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Infrastrukturpolitik im Engpaß | APuZ 17/1966 | bpb.de

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APuZ 17/1966 Artikel 1 Infrastrukturpolitik im Engpaß

Infrastrukturpolitik im Engpaß

Wolfgang Michalski

Alternativen der Planung öffentlicher Investitionen auf der Grundlage einer Berechnung der verfügbaren Finanzmasse bis zum Jahre 1970

Tabelle 1

Quelle: Statistisches Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland

Bei der Beurteilung der staatlichen Aktivität in der Bundesrepublik scheint es in der Tat nur einen einzigen Punkt zu geben, in dem man sich gemeinhin einig ist: daß nämlich staatliche Aktivität in einem bestimmten Mindestmaß auch in unserer freiheitlichen Gesellschaftsordnung notwendig bzw. nicht vermeidbar sei. Doch schon bei der Festlegung des wünschenswerten Umfangs der Staatstätigkeit scheiden sich die Geister, und nicht weniger divergieren sie im Urteil über die Qualität der Leistungen des öffentlichen Sektors.

Tabelle 7

So wird einerseits der steigende Anteil des Staates am Sozialprodukt hervorgehoben. Man weist auf den zunehmenden wirtschaftlichen Einfluß des Staates und auf die Gefahren für die bestehende marktwirtschaftliche Ordnung hin. Die Steuerlast sei zu hoch und der Spielraum für den privaten Verbrauch, für die privaten Investitionen und die private Ersparnis-bildung zu gering. Schon heute sei jener Punkt erreicht, wo die Privatinitiative abgeschwächt zu werden drohe und wo die Gefahren einer Verlangsamung des Wirtschaftswachstums akut würden.

Nicht minder nachdrücklich wird andererseits die Auffassung vertreten, daß eine weitere absolute und relative Steigerung der Staatsausgaben unumgänglich notwendig sei, wenn nicht die Gesundheit des einzelnen wie des Gemeinwesens und die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft in der Zukunft aufs Spiel gesetzt werden sollen. Begründet wird diese Auffassung damit, daß die öffentlichen Dienstleistun-überarbeitete und ergänzte Fassung eines Vortrages, den der Autor auf der diesjährigen beamtenpolitischen Arbeitstagung des Deutschen Beamtenbundes gehalten hat. Unter dem Titel des Beitrages erscheint in Kürze ein Buch im Verlag Weltarchiv, Hamburg, in dem die Probleme ausführlicher dargestellt werden und das einen umfangreichen wissenschaftlichen Apparat sowie einen statistisch-mathematischen Anhang enthält. gen und Investitionen in der Bundesrepublik im Vergleich zu den privaten unterbewertet würden und daß trotz des hohen Anteils der öffentlichen Hand am Sozialprodukt ein nicht unwichtiger Teil jener Bereiche ins Hinter-e treffen geraten sei, die sich nicht auf der Basis der Steigerung des privaten Einkommens und des privaten Verbrauchs im Rahmen des Marktprozesses, sondern bei den überkommenen institutionellen Bedingungen in Deutschland allein auf staatswirtschaftlichem Wege hinreichend entwickeln lassen. Im besonderen Maße gehöre hierzu der Gesamtbereich der Infrastrukturinvestitionen.

Indessen wäre das Mosaik der bestehenden Kontroversen unvollständig, wenn nicht auch noch wieder bestritten würde, daß die Sozial-investitionen überhaupt zurückgeblieben sind. Angesichts der Tatsache, daß die Sozialinvestitionen sowohl im Rahmen der öffentlichen Gesamtausgaben als auch in Relation zum Bruttosozialprodukt in den letzten Jahren ständig zugenommen haben, kommt beispielsweise das Deutsche Industrieinstitut in einer neueren Veröffentlichung zu der Feststellung, daß die bekannte These, wichtige Gemeinschaftsaufgaben seien in den letzten Jahren vernachlässigt worden, eigentlich nicht recht verständlich wäre.

Welcher dieser verschiedenen Auffassungen nun zuzustimmen ist, ist in vieler Hinsicht eine politische Entscheidung. Jede Feststellung darüber, ob das Sozialprodukt „richtig" verteilt und verwendet wird, basiert nämlich unter anderem auf Werturteilen bezüglich der Dringlichkeit der in der Volkswirtschaft bestehenden Bedarfe und hinsichtlich dessen, was unter gerechter Einkommensverteilung zu verstehen ist. Trotzdem ist damit nicht ausgeschlossen, daß auch die Wissenschaft einen Beitrag zur Lösung des hier aufgeworfenen Problems liefern kann. Sie kann für die politische Entscheidung die Daten bereitstellen, in-B dem sie über Tatsachen und Sachzusammenhänge informiert und indem sie die bestehenden Konflikte aufzeigt, die einer Entscheidung bedürfen.

Es ist das Ziel der folgenden Analyse, die Möglichkeiten und Grenzen und innerhalb dieser die Alternativen für eine rationale Infra-strukturpolitik aufzuzeigen. Die Darstellung der bisherigen Entwicklung der Staatsausgaben sowie die Analyse der aktuellen Situation in den angeblichen Engpaßsektoren der staatlichen Aktivität in der Bundesrepublik mögen den Ausgangspunkt für die weiteren Überlegungen bilden.

1. Die wirtschaftsordnungspolitische Grundentscheidung und die bisherige Entwicklung der Staatsausgaben in der Bundesrepublik

Tabelle 2

Quellen: Statistisches Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland 1955, Seite 398; 1957, Seite 422; 1958, Seite 369; 1959, Seite 369; 1960, Seite 421; 1963, Seite 430; 1964, Seite 437.

Unabdingbare Voraussetzung für eine rationale Entscheidung über die jeweilige Verwendung des Sozialprodukts ist, daß diejenige Instanz, die diese Entscheidung zu treffen hat, erstens über eine klare Vorstellung über die zu realisierenden gesellschaftspolitischen Zielsetzungen verfügt. Neben bestimmten übergreifenden politischen Zielen, wie beispielsweise die Erhaltung unserer freiheitlichen Gesellschaftsordnung und militärischer Schutz, sind es die wirtschaftspolitischen Zielsetzungen, die heute allgemein anerkannt werden, gerechte Einkommensverteilung sowie angemessenes wirtschaftliches Wachstum bei Vollbeschäftigung, Preisstabilität und außenwirtschaftlichem Gleichgewicht.

Zweitens ist es erforderlich, daß der, der sich an den vorgegebenen gesellschafts-und wirtschaftspolitischen Zielsetzungen orientieren will, zu der Erkenntnis fähig ist, in welcher Hinsicht sich die anzustrebende und die aktuelle Situation voneinander unterscheiden. Dies bedingt eine sorgfältige Lageanalyse. Drittens ist es schließlich eine notwendige Vorbedingung für eine rationale Entscheidung über die jeweils optimale Verwendung des Sozialprodukts, zu wissen, welche Möglichkeiten zur Verringerung der Diskrepanz zwischen Lage und Zielsituation überhaupt bestehen und wie diese im Hinblick auf ihre Wirkungen ebenso wie hinsichtlich der Chance ihrer Durchsetzbarkeit zu beurteilen sind.

Blickt man zurück in die Zeit nach 1948, so war die Zielrichtung der wirtschaftspolitischen Aktivität unzweideutig vorgegeben. Es kam darauf an, eine Expansionspolitik zu betreiben, die in erster Linie auf den Wiederaufbau der Produktionsstätten, die Wiederherstellung der Vollbeschäftigung und die Steigerung des Sozialprodukts ausgerichtet war. Die Zielsetzung einer gerechten Einkommensverteilung wurde außer in gewissen kriegsbedingten Partialaspekten als zweitrangig angesehen, weil man offenbar auf dem Standpunkt stand, daß von dem ausgelösten Wachstumsprozeß zunächst alle profitieren würden. Die Zielsetzung des außenwirtschaftlichen Gleichgewichts wurde der binnenwirtschaftlichen Sanierung verständlicherweise untergeordnet. Und das Ziel der Preisstabilität stellte zunächst kein schwerwiegendes Problem dar, weil eine Ausweitung des Angebots bei steigender Nachfrage in einer unterbeschäftigten Wirtschaft ohne weiteres möglich ist.

Da nach Jahren der Not in der Bevölkerung eine hohe Konsumneigung bestand und die Investitionsneigung der Unternehmer infolgedessen und auch wegen beachtlicher steuerlicher Anreize ebenfalls sehr groß war, bot sich die Möglichkeit, den Expansionsprozeß ohne zusätzliche staatliche Nachfrageentfaltung herbeizuführen. Angesichts dieser ökonomischen Bedingungen ist es nicht verwunderlich, daß man damals schon, der kollektiven Überforderung der Menschen während des Krieges Rechnung tragend, praktisch eine gesellschaftspolitische Grundentscheidung gefällt hat, die auch heute noch weitgehend die Rollenverteilung bei allen Diskussionen über die Staatsausgaben bestimmt. Man richtete sich aus an der Forderung: Privatwirtschaftliche Entfaltung und Marktwirtschaft so weit wie möglich, staatliche Aktivität nicht mehr als irgend nötig.

Auch wenn in dieser Maxime über die entscheidende Grenze, wo die Möglichkeit aufhört und die Notwendigkeit beginnt, konkret nichts ausgesagt wird, so wird hiermit zumindest eine gewisse Vorentscheidung dahin gehend getroffen, daß die nicht durch den Staat gelenkte Verwendung des Sozial-produkts den Vorrang genießt. Die Beweislast wird damit jenem auferlegt, der weniger marktwirtschaftlich und mehr durch staatliche Aktivität erreichen will.

Bemerkenswert ist nun, daß trotz dieser liberalen Grundentscheidung der Anteil des Staates am Sozialprodukt in der Bundesrepublik von Anfang an relativ hoch gewesen ist. (Vgl.

zum folgenden die Tabellen 1 und 2, S. 19 u.

