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Die Öffentlichkeit des Bayerischen Landtages | APuZ 21/1970 | bpb.de

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APuZ 21/1970 Die Öffentlichkeit des Bayerischen Landtages

Die Öffentlichkeit des Bayerischen Landtages

Heinrich Oberreuter

/ 71 Minuten zu lesen

Publizistik und Wissenschaft bestätigen den Parlamenten in der Bundesrepublik einhellig, daß sie in der Vergangenheit nur wenig Interesse zeigten, einen möglichst großen Teil ihrer Arbeit öffentlicher Kritik zugänglich zu machen. Die Kritiker bestätigen aber umgekehrt auch das mangelnde Interesse der Öffentlichkeit, an dieser Arbeit teilzunehmen. Die Kommunikation zwischen Parlament und Wählern scheint so gestört, daß eher eine Kluft zwischen beiden zu beklagen ist.

Das entscheidende Merkmal des Parlaments ist sein funktionierendes Verhältnis zur Öffentlichkeit, ein Kontakt, der in der modernen technologischen Gesellschaft schwieriger herzustellen ist als je zuvor, der aber auch in Deutschland aufgrund tief verwurzelter parlamentsfeindlicher Traditionen mehr gefährdet erscheint als in anderen Ländern. Dabei ist dieser Kontakt von entscheidender Bedeutung für die ständige Legitimierung des parlamentarischen Systems und für seine Überlebenschance. Die Gleichgültigkeit gegenüber der Arbeit des Parlaments wurde denn auch mit wachsender Sorge beobachtet, die sich zu dem Entschluß artikulierte, die Öffentlichkeitsarbeit erheblich zu verstärken. Im Bundestag entstand 1969 ein

Presse-und Informationszentrum und noch in diesem Jahr wird eine „Parlamentskorrespondenz''erscheinen, die größere Transparenz des parlamentarischen Willensbildungsprozesses ermöglichen soll. In manchem Länderparlament zeichnen sich ähnliche Tendenzen ab. Allerdings bleibt der Zweifel, ob geplante Öffentlichkeitsarbeit mehr als ein Ersatz für echte Kontakte zwischen Parlament und Wählern sein kann, die es erleichtern, sich mit dem politischen System zu identifizieren, und die dann am ehesten zu gewinnen sind, wenn der konkrete Entscheidungsprozeß mehr als bisher transparent gestaltet und nicht nur durch zahlreiche Hilfskonstruktionen eine gefilterte Transparenz hergestellt wird.

Die Probleme der Parlamente in Bund und Ländern sind nur eingeschränkt vergleichbar, und Lösungen, die in Bayern gültig sind, müssen nicht unbedingt auf die anderen Parlamente übertragbar sein. Sie können jedoch zumindest Anregungen vermitteln. Daher empfiehlt sich ein Blick auf den Bayerischen Landtag, in dem institutionell die publizitätsfreundlichsten Regelungen von allen deutschen Parlamenten bestehen und in dem nicht nur das Plenum, sondern auch die Ausschüsse öffentlich tagen.

Vorbemerkung: Zum Begriff der Öffentlichkeit

Abbildung 1

Auf die Vielfalt konkurrierender Bedeutungen des Begriffes „Öffentlichkeit" braucht hier nicht eigens eingegangen zu werden. Jedoch erscheint es notwendig, darauf hinzuweisen, wie ihn diese Arbeit im Zusammenhang mit dem Bayerischen Landtag versteht: Sie begreift Öffentlichkeit zunächst als die Evidenz eines Sachverhaltes, wie sie in unserem Falle durch die Zugänglichkeit der Parlamentsverhandlungen erzeugt wird, meint darüber hinaus aber auch den Kommunikationsbereich, innerhalb dessen diese Sachverhalte Evidenz für die Allgemeinheit erlangen können.

Das hat zur Folge, daß zumindest in groben Zügen auf möglichst viele Institutionen einzugehen ist, die an der Kommunikation zur Landespolitik gestaltend beteiligt sind, zumal sich gerade im demokratischen parlamentarischen Regierungssystem keine Grenzlinien um das Parlament ziehen lassen. Den demokratischen Prozeß kennzeichnet das Gespräch in zahlreichen Diskussionsbereichen, das allerdings in den Verhandlungen des Parlaments kulminieren sollte, dort aber zumindest seinen formellen Abschluß findet, sobald es sich um Fragen politischer Relevanz handelt. Da hier Einblicke in Praxis und Funktionieren dieser Kommunikation vermittelt werden sollen, mußte der Rahmen zwangsläufig weiter gesteckt werden, um neben dem Gespräch im Parlament auch jenes über und für das Parlament einzufangen. Dem entsprechen auch der Aufbau und die gewählten gliedernden Begriffe.

Aktuelle Öffentlichkeit meint die Evidenz der Parlamentsverhandlungen an sich und die Möglichkeit für den einzelnen, sich an Ort und Stelle, in actu, über die landespolitischen Vorgänge zu orientieren, soweit sie im Landtag zur Sprache kommen. Diese aktuelle Öffentlichkeit liegt naturgemäß jedem kompetenten Gespräch zur Landespolitik und jeder Mitbeteiligung an ihr zugrunde. Daher gilt es hier, diejenigen institutioneilen Regelungen der bayerischen Verfassung und der Geschäftsordnung des Bayerischen Landtages sowie ihre Bewährung in der Praxis zu untersuchen, deren Gegenstand die Öffentlichkeit des parlamentarischen Entscheidungsprozesses ist.

Betrachtet man den Landtag als das Zentrum der Kommunikation zur Landespolitik, so werden zwei Fragen relevant: Wie erlangt die parlamentarische Diskussion allgemeine Evidenz und wie gelangen Informationen ins Parlament hinein und schlagen sich in seiner Arbeit nieder? Vermittelte Öffentlichkeit meint also die Evidenz der Parlamentsarbeit und Parlamentsdebatten, die dadurch erreicht wird, daß Fakten und Positionen der politischen Diskussion von den Massenmedien oder mit ihrer Hilfe an das Publikum insgesamt vermittelt werden, um es in diese Diskussion mit-einzubeziehen, da es ja in seiner Gesamtheit nicht in der Lage ist, die aktuelle Öffentlichkeit wahrzunehmen. In diesem Zusammenhang sind die Parlamentsberichterstattung der Presse, die Pressearbeit der Fraktionen, der Regierung und des Landtages als Institution zu behandeln.

Unter mittelbarer Öffentlichkeit ist schließlich die Offenheit des Parlaments für Informationen und Impulse von außen zu verstehen. Mittelbar deshalb, weil es das Prinzip der Repräsentation ausschließt, daß solche Impulse an den Abgeordneten vorbei direkt im Parlament wirksam werden und sich ohne ihre Einflußnahme umsetzen können. Die zentrale Stellung des Abgeordneten läßt es gerechtfertigt erscheinen, sich hier vor allem auf seine außerparlamentarische Information zu konzentrieren, um nicht ins uferlose ausholen zu müsen.

Alle drei Begriffe dienen nicht der theoretischen Erfassung vorgefundener Realitäten, sondern ausschließlich als ordnende und gliedernde Arbeitsformeln. Die vorliegende Arbeit gewinnt ihre Ergebnisse vor allem aus der Untersuchung der Verhandlungen des Bayerischen Landtages und seiner Ausschüsse aus der Presse und aus Informationsdiensten und aus Informationsgesprächen mit Abgeordneten Journalisten Pressereferenten und Vertretern des Landtagsamtes

A. Parlament und Öffentlichkeit

Zwischen der politischen Potenz eines Volkes und der Transparenz der politischen Ordnung, der Öffentlichkeit gouvernementaler Vorgänge, bestehen enge Zusammenhänge. Historisch gesehen ist der Prozeß der Beteiligung aller Bürger an der Staatsgewalt zunächst einmal ein Prozeß der Öffnung des öffentlichen Raumes für das politische Räsonnement, das den Untertan aus der Passivität entläßt und die Bildung einer kontrollierenden Öffentlichkeit ermöglicht. Die Freiheit politischen Handelns setzt die Freiheit der Kommunikation voraus; denn wer auf rationaler Basis wählen und (mit) entscheiden will, ist auf eine Vielfalt von Informationen angewiesen. Exklusivität politisch relevanten Wissens bedeutet Exklusivität der Herrschaft. So kam es dem absolutistisch regierenden Fürsten auf die Abschirmung der Sphäre der Politik gegenüber einer sich bildenden politischen Öffentlichkeit an, die sich über das Räsonnement den Zutritt zu den „arcana imperii" erzwingen wollte.

Dieser enge Zusammenhang erklärt im Liberalismus des Vormärz die Gemeinsamkeit, fast Austauschbarkeit der Forderungen nach Pressefreiheit und Ständevertretungen. Die Äußerungen von Görres über die Aufgaben politischer Zeitungen und von Feuerbach über die Funktionen ständischer Vertretungen stimmen fast wörtlich überein. Die Idee der Repräsentation band sich an die politische Periodica, solange es den Bürgern noch verwehrt blieb, sich andere Repräsentationsorgane zu schaffen „Preßfreiheit“, ganz allgemein verstanden als die Möglichkeit politischer Kommunikation in der Öffentlichkeit, und Parlamentarismus gehörten in den Zeiten, als sie erkämpft wurden, „nach der orthodoxen Vorstellung zueinander wie die himmlischen Zwillinge"

Lange zuvor hatte sich in England gezeigt, wie sich die Ständeversammlung in dem Maße zu einem modernen Parlament wandelte, in dem es möglich war, sich zur Legitimierung politischer Ansprüche an das Forum der Öffentlichkeit zu wenden — ein Prozeß, der sich über ein ganzes Jahrhundert hinzieht. Gleichzeitig institutionalisiert sich der politische Journalismus als Instanz stetiger Kommentierung und

Kritik der staatlichen Gewalt, die damit in doppeltem Sinne „öffentlich" wird. Aber gerade in England dauerte der Kampf gegen das Publikationsverbot der Parlamentsverhandlungen (breach of privilege) über eineinhalb Jahrhunderte; erst 1834 wurden dort Berichterstattertribünen eingerichtet. Ähnlich, wenn auch erheblich später und komprimierter, verlief die Entwicklung in Deutsch-land. Die Rückzugsgefechte des Absolutismus verdeutlichen auch hier die Bedeutung einer mitreflektierenden politischen Öffentlichkeit für den modernen Parlamentarismus, der den demokratischen Gedanken der Volkssouveränität mit der Repräsentationsidee verbindet. Solange der absolute Herrscher von vornherein die Volkssouveränität nicht anerkennen konnte, solange stellten sich auch der Publizität der Parlamente partiell Hindernisse in den Weg Noch 1847 machte der König von Preußen den Mitgliedern des von ihm einberufenen Parlaments klar, daß sie nichts anderes zu sein hätten als Vertreter der Stände zugleich ließ er keine Zuhörer zu den Verhandlungen zu. Allerdings wurden mit einer Verzögerung von acht Tagen vollständige Sitzungsberichte publiziert. Anders war es in Süddeutschland, wo nach dem Wiener Kongreß die Parlamente unter den oktroyierten Verfassungen öffentlich tagten. Die Praxis war also keineswegs einheitlich restriktiv.

So nimmt es nicht wunder, daß gerade in England noch im 19. Jahrhundert das Verhältnis von Parlament und Öffentlichkeit am schärfsten durchdacht wurde. Jeremy Bentham vertraute für die Kontrolle der Staatsgewalt ausschließlich auf das Tribunal der öffentlichen Meinung. Für ihn sichert die Öffentlichkeit der Parlamentsverhandlungen die Oberaufsicht der Staatsbürger: „Ohne Öffentlichkeit sind alle anderen Kontrollen bedeutungslos, im Vergleich zur Öffentlichkeit sind sie belanglos." Von den fünf Funktionen, die Walter Bagehot 1867 dem Parlament zu-wies beziehen sich drei auf die „öffentliche Meinung". Alle drei — expressive function, teaching iunction und informing lunction — gewinnen erst dann ihren Sinn, wenn der Kontakt zwischen Wählern und Gewählten geschlossen und die Kommunikation zwischen beiden gewährleistet ist. „Die Publizität der Parlamentsverhandlungen sichert der öffentlichen Meinung ihren Einfluß, sichert den Zusammenhang zwischen Abgeordneten und Wählern als Teilen ein und desselben Publikums."

Parlament und Öffentlichkeit befinden sich in der parlamentarischen Demokratie in einem gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis, das nur durch ständige wechselseitige Information in Balance bleibt. Als Bentham bereits die Öffentlichkeit der Verhandlungen des Parlaments nur als Teil der öffentlichen politischen Diskussion insgesamt begriff, hat er vorformuliert, was später lediglich präziser gefaßt wurde: Ernest Barker kommt bei der Analyse der demokratischen politischen Diskussion zu dem Ergebnis daß ihr Fortbestand nur dann gesichert sei, wenn sie sich auf mindestens vier Ebenen abspiele: den Ebenen von Wählerschaft, Parteien, Parlament und Regierung. Es ist nicht nötig, hier die Interessengruppen eigens anzufügen da die Wählerschaft die Summe der organisierten und nichtorganisierten Interessen darstellt. Zum Schutz vor der lebensbedrohenden Hypertrophie eines dieser vier Faktoren fordert Barker zwar die Eigenständigkeit ihrer Diskussionsbereiche, stellt diese Eigenständigkeit jedoch sogleich auf die Basis einer auf Interdependenz beruhenden Kooperation.

Diese Interdependenz bleibt z. B.dem realitätsfernen Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Parteienfinanzierung verborgen, das eine unzumutbare Trennung von „Volk" und „Staat" vornimmt, den Prozeß der politischen Willensbildung einseitig in einer staatsfreien Sphäre ansiedelt und ihn sich in einer Einbahnstraße „vom Volk zu den Staatsorganen, nicht umgekehrt" vollziehen sieht. Staats-organen sei es grundsätzlich verwehrt, sich bezug Prozeß der Meinungs-und in auf den Willensbildung des Volkes zu betätigen. So idealistisch die hier vertretene Demokratie-theorie ist, so falsch ist sie auch, denn die Institutionen demokratischer Repräsentation sind nicht der obrigkeitliche „Staat" im herkömmlichen deutschen Sprachgebrauch.

Vielmehr ist die Repräsentation, die sie ausüben, abgeleitet und zeitlich und funktional begrenzt; sie ist auf Konsensus angewiesen und wird kontrolliert. „Das zentrale demokratische Ordnungsproblem ist das des ständigen politischen Prozesses zwischen den Bürgern als den ursprünglichen Repräsentanten und den Repräsentativ-Institutionen. Dieser Prozeß erschöpft sich nicht in der Bestellung der Amtsinhaber, das heißt in der parlamentarischen Demokratie in der Parlamentswahl. Es ist ein Prozeß der ständigen Kommunikation . . Sichtbarer Ort dieser Repräsentation ist das Parlament, das als oberstes Staatsorgan keineswegs nur als Rezipient an der politischen Meinungsbildung teilnimmt, sondern rezipiert und aktiv kommuniziert, und dem in der kooperierenden Kommunikation eigenständiger Diskussionsbereiche besondere Bedeutung zukommt. Denn es ist gerade seine Aufgabe, die Verbindung zwischen institutionalisierten und nichtinstitutionalisierten Formen und Vorformungen politischer Meinungsund Willensbildung herzustellen sowie selbst Meinungen zu äußern und durch die Provokation von Anteilnahme, Zustimmung oder Kritik willensmobilisierend und integrierend zu wirken Als „repräsentative Stätte der Umformung öffentlicher Meinung in politischen Gesamtwillen" steht es ihm an, das Spektrum kontrastierender und kontroverser Argumente in seine Verhandlungen einzubringen und evident zu machen. Es hat also ganz wesentlich — jedoch keineswegs ausschließlich und auch nicht unbedingt primär — die Aufgabe, Forum der Nation zu sein Aller-dings ist die heute vielfach erneuerte Ansicht längst überholt, die im Parlament den vornehmsten Exponenten oder das Vollzugsorgan einer wie immer gearteten „öffentlichen Meinung" sah. Vielmehr gilt es als Clearing-Stelle, als Instanz der Sichtung, Prüfung und Artikulation, aber auch als institutioneller Mittelpunkt des politischen Lebens, von dem die Kanäle der Information ausgehen und in den sie in gleicher Weise einmünden. Das Parlament ist der Ort, an dem die Probleme des Volkes permanent zur Darstellung kommen, aber es ist zugleich auch der Ort politischer Führung.

Bei dieser Aufgabe der Artikulation, Willensbildung und Willensmobilisierung sieht sich das Parlament gegenwärtig besonderen Schwierigkeiten gegenüber. Zwar ist es institutionell der wichtigste, aber nicht unbedingt immer der interessanteste Ort politischer Diskussion; insbesondere die Massenmedien bieten vielfältige Konkurrenz. Dabei darf man die Abwanderung in „unzuständige" Gremien oder in eine „falsche Öffentlichkeit" als Gefahr nicht überbewerten. Sie dient im Gegenteil dem höheren Ziel der Transparenz des politischen Prozesses, und Abgeordnete, die sich daran beteiligen, degradieren sich nicht zum „Interviewgeber und Zeitungsschreiber" sondern sie reden und schreiben als Parlamentsmitglieder in der Öffentlichkeit und steigern damit die Publizität des Parlaments.

Im Gegensatz dazu darf neben der Flucht der Diskussion in die Exklusivität intimer Zirkel die Gefahr nicht unterschätzt werden, daß das Parlament und seine Mitglieder sich durch nachlässige Diskussionsbereitschaft intra et extra muros nur einen ungenügenden Anteil an der interdependenten Kooperation der genannten Diskussionsbereiche sichern; denn ein diskussionsmüdes Parlament bleibt immer evidenzarm und ist mithin nicht in der Lage, seine Aufgabe als öffentliches Forum zu erfüllen. Die Anhänger einer Parlamentsreform setzen überwiegend hier den Hebel ihrer Kritik an übereinstimmend wird gefordert, das Parlament wieder mehr zum Zentrum der öffentlichen Debatte zu machen. Es solle die ihm vom Verfassungssystem gestellten Aufgaben sichtbarer und die Führung der politischen Aussprache insgesamt deutlicher wahrnehmen: „Der Bundestag darf seine Sitzung nicht in zwar öffentlicher Sitzung, praktisch aber unter , Ausschluß der Öffentlichkeit'durchführen. Rundfunk und Fernsehen müssen in vollem Umfang zugelassen sein. Im Bundestag muß man den Mut haben, auch zum Fenster hinaus, nämlich zum Bürger und Wähler zu reden, denn sie haben ein Recht darauf, unmittelbar zu erfahren, was die Abgeordneten sagen, unmittelbar zu erfahren, welche Fragen zur Diskussion stehen." Damit ist ein zentrales Problem angesprochen: Es kommt nicht nur darauf an zu diskutieren, sondern es muß sich auch ein öffentlichkeitsorientierter Diskussionsstil entwickeln. Vor allem aber muß das Fenster, zu dem man dann hinausreden will, auf eine Weise geöffnet sein, die dem Bürger Gelegenheit gibt, ins Parlament hineinzusehen und hineinzuhören.

