst fünf und wußte nicht, daß das Faschisten waren. Sie aß das Konfekt.

Dafür erschlugen die Deutschen sie." 1

In dem Lehrbuch der Geschichte der UdSSR heißt es zur Gründung des Antikominternpaktes (S. 237):

»Die Imperialisten Englands, Frankreichs und der USA wollten in möglichst kurzer Zeit einen Krieg Deutschlands und Frankreichs gegen die UdSSR provozieren. Sie rechneten sich aus, daß bei einem Krieg die UdSSR eine Nieder-

age erleiden würde und gleichzeitig die Län-

er des faschistischen Blocks geschwächt wer-

en würden. Um ihre hinterlistigen Ziele zu erreichen, begaben sich die anglo-französisch-

Amerikanischen Imperialisten auf den Weg der Anstachelung der faschistischen Aggressoren."

Deshalb ließen sie den „Anschluß" Österreichs zu und deshalb versagten sie sich allen Versuchen der UdSSR, ein System der kollektiven Sicherheit zu gründen. Obwohl die Westmächte die Tschechoslowakei verrieten, bot die UdSSR ihr Unterstützung an. Aber die bürgerliche Regierung (S. 238): verriet die nationalen Interessen und kapitulierte vor Deutschland".

Auch nach der Eroberung der Tschechoslowakei weigerten sich die Westalliierten, in ein System gegenseitiger Garantien mit der UdSSR einzutreten. Zugleich versuchte Japan, die Mongolei zu erobern, um sie zur Ausgangsbasis für den Krieg gegen die UdSSR zu machen (S. 239):

„So bedrohte im Sommer 1939 unser Land plötzlich ein Krieg an zwei Fronten. Vor der sowjetischen Regierung erhob sich in aller Schärfe die Aufgabe, das Land vor der großen Gefahr der Gründung einer einheitlichen imperialistischen Front gegen die UdSSR zu bewahren. Davon ausgehend entschloß sie sich, mit Deutschland einen Nichtangriffsvertrag abzuschließen, der von der deutschen Regierung vorgeschlagen war."

Die Westmächte brachten Polen keine effektive Hilfe (S. 240):

„Nachdem sie die polnische Armee besiegt hatten, stürzten sich die deutschen Truppen nach Osten, an die Grenzen der UdSSR. Die westliche Ukraine und das westliche Weißrußland waren von faschistischer Okkupation bedroht. Deshalb entschloß sich die sowjetische Regierung, die brüderliche ukrainische und weißrussische Bevölkerung dieser Gebiete unter seinen Schutz zu nehmen. Am 17. September 1939 begann die Rote Armee ihren Befreiungsfeldzug . .

Die sowjetische Regierung mußte nun auch ihre Grenze gegenüber Finnland sichern. Finnland weigerte sich, mit der UdSSR einen Vertrag über gegenseitige Hilfe abzuschließen und die karelische Landenge gegen ein anderes Territorium in Karelien einzutauschen (S. 241): „Ende November 1939 zwangen provokatorische Artilleriebeschüsse unseres Territoriums von der finnischen Seite die sowjetische Regierung dazu, entsprechende Maßnahmen zu treffen.

So entfesselte die finnische Reaktion, aufgehetzt durch das faschistische Deutschland und die anderen imperialistischen Staaten, den Krieg gegen die UdSSR ..." Vergleichbar wird über die Errichtung der Sowjetrepubliken des Baltikums und der Moldau berichtet. Die „Maßnahmen zur Stärkung der Verteidigungsfähigkeit des Landes" werden S. 246 ff. dargestellt. Auf S. 251 ff. beginnt dann die Beschreibung des eigentlichen Kriegs, bei der der Name Stalins nicht erwähnt wird:

„Die Hitlerleute wollten den ersten sozialistischen Staat der Erde auslöschen, wollten unser Land in eine Reihe von Deutschland abhängiger Staaten teilen, viele Millionen sowjetischer Menschen vernichten und diejenigen, die am Leben blieben, in ihre Sklaven verwandeln. Der Krieg, der von dem faschistischen Deutschland gegen die Sowjetunion begonnen wurde, war ein imperialistischer Eroberungsund Raubkrieg. Der Raubcharakter des Krieges und die langjährige zügellose faschistische Propaganda verwandelte die deutsche Armee in eine Armee von professionellen Mördern, Räubern und Gewaltverbrechern, die ohne alle moralischen Maßstäbe waren.

Das sowjetische Volk kämpfte unter der Führung der Kommunistischen Partei den Großen Vaterländischen Krieg gegen die faschistischen Eroberer. In diesem Krieg setzte sich unser Volk das Ziel, Ehre, Freiheit und Unabhängigkeit der sozialistischen Heimat zu verteidigen, die Faschisten zu zerschmettern und den Völkern Europas zu helfen, sich von dem blutigen faschistischen Joch zu befreien. Die hohen und edlen Ziele des Vaterländischen Kriegs begeisterten die sowjetischen Menschen zu beispiellosen Heldentaten und erzeugten einen in der Geschichte noch nicht gesehenen Massenheroismus des Volkes."

Für die anfänglichen Mißerfolge der Roten Armee werden — in kleiner Schrift — vier Gründe genannt (S. 253 f.): 1. Die Wirtschaft Deutschlands war völlig auf Kriegsproduktion eingestellt, während die Wirtschaft der UdSSR überwiegend der Friedensproduktion diente. 2. Das deutsche Heer war nach zweijährigen Kriegsoperationen erfahren, während die Rote Armee nicht vollständig mobilisiert und nicht vollständig modern ausgerüstet war. Die neuen Grenzen waren noch nicht genügend befestigt, die alten überhaupt nicht mehr. Und (S. 253 f.): „Als Folge von unbegründeten Repressionen gegen die kommandierenden Kader der Truppen gab es keine erfahrenen Heerführer und keine gut vorbereiteten Kommandeure." 3. Deutschland überfiel die UdSSR ohne Front im Westen, es hatte Bundesgenossen, und so lange die UdSSR einen japanischen und türkischen Angriff fürchten mußte, mußte sie an deren Grenzen Truppen belassen. 4. die Reg: rung der UdSSR rechnete zwar mit einem A griff, aber nicht zu diesem Zeitpunkt; sie w unvorbereitet (S. 254): „Aber die ungeheuer Schwierigkeiten und Mißerfolge brachen nii den Kampfgeist der Roten Armee. Mit ung heuerem patriotischen Aufschwung und unz störbarem Glauben an den Sieg über d Feind entflammte das sowjetische Volk f den Großen Vaterländischen Krieg ..."

Den Rückzugsschlachten wird große Bedeutu zugemessen (S. 257): „Die hartnäckige Verteit gung der Heldenstädte Leningrad, Kiew u Odessa und die Abwehrschlacht vor Smolen spielten eine große Rolle bei der Vereitelu der Hitlerpläne für einen , Blitzsieg'."