20.) Der Grund hierfür ist offenbar vor allem in den hohen Kriegsfolgelasten zu suchen. Analysiert man die funktionelle Verteilung der öffentlichen Ausgaben im Jahre 1952, so zeigt sich das folgende Bild: Fast 70 v. H.der Staatsausgaben entfielen auf das Sozialwesen, die Besatzungskosten, den Wohnungsbau und die Ausgaben für allgemeine Verwaltung, öffentliche Sicherheit und Ordnung sowie politische Führung und Rechtspflege. Der Anteil der Ausgaben für das Bildungswesen, das Verkehrswesen sowie das Erwerbsvermögen und für kommunale Einrichtungen betrug hingegen kaum mehr als 20 v. H. Dabei sollte man nicht vergessen, in welchem Zustand sich damals die Mehrzahl der Schulen, Verkehrseinrichtungen, Krankenhäuser und dergleichen befunden hat. Betrachtet man indessen die Aufteilung der Staatsausgaben im Jahre 1962, so zeigt sich, daß gegenüber 1952 tendenziell eine Verlagerung der Schwerpunkte stattgefunden hat. Zwar nimmt auch heute noch der Sozialhaushalt (ohne Gesundheitswesen) die erste Stelle ein. Der Anteil der Sozialausgaben an den staatlichen Gesamtausgaben ist jedoch von 30 auf 21 v. H. zurückgegangen. Desgleichen ist der Anteil des Verteidigungshaushalts 1962 wesentlich niedriger als der der Besatzungskosten im Jahre 1952. Rückläufige Tendenz weisen ebenfalls die Anteile der Ausgaben für Wohnungsbau und der Ausgaben für allgemeine Verwaltung, öffentliche Sicherheit und Ordnung sowie politische Führung und Rechtspflege auf. Stark an Gewicht gewonnen haben dagegen die Ausgaben für das Erwerbsvermögen und für kommunale Anstalten und Einrichtungen sowie die Verkehrsausgaben, deren Anteile sich gegenüber 1952 annähernd verdoppelt haben, und auch die Bildungsausgaben weisen eine beachtliche Steigerung auf. Die detaillierte Analyse der Entwicklung der einzelnen Ausgabepositionen seit 1952 gibt Aufschluß über die Gründe für die Gewichtsverlagerung innerhalb der Staatstätigkeit.

Wenn die Sozialleistungen der Gebietskörperschaften und der Sondervermögen (ohne die Leistungen der sozialen Selbstverwaltungen) trotz erheblicher Verbesserungen der individuellen Leistungen und trotz einer Verdoppelung des Ausgabevolumens im Vergleich zum staatlichen Gesamthaushalt unterproportional gestiegen sind, so kann dies damit erklärt werden, daß die unmittelbaren und mittelbaren Kriegsfolgelasten mehr und mehr an Bedeutung verloren haben. Am deutlichsten kommt diese Tendenz bei den Ausgaben der Arbeitslosenhilfe zum Ausdruck. Ende 1952 gab es in der Bundesrepublik noch mehr als 1, 3 Millionen Arbeitslose, von denen etwa 850 000 Arbeitslosenhilfe erhielten, die aus Steuermitteln finanziert wurde. Die Ausgaben der Arbeitslosenhilfe betrugen 1952 rund 1, 2 Mrd. DM; 1962 dagegen beliefen sie sich auf weniger als 50 Millionen DM. Bei der Kriegsopferversorgung läßt sich tendenziell eine ähnliche Entwicklung feststellen. Obwohl die Ausgaben pro Versorgungsberechtigten von 1952 bis 1962 annähernd auf das Doppelte gestiegen sind, haben die Gesamtausgaben lediglich um ein Drittel zugenommen. Die Ursache hierfür liegt darin, daß die Zahl der Versorgungsberechtigten seit 1952 infolge von Tod, Wiederverheiratung von Kriegerwitwen und Herauswachsen von Waisen aus der Versorgung laufend abgenommen hat.

überraschend ist, daß während des Betrachtungszeitraumes in der Bundesrepublik trotz erheblicher absoluter Steigerung auch die Militärausgaben an Gewicht verloren haben. 1952 betrugen die Besatzungs-und Besatzungsfolgekosten fast 8 Mrd. DM, was etwa 20 v. H.der gesamten Staatsausgaben ausmachte. Ihren anteilmäßigen Tiefstand erreichten die Militärausgaben in der Zeit von 1955 bis 1959, als die Leistungen für die ausländischen Streitkräfte stark ermäßigt wurden und sich der Aufbau der Bundeswehr erst in der Anfangsphase befand und relativ langsam voranging. Seitdem nimmt der Anteil des Verteidigungshaushaltes an den Staatsausgaben in der Bundesrepublik wieder zu. Der Anteil von 1952 wurde aber bei weitem nicht wieder erreicht. Ein weiterer Bereich staatlicher Aktivität, der nach dem Kriege stark im Vordergrund stand, ist der Wohnungsbau. Die Vernachlässigung des Wohnungsbaus während des Krieges, die Kriegszerstörungen und die erhebliche Bevölkerungszunahme im Bundesgebiet nach Kriegsende machten die Beseitigung der Wohnungsnot zu einem der vordringlichsten Probleme staatlicher Aktivität. Von 1952 bis 1962 sind — die unsichtbaren Subventionen wie Steuervergünstigungen, Zinssubventionen usw. nicht eingerechnet — insgesamt rund 56 Mrd. DM für den Wohnungsbau (einschließlich Bauverwaltung) ausgegeben worden. Seit 1961 wachsen aber auch die staatlichen Ausgaben für den Wohnungsbau im Vergleich zu den Gesamtausgaben unterproportional.

Deutlich sieht man also, daß die Schwerpunkte der staatlichen Aktivität zunächst vor allem durch die Kriegsfolgen bestimmt worden sind. Im Vordergrund stand neben den hohen Besatzungskosten die Beseitigung akuter Notstände. Seit 1956 erst erhöht sich der Anteil der Ausgaben für das Erwerbsvermögen und für kommunale Anstalten und Einrichtungen. Hierin kommen vor allem die steigenden Investitionen bei den kommunalen Versorgungsunternehmen zum Ausdruck. Ebenfalls steigt seit dieser Zeit der Anteil der Ausgaben für das Schulwesen, und auch für die Ausgaben im Verkehrswesen ist bereits eine zunehmende Tendenz festzustellen, die sich ab 1960 noch verstärkt. 1960 ist gleichfalls der Zeitpunkt, in dem die Ausgaben für die Wissenschaft überproportional zu wachsen beginnen.

Daß die Aufwendungen für die Infrastruktur sowohl im Rahmen der öffentlichen Gesamtausgaben als auch in Relation zum Bruttosozialprodukt in den letzten Jahren ständig an Gewicht gewonnen haben, kann folglich nicht bestritten werden. Dennoch läßt diese Feststellung für sich allein aber in keiner Weise Schlußfolgerungen darüber zu, ob den Sozialinvestitionen in den letzten Jahren die ihnen gebührende Bedeutung beigemessen worden ist oder nicht. Die Antwort hierauf kann man nur dann finden, wenn man die eminent politische Frage nach der Angemessenheit der Deckung der verschiedenen in der Volkswirtschaft bestehenden Bedürfnisse stellt.

II. Die aktuelle infrastrukturpolitische Situation in der Bundesrepublik

Tabelle 3

Die Bedeutung der Wissenschaft für die Gesellschaft und der Bedarf an qualifizierten, wissenschaftlich ausgebildeten Fachkräften war niemals so groß wie heute. Sowohl die personelle Ausstattung als auch die sachlichen Einrichtungen der Universitäten und Hochschulen sind jedoch immer noch unzureichend.

Es ist nicht annähernd gelungen, mit der Studentenlawine Schritt zu halten. 1960 entfielen in der Bundesrepublik auf einen Dozenten durchschnittlich 35 Studenten; in den USA lag dieses Verhältnis bei 1 : 13, und in anderen westlichen Ländern war es sogar noch günstiger. Die Zahl der Planstellen für Professoren, Assistenten und wissenschaftliche Hilfskräfte ist zwar seitdem in der Bundesrepublik erheblich erhöht worden. Immer deutlicher zeigte es sich aber dann, daß es mit der Ausweitung des Stellenplanes allein nicht getan ist. Der Mangel an qualifizierten wissenschaftlichen Nachwuchskräften hat zur Folge, daß heute in wichtigen Fachbereichen wie Maschinenbau, Mathematik, Naturwissenschaft sowie Wirtschafts-und Sozialwissenschaften jeder fünfte Lehrstuhl nicht besetzt werden kann. Noch größer ist die Quote der unbesetzten Stellen im akademischen Mittelbau und bei den Assistentenstellen. Neben der Tatsache des Nachwuchsmangels im allgemeinen wirken sich besonders hier die verlockenden Angebote aus der Wirtschaft und aus dem Ausland aus, mit denen die deutschen Hochschulen sowohl hinsichtlich der gebotenen Arbeitsbedingungen als auch bezüglich der Besoldung selten konkurrieren können.

Neben dem Mißverhältnis zwischen der Zahl der Studenten und der Zahl der Lehrkräfte ist ebenfalls auf die mangelhafte sachliche Einrichtung der deutschen Hochschulen, insbesondere auf den Fehlbestand an Hörsaal-und Arbeitsplätzen hinzuweisen. Notwendige Um-planungen, die Überbeanspruchung des Bau-marktes sowie die laufende Verteuerung des Bauens haben dazu geführt, daß der Ausbau der wissenschaftlichen Hochschulen wesentlich langsamer vorangekommen ist, als man es geplant hatte. Im Jahre 1962 besuchten 248 000 Studenten die deutschen wissenschaftlichen Hochschulen. Die Ausbildungskapazität dürfte trotz der schon vorgenommenen Ausbaumaßnahmen indessen kaum mehr als 193 000 betragen haben.