So wie das Parlament seinen Funktionen nachkommen muß, muß es auch die Kommunikationsmedien institutionell in die Lage versetzen, ihre Funktion der Information, die Kritik und Kontrolle einschließt, zu erfüllen, um endlich dem einzelnen die Möglichkeit zu geben, sich aktiv und passiv einzuschalten. Die vermittelte Öffentlichkeit gouvernementaler Vorgänge, ihre möglichst weitgehende Durchschaubarkeit, ist die Voraussetzung einer demokratischen Massengesellschaft. Inwieweit sie erfüllt wird, liegt weitgehend in der Hand der Parlamente. Bemühungen, die Demokratie zu stärken, zielen daher meist darauf ab, ihnen mehr Öffentlichkeit abzuringen Auch die Parlamente selbst — zumindest der Bundestag — sind sich dieses Problems bewußt und drängen neuerdings sehr auf Intensivierung der Transparenz ihres Entscheidungsprozesses. Dies äußert sich zum einen in der besseren Nutzung bereits vorhandener Institute der Geschäftsordnung — so hat der Bundestag die seit 1952 gegebene Möglichkeit öffentlicher Informationssitzungen der Ausschüsse (Hearings) praktisch erst in der 5. Legislaturperiode angewendet —, zum anderen aber auch in entsprechenden Reformmaßnahmen: Verkürzung der Redezeit und verstärkter Zwang zu freier Rede dienen der Verlebendigung der Debatte und damit ebenso der Publizität wie die Erleichterung der Durchführung von Hearings — alles Errungenschaften der „kleinen Parlamentsreform''vom Juni 1969 Am einschneidendsten könnte aber die neugeschaffene Möglichkeit der Ausschüsse sein, die Öffentlichkeit ihrer Beratungen durch besonderen Beschluß herzustellen. Hier erhebt sich jedoch die Frage, ob dieser Schritt nicht zu kurz geriet, zumal die Erfahrung der Hearings die Skepsis nährt, auch diese neue Bestimmung könnte über Jahre hinweg durch Nicht-anwendung wirksam boykottiert werden

Insgesamt ist jedoch von institutioneilen Regelungen nicht zu viel zu erwarten. Vor allem darf man das Parlament nicht durch den Versuch überfordern, ihm von außen her geschlossene Konzeptionen aufzupfropfen, die sich in einer anderen politischen Kultur bewährt haben mögen. Nicht von ungefähr haben sich in der konkreten Wirklichkeit verschiedener Regierungssysteme unterschiedliche Parlamentstypen entwickelt, die gemeinhin stark verkürzend als Rede-und Arbeitsparlament bezeichnet werden, während sich für die vor allem in Deutschland herausprägende Mischform noch keine allgemein anerkannte Bezeichnung durchsetzen konnte. Die schlagwortartigen Begriffe verdeutlichen die von einem Parlament schwergewichtig wahrgenommenen Funktionen. Es ist leicht einzusehen, daß sich das Problem von Publizität und Transparenz jeweils grundlegend anders stellt, wobei die Orientierungspunkte für eine ausgewogene Mischform bislang weder theoretisch noch praktisch beispielhaft fixiert sind. In dem hier interssierenden Zusammenhang sind sie weder ausschließlich beim Redeparlament — sprich englisches Unterhaus — noch gar im „klassischen Parlamentarismus" deutscher Tradition zu finden, in dem die Effizienz dramatischer Redeschlachten in keinerlei Verhältnis zur starken Aufmerksamkeit stand, die sie erzielten.

Demgegenüber hat das Parlament heute mehr und wichtigere Aufgaben bei der konkreten Gestaltung der Sozialordnung, die angesichts der Ausdehnung und zunehmenden Komplexität der gesetzlich zu regelnden Materien und der entsprechend wachsenden Kompliziertheit der Gesetzgebungstechnik Spezialisierung und fachliche Expertise erfordern und das Gewicht des Geschäftsganges vom Plenum auf die Ausschüsse verlagern. Dies gilt erst recht für die Länderparlamente, in denen sich nur wenig hochpolitischer Zündstoff ansammelt. Um mit dieser Situation fertig zu werden, mußte das Parlament zwangsläufig seinen Stil entsprechend modifizieren, was ihm unter der Fiktion, ein überkommenes Erbe zu wahren, weitgehend gelang. Daher ist es heute nicht notwendig, das Parlament im Hinblick auf dieses Erbe zu verändern, sondern es kommt darauf an, das noch immer vorherrschende antiquierte Parlamentsverständnis auf den modernen Stand zu bringen.

Dennoch kann man den Wunsch, das Parlament volksnäher und publikumswirksamer zu gestalten, der hinter dem Verlangen nach mehr und attraktiveren Debatten steht, nicht dahin gehend umdeuten, es gehe eben darum, „das Volk einer arbeitsteiligen Gesellschaft über das Arbeitsorgan Parlament und seine arbeitsteilige Arbeitsweise in den Ausschüssen aufzuklären" Ziel muß vielmehr sein, die Öffentlichkeit stärker an die Sachdiskussion heranzuführen und sie nicht erst mit ihrem bereits festgefügten Ergebnis zu konfrontieren. Andererseits muß das Arbeitsgespräch vom Ort politischer Auseinandersetzung, dem Plenarsaal, verbannt werden, denn die wenigsten Materien der Gesetzgebung reichen substantiell für eine Plenardebatte. Eine Modifizierung des Gesetzgebungsverfahrens, die sich um den Preis größerer Öffentlichkeit der Sachdiskussion in den Ausschüssen an der de facto vollzogenen Arbeitsteilung orientiert, kann der Publizität des Parlaments nur nützen, zumal sie das Plenum von Ballast befreien würde. Man sollte es ohnehin nicht an der Länge und Häufigkeit seiner Tagungen, sondern an der Güte seiner Debatten messen.

Damit Evidenz und Effizienz nicht zugleich verlorengehen, gilt es, einen zielorientierten Reformansatz zu finden, der beide optimal verbindet und die starke Gefährdung des kommunikativen Kontaktes zur legitimierenden Öffentlichkeit aufhebt. Denn die beiden Faktoren Parlament und Öffentlichkeit sind in der parlamentarischen repräsentativen Demokratie untrennbar miteinander verbunden: die Valenz des einen bestimmt die des anderen. In dieser Hinsicht ist es besonders interessant, die Verhältnisse in Bayern zu untersuchen, da sich dort die publizitätsfreundlichsten institutioneilen Regelungen finden.

B. Aktuelle Öffentlichkeit

I. Artikel 22 der Verfassung des Freistaates Bayern Nach 1945 gab es im Grunde keine Alternative zur demokratischen Verfassung, die dem Staatsbürger die Möglichkeit zur Einflußnahme auf politische Entwicklungen einräumte. Daraus erklären sich auch die besonderen plebiszitären Elemente der ihrerseits durch Plebiszit legitimierten bayerischen Verfassung. Da die verfassungsmäßige Festlegung der Öffentlichkeit der Landtagsverhandlungen der Tradition entsprach, gab es darüber 1946 keinen Streit. Dennoch ist es interessant, den Weg des Artikels 22 vom Entwurf bis zur endgültigen Fassung zu verfolgen, da er im Detail nur durch entscheidende Markierungshilfen seitens der amerikanischen Militärregierung zu einem positiven Ziel führte.

Der ursprüngliche Entwurf lautete: „(1) Der Landtag verhandelt öffentlich. Auf Antrag von 50 Mitgliedern kann mit Zweidrittelmehrheit der anwesenden Mitglieder die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden. Auf Verlangen der Staatsregierung muß die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden.

(2) Wahrheitsgemäße Berichte über die Verhandlungen in den öffentlichen Sitzungen des Landtags oder seiner Ausschüsse bleiben von jeder Verantwortlichkeit frei. Ehrverletzungen genießen diesen Schutz nicht."

Dieser Entwurf Überstand die beiden Lesungen im Verfassungsausschuß, der den Verfassungstext für die Verfassunggebende Landesversammlung vorbereitete, praktisch ohne Korrekturen freilich nicht ohne Diskussionen und Änderungsvorschläge. Sie richteten sich auf das Privileg der Staatsregierung, die Öffentlichkeit nach eigenem Ermessen auszuschließen, sowie auf die Ehrenschutzbestimmung und auf die Art und Weise, in der Beschlüsse von Geheimsitzungen der Öffentlichkeit bekanntgegeben werden sollten.

Obgleich sich Vertreter so unterschiedlicher politischer Richtungen wie Thomas Dehler (FDP) und der Abgeordnete Schirmer (KPD) zu einer Koalition gegen die Ehrenschutzbestimmung zusammengefunden hatten, kam es hier lediglich zu einer geringfügigen, rein sprachlichen Korrektur. Die Mehrheit hielt daran fest, daß der „Verkehrston" im Landtag auf ein höheres Niveau gebracht werden müsse als in der Weimarer Republik, damit das Parlament im Volk Ansehen gewinnen könnte und versprach sich offenbar zügelnde Wirkung auf die Abgeordneten, wenn sie die Berichterstattung in dieser Hinsicht band. Die Diffamierung des politischen Gegners verliert ihren Reiz, wenn sie sich nicht publizistisch niederschlägt. Daher stellt die Bayerische Verfassung bis heute die Wiedergabe und Verbreitung ehrverletzender Äußerungen unter die Verantwortlichkeit des Berichterstatters, auch wenn sie entsprechend im Parlament gefallen sind.

Nach dem Entwurf sollte der Staatsregierung das praktisch unbegrenzte Recht zufallen, den Ausschluß der Öffentlichkeit durchzusetzen. Sie hätte dazu weder eine Mehrheit im Parlament noch überhaupt eine besondere Begründung gebraucht. Der Abgeordnete Schirmer (KPD) erblickte darin „eine Beschneidung der Rechte der Volksvertretung" Es ist verwunderlich, wie sein Antrag auf Fortfall dieses Privilegs gegen seine Stimme allein abgelehnt werden und wie diese Fassung selbst die Lesungen des Plenums unbeanstandet passieren konnte. Denn ganz augenfällig wurde hier das Publizitätsprinzip erheblich zurückgedrängt, indem die Exekutive ein überflüssiges Recht bekam, zu dessen mißbräuchlicher Inanspruchnahme sie obendrein durch die Ausschaltung jeglicher Sicherung noch eingeladen wurde. Schließlich kann es keinen Zweifel geben, daß der Landtag aufgrund der Parlamentsautonomie seine innere Angelegenheiten und sein Verfahren selbst ordnet und ihm allein die Kompetenz zusteht zu entscheiden, ob er notfalls die Öffentlichkeit von seinen Verhandlungen ausschließen möchte.

Die Militärregierung verlangte daher zu Recht den Abbau der Sonderstellung der Exekutive und die Beschneidung ihres Sonderrechts. Sie forderte zwei zusätzliche Sicherungen: die Festlegung einer qualifizierten Mehrheit und eine genaue Definition des Beratungsgegenstandes, über den nichtöffentlich verfahren werden soll. Der gleiche Ausschuß, der sich noch drei Monate vorher einmütig über die Bedenken Schirmers hinweggesetzt hatte, akzeptierte nun ebenso einmütig die Bedenken der Amerikaner und beschloß folgende Fassung des Artikels 22, 1, die dann auch das Plenum in der Schlußabstimmung am 20. Oktober 1946 billigte:

„Der Landtag verhandelt öffentlich. Auf Antrag von 50 Mitgliedern oder der Staatsregierung kann mit Zweidrittelmehrheit der anwesenden Mitglieder die Öffentlichkeit für die Behandlung eines bestimmten Gegenstandes ausgeschlossen werden. Sie muß ausgeschlossen werden, wenn und solange es die Staatsregierung zur Begründung ihres Antrages auf Ausschluß der Öffentlichkeit verlangt. Der Landtag entscheidet darüber, ob und in welcher Weise die Öffentlichkeit über solche Verhandlungen unterrichtet werden soll."

Diese Fassung stellt wohl die optimale Sicherung aller Interessen dar: Zum einen bleibt der Landtag sein eigener Souverän, da die Regierung nur Antragsrecht besitzt, zum anderen kann die Regierung ihre Gründe für den Ausschlußantrag den Abgeordneten in Exklusivität darlegen. Und der Öffentlichkeit selbst wird schließlich das prinzipielle Recht auf Information auch dann nicht bestritten, wenn ihr der aktuelle Zutritt verwehrt bleiben sollte.

II. Die Bestimmungen der Geschäftsordnung des Bayerischen Landtages Die Geschäftsordnungsautonomie des Parlaments ist ein geschichtlich geprägtes und unumstrittenes Rechtsinstitut. Das Parlament kann sich eine Geschäftsordnung geben, die seine Organisation und seine Verfahrensweisen nach eigenen Wünschen regelt, ihre Grenzen allerdings in der Verfassung findet und im Rang auch den Gesetzen nachgeht. Die Geschäftsordnungen, die sich der Bayerische Landtag seit 1948 gab, beziehen sich in der Regelung der aktuellen Öffentlichkeit ausdrücklich auf die Verfassung und lassen Einschränkungen nur in den dort genannten Fällen zu. 1. Die ungleiche Stellung der Kommunikationsmedien Allerdings realisiert die derzeitige Geschäftsordnung nicht, daß sämtliche Kommunikationsmittel, legitimiert durch ihre öffentliche Aufgabe, die gleiche Funktion haben, für deren Erfüllung es unerheblich ist, ob sie sich des Rotationsdrucks oder der Funkwellen bedienen. Die elektronischen Medien können die Publizität erheblich vermehren und die Aktualität praktisch bis zur Gleichzeitigkeit von Ereignis, Vermittlung und Empfang steigern. An diesen durch Bild-und Tonfunk geschaffenen Möglichkeiten mag es liegen, daß der Landtag 1954 in seine neue Geschäftsordnung eine Bestimmung (§ 96) aufnahm, die Aufnahmen in Bild und Ton der Genehmigung des Ältestenrates bzw.der Ausschüsse unterwarf. Diese Bestimmung fand sich weder in den Entwürfen des Unterausschusses, der 1954 die neue Geschäftsordnung konzipierte, noch lag sie dem Geschäftsordnungsausschuß in der ersten Lesung zur Beratung vor. Sie tauchte erstmals während der zweiten Lesung im Ausschuß auf und wurde ohne jeglichen Verzug sogleich akzeptiert. Wortlaut und Verfahren dokumentieren eine gewisse Scheu der Parlamentarier, sich stets und womöglich unvorbereitet voll der Öffentlichkeit zu stellen. Tatsächlich gewann § 96 jedoch im Plenum bislang keine Bedeutung: Aufnahmen wurden wohlwollend selbst dann gestattet, wenn es versäumt worden war, vorher um Genehmi-* gung zu bitten. Der Stil der „konkludenten Handlung" (Hanauer) wurde 1968 sogar sanktioniert, da seither der Präsident „in dringenden Fällen" selbst die Genehmigung erteilen kann.

Festzuhalten bleibt jedoch, daß § 96, bzw.seit 1968 § 99 GO, de jure eine erhebliche Einschränkung der vermittelten Öffentlichkeit des Landtages nach sich zieht und daß mit seiner Hilfe das Informationsrecht des Staatsbürgers beschnitten werden kann. Es ist fraglich, ob die in Art. 111 der Bayerischen Verfassung definierte Aufgabe der Presse an das gedruckte Wort gebunden und ob Medien, die sich zur Vermittlung von Informationen anderer Techniken bedienen, die Wahrnehmung dieser Aufgabe erschwert werden darf. 2. Die Öffentlichkeit der Ausschüsse Als einziges deutsches Parlament tagt der Bayerische Landtag nicht nur bei Plenar-, sondern auch bei seinen Ausschußsitzungen öffentlich. In den Ausschüssen spielt sich heute der größte und wichtigste Teil des parlamentarischen Entscheidungsprozesses ab, während das Plenum oft nur noch notarielle Funktionen wahrnimmt. Daher gewährt diese Regelung der Landtagsarbeit in Bayern ein weitaus höheres Maß an Transparenz. Die generelle Öffentlichkeit der Ausschüsse verdankt ihren Ursprung jedoch keineswegs bayerischer Originalität. Sie formte sich vielmehr im Konflikt zwischen der traditionell in Deutschland vorherrschenden Ansicht, Arbeitsklima und Arbeitsproduktivität gestalteten sich am günstigsten, wenn die Öffentlichkeit ferngehalten bliebe, und der stark emotional bestimmten Einstellung der Vertreter der Besatzungsmacht in dieser Frage. 1947 sah der dem Ausschuß für Geschäftsordnung vorgelegte und von ihm akzeptierte Entwurf noch eindeutig vor: „Die Sitzungen der Ausschüsse sind nicht öffentlich." Diese Fassung passierte beide Lesungen unangefochten. In ihren weiteren Bestimmungen tendierte sie gleichzeitig nach beiden Extremen: Einerseits sah sie Eingriffe in unverzichtbare Mitgliedschaftsrechte vor und wollte Abgeordnete, von denen man argwöhnte, sie gewährleisteten die Geheimhaltung nicht, von den Ausschußsitzungen ausschließen — ein Passus, der in der zweiten Lesung eliminiert wurde —, andererseits war von Anfang an eingeräumt worden, vom Präsidenten zugelassenen Presse-vertretern Zutritt zu den Ausschüssen zu gewähren.

