Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

Vor fünfzig Jahren -Oktober 1918 Eine Dokumentation | APuZ 43/1968 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 43/1968 Vor fünfzig Jahren -Oktober 1918 Eine Dokumentation

Vor fünfzig Jahren -Oktober 1918 Eine Dokumentation

Winfried Baumgart

Wenn wir in unserer Zeit des Jahrestages eines bedeutenden Ereignisses unserer nationalen Geschichte, zumal der jüngsten Vergangenheit, gedenken, ist das zumeist kein Grund zum Feiern, sondern zum Nach-Denken, häufig auch Anlaß zu kritischem Überprüfen unseres Wissens über dieses Ereignis. Das Auf linden neuer Quellen zwingt uns dabei oft genug, von liebgewonnenen Vorstellungen Abschied zu nehmen, ermöglicht es aber auch, altbekannte Positionen unter ganz neuen Aspekten zu beleuchten.

Die folgende Dokumentation öffnet den Zugang zu dieser zweiten Möglichkeit. Sie trägt zur Antwort auf die Frage bei: Wie dachte man vor fünfzig Jahren angesichts des Zusammenbruchs über die Zukunft Deutschlands, wie beurteilte man die unmittelbare Vergangenheit, die zu dem nationalen Unglück der eigenen Gegenwart geführt hatte?

Die zu Worte kommenden Stimmen wurden unter einem ganz bestimmten Gesichtspunkt ausgewählt. Es sind Reflexionen — oft erschreckend aktuell anmutend — von Männern, die das Nahen der deutschen Revolution aus der Ferne, von Rußland her, beobachten konnten und die bereits selbst durch das Bad der russischen Revolution gegangen waren oder ihre furchtbaren Auswirkungen gespürt hatten. Daß die Ergebnisse ihres Nachdenkens zum Teil entgegengesetzt (zum Teil aber auch erstaunlich gleichartig, bis in einzelne Formulierungen hinein) ausfallen, ist in Zeiten eines derartigen Umbruchs, wie ihn der Oktober 1918 ankundigte, nicht verwunderlich, ja eigentlich natürlich.

Bei den einleitenden Bemerkungen und den Aufzeichnungen (Tagebuchnotizen, Briefen und Berichten) des Schriftstellers Alfons Paquet, General Wilhelm Groeners und Admiral Albert Hopmans handelt es sich um einen ausgewählten Vorabdruck einer im nächsten Jahr beim Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen, in der Reihe „Deutsche Geschichtsquellen des 19. und 20. Jahrhunderts" erscheinenden Edition. Den Aufzeichnungen dieser drei Männer vorangesteilt werden eine Denkschrift Eduard Stadtlers, der 1918 bis zum August des Jahres Mitarbeiter der deutschen Gesandtschaft in Moskau für Presseangelegenheiten — also Mitarbeiter Paquets — war und der in den folgenden Monaten und Jahren als leidenschaftlicher Be-kämpfer des Bolschewismus von sich reden machte; ferner eine Blütenlese der publizistischen Tätigkeit Karl Radeks vom Oktober 1918 mit einer einleitenden Charakteristik dieses wohlbekannten (von der heutigen marxistischen Geschichtsschreibung jedoch totgeschwiegenen) Bolschewisten durch den österreichisch-ungarischen Generalkonsul in Moskau, Georg de Pottere.

Die Einleitung zu der erwähnten Edition ist für diesen Vorabdruck ohne nähere Kennzeichnung erheblich gekürzt worden. Sonstige Auslassungen sind gekennzeichnet. Die Anmerkungen wurden auf ein Mindestmaß reduziert. Sämtliche Quellen sind bisher, von Teilstücken der Groener-Briefe abgesehen, noch nicht veröffentlicht worden.

W. B.

Einleitung

Die Aufzeichnungen Alfons Paquets aus dem Jahre 1918 bieten in der Intensität der Aussage und der unmittelbaren Kraft des Ausdrucks Einblick in die geistige Werkstatt eines großen einsamen Weltbürgers. Wie in seinem sonstigen literarischen und journalistischen Schaffen fließen auch in seinem Tagebuch die Grenzen zwischen dem Dichterischen und dem Publizistischen ineinander. Das ist um so bemerkenswerter, als ihm seine Moskauer Auf- Zeichnungen eigentlich nur als Grundlage für Augenzeugen-Berichte an eine Zeitung über die russische Revolution dienen sollten. Immer ist viel Pathos in seinem impressionistischen Stil, der — gerade weil er nicht für die Veröffentlichung bestimmt war — durch seine unmittelbare Frische und ungeläuterte Ursprünglichkeit beeindruckt, der mosaikartig zufällige Beobachtung von Äußerlichkeiten neben Wiedergabe aufrührender innerer Erlebnisse setzt, bloße Aufzeichnung von Gesprächen neben tiefes Nachsinnen über das Gewaltige des Geschehenden. Das Tagebuch Wilhelm Groeners dagegen bietet Einblick Vireniger in die Welt seines Geistes als die seines Tuns und Handelns. Es ist das Kriegstagebuch eines Offiziers, in dem dieser seine Kriegserfahrungen zur späteren Auswertung sammeln wollte und das als Grundlage für eine spätere Autobiographie dienen konnte. Darüber hinaus trägt es aber auch das Kennzeichen eines privat geführten Tagebuchs wie dasjenige Paquets. Beide halten das Geschehene und Erlebte unmittelbar unter dem frischen Eindruck fest und bannen die augenblickliche Denkweise in eine photographisch genaue Momentaufnahme.

Diese Kennzeichen gelten auch für das Tagebuch Albert Hopmans, das in seiner Anlage zunächst einmal von dem dienstlich vorgeschriebenen Logbuch des Seeoffiziers geprägt ist: Es gibt mit genauen Zahlen-und Zeitangaben Tagesgeschehnisse, Lagebeurteilungen, Entschlüsse, ein-und ausgehende Befehle und Meldungen wieder. Aber auch bei Hopman ist das subjektive Moment in der Führung des Tagebuchs stark und von unschätzbarem historischem Wert.

Mögen sich die drei Tagebücher also trotz gemeinsamer Eigenschaften stark unterscheiden — die Berechtigung für die Wiedergabe in einem und demselben Rahmen gewinnen sie aus anderen Gründen. Sie bieten eine wichtige Ergänzung zu den Darstellungen und Quellenveröfientlichungen des Herausgebers über die deutsche Ostpolitik des Jahres 1918, die sich ganz überwiegend auf die amtlichen Akten gründeten bzw. sie Wiedergaben. Während in diesen Studien die Quellen der Zentren der politischen Willensbildung — Berlin und Spa, das deutsche Auswärtige Amt und das Große Hauptquartier — der Ausgangspunkt der Untersuchung waren, handeln die vorgelegten Quellen von den Zentren, an denen die ostpolitischen Entschlüsse der amtlichen Stellen ausgeführt wurden: von Moskau, der Bastion des auf das vorpetrinische Rußland zusammengeschrumpften bolschewistischen Herrschaftsbereichs, und von Kiev und Sevastopol, zwei militärischen und wirtschaftlichen Hauptstützpunkten der deutsch besetzten Gebiete des ehemaligen Zarenreiches. Weiterhin sollen die vorgelegten Quellen Aufschluß darüber bieten, wie von berufenen und maßgeblichen Beobachtern das Phänomen des Bolschewismus an Ort und Stelle beurteilt und eingeschätzt wurde, in Moskau gewissermaßen in seiner regierungsamtlichen Tätigkeit, in der direkten Durchführung seiner umstürzenden Ideen, an den beiden anderen Orten in seiner unheimlichen, dem plumpen Stiefeltritt der brutalen militärischen Gewalt zumeist entzogenen Untergrund-und Widerstandsarbeit.

Der Wert der Dokumente auch für die anhaltende Diskussion über die Geschichte des Ersten Weltkriegs steht außer Frage. Die Aufbereitung von Quellen ist im deutschen Bereich bei dieser manchmal erhitzt geführten Auseinandersetzung zugunsten der Darstellung sehr vernachlässigt worden; sie wurde entweder der nichtdeutschen westlichen Forschung überlassen — wie die verdienstvollen Publikationen der Franzosen Scherer und Grunewald oder die des Exilukrainers Hornykiewicz bezeugen —, oder sie wurde von der marxistischen Forschung übernommen. Hier ist geradezu eine Renaissance der Editionstätigkeit über den Ersten Weltkrieg (besonders über die Jahre 1917/18) zu beobachten, von deren Ausmaß und Wert die nicht-marxistische Wissenschaft bisher unzureichend Kenntnis genommen hat. Noch von einem anderen Gesichtspunkt her läßt sich die Bedeutung besonders der beiden Tagebücher militärischer Provenienz einschätzen. Nach Auskunft eines Mitglieds des ehemaligen Reichsarchivs Potsdam aus dem Jahr 1922 verfügte das Reichsarchiv zu jener Zeit über eine Sammlung von bereits etwa 41 000 Kriegsteilnehmer-Berichten; darunter verstand es private Kriegstagebücher (nicht amtliche!), Feldbriefe sowie Berichte, Aufzeichnungen und Schilderungen, die erst nachträglich auf Grund von Notizen oder aus dem Gedächtnis von Beteiligten niedergeschrie’oen wurden oder irn Druck erschienen waren. Bedenkt man, daß diese reiche Sammlung, die in den folgenden Jahren sicherlich noch vermehrt wurde, im letzten Krieg zum allergrößten Teil vernichtet worden ist, läßt sich der Wert jetzt neuaufgefundener „Kriegsteilnehmer-Berichte" kaum ermessen.

Alfons Paquet (1881— 1944) Paguets literarisches Schaffen ist heute weithin in Vergessenheit geraten, aber, wie Kasimir Edschmid 1^) 61 in einem Gedächtnisartikel schrieb nur für eine gewisse Zeitspanne, bis „der Lärm der formellen Experimente-macher der Literatur" verstummt sei. Sofern Paguet heute, besonders im Zusammenhang mit seiner publizistischen Tätigkeit, irgendwo am Rande erwähnt wird, geschieht es in einer Form, der recht ungenaue Vorstellungen zugrunde liegen. So wurde er jüngst schlichtweg als „marxistischer Dramatiker“ und wegen seiner „unkritischen, emotionalen Hinwendung zur russischen Sowjetmacht" als Wegbereiter für die „Bolschewisierung der KPD" bezeichnet Das hier veröffentlichte Moskauer Tagebuch und noch mehr seine 1919 in Deutschland gehaltenen Vorträge enthüllen zwar ein gewisses Maß an Idealisierung des Bolschewismus, offenbaren aber gleichzeitig, daß er mit Schärfe‘dessen Methoden und geistige Mängel richtet und ihn zur Wirklichkeit zurückführt, indem er seine Idee nur als Richtpunkt für die damalige geistige und materielle Entwicklung gelten läßt. Daß hier offene Fragen bleiben, wird noch festzustellen sein.

Alfons Paguets Persönlichkeit ist jedenfalls zu vielschichtig, als daß man ihr mit Klischeevorstellungen gerecht zu werden vermöchte. Daß die marxistische Literaturgeschichtsschreibung ihn nicht erwähnt, steht auf einem anderen Blatt. Wenn aber die Cicerin-Biographen Zarnickij und Sergeev ihn in seinen Beziehungen zum sowjetrussischen Außenkommissar als Sprachrohr Riezlers abtun so. irren sie. Durch das Tagebuch läßt sich diese Charakterisierung vielfach widerlegen. Der Vergleich der amtlichen Akten mit dem Tagebuch ermöglicht nämlich in zahlreichen Fällen den genauen Nachweis, daß Telegramme, die Riezlers Unterschrift oder später die des deutschen Generalkonsuls Hauschild tragen, von einzelnen Formulierungen bis hin zum vollständigen Wortlaut auf Paquet zurückzuführen sind.

Die Jahre 1910— 1930 sind die Zeit, in der Paquet sich viel mit Rußland beschäftigt, in kulturphilosophischen Betrachtungen, in Korrcspondenten-Berichten, in Romanen und in experimentellen Dramen. Die umstürzenden Jahre der Revolutionen 1917— 19 erlebt und erleidet er aus nächster Nähe. Das Thema der großen russischen Revolution beschäftigt ihn in diesen Jahren fast ausschließlich. Das 1917 in Stockholm wie das 1918 in Moskau geführte Tagebuch gedachte er in den vierziger Jahren zusammen mit seinen Aufsätzen über Rußland in der von ihm geplanten Gesamtausgabe seiner Werke unter dem Titel „Das russische Gesicht" zu veröffentlichen. Ende der dreißiger Jahre lag der Roman „Von November bis November" im Entwurf vor, der sich in weiten Teilen am Stockholmer und Moskauer Tagebuch orientiert.

Nach anfänglich hochfliegenden, zuweilen phantastisch anmutenden Erwartungen über den Ideengehalt der russischen Revolution, über die Fruchtbarkeit der geistigen Auseinandersetzung bei der Begegnung des Westens mit dem Osten wandte er sich schließlich enttäuscht über die fort und fort Gewalttätigkeit und Unmenschlichkeit zeugende Entwicklung der Verhältnisse im Osten von Rußland ab. Gewalttätigkeit und Unmenschlichkeit brachen in der Zeit des Nationalsozialismus auch bald über ihn herein. In der großen proletarischen Massenbewegung hatte dieser Mann einst Zuflucht gesucht, um der Einsamkeit des Geistes, die ihm bisher der einzige Raum für die Entfaltung seines Schöpferdranges gewesen war, zu entfliehen. Die daraus elementar hervorbrechenden Machtinstinkte glaubte er durch die „Ehrerbietung des Menschen vor dem Menschen" (so übersetze er das chinesische Wort „Li") bändigen zu können. Mit dem Problem des Machtgebrauchs und -mißbrauchs im bolschewistischen Herrschaftssystem aber ist er intellektuell nicht fertig geworden. 1933 ließ er sich unter die Quäker aufnehmen, die er schon 13 Jahre zuvor als eine Gruppe feierte, „die in der religiösen Freiheit vorangeht", die versuche, „das Ideal der Gleichheit und Brüderlichkeit über alle spontane Philanthropie hinaus in jenem systematischen Kampf gegen Krankheit, Armut und soziale Entartung zu erfüllen, wie ihn auch der Sozialismus meint, wenn er das wissenschaftliche Studium der Gesellschaft und ihrer Einrichtungen als Vorbedingung dieses Kampfes erfordert"

Schon im November 1918, als es im deutschen Generalkonsulat in Moskau zu einer Palastrevolution, die die Ereignisse in Deutschland vorwegnehmen sollte, gekommen war, hatte Paquet eingestehen müssen, daß die Revolution, von nahem besehen und am eigenen Leibe erfahren, sich doch garstig ausnehme. Diese Erfahrung wiederholte sich nach 1933. Das Herrschaftssystem des Nationalsozialismus konnte zwar seinen weitgespannten Geist nicht einengen, auch wenn es seine Bücher verbrannte und seine schriftstellerische Tätigkeit einschränkte, doch seine physische Widerstandskraft empfindlich treffen. Schon die erste Verhaftung 1936 aus dem Zuge heraus, als er auf der Reise von Berlin nach Schweden war. wo er seinen Stockholm-und Moskau-Roman „Von November bis November" veröffentlichen lassen wollte, brachte ihm nach mehreren Wochen Haft eine schwere Herzembolie ein. Es bedurfte dann in der Kriegszeit nur der Aufregung einer Bombennacht in einem Luftschutzkeller seines geliebten Frankfurt, um sein geschwächtes Flerz für immer stillstehen zu lassen.

Im Ersten Weltkrieg war Paquet seit 1916 Korrespondent der „Frankfurter Zeitung" in Stockholm. Dort war der wichtigste Beobachtungs-und Horchposten für die Verhältnisse in Rußland. Es war die Zeit, schrieb Paquet einmal rückblickend, da die P-Telegramme aus Stockholm sozusagen zum täglichen Kriegs-brot gehörten. Er empfand es als einen der schönsten Augenblicke seines Lebens, als er an einem nebligen Dezemberabend 1917 in seinem Zimmer Sibyllegatan 22 in tiefer Heimlichkeit die Vertreter zweier kriegführender Mächte zu dem ersten Gespräch über die Modalitäten des Friedensschlusses zusammenführen konnte. Das waren der damalige Legationsrat Riezler und der russische Ingenieur Vorovskij. In dieser Zusammenkunft lag der Anfang der Verhandlungen, die zu dem denkwürdigen Friedensschluß von Brest-Litovsk führten.

Aus seinem vom Himmelfahrtstag 1917 an in Stockholm geführten Tagebuch läßt sich der rege Gedankenaustausch Paquets mit Sozialisten wie Parvus-Helphand, mit Bolschewisten wie Vorovskij und Radek und mit Diplomaten wie Riezler und Lucius von Stoedten herauslesen. Paquet kam in diesen Gesprächen zum erstenmal in nähere Berührung mit der Gedankenwelt des Sozialismus und des Bolschewismus. Radek gegenüber erklärte er einmal, seine eigene Position umreißend, „aus Gründen einer aristokratischen geistigen Arbeit" überzeugter Bourgeois „mit einem Einschlag von europäischem Imperialismus" zu sein. Das „imperiale [= monarchische] Prinzip" hielt er in Deutschland für gut verankert, da es die von den Sozialisten gepredigten radikalen Schritte nicht nötig habe.

Nach der bolschewistischen Revolution im November 1917 wurde Paquet hellhörig. Von dem überschäumenden Optimismus eines Radek, von dem Lenin einmal erklärt haben soll, er verspüre nach jedem Gespräch mit ihm das Gefühl, sich von oben bis unten waschen zu müssen, Heß er sich jedoch nicht anstecken. Er bezeichnete Radek vielmehr als ein „unverschämtes und unverantwortliches Großmaul", der eine beinahe „welthistorische Herostratenrolle" spiele, als eine Figur wie aus Schillers Räubern: Moor, Schweitzer, Schufterle, Kosinsky — in einem. Die russische Revolution hielt Paquet für den größten, wildesten Sklavenaufstand der Geschichte. Die bald darauf einsetzenden Verhandlungen in Brest-Litovsk, die das pikante Bild von dem Gegenüber preußischer Offiziere (darunter auch Hopman!) und aristokratischer Diplomaten auf der einen und jüdischer Russen vom Typ eines Radek und Trcckij auf der anderen Seite boten und über die Paquet mit dem in Stockholm verbliebenen Vorovskij mancherlei interessante Beobachtungen anstellte, führten ihn zu der Erkenntnis: „Wir müssen uns schützen gegen den Ansturm aus dem Osten, gegen seine vzellbefreienden anarchischen Ideen. Dieser Sozialismus ist fruchtlos und trägt den baren Nihilismus im Schoß. Rußland ist heute nur ein asiatischer Elefant, geritten von zwei Züricher Privatdozenten, Lenin und Trockij."

Doch der Abschluß des Friedens in Brest-Litovsk verschaffte Paquet nur verhaltene Freude, „trockene, gedrückte Freude", durchmischt mit Sorge über den deutschen Macht-frieden im Osten. Und als sich Wilhelm II. mit Reden „wie in den Zeiten des üppigsten Militärkollers" vernehmen ließ, brach es aus ihm hervor: „Alles kommt gerade so, wie wir — jüngere deutsche Intelligenz — es nicht gehofft hatten.“ Ludendorff erschien ihm als der Inbegriff des „wildesten Militärgeistes", der in Deutschland denkbar sei, der alles beherrsche, indem er den Großen, wenn sie zu obstruieren wagten, mit..dem Rücktritt, den Kleinen, die nicht parierten, mit dem Hilfsdienstgesetz drohte: „Ganz Deutschland ist in Gefahr, ein Ludendorff zu werden", so faßte er sein Urteil zusammen — fürwahr ein blutiger Witz!.

Im Frühjahr 1918 reiste Paquet als Berichterstatter in das um seine Freiheit kämpfende Finnland. Sein Reisepaß trug die Nummer 1 der Weißen Regierung. Die Furchtbarkeiten des finnischen Bürgerkriegs haben ihn tief beeindruckt.

Ende Juni 1918, nach kurzem Zwischenaufenthalt in Stockholm und in Deutschland, ging Paquet als erster Korrespondent deutscher Zeitungen während des Krieges nach Moskau. Neben seiner Tätigkeit als Berichterstatter für seine Zeitung übte er die Funktion eines „Presseattaches" an der deutschen Gesandtschaft aus. Seit August des Jahres war er Lei ter des Pressebüros am dortigen Generalkonsulat. Diese Stellung hatte er bis Ende November 1918 inne, als das amtliche deutsche Personal Moskau verließ. während Die seines fünfmonatigen Aufenthalts in der „Frankfurter Zeitung" erschienenen Berichte wurden bereits im folgenden Jahr in Buchform unter dem Titel „Im kommunistischen Rußland. Briefe aus Moskau" herausgebracht. Paquet hat das Buch selbst einmal einen „stoisch-empfindlichen Augenzeugenbericht" genannt.