Ein eigenes Kapitel ist dem „Großen Sieg v Moskau" gewidmet (S. 258 ff.), in dem au von den Heldentaten einzelner Verteidigerb richtet wird. Der erste Winter des eingeschlo senen Leningrad wird dargestellt, der Kam der Partisanen besonders im Moskauer Gebit und die „Verbrechen der deutsch-faschistisch! Eroberer" (S. 261): „In den zeitweise eroberten Territorien uns res Landes verübten die Hitlerleute graua hafte Verbrechen. Die faschistischen Barbare vernichteten gnadenlos die sowjetischen Ma sehen, die Aktivisten aus Partei, Geweil schäft, Kolchosen und Komsomol.

Für die kleinste Verletzung der Regeln, di die Okkupanten aufgestellt hatten, wurden E Schiebungen vorgenommen, überall wurde Konzentrationslager errichtet, Massenhinrid tungen durchgeführt. An allen Orten stände Galgen."

Die Industriebetriebe gingen in das Eigentu des Deutschen Reichs über. Den Bauern wurde die Ernten fortgenommen. In der Ukrain im Baltikum und Weißrußland erschiene deutsche Kolonisten. Millionen Menschen wu den aus Rußland zur Zwangsarbeit nac Deutschland gebracht (S. 261): „Nur ein wi ziger Teil der Bewohner der okkupierten G biete fand sich zur Zusammenarbeit mit de Hitlerleuten bereit. Das waren hauptsächlic kriminelle Elemente und der reaktionäre Tei der Geistlichkeit. Mit Verachtung behandelte die sowjetischen Menschen diese Kriecher vo dem Feind. Die Partisanen rechneten mit de Verrätern gnadenlos ab."

Der Umbau der sowjetischen Wirtschaft al Kriegsproduktion, die Leistungen der Partisi nen und auch die Entstehung der „Anti-Hitlet Koalition“ werden dargestellt. Die wichtigste Darstellung im Kriegsverlauf der Jahre 1942 und 1943 sind die Beschreibungen der Schlachten von Stalingrad (S. 266 ff.) und Kursk (S. 279 ff.) (S. 274):

„In der Schlacht vor Stalingrad errang die heldenhafte Rote Armee, das ganze sowjetische Volk einen großen Sieg über die Truppen des faschistischen Deutschland. Dieser Sieg war der Aniang des grundlegenden Umschwungs im Verlaul des Großen Vaterländischen Kriegs und des ganzen Zweiten Weltkriegs insgesamt. Dem Feind wurde die Initiative der militärischen Operationen entwunden. Im Verlauf der Schlacht wurden 66 feindliche Divisionen vernichtet..."

Bei der Schlacht um Kursk erwarteten die sowjetischen Truppen den deutschen Angriff (S. 280): „Aber das sowjetische Oberkommando, das die Überlegungen des Feindes erriet, plante frühzeitig sorgfältig die Verteidigungsschlacht und den Gegenangriff unserer Truppen. Im Gebiet des Kursker Bogens wurden bedeutende Reserven zusammengezogen und eine starke Abwehr aufgebaut. Der militärischen Aufklärung gelang es, Tag und Stunde des feindlichen Angriffs zu erfahren ..." (S. 281): „Der Sieg von Kursk war der Anfang des großen Sommer-Herbst-Angriffs der Roten Armee auf einer gewaltigen Front. .." (S. 288): „Die Siege der sowjetischen Truppen 1943 brachten den grundlegenden Umschwung im Verlauf des Zweiten Weltkriegs. Sie stärkten die Anti-Hitler-Koalition, unterstützen den noch größeren Aufschwung der Befreiungsbewegung in den von den Okkupanten versklavten Ländern Westeuropas und setzten den Anfang für den Zerfall des faschistischen Blocks. Aber trotz der außergewöhnlich günstigen Bedingungen erfüllten England und die USA weder 1942 noch 1943 ihre Verpflichtungen, eine zweite Front zu eröffnen. Die imperialistischen Kreise dieser Länder hofften immer noch, daß die UdSSR, allein im Kampf gegen Deutschland, ihre Kraft erschöpfen würde, und England und die USA, indem sie starke Armeen behielten, am Ende des Kriegs ihre Bedingungen diktieren konnten ..."

Die westlichen Lieferungen von Kriegsmaterial machten nur 4 °/o der Kriegsproduktion der UdSSR aus. In Teheran verpflichteten sich die Westmächte, spätestens bis 1. Mai 1944 eine zweite Front in Frankreich zu eröffnen. Man einigte sich, den Krieg bis zur bedingungslosen Kapitulation zu führen (S. 288): „Bei der Beurteilung der Frage nach dem Nachkriegs-aufbau Deutschlands schlugen England und die USA vor, es in mehrere Staaten zu zergliedern. Die UdSSR wandte sich gegen diese Vorschläge und trat für die Demokratisierung des einen deutschen Staates ein."

1944 wird (S. 290 ff.) als das „Jahr der entscheidenden Siege" beschrieben. (S. 291): „Erst im Juni 1944, als offensichtlich wurde, daß die UdSSR im Stande war, mit eigenen Kräften Hitlerdeutschland zu vernichten, eröffneten England und die USA die zweite Front." Zu dieser Zeit gab es 90 Divisionen im Westen neben 250 im Osten (S. 292): „Die sowjetisch-deutsche Front war die wichtigste, entscheidende Front des Zweiten Weltkriegs."

Die Operationen des Jahres 1944 werden ziemlich eingehend beschrieben, wobei die Anteilnahme russischer Bürger an den Partisanenbewegungen anderer Länder hervorgehoben wird. Die Befreiung erster Teile von Norweden, Polen, der Tschechoslowakei, Rumänien, Bulgarien, Jugoslawien und Ungarn wird dargestellt. Bei der Eroberung Lublins wird in kleiner Schrift Majdanek erwähnt (S. 293): „Nicht weit von Lublin fanden die sowjetischen Truppen die Spuren eines der grauenhaftesten faschistischen Verbrechen. Dort, im Todeslager Majdanek, brachten die hitlerschen Henker Millionen Menschen aus ganz Europa zusammen. Nach schweren Folterungen und Beleidigungen trieben sie die Menschen in Gaskammern und töteten sie mit dem Gas . Ziklon'. Rund um die Uhr rauchten die Schornsteine der Krematorien, in denen die Faschisten die Menschen verbrannten. Eineinhalb Millionen Menschen — Russen, Polen, Tschechen, Juden, Franzosen, Holländer — ermordeten die faschistischen Henker in Majdanek. Mehr als 4 Millionen Menschen wurden in einem anderen Todeslager ausgerottet — in Auschwitz. Die Rote Armee beseitigte die Hitlerschen Todeslager."

Auch in den Berichten über das Jahr 1945 wird das Hauptgewicht noch auf die militärischen Operationen gelegt. Nach der Eroberung Wiens heißt es (S. 302):

„Nun stand vor der Roten Armee die Aufgabe, die Hauptstadt des faschistischen Deutschland zu erobern und die Vernichtung der Hitler-truppen zu beenden. Zur Verteidigung von Berlin hatte das deutsche Oberkommando fast alle seine Kräfte zusammengezogen: ungefähr 1 Million Soldaten, 8000 Geschütze und Minenwerfer, 1200 Panzer und Selbstfahrgeschüt19 ze, 3300 Flugzeuge .. (S. 303): „Aber die Zeiten waren unwiderbringlich dahin, in denen der Feind die Überlegenheit in der Technik besaß. Zum Sturm auf die deutsche Hauptstadt zog das sowjetische Oberkommando 41 600 Geschütze und Minenwerfer, 8000 Flugzeuge, 6300 Panzer zusammen ..."