Auch die Verhältnisse im deutschen Schulwesen stehen im deutlichen Kontrast zu dem Bild des Wohlstandes, das sich in anderen Lebensbereichen in der Bundesrepublik bietet. Noch immer sind fast 50 v. H.der Volksschulen im Bundesgebiet (ohne Stadtstaaten) ein-oder zweiklassig organisiert. Sowohl aus Gründen der Bildungsleistung als auch aus wirtschaftlichen Erwägungen heraus muß die ein-und zweiklassige Volksschule als nicht mehr tragbar bezeichnet werden. Große Flächenländer wie Hessen, Schleswig-Holstein und Niedersachsen sind dazu übergegangen, den ein-und zweiklassigen Schultyp durch Mittelpunktschulen bzw. Dörfergemeinschaftsschulen zu ersetzen. Angesichts der erforderlichen Neubauten und des bestehenden Lehrer-mangels kommt diese Umorganisation jedoch recht langsam voran.

Trotz des forcierten Baus von Schulen bzw. Ausbaus von Klassenräumen, Fachräumen, Turnhallen usw. ist der Nachholbedarf infolge der Kriegszerstörungen und infolge der Versäumnisse früherer Jahre auch heute immer noch nicht gedeckt. Die Folgen der Schulraum-not und ebenso die Auswirkungen des akuten Lehrermangels, der beispielsweise bei den Volksschulen in verschiedenen Bundesländern nicht nur die Einführung des 9. Schuljahres verhindert, sondern darüber hinaus sogar schon die bisherige achtjährige Schulzeit zu beeinträchtigen droht, sind zu hohe Klassen-frequenzen und damit Massenerziehung mit unzureichenden Leistungen und ungenügender Begabtenauslese.

Geradezu alarmierend ist ferner die Not im deutschen Krankenhauswesen. Immer wieder erfährt man, daß akut Kranke abgewiesen werden müssen, weil die Krankenhäuser voll belegt sind, und daß ein Teil der Kranken auf Fluren, Gängen und in Bädern untergebracht ist. Nicht selten stehen keine Isolierzimmer zur Verfügung, so daß hochgradig Tuberkuloseverdächtige mit anderen Patienten in einem Raum liegen müssen. Infolge des Fehlens von Sonderräumen müssen leichtere Eingriffe vor den Augen von fünf, sieben oder gar fünfzehn anderen Patienten vorgenommen werden. Die Konsequenz ist, daß sich Mitpatienten danach verständlicherweise oft weigern, dringend notwendige Eingriffe auch bei sich selbst durchführen zu lassen. Für die Ärzte stehen mancherorts keine sterilen Arbeitsplätze bereit, und oft gibt es nicht einmal ein besonderes Zimmer zum Sterben. Auf der anderen Seite hört man, daß viele zum Teil neue Krankenhäuser ganz oder teilweise geschlossen werden müssen, weil Pflegepersonal oder Assistenzärzte fehlen.

Nicht zu übersehen sind des weiteren die ungelösten Probleme im Verkehrswesen. Trotz aller Anstrengungen entsprechen die Straßen-verhältnisse, insbesondere im Vorfeld und im Kern der größeren Städte sowie in den Ballungszentren, immer noch nicht den Anforderungen des heutigen Verkehrs. In engem Zusammenhang damit steht der Investitionsbedarf im Bereich der öffentlichen Nahverkehrs-mittel, der um so größer wird, je weniger es gelingt, den Ansprüchen des innerstädtischen Straßenverkehrs zu genügen. Ferner sei erwähnt, daß auch die Bundesbahn immer noch nicht in den Bereich der Eigenwirtschaftlichkeit hineingebracht werden konnte und daß der Ausbau der Bundeswasserstraßen in keiner Hinsicht mit der Planung Schritt gehalten hat.

Außer auf die Notstände im Bildungswesen, im Gesundheitsdienst und im Verkehrswesen müßte weiterhin auf die Fragen der Raumordnungs-und Regionalpolitik, der Städtesanierung sowie der Luft-und Gewässerverunreinigung hingewiesen werden. Ferner sollte man nicht vergessen, auch den Gesamtkomplex der zivilen Verteidigung in die Betrachtung einzubeziehen. Aber auch dann wäre der Katalog immer noch nicht vollständig. Daß in der Bundesrepublik heute tatsächlich ein wichtiger Teil der öffentlichen Aufgaben nur unzureichend erfüllt wird, dürfte indessen kaum noch in Zweifel stehen.

Gestützt wird diese Feststellung im übrigen durch die in den letzten Jahren vorgelegten umfangreichen offiziellen und halboffiziellen Nachholprogramme und Bedarfsschätzungen. Das Statistische Bundesamt soll für die Jahre 1965 bis 1973 einen Gesamtbedarf für öffentliche Investitionen von rund 260 Mrd. DM errechnet haben. Die Ständige Konferenz der Kultusminister bezifferte die notwendigen Investitionen (Grunderwerb, Bauten, Einrichtungen) für das Schulwesen, für Wissenschaft, Forschung, Kunst und Kulturpflege bis 1970 auf 52, 5 Mrd. DM. Die Verbesserung der Verkehrsverhältnisse erfordert nach Ansicht einer vom Bundesverkehrsministerium einberufenen Sachverständigenkommission in der Zeit von 1965 bis 1975 rund 100 Mrd. DM. Der deutsche Städtetag schätzte den Investitionsbedarf der Gemeinden und Gemeindeverbände bis 1975 auf 216 Mrd. DM. Die Agrarsoziale Gesellschaft nennt einen Betrag von 100 Mrd. DM, der erforderlich ist, um das Gefälle zwischen Stadt und Land in der agrar-industriellen Mischzone zu beseitigen. Milliardenbeträge werden für die Investitionen bei der Bundesbahn, der Bundespost, zum Ausbau des deutschen Schiffahrtskanalsystems sowie zur Verringerung der Luft-und Gewässerverunreinigung aufgebracht werden müssen. Schließlich belaufen sich nach Angaben des Bundesinnenministeriums die mutmaßlichen Ausgaben für den zivilen Bevölkerungsschutz auf 10 bis 200 Mrd. DM.

Sicherlich sind all diese Zahlenangaben nicht einfach additiv zu nehmen, denn sie überschneiden sich mannigfach. Nicht ausgeschlossen ist ferner eine gewisse Überhöhung der Einzelansätze aus taktischen Gründen, um für spätere Verhandlungen noch Spielraum zu haben. Sehr wahrscheinlich ist indessen aber auch, daß sich ein nicht unerheblicher Teil der genannten Zahlen noch beträchtlich erhöhen wird. Denn die überwiegende Zahl der zitierten Vorausschätzungen ist unter der Annahme konstanter Preise durchgeführt worden, und auch die Steigerung der laufenden Ausgaben, die eine zwangsläufige Folge der meisten Investitionsausgaben ist, ist in den genannten Summen oft noch nicht eingeschlossen.

Ein löbliches Unterfangen wäre es nun, den Überblick über die verschiedenen heute bestehenden Bedarfsfeststellungen zu vervollständigen sowie die einzelnen Vorausschätzungen und Programme miteinander vergleichbar zu machen und aufeinander abzustimmen. Entscheidender noch dürfte es aber wohl sein, zunächst einmal die Frage zu stellen, ob Forderungen in derart astronomischen Dimensionen überhaupt realistisch sind. Wenn die Stabilität des Preisniveaus als eine der fundamentalen Zielsetzungen der Wirtschaftspolitik anerkannt wird, und wenn man annimmt, daß Unterbeschäftigung und damit eine Möglichkeit zum Defizit-Spending in absehbarer Zukunft nicht zu erwarten sein werden, so erhält man die Antwort auf die obige Frage, indem man durch eine vorausschauende Berechnung zunächst einmal den zu erwartenden Finanzierungsspielraum bestimmt.

III. Bestimmung des Finanzierungsspielraums durch eine mittelfristige Projektion

Tabelle 4

Für die wissenschaftliche Beschäftigung mit der Zukunft gibt es unter methodischen Gesichtspunkten zwei grundlegend unterschiedliche Ansätze. Der eine Weg ist, daß man bereits in der Gegenwart erkennbare Entwicklungstendenzen in die Zukunft hineinverlängert. Diese Methode erweist sich immer dann als zweckmäßig, wenn die zu erklärenden Größen in relativ determinierter Abhängigkeit zu einigermaßen sicher vorausschätzbaren unabhängigen Variablen stehen. Sind indessen solche inneren Zwangsläufigkeiten nicht festzustellen — und das wird im Bereich des sozialen Geschehens überall dort der Fall sein, wo de facto ein verhältnismäßig großer Freiheitsgrad für politische Entscheidungen besteht —, so erweist es sich als sinnvoll, von den unterschiedlichen politischen Zielvorstellungen auszugehen. Der andere Weg besteht also darin, daß man für die Zukunft bestimmte Hypothesen setzt und sodann zur Gegenwart hin zurückfragt, was möglicherweise geschehen muß, wenn die Hypothesen Realität werden sollen. Bei der Bestimmung des zukünftigen Finanzierungsspielraums für die Infrastrukturinvestitionen müssen, wie leicht einzusehen ist, beide Methoden gleichzeitig Anwendung finden.

Zur Vereinfachung der weiteren Überlegungen soll zunächst angenommen werden, daß sich die zukünftige Steigerung der Staatsausgaben im Rahmen des Wachstums des nominalen Bruttosozialprodukts halten wird. Dies entspricht zwar nicht ganz der erklärten Zielsetzung der Bundesregierung, den Anstieg der staatlichen Ausgaben am realen Wirtschaftswachstum zu orientieren. Aber immerhin wird erstens der eingangs erwähnten Forderung Genüge getan, daß der Anteil des Staates am Sozialprodukt nicht weiter steigen dürfe. Zweitens bringt diese Hypothese den großen analytischen Vorteil mit sich, daß sich nunmehr der Gesamtfinanzierungsspielraum für die staatliche Aktivität unmittelbar durch die zukünftige Entwicklung des nominalen Bruttosozialprodukts bestimmt und daß gleichzeitig die Rückwirkungen unterschiedlich hoher Staatsausgaben auf die Entwicklung des Sozialprodukts zunächst vernachlässigt werden können.