Obgleich dies über die traditionelle Übung hinausging, zeigte sich die Besatzungsmacht nicht ganz zufrieden. Bei einer Besprechung mit dem Geschäftsordnungsausschuß präsentierte sie vier Anregungen, die naturgemäß von den eigenen parlamentarischen Gepflogenheiten (Hearings) stark geprägt waren, darunter „die Idee der Öffentlichkeit der Ausschüsse" für die sie vor allem politisch-pädagogische Gesichtspunkte ins Feld führte. Der Zugang zu den Ausschüssen sollte in der Bevölkerung größeres Interesse, gesteigertes Wissen, tieferes Verständnis und stärkeres Vertrauen mobilisieren für den Landtag, indem die Kompliziertheit der demokratischen Prozedur für den einzelnen durchschaubarer gestaltet und eine weitere „Entfernung der Regierung von den Individuen" vermieden wurde. Allerdings kam es der Militärregierung lediglich darauf an, diesen Zugang dann zu garantieren, wenn Fragen von besonderem öffentlichen Interesse zur Debatte standen. Der Produktivität der Arbeit wegen sollte es daneben auch geschlossene Sitzungen geben, selbst ohne Anwesenheit von Pressevertretern. Nach einer anderen Richtung war der Vorschlag jedoch überspitzt. In ihrem Bestreben, die „Garantierung eines individuellen Rechtes für den einzelnen Staatsbürger" zu untermauern, dachten die Amerikaner sogar an die aktive Teilnahme des Publikums an den Ausschußberatungen: Es solle seine Meinung sagen „und auch ein Wort zu solchen Sachen äußern, die es angehen". Und weiter: „Es ist eine schöne und gute Sache, wenn z. B. ein einzelner, ein Mann aus den bayerischen Alpen, weiß, daß er in den Landtag kommen und dort seine Sache vorbringen kann ..." Bei den Abgeordneten stieß diese Vision auf wenig Gegenliebe. Auf der Suche nach einem Kompromiß erschien am ehesten noch die Zulassung der Öffentlichkeit von Fall zu Fall — natürlich ohne Rederecht — akzeptabel

Aber gerade in der damaligen Situation des Übergangs von der Diktatur zur demokratischen Ordnung konnte der politisch-pädagogische Ansatz faszinieren, denn die Transparenz des komplizierten und gar nicht reibungslosen Entscheidungsprozesses konnte diesen Über-gang nur fördern. Außerdem mußte die intensive und sachliche Arbeit in den Ausschüssen letztlich doch werbend für das wenige Jahre zuvor noch als „Schwatzbude" diffamierte Parlament wirken! Ähnliche Überlegungen ließen den Abgeordneten Haußleiter den Antrag formulieren: „Die Sitzungen der Ausschüsse sind öffentlich. Der Landtag oder der Ausschuß kann in besonderen Fällen anders beschließen."

Dies stellte eine Umkehrung der Teillösung zugunsten des Offentlichkeitsprinzips dar. Haußleiter hatte damit die Anregungen der Vertreter der Militärregierung auf realere Fundamente gestellt, war aber zugleich weit über sie hinausgegangen, indem er die prinzipielle Öffentlichkeit postulierte. Nachdem sich unter heftigem Widerstand einer Minorität gegen diese radikale Neuerung die Mehrheit des Geschäftsordnungsausschusses dem Vorschlag anschloß, gab es auch im Plenum keine Hindernisse mehr. Der Landtag nahm § 18 GO ohne Diskussion einstimmig an

Er legte damit Artikel 22 der Verfassung so extensiv wie möglich aus. Die Ausschüsse als Hilfsorgane des Parlaments sind ein Teil des öffentlich verhandelnden Landtages, der sich nach außen nicht mehr ausschließlich in seinem Plenum darstellt, Als erstes und bisher einziges Landesparlament in der Bundesrepublik Deutschland hat der Bayerische Landtag somit die volle Öffentlichkeit seiner Beratungen hergestellt 3. Die Öffentlichkeit der Ausschüsse im Widerstreit der Meinungen Die Gewöhnung an die Öffentlichkeit der Ausschüsse fiel den Parlamentariern zunächst nicht leicht, so daß die Diskussion darüber nie gänzlich verstummte. Schon in der ersten Wahlperiode beschäftigte sich der Ältestenrat, dessen Protokolle leider nicht zugänglich sind, mit Presse und Interessenvertretern oder ganz allgemein mit der „Öffentlichkeit und ihre(n) Folgen" in den Ausschußsitzungen

Die anhand anderer Protokolle nachprüfbaren Argumente gegen die Öffentlichkeit lassen sich letztlich immer auf zwei Einwände reduzieren:

1. Sie führe zur Beeinflussung der Abgeordneten durch die Presse, die Vertreter organisierter Interessen und auch durch die Besucher selbst.

2. Die Öffentlichkeit führe zum Produktivitätsverlust der Ausschußarbeit. Sie verleite dazu, zum Fenster hinaus zu reden oder Plenardebatten vorwegzunehmen. Darunter litten Arbeitsstil und Arbeitstempo.

Diese Argumente und ernsthafte Bestrebungen, Konsequenzen aus ihnen zu ziehen, konnten sich jedoch nie durchsetzen. Bei der Revision der Geschäftsordnung 1953/54 wurde am Prinzip der Öffentlichkeit nicht gerüttelt, einerseits aus pädagogischen Motiven, „um die Demokratie zu fördern", andererseits rein notgedrungen, da man die Schwierigkeit erkannte, die Öffentlichkeit aus Bastionen, die sie sich einmal erkämpft hat, wieder hinauszudrängen Zum dritten wurde jede nennenswerte Gefahr durch Einflüsse von außen bestritten und die Unterstellung zurückgewiesen, die Produktivität der Arbeit hätte Nachteile erlitten § 18 GO — er wird in der Neufassung von 1954 zu § 32 — erfuhr infolgedessen auch keine restriktiven Veränderungen. Im Gegenteil, seither läßt er auch ausdrücklich öffentliche Mitteilungen über nichtöffentliche Verhandlungen zu Der „Arbeitsgemeinschaft für Staatsvereinfachung", die 1955 im Kollmann-Gutachten die Nichtöffentlichkeit der Ausschußsitzungen zur Beschleunigung und Versachlichung der Beratungen empfohlen hatte, war gleichfalls kein Erfolg beschieden. Die Abgeordneten hielten das negative Urteil für unbegründet. In dieser Auseinandersetzung lassen sich erstmals Argumente nachweisen, die weniger auf Emotionen als auf langjährige Erfahrungen rekurrieren. Sie bestätigen den Optimismus von 1948 augenfällig. Die Argumente von Abgeordneten aller Fraktionen gegen die Empfehlung des Gutachtens lassen sich unter drei Stichpunkten subsumieren

Rationalisierung des Parlamentsbetriebes Die Öffentlichkeit der Ausschußsitzungen befreit den Landtag von der Notwendigkeit, die anstehenden Probleme in aller Ausführlichkeit doppelt zu diskutieren. Dem Interesse der Parteien, ihren Standpunkt publik zu machen, wird schon in den Ausschüssen Rechnung getragen. Die Parlamentsarbeit wird dadurch so rationalisiert, daß das Plenum ungewöhnlich umfangreiche Tagesordnungen erledigen kann.

Größeres Prestige des Landtages Die Plenarsitzungen allein bieten keinen genügenden Einblick in die nüchterne und verantwortungsvolle, bis ins Detail gehende Parlamentsarbeit. Die Fixierung auf das Plenum verfälscht eher das Bild des Parlamentes in der Öffentlichkeit und führt zur Erhaltung alter Klischees (z. B. die ständige Klage über das leere Plenum, die sich größtenteils aus der Ansicht nährt, die Tätigkeit des Abgeordneten erschöpfe sich im Anhören von Reden und in der Teilnahme an Abstimmungen Ein realitätsbezogenes und zeitgemäßes Parlamentsverständnis sowie eine adäquate Beachtung der Parlamentsarbeit lassen sich am ehesten erzielen, wenn sich das Parlament nicht nur in einem Teilaspekt darbietet, sondern in seiner ganzen Tätigkeit. Da das Parlament nichts zu verheimlichen hat, soll es diese Informationsmöglichkeiten weitgehend zulassen, zumal sie das Entstehen ähnlich ungünstiger Einstellungen wie gegenüber dem Bundestag verhindern. Die Abgeordneten waren sich bewußt, daß nur um den Preis möglichst vollständiger Überschaubarkeit des parlamentarischen Entscheidungsprozesses Ansehen bei den Wählern zu gewinnen ist.

Demokratisierung der politischen Ordnung Das entscheidende Argument gegen die Forderung des Gutachtens ist der Zwang zur Publizität, der jeder demokratischen Ordnung inne-wohnt und der die Handlungen aller am politischen Prozeß Beteiligten öffentlicher Kritik und Kontrolle aussetzt. Der Bereich der Diskretion, den auch die Demokratie kennt, ist auf das tatsächlich unumgängliche Minimum zu begrenzen. In diese Richtung zielten Abgeordnete, die das Recht auf Information und die Erziehung der Staatsbürger zur Teilnahme am politischen Leben anführten. Wenn „die Öffentlichkeit der Verhandlungsführung . . . ein sicherer Maßstab für den Umfang der politischen Freiheit des Staatsbürgers" ist, dann muß angesichts dieses Maßstabes das Parlament in der Lage sein, empirisch nicht erhärtete Effizienz-und Produktivitätsbedenken zurückzustellen und eventuell auch Unbequemlichkeiten in Kauf zu nehmen. Selbst die Sorge über mögliche Beeinflussungen durch Publikum, Presse und Interessenvertreter kann nicht als schwerwiegend genug gelten, die Öffentlichkeit im allgemeinen von den Beratungen der Ausschüsse auszuschließen.

Neben der Transparenz des Entscheidungsprozesses, der Referenz vor der politischen Bedeutung der Ausschußarbeit und der Korrektur vorherrschender Parlamentsklischees ist noch ein wichtiger innerparlamentarischer Aspekt hervorzuheben, der allerdings in der Diskussion nicht genannt wurde: Die Öffentlichkeit der Ausschüsse läßt auch den vielen Abgeordneten Gerechtigkeit widerfahren, die sich im Plenum angesichts der dort herrschenden „Oligarchisierung der Redechancen" zugunsten der parlamentarischen Führer nicht in Szene setzen können, ohne deren spezialisierten Fleiß der Parlamentsbetrieb jedoch zusammenbrechen müßte. Gleichzeitig liegt hier auch eine Möglichkeit zur Kontrolle der Abgeordneten, die zu angemessener und qualifizierter Mitarbeit angehalten werden. Denn eine so weitgehende Transparenz der Parlamentsarbeit kann sehr schnell offenbaren, wer zu konstruktiven Beiträgen nicht imstande ist.

Im Bayerischen Landtag hat sich jedenfalls die positive Einstellung zur Öffentlichkeit der Ausschüsse bisher behauptet und offensichtlich endgültig durchgesetzt, denn auch bei der zweiten Überarbeitung der Geschäftsordnung 1968 wurde an den einschlägigen Bestimmungen nicht gerührt Das braucht nicht zu bedeuten, daß die Diskussion je völlig erliegen wird. Im Gegenteil, zwei Elemente werden sie wohl nicht verstummen lassen:

Zum einen ist das Verhältnis von Plenum und Ausschüssen nicht hinlänglich geklärt. Rechtlich gelten Ausschüsse lediglich als Hilfsorgane des Plenums, und die Diskussion in ihnen scheint von daher der Vorbereitung nicht nur der Entscheidung, sondern auch der Plenardebatte über diese Entscheidung zu dienen. Wer das Plenum immer noch als die Inkarnation „des Parlaments" begreift, muß es zwangsläufig beklagen, wenn die Ausschlußdiskussion jene im Plenum mehr und mehr verdrängt und ersetzt. Politisch ist dieser Standpunkt jedoch längst überholt, denn durch den Zwang zur Arbeitsteilung und Spezialisierung ist das Plenum weitgehend Vollzugsorgan eines in Fraktionsarbeitskreisen und Parlamentsausschüssen vollzogenen Willensbildungsprozesses, dessen in der Regel von den Experten als Kompromiß gefundenes Ergebnis nicht mehr in Frage gestellt wird. Solange aber die Ausschüsse nicht auch entsprechende Entscheidungskompetenzen bekommen, die in ihrer Ausgestaltung die Mitwirkungsrechte jedes Abgeordneten prinzipiell nicht zu beschneiden brauchen, wird es hinsichtlich der Diskussion immer Spannungen zwischen Plenum und Ausschüssen geben. Natürlich darf das Plenum nicht zum Ort leerer Proklamationen und auch nicht zu einer die politischen Standpunkte nicht mehr artikulierenden Dezisionsmaschine degenerieren, aber es muß auch nicht unterschieds-los mit jeder Materie belastet werden. Vielmehr sollte es sich konzentrieren. Gerade bei öffentlichem Ausschußverfahren erscheint dies realisierbar. Wenn der gesamte Entscheidungsprozeß transparent ist, läßt sich eigentlich die Ansicht nicht mehr rational begründen, „daß das Plenum des Landtags die Stelle ist, die das Volk hört und sieht und die den Wählern gegenüber verantwortlich in Erscheinung tritt, nicht die Ausschüsse"

Die idealisierende Sicht des Plenums muß durch eine funktionale Betrachtungsweise ersetzt werden Es soll sich nur artikulieren, wenn es tatsächlich etwas Wesentliches zu sagen gibt, darf dann allerdings auch nicht stumm bleiben. Die Lösung dieser Frage ist jedoch noch offen und ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Plenum und Ausschüssen läßt sich nicht generell, sondern vielleicht nur von Fall zu Fall herstellen. Vor allem aber ändert sich ein tief verwurzeltes Parlamentsverständnis nicht von heute auf morgen.

Zum anderen wäre es falsch, gegenüber der Verwirklichung eines erstrebenswerten Zieles die Schwierigkeiten, die darin eingeschlossen sind, zu bagatellisieren. Die im demokratischen Prozeß zu treffenden Entscheidungen verlangen von allen beteiligten Gruppen den Ausgleich ihrer Interessen in Sachlichkeit und Kompromißbereitschaft. Es wäre illusionär, dabei die Offenlegung aller Überlegungen und Motive vorauszusetzen. Die völlige Öffentlichkeit der Verhandlungen birgt die Gefahr, daß sich die Schwelle der Mitteilungsbereitschaft noch erhöht und daß das eigentliche Dezisionsgespräch schließlich nur noch wenige führende Parlamentarier voll einbezieht. Gelegentliche Unzufriedenheiten seitens der Abgeordneten sind auch darauf zurückzuführen, daß sie sich von der Bestandsaufnahme der tatsächlichen Alternativen nicht ausgeschlossen sehen möchten. Dieses Problem stellt sich aber offensichtlich nicht nur unter den speziellen bayerischen Regelungen.

Deren Bewährung in der Vergangenheit steht außer Zweifel. Der Bayerische Landtag hat mit der Öffentlichkeit seiner Ausschußberatungen wenigstens genau so gut und genau so effizient gearbeitet wie die anderen deutschen Länderparlamente ohne diese Öffentlichkeit. Damit hat er in über zwanzigjähriger Praxis das Argument der Produktivitätsminderung entkräftet. Auch von übergroßem und unsachgemäßem Einfluß der Lobby ist nichts zu spüren. Die . offenen Türen'bedingen keine Unter-schiede in Form und Inhalt der Beratungen Gleichzeitig ermöglichen sie intensivere Berichterstattung, gewährleisten dadurch eine bessere Unterrichtung über die Vorgänge im Parlament und eröffnen „weitgehend den in-teressierten oder gar betroffenen Bürgern die Möglichkeit, während der Beratung eines Gesetzes Vorstellungen und Bedenken in verschiedener Weise dem Parlament und seinen Ausschüssen näherzubringen"

III. Die Praxis des Landtages 1. Geheime und nichtöffentliche Ausschußsitzungen Natürlich interessiert über den Wortlaut der Geschäftsordnungsparagraphen hinaus vor allem ihre Handhabung. Denn es wäre denkbar, daß Öffentlichkeit so weitgehend wie beschrieben zwar kodifiziert ist, faktisch aber nicht praktiziert wird, zumal die Ausschüsse Ausnahmen beschließen können. In der Tat gibt es wie in jedem Parlament auch im Bayerischen Landtag Möglichkeiten, bestimmte Dinge weitgehend intern auszumachen, ohne daß dabei erst unter großem Aufsehen die Geschäftsordnung strapaziert werden muß. So ist es z. B. alter parlamentarischer Brauch, sich bei diffizilen Fragen in interfraktionellen Kontakten abzustimmen.

Ungewöhnlicher ist es schon, wenn der Ältestenrat nicht nur, seiner Aufgabe entsprechend, verfahrensmäßige, sondern auch politische Koordinationsfunktionen übernimmt, wie es im Maximilianeum manchmal der Fall zu sein scheint. Aber in diesem schwierigsten Bereich parlamentarischer Verfahrensregelung sind die Grenzen auch in anderen Parlamenten fließend Und schließlich bringt es ein geschickter Ausschußvorsitzender auch fertig, einen bestimmten Punkt der Tagesordnung zu einem Augenblick zur Verhandlung zu stellen, zu dem gerade keine Pressevertreter im Raum sind Diese Möglichkeiten gehören zum selbstverständlichen Instrumentarium jedes Parlaments, können aber die Transparenz nicht wirklich gefährden. Wichtiger ist die Frage, wie der Landtag mit seinem verfassungsmäßig garantierten Recht umgeht, in Ausnahmefällen das Öffentlichkeitsprinzip außer Kraft zu set-zen. Seine Geschäftsordnung sieht dafür zwei Stufen vor: die strengere der Geheimsitzung und die weitaus lockerere der nichtöffentlichen Sitzung.

Im Falle der Geheimhaltung muß „vom Zeitpunkt der Antragstellung auf Geheimhaltung bis zum Beschluß ihrer Beendigung .. . die Besetzung des Ausschusses so beibehalten werden, wie sie im Augenblick der Beschlußfassung über die Geheimhaltung bestand" Zutritt haben also nicht einmal andere Landtagsabgeordnete, geschweige denn Pressevertreter oder Zuhörer. Die Verhandlungen dürfen von den Anwesenden den außerhalb der Geheimhaltung stehenden Personen nicht zur Kenntnis gebracht werden. Auch die Protokolle dieser Sitzungen bleiben unter Verschluß. Zuwiderhandelnden Abgeordneten droht die Verfassung Anklage vor dem Verfassungsgerichtshof an

Uber nichtöffentliche Sitzungen sind hingegen in beschränktem Umfang öffentliche Mitteilungen erlaubt. Jedes Mitglied des Landtags hat Zutritt, ob es dem Ausschuß angehört oder nicht. Auch ins Protokoll hat jeder Abgeordnete Einsicht. Ausgeschlossen bleiben bei Nichtöffentlichkeit theoretisch Presse und privates Publikum. Durch ein besonderes Vertrauensverhältnis gefördert, entwickelte sich jedoch in der Praxis der Brauch, auch in solchen Fällen den Landtagskorrespondenten die Verfolgung der Verhandlungen zu gestatten, natürlich mit der Auflage eingeschränkter Berichterstattung. Schon daraus ist ersichtlich, daß der Landtag in Bayern es gelernt hat, mit der Öffentlichkeit zu arbeiten und sich mit ihr zu arrangieren.