Auf S. 305 fährt der Bericht, neben einem ganzseitigen Foto der gesenkten deutschen Fahnen bei der Siegesparade auf dem Roten Platz, mit der Darstellung der Umzingelung Berlins fort: „Die eingeschlossenen deutsch-faschistischen Truppen setzten ihren Widerstand fort. In zehn mal 24 Stunden gab es Tag und Nacht in den Straßen Berlins bei dem harten Kampf keine Pause. Jedes Haus mußte im Kampf genommen werden. Am 30. April begann die sowjetische Armee, ins Zentrum Berlins vorgedrungen, die Erstürmung des Reichstagsgebäudes. Nach einem 14 Stunden und 25 Minuten dauernden Kampf errichteten die Regimentsaufklärer und Sergeanten M. Egorov und M. Kantarija die Fahne des Siegs auf dem Reichstag; am 2. Mai kapitulierte die Berliner Garnison. Hitler beendete sein Leben durch Selbstmord. Mehr als 300 000 deutsche Soldaten und Offiziere im Raum Berlin gaben sich den sowjetischen Truppen gefangen . . . Der Große Vaterländische Krieg der Sowjetunion gegen das faschistische Deutschland endete mit dem völligen Sieg des sowjetischen Volkes." (S. 309): Der Große Vaterländische Krieg „bewies die Überlegenheit des sozialistischen gesellschaftlichen und staatlichen Systems über das kapitalistische, das seine Zeit überlebt hat..." (S. 310 f.): „Die UdSSR siegte, weil es gelang, eine erstklassige Armee aufzubauen, die eine technisch völlig moderne Bewaffnung besaß, einen erfahrenen Kommandostab, hohe moralisch-kämpferische Qualität..."

Der Heroismus der Soldaten, die Rolle der Partisanen, die Bedeutung der KP als Organisator des Siegs und die des Komsomol werden noch einmal erwähnt. Als Folge des Siegs sei die Freiheit des Volkes gewahrt, die Einheit der Union bestätigt (S. 311): „Die Sicherheit der UdSSR wurde erhöht. Ein solch gefährlicher Waffenplatz für den Einfall in unser Land wie Ostpreußen wurde für immer liquidiert..." Die Rote Armee befreite außerdem die Völker Europas (S. 312): „Die Rote Armee brachte auch dem deutschen Volk die Befreiung vom faschistischen Joch. In der sowjetischen Besatzungszone nahmen die Werktätigen das Schicksal Deutschlands in ihre Hand und begannen den Weg des Aufbaus des Sozialismus."

In dem Lehrbuch der Geschichte der neueste Zeit wird als Begründung für die Untei Zeichnung des Nichtangriffspaktes von 193 nicht die Bedrohung durch einen Zweifrontei krieg angeführt, sondern das Scheitern de Bemühungen um ein kollektives Sicherheit'System (S. 105):

„Die sowjetische Regierung konnte, indem si die Widersprüche in der kapitalistischen Wei ausnutzte, die Gefahr des unmittelbaren Übel falls Hitlerdeutschlands auf die UdSSR ablen ken. Der sowjetisch-deutsche Vertrag gab de UdSSR die Möglichkeit, ihre Verteidigung! kraft zu stärken, was in der Folgezeit unschätz bare Bedeutung für Verlauf und Ausgang de Kriegs gegen die faschistischen Mächte de . Achse'hatte."

Das Lehrbuch nennt die Ursachen des „Gro ßen Vaterländischen Kriegs" (S. 118): „So wa der hauptsächliche Grund des Zweiten Weil kriegs die Verschärfung der Widersprüche in Kapitalismus, hervorgerufen durch das Strebei der beiden imperialistischen Gruppen nach del Weltherrschaft." (S. 119): „Der Zweite Well krieg, entstanden innerhalb des kapitalisti sehen Systems, begann als imperialistische! Krieg von beiden Seiten ... In den Jahren 1940— 1941 verlief der Prozeß der Verwandlung des Kriegs in einen gerechtfertigten Befreiungskrieg für die Seite des antifaschistischen Blocks. Der entscheidende Faktor, der diesen Prozeß vollendete, war der Eintritt dei Sowjetunion in den Zweiten Weltkrieg. Die UdSSR verfolgte ausschließlich Befreiungsziele.“ Die Untätigkeit der Westalliierten während des Polenfeldzugs wird scharf gezeichnet (S. 121):

„Die englische und französische Regierung verließen nicht den Vorkriegskurs ihrer Politik, — sie gaben die Hoffnung nicht auf, mit Hitler zu einem Komplott auf antisowjetischer Grundlage zu kommen. Obwohl der Krieg begonnen hatte, beruhigten sich die herrschen den Kreise der westlichen Länder mit Illusionen, daß es ihnen gelingen werde, die Spitze der Aggression gegen die UdSSR zu wenden und selbst beiseite zu stehen. Um die Jahres-wende 1939/40 entfaltete die anglofranzösische und amerikanische Diplomatie aktive Tätigkeit, um mit Hitler zu einer Abrede zu gelangen und den langerwarteten . Kreuzzug gegen den Kommunismus zu beginnen.'1 (S. 121): „Deutschland nutzte die ihm gewährte Atempause gut und ging im Frühjahr 1940 im Westen zu aktiver Tätigkeit über." Nach Dünkirchen wäre noch eine Verteidigung möglich gewesen (S. 123): „In diesem für Frankreich kritischen Moment wäre es möglich gewesen, dem Feind Widerstand zu leisten. Aber dazu hätte man das ganze Volk zum Kampf aufrufen müssen. Die französische Bourgeoisie tat nichts dergleichen: sie fürchtete ihr eigenes Volk mehr als die Hitlerokkupation."

Die Widerstandsbewegungen in den im Verlauf des Krieges besetzten Staaten werden ausführlich beschrieben (S. 128): „Die nationale Befreiungsbewegung spielte eine bemerkenswerte Rolle im Verlauf des Zweiten Weltkriegs. Sie ermöglichte den unablässigen Kampf gegen Deutschland im gerechtfertigten antifaschistischen Krieg.“

(S. 133 f.): „Der historische Sieg der sowjetischen Truppen an der Wolga gab . . .den Herzen der Patrioten und den Mitgliedern der Widerstandsbewegung neue Kräfte. Ihre Reihen ergänzten sich durch Zehntausende. Trotz des wütenden Terrors gründeten selbst in Deutschland Kommunisten, Sozialdemokraten, Gewerkschaftsaktivisten und Vertreter der Intelligenz eine Untergrunddruckerei, druckten Anti-Hitler-Flugblätter und nahmen Kontakt mit nach Deutschland verschickten fremden Arbeitern auf. Die in München gegründete antifaschistische deutsche Volksfront bereitete Kämpfer für den Aufstand gegen die faschistische Diktatur vor und nahm Beziehungen zur geheimen Organisation . Brüderlicher Bund der Kriegsgefangenen'auf."

Besonders hervorgehoben wird der Widerstand in Frankreich, der Tschechoslowakei und Jugoslawien. Die Vernichtung von Lidice wird beschrieben.