Das nächste Problem liegt in der zuverlässigen Prognose der Wachstumsrate des Sozialprodukts. Um die vorliegende spezielle Analyse von aller Beweislast in bezug auf jene sehr viel weitergehende allgem'ine Vorausschätzung zu befreien, soll im Hinblick auf das zu-8 künftige Wirtschaftswachstum mit drei Alternativen operiert werden. (Vgl. zum folgenden die Tabellen 3— 7, S. 21— 23.) Die pessimistische Schätzung unterstellt, daß die nominale Zuwachsrate des Sozialprodukts jährlich nur 5 v. H. beträgt. Eine optimistische Alternative gibt eine Wachstumsrate von 9 v. H. vor. Und die mittlere Version geht von einer Fortschrittsrate von 7 v. H. aus. In Verbindung mit der Hypothese der Konstanz des staatlichen Anteils am Bruttosozialprodukt ist mit der alternativen Prognose der Entwicklung des Sozialprodukts auch der Spielraum für die staatlichen Ausgaben bestimmt.

Bei einem angenommenen Staatsanteil von 31, 0 v. H., der der tatsächlichen Quote von 1962 entspricht, ergibt sich unter Zugrundelegung der mittleren Annahme, also eines nominellen Wachstums von 7 v. H. pro Jahr, für den Zeitraum von 1966 bis 1970 eine staatliche Finanzmasse von 855, 5 Mrd. DM. Die pessimistische Alternative führt entsprechend zu 806, 6 Mrd. DM und die optimistische Version zu 907, 0 Mrd. DM. Durch Substraktion all jener Positionen des Budgets, die nicht unmittelbar Ausgaben für den Bereich der Infrastruktur darstellen, läßt sich sodann der Finanzierungsspielraum abgrenzen, der für eben diesen Sektor übrigbleibt. Diese Berechnung muß für alle Jahre von 1966 bis 1970 in bezug auf alle drei Alternativen durchgeführt werden.

Als erstes mag die Prognose für jene Ausgabe-positionen entwickelt werden, bei denen es zulässig erscheint, Entwicklungstendenzen der Vergangenheit zu extrapolieren. Dabei ist es unerheblich, ob die Beziehung zwischen der abhängigen und der unabhäniggen Variablen davon abgeleitet wird, daß in der Vergangenheit gewisse konstante strukturelle Bedingungen zu beobachten sind, von denen man annehmen kann, daß sie in Zukunft weiterbestehen werden, oder ob man sie damit begründet, daß gewisse Zwangsläufigkeiten durch bestehende gesetzliche Normen geschaffen sind, bei denen unterstellt werden darf, daß sie in ihrem prinzipiellen Gehalt während des Projektionszeitraums nicht wesentlich geändert werden. Weitgehend zutreffen dürften diese Bedingungen im Hinblick auf die Ausgaben für Politische Führung und allgemeine Verwaltung, die Ausgaben für Öffentliche Sicherheit und Ordnung sowie Rechtspflege, die Ausgaben für die Wirtschaftsförderung, die Ausgaben für die Kriegsfolgelasten und nicht zuletzt die Sozialausgaben und den Schulden-dienst, soweit diese keine Aufwendungen für die Infrastruktur darstellen. Für all jene Ausgabepositionen lassen sich entweder Projektionen auf Grund von Regressionsgleichungen oder relativ gut fundierte andere Schätzungen durchführen.

Die Ausgaben für Politische Führung und allgemeine Verwaltung folgen dem Anstieg der Bevölkerungsentwicklung sowie des Bruttosozialprodukts pro Kopf. Der Zusammenhang zwischen dieser Ausgabeposition und dem Bevölkerungswachstum erscheint ohne weiteres einleuchtend. Das Pro-Kopf-Einkommen als Bestimmungsfaktor ist dagegen ein recht komplexer Ausdruck, durch den drei verschiedene Momente in die Analyse Eingang finden. Erstens soll damit die Lohn-und Gehaltsentwicklung der im öffentlichen Dienst Beschäftigten erfaßt werden. Zweitens sollen so die hier relevanten Preissteigerungen — vor allem bei den Materialkäufen — berücksichtigt werden. Und drittens soll auf diese Weise die Tatsache Berücksichtigung finden, daß mit steigendem Einkommen gleichzeitig die Nachfrage nach öffentlichen Dienstleistungen zunimmt.

Sehr ähnlich ist der Ansatz bei der Bestimmung der zukünftigen Ausgaben für Öffentliche Sicherheit und Ordnung sowie Rechtspflege. Hier wird die Beziehung nur nicht zum absoluten Bevölkerungswachstum, sondern zur Bevölkerungskonzentration und dem Bruttosozialprodukt pro Kopf hergestellt. Für die Verwendung des Pro-Kopf-Einkommens gelten die gleichen Gründe wie bei den Ausgaben für Politische Führung und allgemeine Verwaltung. Die Bevölkerungskonzentration, ausgedrückt durch den Anteil der Gesamtbevölkerung, der in Gemeinden mit mehr als 20 000 Einwohnern wohnt, wurde als Bezugsgröße gewählt, weil sich hier im Vergleich zur absoluten Bevölkerungsentwicklung für die Vergangenheit die engere Korrelation nachweisen läßt.

Bei den Ausgaben für die Wirtschaftsförderung erscheint es sodann zweckmäßig, die Regressionsgleichungen für die drei Unterbereiche Wohnungsbauförderung, Subventionierung der Landwirtschaft und Förderung von Industrie, Handel und Gewerbe getrennt zu entwickeln. Die Ausgaben für die Wohnbau-förderung können als Funktion der Zahl der öffentlich geförderten Wohnungen und der Entwicklung des Baupreisindex für Wohngebäude dargestellt werden. Die Subventionen für die Landwirtschaft lassen sich am einfachsten determinieren, wenn man sie unter dem Gesichtspunkt der Einkommensparitätspolitik sieht. Als quantitativer Ausdruck hierfür wird die Differenz zwischen der Wertschöpfung pro Beschäftigten in der Landwirtschaft und in der übrigen Wirtschaft gewählt. Was schließlich die Ausgaben zur Förderung von Industrie, Handel und Gewerbe anbetrifft, so läßt sich für die Vergangenheit feststellen, daß sie — wenn auch stark schwankend — in etwa der Entwicklung des Sozialprodukts gefolgt sind. Da jedoch sowohl die Wohnbauförderungspolitik als auch die Agrarpolitik und ebenso die Gewerbeförderungspolitik in der Vergangenheit mehrmals einschneidende Veränderungen erfahren haben, muß bei der Bestimmung der Regressionsgleichungen mit nicht unerheblichen Unsicherheitsmomenten gerechnet werden. Dies gilt auch dann, wenn man annimmt, daß sich die meisten Veränderungen im Rahmen der Wohnungsbauförderungspolitik, wie auch beispielsweise der Übergang zur Mietbeihilfe, was den Ausgabeneffekt anbetrifft, gegenseitig kompensieren, und wenn man im Hinblick auf die Förderung von Landwirtschaft, Industrie und Gewerbe unterstellt, daß die Kräftekonstellation in bezug auf die Interessenvertretungen auch künftig ungefähr die gleiche bleibt. Weiter unten wird auf diese Probleme noch einmal eingegangen werden.

Mit wieder größerer Sicherheit lassen sich die Ausgaben für die Kriegsfolgelasten voraus-schätzen. Im einzelnen geht es hier um die Kriegsopferversorgung, die Leistungen auf Grund Artikel 131 GG, die Zuschüsse zum Lastenausgleich sowie die besonderen Kriegs-folgelasten, die vor allem aus Wiedergutmachungsleistungen bestehen. Bei der Kriegsopferversorgung kann man davon ausgehen, daß die Renten auch künftig der allgemeinen Einkommensentwicklung angepaßt werden. Bestimmungsfakforen für das Ausgabevolumen sind folglich die jeweilige Zahl der Kriegsopferversorgungsempfänger und die Entwicklung des Pro-Kopf-Einkommens. Entsprechend gelten diese Überlegungen für die Leistungen nach Artikel 131 GG. Auch diese sind eine Funktion der Zahl der relevanten Versorgungsempfänger und der Entwicklung des Pro-Kopf-Einkommens. Bei den Zuschüssen zum Lastenausgleich und den besonderen Kriegsfolgelasten lassen sich Regressionsgleichungen nicht bestimmen. Wegen der in der Vergangenheit dauernd stark veränderten gesetzlichen Bestimmungen erscheint es hier zweckmäßiger, für beide Ausgabepositionen Schätzwerte in die Projektion einzuführen, die sich an den heute gültigen Regelungen orientieren. Es verbleiben schließlich noch die Sozialausgaben und der Schuldendienst, soweit diese keine Aufwendungen für die Infrastruktur darstellen. Die hier relevanten Sozialausgaben umfassen neben den Zuschüssen zur Rentenversicherung vor allem die Ausgaben für Kindergeld und Ausbildungsbeihilfe, für die Fürsorge sowie für Arbeitslosenhilfe und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Die Prognose der Bundeszuschüsse zur sozialen Rentenversicherung wird unter zwei einschränkenden Annahmen vorgenommen: erstens nämlich, daß in Zukunft wieder voll gezahlt wird und keine Ablösung der fälligen Zahlungen durch Schaffung von Schuldbuchforderungen erfolgt, und zweitens, daß die Garantieklausel (§ 1384 RVO), nach der der Bund bei Eintritt eines Defizits den Ausgleich durch öffentliche Mittel herzustellen hat, bis zum Ende des Projektionszeitraums keine Anwendung findet. In diesem Falle sind die Zuschüsse zur Sozialversicherung eine Funktion der Veränderung der allgemeinen Bemessungsgrundlage und damit abhängig von der Entwicklung des Pro-Kopf-Einkommens. Die Aufwendungen für die Fürsorge sind sodann unter Zugrundelegung der Wachstumsraten der Vergangenheit projiziert worden. Bezüglich der Ausgaben für Kindergeld und Ausbildungszulage wird angenommen, daß sie bei gleichbleibender gesetzlicher Regelung von der Anzahl der hier relevanten Kinder und Jugendlichen abhängen. Die Ausgaben für Arbeitslosenhilfe und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen schließlich sind im Rahmen dieser Analyse in Anbetracht ihrer heute allzu geringen Größenordnung uninteressant. Daß sie demzufolge auch in der Projektion nicht berücksichtigt zu werden brauchen, wird damit begründet, daß die Situation der konjunkturell bedingten Unterbeschäftigung, bei der diese Ausgaben ohne Zweifel stark ansteigen würden, das Problem des begrenzten Finanzierungsspielraums, um den es hier geht, de facto eliminiert. In der Depression ist nämlich ohne Gefahr für den Geldwert deficit-spending-policy möglich. Der Schuldendienst endlich, soweit er nicht den Ausgaben für die Infrastruktur zuzurechnen ist, wird für die nächsten Jahre als konstant angenommen.