Während seine Berichte schon im Augenblick ihres Entstehens für die Allgemeinheit bestimmt waren, diente ihm das Tagebuch nur zum Aiufzeichnen seiner augenblicklichen Reflexionen über Menschen und Ereignisse. Beide Zeugnisse aber dürfen und müssen als Einheit betrachtet werden. Zusammengenommen sind sie ein ergreifendes, faszinierendes Dokument jener grandios-schrecklichen Tage des ersten Jahres bolschewistischer Herrschaft. Sie sind offensinnig, weitherzig und anschaulich geschrieben, mit ernsthaftem Bemühen um das Verständnis für das Menschenproblem der russischen Revolution und der Revolution überhaupt, in dem Bewußtsein, daß die Gebärde des Pharisäers gegen ein Volk, das wie das russische am Boden lag, wohl oft die erste, aber nicht die schönste ist. Sie sind ein historisches Dokument ersten Ranges. Dieses Urteil Albert Schweitzers über die „Briefe aus Moskau" können wir mit vollem Recht ebenso auf das Tagebuch anwenden. Ja, das Tagebuch läßt in vielfältiger Weise noch tiefer in den Menschen Paquet blicken. So können etwa an zwei markanten Stellen die entscheidenden Stunden seiner inneren Wandlung vom außen-stehenden distanznehmenden Beobachter zum begeisterten Befürworter des Aufbruchs eines vermeintlich befreienden neuen Weltgeistes deutlich verfolgt werden, während seine „Briefe aus Moskau" darüber kaum etwas aussagen. Paquet ist eigentlich der einzige der damals in Rußland weilenden ausländischen Augenzeugen der Revolution, die einen seelischen Umschwung von solcher Vehemenz vollzogen haben. Es sind in den letzten fünf Jahrzehnten mehr oder minder tiefgehende Erlebnisschil- derungen ausländischer Beobachter aus dem ersten Jahr der russischen Revolution erschienen, angefangen von den Briefen des französischen Hauptmanns Jacques Sadoul an Romain Rolland und Albert Thomas, die 1919 veröffentlicht wurden, bis hin zu dem Tagebuch des Attaches an der französischen Botschaft, des Grafen Louis de Robien, das 1967 erschienen ist. Bei keinem dieser Beobachter ist jedoch ein derartiger Umwandlungsprozeß, wie er sich bei Paquet entdecken läßt, festzustellen. Sie waren entweder, wie Jacques Sadoul oder der Amerikaner John Reed, Sozialisten und Kommunisten, die von vornherein Sympathien für die Revolution hegten, oder sie befürworteten, wie der Amerikaner Raymond Robins und der Engländer Bruce Lockhart, ein Ernst-Nehmen der Bolschewisten aus zumeist politischen Zweckmäßigkeitsgründen. Das Wort Sadouls, das er einmal im Juni 1918 niederschrieb: „Peut-etre serai-je seul, ici, parmi les representants de TEntente, ä pleurer la mort de la Revolution russe" darf, zumindest was die Schar der offiziellen Vertreter der Entente und der Vereinigten Staaten angeht, als durchaus zutreffend gelten. Ebenso konnte man das gleichgestimmte Wort Paquets vom November 1918: „Ich habe Angst um die Revolution hier. Warum dieses Interesse?“ aüf Seiten der deutschen Vertreter sonst aus keinem Munde hören.

Auf deutscher wie auf Entente-Seite herrschte vielmehr Kreuzzugsstimmung gegen die als tödliche Gefahr empfundene Herrschaft der Bolschewisten. Es ist erschütternd zu beobachten, wie in den Frühjahrstagen 1918 im Westen die Maschinerie zur großen Menschen-schlächterei perfektioniert wurde, während im Osten aus dem Munde eines Franzosen und eines Deutschen fast gleichlautende Kassandrarufe ertönten über den „regierenden Wahnsinn“ in Rußland, der „am besten durch Umstellung des Landes zum Verglimmen gebracht werden" müsse und über die „maison de fous“, die „Internationale du desordre“, gegen die sich die Völker des Westens gemeinsam in einer „Internationale de l'ordre“ zusammentun müßten, um den „größten Feind der Zivilisation“ in einem Kreuzzug zu vernichten Solche Stimmen ließen sich in großer Zahl anführen. Der deutsche Journalist Karl Johann von Voß, der im Juli zur Berichterstattung für das „Berliner Tageblatt“ nach Moskau ging, schrieb nach zwei Monaten unmittelbarer Beobachtung, auf dem Höhepunkt des Roten Terrors in Rußland, an seine Zeitung: „Kein tausendjähriges Reich des Sozialismus, man mag es noch so herrlich schildern, könnte das Grauen dieser Tage ausgleichen.“ Und Paquet? Er stimmt in den ersten Monaten seines Aufenthalts in den Chor dieser Rufer durchaus ein, doch bereits mit einigen charakteristischen Nuancen. Zur gleichen Zeit wie Voß schrieb er in sein Tagebuch: „Der Aufenthalt in Moskau ist wie in einem Leichen-hause. [. . . ] Ganz Moskau zittert. Windet sich in Todesängsten. /. . . /Leide unter diesen Zuständen, als ob sie im eigenen Lande wären. /... /" Und fünf Wochen vorher notierte er, ganz im Tenor der zuerst genannten Stimmen: „Wüßte Europa, was sich im Osten bis an die Küste des Stillen Meeres tut, es würde eiligst Frieden machen, nach seinen lächerlichen kleinen Binnengrenzen nicht fragen und die Reste seiner Heere verbrüdern, nur um abzuwarten, was aus dem Osten herannaht.“

Daraus spricht zwar eine gewisse ablehnende Einstellung, aber keine Kreuzzugsstimmung. Nur einmal ekeln ihn die Zustände derart, daß er den Augenblick herbeiwünscht, da Deutschland noch einmal die Faust zeige, und er einen scharfen Artikel, „Terror", gegen die schreiende Missetat, das Unrecht und die Gewalt veröffentlichen läßt — einen Artikel, den Radek ihm gegenüber mit den Worten quittiert: „Danken Sie Gott, daß Sie kein Russe sind. Ich würde Sie sonst wegen Ihrer Artikel erschießen lassen. Todsicher.“ Nur dies eine Mal ist ein Aufbegehren zu verspüren. Sonst fühlt sich Paquet als Mitverdammter in „dieser Zeit der Verdammnis", in der er bang und hilflos warten muß und von sich nur fordert, den innersten Mut zu behalten.

Ende September kehrt Paquet von einem Besuch in Petersburg fieberkrank nach Moskau zurück. Er ist tagelang ans Blaus gefesselt, über der Lektüre von Mehrings Marx-Biographie und dem Nachdenken über die Zustände in Rußland und daheim vollzieht sich in ihm die Wende

Die sich überstürzende Entwicklung in der Heimat kann er dann als „ernsten, erhabenen, tragischen Augenblick" begrüßen, als Befreiung, daß endlich der Stein ins Rollen komme, daß nun das Ende des Leides, der Demütigung, der Illusionen nahe.

Eine Reise nach Deutschland in diesen Tagen erhöht seine Spannung und Erwartung, verschafft ihm aber auch Stunden der Verzweiflung. Die Notizen hierüber sind der Höhepunkt der Darstellungs-und Aussagekraft des Tagebuchs. Paquet erlebt die Bankrott-Stimmung im Volk und bei seinen Angehörigen, empfindet Ekel vor den satten Bourgeois und ist verzweifelt über die Stupidität und Bewegungslosigkeit der Regierungsstellen in Berlin.

Nach Moskau zurückgekehrt fühlt ersieh wieder hineingerissen in die Wirbel des russischen Lebens. Die Stadt steht im Zeichen des Jahres-tages der Oktoberrevolution — geschmückte Straßen, karnevalistische Umzüge. Mit seinen Landsleuten gerät Paquet in Streit über die Frage, ob das alles schön oder scheußlich sei. Sie hacken auf ihm herum, weil er wagt, es weder sinnlos noch häßlich zu finden, „sondern schön, witzig, talentvoll, amüsant im höchsten Maße".

Noch einmal schwankt er innerlich, als sich am deutschen Generalkonsulat ein Soldatenrat bildet, der mit Hilfe der Ceka, der Geheimpolizei, einen Putsch inszeniert und das Personal des Konsulats gefangensetzt. Er wendet sich mannhaft gegen die Form der Nacht-und Nebelaktion, vor allem gegen die Einmischung der Geheimpolizei, „dieser berüchtigten, von Blut und Dreck besudelten".

Doch das schreckliche Erlebnis entschwindet bald wieder seiner Vorstellungswelt. Im geistigen Klingenkreuzen mit den Führern des deutschen Soldatenrats, u. a. mit Ernst Reuter, dem späteren Berliner Regierenden Bürgermeister, gewinnt er das Vertrauen zurück, daß die Entwicklung unter guten Sternen stehe: „Es ist ein Erwachen, ein Zu-sich-kommen."

Als er nach Deutschland zurückgekehrt ist, glaubt er, daß er nach diesen Monaten des Aufenthalts im russischen Feuerofen das gewaltige Problem der Revolution innerlich bewältigt hat.

Paquet hat in der Zeit seines Moskauer Aufenthalts Kapitalismus und parlamentarische Demokratie hassen gelernt und sich zu einem Radikalismus des Geistes durchgerungen, der die letzten Eierschalen der Ehrfurcht vor den überkommenen Formen abwirft und zerbricht und geradewegs auf das neue Ziel los-stürmen will. Aber was ist das Ziel? Es ist nicht ohne weiteres die Verwirklichung der bolschewistischen Idee oder — nach marxistischer Sprachregelung — die Diktatur des Proletariats, sondern — mit Paquets Worten — die Diktatur der Vernünftigen Hierin idealisiert er den Bolschewismus, obwohl er sich davor zu hüten sucht, die Idee mit der Erscheinungsform zu verwechseln. Bolschewismus, sagt er einmal ist Kommunismus plus Rußland. Er ist darum bemüht, den Bolschewismus von allem Erdendreck und Terrorismus zu reinigen.

Die Verwirklichung des Gedankens der Räte — im Moskauer Tagebuch bezeichnet er die Räte einmal als das Ei des Kolumbus — sieht Paquet als eine natürliche revolutionäre Entwicklung an, die ebenso wie 1905 auch im Jahr 1917 in Rußland sich spontan vollzogen habe. Er spürt hier gewaltige ungelöste Kräfte und ungeahnte Entwicklungsmöglichkeiten. Dabei ist ihm das Rätesystem nichts Endgültiges, nicht Endzweck, vielmehr nur der Weg, der bis zur „Diktatur der Vernünftigen" zurückgelegt werden müsse, die bestmögliche Form „zur Lösung größter politischer Probleme, zu Konstruktionen und überbrückun-gen, die durch keinen Eifer des Nationalismus zu bereinigen sind" Hier stößt man in der Tat auf den Kernpunkt der Gedankenarbeit Paquets. Er gab ihm 1919 in Appellen an die Intellektuellen im bürgerlichen Lager mehrfach Ausdruck. „Wenn einige Hundert oder einige Tausend unserer Gebildeten, auf die es ankommt, in einer schlaflosen Nacht den Entschluß faßten, die proletarische Revolution zu verstehen und ihr durchzuhelfen [. . . ], so wären wir gerettet.“ In Deutschland sei es nicht so sehr die Erschöpfung der Menschen oder die bewaffnete Reaktion, die das große Blühen zurückhalte, sondern das Zögern der Intellektuellen, ihr Mangel an Verständnis für die Einmaligkeit des Augenblicks, für die Größe der Chance Es ist Paquets großer Irrtum, daß er glaubte, die Diktatur der Vernünftigen — gleichsam ein Kommunismus ohne Rußland — könne ohne Gewalttat und Terror, die er selbst zutiefst verabscheute, geschaffen werden. Paquet gibt keine , Antwort auf die Frage, wie der Weg dahin anders als entsetzlich und verhängnisvoll gedacht werden, anders als durch ein Meer von Blut und Tränen und eine Wüste von Trümmern führen könne. Nicht nur über die letzten Ziele, sondern auch über die Durchführbarkeit ist er bisweilen Illusionen und verschwommenen Vorstellungen verhaftet. Es ist erschütternd zu erleben, wie eine so reine Menschennatur wie Alfons Paquet den mächtigen Geist der russischen Revolution preisen und gleichzeitig seine schauerliche Wirklichkeit verharmlosen kann, wie sie mit großem Ernst verkündet, die Welt könne sich „bolschewistisch“ einrichten, ohne daran zugrunde zu gehen, und die Ergebnisse der russischen Revolution als „letzten EndesTriumphe der Seelenkräfte" zu bezeichnen vermag.

Paquet hat sich in späteren Jahren den Quäkern zugewandt. Ist das nicht abermals eine Umkehr? Vielleicht wird man bei dem Urteil darüber vorsichtiger, wenn man bedenkt, daß er daß Quäkertum einmal „weißen Bolschewismus" genannt hat

Wilhelm Groener (1867— 1939)

In einer kurzen Würdigung der Aufzeichnungen Groeners aus seiner Zeit als Führer des I. Armeekorps bei der Besetzung der Ukraine (März 1918) und als Chef des Generalstabs der Heeresgruppe Eichhorn/Kiev (28. März bis 27. Oktober 1918) muß es in erster Linie um seinen Anteil an der deutschen Politik in der Ukraine gehen. Der allgemeine Zusammenhang des militärischen Ausgreifens in Südrußland mit der deutschen Ostpolitik ist bereits an anderer Stelle ausführlich erörtert worden Groener stand dem Brester Friedensvertrag, dem mit der Ukraine vom 9. Februar 1918 und dem mit dem bolschewistischen Rußland am 3. März 1918 unterzeichneten skeptisch gegenüber, war sich aber des hohen Grades der Zwangsläufigkeit, in der dieser Friede geschlossen worden war, durchaus bewußt. Daß der Ukraine-Friede in erster Linie ein „Brotfrieden" war und als solcher von seinen Initiatoren aufgefaßt wurde, wird durch Tagebuch und Briefe Groeners bestätigt. Allerdings läßt sich darin auch — doch stets in undeutlichen Konturen — das Bestreben erkennen, daß in der Ukraine nicht nur Tagespolitik getrieben werden sollte: Die Ukraine und noch mehr der Kaukasus konnten bei entsprechender militärischer Entscheidung im Westen als Sprungbrett für einen Flankenstoß gegen das britische Imperium, gegen Bagdad und Indien, benutzt werden. Es zeugt jedoch von Groeners realistischer Einschätzung der deutschen Machtposition, daß er solche Pläne, die im Kopf eines Ludendorff oder eines Lindequist spukten, mit einem großen Fragezeichen versah und sie im Grunde für maßlos hielt. Hierin steht er jedenfalls — wie übrigens auch Hopman — der Vorstellungswelt des Auswärtigen Amtes näher als der der militärischen Führung, auch wenn er im Zusammenhang mit seinem eigentlichen Tätigkeitsbereich, der Ukrainepolitik, die Berliner Ämter ein „Kollegium von Schwachköpfen und Angsthubern“ nennt. Groener hat die ihm in der Ukraine zugedachte Aufgabe — Ludendorff hatte von ihm die Wiedereinsetzung und Stützung der ukrainischen Rada-Regierung durch die deutsche militärische Macht gefordert, die Berliner Ämter verlangten rasche Zufuhr von Getreide und Schweinen — als schwierig und undankbar empfunden. Von Anfang an war er sich des illusionären Charakters solcher Erwartungen bewußt. Einerseits hielt er die eingesetzten militärischen Mittel für das weiträumige Ausgreifen als zu schwach'und konnte sich von dem Gedanken einer von Großrußland unabhängigen Ukraine nicht überzeugen, andererseits glaubte er nicht an das Vorhandensein großer Lebensmittelvorräte in dem besetzten Lande. Doch versuchte er, der Schwierigkeiten Herr zu werden, und führte die Zügel mit festem Griff, immer mit Spannung und kritischem Sinn die für die östlichen Verhältnisse maßgebende Entscheidung im Westen abwartend. Seine von Beginn an gehegten Zweifel über die Arbeitsfähigkeit der sozialistischen Rada-Regierung verstärkten sich im März und April zunehmend. Hätte ihm das Auswärtige Amt in Berlin nicht mit seiner behutsamen, auf die Erhaltung des status quo bedachten und stets die Rückwirkungen auf die deutsch-russischen Beziehungen berücksichtigenden Politik dazwischengestanden, so wäre — das darf vorsichtig aus seinen Tagebuchnotizen gefolgert werden — der Sturz der sozialistischen „Regierungskasper", der „Jüngelchen auf den Ministerstühlchen“ in Kiev nicht erst Ende April erfolgt, sondern schon Wochen vorher. Allerdings ließe sich bei dieser Folgerung die Frage nicht schlüssig beantworten, wer an ihre Stelle getreten wäre. Denn die ungenau dokumentierte Verbindung zwischen dem Hetman Skoropadskij und dem deutschen Oberkommando kann erst ab etwa Mitte April nachgewiesen werden. Im übrigen läßt sich die Initiative zur Fühlungnahme weder dem einen noch dem andern Teil allein zuordnen. Der historischen Wahrheit dürfte es am nächsten kommen, wenn man auf beiden Seiten den Wunsch und den Willen zum Übereinkommen voraussetzt.

Auch über das Provisorium der Hetman-Regierung gab sich Groener keinen Illusionen hin. Der Kurs der neuen Regierung hätte nach seinem Willen eigentlich nach links orientiert sein sollen, um die Mitarbeit der sozialisti schen Parteien zu erreichen, doch mußten, wie Groener sich ausdrückte, „produktive leitende Männer im Lande [. .. ] mit der Laterne gesucht" werden, und für die praktische Arbeit konnten nur rechtsstehende Männer, die meist aus dem Lager der großrussisch gesinnten Kadetten kamen, gefunden werden. Mehrmals versuchte Groener, der Regierung diesen zwiespältigen Charakter zu nehmen, indem er den Hetman zur „Ukrainisierung" von Kabinett und Verwaltung drängte, zuletzt im Oktober durch Einbeziehung von Vertretern des „Ukrainischen Nationalbunds" (Zusammenschluß der meisten ukrainischen Parteien) in die Regierung unter Leitung ihres Präsidenten Vinnicenko.

Wäre Groener am 26. Oktober 1918 nicht als Nachfolger Ludendorffs nach Deutschland berufen worden, hätte er wahrscheinlich eine Regierung Vinnicenko zustande gebracht und gewissermaßen ein Triumvirat Skoropadskij — Vinnicenko — Groener gebildet, das den ukrainischen Unabhängigkeitsbestrebungen sicherlich förderlicher gewesen wäre als die dann tatsächlich eingetretene Entwicklung.

Zur Charakterisierung des unterschiedlichen Gehalts der Paquet-und der Groener-Aufzeichnungen soll noch auf einen Punkt hingewiesen werden. Nach der militärischen Besetzung der Ukraine und der „amüsanten" Tätigkeit des Regierungsstürzens scheint Groeners Tatendrang in der ukrainischen Umgebung nicht mehr die rechte Befriedigung gefunden zu haben. Der tägliche Dienst wurde monoton, die allabendliche Unterhaltung stumpfsinnig („Ich wünsche mir längst einen Hofnarren herbei"). Eine langwierige Krankheit fesselte ihn wochenlang ans Zimmer. Die hermetische Absperrung des Oberkommando-Bezirks in Kiev nach dem Bombenattentat auf Generalfeldmarschall v. Eichhorn, den deutschen Oberbefehlshaber in der Ukraine, ließen in ihm das Gefühl aufkommen, gleichsam in Festungshaft zu sein. Doch seine Berührung mit dem Bolschewismus war immerhin so nachhaltig, daß er wenige Tage nach seiner Rückkehr in die Heimat mit Ebert jenes berühmte „Bündnis“ vom 10. November 1918 gegen die Bolschewisierung Deutschlands einging — für die zu kämpfen sich in eben diesen Tagen Alfons Paquet entschlossen hatte. Albert Hopman (1865— 1942)

Bei der Auseinandersetzung mit dem Phänomen des Bolschewismus war der Autor des dritten Tagebuches, Vizeadmiral Albert Hopman, schon nach wenigen Wochen Aufenthalt in Südrußland zur gleichen Entscheidung wie Wilhelm Groener gelangt. Wie bei Groener lag dies nicht zuletzt in seinem Werdegang als deutscher Offizier begründet. Nach dem Kriege erklärte Hopman in seinen Memoiren 1918 wie General Hoffmann der Ansicht gewesen zu sein, daß es richtiger gewesen wäre, anstatt „zentrifugaler Bestrebungen" (Zersplittern der militärischen Kräfte im Osten) das „Übel" an seiner Wurzel zu fassen und im Frühjahr oder Sommer 1918 die bolschewistische Regierung, die keinerlei militärische Macht hinter sich gehabt habe, durch Vormarsch auf Petrograd und Moskau zu stürzen und eine provisorische Regierung einzurichten. Aus dem Tagebuch läßt sich diese Ansicht zwar nicht in denselben Worten nachweisen, doch hat er sie 1918 tatsächlich vertreten.