Der Flug von Heß wird als ein ernsthafter letzter Versuch Hitlers gewertet, mit England eine Aufteilung der Welt zu besprechen.

(S. 130): „Aber das englische Volk wollte von einem Frieden mit Deutschland nicht einmal etwas hören. Unter diesen Bedingungen konnte die Regierung Churchills nicht zu einer Übereinkunft mit Heß kommen."

Nach dem Zustandekommen der Anti-Hitler-Koalition wird der Frage der zweiten Front sehr große Bedeutung in der internationalen Geschichte des Krieges zugemessen. Schon auf Grund des Zahlenvergleichs der eingesetzten Divisionen wird (S. 133) das afrikanische Kriegsgeschehen nicht als zweite Front anerkannt: 240 Divisionen der Achse in der UdSSR werden 15 Divisionen in Nordafrika gegenübergestellt. Die Begründung für die Durchführung der Invasion entspricht der des Lehrbuchs der Geschichte der UdSSR (vgl. oben S. 19). Frankreich sei im Sommer 1944 zu einem großen Teil bereits von der Resistance unter der Leitung der KP befreit worden und Griechenland schon im Sommer 1943 zu zwei Dritteln in der Hand der revolutionären Volksarmee. Erst die Intervention der Briten habe das Land nach dem Abzug der Deutschen in einen Bürgerkrieg gestürzt. Ähnlich wurden in Italien die Frankreich und Ansätze zu volks-demokratischen Entwicklungen in den von der Widerstandsbewegung befreiten Gebieten unter Mithilfe der Amerikaner und Engländer zerstört.

Die Ardennenoffensive brachte die Westalliierten in Schwierigkeiten; Churchill wandte sich an die UdSSR mit der Bitte, eine Entlastungsoffensive zu beginnen (S. 141): „Wenige Tage nach diesem Appell ging die Sowjetarmee auf ganzer Front von der Ostsee bis zu den Karpathen zu einem grandiosen Angriff über. Die Deutschen waren gezwungen, ihre Operationen in den Ardennen sofort einzustellen und begannen, Truppen nach dem Osten zu verlegen. Eine schwere Niederlage der anglo-amerikanischen Truppen war abgewendet."

Neben der Darstellung der Widerstandsbewegungen, der Leistungen der Roten Armee und der diplomatischen Geschichte bleibt die militärische Leistung der Westalliierten undeutlich, Luft-und Seekrieg werden kaum erwähnt, die Ardennenoffensive findet mit die eingehendste Schilderung.

Mit der Potsdamer Konferenz, der Beendigung des Kriegs im Pazifik und den „Resultaten des zweiten Weltkriegs" wird dieses Buch beendet (S. 145):

„Deutschland wurde von den verbündeten Staaten besetzt und in vier Zonen geteilt — eine sowjetische, englische, französische und amerikanische. Ungeachtet der Tatsache, daß Berlin von sowjetischen Truppen befreit worden war und sich in der sowjetischen Besatzungszone befand, stimmte die Regierung der UdSSR, um die Zusammenarbeit mit den Verbündeten zu stärken, zu, die Stadt in vier Sektoren mit Kommandanten der Verbündeten an der Spitze zu teilen. . . . Die Westmächte konnten nicht umhin, die sowjetischen Vorschläge anzunehmen, die auf die schnellste Verwandlung Deutschlands in einen friedliebenden demokratischen Staat abzielten. Als Hauptziele der Okkupationsmächte wurden die Demilitarisierung, Entnazifizierung und Demokratisierung Deutschlands verkündet ... In den Entscheidungen der Konferenz wurde festgehalten, daß ungeachtet der zeitweiligen Besatzung Deutschland als wirtschaftliche und politische Einheit angesehen werden solle, die Vereinigung vorzubereiten wäre und eine gemeinsame Politik gegenüber der Bevölkerung aller Zonen durchzuführen sei..." (S. 146): „Die Potsdamer Entscheidungen zeig-ten, daß eine effektive Zusammenarbeit der Länder der Anti-Hitler-Koalition auch nach Beendigung des Krieges möglich war. Aber die Westmächte begaben sich bald auf den Weg der Abkehr von den Potsdamer Beschlüssen, der Teilung Deutschlands und seiner Verwandlung in einen Waffenplatz für die Aggression gegen die UdSSR und die Länder Ost-europas. So verließen die USA und England den Weg der Zusammenarbeit mit der UdSSR und legten die Grundlagen für die angespannte internationale Lage nach dem Krieg.'

Die jüngste Zeit (nach 1945)

Mit der Ausweitung des Sozialismus auf mehrere Länder und dem beginnenden Ende des Kolonialismus setzt das Lehrbuch von 1965 den Beginn der dritten Etappe der allgemeinen Krise des Kapitalismus an. Der Schüler der Mittelschule wird informiert über die DDR im Rahmen der anderen sozialistischen Staaten, über die BRD als einer der neben den USA, Großbritannien, Frankreich und Japan fünf wichtigsten kapitalistischen Staaten. Als Ergebnis der Potsdamer Konferenz wird (S. 26) festgehalten:

„Die Alliierten sagten zu, entsprechend den Beschlüssen der von nach Konferenz Potsdam der Gründung einer gesamtdeutschen demokratischen Regierung einen Friedensvertrag zu unterschreiben und alle Okkupationstruppen vom deutschen Territorium abzuziehen. Auf diese Weise eröffnete sich vor dem deutschen Volk die Perspektive einer demokratischen Entwicklung.“

Die UdSSR habe ihre Verpflichtungen aus den Verträgen von Jalta und Potsdam voll erfüllt und in ihrer Zone den Nazismus mit der Wurzel ausgerottet (S. 26): „ 500 000 Faschisten wurden aus staatlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Positionen entfernt. 60 000 faschistische und militärische Verbrecher erhielten ihre gerechte Strafe." Eine Landreform wurde durchgeführt, das Vermögen der Industrie-und Finanzmagnaten, der faschistischen und militärischen Verbrecher wurde konfisziert (S. 27): „Die ökonomische Basis der reaktionären Klassen wurde zerstört. Besondere Be-deutung besaß die Schulreform. Nur neue Lehrer und eine völlige Erneuerung der Schule konnten die Aufgabe lösen, eine Generation von Deutschen zu erziehen, die frei ist von der zersetzenden faschistischen Ideologie.“ Die Frage der Reparationen wird nicht erwähnt. Große Bedeutung mißt das Geschichtsbuch der Gründung der SED zu (S. 27): „Um die verhängnisvolle Spaltung in den Reihen der Arbeiterklasse zu liguidieren, strebte die KP mit aller Beharrlichkeit die Vereinigung mit den Sozialdemokraten an."

Auch die Gründung der anderen Parteien wird erwähnt (S. 28):

„Alle diese demokratischen Parteien und auch gesellschaftliche Organisationen vereinigten sich in der Nationalen Front des demokratischen Deutschland und brachten den Kampf um die Beseitigung der Überreste des Faschismus und die Erneuerung Deutschlands zur vollen Entfaltung.