Prinzipiell geheim tagten seit jeher lediglich der Ausschuß für Sicherheitsfragen und der Ausschuß zur Information über Bundesangelegenheiten. Darin erschöpfen sich die „allgemeinen Ausnahmen", die die Geschäftsordnung seit 1954 zugesteht Diese beiden Ausnahmen wurden 1968 kodifiziert, womit lediglich ein langdauernder Bestandteil der Parlamentspraxis in die Geschäftsordnung Eingang fand. Die Thematik beider Ausschüsse trägt die Forderung nach Diskretion in sich. Geheim sind in der Praxis auch die Beratungen des Haushaltsausschusses über Grundstückskäufe ab einem Wert von 500 000 DM; eine Maßnahme, die lediglich dazu dient, Spekulationen zu verhindern und alle Betroffenen vor Schaden zu bewahren Nichtöffentlich sind im allgemeinen die Verhandlungen des gleichen Ausschusses über Angelegenheiten von Körperschaften oder Genossenschaften des öffentlichen Rechts, von deren Kapital der Staat selbst Anteile hält. In diesem Zusammenhang wird auch die Kommission zu Art. 160 BV relevant, wie überhaupt auf Anregung der Staatsregierung Kommissionen gebildet werden können, die eine Zwitterstellung zwischen Legislative und Exekutive einnehmen. Sie besprechen Fragen der Exekutive, wobei der Landtag praktisch beratende Funktion ausübt Hier handelt es sich aber keineswegs um Parlamentsorgane.

Außer diesen allgemeinen Fällen lassen sich aus den Akten des Bayerischen Landtagsamtes für die letzte Legislaturperiode (1962 bis 1966) lediglich drei AusschußSitzungen nachweisen, in denen über je einen Tagesordnungspunkt nichtöffentlich verhandelt wurde. Dabei gaben der Schutz betroffener Bürger in persönlichen und geschäftlichen Angelegenheiten sowie da Interesse des Landes, die Zuteilung von EWG-Mitteln für das Zonenrandgebiet nicht zu gefährden, den Anlaß

Aus der Parlamentspraxis ergibt sich eindeutig, daß der Landtag von seinen Möglichkeiten, die Öffentlichkeit auszuschließen, äußerst sparsamen und stets gerechtfertigten Gebrauch macht. Es bestehen nicht die geringsten Tendenzen, die zulässige Ausnahme zur Regel zu erheben und das Prinzip der Öffentlichkeit zu durchlöchern. 2. Ausschüsse und Fernsehen Kritischer ist dagegen die Haltung der Parlamentarier zu Fernsehübertragungen von Ausschußsitzungen, die ja stets der Genehmigung bedürfen, zu würdigen. Ein Teil der Abgeordneten stand der Potenzierung aktueller Öffentlichkeit durch dieses Medium zunächst mit größter Reserve gegenüber, und nicht von ungefähr richteten sich gegen Fernsehübertragungen die gleichen Argumente wie Jahre zuvor gegen die Öffentlichkeit überhaupt

Sehr deutlich artikulierte sich aber auch der Standpunkt, das Fernsehen stelle nur einen Teil der Unterrichtung der Öffentlichkeit dar und die Öffentlichkeit der Ausschüsse sei erst dann verwirklicht, wenn sie auch dem Bürger in der Provinz über den Bildschirm vermittelt werde der Gegensatz zwischen Genehmigungspflicht und Öffentlichkeitsprinzip blieb nicht ungerügt

Jedenfalls konnte noch zu Beginn der sechziger Jahre ein Kamerateam nicht unbedingt mit einer Aufnahmegenehmigung rechnen, wobei es unwägbar blieb, ob sich innerhalb weniger Monate einmal das ablehnende oder das andere Mal das zustimmende Argument durchsetzte. Da bei der Berichterstattung aus dem Parlament die verschiedenen Medien der gleichen Aufgabe dienen, ist es nicht gerecht-fertigt, ihnen unterschiedliche Privilegien einzuräumen. Die oben geäußerten Bedenken, daß dadurch das Offentlichkeitsprinzip berührt werden könne, sind also durch die Praxis belegt.

Inzwischen hat sich der Landtag der modernen technischen Entwicklung besser angepaßt und das Verhältnis zum Fernsehen hat sich geregelt Die strittige Geschäftsordnungsbestimmung besteht aber fort. Daher wäre zu empfehlen, künftig den Ausschluß irgendeines Mediums an den Ausschluß der Öffentlichkeit überhaupt zu binden, um nicht jene Bürger von vornherein zu benachteiligen, die auf Vermittlung angewiesen sind. Das Evidenzprinzip ist erst dann garantiert, wenn aktuelle und vermittelte Öffentlichkeit weitgehend kongruieren können.

IV. Fazit Der Bayerische Landtag hat hinsichtlich seiner aktuellen Öffentlichkeit einen interessanten Prozeß durchlaufen. Die ursprünglichen Entwürfe für Verfassung und Geschäftsordnung legten der Diskussion ausgesprochen restriktive, wenn nicht sogar publizitätsfeindliche Tendenzen zugrunde. Daß ihre Überwindung gelang, war ein Geschenk des Augenblicks, das sich aus einer günstigen Konstellation ergab. Die traditionsbestimmte, eher einem „Geheimhaltungskrampf" verfallene Orientierung traf auf das Korrektiv der Ideen der Besat-zungsmacht und auf die Bereitschaft einiger Abgeordneter, im Neubeginn auch unkonventionelle Verfahrensweisen zu erproben. Daraus entstand eine fortschrittliche und zugleich praktikable Regelung, die — da sie sich im zuständigen Ausschuß durchgesetzt hatte — zwar akzeptiert, aber nicht unbedingt vorbehaltlos begrüßt wurde. Unter Auseinandersetzung mit den überkommenen Vorurteilen vollzog sich dann eine fortschreitende Anpassung an die neue Situation. Obgleich Gegenargumente bestehen blieben, die sich jedoch zumeist empirisch nicht erhärteten, wird heute die Öffentlichkeit der Ausschüsse nicht mehr in Frage gestellt. Sie ist im Gegenteil prägender Bestandteil des parlamentarischen Verfahrens und begünstigt Arbeitsteilung wie Konzentration der Landtagsarbeit. Nicht zuletzt wird sie inzwischen als gewichtiger Beitrag zur Lösung des Problems der Kommunikation zwischen Parlament und Öffentlichkeit verteidigt.

C. Vermittelte Öffentlichkeit

Vermittelter Öffentlichkeit liegt naturgemäß die aktuelle zugrunde: vor allem dem Vermittler Zugängliches kann verbürgt vermittelt werden. Institutioneile Gegebenheiten des Parlaments wirken sich also auf Information und Kontrolle der Kommunikationsmedien aus: Je mehr aktuelle Öffentlichkeit, um so kürzer wird der Weg vom Ereignis zum Rezipienten und um so geringer die Bedeutung letztlich nicht kontrollierbarer Zwischenstationen. Institutioneile Gegebenheiten sind aber nicht allein entscheidend; vielmehr gilt es, sie ständig zu nutzen, um den Bürgern ein möglichst zutreffendes Bild von Aufgaben, Arbeitsweise und Arbeitsergebnissen des Parlaments anzubieten.

I. Parlamentsberichterstattung Die Bedeutung der Parlamentsberichterstattung findet in verfassungsrechtlichen Normierungen Anerkennung. Grundgesetz und Bayerische Verfassung garantieren über Meinungsund Berichterstattungsfreiheit hinaus die Verantwortungsfreiheit wahrheitsgemäßer Unterrichtung über die Sitzungen des Parlaments und seiner Ausschüsse. Damit erstreckt sich die parlamentarische Indemnität praktisch auch auf den Parlamentsbericht. Unter diesen Voraussetzungen erfüllt er seine politische Funktion als Vollstrecker des Prinzips der Öffentlichkeit wie des Prinzips demokratischer Kontrolle der Exekutive und des Parlaments und als Integrationsfaktor der industriellen Massengesellschaft Dies gilt für alle Kommunikationsmedien in gleicher Weise, wenngleich hier nur die Presse untersucht werden kann 1. Der Bayerische Landtagsdienst Der „Bayerische Landtagsdienst" (BLD) stellt eine der Besonderheiten im parlamentarischen Leben Bayerns dar. Er informiert objektiv, umfassend, kontinuierlich und aktuell über alle Vorgänge, die in Zusammenhang mit dem Landtag stehen. Der BLD erscheint seit 1947. Damals auf Initiative des Landtagsamtes gegründet, ist er dennoch ein Unternehmen auf privatwirtschaftlicher Basis, eigenständig — und doch „offiziös". Er erscheint nahezu täglich und berichtet über Anträge und Anfragen, Vorlagen der Staatsregierung, Personalien, insbesondere aber über alle öffentlichen Plenar-und Ausschußsitzungen von Landtag und Senat, wobei er ausführliche Zusammenfassungen der Reden und Argumente sowie die getroffenen Beschlüsse referiert. Der BLD ist gegenwärtig die einzige publizistische Einrichtung, die ein aktuelles und vollständiges, alle Faktoren berücksichtigendes Bild der Landtagsarbeit zeichnet — ein unentbehrliches Hilfsmittel für Interessenverbände und Wirtschaft, für Abgeordnete und besonders die Presse. Häufig finden im Landtag mehrere Sitzungen gleichzeitig statt. Die Berichterstattung des BLD bildet in solchen und vielen anderen Fällen die Informationsgrundlage für Nachrichtenagenturen und Korrespondentenberichte. Dem spezialisierten Abgeordneten eröffnet sie die Möglichkeit, Überblick über alle Ereignisse im Parlament zu bewahren, wodurch das Parlament auch für seine Mitglieder transparent wird.

Sein Vorbild hat der BLD besonders im Nachrichtenbüro des Vereins deutscher Zeitungsverleger (Vdz), das in ähnlicher Weise aus dem Reichstag der Weimarer Republik berichtete und dort wichtige Privilegien bis zur Teilnahme an den Ausschußsitzungen besaß Inzwischen ist der BLD selbst zum Vorbild geworden, an dem sich auch die Bonner Pläne für eine über den Bundestag informierende „Parlamentskorrespondenz" orientieren 81a). 2. Die Presse Daß im Februar 1947 —durch die Enge im provisorischen Sitzungssaal bedingt — einige Pressevertreter und Abgeordnete hitzig aneinandergerieten war nie symptomatisch für die Beziehungen von Parlament und Presse in Bayern. Gewiß hatten die Parlamentarier Anlaß zu Kritik aber sie versuchten zugleich auch, die Arbeitsbedingungen der Presse zu erleichtern Die Abgeordneten waren sich von Anfang an bewußt, daß der Erfolg ihres Wirkens zum großen Teil von der Resonanz abhing, die es in den Zeitungen fand. So wird der erste Landtagspräsident Michael Horlacher, ein großer Parlamentarier, nicht müde — und seine Nachfolger ebensowenig —, die enge Zusammenarbeit mit den Journalisten zu betonen, damit sie durch sachliche Unterrichtung Verständnis für die Parlamentsarbeit bei der Bevölkerung weckten und der Gefahr einer sterilen Demokratie begegneten: „Das Parlament ist . . . das Sprachrohr der Öffentlichkeit, und die Presse ist dazu berufen, die Verbindung zwischen dem Parlament und der Öffentlichkeit herzustellen, damit die notwendigen Ideen hinausgetragen werden." a) Die Landtagskorrespondenten Vielleicht ist es übertrieben zu behaupten, „daß ein durch lange Praxis sachverständiger Stab von Landtagsjournalisten überhaupt nur bei Öffentlichkeit der Ausschußsitzungen denkbar ist, weil so 'die Landtagsarbeit für eine größere Zahl von Journalisten einträglich wird und weil diese Journalisten den Beratungen beiwohnen müssen, um das für die Öffentlichkeit Interessante herauszuholen" In der Tat hat sich im Maximilianeum solch ein Stab von Journalisten etabliert, die alle größeren bayerischen Tageszeitungen, die Deutsche Presseagentur, den Rundfunk und einige überregionale Blätter vertreten. Sie schlossen sich im Januar 1957 zur Vereinigung „Bayerische Landtagspresse e. V." zusammen, die im Landtag größte Freizügigkeit und Selbständigkeit genießt. Ihr Vorsitzender übt sogar das Haus-recht auf der Pressetribüne aus.

Das Amt des Parlamentsberichterstatters verlangt der Vielfalt der Themen entsprechende Kenntnisse und ist gewiß nicht die leichteste journalistische Aufgabe. „Sicherlich hat der Landtagsjournalist der Öffentlichkeit gegenüber eine besondere Verantwortung. Er hat wesentlich die Berufung, der Parlamentsarbeit Resonanz zu verschaffen, sei es auch durch kritische Berichte, denn sie bringen am leichtesten Diskussionen in Gang, um damit der Demokratie durch Information Autorität zu verschaffen." Dieses Selbstverständnis deckt sich weitgehend mit den von den Parlamentariern gehegten Erwartungen.

Die Landtagskorrespondenten berichten in der Regel über die Fragen der Landespolitik insgesamt, wobei der einzelne im allgemeinen die von ihm Vertretenen Zeitungen mit gleichlautenden Berichten bedient. Im besonderen nehmen sie jedoch auch Rücksicht auf regionale und lokale Belange und auf die Aktivitäten der Abgeordneten aus dem Verbreitungsgebiet ihrer Blätter. Aber auch die umgekehrte Kombination kommt vor: Die Zeitung verläßt sich in der allgemeinen Berichterstattung auf die Nachrichtenagenturen und die Hauptaufgabe Beobach des Münchener Mitarbeiters ist die -tung der Landespolitik unter dem Aspekt ihrer Auswirkung auf den regionalen Bereich einerseits und des Beitrages der Region zur Land-tagsarbeit andererseits. Damit geht massive publizistische Unterstützung regionaler Interessen Hand in Hand Mit dieser Methode läßt sich offensichtlich das Ziel, die Landtags-arbeit für den Leser zu aktualisieren, leichter erreichen als durch kühle und abstrakte Berichterstattung. Neben den öffentlichen Sitzungen des Plenums und der Ausschüsse dienen als Informationsquellen besonders die Landtagsdrucksachen (Beilagen), in denen sich die Parlamentsarbeit weitgehend niederschlägt. Die Journalisten erhalten ferner Informationsmaterialien von den Fraktionen, den Interessenverbänden, von der Pressestelle der Staatskanzlei und den Pressereferenten der Ministerien. Unentbehrliche Stütze ist die laufende Berichterstattung des

BLD.

Diese Materialien verdeutlichen nicht immer auch die Hintergründe politischer Vorgänge, die zu recherchieren dem Geschick der Landtagskorrespondenten vorbehalten bleibt. Ihr Erfolg dabei gründet sich vor allem auf gute Beziehungen zu den Fraktionen und zu einzelnen Abgeordneten. Der Zugang zu solchen Hintergrundinformationen, die neben politischen Motiven auch sachliche und personelle Interna offenbaren, setzt erprobte „Partnerschaft zwischen Parlament und Presse" voraus. Besonders in der Übung, bei Ausschluß der Öffentlichkeit die Landtagskorrespondenten im Saale zu belassen, ist der deutlichste Beweis dafür zu erblicken, daß sie im Hohen Hause nicht nur Gast-, sondern Heimatrecht genießen. Natürlich gibt es auch Schwierigkeiten, die vor allem darin liegen, daß Parlament und Presse in ihren zeitlichen Abläufen eigenen Mechanismen unterliegen, die sich nicht bis ins letzte koordinieren lassen. Die starke Konzentration der Parlamentswoche (Dienstagmittag bis Donnerstagmittag) dient nicht unbedingt kontinuierlicher Berichterstattung und konfrontiert die Landtagskorrespondenten mit kaum zu verarbeitender Materialfülle. Und endlich ist es auch nicht möglich, mehreren wichtigen Ausschüssen gleiche Aufmerksamkeit zu widmen, wenn sie zur selben Zeit tagen.

Ein presseinternes und vielschichtiges Problem ist das Verhältnis der Redaktionen zur Parlamentsberichterstattung, das natürlich auch unter der Eigengesetzlichkeit der Zeitung als kommerziellem Unternehmen steht, das sich gezwungen sieht, redaktionellen und werbungtragenden Raum zu verkaufen. Daher muß es auch beim Parlamentsbericht in Aufmachung, Plazierung, Stil und Umfang auf Leser-geschmack und Leserbedürfnis Rücksicht nehmen. Man kann dies zugeben, ohne zugleich Zweifeln ihre Berechtigung abzusprechen, ob die Rücksichtnahme nicht in allzu großem Ausmaß geschieht Während Korrespondenten zwar zugeben, daß gegebenenfalls der Landtagsbericht Abstriche hinnehmen muß, schwächen sie dies sogleich als normalen Vorgang redaktioneller Routinearbeit ab. Fraktionspressereferenten bestätigen hingegen laute Klagen der Berichterstatter über ihre Redaktionen. Im übrigen lassen sich ungerechtfertigte redaktionelle Eingriffe, die den Parlaments-bericht verfälschen, auch belegen. Sie spielen sich auf mehreren Ebenen unterschiedlicher Qualität ab.