Hopman galt schon vor dem Kriege als der Rußland-Spezialist im deutschen Admiralstab. Herbst 1911 war er ins Reichsmarineamt berufen worden, in dem er unmittelbar an der Seite Großadmiral von Tirpitz'bis 1915 als Abteilungschef tätig war. Die acht Monate, die er seit Kriegsausbruch im Großen Hauptguartier verbrachte, bezeichnete er später als die schmerzlichsten Erinnerungen seines Lebens. Das Nachzittern über den niederdrückenden Umgang mit kleinmütigen, verantwortungsscheuen Kompromißmeaischen, über die Atmosphäre des Byzantinismus, des blinden, urteils-losen, unfreien Gehorsams spürt man noch deutlich in seinem Schwarzmeer-Tagebuch.

Die anschließende Frontstellung als Führer der Aufklärungsstreitkräfte der Ostsee (F. d. A. d. O.) wirkte auf ihn wie eine Befreiung, Nach kurzer Beratertätigkeit Frühjahr 1916 im türkischen Marineministerium, nunmehr im Range eines Konteradmirals, wurde er im Sommer zum Admiralstab kommandiert, wo er zunächst den beurlaubten stellvertretenden Chet des Admiralstabs, Vizeadmiral Koch, vertrat und danach die neugeschaffene Stellung des Chefs der Operationsabteilung innehatte. Nach erneuter Frontstellung als Befehlshaber der Auiklärungsstreitkräfte der Ostsee (B. d. A. d. O.)

vom Dezember 1916 ab, in der er hervorragenden Anteil an der Oselunternehmung Oktober 1917 hatte, wurde er im Dezember 1917 — nunmehr Vizeadmiral — auf Grund des Brest-Litovsker Waffenstillstandsvertrages zum Vorsitzenden einer Interalliierten Kommission ernannt, deren Aufgabe es war, die Verkehrsverhältnisse auf dem Schwarzen Meer in marinetechnischer und wirtschaftlicher Hinsicht zu regeln, und die in Odessa zusammentreten sollte. In Brest-Litovsk, wo er sich über seine neue Aufgabe informieren sollte, erlebte er das seltsame Schauspiel der dort gerade beginnenden Friedensverhandlungen. Da die Kommission in Odessa wegen der noch völlig verworrenen Lage in Südrußland zunächst nicht zusarnrneptreten konnte, tagte sie von Ende Dezember 1917 bis Mitte März 1918 in Rumänien, in Bukarest und im Donauhafen Braila. Ende Februar 1918 war Flopman außerdem zum Vertreter der Seekriegsleitung bei den Friedensverhandlungen mit Rumänien ernannt worden. Nachdem am 13. März 1918 Odessa von österreichisch-ungarischen Truppen besetzt worden war, konnte die Kommission dorthin und später nach Sevastopol'übersiedeln.

Hopman wie auch teilweise der Admiralstab standen dem deutschen Engagement im Schwarzen Meer skeptisch, ja ablehnend gegenüber. Das geht aus den amtlichen Marine-akten wie aus den privaten Aufzeichnungen Hopmans und seinen „militärpolitischen" Berichten deutlich hervor. Der Gedanke, die deutsche Herrschaft im Schwarzen Meer zu sichern und zu behaupten, stammte von Ludendorff, der dabei immer wieder mit dem Argument der lebenswichtigen ölzufuhr aus Baku operierte.

Hopman hat wie Groener zu Beginn seiner Mission die Hoffnungen, die man auf Rohstoff-und Lebensmittelzufuhr aus Rußland setzte, nicht geteilt oder sie doch rasch aufgegeben und gesehen, daß das deutsche Ausgreifen an der Schwarzmeerküste und in den Kaukasus an den Kräften Deutschlands zehrte, statt sie zu stärken. Seine Aufzeichnungen geben davon reichlich Zeugnis. Kaum war die deutsche Ukraine-Politik inszeniert, erkannte sie Hopman als Fehlschlag. Er war überzeugt, „daß wir so gut wie nichts aus dem Lande, wenigstens nichts aus den südöstlichen Gouvernements erhalten werden, daß die Mehrzahl der Bevölkerung uns nicht wünscht, sondern bald wieder fortsehnt und daß das ukrainische Slaatsgebilde eine Utopie ist und bleiben wird".

Die — leider oft kurzen — zahlreichen Notizen Hopmans über Gespräche mit Offizieren, Diplomaten und Wirtschaftsexperten, die im Sommer 1918 durch SevastopoF nach dem Kaukasus reisten, zeigen, wie weit verbreitet die Mißbilligung der Ostpolitik der Obersten Heeresleitung und der Reichsleitung bei den ausführenden Organen war. Sie machen den besonderen Wert des Tagebuches aus. Das Paktieren des Auswärtigen Amtes mit der bolschewistischen Regierung, das seinen sichtbaren Höhepunkt im Abschluß des Berliner Ergänzungsvertrags erreichte, verurteilte Hopman aufs schärfste: Monstrum „Ein politischer Kurzsichtigkeit", schrieb er voller Verzweiflung am 6. September in sein Tagebuch. „Daß Hintze unter dieses Machwerk von Kriege diese Phantasien eines weltfremden Juristen, der noch nicht weiß, daß Krieg ist, seinen Namen gesetzt hat, ist mir unverständlich. Ich bin ganz gebrochen, es geht zu Ende mit uns, und zwar nur durch die Unfähigkeit unserer Politik vor und während des ganzen Krieges.“

Dies Urteil haben mit fast gleichen Worten auch Groener in Kiev und Paquet in Moskau gefällt.

Die Aufzeichnungen Hopmans im Oktober sind wie diejenigen Groeners und Paquets ein ergreifendes menschliches Zeugnis. Das Suchen nach den Ursachen des deutschen Zusammenbruchs führt bei allen drei Autoren zu erstaunlich gleichartigen Ergebnissen.

Hopman wurde im November 1918 durch telegraphische Anordnung aus Berlin zum Waffenstillstandskommissar für das Schwarze Meer und das Mittelmeer ernannt. Im folgenden Jahr war er drei Monate in einem französischen Lager bei Saloniki interniert. Nach seiner Rückkehr in die Heimat wurde er auf Bitten Noskes und Eberts Mitglied einer Friedenskommission im Baltikum. Am 9. März 1920 ist ihm der Abschied aus der Marine bewilligt worden. Beim Kapp-Putsch wurde ihm von Kapp selbst der Posten des Außenministers angetragen. Er hat das Angebot sofort abgelehnt, da er Kapps politische Einstellung scharf verurteilte. In den späteren Jahren war er in verschiedenen Marineverbänden tätig, u. a. als Präsident des Deutschen Motoryacht-Verbandes.

Denkschrift Eduard Stadtlers

(Politisches Archiv Bonn, Deutschland 131, Band 46, Blatt 164— 113. Maschinenschriftlicher, unsignierter Durchschlag, am 23. August 1918 von Matthias Erzberger einem Referenten des Auswärtigen Amtes (Nadolny) übergeben, überschrilt: Zum Ergänzungsvertrag und zur Frage der deutsch-russischen Beziehungen. Darunter in Klammern: Verfasser dieses ist ein vor wenigen Tagen aus Moskau zurückgekehrter Kriegsgefangener, welcher die russische Sprache beherrscht und die derzeitigen politischen Verhältnisse in Rußland genau beobachtet hat.)

Berlin, 22. August Die augenblickliche politische Lage (August 1918), soweit das durch die Verhandlungen zum Ergänzungsvertrag geschaffene Verhältnis Deutschlands zu Rußland in Frage kommt, kann nur dann in ihrer Tragweite erfaßt werden, wenn man den Zusammenhang der deutsch-russischen Beziehungen seit dem Brest-Litovsker Friedensvertrag im Auge hat. AIs die Bolschewiki in Rußland ans Ruder kamen, waren sie von zwei Strömungen getragen: vom Revolutionsradikalismus (Trockij), vom Friedensradikalismus (Lenin). In der Praxis überwog der zweite. Die Bolschewiki sahen sich gezwungen, sofort mit Friedensangeboten an die Zentralmächte und an die Entente heranzutreten. Doch war ihr Friedensbestreben nicht aus den Friedensideen der bürgerlichen Welt entstanden. Der bolschewistische Friedensgedanke war von Anfang an etwas ganz Eigenartiges: Er zielte nicht auf einen regulären Friedenszustand, sondern auf eine Umschichtung der Kriegslage in der Weise, daß an Stelle des Kampfes imperialistisch-nationalistischer Staaten gegeneinander ein Krieg des W e 11 p r o I e t a r i a t s gegen den Weltimperialismus auf dem Wege der Weltrevolution treten sollte. Der Krieg von Staat zu Staat soll durch einen Klassenkrieg abgelöst werden. Diese Grundidee des Bolschewismus ist von den derzeitigen russischen Machthabern in keinem Stadium außer acht gelassen worden, und es wäre kurzsichtig, hier einzelpsychologische Erwägungen gegen ein unumstößliches Faktum ausspielen zu wollen.

Dieser Idee war Trockijs Taktik untergeordnet, als er die Formel prägte „Kein Krieg! kein Friede!" und dabei auf den Ausbruch einer Revolution in Deutschland spekulierte für den Fall, daß die Oberste Heeresleitung es wagen würde, deutsches Militär zum Einmarsch in Rußland zum Zwecke der „Vergewaltigung des wehrlos daliegenden russischen Volkes" zu bewegen.

Als diese Taktik Trockijs sich als falsch erwies und trotz aller Vorausberechnungen des Bolschewismus die deutschen Soldaten, Arbeiter und Bauern in Rußland einmarschierten, war eine kurze Zeit die Bestürzung in bolschewistischen Kreisen außerodentlich groß. Da trat Lenin auf, um mit überlegener Taktik die Situation für den Bolschewismus zu retten. Angesichts des deutschen Einmarsches mußte er darauf bedacht sein, für die zukünftige Weltrevolution unbekümmert um Detailfragen den sozialistischen Brandherd zu erhalten, und er erklärte sich im Namen Rußlands bereit, den „Frieden um jeden Preis" zu unterzeichnen

Die Lage war damals die, daß die deutschen Truppen einen siegreichen Befreiungsfeldzug in kürzester Zeit über Moskau und Petrograd hinaus bis zum Ural ohne den geringsten Widerstand hätten führen können. Der Brester Frieden, der unter solchen Umständen zustande kam, war also nur formell ein Siegerfrieden Deutschlands und nur in den Augen derjenigen, welche den damaligen Sieg Deutschlands über das gesamte bolschewistische Rußland in seinem Umfang nicht erfaßten und aus der Furcht vor dem moskowitischen Gefahrenzentrum der Zukunft in der Formulierung des Friedensvertrags noch an der Randstaaten-Theorie festhielten, als das Gefahrenzentrum schon nicht mehr existierte. Der eigentliche Sieger beim Brest-Litovsker Friedensvertrag war Lenin, der gegenüber der deutschen Regierung die taktische Initiative an sich riß und sich von Deutschland den diplomatischen und staatsrechtlichen Schutz für das Fortbestehen des bolschewistischen Revolutionsherdes garantieren ließ. Der einzige positive Inhalt des Brester Friedensvertrages bestand denn auch darin, daß das bolschewistische Regime unter des mächtigen Deutschen Reiches Schutz sich in Rußland gegen alle inneren Widerstände durchsetzen und behaupten konnte. Denn die übrigen deutscherseits in den Vordergrund gestellten positiven Ergebnisse des Brester Vertrags (Freiheit des Handelns für den Kampf im Westen und Protektoratsverhältnis Deutschlands gegenüber der Ukraine, Kurland, Livland) wären auch ohne das Abkommen des Bolschewismus bei weiterem Vorgehen der deutschen Truppen mit jeder anderen russischen Regierung in irgendeiner Form erzielt worden.

Seit dem Abschluß des Brester Vertrages bestand die Leninsche Taktik darin, dem bolschewistischen Rußland unter allen Umständen den Schutz des mächtigen Deutschen Reiches zu sichern. Je nachdem Deutschland in seinem Verhältnis zum bolschewistischen Rußland überhaupt in seinem Verhältnis zu Fein-und Neutralen mehr Kraft oder mehr räche zu bekunden schien, war Lenins Tak-ichr von Gesichtspunkten der Nachgiebig-oder der Rücksichtslosigkeit geleitet. Nur enin niemals das Ziel aus dem Auge geil, den sozialistischen Revolutionsstaat als ngbrett für die nach bolschewistischer Auf-ng mit geschichtlicher Notwendigkeit nende Weltrevolution bereitzuhalten. i kam es ihm auch fernerhin weniger auf zfragen an (vgl. Ukraine, Finnland, Don-t, Kaukasus etc.) als auf den prinzipiellen punkt. Wer einmal die Geschichte der rus-en Revolution, besonders des bolschewi-ien Abschnittes schreiben wird, wird zwei-5 zu dem Ergebnis kommen, daß die Lenin-Politik an klarer Zielsetzung und an (sichtiger Taktik jedenfalls nicht übertrofrerden konnte. s ist kennzeichnender hierfür als die k Lenins in der Zeit der Ermordung Grafen Mirbach 2”). Während im im russischen Bürgertum die deutsche itierung im weitesten Umfange sich durch-B, war innerhalb des Bolschewismus und laupt innerhalb der radikalen Linksparzwischen dem lavierenden, diplomatisien Flügel der verantwortlichen Regie-deute und dem aktivistischen Flügel der itoren und Demagogen ein erbitterter f entbrannt. Offensichtlich gewann der a 1 u t i o nä re Aktivismus an a. Man wollte den Bruch mit t s c h 1 a n d , aber nicht um der Entente Gefallen zu erweisen oder eine reguläre ont in Rußland wiederherzustellen, sonum die revolutionäre Querfront des Proats vom inneren Rußland nach den Rand-n und nach Deutschland vorzuschieben. 3auernunruhen in der Ukraine schienen Aktivisten der Revolution ein geeigneter and zum Bruch mit Deutschland. Dabei e in der demagogischen Aufhetzung der an eine bedeutende Rolle der Agitations-f der linkssozialrevolutionären Führeairidonova, daß Deutschland von den la-nden Staatsmännern auf Kosten des rus-* sischen Volkes für eine Milliarde Rubel Manufakturwaren erhalten und eine weitere Milliarde angefordert hätte. Gegenüber diesen aktivistischen revolutionären Tendenzen vertrat Lenin vor der Ermordung des Grafen Mirbach den Standpunkt, daß die Aktivisten nur Deutschland einen billigen Vorwand gäben, in Rußland einzumarschieren, daß Deutschland dabei ohne die geringste Mühe ganz Rußland erobern könne, daß dadurch der Sieg der Reaktion in Rußland, in den Randstaaten und in den Zentralstaaten gesichert, mit anderen Worten das Gegenteil von dem erreicht wurde, was die Aktivisten bezweckten. Am Tage der Ermordung des Grafen Mirbach war denn auch Lenin in einer verzweifelten Lage: Die Gefahr des deutschen Eingreifens und damit die Gefahr eines sofortigen Zusammenbruchs der bolschewistischen Herrlichkeit schienen so imminent, daß Lenins ganze diplomatische Kunst sich auf das Problem konzentrierte, wie das sozialistische Revolutionszentrum gegen die deutsche Gefahr zu schützen sei. Nichts schien ihm dabei geeigneter, als Deutschland zu suggerieren, die Attentäter wären gedungene Agenten der Entente, die Deutschland gegen seinen Willen und gegen sein Interesse zum Eingreifen in Rußland zwingen wollten. Auf diese Suggestion reagierte die deutsche Regierung und die öffentliche Meinung Deutschlands in einer selbst von Lenin nicht erwarteten Weise. Dabei war es doch klar, daß ein Eingreifen Deutschlands zwar im Interesse der Agitationsbüros der Entente lag, nicht aber im Interesse der einsichtigen militärischen und politischen Leiter der Entente, die doch nicht daran zweifeln konnten, daß eine deutsche Einmischung ganz Rußland in kürzester Zeit und ohne Mühe unter die Botmäßigkeit Deutschlands gebracht hätte. Deshalb war die Leninsche Suggestion ein genialer taktischer Schachzug, der aus dem klaren Instinkt für die damals gegebene Situation entsprang. Das unglückliche Verhalten Deutschlands in der Frage der Ermordung des Grafen Mirbach hat dem Deutschen Reich unermeßlichen Schaden zugefügt, der durch die agitatorische Ausnützung des Motivs von der Entente-schuld nicht im geringsten ausgewogen wurde. Der Russe hatte für dieses deutsche Verhalten eine einfache Erklärung: Entweder ist das Deutsche Reich unglaublich schwach, so schwach, daß es nicht einmal einige Divisionen erübrigen kann zum Einmarsch in Rußland, oder aber die deutsche Regierung ist so teuflisch boshaft, daß sie das russische Reich unter allen Umständen durch die Unterstützung des Bolschewismus zugrunde richten will. Entsprechend dieser Auffassung sank das Ansehen Deutschlands auch in den Randstaaten. Der Prestigeverlust machte sich besonders geltend bei der Haltung der Bolschewiki in der Sühnefrage: Kaum hatte Lenin vernommen, daß Deutschland die Schuld an der Ermordung mit naivem Behagen der Entente in die Schuhe schob, als er sich auf das hohe Roß schwang, die deutschen Forderungen (Bataillonsfrage in der schroffsten Weise zurückwies und die linkssozialrevolutionäre Bewegung nach der ersten Niederkämpfung wieder freiließ. So wurde die Ermordung des Grafen Mirbach, die eine der politischen Fragen des Ostens hätte werden können, in Wirklichkeit zu einem hervorragenden politischen Erfolg Lenins.

Den Fehler, den Deutschland beim Abschluß des Brester Friedensvertrages und in der Zeit nach der Ermordung des Grafen Mirbach beging, nämlich sich das politische Verhalten von der bolschewistischen Regierung vorschreiben zu lassen, schickt man sich nun an, durch den Abschluß des sogenannten Ergänzungsvertrages zu wiederholen. Wieder arbeitet man dahin, der bolschewistischen Regierung einen taktischen Sieg zu bereiten.

Im neuen Vertrag erscheint Deutschland formell als Sieger. In Wirklichkeit ist Lenin Sieger.

Auf den ersten Blick erscheint es als eine große Errungenschaft, daß Deutschland durch den Ergänzungsvertrag die bolschewistische Regierung dazu verpflichtet, die Loslösung neuer Teile der Ostseeprovinzen anzuerkennen, die deutsche Reichsbank durch Zufuhr des in Rußland befindlichen rumänischen Goldschatzes zu stärken, die Entschädigungssummen für die im Krieg und in der Revolution geschädigten Reichsdeutschen Rußlands durch eine Pauschalabfindung rechtlich zu sichern einen gewissen Warenaustausch von Staat zu Staat festzulegen. AlledieseVertrags-Zusicherungen sind in Wirklichkeit von sehr geringem Werte. Es bedeutet absolut keinen Fortschritt gegenüber dem bestehenden Zustande, sich von der Sowjetrepublik die Unabhängigkeit Estlands sanktionieren zu lassen. Für unsere Beziehungen mit dem jetzigen und dem zukünftigen Rußland ist die „Erwerbung" des rumänischen Goldschatzes aus bolschewistischen Händen nur insofern von Bedeutung, als dadurch die Beziehungen Rußlands zu Rumänien geschädigt werden. Was die Pauschalabfindung anbelangt, so mag der Nominalwert mehr oder weniger hoch eingeschätzt werden, jedenfalls handelt es sich nur um eine wertlose papierne Abfindung, durch welche die russische Regierung von uns Generalabsolution für die Vernichtung der gesamten deutschen Kulturwerte im Osten und zugleich einen Freibrief für weitere Schandtaten auf demselben Gebiete erhält.

Dabei darf nicht vergessen werden, daß Deutschland durch die Annahme einer Pauschalabfindung sich gegenüber den fordernden Reichsdeutschen Rußlands das ganze Odium der Einzelliguidierung auflädt. In welcher Weise die Exterritorialität der deutschen Kolonien in Rußland bei den jetzigen anarchischen Verhältnissen Rußlands überhaupt denkbar ist, wird bei der papiernen Abmachung völlig außer acht gelassen.

Doch der eigentliche Inhalt des Ergänzungsvertrages tritt gegenüber der politischen Tragweite dieses Aktes völlig in den Hintergrund. Nicht die Frage, ob die Vertragsleistungen des Bolschewismus mehr oder weniger groß sind, sondern die Frage, welche Rückwirkungen dieses Dokument auf die tsch-russischen Beziehungen der Gegen-t und der Zukunft haben werden, tritt in i Vordergrund. iau wie der eigentliche Inhalt des Brester densvertrages in allen Artikeln und Paraphen von den Ereignissen in Frage gestellt rde und als einziges positives Resultat die rkung des Bolschewismus übrigblieb, ge-

so wird der jetzige Vertrag ein res Stück Papier bleiben mit der twendigen Folge, daß die schon t bestehende verhängnisvolle Verquikg deutscher und bolschewistischer Interesnoch mehr als bisher zum Nachteil Deutschis ausschlagen wird.