Die sozial-ökonomischen Umgestaltungen, die im östlichen Deutschland durchgeführt wurden, bedeuteten, daß die demokratische Revolution bis zu Ende geführt wurde. Sie schufen auch die Voraussetzungen zur Gründung der DDR-Baid nach der Beendigung des Kriegs brachen die Regierungen der USA, Frankreichs und Englands verräterisch die Beschlüsse der Konferenzen von Jalta und Potsdam über den Nachkriegsaufbau Deutschlands. Um Westdeutschland in einen neuen Herd des Kriegs gegen die UdSSR und die anderen friedliebenden Staaten zu verwandeln, erhielten die faschistischen und militärischen Verbrecher die Freiheit, die deutschen Monopolisten die Fabriken und die Junker einen großen Teil des Landes. An der Spitze der administrativen und wirtschaftlichen Organe. standen wieder viele Monopolisten und ehemalige Faschisten.

Im September 1949 wurde mit direkter Unterstützung der imperialistischen Mächte der westdeutsche Staat, die BRD, gegründet. Die Gründung eines einheitlichen demokratischen deutschen Staats war vereitelt."

Die „Ausbreitung der Macht der Revanchisten nach Ostdeutschland, wo das Volk selbst an den Aufbau eines neuen Lebens herangegangen war" (S. 29), konnte man nicht zulassen, daher gründeten die Arbeiter Ostdeutschlands die DDR (S. 29): „Deutschland war nicht nach nationalen, sondern nach Klassengesichtspunkten gespalten. Die DDR — das ist der Staat der Arbeiter und Bauern, die BRD dagegen verwandelte sich in ein Erbgut der ungeschädigt gebliebenen Nazis und größten Monopol-herren."

Die wirtschaftliche Lage der DDR war anfangs schlecht, da ihre Industrie von den gewohnten Rohstoffquellen abgeschnitten war und sie ihre alten Absatzmärkte verlor (S. 29):

„Allein mit Hilfe der UdSSR und anderer Länder des sozialistischen Lagers wurde in der Republik eine eigene Metallurgie-und Brennstoff-Basis geschaffen. 1964 überstieg die Industrieproduktion den Vorkriegsstand fast um das Vierfache und erreichte die Produktionshöhe ganz Deutschlands im Jahr 1936 (obwohl das Territorium der DDR nur ein Viertel des Territoriums des ehemaligen Reichs ausmacht). Nach der allgemeinen Industrieproduktion gehört die DDR zu den ersten zehn am stärksten industrialisierten Ländern. Nach der Produktion von Braunkohle und Kali-Salzen je Kopf der Bevölkerung erreichte sie den ersten Platz, nach der Chemieproduktion den zweiten in der Welt."

Auch die Landwirtschaft machte große Fortschritte (S. 30): „So haben in der DDR die sozialistischen Produktionsverhältnisse endgültig und vollständig sowohl auf dem Land wie in der Stadt gesiegt..." »Der Aufbau des Sozialismus in der DDR erregte den Haß der reaktionären Kreise in Ostdeutschland. Am 17. Juni 1953 versuchten pewaffnete Banden den demokratischen Sektor von Berlin und andere Städte zu erobern und die DDR Westdeutschland anzugliedern. Aber die Bevölkerung und Regierung der Republik gebot dem konterrevolutionären Abenteuer energisch Einhalt. Die Provokationen der Imperialisten gegen die DDR hörten auch in den folgenden Jahren nicht auf.

Die unterwühlenden Kräfte benutzten gesetzlos die offene Grenze der DDR mit West-Berlin, um die Grundlagen des Sozialismus zu erschüttern. Sie sandten ihren Aufklärungsdienst, führten aus der DDR Defizitwaren aus usw. Am 13. August schützte die Regierung der DDR die sozialistischen Errungenschaften und die friedliche Arbeit ihrer Bürger sicher vor den Anschlägen von außen, indem sie die Grenze mit West-Berlin unter Kontrolle nahm ..."

(S. 31): „Der erfolgreiche Aufbau des Sozialismus in der DDR besitzt ungeheuere gesamtdeutsche Bedeutung. Das deutsche Volk überzeugt sich immer mehr von den Vorzügen des sozialistischen Aufbaus in der DDR gegenüber dem kapitalistischen Aufbau West-Deutschlands." An dieser Stelle ist der Satz in der Ausgabe von 1964 (dort S. 30): „Zeit und Möglichkeit der Gründung eines geeinten deutschen demokratischen Staates sind vergangen" in der Ausgabe von 1965 fortgelassen. Es heißt dort (S. 31): „Durch die Anstrengungen der Westmächte wurde Deutschland gespalten. Auf seinem Territorium gibt es heute zwei unterschiedliche Staaten: einer ist sozialistisch und friedliebend, der andere imperialistisch und militaristisch. Bei diesen Voraussetzungen ist die Vereinigung Deutschlands auf friedliebender demokratischer Grundlage nur möglich auf dem Weg der Verhandlungen zwischen den Regierungen beider deutscher Staaten und unter der Bedingung, daß die westdeutsche Regierung dem militaristischen, revanchistischen Entwicklungskurs der BRD eine Absage er-teilt." Der letzte Satz dieses Absatzes fehlte in der Ausgabe von 1964, in der es statt dessen heißt (dort S. 30): „Unter diesen Bedingungen ist es nur möglich, schrittweise auf eine Annäherung zwischen den beiden deutschen Regierungen hinzuarbeiten."

Als nächstes müsse mit beiden deutschen Regierungen ein Friedensvertrag geschlossen werden, in dem auch die Frage West-Berl ns geregelt werden müsse. Der Abschnitt über die DDR schließt (S. 32) in der Ausgabe von 19'“ „Im äußersten Westen des sozialistisd --• Freundschaftslagers führt die DDR einen z hen Kampf gegen die Kräfte des Imperial s. mus. Sie baut erfolgreich das lichte Gebäud-des Sozialismus — ein Beispiel für das zukünftige vereinigte Deutschland.“

Nach diesem hellen Bild der DDR bleiben für das Bild der BRD naturgemäß die dunklen Farben. Die Teilung Deutschlands geht auf die Westmächte zurück, die Westdeutschland militärisch gegen die UdSSR organisieren wollten (S. 153 f.): „Zu diesem Zweck entschieden sich die Westmächte vor allem, den Nazis keinen Schaden zu tun. Die . Entnazifizierungsgerichte’ wurden zu neun Zehnteln mit ehemaligen Mitgliedern der nazistischen Partei besetzt. Es ist deshalb nicht verwunderlich, daß alle faschistischen und militaristischen Verbrecher entweder unverzüglich freigesprochen wurden oder unbedeutende Strafen erhielten. Bald waren Schacht und Stinnes, der Autor der Rassengesetze, Globke, und viele andere in Freiheit. Als Ergebnis solcher . Entnazifizierung'blieb der ganze administrative Apparat mit Faschisten besetzt. In den deutschen Schulen blieben von 12 000 Lehrern, die unter Hitler gearbeitet hatten, mehr als 11 000 in ihren Stellen. Die faschistischen Lehrer bereiten die deutsche Jugend wieder für Kriegszüge vor."

Die Monopolisten und Junker behielten ihre ökonomischen Positionen (S. 154): „So erhielten sich jene Klassen und Kräfte, die zu ihrer Zeit die Stütze Hitlerdeutschlands waren."