Neben den bisher behandelten Ausgabepositionen, bei denen mit mehr oder minder großer Sicherheit Projektionen anhand von Regres-sionsgleichungen oder andere Schätzungen möglich waren, müssen nun als zweites jene Positionen innerhalb der staatlichen Gesamtausgaben berücksichtigt werden, bei denen im Hinblick auf die zukünftige Entwicklung ein so großer Mangel an Information besteht, daß man nur mit alternativen Schätzwerten operieren kann. Dies gilt in erster Linie für die Verteidigungslasten, darüber hinaus aber auch für die Ausgaben im Rahmen der Entwicklungshilfe sowie für die Matrikularbeiträge an supranationale Organisationen.

Der Anteil der beiden zuletzt genannten Posten am Gesamtausgabevolumen, soweit er in der Statistik explizit ausgewiesen wird, hat in den letzten Jahren durchschnittlich kaum mehr als 1 v. H. betragen. Es wird angenommen, daß die Aufwendungen für die Entwicklungshilfe und jene Matrikularbeiträge dem allgemeinen Trend der Ausgaben jener Haushaltsstellen folgen, denen sie im Staatshaushalt Verwaltungs-und rechnungstechnisch zugeordnet werden. Der Fehler, den diese Hypothese in die vorliegende Berechnung hineinträgt, dürfte in Anbetracht der geringen Größenordnung auch bei stärkeren Abweichungen minimal sein.

Für die Entwicklung der Verteidigungslasten dagegen sollen zwei Alternativen Berücksichtigung finden. Beide gehen von einer nicht unbeträchtlichen Steigerung des hier relevanten Finanzbedarfs aus. Die Beschränkung des Verteidigungsetats für 1966 auf den Stand des Vorjahres ist lediglich durch den zeitlichen Aufschub einer Reihe von Investitionsvorhaben der Bundeswehr möglich gewesen. Schon 1967 und ebenso in den darauffolgenden Jahren wird man die zurückgestellten Aufgaben unbedingt durchführen müssen. Darüber hinaus ist die Modernisierung des Kraftfahrzeug-parks der Bundeswehr erforderlich; die Umrüstung auf den Kampfpanzer „Leopard" wird fortgeführt werden müssen; weitere große Ausgaben bedingen die Ausstattung der Panzer-und Panzergrenadierdivisionen mit neuen Schützenpanzern, die Modernisierung der Artillerie, die Ausstattung der Bundeswehr mit Raketen vom Typ „Pershing" sowie bei der Bundesmarine der Bau von drei Raketenzerstörern und zehn Raketenkorvetten. In der ersten Alternative wird daher unterstellt, daß der Anteil der Verteidigungsausgaben am Bruttosozialprodukt im Jahre 1966 3, 6 v. H., 1967 3, 8 v. H. und in den darauffolgenden Jahren 4 v. H. ausmacht. Zum anderen wird angenommen, daß auch die Bundesrepublik diese Ausgaben in den nächsten Jahren sehr viel stärker steigern muß und im Jahre 1970 rund 6, 6 v. H.des Bruttosozialprodukts dafür verwendet — ein Prozentsatz, der in Großbritannien bereits heute erreicht ist.

Bis auf die unmittelbaren Ausgaben für den Bereich der Infrastruktur und dem diesen Sektor zurechenbaren Teil des Schuldendienstes sind nunmehr alle Positionen des Budgets erfaßt. An dieser Stelle der Überlegungen mag eine Zwischenbilanz gezogen werden. Der Gesamtfinanzierungsspielraum für die staatliche Aktivität betrug für die fünf Jahre von 1966 bis 1970 bei der pessimistischen Version 806, 6 Mrd. DM, bei der mittleren Schätzung 855, 5 Mrd. DM und bei der optimistischen Annahme 907, 0 Mrd. DM. Nach Abzug der bisher behandelten Ausgabepositionen verbleiben, je nachdem ob progressiv oder annähernd proportional steigende Verteidigungslasten unterstellt werden, bei der pessimistischen Alternative 361, 6 oder 395, 0 Mrd. DM, bei der mittleren Alternative 387, 6 oder 423, 7 Mrd. DM und bei der optimistischen Alternative 414, 5 oder 453, 5 Mrd. DM.

Da es in der vorliegenden Analyse aber nun darauf ankommt, den Finanzierungsspielraum für den weiteren Ausbau der Infrastruktur zu bestimmen, müssen von den oben errechneten Werten auch noch die laufenden Ausgaben für diesen Sektor abgezogen werden. Denn diese sind ja auch in der Zukunft erforderlich, sofern sich das Angebot an öffentlichen Leistungen in diesem Bereich im Vergleich zu heute nicht verschlechtern soll. Um auch bei der Entwicklung der laufenden Ausgaben den Einfluß von Lohn-und Preissteigerungen zu berücksichtigen, werden die Personal-und Sachausgaben bei der Fortschreibung der Entwicklung des Pro-Kopf-Einkommens angepaßt. Die Ausgaben für den Schuldendienst, soweit sie dem Bereich der Infrastruktur zuzurechnen sind, werden dagegen als konstant angenommen. Nach der Subtraktion auch dieser Beträge ergibt sich nunmehr der Finanzierungsspielraum für die weitere Verbesserung der Infrastruktur. Unter den getroffenen Annahmen beträgt dieser für den Zeitraum von 1966 bis 1970 bei Eintritt der pessimistischen Prognose 110, 4 bzw. 143, 8 Mrd. DM, bei der mittleren Schätzung 121, 6 bzw. 157, 7 Mrd. DM und bei der optimistischen Alternative 133, 0 bzw. 172, 0 Mrd. DM.

Konfrontiert man diese Werte mit den bereits genannten Ziffern der bestehenden Bedarfs-feststellungen und Nachholprogramme, so zeigt sich deutlich, daß, auch wenn man die dringende Notwendigkeit forcierter Investitionen im Bereich der Infrastruktur durchaus anerkennt, es kaum möglich sein dürfte, alles das, was man — aus welchen Gründen auch immer — in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren vernachlässigt hat, in wenigen Jahren nachzuholen. Unabhängig davon, ob man angesichts der bisherigen Ergebnisse der Ansicht ist, daß die Forderung der Begrenzung des Staatsanteils am Sozialprodukt in der Zukunft weiter aufrechterhalten werden kann oder nicht, muß es das Ziel der weiteren Überlegungen sein, Mittel und Wege aufzuzeigen, die von den astronomischen Größenordnungen der bestehenden Ausbaupläne wegführen. Es kommt darauf an, für die zukünftige Infrastrukturpolitik ein reduziertes neues Programm zu entwickeln, das in vieler Hinsicht sicherlich nur als ein zweitbestes anzusehen ist, das aber den Vorteil hat, daß es realistisch ist und im übrigen klare quantitative Alternativen aufzeigt.

IV. Erfordernisse einer rationalen Infrastrukturpolitik

Tabelle 5

Die Interdepedenz aller gesellschaftlichen und ökonomischen Prozesse hat zur Folge, daß sich auch die staatlichen Planungsträger nur selten über alle Auswirkungen der von ihnen programmierten wirtschaftspolitischen Maßnahmen von vornherein vollkommen im klaren sein können. Dies gilt in besonderem Maße für den Bereich der Infrastrukturpolitik, wo sich die Verantwortlichkeit für die wirtschaftspolitische Aktivität nicht nur auf eine Instanz beschränkt, sondern Bund, Länder, Gemeindeverbände und Gemeinden zu gleicher Zeit tätig werden. Wenn aber die ökonomischen Auswirkungen der infrastrukturpolitischen Maßnahmen jedes dieser Planungsträger zugleich auch von den Planungen aller anderen abhängen, so ist eine der Grundvoraussetzungen für eine effiziente und zielkonforme Infrastrukturpolitik die Abstimmung und Koordinierung aller Einzelprogramme. Hierfür wäre es erforderlich, daß nach Festlegung der allgemeinen Richtung der wünschenswerten Entwicklung -— beispielsweise durch übergreifende regionalpolitische Rahmenprogramme und allgemein anerkannte Mindeststandards für die Versorgung der Bevölkerung, der Industrie bzw.der einzelnen Regionen mit bestimmten öffentlichen Leistungen — seitens der verschiedenen Planungsinstanzen eine Bestandsaufnahme vorgelegt und darauf aufbauend langfristige Ausbaupläne für alle relevanten Bereiche erarbeitet werden.