Abreise Helfferichs und die legung der deutschen Botschaft hinter Demarkationslinie hatten in Rußland n erfreulichen Stimmungsu miwung zugunsten Deutsch-i d s hervorgerufen. Während die vächliche Haltung nach der Ermordung des fen Mirbach in bolschewistischen und nicht-schewistischen Kreisen Unmut und Verach-J gegenüber Deutschland geweckt hatten, die Abreise Helfferichs im Zusammenhang der Verlegung der Botschaft in nichtbolwistischen Kreisen staunende Erwartung, olschewistischen Kreisen kopflose Bestür-g hervor. Deutschland auf dem g zur Tat! So wurde das Ereignis rpretiert. Das Prestige Deutschlands teilte plötzlich empor. Jedermann sagte , daß Deutschland endlich die Situation in land erkannt habe, vom Bolschewismus ntativ abrücke, das sinkende Schiff recht-ig verlasse, mit einem vermodernden Leich-L nichts zu tun haben wolle. In dieser uation muß .der Abschluß tes E r g ä n z u n g s v e r t r a g e s ge-lezu katastrophal wirken. Die ichewiken werden ähnlich wie nach der ordung des Grafen Mirbach in einen Zustand diplomatischen Übermutes geraten, ihre Überzeugung, daß Deutschland in einem revolutionären Gärungs-und Schwächezustand sich befinde, wird jetzt zum Glaubensdogma werden. Dementsprechend wird die Taktik revolutionärer Herausforderung gegenüber den Randstaaten und Westeuropa gesteigert werden. In nichtbolschewistischen Kreisen, d. h. in allen erwerbstätigen Schichten des gesamten russischen Volkes wird der Abschluß eines Ergänzungsvertrages in diesem Momente als endgültige Absage Deutschlands an Moskowien, als endgültiger Ausdruck des Vernichtungswi 11 ens gegenüber Rußland empfunden werden. Die schon jetzt infolge der schwächlichen oder boshaften Politik Deutschlands immer schärfer sich vollziehende Loslösung der russischen Gesellschaft von der „deutschen Orientierung", zu welcher sich noch vor zwei Monaten fast ganz Rußland bekannte, wird ein stürmisches Tempo anschlagen.

Der Vertrag als solcher ändert an dem Niedergang des Bolschewismus nichts. Der Bolschewismus stützt sich zur Zeit weder auf die bolschewistische Parteiorganisation, welche an der Belastung der Regierungs-und Verwaltungsarbeit und an der inneren Korruption zugrunde geht, noch auf jene geistigen Strömungen des Revolutionsradikalismus und Friedensradikalismus, die ihn einst ans Ruder brachten, noch auf die Bajonettengewalt der roten Armee, welche erst im Entstehen begriffen ist und keinem regulären Heere dauernd widerstehen kann, noch auf irgendwelche positiven Leistungen in der Lebensmittelversorgung, in der Hebung der Volkswirtschaft, in der Entwicklung der Kultur. Der Bolschewismus stützt sich nur noch auf die Duldung des durch Krieg und Revolution mürbe geschlagenen russischen Volkes, welches mit fatalistischer Hingebung den im übrigen durch Bestechlichkeit gemilderten Terror erträgt und von Gott oder vom Teufel das Wunder der Befreiung vom bolschewistischen Joch erwartet.

Man kann sogar behaupten, daß der jetzige Ergänzungsvertrag den Niedergang des Bolschewismus beB schleunigen wird. In demselben Moment, wo die bolschewistische Regierung den Vertrag veröffentlichen wird, und daran wird sie nicht vorbeikommen, wird eine rücksichtslose Agitation innerhalb und außerhalb der bolschewistischen Kreise gegen diesen Vertrag beginnen. Das Argument der Spiridonova bezüglich der einen Milliarde Manufakturwarenwerte wird auf den jetzigen Vertrag erst recht Anwendung finden: D i e Bolschewiken haben uns den Deutschen verkauft, wird jeder Russe sagen. Für einige Milliarden haben sie sich für einen Moment noch den deutschen Schutz gesichert, und das russische Volk muß dafür Hunger leiden, zugrunde gehen! Gegen die Gewalt dieses Arguments, das am meisten in den aktivistischen Kreisen des Bolschewismus und der linken Sozialrevolutionäre Zugkraft erhalten wird, wird die lavierende Regierungspartei sich nicht halten können. Der E r g ä n z u n g s v e r t r a g gibt dem Bolschewismus den Todesstoß, und es ist töricht, wenn diejenigen Kreise in Deutschland, welche den Bolschewismus als das relativ kleinere Übel in Rußland erhalten wissen wollen, sich einbilden, daß sie durch diesen Ergänzungsvertrag die Machtstellung des Bolschewismus tatsächlich stützen. Dem Scheine nach mag das im ersten Momente geschehen, in der Wirklichkeit aber wird das bolschewistische Regime gerade an diesem Ergänzungsvertrag zugrunde gehen.

Das Ungeheuerliche an der ganzen Sache ist dabei, daß, wie mit aller Bestimmtheit behauptet werden kann, der Bolschewismus durch diesen Friedensvertrag Deutschland selbst mit in den Abgrund ziehe, in welchen er in der nächsten Zukunft stürzen wird. Apres moi le deluge! Das war schon bisher die Losung der Desperados, welche zur Zeit Rußlands Geschicke nach den Rezepten der sozialistischen Katastrophentheorie leiten. Jetzt, da die Bolschewiken ihr Ende herannahen sehen, den eigenen Zusammenbruch schon mit den Händen greifen, wollen sie ihrer bisherigen Taktik der W e 11 r e v o 1 u t i o n i e r u n g gemäß zum mindesten verhindern, daß das von ihnen geräumte Feld irgendeinem imperialistischen Feinde Nutzen bringen könne. Am wenigsten gönnen sie Deutschland einen solchen Vorteil. Deswegen zwingen sie der deutschen Regierung durch ihre Geneigtheit zu einem scheinbar recht annehmbaren Ergänzungsvertrag ihren taktischen Willen auf, klammern sich wie ein Ertrinkender an den imperialistischen deutschen Staat an, um diesen mit in den Abgrund zu ziehen. Wenn bei der unausbleiblichen Reaktion in Rußland der Bolschewismus vernichtet wird, dann soll auch Deutschland in den Trümmern das Grab seiner Ostpolitik finden.

Es wäre nicht nur zwecklos, es wäre törichter Selbstmord, wenn Deutschland sich nach den taktischen Mißerfolgen beim Abschluß des Brester Friedensvertrages und nach der Blamage im Anschluß an die Ermordung des Grafen Mirbach sich jetzt den Katastrophenpolitikern Rußlands in naiver Verblendung ausliefern würde.

Es gibt nur einen einzigen Weg gesunder Ostpolitik in Deutschland: A b r ü k-ken vom Bolschewismus! Distanz zu ihm gewinnen, um in Rußland für Deutschland zu retten, was noch gerettet werden kann.

Was nach dem Abrücken geschehen muß, wird sich bald weisen: Aus der unzweideutigen Absage Deutschlands an den Bolschewismus werden die russischen Machthaber ebenso ihre Konsequenzen ziehen wie auf der anderen Seite das russische Volk. Auf den Zusammenbruch des Bolschewismus wird die Bemeisterung der Anarchie durch deutsche Kraft und deutsche Organisation folgen müssen. Und wenn wir auch hierfür nicht den gefühlsmäßigen Dank des russischen Volkes ernten, so werden wir doch als positives Resultat einer aktiven Ostpolitik, die sich auch auf Großrußland erstreckt, eine solche Anpassung Großrußlands an die deutsche Führungsmacht erzielen, daß alle Revolutionspläne Lenins und alle wirtschaftlichen Kriegspläne der Angelsachsen an der Kraft des mittel-und osteuropäischen Staatensystems zerschellen werden.

us einem Bericht des k. u. k. Generalkonsuls in Moskau, George de Pottere, an den Minister des Äußern Stefan Graf Burian von Rajecz

'aus-, Hoi-und Staatsarchiv Wien, PA X 150 ässe XI a, Blatt 363— 365, Maschinenschriftliche jsfertigung ) oskau, 6. Oktober ro. 85.

arl Radek, Abteilungschef i Volkskommissariat für uswärtige Angelegenheiten. ; ist Euer Exzellenz Aufmerksamkeit nicht tgangen, welch breiten Raum in meiner Behterstattung die Äußerungen und Artikel ideks einnehmen. Dieser kleine, häßliche, unwaschene Jude ist seit Monaten der maßgende Faktor der auswärtigen Politik der So-jet-Regierung. Seine Noten, Reden und Zeingsartikel, mit denen er uns in ganz staunswerter Menge überschüttet, deuten auf nen klaren, haarscharfen Verstand, eine unwöhnlich umfassende Bildung und die beneinswerte Gabe, Essentielles von Nebensäch-hem zu scheiden. Nicht umsonst war Radek eizehn Jahre Mitglied der deutschen Sozial-

mokratie. Die geschickte Dialektik seiner lunziationen, ein Erbe seiner Rasse, ist von rblüffender suggestiver Überzeugungskraft, ffen und ohne Lücke in der Logik führt er n Leser oder Hörer dorthin, wo er ihn haben dl. eser eigentümliche, nie rastende Mann ist Ute der Alter ego des allgewaltigen Lenin der allgemeinen Politik der Sowjets. Er ist cht nur derjenige, der Herrn ierin seine ihöflichen Protestnoten schreibt, sondern ich der Leiter der ganzen kommunistischen opaganda im Auslande. Ihn verbinden enge inde mit van Ravenstein, dem sozialistischen ogeordneten von Amsterdam, und mit dem nerikaner Robins. Durch diese beiden soll über das, was in der Entente und in den reinigten Staaten vorgeht, glänzend infor-

ert werden. Radek schreibt unter dem Pseu-

nym „Viator“ die Leitartikel des Amtsblat-s „Izvestija"; er ist der Leiter des deutschen mmunistischen Hetzblattes „Die Weltrevolution". Zu heiklen Missionen wird nur er ausersehen, denn wiederholt schon hat er persönliche Unerschrockenheit gezeigt. So wurde Radek zur „Liquidierung" der Aufstände in Jaro-slavl'und in Orsa delegiert. Nächstens wieder soll er den Kongreß der sozialistisch organisierten deutschen Kolonisten an der Volga — etwa 600 000 Menschen — leiten.

Die Vergangenheit Radeks ist für uns hier eine dunkle, im doppelten Sinne. Er hörte einst auf den Namen Karl Sobelsohn, stammt aus dem Lemberger Ghetto und soll bei uns Militärflüchtling sein. Auch sagt man, daß er sich zuweilen als Hausierer herumgeschlagen habe und wegen Vermögensdelikte mit dem Gesetze in Konflikt geraten wäre. Daher der hier allgemein gebrauchte, aus seiner Schreibweise: „K. Radek" zusammengezogene Kosename Kradek (— Dieb). Auch in Deutschland soll er sich unmöglich gemacht haben, was unseren Verbündeten nicht hinderte, oder vielleicht gerade veranlaßte, bei Beginn der russischen Revolution ihn mit seinen kommunistischen Kollegen in versiegeltem Waggon durch die deutschen Linien nach Petersburg durchzulassen. Damit war der Bolschewiken-Bazillus in Rußland ausgesetzt.

Radeks Bildung und Intellekt sind durchaus deutsch-jüdisch. Von einem Russentume keine Rede. Dennoch ist er der nächste Intimus des Stockrussen Lenin. Die beiden haben während ihres Exils in der Schweiz im Gegensatze zur Mehrheit ihrer Partei die These von der „Diktatur des Proletariats" gegen das demokratische Prinzip des Repräsentationssystems durchgesetzt und damit den Bolschewiken, die in der Konstituante dieses Winters die Minderheiten hatten, die Waffe in die Hand gegeben, mit der sie sich gegen die erdrückende Mehrheit des Volkes noch immer am Ruder erhalten.

Ich darf diese Ausführungen über den Herrn Abteilungschef für mitteleuropäische Angelegenheiten, mit dem ich mich übrigens — trotz seiner impossiblen Ideale und Bestrebungen — glänzend spreche, mit einigen Zitaten aus einer Rede schließen, die derselbe, eben über diese mitteleuropäischen Angelegenheiten, gestern auf dem Meeting im Samoskvoreckijschen Rayon vor den Arbeitern der Michelsohnschen Fabrik gehalten hat: . Gestern haben wir von der hohen Tribüne des Allrussischen Zentralen Exekutivkomitees herab vor der ganzen Welt erklärt, daß wir die eben gebildete deutsche Koalitions-Regierung als eine vorübergehende ansehen und daß wir den deutschen Arbeitern zu Hilfe kommen werden, welche unausweichlich zur Regierungsgewalt gelangen müssen, so wie die russische Arbeiter-und Bauerngewalt nach der Kerenskij-Koalition zur Regierung gelangt ist.

Und heute früh hat uns, Genossen, der Vertreter der deutschen Regierung besucht; aber ganz seltsam: kein Wort des Protestes ließ er diesmal gegen uns fallen. Die jetzige deutsche Regierung sieht uns vielmehr ängstlich in die Augen: ob wir ihr nicht am Ende in den Rücken zu fallen beabsichtigen? Und das sind die gleichen Plünderer, die noch bis vor allerkürzester Zeit uns geradezu den Stiefel auf die Brust gesetzt haben. Woher ist dies gekommen, Genossen? Doch nur daher, weil der deutsche Imperialismus in allen Fugen kracht. Ich entsinne mich noch dessen, wie in Brest Graf Czernin zu uns Russen zum vertraulichen Gespräch herüberkam, um den begangenen Raub zu bemänteln und um uns unsere Lage angeblich zu erleichtern. Ich und Genosse Trockij erklärten ihm: Der Brester Frieden wird Ihnen teuer zu stehen kommen, denn Frankreich und England werden wie eine eiserne Wand dastehen. Daraufhin erwiderte uns Graf Czernin mit einem Judaslächeln, die Zentralmächte würden sich mit England und Frankreich schon irgendwie einigen, denn sie könnten diesen beiden Ländern natürlich nicht sieben Felle vom Körper ziehen; das Sowjet-Rußland aber sei jedenfalls waffenlos. Damit müsse man eben rechnen.

Als aber dann der deutsche Imperialismus Brest verließ, um einen ähnlichen Frieden mit England und Frankreich abzuschließen, da nahmen ihn die amerikanischen Maschinen in ihre eiserne Umklammerung und brachten ihn zu Falle. Die deutsche Armee wankt, aber noch stärker schwankt die deutsche Bourgeoisie. Sie wird für alles zahlen müssen: für das zerstörte Belgien, für das zertrümmerte Nordfrankreich ..." „Kühlmann — derselbe Kühlmann, der in Brest wie ein Sieger dem Genossen Trockij gegenübergesessen war, hat vor einiger Zeit in seiner Aufsehen erregenden Rede gesagt daß dieser Krieg mit Waffengewalt nicht zu beenden sei. Diese Worte haben die Brandfackel in die deutsche Armee geworfen; sie begriff, daß das Lied des Sieges ausgeklungen sei. Die Gärung setzte ein, die fort noch anwächst. Und etwas Unvorhergesehenes ereignete sich. Es stellt sich nun heraus (und wir besitzen hierüber die zuverlässigsten Nachrichten), daß Kühlmann an demselben Tage stürzte, für den der deutsche Vormarsch geplant war. Hindenburg war genötigt, die Ausführung seines Planes um zwei Wochen zu verzögern, und diese zwei Wochen erwiesen sich als verhängnisvoll. Bulgarien trat aus dem Krieg; armeekorpsweise verließen die bulgarischen Soldaten die Front; für Deutschland entstand eine neue Front — die südliche. Wir besitzen Nachrichten, daß bulgarische Offiziere es versuchten, ihre Soldaten an der Front zurückzuhalten; da setzte ein Massengemetzel der Offiziere ein, und die Soldaten kehrten dennoch heim. Die bulgarischen Bauern sagten sich: Wir kämpfen nun schon seit dem Jahre 1912, also sechs Jahre. Genug, mehr wollen wir davon nicht haben." — „. . . Wie die Politik der Deutschen in der Ukraine enden wird — das vorauszusagen ist nicht schwer. Sie werden sich von dort bald entfernen müssen. Auch dort sind alle ihre Hoffnungen gescheitert. Die Lebensmittel, die von dort nach Deutschland gesendet worden sind, werden unterwegs von der galizischen Armut geplündert, die vor Hunger stirbt; sie gelangen gar nicht nach Deutschland ..." — „Wilhelm kapituliert, aber das neue Koalitionsministerium wird noch kurzlebiger sein, als es das russische war. Auch Philipp Scheide-mann, der in Belgien mit deutschen Generälen Feste gefeiert hat, wird es nicht für lange ge-en, den Orkan der deutschen Revolution zuhalten: sie wird hervorbrechen. : seiner Abfahrt nach Berlin sagte mir der tsche Gesandte Helfferich, daß Deutschland ere russische Regierung für eine vorüber-ende halte und mit ihr daher wohl nur en vorübergehenden Vertrag schließe. Dar-habe ich ihm geantwortet, daß wir Schüler großen Philosophen Karl Marx sind, der rt, daß alles vorübergehend ist. Und hier en wir den Beweis dafür: Vor zwei Tagen uns der Vertreter der deutschen Regierung ucht und die Frage gestellt: . Was werden Sie verlangen?'

auf antwortete ich mit der Gegenfrage:

Was werden Sie räumen?'— , Sie erwarten Vorschläge?'fragte er mich. — , Wir warten ab, was kommen wird', replizierte ich. — , Wir wollen sehen, was Sie genötigt sein werden, uns selber vorzuschlagen!'

So sieht das Ende der räuberischen Diplomatie des Imperialismus aus. Es ist eine sich vollziehende Tatsache — der Imperialismus stöhnt, tödlich getroffen. Bald wird ihn das sich erhebende Proletariat völlig erschlagen. Und es kommt eine neue Welt. Diese Welt wird im Blute geboren, wie alles in dieser Welt. Aber sie wird geboren werden; sie wird kommen." —

Diese aussichtsvolle Perspektive ist eine Ergänzung zu den Ausführungen meines gestrigen Berichtes Nro. 83

Pottere

is den Leitartikeln Karl Radeks in den „Izvestija" und der „Pravda"

Katastrophe des deutschen Imperialismus vestija" vom 4. Oktober 1918)

] Im großen historischen Augenblick, den wir t durchleben, muß man kaltblütig, ohne sich i der agitierenden Phrase fortreißen zu las-, das Ergebnis des großen Ereignisses ziei und sich Abrechnung geben über die Beitung und Folgen desselben. [. . . ] Zur t als Deutschland die Folgen seiner Siege Jen Jahren 1915— 1916 ausbeutete, arbeite-ununterbrochen die Schächte und Fabriken erikas, wurde die amerikanische Armee niert und wuchs aus der Erde ein neuer chtvoller Mechanismus der Vernichtung vor. Und als der Sieger von Brest aus dem en nach dem Westen zurückkehrte, ergriff 1 umklammerte ihn mit eiserner Umklam-rung das amerikanische Kapital. Es krach-

die Knochen des deutschen Kapitalismus, krachten nicht nur unter der Stärke des ickes des neuen eben erst in den Kampf einretenen amerikanischen Giganten, sondern wegen, weil die Kräfte der deutschen Iksmassen, die 4 Jahre lang von einer Front andern gejagt worden waren, sich als erschöpft erwiesen, als außerstande, dem neuen Feind Widerstand zu leisten. Der neue Vormarsch Deutschlands im Sommer dieses Jahres endete ergebnislos. Der deutsche Imperialismus rechnete darauf, daß die Entente sich von der Unmöglichkeit eines Sieges über ihn überzeugt habe und ihm seine ganze Beute im Osten überlassen würde. Wenn ihm dies gelungen wäre, würde der deutsche Imperialismus als Sieger aus dem Kampf hervorgegangen sein, denn er würde ja über das ukrainische Brot, das Bakuer Naphta, die Turkestaner Baumwolle verfügen und hätte ein grandioses Feld der Ausbeutungstätigkeit. Doch der Plan mißlang. [. . . ] Der deutsche Imperialismus kann nicht seine Stelle einfach dem englisch-amerikanischen abtreten. Sein Fall wird eine Bewegung der Volksmassen in erster Linie in Deutschland und Österreich hervorrufen. [. . . ] Die Proletarierrevolution in Österreich und Deutschland wird unausbleiblich die Revolution in dem erschöpften Frankreich und Italien hervorrufen. Neue Zeiten, neue Lieder („Izvestija“ vom 5. Oktober 1918)

[. , . ] Wenn bis jetzt alle Reden der deutschen Regierungsvertreter über die Lage im Osten mit der Unterstreichung des Übergangscharakters der russischen Arbeiter-und Bauernregierung begannen, wenn hierbei erklärt wurde, daß sich die Regierung an den Brester Vertrag nur so lange gebunden fühle, als sein Kontrahent existiere, wenn diese Erklärung noch am 24. September von Konteradmiral v. Hintze wiederholt wurde, so hat demgegenüber gestern, am 3. Oktober, 6 Monate nach Ratifizierung des Brester Vertrags, Sowjetrußland der Welt von der Tribüne des Zentralexekutivkomitees herab laut verkündet, daß es die jetzige Regierung Deutschlands als eine Regierung von sehr kurzer Dauer halte. Sowjetrußland nahm es nicht übel, wenn die Herren Kühlmann, Hertling und v. Hintze von seinem vorübergehenden Charakter sprachen. Wir, die wir nach den Lehren des großen Sohnes des deutschen Volkes großgezogen worden sind, wir sehen alles als vorübergehend an. [. . . ] Bis jetzt hat die Sowjetregierung die Arbeiter Rußlands aufgefordert, vorläufig dieser Lage Rechnung zu tragen, immer wieder nachzugeben und all das Schwere, das von uns verlangt wurde, auf sich zu nehmen, wobei bloß eine einzige Grenzlinie gezogen wurde: die Rettung der sozialistischen Revolutionszentren. [. . . ] Die Grundbedingungen der Herrschaft des deutschen Imperialismus sind gestürzt. Welche Folgerungen zieht es [Sowjetrußland] nun daraus? Mit dem deutschen Imperialismus werden die deutschen Arbeiter fertig werden. Möglicherweise wird der Kampf mit ihm noch einige Monate andauern, und die deutschen Arbeiter werden ihn unter großen Opfern führen müssen; doch unterliegt es keinem Zweifel, daß sie siegen werden. Die Regierung, welche aus einem von ihr selbst angefachten vierjährigen Kriege hervorgeht, eine solche Regierung ist gerichtet von der Weltgeschichte. Unter der Nation der führenden, an Wissen und Organisation so reichen Arbeiterklasse werden sich sicherlich Kräfte finden, um den Urteilsspruch der Weltgeschichte zur Ausführung zu bringen. Die Arbeiter Deutschlands sollen dessen sicher sein, daß ihnen im Osten ein zuverlässiger Wächter erstehen wird, wenn sie das schwere Erbe des imperialistischen Krieges in ihre eigenen Hände nehmen werden. Mit unserem Leibe werden wir dem Entente-Imperialismus den Weg nach dem roten Berlin versperren, und nicht nur an der Volga, nicht nur am Dnepr, nein aüch am Rhein werden die jungen Regimenter unserer Roten Armee, wenn die Weltgeschichte dies von uns verlangen sollte, für die deutsche Revolution und gegen das Kapital kämpfen. [. . . ] Je grandioser die Aufgabe, desto stärker wird die Energie des jungen russischen Giganten wachsen. Die aus der russischen Arbeiterrevolution hervorgegangene Kraft wird nicht dazu verbraucht werden, um künstlich die Geburt der europäischen Revolution zu beschleunigen. Sie soll aber verbraucht werden, wenn es gelten wird, das Kind der europäischen Revolution vor Schlägen zu beschirmen und mit ihm vereint, mit aufgestülpten Hemdsärmeln an die große Arbeit zu gehen, auf den Ruinen des Kapitalismus.