Ein Wirtschafts wunder gab es nicht (S. 155):

„Der schnelle ökonomische Wiederaufbau und die Entwicklung Westdeutschlands wurden durch folgende Gründe ermöglicht: 1. Die deutschen Monopolisten konnten behalten, was sie im Krieg angehäuft hatten, und diese Mittel zur Entwicklung der Wirtschaft freigeben; dazu erhielten die Monopolisten noch amerikanische Hilfe. 2. Verstärkung der Ausbeutung der Arbeiterklasse durch Beibehaltung niedriger Löhne unter den Bedingungen eines schnellen technischen Fortschritts. 3. Unbedeutende Ausgaben für Aufrüstung bis zum Eintritt Westdeutschlands in die NATO und 4. Wiederaufbau der Industrie auf einer neuen technischen Basis."

In der Wirtschaft ging die Monopolisierung weiter und ermöglichte Gewinne wie zu Hitlers Zeiten (S. 155): „Die Vertreter des . Herren-klubs'(der Oberschicht der Finanzoligarchie) kontrollieren wie unter Hitler den Staatsapparat völlig ..“ (S. 155): „In der EWG streben die mächtigsten deutschen Monopole danach, die gesamte Industrie der Mitgliedsländer ihrer Kontrolle zu unterwerfen ..

In den sechziger Jahren gingen die Zuwachsraten der Wirtschaft der BRD zurück (S. 156): „Auf dem Hintergrund der wirklichen Erfolge der sozialistischen Entwicklung in der DDR trägt das Wirtschaftswachstum in Westdeutschland einen zeitweiligen, begrenzter Charakter."

Das Schulbuch beschreibt dann „das Wachstum der Kräfte des Militarismus und Revanchismus" (S. 156): „Nachdem sie zwei Weltkriege verloren haben, wollen die deutschen Monopole einen dritten Weltkrieg entfesseln. Fredi fordern sie die Liquidierung der DDR und die Angliederung polnischen, tschechoslowakischen und baltischen Landes. Die gesamte Politik der Bonner Regierung ist darauf gerichtet, diese Ziele zu erreichen. Schnell wurde eine neue revanchistische Armee gegründet — die Bundeswehr, die in die Stoßtruppe der NATO verwandelt wird."

An einen Bericht über die schwierige Lage der kleinen Bauern und über Streiks schloß die Ausgabe von 1964 zwei Abschnitte über die „demokratischen Kräfte" an, von denen 1965 nur einer wieder aufgenommen wurde (S. 158): „Trotz der Verstärkung der Reaktion und der Sabotage der rechten Führer der Sozialdemokratie wächst in der BRD der Kampf der Arbeitenden um ihre ökonomischen Rechte und gegen die Ausrüstung der Bundeswehr mit Massenvernichtungsmitteln." Statt über die deutsche Linke wird 1965 über die Verjährungsdebatte berichtet, und mit diesem Bericht schließt die Darstellung der neuesten Geschichte der Bundesrepublik (S. 159):

die „In dem Bemühen, Verantwortung des faschistischen Deutschland für die Verbrechen gegen die Menschlichkeit in den Jahren des Zweiten Weltkrieges aufzuheben und gleichzeitig auch die jetzigen Kriegsvorbereitungen zu legalisieren, haben die Herren der BRD die Absicht, die Verfolgung der Naziverbrecher ab 1. 1. 1970 abzubrechen, unter dem Vorwand . Länge der vergangenen Zeit'. Die Völker der Welt protestieren zornig gegen die Intrigen der westdeutschen Revanchisten."

In der Ausgabe von 1964 lautete der Schluß-satz noch (S. 156): „Das Volk Westdeutschlands führt seinen Kampf um seine ökonomischen Rechte und um Frieden auf deutschem Boden fort." In der Ausgabe von 1969 widmet das Lehrbuch bei der Darstellung der Bundesrepublik der NPD einen eigenen Absatz und betont, daß sie in „sieben von zehn" Landtagen „schon" Abgeordnete habe (S. 184): „Die NPD bildet die hauptsächliche Reserve des Monopolkapitals für den Fall, daß es das Land mit parlamentarischen Methoden nicht beherrschen kann und sich entschließt, offen zu diktatorischen Methoden überzugehen. Die revanchistische und militaristische Politik der herrschenden Kreise der Bundesrepublik ist die Grundlage für die Verbreitung neonazistischer Ideen im Lande . . . 1968 peitschte die Bourgeoisie . Notstandsgesetze'durch das Parlament und erhielt so die gesetzliche Möglichkeit, in jedem Moment, der ihr notwendig scheint, die verfassungsmäßigen Rechte der Bürger abzuschaffen und eine offene Diktatur einzurichten. Die Kommunisten und andere progressive Kräfte kämpfen darum, die Bourgeoisie nicht zu erlauben, im Land die Diktatur der . Notstandsgesetze'einzuführen."

Mit der Gründung der DKP im April 1969 berichtet das Lehrbuch jedoch auch über eine als hoffnungsvoll angesehene Entwicklung (S. 185 f.). „Die DKP stellte sich folgende Aufgaben: den Kampf um die demokratische Erneuerung der Bundesrepublik zu entwickeln, die Macht der Monopole zu begrenzen, die Teilnahme der Arbeiter an der Leitung der Betriebe zu sichern. Auf dem Gebiet der Außenpolitik kämpft die DKP für die Anerkennung der Nachkriegsgrenzen, die Normalisierung der Beziehungen zur DDR, die Beruhigung der internationalen Spannung.

Die Gründung der DKP ist ein großer Erfolg der westdeutschen progressiven Kräfte im Kampf um die Rechte der Arbeiterschaft, um die legale Grundlage für die Arbeit der Kommunisten."

Die Große Koalition wird kritisch erwähnt (S. 188): „Aber auch diese Regierung führt die frühere revanchistische Politik weiter, wenn auch mit mehr Hinterlist."

Zur Einordnung

Bei den folgenden Anregungen zur Einordnung sollen drei einführende Fragen gestellt werden: Nach der Wirksamkeit des Deutschlandbildes der sowjetischen Geschichtslehrbücher, nach seiner historiographischen Tradition und nach seiner Richtigkeit.

Es wurde schon darauf hingewiesen, daß die Sowjetunion einen „Verlust der Geschichte" nicht kennt, daß nach 1917 zwar große Veränderungen des Geschichtsbildes durchgesetzt worden sind, daß die Bedeutung der Geschichte an sich jedoch nie in Frage gestellt war. Geschichte nimmt einen zentralen Platz in der Schulbildung ein, historische Vergleiche sind in der UdSSR leicht zur Hand und gut verständlich, historische Erfahrungen werden für bedeutend und manchmal für prägend gehalten. Oft wird hinter einem Bundeswehrgeneral ein General Hitlers oder ein General Wilhelms II. gesehen, und die reformistische Sozialdemokratie muß ihre Fähigkeit zur Reform nicht nur gegen die Argumente Lenins, sondern auch gegen die Niederlagen der SPD während des Ersten Weltkrieges gegenüber der kaiserlichen Politik, während der Weimarer Zeit und besonders nach 1933 unter Beweis stellen, wenn sie vielfaches Mißtrauen beruhigen will.