Zum einen geschehen aus mangelnder Vertrautheit mit dem parlamentarischen Prozeß unsachliche Kürzungen, die zu einseitigen Gewichtsverschiebungen führen Zum anderen versuchen Redaktionen bewußt, Politik zu machen. Dabei werden sachkundige Beiträge unterdrückt, weil sie politisch nicht opportun erscheinen oder man verlangt von den Korrespondenten gefärbte Artikel und scheut sich im Extremfall nicht, ihre Berichte entsprechend zu verändern Derartige Machenschaften zeigen überdeutlich, wie sehr der sachlichste und objektivste Bericht durch Unkenntnis oder Gebundenheit der Redaktion umgemünzt werden kann. Sie lassen neben dem Wunsch nach Intensivierung der Parlamentsberichterstattung auch die Anregung verständlich erscheinen, die Redaktionen sollten die profunden Kenntnisse der Landtagsjournalisten bei der Gestaltung des gesamten politischen Teils nützen und sie dazu stärker heranziehen

b) Die Berichterstattung Der Vollzug aktueller Öffentlichkeit entscheidet sich an der Vollständigkeit und Qualität der von der Presse vermittelten Information über die Landtagsarbeit. Der harte Vorwurf, „das dem Leser gebotene Material" sei „für seine Orientierung über das parlamentarische Geschehen in vielen Fällen unzureichend" verdient eine nähere Überprüfung.

Die dazu durchgeführten Analysen können hier nicht im einzelnen ausgebreitet werden. So muß es genügen, einige augenfällige Beobachtungen vorzutragen, ohne die vorhandenen Belege mitzuliefern. Schon die sehr pauschale Frage, ob der Leser in einer Tagungswoche überhaupt von den Sitzungen des Plenums und der Ausschüsse und wenigstens in groben Zügen von ihren Tagesordnungen erfährt, findet keine uneingeschränkt befriedigende Antwort, obgleich sie in fünf Zeitungen lediglich nach quantitativen Merkmalen untersucht wurde und die Qualität der Berichte dabei außer acht blieb. Im Gegenteil, die Materien wurden in einem Punktsystem nach ihrem Aktualitätsgrad unterschiedlich bewertet — ein Verfahren, das der Presse entgegenkommt. Reichte die Skala von 0 bis 18 Punkten, so war der höchste Ausschlag bei 14 (SZ) und der geringste bei 8 (TA) zu messen

Keinerlei Erwähnung fanden der zusammen mit dem kulturpolitischen Ausschuß am häufigsten tagende Petitionsausschuß sowie der Haushaltsausschuß, von dessen Tagesordnung einige Punkte nicht uninteressant für die Offentlichkeit waren. Selbst eine Sitzung des kulturpolitischen Ausschusses, in der letztmals vor Eintritt in die Einzelberatungen eine allgemeine Aussprache über den umstrittenen Volksschulgesetzentwurf stattfand, blieb bei vier der fünf Zeitungen ohne Resonanz, über das Plenum und die Erörterungen im Verfassungs-und Rechtsausschuß zum Landeswahlgesetz wurde dagegen ausnahmslos berichtet.

Eine zweite Analyse geht der Qualität der Berichterstattung nach. Sie erstreckt sich auf 17 redaktionelle Einheiten und damit auf fast alle Zeitungen in Schwaben, Oberbayern, Niederbayern, Oberpfalz und Mittelfranken — fünf der sieben Regierungsbezirke also. Sie erfaßt die Berichterstattung über eine Interpellation der SPD zur Kulturpolitik und ihre Beantwortung durch den Kultusminister Die Presse berichtete in großem Umfang — ein Faktum, das hier einmal nicht interessiert, weil der Vollständigkeit und Richtigkeit der Berichte nachgegangen werden soll.

Ein sachlicher, in jeder Hinsicht genügend informierender Bericht mußte korrekte Hinweise auf die Fragestellung des Interpellanten und die Stellungnahmen des Kultusministers zu drei besonders angesprochenen Themen enthalten: Einführung des 9. Schuljahres, Land-schulreform, Reform des gesamten Bildungswesens. In groben Zügen ergibt sich folgendes Bild:

Auffallend viele Journalisten und Redaktionen sind sich der Bedeutung des parlamentarischen Interpellationsrechtes als schärfster Waffe der publizistisch ohnehin benachteiligten Opposition nicht bewußt und vernachlässigen den Interpellanten. Fast die Hälfte der redaktionellen Einheiten informiert hier ungenügend, berücksichtigt den parlamentarischen Prozeß nicht und verteilt die Gewichte damit von vornherein zugunsten der Regie-rung. Von der Leserseite betrachtet, ist die Verzerrung noch stärker: Nur 40 % der Abonnenten werden adäquat informiert, 60 % erfahren nicht oder nur mangelhaft, wer Initiator der Ministerrede war und was er zu sagen — und an der Regierung zu rügen — hatte. Interessanterweise haben die auflagenstärkeren und renommierten Blätter diese Fehlleistung zu verantworten. Entschuldigend mag angeführt werden, daß der Kultusminister kurz nach seiner Ernennung erstmals Gelegenheit hatte, seine Konzeption zu entwickeln, die auch von der Opposition als ungewöhnlich progressiv empfunden wurde.

Konsequenterweise entspricht die Wiedergabe der Ministerrede in weit höherem Umfang den Erwartungen und Forderungen. Sieben Zeitungen wußten korrekt und zwei eingeschränkt korrekt zu berichten. Auf die Auflage umgerechnet heißt das, daß immerhin 55 % der Abonnenten eine gültige Vorstellung von der kulturpolitischen Konzeption Hubers vermittelt bekamen.

Es stellte sich ferner heraus, daß der Bericht der dpa hohen Informationswert besaß. Redaktionen, die ihn möglichst unverändert übernahmen, orientierten ihre Leser vollständig. So hatten die 9 500 Bezieher des Reichenhaller Tagblattes den 197 300 Abonnenten (und Käufern) der Nürnberger Nachrichten das Privileg der Unterrichtung über die Konzeption des Kultusministers in allen ihren Themenkreisen voraus. Andererseits erliegen aber Redaktionen, die auf Agenturberichte angewiesen sind, aus der Distanz leicht der Gefahr willkürlicher Kürzungen, die aus Bequemlichkeit einfach am Ende des Artikels vorgenommen werden. Hier liegt die Hauptursache für die Fehlerquote bei der Wiedergabe der Rede des Kultusministers, da der abschließende Teil über eine Vielzahl von Reformen im gesamten Bildungswesen starken redaktionellen Eingriffen ausgesetzt war und zum Teil ganz dem Rotstift zum Opfer fiel.

Insgesamt waren nur fünf von 17 Redaktionen in der Lage, korrekt oder wenigstens relativ korrekt zu referieren. Nur 16% der erfaßten Auflage boten ein in allen Zügen richtiges und ausgewogenes Bild von Interpellation und Beantwortung. Sie erreichten ausschließlich Leser mittlerer und kleiner Blätter die nicht von eigenen Korrespondenten bedient wurden.

Dieses Ergebnis bestätigt zwar die Kritik Hanauers, darf aber keineswegs zu einer qualitativen Klassifizierung der untersuchten Zeitungen verallgemeinert werden. Ebensowenig bietet es Anlaß, über den Landtagskorrespondenten den Stab zu brechen. Solch ein horizontaler Schnitt durch die Berichterstattung charakterisiert gewiß eine bestimmte Situation treffend, reicht jedoch nicht als Qualifikationsgrundlage insgesamt aus. Dazu bedürfte es erheblich verfeinerter und auf breiterer Basis ruhender Untersuchungen und der Abwägung vielfältiger Imponderabilien. Vor allem fehlt auch jeder Vergleich zur Berichterstattung aus anderen Parlamenten, und insbesondere wäre ein Blick auf die Kontinuität der Berichterstattung und die kommentierende Begleitung der Parlamentsarbeit zu werfen.

Hierher gehören z. B. die von mehreren Zeitungen allwöchentlich veröffentlichten Kolumnen zur Landes-und Landtagspolitik, die die aktuelle Berichterstattung ergänzen und von den Korrespondenten nicht als ihre geringste Aufgabe angesehen werden. Mit der Kolumne versucht der Journalist, selbst in die Politik einzugreifen, indem er nicht als Mittler, sondern als politischer Publizist tätig wird und sich im schmalen Bereich zwischen Wahrheit, Halbwahrheit und Spekulation bewegt. Die Kolumne lebt von den Intentionen des Verfassers und seiner Informanten. Außerdem ist es ihre Absicht, dem Leser einen „Blick hinter die Kulissen" zu gewähren. Dadurch werden Distanzen vermindert und sonst übergangene Kommunikationsbedürfnisse befriedigt. Offensichtlich fühlen sich weite Kreise angesprochen, und obgleich sich in diesen Spalten die politische Argumentation oft auf ein volkstümliches Minimum reduziert, tragen sie zur Öffentlichkeit politischer Fakten (und Gerüchte) erheblich bei. II. Die Pressereferenten der Fraktionen Die Pressereferenten der im Landtag vertretenen Fraktionen haben prinzipiell vergleichbare Aufgaben, die sich ihnen jedoch auf Grund der unterschiedlich strukturierten Parteiarbeit sowie der aktuellen Position im politischen Prozeß jeweils anders stellen. Gemeinsam ist ihnen die Verringerung ihrer Bedeutung als Informationszentren, bedingt durch die Öffentlichkeit der Ausschußsitzungen. Seltener als in anderen Landesparlamenten haben sie die Politik ihrer Fraktionen zu interpretieren. Die Arbeit der Fraktionspressereferenten beschränkt sich nach außen auf den sekundären Bereich. Zu ihm zählen vor allem: Vorinformation, Beratung, nachträgliche Auswertung, die Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner in Kommentar und Polemik sowie das Lancieren zweitrangiger Nachrichten. Aus der Sicht der Opposition tritt dazu vordringlich noch die Mitwirkung an der Kontrolle von Regierung und Verwaltung.

Die Pressereferenten wirken jedoch nicht nur extern, sondern vor allem auch intern. Denn genauso, wie sie versuchen, der Öffentlichkeit den Standpunkt ihrer Fraktionen zu verdeutlichen, unterrichten sie die Fraktion insgesamt sowie besonders einzelne Abgeordnete unter regionalen oder fachspezifischen Aspekten über bedeutsame Vorgänge im Lande, im Stimmkreis oder auf einem Fachgebiet, damit sie Informationen möglichst aktuell in parlamentarische Aktivität umsetzen können. Obgleich für diesen umfassenden Aufgabenbereich allen Fraktionen die gleichen Mittel und Methoden zur Verfügung stehen, konkretisieren sie sich durchaus unterschiedlich, wodurch sich Akzentverschiebungen in den Schwerpunkten, aber auch in der Wirksamkeit ihrer Pressearbeit ergeben.

Minimale Effizienz besitzt die Pressearbeit der NPD. Dies liegt nur zum Teil an der geringen Durchschlagskraft der Parlamentsarbeit dieser Fraktion. Die tiefere Ursache ist die mangelnde Anpassungsbereitschaft an die Eigengesetzlichkeit der Kommunikationsmedien, die den ernsthaften Versuch nicht aufkommen läßt, mit journalistischen Methoden einen Sektor im Bereich pluraler Meinungsäußerungen zu erwerben. Die NPD erwartet zu sehr, daß die Presse auf sie zukommt, statt sie für sich zu interessieren. Hinter der Resignation vor der vorgefundenen, der Partei gegenüber auch nicht vorurteilslosen Realität scheint die Unzufriedenheit mit dem von ihr oft so diffamierten „System der Lizenzpresse" durch. Da also das Verhältnis beiderseits nicht ressentiment-frei ist, nimmt der Pressereferent der NPD nur den internen Aspekt seiner Aufgabe ungeteilt wahr.

Obgleich es nicht gering wiegende organisatorische und auch parteiinterne Hindernisse gibt, verhindern auch bei der CSU prinzipiellere Gründe eine ergiebigere Pressearbeit Der Regierungsfraktion steht im parlamentarischen Regierungssystem der Apparat der Exekutive weitgehend zur Verfügung. Da sich die CSU — mit Ausnahme der nicht einmal eine Legislaturperiode währenden Viererkoalition — stets in dieser Rolle sah, ist dieser Faktor fester Bestandteil ihrer Dispositionen. Zudem hat die Regierung ohnehin einen Publizitätsvorsprung und leistet selbständig Öffentlichkeitsarbeit. Da sie von den Spitzen der Fraktion gebildet wird und der Öffentlichkeit diese Identität durchaus bewußt ist, kann die Fraktion ohne Schaden Zurückhaltung üben. Nur so ist es zu erklären, daß in der CSU erst seit dem 1. Januar 1967 ein hauptamtlicher Pressereferent existiert und daß sie auch kein funktionsfähiges Archiv besitzt, da sie sich auf die Auskunftsdienste der Ministerien verlassen kann. Die Grundlagen der Offentlichkeits-und der sachlichen Arbeit der Mehrheitsfraktion legt die Regierung. Daher ist es dem Pressereferenten der CSU-Fraktion verwehrt, in ähnlichem Umfang Kontrollfunktiohen wahrzunehmen, wie es für jenen der Opposition selbstverständlich ist. Aus diesen Gründen hat die „Unionscorrespondenz" (UC) eigentlich nur eine Chance auf Gehör, wenn sich die Regierung in einer wichtigen Frage noch nicht geäußert hat oder sich vielleicht gar nicht äußern will, so daß sich aus ihren Artikeln Rückschlüsse auf den Meinungsbildungsprozeß in der Fraktion ergeben können. Umgekehrt eröffnet die Rolle als führende Oppositionskraft der SPD ganz andere Perspektiven dynamischer und aggressiver Pressearbeit, was sich auch auf ihre Organisation auswirkt. Ihre Pressestelle, die zentral für Partei und Fraktion arbeitet und alle technischen Hilfsmittel besitzt, kann daher am ehesten als Musterbeispiel für solch eine Institu-tion herangezogen werden. Der Pressereferent genießt im Rahmen der von der Fraktion gesetzten politischen Markierungen weitgehende Freiheiten zu selbständigem Handeln und Publizieren. Gerade bei der SPD ist er Bindeglied zwischen dem alltäglichen Leben der Wähler und dem politischen Alltag der Gewählten, wenn auch der Akzent besonders auf der externen Wirkung liegt. In dieser nach beiden Seiten ausstrahlenden und von beiden Seiten rezipierenden Position bedarf es als Arbeitsgrundlage zuerst umfassender und ständiger eigener Information über alle politisch relevanten Vorgänge sowie profunder Kenntnisse über alle parlamentarischen Prozesse und Entscheidungen, besonders unter dem Aspekt der Haltung der eigenen Partei zu ihnen

Nach innen wirkt die Pressestelle durch die Information des Landes-und Fraktionsvorsitzenden über wichtige aktuelle Ereignisse mit Hilfe der einlaufenden Agenturmeldungen. Dabei kommt ihr bereits die Funktion der Vorprüfung und Selektion zu. Außerdem bemüht sie sich stets, einzelne Abgeordnete gezielt auf regionale oder fachliche Vorgänge hinzuweisen, um nötige Klärungen durch parlamentarische Initiativen zu beschleunigen oder überhaupt erst herbeizuführen und eventuelle Mißstände öffentlicher Kritik und Kontrolle zu unterziehen. In vielen Fällen ist es letztlich dem Pressereferenten zu danken, daß dies vor dem Tribunal des Parlaments geschieht 2. Sein Einfluß reicht dabei bis in die Formulierung von Anträgen und Anfragen hinein. Die Bedeutung der internen Arbeit auch für die Öffentlichkeit ist offenkundig, denn durch Information, Initiierung, Koordinierung und Formulierung schafft sie den Abgeordneten elementare Voraussetzungen zur Wahrnehmung der Kontrollfunktion.

Nach außen betreibt die SPD auch allgemeine Öffentlichkeitsarbeit, bei der sie sich mit Hilfe von Publikationen zu bestimmten Themen an bestimmte Personengruppen wendet. Dies geschieht nach Bedarf, der sich aus der politisehen Situation ergibt. Kontinuierlich dagegen ist die Pressearbeit, verstanden als allgemeine Unterrichtung der Öffentlichkeit durch die Massenmedien.

Wichtigstes Mittel dazu ist der Pressedienst Sozialdemokratische Pressekorrespondenz" (spk), der zweimal wöchentlich erscheint. Die spk beinhaltet Anträge, Anfragen, Beschlüsse und Erklärungen der Fraktion, sie kommentiert und erläutert politische Vorgänge innerhalb und außerhalb des Parlaments. Sie steht auch im Dienste der polemischen Auseinandersetzung mit Regierung und Regierungspartei und ist betont im Hinblick auf die Kontrollfunktion konzipiert

Die sofortige Stellungnahme legt bei wichtigen aktuellen Ereignissen die Haltung der Partei dar. Sie verfolgt das Ziel, den Leser gleichzeitig mit den Fakten und der Meinung der SPD zu ihnen zu konfrontieren. Der Pressereferent hat bei einer Agenturmeldung nur wenig Zeit, um sich über Ausmaß und politische Bedeutung klarzuwerden, zu bemerken, wo der Hebel der Kritik anzusetzen ist und eine möglichst fundierte, sowie vor dem Hintergrund der bisherigen Auseinandersetzungen um das Problem detaillierte und sachgerechte Stellungnahme abzugeben, die obendrein präzise und wirkungsvoll formuliert sein muß, um die Öffentlichkeit zum Bundesgenossen zu gewinnen. Solche Stellungnahmen finden wegen ihrer Aktualität das Interesse der Redaktionen und werden in der Regel publiziert

Um die aktuelle Unterrichtung über Fraktionsbeschlüsse auch zwischen den Erscheinungsterminen der spk zu gewährleisten, erscheinen nach Bedarf Pressemitteilungen, deren Vorteil in der Präzision liegt, mit der sie einen Sachverhalt umreißen, und in der Kürze, die ihre wörtliche Übernahme durch die Zeitungen aufdrängt und damit die Gefahr von Fehldarstellungen ausschließt. Die Pressemitteilung ist ein vorzügliches Mittel, um möglichst jedermann knapp, aber vollständig und sachgerecht über eine Aktion zu informieren

Dieses Ziel wird mit Pressekonferenzen gemeinhin nicht erreicht. Sie finden nur bei besonderen Anlässen statt und dienen der umfassenden Erörterung größerer Komplexe. Sie bieten dem Journalisten die Chance individueller Selektion, die keineswegs den Intentionen der veranstaltenden Partei zu entsprechen braucht. Die Pressekonferenz wird immer Resonanz in der gesamten Presse finden, das Echo ist jedoch vielfältiger, als wenn die Gelegenheit zu subjektiver Selektion weitgehend ausgeschaltet wird. Als die SPD kurz vor Schluß der letzten Wahlperiode zu einer Pressekonferenz einlud, wollte sie über ihre Meinung zum Volksschulgesetz und die Aufstellung junger Kandidaten informieren, jedoch weitete sich das Gespräch wegen des gerade aktuellen Wahlergebnisses von Nordrhein-Westfalen auf ihre eigenen Wahlaussichten aus. Die Presseberichte weisen eine sehr unterschiedlich akzentuierte Informationsgebung auf, die sich überwiegend an den Spekulationen zum Wahlausgang und nur sekundär an der Haltung zum Volksschulgesetz orientierte. Das Ziel der SPD, die Werbe-kraft junger Kandidaten für sich zu mobilisieren, wurde kaum erreicht

Pressedienst, sofortige Stellungnahme, Pressemitteilung und Pressekonferenz sind Techniken, den eigenen Beitrag in den Prozeß politischer Meinungs-und Willensbildung einfließen zu lassen, die eine klug arbeitende Pressestelle stets unter Rücksichtnahme auf die Arbeitsweise der Journalisten und Redaktionen gebrauchen wird. Diese Rücksichtnahme, die sich zumeist zu regelrechten Hilfen für die Berichterstattung ausweitet versteht sich schon aus eigenem Interesse, denn die Presse ist um so eher bereit, Material zu verwenden, je weniger sie sich um seine Beschaffung und Bearbeitung kümmern muß. Die Wirkung nach außen wird schließlich durch die direkte Wahrnehmung der Interessen der Partei abgerundet, die nicht nur der Aufklärung offenkundiger Fehler oder Entstellungen in der Berichterstattung dient, sondern auch dem Bestreben, die Opposition in Rundfunk und Fernsehen angemessen repräsentiert zu sehen.