Nachdem ein solcher überblick über die Gesamtheit der von den einzelnen Planungsträgern als solche anerkannten öffentlichen Nachholbedarfe geschaffen worden ist, dürfte es als zweites zweckmäßig sein, die eingereichten Pläne unter dem Gesichtspunkt der materiellen Rationalität zu überprüfen. An einem Beispiel aus dem Bereich des Gesundheitswesens mag diese Forderung exemplifiziert werden: Obwohl die Bundesrepublik sowohl bezüglich der Aufwendungen für Krankenanstalten als auch hinsichtlich der Versorgung der Bevölkerung mit Krankenhausbetten mit an der Spitze der westlichen Länder liegt, gehört der öffentliche Gesundheitsdienst immer noch zu den Engpaßbereichen. Fragt man nach dem Grund für den effektiven Bettennotstand, so stellt man fest, daß dieser nicht zuletzt in einer zu langen durchschnittlichen Verweildauer zu suchen ist. In der Bundesrepublik beträgt die Verweildauer heute fast 29 Tage, während sie in den USA unter 8 Tagen und in Dänemark, Schweden, Großbritannien, Belgien und den Niederlanden zwischen 15 und 19 Tagen liegt. Die Ursachen für diese auffällige Differenz sind mannigfaltig. So beginnt der Aufenthalt im Krankenhaus in Deutschland in der Regel mit einer mehrtägigen stationären Untersuchung; erst danach kommt die eigentliche Behandlung In vielen anderen Ländern dagegen wird die Diagnose in der Regel ambulant erstellt, so daß die Behandlung unmittelbar nach der Aufnahme beginnen kann. Man schätzt, daß durch diesen Unterschied die Verweildauer in Deutschland etwa 20 v. H. länger ist, als sie es sonst wäre. Als weitere Gründe für die lange Verweildauer in den deutschen Krankenhäusern werden angegeben, daß die Pflegesätze in Deutschland vergleichsweise recht niedrig sind, daß oft das spezielle Milieu des Patienten eine frühe Entlassung verbiete, daß die Krankenhäuser aus Kostengründen danach streben, die Patienten möglichst lange in der Klinik zu behalten und daß schließlich viele Krankenanstalten aus Mangel an Verwaltungspersonal am Wochenende nicht entlassen. Außerdem wird die lange Verweildauer in Deutschland durch eine hohe Zahl von Alterspatienten bedingt. Beispielsweise waren im Sommer 1964 in Hamburg 35 v. H.der Krankenhausbetten mit Patienten im Alter von mehr als sechzig Jahren belegt.

In dieser Situation erscheint es zweckmäßig, jenen Planungsträgern, die weitere Krankenhäuser bauen wollen, die Auflage zu machen, Untersuchungen darüber anzustellen, ob nicht eine Entspannung der Lage zunächst durch andere, billigere Maßnahmen, beispielsweise durch eine Verkürzung der Verweildauer, zu erreichen ist. Hierzu bieten sich drei Möglichkeiten an: Erstens eine Verbesserung der Organisation im Krankenhauswesen, zweitens die Einführung ambulanter Voruntersuchungen und Nachbehandlungen und drittens die Einweisung von Alterspatienten, die reine Pflegefälle darstellen, in Alters-und Pflegeheime. Selbst wenn letzteres zur Folge hätte, daß nun statt Krankenhäuser Alters-und Pflegeheime gebaut werden müßten, wäre viel erreicht. Denn sowohl der Pflegepersonalbedarf als auch die Investitionskosten liegen beim Altersheimbett erheblich niedriger als beim Krankenhausbett. Es braucht nicht betont zu werden, daß Rentabilitätsberechnungen dieser Art ebenso in den anderen Bereichen der staatlichen Aktivität möglich sind.

Den dritten Schritt nach dieser Planungsrationalisierung in sachlicher Hinsicht stellt sodann die Herausarbeitung einer Prioritätenskala dar. Die besondere Schwierigkeit dieser Planungsetappe liegt darin, konkrete Maßstäbe zur Beurteilung der unterschiedlichen Dringlichkeit der verschiedenen Projekte zu finden. Die Tatsache nämlich, daß alle diese Vorhaben unter dem Gesichtspunkt der Realisierung allgemein akzeptierter wirtschaftspolitischer Zielsetzungen wie gerechte Einkommensverteilung, wirtschaftliches Wachstum usw. in den Generalplan ausgenommen und damit als Bedarf deklariert worden sind, läßt durchaus keine Aussage darüber zu, welcher Dringlichkeitsgrad ihnen im Vergleich untereinander zukommt. Auch kann diese Frage ja nicht vorab von den einzelnen Planungsträgern entschieden werden, denn die Beschlußfassung hierüber setzt logischerweise voraus, daß man nicht nur den eigenen, sondern die Gesamtheit der angemeldeten Bedarfe kennt. Welche Kriterien gibt es aber nun zur Festsetzung der erforderlichen Rangordnung? Eine erste Möglichkeit bestünde darin, sich an vorgegebene Mindeststandards auszurichten, indem man beispielsweise davon ausgeht, daß bei der Trinkwasserversorgung der Bevölkerung eine bestimmte Mindestwasserqualität gewährleistet sein müsse oder daß nach vollzogener Änderung der Krankenhausorganisation für soundso viele tausend Einwohner pro hundert Quadratkilometer mindestens soundso viele Krankenhaus-und Altersheimbetten zur Verfügung stehen müssen. Ein zweites Verfahren, die Dringlichkeit der verschiedenen Projekte zu differenzieren, bestünde darin, den Produktivitätseffekt der einzelnen Investitionen zu berechnen und die Rangordnung danach auszurichten. Dieses Kriterium wäre beispielsweise für die Beurteilung der Dringlichkeit unterschiedlicher Straßenbauvorhaben anwendbar. Und drittens könnte man sich auf den Standpunkt stellen, daß all jene öffentlichen Investitionen besonders wichtig sind, deren zeitlicher Aufschub zu überproportionalen Kostensteigerungen in der Zukunft führt. Zwar darf nicht verkannt werden, daß diese Methode zur Aufstellung der Prioritätenskala durchaus ihre Grenzen hat, so in der Hinsicht, daß genaue Informationen häufig durch Vermutungen und vage Schätzungen ersetzt werden müssen oder dadurch, daß es in vielan Fällen schwierig sein wird, die einzelnen angewandten Dringlichkeitskriterien wiederum untereinander vergleichbar zu machen. Aber dennoch spricht vieles dafür, daß die Rationalität der Entscheidungen im Vergleich zur unkoordinierten Ausgabenpolitik vieler einzelner voneinander unabhängiger Planungsträger erheblich gesteigert werden kann.

Nachdem so die Prioritäten bestimmt worden sind, stellt sich alsdann in der vierten Planungsetappe die Frage nach dem Umfang, in dem die als Bedarf deklarierten öffentlichen Investitionen tatsächlich durchgeführt werden sollen. Führt man sich das Ergebnis der hier erarbeiteten mittelfristigen Projektion der Entwicklung des Sozialprodukts und der Staatsausgaben in der Bundesrepublik bis zum Jahre 1970 vor Augen, so sieht man sich in Anbetracht der Diskrepanz zwischen der Dimension der bestehenden Programme und der unter den gesetzten Annahmen verfügbaren Finanzmasse für die Verbesserung der Infrastruktur vor die folgenden Alternativen gestellt: Man könnte den unter den gegebenen Bedingungen zu erwartenden Finanzierungsspielraum zum Maßstab aller Planungen machen. Im Hinblick auf die gegenwärtige Situation in der Bundesrepublik wäre eine solche Entscheidung mit dem Bekenntnis gleichzusetzen, daß man sich auch in der Zukunft mit den geschilderten Notständen beispielsweise im Bildungswesen abzufinden habe.

Nicht unwichtig erscheint allerdings der Hinweis auf die möglichen Konsequenzen, die eine solche Politik nach sich ziehen kann.

Berechnungen für die amerikanische Wirtschaft haben beispielsweise gezeigt, daß sich ein erheblicher ungeklärter Restfaktor ergibt, wenn man die Entwicklung des realen Sozial-produkts in längeren Perioden allein aus dem Mehreinsatz von Arbeit und Kapital zu erklären versucht. Für den Zeitraum von 1889 bis 1957 betrug die durchschnittliche Zuwachsrate des Sozialprodukts in den USA 3, 5 v. H. pro Jahr, die entsprechende Zuwachsrate für die genannten Inputs machte dagegen nur 1, 9 v. H. aus. Damit bleibt ein ungeklärtes Restwachstum von 1, 6 v. H. jährlich; bezogen auf den gesamten Beobachtungszeitraum bedeutet dies, daß 46 v. H.der Steigerung des realen Sozial-produkts in den USA dem Residualfaktor zugerechnet werden müssen.

Sicherlich wird man nicht soweit gehen können, diesen Restfaktor allein auf Bildungsinvestitionen zurückzuführen. Neben dem vermehrten Bildungsaufwand sind unter anderem ebenfalls die Verbesserungen im Gesundheitswesen, in der Qualität des physischen Kapitals und in der Organisation der Arbeit zu nennen. Bedenkt man aber, daß der größte Teil auch dieser Bestimmungsgründe für den Restfaktor mittelbar ein erhöhtes Bildungsniveau voraussetzt, so spricht vieles für die Ansicht jener Ökonomen, die die Bildungsinvestitionen zumindest als Ursache für den größten Teil des unerklärten Restzuwachses betrachten. Unterstützt wird diese Hypothese durch die enge Korrelation zwischen den Ausgaben für das Bildungswesen und dem Volkseinkommen. Bei einem internationalen Vergleich, bei dem 18 Länder ausgewählt wurden, deren Definition der Schulausgaben nicht allzu stark voneinander abweicht, zeigte sich bei der Ordnung der betreffenden Länder nach der Höhe des Volkseinkommens pro Kopf einerseits und der Bildungsausgaben pro Kopf andererseits eine fast übereinstimmende Reihenfolge. Eine beachtenswerte Abweichung von diesem Resultat ergibt sich allein für die Bundesrepublik, die bei einer Berechnung für das Jahr 1960 im Hinblick auf die Höhe des Volkseinkommens pro Kopf nach den USA, Kanada, Schweden und Großbritannien den fünften Platz einnimmt, in bezug auf die Bildungsautgaben pro Kopf jedoch hinter Belgien, Dänemark, Frankreich, Norwegen und den Niederlanden, die alle ein geringeres Volkseinkommen pro Kopf aulzuweisen haben, an zehnter Stelle liegt.

Diese Tatsache könnte als relativ unbedenklich angesehen werden, wenn die gegenwärtige Situation des deutschen Schul-und Hoch-schulwesens im Verhältnis zu den anderen Ländern besonders günstig wäre. Genau dies muß aber bezweifelt werden. Wenn die Bundesrepublik in der Skala der Pro-Kopi-Einkonimen trotzdem sehr weit oben steht und in den letzten Jahren ein vergleichsweise besonders hohes Wirtschaftswachstum zu verzeichnen hatte, so dürfte dies einfach damit zu erklären sein, daß wir bisher vom geistigen Kapital der Vergangenheit zehren konnten. Es ist klar, daß dies nicht auf unbeschränkte Zeit möglich ist.