Diese historisierenden Argumentationen entsprechen bestimmten innen-und außenpolitischen Interessen; sie können sich bei Veränderung dieser Interessen bis zu einem gewissen Grad wandeln, geben aber diesen Interessen ihrerseits auch eine prägende Form, in der sie wirksam werden. Der Kanon der historischen Erfahrungen, den die Geschichtslehrbü-eher bieten, entspricht nicht nur der offiziell gewünschten Auswahl; er entspricht auch dem, was mit Sicherheit geläufig ist — eben weil der Kanon gelernt worden ist.

Die Hochschätzung, die wir unserer eigenen Geschichte entgegenbringen, zumal Fakten wie der Ostsiedlung oder den Italienzügen des Mittelalters, besaß auch im zaristischen Ruß-land keine Anhänger. Daß ein gut geführtes, radikales Proletariat neue Verhältnisse schaffen kann, ist für den Kommunisten selbstverständlich und wird, gerade für Deutschland, wohl immer noch von manchem erhofft. Da die überwiegende Mehrheit in der Bundesrepublik eine kommunistische Diktatur nicht wünscht, verliert dieses Argument für uns seine Bedeutung. Die Wirkung des Geschichtsbildes der Lehrbücher kann wahrscheinlich nicht so leicht überschätzt werden. Es ist zwar nicht das einzige Bild deutscher Geschichte, das in der UdSSR verbreitet wird — es gibt sowohl sym-pathisierendere als auch sehr viel aggressivere Darstellungen —, aber es ist das gängigste Bild, das zugleich offizielle Auffassungen am direktesten spiegelt.

Der deutsche Leser, der sich in der sowjet-marxistischen historischen Literatur nicht auskennt, wird manche Auffassung für spezifisch . russisch'halten, die inzwischen feste Lehrmeinung im ganzen Osten ist, und zum Teil mag er auch für . russisch'halten, was im Kern marxistisch ist. Der Nachweis allerdings, wie diese oder jene Lehrmeinung entstanden ist, würde den Rahmen dieses Textes sprengen. Die Positionsänderungen in der Historiographie der UdSSR seit Pokrovskij, seit dessen Sturz und seit Stalins Tod sind eigene, bedeutende Forschungsobjekte Aber sie können das Interesse einer politischen Öffentlichkeit nicht in gleicher Weise beanspruchen wie die Darstellung dessen, was zur Zeit über die Geschichte unseres Landes in der UdSSR gelehrt wird.

In manchen Texten spiegeln sich deutlich die Ergebnisse neuer und neuester Forschung. So haben die Arbeiten, die in der DDR über den deutschen Kolonialismus vor allem in Südwest-Afrika erschienen sind, offensichtlich in ähnlicher Weise einen Niederschlag gefunden wie die Bücher Fritz Fischers den Abschnitt über den deutschen Imperialismus beeinflußt haben.

Auffallend ist, daß die in der russischen Historiographie der Zarenzeit durchaus überwiegende pro-französische Tendenz nicht aufgenommen wird. Mit der Entstehung des deutsch-französischen Krieges wird auch Frankreich belastet. Auch bleibt kein Zweifel, daß die deutsche Einheit als fortschrittliches Ziel der deutschen Politik grundsätzlich positiv beurteilt wird.

Nicht selten scheint es, als spüre man ein Eingehen auf politische Augenblickslagen, besonders in dem Abschnitt über die Nachkriegsgeschichte, wenn eine zukünftige Wiedervereinigung in größerer oder geringerer Entfernung als möglich angesehen wird, wenn die bundes-republikanische Linksopposition hinauf-oder hinabgeschätzt oder gar statt ihrer Darstellung die Empörung über die Aussetzung der Strafverfolgung für NS-Verbrechen tritt. Freilich sind das Vermutungen, und man mag die Texte damit überinterpretieren, bei deren Entstehung sicher auch Zufälligkeiten eine Rolle spielen. Allein die immer ausführlichere Aufnahme der Geschichte der Länder der „Dritten Welt" in die Lehrbücher für allgemeine Geschichte erzwingt -dauernde Umstellungen und läßt die Autoren nach Möglichkeiten suchen, wo gekürzt werden könnte. Übrigens ist bei der Geschichte der Neuzeit selten auf Kosten der deutschen Geschichte gekürzt worden -die deutsche Geschichte zwischen 1870 und 1918 ist im Gegenteil 1965 wesentlich ausführlicher behandelt worden als 1955. Insgesamt ist in einem größeren Maße, als das in deutschen Geschichtslehrbüchern allgemein ist, das leitende Auswahlprinzip für die Stoffe die Geschichte der Welt. Unter diesem Blickwinkel werden Ereignisse und Gestalten, die uns hochbedeutsam sind, zum Teil überhaupt nicht erwähnt. Friedrich II., selbst Kunersdorf und die erste Besetzung Berlins durch russische Truppen sind in dem Geschichtslehrbuch für die frühe Neuzeit von 1969 nicht mehr dargestellt worden. Deutschland ist weiterhin zersplittert, Weltgeschichte ist die Eroberung Kanadas, nicht der Besitzwechsel einer deutschen Provinz, nicht einmal die Teilung Polens. Es genügt, später —-sobald Preußen Weltgeschichte macht — festzuhalten, daß es durch Raubkriege groß geworden ist, und bei den folgenden Kapiteln über die slawischen Brüdervölker auf die verderbliche Rolle Preußens hinzuweisen. Rußland erwarb vor 1815 keine Territorien aus Polens altem Besitzstand, die nicht mehrheitlich von Nicht-Polen besiedelt wären.

Das in dieser Darstellung ausgedrückte Urteil über das Verhältnis der deutschen Querelen zur Weltgeschichte legt die Frage nahe, ob das Geschichtsbild der sowjetischen Schullehrbücher nicht richtiger ist als das uns gewohnte. Mehrere Stellen in den sowjetischen Lehrbüchern sind so formuliert, daß sie von direkten Fälschungen nicht weit entfernt sind. Wenn es etwa bei der Darstellung des Ermächtigungs gesetzes heißt, die „rechten Sozialdemokraten" hätten für Hitler gestimmt, muß der Schüler schließen, sie hätten für das Ermächtigungsgesetz gestimmt. Die SPD hat zwar in politischer Torheit am 17. Mai 1933 einer außenpolitischen Erklärung der Regierung zugestimmt, die friedliche Absichten vortäuschte, aber sie hat dem Ermächtigungsgesetz mutig ihre Stimme verweigert. Aus der Darstellung des Kriegsbeginns 1939 muß der Schüler der vierten Klasse schließen, bei Beginn des Zweiten Weltkrieges hätten alle kapitalistischen Länder zusammen die UdSSR überfallen. Erst später wird ihm ein genauerer Bericht geboten, aber auch in diesem wird die Bedeutung des deutsch-sowjetischen Nichtangriffspaktes für die Entfesselung des Weltkrieges nicht gekennzeichnet. Der nationalistische Militarismus bei der Darstellung aller Engagements, nicht nur der sowjetischen, sondern auch der zaristischen russischen Truppen gibt das anmaßende Selbstgefühl des Siegers von 1943 bis 1945 wieder, aber nicht die historische Wahrheit. Dieser Militarismus lastet Tannenberg Frankreich und England an und findet selbst für Austerlitz noch eine ausweichende Darstellung. Für die Annexion des niemals russischen Königsberg muß als Begründung das Argument aller Eroberer herhalten, von Königsberg aus sei Rußland schon immer bedroht worden. Diese Geschichtslehrbücher erziehen nicht zur kritischen Auseinandersetzung mit der Geschichte der Beziehungen zwischen ihrem und unserem Land, sie rechtfertigen die russische Politik gegenüber Deutschland in fast jeder Phase. Insofern sind die Lehrbücher Quellen zur inneren Geschichte der UdSSR, zur Fortdauer der Ideologie des „Sowjetpatriotismus".