Allerdings gibt es Schwierigkeiten genug für einen Pressereferenten, die Presse für seine Intentionen zu gewinnen. Themen von eminenter Bedeutung für das Gemeinwohl erzielen oft trotz stetiger und intensiver Bemühungen keine Resonanz — allein deswegen, weil sie außerhalb der Aktualität des Tages liegen, oder besser, weil sie eigentlich tagtäglich aktuell sind und ihnen daher der Nimbus des Ungewöhnlichen und Spektakulären fehlt. So scheiterte ein über Monate hinweg unternommener Versuch, durch ständige Artikel in der spk die Öffentlichkeit für Probleme des Mutterschutzes zu gewinnen, am Desinteresse der Redaktionen. Das Thema konnte keine Resonanz finden, weil ihm nicht über die Schwelle der Publizität geholfen wurde.

Dies erklärt einerseits, wie sehr die Chancen der Pressearbeit einer Fraktion in der unmittelbaren Stellungnahme zu aktuellen Vorgängen liegen; es beweist andererseits auch die Unmöglichkeit, das Ohr der Presse zu finden, wenn sie nicht hören will. Gerade dadurch wird es dem Parlament und insbesondere der Opposition sehr erschwert, in Konkurrenz mit der Regierung zu treten, deren Tätigkeit sich unmittelbarer auf den einzelnen Bürger auswirkt und von ihm in größerer Dramatik erfahren wird. Demgegenüber tritt die Opposition als nicht unmittelbar handelnde, sondern mahnende und kritisierende Alternative zurück. Es scheint, als ob ihr Erfolg eher dann beschieden ist, wenn sie sich bestimmten Trends anschließt oder sie fördert, als wenn sie von sich aus versucht, in Detailfragen Entwicklungen in Gang zu bringen. Wenigstens auf diesem Sektor ist ihre Rolle als der „andere Beweger der Politik" (Carlo Schmid) eingeengt. Ihre Pressearbeit gedeiht am besten in der Anpassung an den Partner und unter mannigfacher Benutzung seiner eigenen Methoden. Darin genießt sie andererseits größere Freiheit als die Regierungsfraktion, die noch weit weniger leicht aus dem Schatten der Regierung heraustreten kann (und will). III. Die Pressearbeit der Regierung Im parlamentarischen Regierungssystem läßt sich keine scharfe Grenze zwischen Regierung und Parlament ziehen. Vielmehr ist die Mehrheitsfraktion eng mit der Regierung verschmolzen. Die Pressestellen der Staats-kanzlei und der Ministerien gestalten die Kommunikation zur Landespolitik wesentlich mit. In der aktuellen Situation haben sie bei weitem größere Relevanz als die vergleichbare Institution bei der die Regierung bildenden und tragenden Landtagsfraktion.

Die weitergehenden Aufgaben fallen der Pressestelle der Staatskanzlei zu, die für den Ministerpräsidenten und die Staatsregierung insgesamt arbeitet, während die Pressereferenten der Ministerien nur für einen Ausschnitt der Regierungstätigkeit zuständig sind. Dennoch ist sie keineswegs „Propagandazentrale" — daran hindert sie schon ihre bescheidene finanzielle und personelle Ausstattung. Ihr Aufgabengebiet umfaßt das Sammeln von Informationen von außen und das Verbreiten von Informationen nach außen, wozu auch die Konzipierung der Reden des Ministerpräsidenten in der Öffentlichkeit zählt. Gisela Sänger hat dafür allgemein die äußerst plastische Unterteilung in „Hörrohr-" und „Sprachrohrfunktion" vorgenommen, die hier wegen ihrer antiquierten Begrifflichkeit und ihrer unfreiwilligen Nähe zur umstrittenen zeitungswissenschaftlichen Theorie der „Prothesen gesellschaftlicher Kommunikation" aber nicht übernommen werden soll.

Zur Informationssammlung gehören: a) die Auswertung von Zeitungen, Zeitschriften, Nachrichten-und Informationsdiensten, Pressekorrespondenzen, die Auswertung und Aufzeichnung landespolitisch relevanter Hör-und Sehfunksendungen sowie die Archivierung wichtigen Materials von Presse und Funk;

b) die tägliche Zusammenstellung des hektographierten Pressespiegels „Was heute in den Zeitungen steht", der sich nach den Sachgebieten Bayern, Deutschland, Ausland und Kommentare gliedert;

c) die tägliche Information des Ministerpräsidenten und der Staatskanzlei mit Hilfe des gewonnenen Materials.

Die Informationsgebung dient der möglichst kontinuierlichen Darstellung der Regierungstätigkeit.Sie geschieht vor allem durch die allwöchentliche Landespressekonferenz im Anschluß an die Sitzung des Ministerrates. Im Gegensatz zur Bundespressekonferenz in Bonn, deren Gestaltung in Händen der Journalisten liegt, bleibt in München die Verantwortung bei der Staatskanzlei, die organisiert und einlädt. Dieser Darstellung dienen auch die regelmäßige Herausgabe schriftlicher Mitteilungen aus dem Bereich der Regierung („Die Bayerische Staatskanzlei teilt mit") an Presse, Rundfunk und Fernsehen sowie die Verteilung der Texte von wichtigen Reden des Ministerpräsidenten im Wortlaut an die Journalisten zur Unterstützung ihrer Berichterstattung.

Die gelegentliche Herausgabe besonderer Publikationen, die entweder an einen begrenzten Personenkreis versandt oder in Massen-auflagen im ganzen Lande verteilt werden geschieht unter dem Gesichtspunkt der publicrelations-Arbeit, zu der auch das Bemühen zählt, vor allem Rundfunk und Fernsehen ständig zur Berichterstattung über das öffentliche Auftreten des Ministerpräsidenten zu bewegen.

Insgesamt gesehen fehlen der Arbeit der Pressestelle der Staatskanzlei spektakuläre Akzente. Ihr Leiter tritt nur selten als Sprecher der Regierung in Erscheinung — ganz im Gegensatz zum Chef der vergleichbaren Bonner Institution. Ebensowenig ist sie Ausgangspunkt großangelegter Aufklärungs-und Propagandafeldzüge. Ohne dies alles gänzlich zu lassen, ist sie vor allem eine nach zwei Seiten Informationen vermittelnde Kontaktstelle und ein bedeutsamer Kreuzungspunkt der Kommunikation zur Landespolitik. IV. Der Pressereferent des Landtages Der Landtag als Institution versucht dagegen, jenseits aktueller Fragestellungen unter politisch-pädagogischen Gesichtspunkten dem Bürger präzisere Vorstellungen von seinen Funktionen und seiner Arbeit zu vermitteln. Diese Aufgabe wird vom Pressereferenten des Bayerischen Landtages wahrgenommen, dessen Dienstbezeichnung eigentlich irreführt, denn von seinen Aufgaben her ist er eher persönlicher Referent des Landtagspräsidenten. Gegenüber Presse, Funk und Fernsehen obliegt ihm nur routinemäßige Kontaktpflege, z. B. die Information über Termine. Aktuelle Informationen vermittelt er kaum, da die Unterrichtung über die Ausschußarbeit sich erübrigt.

Zweifellos liegt der Schwerpunkt des „Pressereferates" im Besucherdienst, der sich bemüht, möglichst vielen Bürgern, besonders Besuchergruppen aus der Provinz, durch eigene Anschauung Einblick in Aufgaben, Organisation und Arbeitsweise des Landtags zu gewähren, wobei sich erneut die Öffentlichkeit der Ausschüsse bewährt. Die Besucherzahl stieg auch seit Bestehen des Pressereferats (1964) kontinuierlich an. Erstrebt wird stets enges Zusammenwirken mit dem örtlichen Abgeordneten, der „seine" Besucher führen und mit ihnen diskutieren soll.

Auf repräsentativer Ebene arbeitet der Landtag an seiner Selbstdarstellung, indem er sich bestimmte Gruppen der Gesellschaft — „Multiplikatoren" zumeist — zu Gast lädt. Im Dienste der Distanzverminderung zwischen Wählern und Gewählten stehen auch die jährlich in einen anderen Regierungsbezirk führenden Informationsfahrten des Parlaments.

Mit diesen Maßnahmen wirbt der Landtag für sich in der Öffentlichkeit. Der Mangel an parlamentarischer Tradition in Deutschland und längst nicht überwundene antiparlamentarische Ressentiments lassen ihm das genauso geboten erscheinen wie das Bewußtsein, daß das Parlament Kontakt und Gespräch suchen muß, „um lebendig und wirksam sein zu können" Nicht zuletzt kann ein zeitgemäßes Parlamentsverständnis zurüberwindung obrigkeitsstaatlicher Relikte beitragen, die viele Bürger den Staat noch allzusehr als Autorität begreifen und mit der Exekutive identifizieren lassen.

D. Die mittelbare Öffentlichkeit

Die mittelbare Öffentlichkeit — besonders hier ist der Hinweis angebracht, daß der Begriff lediglich als Arbeitsformel zu verstehen ist — meint die Offenheit des Landtages für Informationen, Initiativen und Petitionen, die von außen an ihn herankommen. Obgleich viele dieser Informationen, auf welche Weise auch immer, direkt im Parlament wirksam werden können, muß doch an der Bezeichnung „mittelbar" festgehalten werden, da als Folge des repräsentativen Systems niemand seine Sache selbst im Parlament vertreten kann; sie ist in der Regel darauf angewiesen, daß sich Abgeordnete ihrer annehmen. Eine Ausnahme bildet lediglich das in Bayern für Gesetzesvorlagen mögliche Plebiszit. Aber selbst hier bleiben dem Parlament nach einem Volksbegehren so viele Einwirkungsmöglichkeiten daß von seiner Umgehung oder Ausschaltung keine Rede sein kann. In der Massendemokratie ist politische Artikulation nur über die Parteien möglich, die de facto auch die wenigen Volksbegehren initiieren mußten. Die Parteien können von ihren parlamentarischen Gruppie-rungen, den Fraktionen, politisch nicht getrennt werden. Volksbegehren sind daherzwar ein Mittel, eine Initiative zu erzwingen (wenn die Anhängerschaft einer Partei groß genug ist), aber die im Volksentscheid am stärksten propagierte Lösung wird das Ergebnis eines parlamentarisch gefundenen Kompromisses sein. Die Vorgänge um den bisher einzigen Volksentscheid im Jahre 1968 belegen das überdeutlich. Das Plebiszit wurde dabei zum verlängerten Arm parlamentarischer Taktik.

Zurück zum Normalfall, bei dem das Verhältnis erneut reziprok ist: So wie eine Anregung oder Eingabe den Abgeordneten braucht, um wirksam werden zu können, so braucht der Abgeordnete Anregungen und Informationen, um sein Mandat sinnvoll ausüben zu können. Das Spektrum parlamentarischer Arbeit wird wesentlich von den Elementen mitbestimmt, die der einzelne Abgeordnete auf Grund seiner Informationen einbringt. Er ist der Transformator, der informatorische Impulse in parlamentarische Aktion umsetzt.

I. Das Petitionsrecht Die wichtigste Möglichkeit des Staatsbürgers, ein Anliegen vor das Parlament zu bringen, ergibt sich aus dem jedermann zustehenden Recht auf Eingaben und Beschwerden an die Volksvertretung Aber die Petition eines Bürgers löst sich sehr bald von seinen Einflußmöglichkeiten. Günstigstenfalls findet er einen Abgeordneten, der sie vertritt und der im Ausschuß gehört wird, falls er es „ausdrücklich verlangt" Der Ausschuß für Eingaben und Beschwerden ist einer der fleißigsten des Landtags, obgleich ihm die Geschäftsordnung von 1954 einen großen Teil seiner Arbeit abnahm und lediglich jene Petitionen zur Behandlung ließ, die „nicht erkennbar in das Sachgebiet eines bestimmten Ausschus-ses" fallen. Alle anderen erledigen die Fachausschüsse

Nach den Erfahrungen des Landtagsamtes initiiert zum Teil die Propaganda von Mund zu Mund den nicht abreißenden Strom von Petitionen. Aber auch Behörden, gegen deren Entscheidungen sich Eingaben und Beschwerden ja zum größten Teil richten, verweisen Bürger auf den Petitionsweg, wenn sie keinen Ermessensspielraum mehr sehen. Es gibt kaum ein Thema, das nicht auf dem Wege der Petition Eingang in die Beratungen des Landtags zu finden vermöchte. Rund 18 v. H.der Eingabenführen zu vollem oder teilweisem Erfolg, weitere 38 v. H. sind wenigstens insoweit relevant, als sie Erkenntnisse für künftige Gesetzesvorlagen erbringen. Ein Teil erledigt sich durch Stellungnahme der Staatsregierung oder durch einen entsprechenden Landtagsbeschluß, während der Rest, z. B. wegen sinnwidrigen oder querulatorischen Inhalts, für unzulässig erklärt und nicht weiter verfolgt wird.

Das Petitionsrecht dient dem einzelnen als Ventil, wenn er sich benachteiligt fühlt oder auf Mißstände gestoßen zu sein glaubt. Es eröffnet ihm aber auch die Möglichkeit, Anregungen zu äußern. Nicht zuletzt ist es eine Erkenntnisquelle für den Gesetzgeber. Das Petitionsrecht ist potentiell eine der stärksten Klammern zwischen Parlament und Öffentlichkeit. Leider erfuhr es in der Vergangenheit nicht immer die entsprechende Wertschätzung. In jüngster Zeit mehren sich jedoch in zahlreichen Länderparlamenten und auch im Bundestag die Versuche, es zu reformieren und die Befugnisse der Petitionsausschüsse ausweiten.

II. Die außerparlamentarische Information des Abgeordneten Im folgenden soll wenigstens fragmentarisch dargestellt werden, wie der einzelne Abgeordnete die Grundlagen für seine Arbeit gewinnt, wie er Information in Aktion übersetzt. Grundsätzlich empfiehlt es sich, hier zwischen solchen Informationen zu unterscheiden, die ihm kraft seines Amtes zugetragen werden und solchen, die er sich selbst beschafft, um nach eigenem Ermessen seinem Mandat gerecht werden zu können

AIs Abgeordneten des Stimmkreises sprechen ihn Vereine, Institutionen und Einzelpersonen an, aber auch die Kommunen bitten um Einsatz für ihre Pläne, wobei sie sich an alle Bundes-und Landtagsabgeordneten der Region ohne Unterschied der Parteizugehörigkeit wenden. Diese Wünsche laufen letztlich stets auf die Beschaffung finanzieller Mittel hinaus. In der Regel erfordern sie keine parlamentarische Initiative, sondern den Gang in die Ministerien zu zuständigen Referenten oder zum Minister selbst, wobei es darauf ankommt, zumindest einen guten Kompromiß auszuhandeln. Selbst wenn ein Haushaltstitel schon erschöpft sein sollte, ist das kein Hindernis für einen geschickten Interessenvertreter seines Wahlkreises. Er wird sich bemühen, den Referenten zu bewegen, von mehreren ähnlichen Projekten nachträglich kleine und kleinste Kontingente abzuzweigen, damit auch die Wünsche seines Wahlkreises sich erfüllen können.

Pro Legislaturperiode wenden sich „einige tausend" Bürger hilfesuchend an den Abgeordneten, zum Teil schriftlich, zum Teil in regelmäßig abgehaltenen allgemeinen Sprechstunden, deren Effizienz allerdings umstritten ist. Dabei kommen alle erdenklichen Fragen des persönlichen Lebens (besonders Renten-, Wohnungsund Versicherungsangelegenheiten) zur Sprache. Fälle, die zu parlamentarischen Initiativen anregen, befinden sich selten darunter Zumeist erfordern sie Interventionen bei Behörden oder Körperschaften und beanspruchen den Abgeordneten als Ombudsman des Wahlkreises, ganz gleich, ob er direkt gewählt oder über die Liste in den Landtag eingezogen ist.

Interessenverbände setzen sich dagegen stets gezielter ein. Sie wenden sich bei der Beratung einschlägiger Gesetze an den Abgeordneten als Fachmann und Ausschußmitglied. Für ihn kommt es dabei darauf an, zu hören und zu fragen, sein Wissen zu vermehren und nicht zu diskutieren.