Sieht man in Anbetracht solcher Überlegungen, die beliebig auf alle anderen Bereiche der Infrastruktur ausgeweitet werden könnten, die staatliche Aktivität nicht mehr in erster Linie als ein Hemmnis für die freie wirtschaftliche Betätigung des einzelnen, sondern als ein unbedingt erforderliches Korrelat zur Marktwirtschaft an, so wäre die zur ersten prinzipiell entgegengesetzte zweite Alternative eine Entscheidung dahin gehend, den Infrastrukturinvestitionen im Vergleich zum privaten Verbrauch und zur privaten Investition künftig eine erhöhte Dringlichkeit beizumessen und den Anteil des Staates am Sozialprodukt in den nächsten Jahren zu erhöhen. Theoretisch bieten sich hierfür drei Möglichkeiten: Einmal könnte man den Finanzierungsspielraum für die notwendigen Infrastrukturinvestitionen durch Aufnahme von Krediten bei der inländischen Notenbank oder im Ausland vergrößern. Im Falle einer vollbeschäftigten Wirtschaft wie in der Bundesrepublik würde dies eine Steigerung der effektiven monetären Nachfrage bei relativ konstantem Angebot an Gütern und Diensten bedeuten. Hieraus folgt, daß diese Finanzierungsmethode abzulehnen ist, sofern man sich ernsthaft zur Zielsetzung der Preisstabilität bekennt. Zum anderen könnte man die geplanten staatlichen Investitionen durch Aufnahme von Anleihen auf dem inländischen Kapitalmarkt finanzieren. Der Erfolg dieser Methode hängt aber davon ab, ob der Kapitalmarkt die erforderlichen Anleihen auch wirklich aufnehmen kann. Das Dilemma mit den öffentlichen Anleihen im Jahre 1965 hat gezeigt, daß dies durchaus nicht immer der Fall sein muß. Man könnte einwenden, daß praktisch jede Anleihe unterzubringen ist, wenn nur die Konditionen günstig genug sind, und daß der Staat in dieser Beziehung mehr Freiheiten hätte als ein privater Unternehmer, der auf Rentabilität sehen müsse. Auch diese Überlegung gilt jedoch nur begrenzt. So muß auch beim Staat der Schuldendienst gesichert werden, und außerdem kann das Zinsniveau in einem Land mit frei konvertierbarer Währung nicht unbegrenzt angehoben werden, ohne daß Kapital aus dem Ausland einfließt. Dies aber würde wiederum zu einer Ausweitung der Nachfrageströme und folglich zu Pseissteigerungen führen. Außer durch Kreditaufnahme kann der Anteil des Staates am Sozialprodukt schließlich durch die Erhöhung des Steueraufkommens vergrößert werden. Dies kann entweder dadurch geschehen, daß man neue Steuern einführt, daß man die Tarife der bestehenden steigert bzw. bestehende Steuer-begünstigungen abbaut oder dadurch, daß man bei dem in der Bundesrepublik progressiv wirkenden Steuersystem in den kommenden Jahren keine Steuersenkungen vornimmt. Abgesehen von dem Problem der politischen Durchsetzbarkeit fragt sich in diesem Falle allerdings, wie groß der Spielraum ist, bis sich infolge einer durch die höhere Steuerbelastung möglicherweise hervorgerufenen Abschwächung der Privatinitiative von dieser Seite aus Gefahren für das wirtschaftliche Wachstum ergeben.

Soweit dies tatsächlich zu erwarten ist und sofern man andererseits eine Verlangsamung des Wirtschaftswachstums infolge einer Vernachlässigung der notwendigen Verbesserung der Infrastruktur gleichermaßen fürchtet, verbleibt letztlich für die Ausweitung des Finanzierungsspielraums für die Maßnahmen zur Verbesserung der Infrastruktur noch eine dritte Alternative. Diese besteht darin, daß man bei Konstanz oder nur leichter Steigerung des staatlichen Anteils am Sozialprodukt Einsparungen bei den anderen Positionen des Staatshaushalts zu erzielen sucht. Die Analyse der hier durchgeführten Projektion der Staatsausgaben unter diesem Gesichtspunkt gibt jedoch zu der Vermutung Anlaß, daß dieser Weg nicht allzu optimistisch eingeschätzt werden sollte.

Die Chance der Einsparung von Mitteln im Rahmen des Verteidigungshaushalts ist in Anbetracht des Mangels an sicherer Information über die weitere weltpolitische Entwicklung zu ungewiß, als daß man diese Möglichkeit zur Grundlage der Programmierung der künftigen Infrastrukturpolitik machen könnte. Soweit indessen die Entwicklung der Staatsausgaben auf Grund von Regressionsgleichungen und anderer Verfahren projiziert wurde, dürften eventuelle Einsparungen vor allem dort zu suchen sein, wo entweder die angenommene Konstanz der strukturellen Bedingungen oder die unterstellten Zwangsläufigkeiten zufolge der bestehenden gesetzlichen Normen vergleichsweise am unsichersten sind. Denn nur hier besteht ja doch in der Realität noch ein größeres Maß an politischer Entscheidungsfreiheit. Im Rahmen der Regressionsanalyse finden sich diese Unsicherheitsmomente vor allem bei den Ausgaben zum Zwecke der Wirtschaftsförderung, und bei den reinen Schätzungen gilt das Entsprechende, wie es scheint, hinsichtlich der Aufwendungen für die Fürsorge sowie für Kindergeld und Ausbildungszulage. Die in der Projektion zugrunde gelegten Ziffern für die soeben genannten Sozialausgaben können nun aber mit großer Wahrscheinlichkeit als Minimalwerte angesehen werden, da bei den Fürsorgeausgaben lediglich die heute schon erreichte Ausgabenhöhe für die Zukunft fortgeschrieben und beim Kindergeld und bei der Ausbildungszulage in der Prognose die bereits heute gezahlten Sätze zugrunde gelegt worden sind. Die besagte Unsicherheitskomponente bezieht sich daher nicht so sehr auf eine mögliche Elastizität nach unten, sondern viel mehr darauf, daß jene Ausgaben stärker steigen, als es in dieser Analyse angenommen worden ist. Für mögliche Einsparungen verbleiben somit allein die Aufwendungen für Wohnbauförderung und Mietbeihilfe, für die Subventionierung der Landwirtschaft sowie für die Förderung von Industrie, Handel und Gewerbe. Ob und inwieweit nun diese Ausgabenpositionen in den nächsten Jahren tatsächlich hinter den hier projizierten Werten zurückbleiben werden, wird im wesentlichen durch zwei Faktoren bestimmt. Erstens fragt es sich nämlich, ob sich der politische Wett-B kampf um die Gunst bestimmter Verbände und Interessenvertreter in der gleichen Weise fortsetzen wird wie bisher. In diesem Falle dürfte die Aussicht auf Einsparungen bei der Wirtschaftsförderung äußerst gering sein. Zweitens ist es das Erfordernis einer rationalen Wirtschaftspolitik, daß gestrichene Wirtschaftsförderungsmaßnahmen unter wirtschaftspolitischem Aspekt tatsächlich weniger wichtig sind als die statt ihrer dann durchgeführten Infrastrukturinvestitionen. Auch wenn nun, sei es durch Erhöhung des staatlichen Anteils am Sozialprodukt, sei es durch Einsparungen bei anderen Ausgabe-positionen und durch eine Reduzierung des ursprünglichen Programms, die Planungen für die Verbesserung der Infrastruktur unter finanziellem Aspekt mit den gegebenen Möglichkeiten in Einklang gebracht worden sind, sind noch immer nicht alle ökonomischen Abstimmungsprobleme gelöst. Zugleich mit der Verringerung der Diskrepanz zwischen der verfügbaren Finanzmasse und den im Vergleich dazu überdimensionalen Investitionsplanungen muß nämlich außerdem in einer weiteren Planungsetappe jener Frage Beachtung geschenkt werden, inwieweit das nach bestimmten Prioritäten aufgestellte Programm für die Infrastrukturpolitik im Hinblick auf seine Realisierung darum noch gewisser zusätzlicher Korrekturen bedarf, weil sich entweder bestimmte zu seiner Durchführung notwendige Produktionsfaktoren kurzfristig überhaupt nicht beschaffen lassen oder weil sich unerwünscht starke Nachfragekollisionen ergeben würden.

An einigen Beispielen aus dem Bereich des Bildungs-und Gesundheitswesens mag diese Überlegung exemplifiziert werden: Selbst wenn dem Ausbau des Schulwesens in Deutschland die erste Dringlichkeitsstufe eingeräumt würde, dürfte es trotzdem empfehlenswert sein, die Behebung des gegenwärtigen Notstandes auf diesem Sektor nicht an den heute vorliegenden Bedarfsfeststellungen auszurichten. Denn das hätte zur Folge, daß in den nächsten acht bis zehn Jahren alle Abiturienten in der Bundesrepublik Lehrer werden müßten. Ebenso erscheint es wenig sinnvoll, neue Krankenhäuser zu planen, sofern man diese aus Mangel an Assistenzärzten und Pflegepersonal nach ihrer Fertigstellung nicht in Betrieb nehmen kann. Auch im öffentlichen Sektor sollten die Investitionsprogramme nicht ohne Rücksicht auf die jeweils gegebene und zu erwartende Arbeitsmarktlage entworfen werden.