Auf dem Vulkan („Izvestija" vom 20. Oktober 1918)

[. . . ] Die Ereignisse entwickeln sich in unerhört raschem Tempo. Wir wissen nicht, was der morgige Tag uns bringt, aber wir wissen fest, daß jeder kommende Tag ein Schritt vorwärts sein wird der neuen Welt — dem neuen Frieden entgegen, begründet nicht auf der Gewalt des Imperialismus, sondern auf dem Streben der Arbeiterklasse und der Bauern nach Befreiung vom Joch des internationalen Kapitals. Sieht man jetzt auf den Gang der Ereignisse, horcht man jetzt auf den Donner, welcher die alten kapitalistischen Festen Europas erschüttert, dann drängen sich einem von selbst die Worte Ulrich Huttens auf die Lippen: „Es ist doch eine Lust zu leben in dieser Zeit."

Der Karren rollt weiter („Pravda" vom 23. Oktober 191S)

Die internationale Lage spitzt sich mit jedem Tage mehr zu. [. , . ] Wir leben in einer Epoche, die mit den Worten des großen polnischen Dichters Krassinski charakterisiert werden kann, mit denen er in seinem „Iridion" Rom zur Zeit des Niedergangs bezeichnet: „Es naht das Ende der alten Welt, Götter und Men-sehen sind toll geworden." [. . . ] Und mitten in diesen tobenden Elementen steht als alleinige, ruhige, wachsende Macht Sowjetrußland mit schußbereitem Gewehr. Es rüstet weiter, es bereitet seine Kräfte vor, um die Jahres-feier der russischen Revolution unter den entrollten Bannern der internationalen Revolution zu begehen. [. . . ] Es ist ja wenig Aussicht dafür, daß die Regierungen der toll gewordenen Welt einsehen werden, daß ihnen irn Kampf mit Sowjetrußland kein Sieg winkt. Aller Wahrscheinlichkeit nach will es der Genius der Weltgeschichte, daß hier, auf russischem Boden, französische, englische und amerikanische Soldaten die Revolution studieren sollen, wie es auch schon die deutschen und österreichischen Kriegsgefangenen getan haben. Wir fordern den Abzug der fremden Trupppen vom russischen Territorium, denn wir möchten das Blut des russischen Volkes und das Blut dieser Truppen schonen. Wenn es aber unsere Feinde und der ganze Welt-Imperialismus durchaus haben wollen, daß der Herd der III. bewaffneten Internationale — der Internationale der sozialen Revolution — auf russischem Boden geschaffen werde, dann wird das in diesen Kämpfen vergossene Blut sicherlich seine Früchte bringen.

Aus dem Tagebuch Alfons Paquets Moskau/Berlin 1918

Mittwoch, 25. September [. . . ] Ich denke langsam, erhalte die sinnlichen Eindrücke, fülle sie erst nachträglich mit dem sickernden Blut der Gedanken, die schließlich in der Gestaltung wieder Leben geben. Mir scheint, ich bin in diesen Tagen der Krankheit und der Ruhe dem Grunde nähergekommen und im Begriffe, Sozialdemokrat zu werden. Dann wäre manches klar vor mir, einerlei ob schwer oder leicht. Ich denke an die goldene Spitze des Reichstagsgebäudes. [. . . ]

Sonntag, 29. September Die Nachrichten von daheim recht beunruhigend. [. . . ] Viel an zuhaus gedacht. Große Versuchung, hervorzutreten. Ich muß mich vor meinen Erregungen hüten. Fühle Schmerz über das Schicksal des Landes, aber zugleich wie Befreiung, daß endlich der Stein ins Rollen kommt.

Radek meinte heute nochmals, er sehe schon, wie einst die deutschen und russischen Arbeiter zusammen eine Front gegen den angloamerikanischen Imperialismus bilden werden. Er legt es auf Zusammengehen mit uns an. I. ]

Dienstag, 1. Oktober [. . . ] Der Tag bringt schlechte Neuigkeiten aus Berlin, die Telegramme geben allerdings ein verzerrtes Bild. Schlechter Tagesbericht. Separatfriedensschluß Bulgariens; „Izvestija" schreibt: „Deutschland am Rande der Revolution". Ernster, erhabener, tragischer Augenblick — mit reißender Schnelligkeit entwickeln sich die Ereignisse und scheinen den Leuten über den Kopf zu wachsen. Faktisch haben scheint’s alle den Kopf verloren. Was für eine Regierung wird entstehen? Jetzt der Augenblick, wo neue Politik den Krieg beenden kann, nicht Waffengewalt. Und in diesem Augenblick, wo in Rußland der Weg nach allen Seiten zur Politik frei ist — bis nach Japan hin — aber auch zum ernsthaften Gespräch mit den Bolschewik! —, fehlt hier ein verantwortlicher Gesandter überhaupt ein politischer Mensch. Das ist so, daß man sich an den Kopf faßt. In Berlin scheint’s drunter und drüber zu gehen in den Ämtern; alles sich auf die große Abrechnung vorzubereiten. Hier sagt Radek: „Ihr werdet zu fühlen bekommen, was ein Brester Friede ist. .. Wenn ihr vernünftig wäret, würdet ihr auf Annexionen verzichten und euch mit Rußland verbünden...." So weit sind wir noch nicht. Noch sind wir nicht Schicksalsgenossen Rußlands... Aber den Zusammenbruch der zynischen Rohrbachschen Politik. erleben wir wohl.

Merkwürdig, ich bin gefaßt, wie unberührt; voll heiliger Spannung und einem tiefen Vertrauen, daß nun die Wende kommt. . . Es ist gut und wie vorbestimmt, daß ich jetzt, und gerade jetzt, noch Werde heimreise. einmal wiederkommen. Dann nochmals vielleicht hinausgeschickt werden. .. Und endlich wieder Ruhe, Arbeit, Heimat.

Jene an der Front waren tapfer und sehen nun das Ende ihrer Tapferkeit. Wir im Auslande waren treu und stoisch und sehen nun das Ende unseres Leides, unserer Demütigungen. [. . . ] Führerloses, geschlagenes, wehklagendes Volk in der Heimat! Schlecht belohnt für den Glauben, deine Tapferkeit, deine Treue, deine Opfer. Opfer einer zehnjährigen Verblendung. Opfer des steifen Stehkragens, des Hochmuts einer emporgestiegenen Kaste. . . Nach so langen Jahren der Prüfung kommt der Augenblick der höchsten Glut im feurigen Ofen. Dein Vertrauen in deine Götzen wankt, die hölzernen, genagelten Standbilder werden gestürzt. Was nun? [. . . ]

Mittwoch, 2. Oktober Schlechte Schilderungen der Lage in Miltamt-Telegrammen von Berlin: Offenbar darauf berechnet, dem Volk einen Ernst der Lage zu malen, der später sich nur lichten kann und es vor Ausschreitungen zurückhält. Viel Arbeit mit Telegramm-Abrechnungen etc. Wölfing empfindet Ablehnung seitens der Geistlichkeit unangenehm, da schon im Großen Hauptquartier darüber berichtet. Ich lenke ihn auf Dazwischenkunft der Veröffentlichungen, die den Patriarchen kompromittieren Daß aber nichts draus würde, ist nur gut. Was sollen wir mit den alten Dingen zu tun haben: Deutschland fängt jetzt mitten im äußeren Zusammenbruch erst an, moralisch zu siegen, — sich alles zurückzuerobern, was es durch feindliche Propaganda verloren hat im Ansehen der Welt. — Darüber am Nachmittag Gespräch mit Radek, der gestern zwei Stunden mit Lenin gesprochen. ierin meint, daß es jetzt auch in den romanischen Ländern bald losgehe. Wenn Deutschland ein paar Monate standhalte und bei sich Anfang mache — (keine englische Revolution!! Gott sei Dank, sondern die europäische, die die große Einigung contra Amerika bringen wird), dann werde es auch in Frankreich losgehen. Deutschland aber schon längst auf dem Gebiet der Technik und der O r g a n i s a t i o n d a s revolutionäre Volk. Nur seiner Intelligenz anhänge noch Ängstlichkeit; die Eierschalen der Ehrfurcht vor einem alten hierarchischen System, dem preußischen, das es post factum durch den kategorischen Imperativ verteidigt. — Die Balabanova wird (am Freitag) mit großen Geldmitteln nach der Schweiz fahren, Beziehungen zu italienischen und französischen Sozialisten [anknüpfen] ... Deutschland einst berufen, das führende, revolutionärste, Ordnung schaffende Volk zu sein. Um wiederaufzubauen, was der Krieg zerstört hat, bedarf es organisatorischer Genies, wie es die Deutschen sind. Möglich, daß Radek in den nächsten Tagen nach Berlin fährt, — nicht um zu agitieren, sondern um von Regierung zu Regierung zu verhandeln. Die Sowjetrepublik unsere Wacht im Osten, wir deren Wacht im Westen. . . Paradoxer Zustand, der zu einer Lösung drängt. Wir brauchen hier baldigst eine politisch bevollmächtigte Persönlichkeit, wenn nicht einen Gesandten. .. [•••] Man ist mit den von loffe aus Berlin gesandten Informationen, die offenbar nicht das wesentliche enthalten, zu viel von dem kombinatorischen Klatsch der letzten Tage wiedergeben, unzufrieden. „loffe ist kein Revolutionär", ist Kleinbürger. Radek möchte nach Berlin. Wer weiß, ob er nicht noch einmal bei uns [eine] Rolle spielen wird. Ein Kaiser, der einen Ebert zum Minister ruft ... Haltbar?

Gegen die stählerne Umklammerung des stär-ceren anglo-amerikanischen Kapitalismus kam ler junge deutsche nicht auf: nun wird Deutschland auch auf politischem Gebiet das ührende Volk . . und alle die Vorwürfe, die jegen es erhoben werden, die fremde Völker jegen Deutschland in den Krieg zu treiben nöglich machen, fallen zu Boden. Kein „Mitteluropa" wird entstehen, aber dennoch ein auf Deutschland gestütztes Europa, -— vom Kanal um Ural, vom Nordkap bis Sizilien. . . Die einige europäische Flotte ist die deutsche mit lenen der anderen Länder zusammen. . .

Donnerstag, 3. Oktober Beunruhigende Nachsicht] von zuhause. Vorbereitungen zur Abeise. Nachmittags 3 bei Radek. Sein Büro eschlossen. Treffe Voznesenskij der mich n seine Zimmer mitnimmt. [. . . ] Sagt, heutier Tag sei historisch erster Ordnung: es habe achts bis Sitzung des Sovnarkom statt-jefunden, der beschlossen habe, auf Nachmittags eine kombinierte Sitzung des 3. I. K. und der Moskauer Räte undGewerk-chaften über die Lage einzuberufen, die jetzt m Großen Theater stattfinde. Es stehe zur Entscheidung, daß jetzt die Sowjet-Republik len revolutionären deutschen Arbeitermassen u Hille eile, mit ihnen gemeinsam gegen die \nglofranzosen kämpfe — oder, wenn die Ar-eiter jetzt in. Deutschland nicht zur Regierung elangen (Scheidemanns Eintritt in die Regieung bedeute dafür nichts), dann den bulgarichen und österreichisch-ungarischen Massen u Hilfe eilen. . . [. . . ] Radek erlebt die Ber-iner Dinge'in größter Spannung mit. Erzählt om gewaltigen Eindruck der heutigen Sitzung nd Inhalt des Briefes Lenins und der darauf olgenden Berichte Radeks und Trockijs. Auf-rund des Briefes wird die Resolution ange-ommen. Brief Lenins: der deutsche Imperiasmus i s t zusammengebrochen. Weder miliarische Diktatur noch parlamentarische Re-ierung sind imstande, mit entstandenen Auf-gaben fertig zu werden. Früher oder später muß in Deutschland reine Arbeiterregierung ans Ruder kommen. . . Nicht ausgeschlossen, daß Tempo der Entwicklung in England [und] Amerika langsamer sein wird, so daß angloamerikanisches Kapital mit [der] deutschen Revolution dasselbe versuchen wird, was der deutsche Kapitalismus mit Rußland gemacht hat. Entente wird für Weile an Kraft gewinnen und auf Rußland stärkeren Druck ausüben. Daher muß Sowjetregierung sofort alle Maßregeln ergreifen, um das militärische Programm, das bis zum Frühjahr eine Armee von 1 Million Mann voraussah, sofort durchzuführen und zu verdoppeln. (Höre: auf 3 Millionen. Z. Z. aber Mangel an Waffen und Munition. Uber 100 000 Gewehre z. Z. Verhandlungen mit uns, noch ohne Ergebnis. . .) Es müssen sofort eiserne Lebensmittelreserven angelegt werden, 1) um verstärkten Angriff der Entente gegen Ruß-land abzuwehren, 2) um bereit zu sein, der deutschen Arbeiter-Revolution zu Hilfe zu eilen, falls sie vom anglo-amerikanischen Kapitalismus bedroht werden sollte. . . [. . . ]

Wir sind überzeugt, daß Brester Vertrag liquidiert werden wird durch den Zusammenbruch des deutschen Imperialismus und durch die deutsche Arbeiter-Klasse. . . Wir gehen großen Kämpfen entgegen, bei denen wir Schulter an Schulter mit allen Arbeitern der Welt kämpfen werden, die sich gegen den Kapitalismus erheben. Es gilt, ruhig und rücksichtslos die Organisation der Arbeiter fortzusetzen (i. e. offene Aufhebung des § 2 [Agitationsparagraphen] des Brester Vertrages). Jeden Tag kann an uns Möglichkeit herantreten, unsere Kräfte einzusetzen (allgemeine Mobilisation durch Vacetis wurde dieser Tage angeordnet) für unsere Sache und die der allgemeinen Arbeiter-Klasse. Die reichen Hilfsquellen und Menschenmengen Rußlands und das organisatorische Talent der deutschen Arbeiterklasse werden die aus den Angeln gehobene Welt wieder einrenken. — Brief mit großem Enthusiasmus ausgenommen. Einige, wie Bucharin, wollen vor Freude auf dem Kopf stehen. Brief wird dann durch Rede Radeks über allgemeine Lage und Rede Trockijs über militärische Aufgaben'begründet. Resolu-tion um 7 Uhr: akzeptiert und konkretisiert Lenins Standpunkt. (Auffallend, wie wenig Diskussion. Alles wird von wenigen besorgt. In der heutigen Sitzung absolut das Drei-gestirn Lenin, Radek, Trockij.) — [. . . ] Zu Hauschild. [. . . ] Die dort versammelte Gesellschaft begrüßt mich schon als deutschen künftigen Revolutionär! [. . . ]

Mittwoch, 9. Oktober In Berlin. Stimmung des Zusammenbruchs. Sind zu Mittag bei Riezlers. [. . . ] Gespräch mit Herwarth der völlig aufgelöst und pessimistisch erklärt: lever en mässe Haben wir seit 1914... Langes Gespräch mit v. Stülpnagel dem ich die Alternative entwickele: wenn sofortiger Friede, dann Orientation nach Westen. Deutschland als Novize rezipiert in den hoch-kapitalistisch-imperialistischen Bund des An-gelsachsentums. Andernfalls: fortschreitende Radikalisierung und Bolschewismus. — Abends in der russischen Botschaft. [. . . ]

Freitag, 11. Oktober Morgens im Frankfurter Hauptbahnhof. Szenen: fast leere Halle. Die großen Schnellzüge, wegen ihrer Verspätung, alle ausgeblieben. Ein sterbender Kriegsgefangener vorübergefahren. Ein an Händen und Füßen gefesselter Feldgrauer, Unteroffizier, mit Schaum vor dem Munde, auf einer Bahre, mit 4 Soldaten. Zwei kleine 87er sehen sich das an: bolschewistisch: schimpfen auf die „Mistpreußen"; man muß ihnen den A. . . aufreißen bis an den Stehkragen. . . Zuhause Willy der von Zuständen und Stimmung an der Front erzählt. Er war von der vorderen Linie bis Köln 72 Stunden unterwegs. Ist verdutzt und sagt, an der Front alles ausgezeichnet. [. . . ]

Freitag, 18. Oktober [. . . ] In Frankfurt. Äußerlich stille Tage, aber voll Sorge und Erregung; das Begreifen, daß es mit den früheren deutschen Träumen zu Ende ist. [. . . ] Vater, schwächlich, gebrochen wie alle alten Preußen, ist spitzig gegen die süddeutsche Demokratie und ballt die Faust gegen irgendwas. — Ich bin schließlich außer mir vor Wut auf das deutsche Volk, das es nicht besser verdient hat, als jetzt am Ende eines mit wahnsinnigen Opfern geführten Krieges als ein Bettler dazustehen: denn es war dumm, beschränkt, schlimmer als führerlos; seine eigenen Phrasen hauen ihm jetzt aufs Maul, die Franzosen und Engländer mit ihren schnöden Redensarten haben recht behalten. Es i s t nichts zu wollen mit dieser unehrlichen verfluchten Bande. Unaufrichtiges, schielendes Gesindel! Sklaven-masse! Dickköpfe! Sie reden vom alten Fritzen und vergessen, daß dieser zwar ein Preuße war, aber Preußen nur retten konnte, weil er Ententist war, weil selbst seine Feinde ihn bewunderten, Franzosen, Engländer, Russen zu ihm kamen, Amerika ihn vergötterte. Und unsere „Helden" wollen einen Krieg gegen die ganze Welt gewinnen ohne Genie, nur mit roher Kraft. Hole sie der Teufel. Ich kann dies öde, tragische Feldgrau, diese müden erschütterten Männergesichter nicht mehr sehen. — [. . •] Im Schlafwagen, in dem ich Freitag Nacht nach Berlin fahre, ein zynisch umständlicher Kerl, halbjüdischer Kaufmann, Weißenbach (Berthold) aus Berlin, der ständig zwischen Berlin und Konstanz hin und her fährt und mit Schweizer Uhren handelt, viel Geld verdient und behauptet, er fühle sich neutral. . . Besticht die Schaffnerin mit Schokolade, hat herrliche Lederkoffer, raucht echte Zigarren, läßt sich morgens echten Kaffee von der Schaffnerin bereiten. Kleines unsympathisches Spiegelbild aller unserer Sünden. Dabei ist der Mann redselig, freigebig mit Zigarren und Trinkgeldern ebenso wie mit seinen Maximen zur Lebensweisheit. Natürlich verbreitet er auch defaitistische Gerüchte, aber es ist ihm gleich, wenn auch jetzt ein Aufruf der Sozialdemokraten an die Volksmassen kommt. Dem wird's immer gut gehen. (.. . j Samstag, 19. Oktober [. . . ] Es scheint, man fordert selbst in Konservativen Kreisen den Abgang des Kaisers. Die Blätter brachten gerade diesertage von ihm die Antwort auf eine Adresse von 138 ostdeutschen Pastoren, wo er von Verbundensein zwischen König und Volk spricht. Er soll wenig im Bilde sein; fuchtelt mit dem Stöckchen herum. Verleiht dem alten Routinier Mumm, der nicht nach V zurück will den Roten Adler I mit henlaub und Schwertern, um ihn durch diese chensprache zu ermuntern, nach Kiev zukzugehen. Die alte Ratte wird's aber doch ht tun. — Es scheint, seine Umgebung wagt i die Wahrheit nicht zu sagen. [. . . ]