Die Informationen der Verbände beziehen sich auf konkrete Vorgänge und sind häufig für die Parlamentsarbeit verwendbar. Der Abgeordnete sieht in ihnen oft Entscheidungshilfen. Natürlich weiß er, daß die Lobby — wie übrigens jeder Wähler, der sich an ihn wendet — hauptsächlich ihre Interessen durchsetzen will, aber er teilt das undifferenzierte Vorurteil der Öffentlichkeit ihr gegenüber nicht. Vielmehr glaubt er, kritisch prüfen und berechtigte Forderungen, denen unbedingt nachgekommen werden sollte, von solchen unterscheiden zu können, die innerhalb des politischen Gesamtrahmens nicht erfüllbar oder die überspitzt und unberechtigt sind. Der Abgeordnete sucht im Gegenteil das Gespräch mit den Betroffenen, um nicht in seinen Überlegungen und den daraus resultierenden legislatorischen Konsequen-zen an sachfremden und unrealistischen Vorstellungen zu scheitern

Neben den Informationen, die Wähler und Verbände geben, bleibt es für den Abgeordneten unerläßlich, sich laufend über alle politisch relevanten Vorgänge selbst zu orientieren. Dabei gelten die Kommunikationsmedien zusammen mit BLD und Landtags-drucksachen als „Handwerkszeug". Sie werden ergänzt durch eigene Recherchen in Fragen, die unter Umständen selbst die lokale Presse negiert, die aber dem Abgeordneten für die Zukunft bedeutsam erscheinen. In zäher Kleinarbeit gilt es oft, die Interessen des Stimmkreises zu eruieren und zu prüfen, was tatsächlich dringend und nötig ist.

Parlamentarische Initiativen ergreift der Abgeordnete erst, wenn alle anderen Möglichkeiten sich erschöpft haben. Wie kann er überhaupt Informationen, die er bekommen oder die er sich beschafft hat, ins Parlament bringen? Zunächst kann er natürlich Einzelpersonen auf den Petitionsweg verweisen und dann im Ausschuß die Petition selbst vertreten. Vor allem kann er aber im Landtag durch Anträge und Anfragen aktiv werden. Anträge können ein Votum des Lantags in seinem Sinne herbeiführen, während schriftliche und mündliche Anfragen die Regierung zwingen, ihm kurzfristig Auskunft zu erteilen Gerade Fragestunde und schriftliche Anfrage haben sich zu Reservaten politischer Kleinarbeit entwickelt, die der Klärung engumgrenzter Sachverhalte dienen und regionalen oder gar lokalen Zuschnitt tragen.

Der Abgeordnete ist Bindeglied zwischen Parlament und Öffentlichkeit. Will er für diese etwas erreichen, so bedarf er zuerst der Unterstützung seiner Fraktion. Will die Fraktion der Regierung etwas abgewinnen oder gegen den politischen Gegner Erfolge erzielen, so bedarf sie wiederum der Unterstützung der Öffentlichkeit. Um in politischen, lokale Belange überschreitenden Fragen Erfolg zu erzielen, ist der einzelne Abgeordnete zu schwach. Er muß sich zum Teil auch außerparlamentarischer Unterstützung — speziell der Massenmedien — versichern, um Mehrheiten auf allen Stufen des parlamentarischen Willensbildungsprozesses zu erringen. Durch seine vielseitige Tätigkeit, seinen Einsatz für Anliegen, die von ihm als berechtigt und unterstützenswert angesehen werden, durch Parteiarbeit, politisch-bildende Vorträge und durch Zeitungsartikel zur Landes-politik wirkt er aber auch in die Öffentlichkeit hinein. Viele im Lande machen sich am einzelnen Abgeordneten ihr Bild vom Landes-parlament schlechthin; er ist also umgekehrt auch Repräsentant des Parlaments in der Öffentlichkeit.

Schlußbemerkung Die Diskussionsbereiche von Parlament, Regierung, Kommunikationsmedien und Öffentlichkeit in ihren mannigfachen Aufgliederungen stehen zueinander im Verhältnis der Interdependenz. Gerade die Untersuchung eines einzelnen Bereiches zeigt, wie sehr sie alle der Zuordnung bedürfen, ja, wie abhängig sie voneinander sind. Den Anteil des Parlaments an der politischen Diskussion bestimmt zunächst die aktuelle Öffentlichkeit seiner Verhandlungen. Sie ist Voraussetzung für die Vermittlung ihres Inhaltes an die Bürger. Die Parlaments-verhandlungen beruhen wiederum nicht zuletzt auf den Informationen, die von draußen in sie eingebracht werden. Erst das Zusammenspiel von Verhandlung, Vermittlung und Information unter Einbeziehung zahlreicher Zwischenstationen, Impulsgeber und Transformatoren vollzieht die Öffentlichkeit des Landesparlaments in Bayern.

Sie stellt sich dar als ein nie abgeschlossener Kommunikationsprozeß, dessen Fluß sich wohl aufgliedern, kaum aber systematisieren oder in vorgegebene Formen pressen läßt. Alle Beteiligten halten zugleich die Positionen des Kommunikators und des Rezipienten und sind stets in der Lage, sich in die Diskussion einzuschalten oder sie sogar auszulösen. Jede Information, die sie geben, übt Einfluß auf die Partner aus. Fraglos sind die günstigen institutionellen Bedingungen des Bayerischen Landesparlaments ein gewichtiger Beitrag zum relativ erfolgreichen Gelingen dieses Kommunikationsprozesses, da sie die Chancen des Bürgers zur kompetenten Teilnahme vermehren.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Insbesondere Ausschuß für Geschäftsordnung, 1., 2. und 5. Wahlperiode; Unterausschuß zur Erarbeitung einer neuen Geschäftsordnung 1953/54;

  2. a) Abendzeitung; Augsburger Allgemeine; Bayerische Heimatzeitungsverleger eGmbH, Nürnberg; Bayerische Staatszeitung, München; Coburger Tagblatt; Der Allgäuer, Kempten; Der Neue Tag, Weiden; Donau-Kurier, Ingolstadt; Fränkische Landes-zeitung, Ansbach; Fränkische Presse, Bayreuth; Fränkischer Tag, Bamberg; Fränkische Tagespost, Nürnberg; Fränkisches Volksblatt, Würzburg; Gemeinschaftsverlag Heimatpresse, München (Freising); Hofer-Anzeiger; Main-Echo, Aschaffenburg; Main-Post, Würzburg; Mittelbayerische Zeitung, Regensburg; Münchner Merkur; Neue Presse, Co-burg; Nürnberger Nachrichten; Nürnberger Zeitung; Oberbayerisches Volksblatt, Rosenheim; Passauer Neue Presse; Reichenhaller Tagblatt; Straubinger Tagblatt; Süddeutsche Zeitung, München; Tages-Anzeiger, Regensburg; Trostberger Tagblatt, b) Bayerischer Landtagsdienst, Landesdienst Bayern der Deutschen Presseagentur, Sozialdemokratische Pressekorrespondenz (spk); Unionscorrespondenz

  3. Rummel, Schlichtinger, Wagner.

  4. Hatz (Passauer Neue Presse), Heilmeier (Bayer. Landtagsdienst), Köbelin (Süddeutsche Zeitung), Roßmann (Main-Post).

  5. Dr. Ballon (Staatskanzlei), Glaser (Landtag), Dr. Petschauer (NPD), Stützle (CSU — bis 31. 12. 1966), Werner (SPD).

  6. Besonders Dr. Pfister, Direktor des Landtagsamtes (bis 31. 3. 1968).

  7. Franz Schneider, Pressefreiheit und politische Öffentlichkeit, Neuwied-Berlin 1966, S. 220 ff.

  8. Lothar Bucher, Der Parlamentarismus wie er ist, Berlin 1855, S. 280.

  9. Jürgen Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, Neuwied-Berlin 19683, S. 69.

  10. So erklärte anläßlich der Karlsbader Konferenzen 1819 der Hannoversche Minister Graf Münster, die Forderung nach Öffentlichkeit der Landtagsverhandlungen sei demagogischer Unfug. Friedrich von Gentz hielt dafür, „daß die Öffentlichkeit der Verhandlungen der Volkskammern, wenn sie bis auf den Punkt täglicher Bekanntmachung des Gesamt-inhaltes der Debatten getrieben werde, ein unmittelbarer Schritt zur Herabwürdigung aller Autorität und zum Untergang aller öffentlichen Ordnung sei". Vgl. Eduard Ludwig, Parlament und Presse, Wien 1953, S. lös.

  11. „Sie, meine Herren, . . . sind Vertreter und Wahrer der eigenen Rechte, der Rechte der Stände. Ich hätte Sie nicht hierhergerufen, wenn ich den geringsten Zweifel hegte, daß Sie Ihren Beruf anders deuten wollten und ein Gelüst hätten nach der Rolle sogenannter Volksrepräsentanten." Zit. nach Peter Molt, Der Reichstag vor der improvisierten Revolution, Köln und Opladen 1963, S. 327.

  12. Jeremy Bentham, Taktik und Theorie des Geschäftsganges deliberierender Ständeversammlungen, Erlangen 1817, S. 10.

  13. Walter Bagehot, The English Constitution, ed. R. H. S. Grossmann, London 1964, S. 150 ff.

  14. Habermas, a. a. O., S. 96 f.

  15. Ernest Barker, Essays on Government, Oxford 1951 2, repr. 1956, S. 67 ff.

  16. Siehe aber Ernst Fraenkel, Parlament und öffentliche Meinung, in: ders., Deutschland und die westlichen Demokratien, Stuttgart 19684, S. 126.

  17. Das Bundesverfassungsgericht zur Parteienfinanzierung, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament, B 32/1966, S. 23.

  18. Heinz Laufer, Zur staatlichen Finanzierung der politischen Parteien, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament, B 44/1966, S. 28.

  19. Vgl. Konrad Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Karlsruhe 19693, S. 212 f.

  20. Ernst Friesenhahn, Parlament und Regierung im modernen Staat, in: Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer H. 16, Berlin 1958, S. 32.

  21. „Zuvörderst(?) soll das Parlament ein Forum sein, auf dem alle für das Gemeinwesen relevanten Meinungen zur Sprache kommen." Arnd Morkel, Das Parlament als öffentliches Forum, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament, B 40/1966, S. 5. Aufgabe dieses Forums ist es, Regierenden und Regierten einen Spiegel „der Meinungen, Wünsche und Interessen"

  22. Vgl. Franz Schneider, Kommunikation innerhalb und außerhalb des Parlaments, in: ders., Politik und Kommunikation, Mainz 1967, S. 35.

  23. Ebd., S. 40.

  24. Z. B. Wilhelm Hennis, Haben wir ein faules Parlament? In: Die Zeit Nr. 43 v. 22. 10. 1965; ders., Der deutsche Bundestag 1949- 1965, in: Der Monat H. 215/1966, S. 26 ff.; ders., Rechtfertigung und Kritik der Bundestagsarbeit, in: Die Neue Gesellschaft H. 2/1967, S. 101 ff.; Dolf Sternberger, Ein allzu stilles Parlament, in: FAZ v. 9. 7. 1964; Paul Sethe, Ein Parlament im Geheimen, in: Die Zeit Nr. 44 v. 29. 10. 1965.

  25. Friedrich Schäfer, Der Bundestag, Eine Darstellung seiner Aufgaben und seiner Arbeitsweise, verbunden mit Vorschlägen zur Parlamentsreform, Köln und Opladen 1967, S. 295.

  26. Vgl. Erwin K. Scheuch, Politische Macht und Sozialstruktur, in: Liberale Studentenzeitung Nr. 1/2 1967, S. 7.

  27. In der 1. Wahlperiode fand keine, in der 2. und 3. nur eine, in der 4. fanden lediglich sechs, in der 5. dagegen 58 öffentliche Anhörungen statt.

  28. Siehe Deutscher Bundestag, V/240. Sitzung v. 18. 6. 1969, sowie Drucksache V/4373.

  29. Die prinzipielle Öffentlichkeit der Ausschüsse ist für den Bundestag zweifelsohne ein diffiziles Problem. Er hat in dieser Frage seinen Standpunkt 1969 modifiziert, aber nicht geklärt, so daß die Diskussion wohl anhalten wird. Eine ausgewogene Erörterung hat bisher weder innerhalb noch außerhalb des Bundestages stattgefunden. Mit voreiligen Argumenten gegen diese Lösung setzt sich auseinander: Hermann Meyn, Zur Transparenz der politischen Ordnung der Bundesrepublik, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament, B 40/1968, S. 21 ff.

  30. Während man hierzulande gerne über den Kanal blickt, gibt es in England nicht weniger Unbehagen am Unterhaus als bei uns am Bundestag. Siehe z, B. Bernard Crick, The Reform of Parliament. The Crisis of British Government in the 1960s, London 1964; Emrys Hughes, Parliament and Mumbo-Jumbo, London 1966; Andrew Hill-Anthony Wichelow, What's wrong with Parliament? London

  31. So Heinz Rausch, Parlamentsreform. Tendenzen und Richtungen, in: Zeitschrift für Politik, H. 3/1967, S. 264.

  32. Im Verfassungsentwurf war der spätere Art. 22 noch Art. 18. Siehe Verfassungsausschuß Band 1, S. 3.

  33. In Abs. 2 hieß es nun lediglich: bleiben von jeder Verantwortlichkeit frei, es sei denn, daß es sich um Ehrverletzungen handelt". Verfassungsausschuß Bd. 1, S. 111.

  34. So besonders Abg. Pfeuffer (CSU), ebd., S. 110.

  35. Verfassungsausschuß Bd. 1, S. 109.

  36. Verfassungsausschuß Bd. 3, S. 735 f., sowie Verfassunggebende Landesversammlung Bd. 4, S. 228.

  37. Siehe dazu Klaus Friedrich Arndt, Parlamentarische Geschäftsordnungsautonomie und autonomes Parlamentsrecht, Berlin 1966.

  38. Z. B. hat sich das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich die Möglichkeit vorbehalten, die Geschäftsordnung des Bundestages auf ihre Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz zu überprüfen (BVerfGE 1, 148 f.).

  39. Geschäftsordnung für den Bayerischen Landtag vom 13. Dezember 1954, § 96: (1) Aufnahmen in Bild und Ton, die nicht für Zwecke des Landtags angefertigt werden, bedürfen für Sitzungen der Vollversammlung ...der Genehmigung des Ältestenrats, für Sitzungen der Ausschüsse, Unterausschüsse und Untersuchungsauschüsse der Genehmigung der betreffenden Ausschüsse. (2) Der Präsident teilt die Tatsache, daß Aufnahmen gemacht werden, der Vollversammlung zu Beginn der Sitzung mit.

  40. „Aber ich darf doch die Herren des Fernsehens bitten, den bisher gewohnten Weg zu gehen, damit ich rechtzeitig ihre Anwesenheit dem Hohen Hause mitteilen kann... Wir sind ja dankbar, wenn die Öffentlichkeit von uns Notiz nimmt und in entsprechender Form von uns berichtet. Aber wir wollen das gern vorher wissen. — Widerspruch erhebt sich nicht. Die Aufnahmen des Fernsehens sind damit gestattet." Landtagspräsident Hanauer am 15. 12.

  41. Ausschuß für Geschäftsordnung, 1. Wahlp,, 6.

  42. Ebd., 13. Sitzung am 9. 4. 1948, S. 3.

  43. Ebd., S. 47.

  44. Ebd.

  45. Ebd.

  46. Vgl.den Vorschlag Wilhelm Hoegners, ebd., S. 54.

  47. Ebd., S. 62.

  48. Wortführer war Wilhelm Hoegner, der darin einen volltändigen Bruch mit der bisherigen Übung sah. Ebd., S. 60.

  49. Siehe Sten. Ber., 1. Wahlperiode, 68. Sitzung am 29. April 1948, S. 1326, sowie 70. Sitzung am 12. 5. 1948, S. 1412 u. 1422.

  50. So stufte noch im März 1970 der Sonderausschuß Parlamentsreform des Landtags von Nordrhein-Westfalen in seinem Bericht die Öffentlichkeit der Ausschüsse unter die Vorschläge ein, „von deren Zweckmäßigkeit" et sich „nicht überzeugen konnte". Vgl. Drucksache VI/1856 (NRW).

  51. So am 17. 7. 1947, am 29. 7. 1948, am 16. 3. und 5. 4. 1949 und am 30. 5. 1951.

  52. Z. B. Ausschuß für Geschäftsordnung, 2. Wahlp., 40. Sitzung am 24. 5. 1954, S. 26— 31.

  53. Ebd., S. 28 (Abg. Zdralek): „Nachdem die Öffentlichkeit nun einmal da sei, könne man sie nicht wieder beseitigen."

  54. Ebd., S. 29 (Abg. Bezold als Berichterstatter).

  55. Beschluß des Unterausschusses zur Erarbeitung einer neuen GO in seiner 25. Sitzung am 24. 7. 1953. Siehe GO 1954, § 32, 3; Mitteilungen über Namen der Redner und Fraktionen bleiben allerdings unzulässig.

  56. Ausschuß zur Einbringung von Vorschlägen für die Verwaltungsvereinfachung, 16. Sitzung am 17. 10. 1955.

  57. Vgl. Elisabeth Noelle/Erich Peter Neumann (Hrsg.), Jahrbuch der öffentlichen Meinung 1958 bis 1964, Allensbach und Bonn 1965, S. 261 ff.

  58. So der Abg. Dr. Lippert im Ausschuß zur Einbringung von Vorschlägen für die Verwaltungsvereinfachung, a. a. O.

  59. Zur Befürchtung, es werde in den Ausschüssen mehr für die Öffentlichkeit und weniger zur Sache gesprochen, sagt Landtagspräsident Rudolf Hanauer: „Die Erfahrung widerlegt diesen Einwand weitgehend." Siehe seinen Beitrag: Die Vertretung des bayerischen Volkes im Landtag, in: Nach 20 Jahren. Diskussion der Bayerischen Verfassung (= Arbeitsheft 24 der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit), München 1966, S. 37.

  60. Wilhelm Hennis, Rechtfertigung und Kritik der Bundestagsarbeit, a. a. O., S. 111.

  61. Vgl. Ausschuß für Geschäftsordnung, 6. Wahlp., 7. Sitzung am 30. 5. 1968, S. 2 f.

  62. So Abgeordneter Bezold im Landtag am 12. 2. 1960, Sten. Ber., 4. Wahlp., Bd. 2, S. 1325.

  63. So auch Rudolf Hanauer, a. a. O., S. 38.

  64. Hermann Meyn, a. a. O., S. 26, unterstreicht dies im Hinblick auf die Beratung der Presse-und Rundfunkgesetze in Bayern und Nordrhein-Westfalen.