Nicht vernachlässigt werden dürfen ferner die Preiswirkungen der staatlichen Nachfrageentfaltung. Den Straßenbau beispielsweise könnte man heute ohne Furcht vor unmittelbar dadurch hervorgerufenen Preissteigerungen um einiges ausweiten, weil bei den westdeutschen Tiefbauunternehmen zur Zeit Überkapazitäten bestehen. Ein stark forcierter Bau von Schulen, Universitäten und Krankenhäusern dagegen würde zu einem weiteren Auftrieb der Hochbaupreise führen, denn in diesem Wirtschaftsbereich herrscht nach wie vor Vollbeschäftigung. Bedenken im Hinblick auf die Verletzung der allgemein akzeptierten wirtschaftspolitischen Zielsetzungen könnten hier in dreierlei Hinsicht auftreten: Erstens wird die Zielsetzung der Preisstabilität verletzt, sofern nicht die Preissteigerungen auf dem Bausektor durch Preissenkungen auf anderen Märkten voll kompensiert werden. Zweitens könnte man sich fragen, wie es mit der Verwirklichung der Zielsetzung gerechter Einkommens-verteilung steht, wenn über den Marktprozeß beispielsweise jene Gruppe der Bevölkerung durch die Steigerung der öffentlichen Investitionen besonders belastet wird, die sich zur gleichen Zeit ein Haus bauen will. Drittens ist durchaus offen, ob nicht auch wiederum das wirtschaftliche Wachstum beeinträchtigt wird, weil die Steigerung der Baukosten einen Rückgang der privaten Investitionen bewirken kann.

Einen Verstoß gegen die Erfordernisse einer rationalen Wirtschaftspolitik würde es allerdings bedeuten, aus diesen Überlegungen voreilig den Schluß zu ziehen, daß die Bauvorhaben der öffentlichen Hand nur dann genehmigt werden sollten, wenn die vorhandenen Baukapazitäten deren Realisierung ohne Preissteigerungen zulassen. Einmal ist nämlich die Preisbewegung in der Marktwirtschaft der systemimmanente Knappheitsanzeiger, und die Preissteigerungen wirken daher für die Unternehmer wie eine Aufforderung, ihre bei der gegebenen Marktlage unzureichenden Kapazitäten auszuweiten, zum anderen muß aber auch gesehen werden, daß die öffentlichen Investitionen in der Regel ihrerseits selbst Verteilungs-und Wachstumseffekte aufweisen, die die oben skizzierten möglichen negativen Wirkungen durchaus überkompensieren können. Wann dies tatsächlich der Fall ist, ist ebenso wie die Festlegung der wünschenswerten Versorgungsstandards, die Auf-stellung der Prioritätenskala oder die Bestimmung des angemessenen Anteils des Staates am Sozialprodukt eine Entscheidung, die sich sowohl an den bestehenden Sachzwängen wie auch innerhalb dieser an politischen Werturteilen auszurichten hat.

V. Zusammenfassung und Schlußfolgerungen

Tabelle 6

An dieser Stelle der Analyse mag die Ausgangsfrage wieder ausgenommen und das Resümee der vorangegangenen Überlegungen gezogen werden. Es kann festgestellt werden, daß die Aufwendungen für die Infrastruktur sowohl im Rahmen der öffentlichen Gesamtausgaben als auch in Relation zum Bruttosozialprodukt in den letzten Jahren ständig an Gewicht gewonnen haben. Diese Beobachtung läßt allerdings für sich allein in keiner Weise Schlußfolgerungen darüber zu, ob die Sozialinvestitionen in der Bundesrepublik in den letzten fünfzehn Jahren vernachlässigt worden sind oder nicht. Die Antwort hierauf kann man nur dann finden, wenn man die eminent politische Frage nach der Angemessenheit der Deckung der verschiedenen in der Volkswirtschaft bestehenden Bedarfe stellt.

Schon bei oberflächlicher Betrachtung zeigte sich, daß die Verhältnisse im Bildungswesen, im Gesundheitsdienst und im Verkehrswesen in deutlichem Kontrast zu dem Bild des Wohlstandes stehen, das sich in vielen anderen Lebensbereichen in der Bundesrepublik bietet. Als eine Bestätigung dafür, daß in der Bundesrepublik tatsächlich wichtige öffentliche Aufgaben seit Jahren in unzureichendem Maße erfüllt worden sind, dürften vor allem die umfangreichen offiziellen und halboffiziellen Nachholprogramme und Bedarfsfeststellungen anzusehen sein.

Der große Mangel der meisten zur Zeit vorliegenden Ausbaupläne liegt indessen darin, daß in ihnen sowohl die Probleme der heutigen Arbeitsmarktlage und der Auslastung der bestehenden Produktionskapazitäten als auch sogar die Frage der Finanzierung weitgehend vernachlässigt werden. Würde man sich nämlich auch darüber Gedanken machen, so müßte man sich ebenfalls mit der Auffassung jener auseinandersetzen, die meinen, daß der Anteil des Staates am Sozialprodukt nicht weiter steigen dürfe.

Selbst dann, wenn es unproblematisch wäre, den staatlichen Anteil am Sozialprodukt beispielsweise durch Verzicht auf künftige Steuersenkungen sowie durch Abbau bestimmter Steuervergünstigungen zu erhöhen, und wenn es darüber hinaus möglich wäre, den Finanzierungsspielraum für die Verbesserung der Infrastruktur durch Einsparungen bei anderen Positionen des öffentlichen Haushalts weiter zu vergrößern, wird, wie gezeigt werden konnte, für eine Vielzahl gesellschaftlicher Großaufgaben immer nur ein vergleichsweise knapper Fonds zur Verfügung stehen. Ziel aller weiteren Überlegungen muß es daher sein, für die Infrastrukturpolitik ein reduziertes neues Programm zu entwickeln, das im Gegensatz zu den bisherigen Planungen weniger vom Wunschdenken als von den realen Möglichkeiten bestimmt ist. Dies verlangt zum ersten eine klare Festlegung der Prioritäten, zum zweiten eine zumindest mittelfristige Programmierung der einzelnen Maßnahmen auf der Grundlage einer längerfristigen Voraus-schau und zum dritten Plankoordinierung über alle staatlichen Ebenen hinweg. Die optimale Methode dürfte eine gleitende Planung jeweils für einen Zeitraum von vier bis sechs Jahren darstellen.

Eine rationale Infrastrukturpolitik ist somit vor allem an die folgenden vier Voraussetzungen gebunden: Erstens wäre es erforderlich, die eventuell bestehenden verfassungsmäßigen Hindernisse zu beseitigen, die einer gemeinsam planenden und möglicherweise auch anordnenden Tätigkeit von Bund, Ländern und Gemeinden entgegenstehen. Zweitens müßte auf allen Ebenen ein qualifizierter Planungs-B stab zur Verfügung stehen, der in der Lage ist, operationale Alternativprogramme auszuarbeiten, diese laufend an neue Datenkonstellationen anzupassen und die notwendigen Koordinationsaufgaben zu lösen. Drittens wird man realistische Planungen nur dann erwarten dürfen, wenn den Planungsinstanzen der einzelnen Gebietskörperschaften nicht nur eine hinreichend klare infrastrukturpolitische Konzeption vorgegeben, sondern wenn ihnen darüber hinaus auch genügend Orientierungshilfe hinsichtlich der zukünftigen gesamtwirtschaftlichen Entwicklung gegeben wird. Nur dann wird es ihnen nämlich möglich sein, sowohl den zu erwartenden Finanzierungsspielraum wirklichkeitsnah vorauszuschätzen als auch das Problem der Vermeidung von unerwünschten Nachfragekollisionen zu lösen. Daß viertens schließlich auch noch eine grundlegende Neuordnung des seit langem unbefriedigend geregelten Fragenkomplexes des Finanzausgleichs erforderlich ist, bedarf sodann wohl kaum noch der besonderen Erwähnung.

Ein abschließendes Wort sei noch jenen gewidmet, die in der hier aufgestellten Forderung nach einer gesamtwirtschaftlichen Vor-ausschauin Verbindung mit einem Konzept der mittelfristigen Wirtschaftspolitik sowie einer längerfristigen Programmierung der staatlichen Maßnahmen zur Verbesserung der Infrastruktur wieder einmal einen ersten Schritt auf dem Wege in die Knechtschaft sehen. Man sollte jene fragen, warum man dem Staat nicht zubilligen darf, was in jedem normal geleiteten Industrieunternehmen stattfindet und dort als eine Selbstverständlichkeit weitschauender Unternehmungspolitik gilt. Sollte die Antwort lauten, daß jede Form der Vorausplanung notwendigerweise die Freiheit einschränkt, so muß man ihr im Hinblick auf das hier vertretene Konzept sicherlich insofern zustimmen, als es die Freiheit nimmt, Detail-programme ohne Rücksicht auf das Ganze zu entwerfen, nicht miteinander vereinbare wirtschaftspolitische Ziele zu propagieren und darauf aufbauend unrealistische Forderungen aufzustellen. Darüber hinaus aber dürfte die Vorausplanung die jeweils gegebenen Wahlmöglichkeiten durchaus erweitern, in dem sie diese erschöpfend formiert und übersichtlich macht, und damit in der Tat die Freiheit für all jene vergrößern, die in Alternativen zu denken und zu wählen vermögen.

Fussnoten

Weitere Inhalte

Wolfgang Michalski, Dr. rer. pol., geboren 1936 in Hamburg, Studium der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften an der Universität Hamburg, 1960 Diplomprüfung für Volkswirte, 1964 Promotion, nach dem Diplomexamen wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Akademie für Wirtschaft und Politik in Hamburg, 1964 Übertritt zum Hamburgischen Welt-Wirtschafts-Archiv, hier zunächst Leiter der Grundsatzabteilung, heute Leiter der Hauptabteilung Außenwirtschafts-und Entwicklungspolitik. Veröffentlichungen über Fragen der Wirtschaftsordnungspolitik, der staatlichen Finanzpolitik und der Außenwirtschaftspolitik, u. a.: Soziales Gleichgewicht in der Demokratie, dargestellt am Beispiel der Aufteilung des Sozialprodukts auf öffentliche und soziale Bedarfe in der Bundesrepublik Deutschland, in: Hamburger Jahrbuch für Wirtschafts-und Gesellschaftspolitik, 6. Jg. 1961; Steuersenkungen im Wahljahr? Kritische Anmerkungen zum Steueränderungsgesetz 1964, in: Wirtschaftsdienst, 44. Jg. 1964; Finanzpolitik ohne Illusionen. Bausteine zu einem realistischen Konzept der Infrastrukturpolitik, in: Wirtschaftsdienst, 46. Jg. 1966.