Ile Bankrott-Stimmung. Wut auf das Milidas vor 3 Wochen plötzlich Panik verbrei2 und jetzt, nach geglücktem Rückzug, er-rt, wir können Stand halten. Trägt auf se Weise abermals Irritation in die Leitung Politik. Bin abends im „Adlon" und sehe, welcher äußeren Kultur wir gedankenlos-täglich bis vor 4 Wochen gelebt haben, ifnungslose Stupidität des Auswärtigen] ates] als Ganzes. Jeder scheint zu arbeiten ien dem andern her. Frühstücke mit Warke und Frau in der „Traube". Entwik-e: Wir stehen schon in der Re-lu t i o n ; der Deutsche, bisher, ist aber it revolutionär; auch der deutsche Arbeiter it; er ist im äußersten Falle radikal-liberal, aher sollen wir’s auch sein: hatten zwar rx und Lassalle, aber nur einen Herwegh; Russen aber eine ganze revolutionäre Lite-ir mit Dostoevskij und Tolstoj und Me ovskij. . . Russen haben immer ihr Leben gegeben, sind vor Kugeln und Galgen nicht hrocken. Wo ist solcher Mut bei uns?) Es d bei uns etwa 10 Jahre dauern, bis die olution ausbiicht, die uns ganz verwandelt, lieser Zeit liegt die (zu erwartende) Ame-inisierung Europas, Deutschlands, mit einer nenten Verschärfung der Klassengegen-e, Drückung der Löhne, Zunahme des Eineichtums, — von dem wir uns früher keine Stellung machten. Wenn wir nicht — zürnen mit den Russen — das revolutionärste k der Erde werden und ganz Europa sozia-ren, bis in die Südspitze Apuliens und bis len Lappen am Nordkap —, dann wird aus nichts werden. Dazu bedarf es am deut-n Volk eines gewaltigen Umbildungspro-ies... [. . . ] 1/2 Stunde Gespräch mit dem neuen Unter-staatssekretär Dr. David, der seit 3 Tagen in seinem Amt ist. Sein Zimmer noch leer; die Regale noch leer, er hat noch keine Akten, liest die Abendzeitungen. Sprechen über die Aussichten des Bolschewismus. Uber die Psychologie und Ordnung und Eingespieltsein und Politisiertheit der deutschen Arbeitermassen in ihrer gewerkschaftlichen Organisation. Mein Besuch freut ihn offensichtlich. — [. . . ]

Sonntag, 20. Oktober [. . . ] Mit Herrn und Frau Warburg (Fritz) im „Adlon" gegessen: ich sehe hier die satten Bourgeois und eleganten Offiziere, dicken, breitspurig auftretenden Leute, die auch jetzt noch sehr gut leben und doch gleichsam schon auf durchsägten Stühlen sitzen (er will, scherzend, von mir einen Tip haben, wohin er später fliehen soll, — vielleicht auf eine Farm nach dem amerikanischen Westen); — mit Rudnitzky durch den feuchten, herbstlichen Tiergarten: durch die Siegesallee, die Physiognomien stolz, kalt, bourgeoishaft-anmaßend, ein wahrer Maskenball von auftrumpfenden Exemplaren, und vor der Siegessäule: der eiserne Hindenburg steht da, erschreckend geschmacklos, in verwitterten Trophäen, wie ein Götzenbild; barsch, grob, plump, wie ein häßlicher Fleck in der herbstlichen Umgebung; Feldgrau mit eisernen Kreuzen. Auf der Bank in der Nähe ein Polizeioffizier. [. . . ]

Die Deutschen sind nun einmal kein Volk, das die Welt beherrschen kann. Sie haben sich die Völker, die sie selber befreit haben, zu Feinden gemacht.

Nachzuprüfen. Das deutsche Volk will auch die Welt nicht beherrschen, deshalb bringt es die Geste nicht fertig: es hat anstelle des Herrschergeistes, die Verschlagenheit und Überlegenheit ausdrückt, nur die übertriebene Ordnergeste als Substitut in Wachtmeister-uniform. [. . . ]

Montag, 21. Oktober Mein Ideal wäre, wenn, ich schon einmal etwas sein sollte, deutscher „Kultus" -Minister zu werden: Schulwesen, Theater, Universitäten, Presse, Kirche. Ich würde aus dem jetzigen Kultusministerium die Medizinalangelegenheiten abgeben (Gesundheitsministerium), dagegen das geplante Presse-Amt hereinnehmen. Die Universitäten gründlich auslüften, die Kirche in die Wüste stoßen, die Theater verstaatlichen, die bisherigen Elemente der Presse durch andere ersetzen, indem ich den Stand der Journalisten neu rekrutiere. Die Museen nach neuen, weniger den historischen als den geistigen Gesichtspunkten ordnen, die Denkmalspflege aus ihrer Spießigkeit herausreißen, Ausstellungswesen, internationale Beziehungen nebst Förderung gemeinsamer Forschungen.

Gänge des Passes wegen. Mit Schüler zum Frühstück. Er ist ganz zerschlagen, sieht sein Lebenswerk in Trümmern, sehnt sich nach einer Tischlerwerkstatt in einem kleinen Landgut, bei Bregenz, bis jetzt einer der höchsten Beamten des A. A. —

Erzähle ihm, als Beweis, daß Moskau hochpolitischer Boden sei, die Anknüpfungen mit Price. [. . . ] Er gesteht, daß die Fülle der Dinge einem über den Kopf wachse.

Unfähigkeit des alten Systems?

Bestaunt, was ich ihm über Moskau, den hochpolitischen Boden erzähle. [. . . ] Noch ganz verwirrt, voll Wut, daß das Militär das Spiel s o verloren hat. Daß wir den Krieg verlieren könnten, das konnte man sich ja schon in früheren Stunden theoretisch ausmalen. Aber daß wir ihn s o verlieren würden, nicht! Bietet mir schon an, ins A. A. einzutreten, scherzend. mich bei irgendeinem Bundesstaat zum Assessor machen. Nur noch Frage des Papiers.

Das Volk witzelt teilweise noch immer, ist unfähig, das ganze Pathos der Situation aufzunehmen: z. B. Warum ist Hindenburg die Sonne der Nation? Er geht im Osten auf und im Westen unter. . . Was die Note betrifft: man werde die „Gefühlskiste" aufmachen und den nötigen Dreh schon finden. Unausrottbarer Zynismus. — Auf den Straßen das lebhafte Treiben. Feldgraue, Mädchen, Arbeiter. Die Elektrischen überladen, alles in Ordnung, wenn auch murrend. [. . . ] Das Bedeutende fehlt in diesem bankerotten Deutschland überall; ist nur bei der älteren Generation, die schon mit einem Fuß im Grabe steht, anzutreffen.

Abends mit Wertheimer vor dessen Abreise. Er habe gehört, daß eine Front „von Westarp bis Scheidemann" gegen den Bolschewismus in Bildung sei. . . Das fehlte noch! Einige sprechen davon, loffe auszuquartieren. . . . Verbohrtheit, Verworrenheit, Hilflosigkeit! Nirgends ein klarer Blick und fester Wille, überall die Sehnsucht nach einem starken Mann, einem Bismarck, einem Lassalle. . .

Das Ganze, mit allen seinen Einzelheiten, ein Schauerroman, nicht auszumalen. Das alte deutsche Kaisertum geht jetzt wirklich unter: das preußische wie das österreichische. Jetzt erst erfüllt sich 1806; die letzten Ausläufer des Mittelalters enden. Österreich zerfällt, und wir wissen noch nicht, ob das deutsche Österreich zum Reich kommen oder sich mit Bayern vereinen wird. Vor der künftigen Geschichtsschreibung erscheint vielleicht die industrielle-technische, wirtschaftliche Blüte vor dem Kriege bereits als der Anfang des Zerfalls. Abenddämmerung über dem westlichen Europa. Neue Völker im Osten und im fernen Osten, wie im fernen Westen. Pax americana.

Dienstag, 22. Oktober [. . . ] Die Reichstagsrede des Kanzlers, in den Abendblättern, macht einen faden Eindruck. Die Sitzung scheint ohne Sensation verlaufen. Was hätte man in Ruß-land, in Frankreich, aus diesem Tag gemacht! Der Deutsche ist ohne Pathos, ohne Temperament. — Abends am Fernschreiber der Russischen Botschaft, Radek aber nicht zuhause. Die Domglocken läuten, gehe in den Gottesdienst. Liturgie. Rede Dryanders eines alten Gelehrten und Pharisäers, auf die „Kaiserin, Herrin des deutschen Volkes"! Wohl zum letzten Mal. Mit all diesen Requisiten des protestantisch-höfischen Kirchenglaubens. Verlasse, als gesungen wird, „Dies Wort sie sollen lassen stahn", als erster — und für immer — das Haus. — [• • ] ittwoch, 23. Oktober [. . . ] Morgens besucht lieh Stadtler, der über seine Tätigkeit als gitator, Pläne zur Gründung von Sowjets rzählt: im sozialistischen und Zentrumslager;

. . ] Ich sage ihm, daß ich das alles sehr schön nde, daran sei nur verdächtig, daß die Idee om Zentrum angenommen sei. . . [. . . ] Kurz anach treffe den Geh. Postrat Schenk, früher i Moskau. Längeres Stehgespräch, aus dem in wenig hervorgeht, wie die ältere, korrektrtschrittliche Beamtenschaft sich den Um-

chwung denkt, sie erschrickt fürchterlich über ie Wahrscheinlichkeit, daß es noch toller ommen werde. Hilfloses Abwarten, was nun ommen wird. Die alten Exzellenzen wackeln. -In der russischen Botschaft mit Jakubovic.

h spreche ein paar Augenblicke Scheidemann n Reichsamt des Innern. Gibt mir eine Karte ir den Nachmittag. Mittagessen mit Wießner ei Haußmann, wir spazieren bei schönem /etter zum Reichstag. . . ] Der historische Nachmittag im Deutschen eichstag, einer der fürchterlichsten in der eueren deutschen Geschichte, wo nacheinan-er der Pole Korfanty, der Elsässer (Ricklin) nd der Däne (Hanssen) erklären, daß sie sich ns das von Wilson deklarierte Selbstbestimungsrecht der Völker (das zunächst Europa i Atome auflöst) berufen und aus dem Deuthen Reich austreten. Danach erneute war-ende, aber leider trockene Rede des alten taatsmannes Grafen Posadowsky. Schließlich n scharfes kürzes Klingenkreuzen zwischen /estarp und Payer. — Temperamentvoll, aus ner Gruppe sprechend, Ledebour, der alte eiße Feuerkopf. Beim Nachhausegehen, es t dunkel, sehe eine Kette Schutzleute vor 3m Brandenburger Tor. [. . . ] reitag, 1. November Viel Geschäftliches in er Presse-Abteilung. Abends gegen 6 zu Ra-ek, der gerade zum Meeting fortgefahren. on Moskau aus sehen sich übrigens die inge in Berlin viel ruhiger an. Dort sind ufregungen von Stunde zu Stunde, Tages-

nsationen, Flugschriften, Denkzettel, Sitzunm, programmatische und revolutionäre Formungen, — Kämpfe, die zwar einstweilen is Bild der Stadt nicht im geringsten veridern; aber jeden Augenblick zum Ausbruch kommen können. Hier erscheint Berlin unbewegt und unbeweglich. Wenn die Leute glauben, daß wir noch eine gute Weile standhalten werden, so kennen sie unsere Verluste nicht.

Samstag, 2. November [. . . ] Radek in großer begeisterter Erregung. . . Die Welt dröhnt. Lenin selber sagte: wir sind jetzt in hohen Wellen, die uns im Augenblick hoch empor-tragen, im nächsten Augenblick tief herabreißen können, -aber wir kommen auch aus dem tiefsten Tale wieder hoch, wir sind nicht mehr umzubringen. — Gewaltige heroische Stimmung in diesem Zusammenbruch der alten Welt. Gehe an der Kremlmauer entlang, wo jetzt die Gräber geglättet, mit Rasen bedeckt: An einem der alten Wehrtürme ein riesiges rotes Tuch ausgespannt, hat man dem Turm goldene Flügel an die Mauer zu seinen beiden Seiten gemalt. Die Dohlen sitzen auf den Zinnen, an den Türmen stehen Gerüste, über dem geschlossenen Tor der Heiligen Pforte brennt die ewige Lampe und in der Kapelle zu ihrer Seite blinken die Gold-Ikonen wie Weihnachtslichter. Es ist kalt und neblig. Ich gehe am Fluß entlang. Nebel liegt tief über der Stadt, die Glocken dröhnen: die Hände auszubreiten in Ergebung ... [... ]

Samstag, 3. November [. . . ] Lenins Ausspruch: Wir haben Wellengang. Sind heute hoch oben, morgen in der Tiefe, aber kommen wieder hinauf. Radek meint, wenn nicht Friede werde, kommen die Unruhen schon im Januar. Sonst im März. Man betrachtet einen Putsch der Generalität in Deutschland als bevorstehend. Scheinen orientiert, daß man beabsichtigt, loffe hinauszusetzen, auch über die gegen-bolschewistische Propaganda. — Anzeichen in England: das halbe Parlament (Interpellation im House of Commons) ist beschäftigt, der Werkstätten-Propaganda entgegenzuarbeiten. Italien aber sei am nächsten, Entrüstung der deutschen Presse über den „Verrat’'Österreichs. Als ob eine soziologische Tatsache mit moralischen Maßstäben zu messen wäre... Radek teilt Vladimir Il’ic [Lenin] durchs Telefon mit, was ich über die Nordarmee die Stimmung und radikalen Vorschläge (Kerns z. B. in Berlin, mitbringe.

Ich habe Angst um die Revolution hier. . . Warum dieses Interesse? Bin ich nicht Bourgeois und bin es immer gewesen? Stamme ich aber in Wirklichkeit nicht doch von Handwerkern, kleinen Leuten, aus dem Arbeitsvolk und bilde mir nur ein, daß es anders sei? Fühle ich gar nicht Sympathie für das dumme eigen-süchtige Pack, das den andern mit den dicken Ellbogen im Wege steht und sich um Aufstrebende nicht kümmert, sondern sie unten hält? Gehöre ich nicht selbst zu den Zurück-gestoßenen und Beleidigten? Verdanke ich nicht alles, was noch das Gleichgewicht hält, nur göttlichem Geist, der geistigen Arbeit, dem Ruhen oder Unruhigsein in Gott? Aber keinem Menschen außer meinem allernächsten Leibsverwandten? Warum mitschuldig werden? Warum nicht lieber leiden, als nicht die Wahrheit bekennen?

Das Zeichen des Genies ist immer ein wenig Idiotie: sie ist die Gewähr seiner Traumhaftig-keit. [. . . ]

Dienstag, 5. November [. . . ] Abends bei Radek, wo ich zuerst Hauschild, dann den eben erst aus Berlin bzw. aus zweijähriger Zivil-gefangenschaft in Havelberg gekommenen Dr. Marchlevskij treffe. Die Schmückung der Stadt macht Fortschritte. Es war schwer, heut bei Tisch mit den biederen Landsleuten nicht in Zank auszubrechen über die Frage, ob das alles schön oder scheußlich sei. . . Sie erklären es für harmlos und hacken auf mir muffig herum, weil ich wage, es weder sinnlos noch häßlich zu finden, sondern schön, witzig, talentvoll, amüsant im höchsten Maße. . . Jetzt wehen vom Stadthaus rote Bänder, stehen neue breite Inschriften, schweben mächtige Lichtquadrate symmetrisch an den Roten Fassaden: „Der Bauer gibt dem Arbeiter Brot"; der Arbeiter gibt dem Bauern den Pflug; die Revolution gibt dem Volk die Gewalt. .. Die Tribünen sind jetzt in rohen grellen Farben und wilden Strichen futuristisch eingekleidet.

. . . Am Metropol’ oben die riesige Inschrift: Proletarier aller Länder, vereinigt euch. .. Düsterfarbige Bilder. Am klassischen Gebäude rechts vom Theater ein phantastisches Bild des Räubers Sten’ka Razin und seiner Genossen in einem hochaufgebäumten Boot. . . [. . . ]

Aus den Briefen Wilhelm Groeners Kiev 1918

Kiev, 9. Oktober [. . . ] Wir haben hier herrliche Herbsttage, -und in der Ukraine ist's gegenwärtig so friedlich und ruhig, daß sich’s recht angenehm hier leben ließe, wenn nicht die Ungewißheit von den anderen Kriegsschauplätzen und von Berlin her auch hier ihre starken Schatten werfen würde. Was wird Wilson antworten? ist die Frage auf Aller Mund. Fuchs brachte vorgestern schon von der Straße die Nachricht, es sei Waffenstillstand. Herr Wilson wird sich nicht beeilen und kann warten. Die Kämpfe im Westen sind ja für die Entente günstig, und außerdem werden die Waffenstillstands-bedingungen, die die Entente fordern wird und nach der militärischen Lage auch fordern kann, nicht so einfach sein, als unsere Berliner Neu-Politiker sich dies träumen. Der Spekulation auf Wilsons Ideologie stehe ich vorläufig recht skeptisch gegenüber.

Fleute heißt es hier, die Bolschewiken hätten auch uns gegenüber den Brester Vertrag für nichtig erklärt, nicht nur — wie ich in der Zeitung las — gegenüber der Türkei. Doch wollten die Bolschi auch weiter mit uns im Frieden leben. Daß unsere Bolschi-Politik zusammenbrechen wird, kommt gerade nicht überraschend! es war die ganze Brester Friedens-komödie eine sehr fragwürdige, weil unehrliche Sache, wie so manches, was wir uns in diesem Kriege geleistet haben. Genug davon!

Wir erfahren hier in Kiev herzlich wenig von der großen Politik und wünschten nur, dies möchte so bleiben. In der Ukraine brauchten wir keine Weisung und keine Hülfe, wir würden die Sache hier schon halten. Aber was kommt vom Westen? [. . . ]

Kiev, 12. Oktober Deine Anschauungen teile ich vollkommen;

insbesondere glaube auch ich, daß der glänzende Sieg, den uns das Schicksal im August 1914 vorgetäuscht hatte, nicht zu unserem Heile ausgeschlagen wäre. Daß der Krieg mehr als vier Jahre dauerte und nun so enden wird, daß er einer Niederlage nahe kommt, das aber mußte nicht sein, das haben wir uns selbst, unserer Torheit und Selbstüberhebung zuzuschreiben. Seit Jahr und Tag war meine große Sorge, daß Ludendorff den Bogen unserer Kraft Überspannen würde, wie es nun auch geschehen ist. Ludendorff, den ich als Soldat hochschätze, hat leider nie Verständnis für psychologische Wirkungen und infolgedessen ebensowenig für Politik gehabt. Er glaubte befehlen zu können, wo dies nicht möglich war, und hat leider in seiner Umgebung viel junge unreife Köpfe (und auch ältere) gehabt, die nicht günstig wirkten, die ihn hetzten, sogenannte Energie zu zeigen, wo es nötig war, in Ruhe und mit Vorbedacht zu wägen. Sie wollten sich durch dies scharfe Markieren von Energie natürlich auch in seiner Gunst erhalten, was ihnen leicht gelang, da Ludendorff kein großer Menschenkenner ist und leicht hereinfällt, wenn ihm die Dinge mit lauten, energisch klingenden Phrasen vorgetragen werden. — Der alte Hindenburg, der von den Eigenschaften, die Ludendorff fehlten, etliche besaß, insbesondere eine olympische Ruhe, hätte Ludendorff wohl ergänzen können, nicht wenn dieser die stärkere weitaus Persönlichkeit gewesen wäre. So waren, trotzdem nach Außen die Ehe Hindenburg-Ludendorff eine glänzende zu sein schien, doch die Einschläge Hindenburgs zu schwach, die Ludendorffs zu stark gewesen, um einen wahren Feldherrn zu bilden. Jeder für sich war nicht Feldherr, zur vollkommenen Verbindung eines Feldherrn fehlte die richtige Mischung — leider und tausendmal leider. Einsichtige und Eingeweihte waren deshalb seit langem in schwerer Sorge. — Den einzigen Feldherrn und Staatsmann, den Deutschland seit Bismarck hatte, hat das Schicksal nicht an die Spitze des deutschen Heeres gebracht; der alte Schliessen nahm das Geheimnis des Mannes von Sedan, das Geheimnis des Sieges mit ins Grab. — [... ]

Kiev, 13. Oktober [. . . ] Noch während des Festes war etwa um 1 Uhr nachts ein Telegramm von Berlin gekommen mit der Antwort des Reichskanzlers auf die Wilson-Note (wie ich sie erwartet hatte, eingehend auf die Wilson-Fragen). — Aber was will es heißen, wenn gestern noch Max von Baden als Reichskanzler im Namen der Mehrheit des deutschen Volkes zu Wilson spricht, und heute schon ist er nicht mehr der vom Vertrauen dieser Mehrheit getragene Kanzler von acht Tagen — Michaelis hatte es wenigstens auf 99 Tage oder sowas gebracht!! Als wir gerade bei Tisch unseren Preßkaviar uns schmecken ließen, kam ein Fernschreiben mit dieser neuen Wendung. Es ist eine Blamage sondergleichen für den Prinzen und späteren Großherzog ebenso wie für das ganze deutsche Volk. Es mutet wie ein Fastnachtsakt an, da sitzt ja keine Furcht dahinter, lediglich törichte Kopflosigkeit. Es ist aber auch vom Prinzen Max unverantwortlich, derartige Privatbriefe zu schreiben an eine Persönlichkeit wie den Prinzen Hohenlohe im Auslande. „Mänle Deine ganze Kanzlerschaft war blamabel, jeh'ins Badener Ländle heim und trink lieber Markgräfler"!