  65. Rudolf Hanauer, a. a. O., S. 38.

  66. Vgl. für den Bundestag Will Rasner, Herrschaft im Dunkel? Aufgabe und Bedeutung des Ältesten-rates, in: Hübner, Oberreuter, Rausch (Hrsg.), Der Bundestag von innen gesehen, München 1969, S. 108.

  67. GO § 33, 3.

  68. Verfassung des Freistaates Bayern, Art. 61, 3.

  69. GO 1954, § 32, 1.

  70. So entsprach es der üblichen Praxis, daß der Haushaltsausschuß über den Verkauf der Berchtesgadener Hotels, der sich später zu einer delikaten Affäre der Landespolitik entwickelte, in geheimer Sitzung verhandelte. Das Protokoll ist inzwischen nach Aufhebung der Geheimhaltung einsehbar.

  71. Vgl. GO § 50 sowie Sten. Ber., 2. Wahlp., 224. Sitzung am 2. 7. 1954, S. 2366.

  72. In diesem Falle befürchtete der Wirtschaftsminister die Gefährdung entsprechender Pläne durch vorzeitige Presseveröffentlichungen. Dennoch wurde die Presse zur nichtöffentlichen Sitzung zugelassen, wenn auch mit der Auflage, von bestimmten Ausführungen nicht zu berichten. Vgl. Ausschuß für Grenzlandfragen, 5. Wahlp., 4. Stzg. am 20. 6. 1963, S. 27. Die Potokolle nichtöffentlicher Sitzungen verwahrt der Direktor des Landtags-amtes, auf dessen Auskünfte sich die allgemeinen Angaben stützen.

  73. Die sachliche Arbeit werde nicht dadurch gefördert, „daß man sich in die Nähe der Sensation begebe" (Abg. Mack, CSU, Ausschuß für Ernährung und Landwirtschaft, 4. Wahlp., 23. Stzg. am 29. 3. 1960, S. 2 f.). Die Abgeordnete Hamm-Brücher (FDP) regte sogar generelle Überlegungen für die Zukunft an, „ob sachliche Beratungen im Ausschuß mit Fernsehen durchgeführt werden sollen. Diskussionen könnten auch in den Fernsehstudios durchgeführt werden. Der Aussprache sei die Anwesenheit der Fernsehleute__ nicht besonders dienlich"

  74. Abg. Hirsch (SPD) im Ausschuß für Verfassungsfragen und Rechtsfragen, 4. Wahlp., 40. Stzg. am 1. 12. 1959, S. 2— 4, und Abg. Maag (SPD) im Landwirtschaftsausschuß, vgL Anm. 73, S. 2 f.

  75. Besonders Abg. Kiene (SPD) im Landwirtschaftsausschuß (vgl. Anm. 73).

  76. So am 1. 12. 1959 im Verfassungs-und Rechtsausschuß (vgl. Anm. 74).

  77. So am 29. 3. 1960 im Landwirtschaftsausschuß (vgl. Anm. 73).

  78. Auch auf Bundesebene war dieses Verhältnis nicht spannungsfrei. Der Ältestenrat des Bundestages revidierte sein nach einigen Experimenten in den fünfziger Jahren 1958 erlassenes Verbot von Direktübertragungen erst 1964. Vgl. Hedwig Meer-mann, Berichterstattung aus den Parlamenten, in: Das Parlament Nr. 2/1969, und Günter Müggenburg, Das Parlament auf dem Bildschirm, in: Das Parlament Nr. 35— 36/1969.

  79. Helga Haftendorn, Die politische Funktion der Parlamentsberichterstattung, in: Publizistik H. 5/6, 1961, S. 290 ff.

  80. Leider gibt es bisher keine umfassende, mit empirischem Material untermauerte aktuelle Untersuchung über die Parlamentsberichterstattung. Neben der Arbeit Haftendorns ist der Interessierte auf Gelegenheitsprodukte angewiesen. Vgl. Thomas Dehler, Parlament und Presse, in: Zeitungsverlag und Zeitschriftenverlag 1965, Nr. 43/44, S. 1990 s.; Rudolf Hanauer, Die Rolle der Presse im Parlament, ebd., S. 1992 ff.; Hedwig Meermann, Berichterstattung aus den Parlamenten, in: Das Parlament Nr. 2/1969; Günther Müggenburg, Das Parlament auf dem Bildschirm, in: Das Parlament Nr. 35— 36/1969; Fritz Sänger, Parlament und Parlamentsberichterstattung — wer hat den Schwarzen Peter?, in: Hübner, Oberreuter, Rausch (Hrsg.), Der Bundestag von innen gesehen, München 1969, S. 261 ff. Rein historische Untersuchungen über die bayerische Situation gibt es von Georg Raubold, Die bayerische Landtagsberichterstattung vom Beginn des Verfassungslebens bis 1850, München 1931, und von Erich Schosser, Presse und Landtag in Bayern von 1850 bis 1918, Diss. München 1951, inzwischen als Heft 6 der Reihe MISCELLANEA BAVARICA MONACENSIA, München 1968, erschienen.

  81. Vgl. Kurt Peschel, Die Publizität der Verhandlungen des Bundestags, in: Neue Stenographische Praxis Nr. 1/1965, S. 7 f. 81a) Vgl. dazu die Rede des Präsidenten des Deutschen Bundestages vor dem Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger. In: Das Parlament, Nr. 19/1970.

  82. Sten. Ber. 1. Wahlp., Bd. I, Nr. 8, S. 198.

  83. „Unsere bayerische Presse hat in den letzten Monaten gesündigt, Wie man schwerer gar nicht sündigen kann. Was wir hier gearbeitet haben, hat es eine Resonanz in dieser Presse gefunden? . . . Es hat gar keinen Sinn, wertvolle und wichtige Arbeit zu leisten, wenn die Presse eine Interesselosigkeit zeigt, die man nicht überbieten kann. Als im Staatshaushaltsausschuß kürzlich die Frage eines schweren Verfassungsbruchs erörtert wurde, stand keine Silbe davon in der Presse. Aber die Sensationslust Volkes unseres wurde mit Mitteilungen über die WAV (= Wirtschaftliche Aufbau-Vereinigung, die rechtsextreme Partei des umstrittenen Alfred Loritz, d. Vers.) gefüttert." Thomas Dehler, Sten. Ber., 1. Wahlp., Bd. II Nr. 37, S. 245.

  84. Vgl. Antrag des Abgeordneten Haußleiter auf Erhöhung der Papierzuteilung für die Zeitungen, Beilagen, 1. Wahlp., Bd. I, 337, 382, und Antrag des Abgeordneten Linnert auf Förderung der Arbeit der Presse, Beilagen, 1. Wahlp., Bd. II, 996, 1200, 1255, 1596.

  85. Sten. Ber. 1. Wahlp., Bd. II, Nr. 37, S. 273.

  86. Hans Stützle, Stellungnahme zur Öffentlichkeit der Landtagsausschüsse in Bayern, Brief an den Fraktionsgeschäftsführer der CDU in Baden-Württemberg vom 15. 3. 1963. Hervorhebung vom Vers.

  87. Karl Köbelin (SZ), Informationsgespräch mit dem Vers.

  88. „Die Arbeit des Parlaments muß dem kleinen Mann entsprechend nahegebracht werden, so daß er an ihr teilhaben kann — andererseits geht es aber auch darum, die Stimme der Provinz in die Landeshauptstadt hineinzutragen" (Oskar Hatz, PNP).

  89. Rudolf Hanauer, Die Rolle der Presse im Parlament, a. a. O., S. 1993.

  90. Die Klage darüber ist unter Politikern allgemein. Vgl.den Hinweis bei Wolfram, Dorn, Effizienz statt Evidenz? Oder: Wie öffentlich ist der Bundestag?, in: Hübner, Oberreuter, Rausch (Hrsg.), Der Bundestag von innen gesehen, München 1969, S. 229.

  91. So ist es unentschuldbar, wenn bei einer Interpellation der Opposition die Redaktion selbst einen spärlichen Hinweis des Korrespondenten auf den Interpellanten und seine Fragestellung tilgt, wie der Regensburger Tages-Anzeiger am 4. 12. 1964.

  92. Einen interessanten Fall schildert Thomas Dehler, Parlament und Presse, a. a. O., S. 1991.

  93. über diese Methode führte Landtagspräsident Flanauer auf dem Höhepunkt der Berchtesgadener Hotelaffäre bewegte Klage: „Aufrichtig bedanken möchte er (Hanauer, d. Vers.) sich bei den Mitgliedern der Landtagspresse, die nicht mitgemacht hätten und von denen er wisse, daß sie von ihren Redaktionen Vorwürfe bekommen haben, weil sie in den allgemeinen Sensationstrubel nicht eingestiegenseien. Die Redaktion einer Zeitung habe unter dem Namen eines sehr geachteten Mitgliedes der Landtagspresse eine Meldung ... einfach hin-

  94. Rudolf Hanauer, Die Rolle der Presse im Parlament, a. a. O., S. 1994.

  95. Ebd.

  96. Untersucht wurde die Berichterstattung über die Tagungswoche vom 13. 9. bis 15. 9. 1966 in 5 Zeitungen mit beherrschender Stellung in ihrem Verbreitungsgebiet: Süddeutsche Zeitung für München und Bayern. Münchner Merkur für München und die umliegenden Kreise, Passauer Neue Presse für Ostbayern, Mittelbayerische Zeitung und Tages-Anzeiger für Regensburg und die umliegenden Kreise.

  97. Augsburger Allgemeine; Der Allgäuer; Süddeutsche Zeitung; Münchner Merkur; Donau-Kurier; Oberbayerisches Volksblatt; Trostberger Tagblatt; Reichenhaller Tagblatt; Passauer Neue Presse; Straubinger Tagblatt; Mittelbayerische Zeitung; Tages-Anzeiger Regensburg; Der Neue Tag, Weiden; Nürnberger Nachrichten; Fränkische Landeszeitung; Fränkische Tagespost; Bayerische Heimatzeitungsverleger eGmbH. Von der Münchner Abendzeitung abgesehen fehlen lediglich: Schongauer Nachrichten (Auflage: 6800), Berchtesgadener Anzeiger (5500) und Heimatpresse München (19 800). Vgl. Walter J. Schütz, Die redaktionelle und verlegerische Struktur der deutschen Tagespresse, in: Publizistik 1/1966, S. 25 ff.

  98. Vgl. Sten. Ber. 5. Wahlp., 61. Sitzung am 3. 12. 1964.

  99. Donau-Kurier Ingolstadt, Reichenhaller Tagblatt, Straubinger Tagblatt, Fränkische Tagespost, Fränkische Landeszeitung. Die apodiktische Behauptung, die Leser mittlerer und kleinerer Provinzblätter erlitten stets Informationsdefizite, wird hier keinesfalls bestätigt. Sie trifft lediglich auf die in ihrem politischen Teil gänzlich abhängigen kleinen Heimatzeitungen zu.

  100. So der Titel der Kolumne in der Passauer Neuen Presse. Vgl. außerdem: Donau-Kurier („Bayern-Revue"), Main-Post (Würzburg, „Der Landtag diese Woche"), Mittelbayerische Zeitung („Bayerisches Kulissengeflüster"), Tages-Anzeiger („Münchner politisches Mosaik"), Süddeutsche Zeitung („Von Sebastian erlauscht").

  101. Die Pressearbeit von Partei und Fraktion verläuft weitgehend unkoordiniert und lange Zeit war der Redakteur der Unionscorrespondenz (UC) gleichzeitig Fraktionsgeschäftsführer, eine an sich bereits voll beanspruchende Aufgabe. Ähnliche Mängel gab es hinsichtlich der technischen und personellen Ausstattung der Pressestelle.

  102. Dazu hilft ein hervorragend geführtes und aufgeschlüsseltes Archiv, das eine Fülle von Material jederzeit zugänglich hält.

  103. Ein Beispiel: Anläßlich eines Pipeline-Unfalls gab die Pressestelle einem wegen der Trinkwasserversorgung seiner Heimatstadt besonders betroffenen Abgeordneten entsprechende Informationen. Durch selbständige Recherchen deckte er weitere Mängel auf und setzte seine Erkenntnisse sogleich in eine schriftliche Anfrage an die Staatsregierung um. Vgl. Sozialdemokratische Pressekorrespondenz (spk) 80/1966.

  104. Das Inhaltsverzeichnis für das Jahr 1966 nennt 143 Stichworte von „Asphaltdecken" bis „Zuckerkrankheit".

  105. Ein Beispiel: Als aus der umstrittenen Pipeline Genua—Ingolstadt zum zweiten Mal innerhalb weniger Wochen 'öl austrat, brachte dpa am 9. 12. 1966 wenige Stunden nach der Unfallmeldung (12. 48) und zusammen mit der Stellungnahme der Ölfirma bereits eine Zusammenfassung der Stellungnahme der SPD (16. 20), die von der „am fahrlässigsten überwachten Leitung Europas" sprach und der staatlichen Überwachung ein gerüttelt Maß an Schuld zuschob. Die Pressemeldungen tags darauf enthalten zugleich diese Kritik, z. T. besonders hervorgehoben. Damit war die Kontrollfunktion der Opposition deutlich sichtbar wahrgenommen.

  106. Eine Mitteilung über die Verfassungsklage der SPD gegen das Landeswahlgesetz vom 26. 5. 1966 umfaßte nur 18 Zeilen. Die Kürze ermöglichte ihren unverfälschten Niederschlag in fast der gesamten bayerischen Presse.

  107. Schon die Schlagzeilen der Zeitungen weisen eine weite Streuung auf: „Auftrieb aus Düsseldorf" (SZ), „Gabert: CSU bleibt vorn" (Fränkisches Volksblatt), „SPD warnt Kultusminister" (Augsburger Allgemeine). In 21 untersuchten Berichten wurde über die Spekulationen zum Wahlausgang 20mal, über das Volksschulgesetz 17mal und über junge Kandidaten 13mal informiert, wobei der den Themen eingeräumte Platz der Häufigkeit der Erwähnungen entspricht. Die Verjüngung der Kandidaten ist überall lediglich ein Annex der Berichterstattung.

  108. Kurzfassungen von Reden, Erklärungen des Fraktionschefs, allgemeine Mitteilungen.

  109. Gisela Sänger, Die Funktion amtlicher Pressestellen in der demokratischen Staatsordnung, Frankfurt 1966, S. 26 ff. Eine rein juristische und wenig aussagekräftige Darstellung gibt Walter Leisner, Öffentlichkeitsarbeit der Regierung im Rechtsstaat, Berlin 1966.

  110. So z. B. Regierungserklärungen des Ministerpräsidenten.

  111. So ein Tätigkeitsbericht der Regierung zum Abschluß der letzten Wahlperiode: Was in Bayern geschah — Die Staatsregierung berichtet, München 1966, 44 S.

  112. Parallelen gibt es in Berlin, Bremen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein.

  113. Rudolf Hanauer, Sten. Ber. 5. Wahlp., 112. Sitzung am 9. 11. 1966, S. 4217.

  114. „Wenn der Landtag das Volksbegehren ablehnt, kann er dem Volk einen eigenen Gesetzentwurf zur Entscheidung mit vorlegen." Bayer. Vers. Art. 74, 4. Ein letztes Wort hat auch die Staatsregierung, denn sie hat jeden dem Volk vorgelegten Entwurf mit einer Weisung zu begleiten, „die bündig und sachlich sowohl die Begründung der Antragsteller wie die Auffassung der Staatsregierung über den Gegenstand darlegen soll" (Art. 74, 7).

  115. Bayer. Vers. Art. 115; GG Art. 17.

  116. . GO § 86, 3.

  117. GO § 86, 1.

  118. Der Landtag erhielt in fünf Legislaturperioden insgesamt 41 872 Eingaben. Davon bearbeitete der Petitionsausschuß nach Unterlagen des Landtags-amtes 26 577. Die Zahlen für die letzte Wahlperiode: Eingaben insgesamt: 5280. Davon entfielen auf den Petitionsausschuß 2230, auf die übrigen Ausschüsse 3050. Vgl. Sten. Ber. 5. Wahlp., 112. Stzg., S. 4217 und Bayerischer Landtag, Tätigkeitsbericht für die 5. Wahlperiode 1962— 1966, o. O. (München), o. J. (1967). Leider konnte sich ein Vorschlag des Vorsitzenden des Petitionsausschusses, periodisch Sitzungen in der Provinz durchzuführen, um die Arbeit des Ausschusses dem Bürger noch näher zu bringen, zu Beginn dieser Wahlperiode nicht durchsetzen.

  119. Die folgenden Ausführungen stützen sich auf die Erfahrungen der beiden langjährigen Regensburger Abgeordneten Rudolf Schlichtinger ([SPD] zugleich Oberbürgermeister), und Richard Wagner (CSU).

  120. Nach Schlichtinger sind kaum 5 v. H.der etwa 1000 „Fälle“ jährlich für eine Behandlung im Parlament oder zum Vorbringen bei der Regierung geeignet.

  121. Das Problem der Lobby soll hier nicht unterschätzt werden. Allerdings stellt es sich auf Länderebene anders, da die tatsächlich „mächtigen" Verbände dort nicht ihr Aktionsfeld haben. Insgesamt scheint es aber empfehlenswert, den Blickwinkel von der Lobby auf den gesamten außer-parlamentarischen Druck auf Abgeordnete auszuweiten. Zum engeren Thema siehe Klaus v. Beyme, Interessengruppen in der Demokratie, München 1969, Hans-Joachim v. Merkatz, Regiert die Lobby?, in: Hübner, Oberreuter, Rausch (Hrsg.), Der Bundestag von innen . gesehen, München 1969, S. 198 ff., Otto Stammer, Verbände und Gesetzgebung, Köln und Opladen 1965.

  122. In der letzten Wahlperiode wurden 562 schriftliche Anfragen eingebracht und in 27 Fragestunden außerdem 395 mündliche Anfragen beantwortet. Anträge gab es 813.

Weitere Inhalte

Heinrich Oberreuter, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Geschwister-Scholl-Institut für Politische Wissenschaft der Universität München, z. Zt. beim Deutschen Bundestag, geb. 21. September 1942. Veröffentlichungen u. a.: Notstandsgesetzgebung und Pressefreiheit, in: Publizistik, 1968, H. 2— 4; Der Bundestag von innen gesehen, München 1969 (Mithrsg.); Zum Parlamentsverständnis des fünften Deutschen Bundestages. Die Möglichkeit von Zielkonflikten bei einer Parlamentsreform, Bonn 1969 (Mitverf.).