Aber diese Geschichtsbücher erziehen nicht zum Haß auf das deutsche Volk, verbreiten nicht die gefährliche Legende, die Deutschen seien grundsätzlich aggressiv. Wenn von Aggressionen die Rede ist, heißt es stets „die deutschen Feudalherren“, „die deutschen Monopolkapitalisten" oder „die deutschen Faschisten", niemals „die Deutschen". Das ist eine wesentliche Differenzierung. Stets bleibt der Blick frei für die revolutionäre Bauernschaft, die deutschen Antifaschisten, die im Dritten Reich „die Ehre des deutschen Proletariats retteten". Die über den Nationen ste-

ende Position des Marxismus wird nicht grundsätzlich verlassen. Die Frage, wie weit cute marxistische Positionen in unseren Lehrbüchern stärker Aufnahme finden sollten, stellt sich an dieser Stelle; sie kann jedoch nie im Blick auf die Auffassungen anderer, sondern immer nur im Blick auf die eigene Auffassung davon, was richtig ist, diskutiert werden.

Im Blick auf die Geschichtsbücher der UdSSR werden konkretere Fragen gestellt. Wenn in vielen deutschen Geschichtsbüchern die Geschichte des Deutschen Ordens noch immer als die Geschichte nobler und entsagungsvoller Ritter dargestellt wird, anstatt der Geschichte jener harten und zum Teil grausamen Eroberer, als die sie die Quellen, die aus der Umgebung des Ordens stammen, durchaus schildern, dann enthält die Beschreibung der Leiden und Quälereien der baltischen Völker doch mehr Wahrheit als unsere Geschichtsbücher. Die wirkliche Bedeutung des Bauernkriegs wird im sowjetischen Geschichtsbild sicher ähnlich überschätzt, wie die NPD und DKP Rollen zu-erteilt erhalten, die ihrer sozialen Repräsentanz und ihrem politischen Einfluß nicht entsprechen. Aber wenn es auch heute deutsche Geschichtslehrbücher gibt, in denen die Sozial-und Wirtschaftsgeschichte die Rolle eines Randgebietes spielt, in denen über die armselige Existenz der Bauern, über Fron und feudale Herrschaftsmethoden nicht mehr berichtet wird als über die Kabalen deutscher Duodezfürsten — dann verteilen sich die Gewichte nicht so eindeutig zugunsten unserer Lehrbücher.

Es ist in absehbarer Zeit wohl nicht zu erwarten, daß bundesrepublikanische und sowjetische Historiker sich zusammensetzen (wie es Deutsche und Polen bereits tun), um über das Bild von der eigenen Geschichte und der des anderen zu diskutieren und diese Diskussionen dann auch Niederschlag in den Texten der Geschichtsbücher finden zu lassen. Wenn in Osteuropa ein dauerhafter Friede entstehen soll, wie er in Westeuropa bereits besteht, dann sind solche Diskussionen allerdings unumgänglich. Wir alle würden aus ihnen lernen.

Aber wir müssen das Bild, das die Sowjets sich von unserer Geschichte machen, schon heute kennen — um zu wissen, daß der Sowjetbürger uns zwischen NPD und DKP, zwischen Deutschordensmeister und Thomas Müntzer sieht. Es ist darüber hinaus nicht nur für die Geschichtswissenschaft von Interesse, wie weit der „Sowjetpatriotismus" noch heute das offizielle sowjetische Geschichtsbild prägt.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Novaja istorija. Ucebnik dlja srednej skoly. 2 Cast'. Pod redakciej: V. M. Chvostov, Moskva 1965’.

  2. Novaja istorija. Ucebnik dlja 9 klassa srednej skoly. Pod redakciej: V. M. Chvostov, Moskva 195510.

  3. Novaja istorija. Ucebnik dlja 9 klassa srednej skoly. Pod redakciej: V. M. Chvostov, Moskva 196015.

  4. I. B. Berchin, M. I. Belenskij, M. P. Kim, Istorija SSSR. Epocha socializma. Ucebnoe posobie dlja 10— 11 klassov srednej skoly, Moskva 19652.

  5. I. M. Krivoguz, D. P. Pricker, S. M. Steckevi, Novejsaja istorija (1917— 1945 gg.). Ucebnoe posobie dlja srednej skoly, Moskva 19654.

  6. Novejsaja istorija (1939— 1968 godov). Ueb-noe posobie dlja 10. klassa srednej skoly. Pod redakciej: P. M. Ku’miev, V. A. Orlov, Moskva 19697.

  7. P. S. Golubeva, L. S. Gellerstejn, Rasskazy po istorii SSSR. Dlja 4 klassa. Ucebnaja kniqa, Moskva 1966.

  8. I. B. Berchin, M. I. Belenskij, M. P. Kim, Istorija SSSR. Epocha socializma. Ucebnoe posobie dlja 10. — 11. klassov srednej skoly, Moskva 19652 S. 319.

  9. P. M. Krivoguz, D. P. Pricker, S. M. Steckevi Novejsaja istorija (1917— 1945 gg.). Ucebnoe posobie dlja srednej skoly, Moskva 1965.

  10. Novejsaja istorija (1945— 1964 gg.). Ucebnoe posobie dlja srednej skoly. Pod redakciej: P. M. Kuz’miäev, V. A. Orlov, Moskva 1965’.

  11. Novejaja istorija (1939— 1968 gg.). Ucebnoe Posobiesdlja 10 klassa srednej skoly. Pod redak—e: P M. Kuc'mizev, V. A. Orlov, Moskva 1969'.

  12. Zur Einführung in diese Diskussion sei verwiesen auf E. Oberländer, Sowjetpatriotismus und Geschichte. Dokumentation (Dokumente zum. Studium des Kommunismus 4), Köln 1957, vgl. besonders die Bibliographie S. 237 bis 251. Eine theoretische Studie zum Gesamtthema bietet H. Fleischer, Marxismus und Geschichte (edition suhrkamp 323), Frankfurt 1969.

  13. A. V. Efimov, Novaja istorija. Cas*.'1. Ucebnik dlja 8. klassa srednej skoly, Moskva 1969.

Weitere Inhalte

Hans-Heinrich Nolte, Dr. phil., geb. 1938, Studium der Geschichte und Germanistik. Nach einem Studienaufenthalt in der UdSSR Promotion in Göttingen über „Religiöse Toleranz in Rußland" (veröffentlicht 1969). 1967 bis 1969 Referent am Göttinger Max-Planck-Institut für Geschichte, seit 1970 Assistent am Historischen Seminar der Technischen Universität Hannover.