Du bist mit mir nicht zufrieden in Deinem ich Dir Brief vom 9., weil zu viel vom Essen und zu wenig von der Politik schrieb. Gott sei Dank, bei uns in der Ukraine ist bis jetzt kein Hexenkessel, alles ist friedlich und guckt lediglich nach Berlin, was dort sich zusammen-braut. Ich fürchte, es gibt noch mancherlei Überraschungen in Berlin; es gehen die Dinge zwangsläufig ihren Weg und sind nicht aufzuhalten. [. . . ]

Kiev, 18. Oktober Mein Gedächtnis wird löcherig — schnöde hab’ ich unsern Hochzeitstag vergessen. [. . . ] Allerdings wird's erklärlich, da in der gegenwärtigen Zeit mir so viel schweres und trübes durch den Kopf geht, daß ich auch Dir nicht alles schreiben kann; ich muß erst innerlich selbst verarbeiten, was in dieser schwersten Stunde des deutschen Volkes mich bedrückt, da ich keinen Ausweg sehe und seit Jahr und Tag diese traurige Entwicklung befürchtete, weil wir mit Blindheit geschlagen waren. Ich für meinen Teil hab’ ja immer versucht, meine warnende Stimme zu erheben, aber Niemand wollte hören. Vor mehr als zwei Jahren hab’ ich einst den Minister Breitenbach auf den drohenden Umsturz hingewiesen und gewarnt, unsere militärische Lage zu überschätzen. Noch im vorigen Jahr hab’ ich versucht, im Kreise der obersten Heeresleitung eine nüchternere Auffassung unserer Lage herbeizuführen. Ludendorff hat das letzte Spiel gewagt und hat’s — verloren. Es ging über unsere Kraft! Du darfst nicht glauben, wir würden hier keine Zeitungen lesen und nichts erfahren — allerdings lesen wir sie drei Tage später als Ihr in Berlin. — Daß unsere Regierung und die oberste Heeresleitung den Kopf verloren haben, ist wohl richtig. Ich nehme es der Regierung aber nicht übel, denn sie wurde — Gott sei’s geklagt — von der obersten Heeresleitung nie rechtzeitig über den wahren Stand der militärischen Lage unterrichtet. Ludendorff hatte auf die Karte der brutalen Gewalt gesetzt und vor dem Wagen das Wägen mißachtet. Daß dies so kommen werde, war meine dauernde Sorge, da ich Ludendorff und den ihn umgebenden Kreis genau kenne. Daß es aber so schlimm werden würde, wie es jetzt nach meiner mangelhaften Kenntnis der Dirge im Westen den Anschein hat, hätte ich nicht erwartet, nachdem Ludendorff vor 4 Wochen bei meinem Besuch im großen Hauptquartier mir unsere Lage zwar sehr ernst geschildert, aber doch in einer Weise, daß ich annehmen konnte, die schwerste Krise im Westen sei überstanden. — Es hat ja keinen Zweck, der Vergangenheit Leichenreden zu halten, wenn wir endlich daraus die Lehre ziehen würden, der Wahrheit nüchtern ins Auge zu sehen. Ich fürchte aber, weite Kreise unseres Volkes sind von der Erkenntnis der Wahrheit noch weit entfernt, und die Oberste Heeresleitung scheut sich davor, weil sie den Sturz von Vertrauen und Stimmung im Heere befürchtet. — Die nächsten Tage werden Wohl die Entscheidung bringen müssen, ob wir uns vor der Welt als besiegt erklären müssen oder ob wir weiter kämpfen werden bis zum letzten Ende. Wofür man sich entschließen mag, der Folgen im einen wie im andern Fall muß man [sich] klar sein. Unsere Kraft ist im Verlöschen, militärisch und kriegstechnisch-industriell, während die unserer Feinde immer noch im Zunehmen ist. Gebe Gott der Regierung und Obersten Heeresleitung einmütige Weisheit und Kraft. Die letzten Nachrichten vom westlichen Kriegsschauplatz haben meine Sorge gesteigert — doch sieht man aus der Ferne nicht klar genug. Eines nur weiß ich, daß die Heeresberichte zwischen den Zeilen gelesen werden müssen; das war schon immer so.

Nun sollt’ ich Dir all dies nicht schreiben, um Deine Stimmung nicht allzusehr niederzudrükken; aus Deinen letzten Briefen schien mir aber hervorzugehen, daß Du die Lage mehr durch die Brille der alldeutschen Zeitungen betrachtest; die Regierung ist nicht so schuldbeladen, wie es scheint, die oberste Heeresleitung hat ihr eihen tüchtigen Packen abzunehmen.

Was ich Dir hier schrieb, ist natürlich nur für Dich bestimmt. [. . . ] Kiev, 20. Oktober Die vergangene Woche war für mich eine arbeitsreiche — allerlei wichtige Besprechungen fanden statt mit unseren Chefs der Stäbe der Generalkommandos, mit den ukrainischen mmandierenden Generalen, mit österreisch-ungarischen Vertretern, mit Ministern d Politikern aller Parteien. Gestern hat das nisterium demissioniert — wie die vox puli sagt: „General Groener will ein neues nisterium"! Nun, eine Änderung des Mini-riums war längst beabsichtigt und schon in rlin mit dem Hetman besprochen. Wenn ich : h mitgeholfen habe, dem Hetman den Entlaß zu erleichtern und ihn vor der öffentien Meinung als gedrängt von den Deuten erscheinen zu lassen, so war das schäre Drängen von Berlin vom Auswärtigen Amt d den Reichsboten ausgegangen, die das herige Ministerium als zu großrussisch er-tet haben. Nun soll mehr „ukrainisiert" rden — meinetwegen; in der Sache wird’s ht allzuviel ändern; man legt eben statt ; einen Mantels einen anderen um. Ich selbst te längst unsere Ostpolitik nicht für die eckmäßigste, aber wir sind auch hier, wie Westen, zwangsläufig im Gleise und haben psychologischen Momente zum Abschwen-i in neue politische Richtungen versäumt, r ganze Krieg ist eben militärisch ebenso ? politisch eine Kette verpaßter Gelegenhei-r wird uns auch die neue Regierung, die ras mehr nach links orientiert werden soll, ht ins sozialistische Fahrwasser führen, wie russischen Monarchisten und Großgrund-itzer fürchten. Gegen die Bolschewiken sind h die ukrainischen Sozialdemokraten, deren rer Vinnicenko, den ich in den letzten TaL mehrfach bei mir sah, mir ausgezeichnet ällt. Nicht die Spur von der echten soziali-chen Färbung und nach dem Äußeren und h seinen Meinungen ein rechter „bour-iis" — etwas Dichter und Schwärmer, doch r und bestimmt in seinen Anschauungen.Ministerwechsel wurde noch erleichtert, em 9 der Minister gestern in der Presse törichtes Pronunciamento ihrer großrussien Gesinnungen und Entente-Neigungen jelassen haben. Ich nehme es • ihnen an L gar nicht so sehr übel, denn unsere deut-3 Politik war nicht darnach, um den großsischen Patrioten besondere Liebe zu

Deutschland einzuflößen. Wenn die Leute von der Zerstückelung Rußlands ä la Brester Frieden nichts wissen wollen, so ist dies ihr gutes Recht und von ihrem russischen Standpunkt aus durchaus patriotisch. Wenn sie dabei auf die Entente-Seite neigen, so ist dies auch verständlich, denn w i r haben den Brester Frieden mit den Bolschewiken geschlossen und sind bislang deren Freunde. Bei solcher Politik kann man unsererseits von den rechtsstehenden russischen Parteien auch keine Gegenliebe erwarten. Erst müßten wir unsere Ostpolitik ändern.

Was man mit der Ukraine will, haben die Berliner auch noch nicht Laut gegeben. Nun, dann treiben wir’s hier so gut, als es geht. [... ]

Hindenburg hat eine Verfügung erlassen, daß an der jetzigen Regierung nicht Kritik geübt werden soll; richtig — denn sie muß eine üble Erbschaft in Ordnung bringen, und daß die Erbschaft übel ist, daran ist in erster Linie die Unwahrhaftigkeit schuld, die wir seit der Marneschlacht gegen uns selbst geübt haben; vielleicht hatten wir schon früher mit dieser Unwahrhaftigkeit begonnen, als wir beim Vormarsch durch Belgien dem deutschen Volke Siege meldeten, die in der Tat keine waren. Der alte Schliessen rast längst als Kreisel durch das Weltall, und der alte Bismarck hat's prophezeit, daß er 20 Jahre nach seinem Tode aus dem Sarge aufstehen werde, um zu sehen, ob Deutschland sich in Ehren halten würde. Auf den Tag ist’s wahr geworden! —

Fuchs bringt den Tee! Gott befohlen!

Kiev, 22. /23. Oktober Aus der Stimmung, die aus Deinen Briefen spricht, und dem vorschnellen Urteil über die Dinge, ohne in die Tiefe zu gehen und den Ursachen nachzuspüren — ersehe ich, daß Deine Zeitungslektüre Dich stark beeinflußt und Du das Gleichgewicht der Seele etwas verloren hast. Ich kann Dir unmöglich jeden törichten Zeitungsartikel eingehend beantworten, dazu reicht meine Zeit nicht; auch könnte man sich bei solchem Unternehmen die Finger lahm schreiben, übrigens hab'ich Dir in den letzten Briefen so vielerlei mitgeteilt, was Dein eigenes Urteil erleichtern könnte, daß Du Dich nicht beklagen kannst, ich würde Dich ganz im Dunkeln lassen über den wahren Stand der Sache. [. . . ]

Was Deine Zeitungslektüre anbelangt, so rate ich Dir, auch mal andere Blätter zu lesen als nur die rechtsstehenden, wie „Deutsche Tageszeitung", „Rundschau" usw., die „Vossische Zeitung" ist redaktionell recht gut. Alle Zeitungen aber bringen unkontrollierbare und falsche Nachrichten, daher nicht immer glauben, was drin steht. Der „Vorwärts" hat in letzter Zeit (seit er „Regierungs" -Blatt ist) etliche ganz gute Artikel gebracht. [. . . ]

Du möchtest unsere parlamentarische Regierung zum Kuckuck jagen. Daß es soweit kam und kommen mußte, ist meines Erachtens die ganz natürliche Folge einer verfehlten Politik der obersten Heeresleitung seit Jahr und Tag; ein schwerer Irrtum von Ludendorff über die Komponenten der Kraft unseres Volkes (wie ein österreichischer General mir im Frühjahr sagte: Ludendorffs Cäsarenwahn). Der jetzigen Regierung darf man keine Vorwürfe machen über das, was aus den bisherigen Selbsttäuschungen unserer militärischen hohen Stellen die naturgemäße Folge ist; nur das Eine kann man sagen, daß die jetzige Regierung etwas den Kopf verloren hat, als Hindenburg ihr über unsere schlechte militärische Lage die Augen öffnete. Die Enttäuschung war eben auch zu groß, nachdem jahrelang von Siegen geredet war und noch im Frühjahr bei unserer mißglückten Offensive Hindenburg und Ludendorff als Sieger gefeiert waren. Solche Irrungen rächen sich im Leben der Völker nicht minder als im Leben des einzelnen Menschen. Unser ganzes Volk war durch den glänzenden materiellen Aufstieg der letzten Jahrzehnte in große Selbsttäuschungen geraten und hatte sich in den Gedanken verrannt, daß unsere Kraft unüberwindlich wäre. Ehe wir unsere kontinentale Stellung in Europa ausreichend gesichert hatten, haben wir uns in eine Weltpolitik gestürzt, für die wir auch gar nicht genügend militärisch vorbereitet waren. Man könnte über alle diese Dinge Bücher schreiben. — [.. . ]

Kiev, 25. Oktober [. . . ] Unterdessen geht unsere deutsche Tragödie weiter. Heute erfuhren wir kurz vor Tisch die amerikanische Antwort, die zum Schlüsse nichts anderes fordert als die Entfernung der Obersten Heeresleitung und des Kaisers. Daß der Kronprinz dem arbiter mundi Flerrn Professor Wilson ebensowenig genehm ist, darf angenommen werden. Es wird auch schon im Blätterwalde geraunt vom kaiserlichen Enkel unter der Regentschaft vom Badener Max!! Wohin ist Deutschland gekommen!

Und doch, wenn man die Dinge nüchtern betrachtet mit historischem Sinn, so ist es eine logische Entwicklung, die mit dem denkwürdigen Märztag 1890, als Bismarck das Kanzler-haus verließ, begonnen hat. Damals hat unser armer Kaiser in jugendlicher Torheit geglaubt, den Becher mit schäumenden Hoffnungen und Erfüllungen zu füllen; nun muß er den Becher bis zur Neige leeren, und von all den hoch-fliegenden Ideen sind nur die Schäume geblieben, die damals die bitteren Sorgen im Grunde des Bechers verdeckt hatten. Eine Fügung von unerbittlicher Tragik hat das deutsche Volk betroffen. Der Mann, den in diesem Kriege das Geschick dem Kaiser als treibenden Geist beigegeben und vor dessen Willen er sich restlos gebeugt hatte, Ludendorff, die Hoffnung aller altpreußischen und alldeutschen Kreise, muß nun zum Totengräber der preußischen Monarchie werden. Denn eines hoffe ich immer noch, daß die deutsche Monarchie aus dem Niedergang der preußischen gerettet wird. Preußen muß im Reiche aufgehen. Noch sind die Widerstände groß, und ob die derzeitige Regierung im Stande sein wird, die Monarchie überhaupt noch kräftig und lebensfähig zu erhalten, steht dahin.

Ein Jammer, daß wir im Kriege die psychologischen Momente in der Entwicklung der politischen Dinge versäumt haben — ts kamen wir zu spät mit unseren Entschlüsn, die dann in Zeiten schwerer Krisen der gierung abgerungen wurden.

Sommer 16, als Ludendorff und Hindenburg Pleß einzogen, nachdem Falkenhayn auf nig vornehme Weise vom Stuhle gestoßen ir, glaubte das deutsche Volk, nunmehr den g sicher zu haben — dazu das Hindenburgie Wort: „Ernst ist die Zeit, sicher der g" und das andere „die Zeit arbeitet für s". Welch eine Fülle von Irrtum und Selbstischung. Nun rächt sich das damalige Verlten Ludendorffs an ihm selbst. — Falkenyn, trotzdem er militärisch Ludendorff unterlegen war, hätte mehr politischen Instinkt besessen, um den Krieg früher abzubrechen, vielleicht unter Preisgabe unserer Verbündeten. Er hätte vielleicht auch den Eintritt Amerikas in den Krieg anders und richtiger eingeschätzt. — Doch wozu immer wieder die alten Gedanken aufrühren und grübeln über nicht wieder gutzumachende Vergangenheit. Was fordert die Zukunft? Das ist die ungeheuer schwere Frage, die auch ich nicht zu beantworten vermag. Sieht man doch alles nur aus der Ferne; noch nicht einmal unsere militärische Lage vermag ich zuverlässig einzuschätzen, da wir hier vom Westen gar nichts weiter erfahren, als was im Heeresbericht steht. [. . . ]

Aus Berichten und aus dem Tagebuch Albert Hopmans Sevastopol'1918

Sevastopol’, 12. September . ] Aus den Erzählungen des Fürsten Liei, des Admirals Nenjukov, über den ich her berichtet, sowie anderer mir zu Ohren kommener Nachrichten, habe ich den Einick gewonnen, daß Alekseev vor allem itrebt ist, den rein russisch nationalen und a militärischen Charakter der von ihm ge-eten Bewegung in den Vordergrund zu stel-. Ich glaube, er tut gut daran. Bei der grenlosen politischen Verworrenheit, die Ruß-d durchsetzt und in ihrer Uferlosigkeit polih kaum zu erfassen, geschweige denn zu amen ist, gibt er seiner Gefolgschaft ein res rein militärisches Ziel, das allen soldah gerichteten Naturen sympathisch sein ß. Erreicht er es, so errettet er Rußland von er Gefahr, die für jeden, der die unheim-e Gefahr des Bolschewismus aus eigener ihrung kennen gelernt hat, schlimmer ist alle anderen Mächte der Welt. Was dann amt, bezeichnet er vorläufig als nicht seine

Sache. Er erstrebt aber offenbar weiter die Wiederherstellung einer russischen Großmacht. Welche Wege er dazu einschlagen wird, verschweigt er und ist sich darüber vielleicht selbst nicht klar, da ja die weitere Entwicklung der allgemeinen Weltlage hierfür von wesentlicher Bedeutung sein wird. Ob es ihm zunächst gelingen mag, den Bolschewismus niederzuwerfen, ist schwer vorauszusagen. Hinter dieser Bewegung, der man nun schon fast ein Jahr lang den baldigen Tod voraussagt, stehen Mächte, die tief in der Eigenart des Russen wurzeln, die von Männern wie Do-stoevskij, Tolstoj, Arcybasev und anderen genährt worden sind und auf einer neuen, auf kommunistischer Grundlage beruhenden Weltordnung träumen, unbekümmert um alles, was bisher als Ordnung, Recht und Kultur galt. Der Bolschewismus steckt auch weit mehr in den Spitzen der Intelligenz, besonders der Jugend, als vielfach angenommen wird. Sein Ziel geht über die Grenzen Rußlands hinaus und hat bereits in anderen Ländern, namentlich im Slawentum Wurzel geschlagen, während er bei den westlichen Demokratien Europas und besonders Amerikas kein Verständnis findet und finden wird. Unbekümmert um Friedens-B vertrage, Abmachungen und Verhandlungen arbeitet er mit allen Mitteln gegen uns weiter. Die Propaganda dauert bei unseren in Ruß-land stehenden Truppen unbekümmert fort; bei dem Eisenbahnerstreik in der Ukraine, Sabotageakten usw. ist er kaum weniger beteiligt gewesen als die Sozialrevolutionäre, die letzten Endes dieselben Ziele mit etwas hellerer roter Färbung haben. Diese Ziele sind nicht auf die Wiederkehr einer der früheren ähnlichen Rechts-und Weltordnung gerichtet. Sie erstreben etwas ganz Neuartiges, Niedagewesenes, alle nationalen und bisherigen sozialen Schranken überstürzendes. Von diesem Gesichtswinkel aus gesehen ist m. E. jedes Paktieren mit dem Bolschewismus eine Gefahr, zum mindesten aber bedeutungslos. Verträge von ihm werden mit derselben Verachtung und Kälte niedergetreten, wie er die Begriffe von Recht, Ordnung und Besitz über den Haufen wirft. Was die einzelnen gerade führenden Persönlichkeiten abgemacht und unterschrieben haben, hat keinen dauernden Bestand. Es gelten nur der jeweilige Wille und Instinkt der Masse, die vorläufig noch unfaßbar und unbezähmbar sind. M. E. wäre es daher unsererseits richtig, die von Alek-seev geleitete Bewegung, die die einzige zu sein scheint, die klare, wenigstens für einen Teil der russischen Gesellschaft faßbare Ziele hat, nicht zu hindern. Gewähren wir dem General Alekseev zunächst freie Betätigung, so vergeben wir uns der augenblicklichen Räte-regierung gegenüber offen nichts, dringt die von ihm geleitete Bewegung durch, so wird es ihm niemals gelingen, den Krieg gegen uns zu erneuern. Er würde bei einem solchen Unternehmen alle Parteien und Gesellschaftsklassen Rußlands gegen sich haben. M. E. muß ein vom Tode errettetes Rußland den Anschluß an die Mächtegruppe suchen, die das ausgesprochenste Interesse an der baldigen Wiederherstellung geordneter Verhältnisse hat. Das sind die Mittelmächte, die auch schon mit starken Kräften in Rußland stehen. Die Entente will sich in Rußland eine neue Ostfront gegen uns schaffen, das gequälte Land zu neuem Krieg gegen uns aufhetzen. Außer einigen Fantasten wird sie für ein solches Vorgehen keine Unterstützung finden. Auch die Zukunftspolitik weist Rußland auf die Seite der Zentralmächte. Im Anschluß an die Entente bleibt es in dauernder Abhängigkeit von der anglo-amerikanischen Weltmacht. Die Vereinigung mit den Zentralmächten macht es dagegen nach Wiedererstarkung zu einem mächtigen Mitglied in dieser Mächtegruppe, die ohne es kaum denkbar ist.

Bei der gewaltigen Ausdehnung, die der Bolschewismus zur Zeit noch zerstreut über ganz Rußland hat, ist es schwer, seine augenblickliche Macht einzuschätzen. Die aufgefangenen Funksprüche der letzten Wochen sprechen von dauernden Erfolgen der Sowjettruppen an vielen Stellen. Wenn sie kein bewußter Betrug sind, so sind diese Erfolge doch zum Teil nur darauf zurückzuführen, daß auch die Tschechoslowaken, unter deren Namen sich alle möglichen unzufriedenen Elemente vereinigen, großenteils im Grunde ihres Herzens mit den Bolschewisten fraternisieren, wie die häufigen Meldungen über übergehen ganzer Truppen-körper beweisen. Bei beiden Parteien spielen der Hunger und der Raub z. Z. wohl die Hauptrolle. Lenin hat geäußert: „Man sagt, daß der Bolschewismus eine Leiche sei, aber es ist niemand da, ihn zu begraben. Er muß aber begraben werden, sonst verpestet er weiterhin die Welt." Darum sollte m. E. jede Bewegung, die seine Niederwerfung versucht, von uns geduldet, zum mindesten aber nicht gehindert werden [. . . ] Sonntag, 15. September [. . . ] Abendbericht bringt folgende bedeutsame Nachricht: die Ostung Regierung hat an alle Kriegführenden eine Note mit dem Vorschlag gerichtet, auf neutralem Boden eine Konferenz einzuberufen, auf der im freien Gedankenaustausch untersucht werden soll, ob die Voraussetzungen dafür gegeben sind, die eine baldige Einleitung von Friedensverhandlungen aussichtsvoll erscheinen lassen. [. . . ] Letzten Endes ist es der Beginn unseres mehr oder minder bedingungslosen Nachgebens, das Einlenken auf kerbund, Schiedsgerichte usw. im Sinne der f-Rede der Tod Preußens, das Fiasko der ähigen Politik Wilhelms II., der damit digt ist. Liegt ein selbständiger Schritt ungs vor, so liegt die Sache für uns noch immer. Ich habe den Eindruck, daß unsere stfront nicht mehr hält. Der Ludendorff3 wie militärisch gerichtete Starrsinn muß hgeben. Volk und Herr können nicht mehr, ier trifft das, was ich seit Jahren vorausihlt und teilweise auch vorausgesagt habe, ntag, 16. September [. . . ] Nachmittags Korrespondenten bei mir von „Voß" und ankfurter". Beide urteilen ebenso wie ich r Zusatzvertrag als jämmerliches Mach-k Krieges, lassen sich überhaupt über onsequenz unserer Politik sehr scharf der Frankfurter Mann glaubt an eine unft der Ukraina. [. . . ] Ludendorff soll uhig werden, Front stark erschüttert sein, einbar bilden sich unsere Herrn Staatsmän-

ein, sie bekämen Frieden auf dem Status , ohne den Verlust Elsaß-Lothringens und erer Verzierungen. Wie man die Lage so nennen kann, ist mir unbegreiflich. Der ammenbruch beginnt jetzt trotz Hindenj-Erlasses und des Befehls, den die Firma er-Levetzow losgelassen hat betr. Bentgabe Ostung-Anerbieten. [. . . ] itag, 30. September [. . . ] Nachmittags Be'chung mit Lt. Schlubach (Nummer III, jün-

m Bruder), der von OFIL über Odessa imt und in Wirtschaftsangelegenheiten i dem Kaukasus soll. Erzählt, daß OHL t auch entsetzt über Zusatzvertrag sei, daß . meine Berichte durchaus anerkenne und nders schätze. Hintze habe sich von ge beschwatzen lassen, und S. M. habe zugestimmt. Schlubach sagt, die Möglich-der Einfuhr von Verbandsstoffen, Medika-ten, Zucker nach dem Kuban’-Gebiet liege nur müsse Alles unter der Hand gesche-hen. Werde die Sache näher mit Lieven besprechen. Was Schlubach von innerpolitischen Verhältnissen der Heimat erzählt, wenig tröstlich. Immer noch kein führender Geist, W[il-helm] II. wurschtelt weiter. [. . . ]

Donnerstag, 3. Oktober [. . . ] „Krymskij Vestnik" bringt Kabinettsschreiben S. M. an Hertling, in dem er zum Ausdruck [bringt], daß ihm gemeldet sei, Hertling hielte es nicht für möglich, an der Spitze der Regierung zu bleiben. Er wolle sich diesen Gründen nicht verschließen und sehe sich mit schwerem Herzen veranlaßt, der weiteren gemeinsamen Tätigkeit mit ihm zu entsagen. Dann kommen Worte der Anerkennung und schließlich der bedeutsame Schluß: „Damit das deutsche Volk mehr als bisher an der Bestimmung der Geschicke des Vaterlandes tätigen Anteil nimmt, wünsche ich, daß durch das Vertrauen des Volkes getragene Männer in weitem Umfange an den Rechten und Pflichten der Regierung teilnehmen. Ich bitte Sie, die Geschäfte noch zu Ende zu führen, indem Sie Ihre Pflichten weiter erfüllen und die von mir beabsichtigten Maßnahmen verwirklichen, solange ich noch keinen Nachfolger gefunden habe." Von „Sic volo sic jubeo" bis dahin, welche Tragi[? ]komödie. [. . . ]

Sonntag, 6. Oktober [. . . ] Es ist gekommen, wie ich vorausgesehen, nicht nur in den letzten Wochen, sondern lange, lange vorher. Die Weltgeschichte ist das Weltgericht. Was Deutschland in den letzten 3 Jahrzehnten gesündigt hat, muß es büßen. Es war politisch erstarrt durch das blinde Vertrauen, die sklavische Unterordnung unter den Willen eines in Eitelkeit und Selbstüberschätzung strotzenden Narren. Ohne Kampf kein Sieg! Politisch haben wir seit 3 Jahrzehnten nicht gekämpft, sondern nur gespielt, gespielt wie die Kinder in Illusionen und Selbsttäuschungen. Daher sind wir politisch Kinder geblieben, keine Männer geworden und haben keine Männer hervorgebracht. Nun kommt die bittere Enttäuschung des Kindes, das sich plötzlich der harten grausamen Welt gegenübersieht. Alle unsere militärisch eigentlich unüberwindliche Kraft, unser Fleiß, unsere Arbeit, unsere Volkskraft sind nutzlos vergeudet, das herrliche, schier unerschöpfliche Kapital, das Bismarck vererbt hat, ist verloren. Möchten wir durch das Unglück doch endlich zur Besinnung kommen, dann werden unsere Kinder und Enkel die Früchte der blutigen Saat ernten, wenn sie auch anders aussehen werden, als jetzt die meisten Menschen denken. Es gibt eine neue Welt, eine neue Gesellschaftsordnung, eine neue Art des Kampfes, in dem Recht und friedliche Arbeit die Hauptrolle spielen werden. Der Deutsche hat das Zeug dazu, in solchem Kampfe zu unterliegen, nur muß er politisch, d. h. vor allem innerlich bescheiden sein. Ich will nicht mehr schreiben, es ist mir zu schwer ums Herz. [. . . ]

Montag, 7. Oktober [. . . ] Nachher Herrn v. Stromberg und Dr. Kind empfangen, die nach Tiflis reisen. Letzterer Vertreter des Reichswirtschaftsamtes, bringt Verträge mit Georgien mit über Pachtung von Poti usw. Beurteilt die dortigen Verhältnisse m. E. gänzlich falsch, in echter deutsch bureaukratischer Verkennung. Wenn wir mit solchen Persönlichkeiten doch zu Hause bleiben wollten. Zum Schluß der Unterredung kommt noch Konsul Andersen aus Poti, der einen recht ruhigen, vernünftigen Eindruck macht und über das eigenmächtige Auftreten Christiansens klagt. [. . . ] Donnerstag, 17. Oktober Pressedienst bringt mehrfache Kommentare zur neuesten Wilson-Antwort. [. . . ] Jedem Deutschen muß die Schamröte ins Gesicht steigen. Wird es gelingen, aufs Neue die Massen zu entflammen, den Krieg bis zum Äußersten fortzusetzen? Ich zweifle daran, es ist zu spät, viel zu spät. Die Massen können und wollen nicht mehr, unsere jämmerliche W[ilhelm]-II. -Regierung hat ihnen zuviel aufgebürdet. Die Truppen sind vielleicht bis auf einige Hunderttausend kriegsmüde und durch Friedensangebot auf Beendigung des Kampfes gesetzt. Materiell nähern wir uns auch dem sicheren Ende. Die Haltung der Türken ist mehr als zweifelhaft, die Österreichs bedenklich. Also es geht nicht mehr, daher wird unsere Nation wohl in den bitteren Apfel beißen müssen, und zwar sofort. Es ist zu furchtbar, um mehr darüber zu schreiben. .

Montag, 11. November [. . . ] 4hN treffen Bedingungen für Waffenstillstand ein, soweit sie Marine betreffen. Furchtbar! Nachher auch Armee-Bedingungen, noch schlimmer, linkes Rheinufer räumen usw. Schwärzester Tag der ganzen deutschen Geschichte. Folgen der letzten 30 Jahre Wilhelm] II. Byzanz.

Dienstag, 12. November [. . . ] Stimmung unter Mannschaften, besonders Krimabteilung, soll etwas ungünstiger geworden sein. Ich bin aufs Tiefste gedrückt über solchen Zusammenbruch des moralischen Haltes unserer Leute. Bloß nach Hause, und noch möglichst viel mit-schleppen. Briganten, Hunnen! Engländer haben ganz recht. Dem Deutschen fehlt jede innere Zucht. Er ist eine auf Draht gezogene Maschine ohne Seele und Schranken. Wo sind die Zeiten unserer Jugend, wo es noch Idealismus gab. Heut zu Tage gibt es kein materialistischeres Volk als die Deutschen. Blonde Bestien! Nietzsche. Heiliger Goethe, heiliger Bismarck. Ihr habt umsonst gelebt.

Mittwoch, 13. November [. . . ] Abends Besprechungen über morgigen Abtransport, überall stehlen unsere Leute wie die Raben. Bei der MRD in der Quarantänebucht haben die Leute alles Benzin verkauft, die Möbel, alles einigermaßen bewegliche Material usw. Aul der Fliegerstation geht es ähnlich zu. Am der „Volja" sieht es schlimmer aus wie zur Bolschewistenzeit. Man muß an unserem Volk verzweifeln, eine Bande von ehrlosen Dieben, habgierig, mißtrauisch, roh, plump, haltlos, e innere Zucht. Das ist die bitterste Ent-schung bei Allem, was man jetzt durchht. itag, 15. November Nachricht, daß in Paris rerige Regierung durch Sozialisten ge-zt, Poincare geflohen ist, daß französische latenräte mit unseren verhandeln, die Be-jung greift weiter um sich, es beginnt eine e Welt, die rein sozialistisch wird. Das ist Reaktion gegen den Imperialismus, den italismus, die Rüstungspolitik und viele andere Erscheinungen der letzten Jahrzehnte. Wer hätte aber solch gewaltige Umwälzung für möglich gehalten. [. . . ]

Montag, 18. November [. . . ] Mannschaften der Torpedoboots-Flottille benehmen sich jetzt auch schweinemäßig. Es ist zum Verzweifeln. Dahin ist es mit unserer schönen Marine gekommen. Zu Hause scheint Alles verhältnismäßig ruhig vor sich zu gehen. Hoffentlich bewahrt das deutsche Volk seine Vernunft.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Andre Scherer/Jacques Grunewald: L’Allemagne et les Problemes de la paix pendant la premiere guerre mondiale. Documents extraits des archives de l'Office allemand des Affaires etrangeres. Bd. 1— 2. Paris 1962— 66.

  2. Theophil Hornykiewicz: Ereignisse in der Ukraine 1914— 1922, deren Bedeutung und historische Hintergründe. Bd. 1— 3 (= Publikationen des V. K. Lypynsky Ost-Europäischen Forschungsinstituts in Philadelphia ... Serie I—IV) Philadelphia/Horn (Ost.) 1966— 68.

  3. „Alfons Paquet". In: Neue Zürcher Zeitung vom 28. Januar 1961.

  4. Peter Lösche: Der Bolschewismus im Urteil der deutschen Sozialdemokratie (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin beim Friedrich-Meinecke-Institut der Freien Universität Berlin 29) Berlin 1967, S. 272.

  5. Alfons Paquet: Der Geist der russischen Revolution. München 1920.

  6. Der 1918 nach der Ermordung des ersten deutschen Gesandten im bolschewistischen Moskau, des Grafen Mirbach, die Geschäfte der Gesandtschaft führte.

  7. Stanislav Vasil'evic Zarnickij/Anatolij Nikolaevic Sergeev: ierin (= 2izn‘ zamecatel'nych ljudej. Serija biografij ... Vypusk 8) Moskau 1966, S. 90.

  8. Zitiert von Albert Schweitzer in einer Würdigung Paquets in: Alfons Paquet: Bibliographie. Hrsg, vom Paquet-Archiv. Frankfurt/M. (1958) S. 21.

  9. Jacques Sadoul: Notes sur la revolution bolchevique (octobre 1917—janvier 1919) Paris 1919, S. 391 (Brief vom 27. Juni 1918).

  10. Winfried Baumgart: Die militärpolitischen Berichte des Freiherrn von Keyserlingk aus Peters-burg Januar—Februar 1918. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 15 (1967) S. 97.

  11. Louis de Robien: Journal d'un diplomate en Russie (1917— 1918). Paris 1967, S. 225, 239, 240.

  12. Hans Vorst [Pseud. ]: Das bolschewistische Ruß-land. Leipzig 1919, S. 159.

  13. Vgl. unten die als erste hier abgedruckte Tagebucheintragung Paquets vom 25. September 1918.

  14. Paquet, Geist S. 22.

  15. Paquet, Geist S. 7— 8.

  16. Paquet, Geist S. 22.

  17. Paquet, Geist S. 66.

  18. Vgl. Paquet, Geist S. 107.

  19. Paquet, Geist S. XX.

  20. Paquet, Geist S. XVII.

  21. Winfried Baumgart: Deutsche Ostpolitik 1918. Von Brest-Litowsk bis zum Ende des Ersten Weltkrieges. Wien/München 1966, S. 117— 155.

  22. Albert Hopman, Das Kriegstagebuch eines deutschen Seeoffiziers. Berlin (1925) S. 296,

  23. Hintze war als Nachfolger Kühlmanns Staatssekretär des Auswärtigen, Kriege Direktor der rechtspolitischen Abteilung des Auswärtigen Amtes.

  24. Am 3. März 1918 in Brest-Litovsk.

  25. D. h. an der Theorie, daß die nichtrussischen Völker des ehemaligen Zarenreiches, gestützt auf das Selbstbestimmungsrecht der Nationen, aus dem russischen Staatsverband aüsscheiden könnten bzw. müßten.

  26. war seit April 1918 deutscher Gesandter in iu. Am 6. Juli wurde er von zwei Linken revolutionären ermordet.

  27. Die deutsche Regierung hatte die russische Regierung um Genehmigung ersucht, ein Bataillon deutscher Soldaten zum Schutz der Gesandtschaft in Moskau stationieren zu dürfen, wegen des hart-nackigen Widerstandes Lenins diese Forderung jedoch bald wieder weitgehend zurückgenommen.

  28. Livlands und Estlands.

  29. Rußland verpflichtete sich in dem am 27. August 1918 in Beilin unterzeichneten Ergänzungsvertrag zu Zahlungen (teils in Banknoten, teils in Gold und teils in Warenlieferungen) in Höhe von 6 Mrd. Rubel.

  30. war Ende Juli 1918 als Nachfolger des Grafen ach nach Moskau gegangen, wegen politischer renzen mit dem Auswärtigen Amt und auf igen des Kaisers jedoch nach einigen Tagen ler abberufen worden. Bei seiner Abreise hatte elbständig die Verlegung der Gesandtschaft Petersburg verfügt. Das Auswärtige Amt erseits hatte die Gesandtschaft von dort in n sichereren Ort hinter der deutsch-russischen arkationslinie, nach Pleskau, beordert.

  31. Der seinerzeit als Minister des Äußern an der Spitze der österreichisch-ungarischen Delegation in Brest-Litovsk stand.

  32. Am 24. Juni 1918 im Reichstag.

  33. Abdruck bereits bei Baumgart, Ostpolitik S. 405 bis 406.

  34. Vor allem in den drei Hafenstädten Vladi-vostok, Archangel’sk und Murmansk standen damals Truppen der Entente und der USA, um mit Hilfe des tschechoslowakischen Korps eine neue, gegen Deutschland gerichtete Ostfront aufzubauen. Am Ende des Krieges standen sie im Kampf mit bolschewistischen Truppen.

  35. Nach der Abberufung Helfferichs war der Moskauer Gesandtenposten nicht mehr besetzt worden. Die Geschäfte führte der Generalkonsul Herbert Hauschild.

  36. D. h.der von dem baltendeutschen Publizisten Paul Rohrbach vertretenen Politik der Zerstückelung des alten russischen Reiches.

  37. D. h. Telegrammen der „Militärischen Stelle des Auswärtigen Amtes" (Verbindungsstelle der Obersten Heeresleitung beim AA).

  38. Leiter der „Auslandshilfsstelle" (Propaganda-stelle) der OHL in Moskau.

  39. Patriarch Tichon war in der bolschewistischen Presse mit einer Anfang September 1918 aufgedeckten angeblichen Verschwörung von Agenten der Entente gegen die russische Regierung in Verbindung gebracht worden.

  40. War seit 1918 Mitglied der bolschewistischen Partei; wurde 1924 wegen Agitation gegen die Komintern aus ihr ausgeschlossen.

  41. Sowjetrussischer Gesandter in Berlin.

  42. Ebert war nicht Mitglied der Regierung des rinzen von Baden.

  43. Referent im Außenkommissariat für Angelegeneiten des Fernen Ostens.

  44. Rat der Volkskommissare.

  45. Zentralexekutivkomitee.

  46. Oberbefehlshaber der bolschewistischen Truppen.

  47. Abteilungsleiter in der Nachrichtenabteilung Illb des Stellvertretenden Generalstabs.

  48. Die damals von Walther Rathenau als Antwort auf Wilsons Forderungen propagiert wurde.

  49. Leiter der Militärischen Stelle des Auswärtigen Amtes.

  50. Onkel Paquets, Sanitätsoffizier; später Professor für Physiologie in Greifswald.

  51. Der deutsche Botschafter in Kiev, Mumm, wei3 sich, wegen unzumutbarer Verhältnisse (we-

  52. Attentatsgefahr war seine Bewegungsfreiheit rst eingeschränkt) auf seinen Posten zurück-

  53. Bankier.

  54. Bekannter Paquets; Rabbiner.

  55. Personaireferent im Auswärtigen Amt.

  56. Generalsekretär des Deutschen Auslandsinstituts in Stuttgart; ist vor einigen Wochen im Alter von 84 Jahren verstorben.

  57. Oberhofprediger.

  58. Im Baltikum mit deutscher Unterstützung sich bildende Weiße Armee.

  59. Der Historiker Fritz Kern verlangte im Oktober 1918 die Ersetzung der damaligen Regierung durch einen Block Ebert-Scheidemann-David und den Rücktritt des Kaisers.

  60. Am Tage der Absendung der zweiten deutschen Note an Wilson war es wegen eines in der Presse veröffentlichten Briefes des Prinzen Max an Prinz Hohenlohe (dessen Inhalt im Gegensatz zu seinen Erklärungen als Reichskanzler stand) zu einer vorübergehenden „Kanzlerkrise''gekommen.

  61. Jeneral Alekseev war damals Führer der im an’-Gebiet gegen die Bolschewisten kämpfen-

  62. iner vom Kolonialstaatssekretär Solf am August 1918 gehaltenen Rede.

  63. h. die Seekriegsleitung.

  64. Vertreter des schwedischen Roten Kreuzes.

  65. Deutscher Hafenkommandant in Poti.

  66. Minenräumdivision.

  67. Von Deutschland beschlagnahmtes russisches Großkampfschiff.

Weitere Inhalte

Winfried Baumgart, Dr. phil., wissenschaftl. Assistent am Historischen Seminar der Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Veröffentlichungen u. a.: Deutsche Ostpolitik 1918. Von Brest-Litowsk bis zum Ende des Ersten Weltkrieges, Wien und München 1966 (= phil. Diss. Saarbrücken); Brest-Litowsk. Eine Dokumentensammlung (von Prof. Repgen und mir hrsg. für „Historische Texte. Neuzeit", Doppelband, erscheint 1968/69); „Unternehmen Schlußstein". Zur militärpolitischen Geschichte des Ersten Weltkriegs (wird zunächst in mehreren Fortsetzungen in der „Wehrwiss. Rundschau", dann als Zusammendruck veröffentlicht werden); Aus den Tagebüchern des Schriftstellers Alfons Paquet, des Generals Wilhelm Groener und des Admirals Albert Hopman (erscheint 1969 in der Reihe „Deutsche Geschichtsquellen des 19. und 20. Jahrhunderts"); verschiedene Aufsätze zur Geschichte des 20. Jahrhunderts.