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Die Bilanz des Siebenjahrplanes der UdSSR | APuZ 12/1966 | bpb.de

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APuZ 12/1966 Die Bilanz des Siebenjahrplanes der UdSSR

Die Bilanz des Siebenjahrplanes der UdSSR

Borys Lewytzkyj

Im Dezember vergangenen Jahres endete ein wichtiger Abschnitt der jüngsten Geschichte der Sowjetunion. Auf dem XXI. Parteitag der KPdSU (1959) waren die bereits 1958 bekanntgegebenen Soll-Zahlen für die wirtschaftliche Entwicklung der Sowjetunion von 1959 bis 1965 bestätigt worden. In seiner Rede auf dem damaligen Parteitag hatte Chruschtschow erklärt, daß nur die gewaltigen Veränderungen auf allen Gebieten des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens es der Sowjetunion ermöglichten, nun in eine neue, äußerst wichtige Periode ihrer Entwicklung einzutreten: in die Periode des umfassenden Aufbaus der kommunistischen Gesellschaft.

Lebensstandard und soziale Probleme

Eines der erklärten Hauptziele des Siebenjahrplanes war die Erfüllung bestimmter Produktionsaufgaben. Sie waren seinerzeit von der sowjetischen Führung unter einem ganz konkreten Aspekt gestellt worden: Auf der Grundlage erhöhter Entwicklungstempi der Industrie sollte die Sowjetunion das höchstentwickelte kapitalistische Land, die USA, nach ihrer absoluten Produktionsmenge in einigen der wichtigsten Erzeugnissen übertreffen und sich bei anderen dem Stand der USA nähern. Auf dem erwähnten Parteitag erklärte Chruschtschow: „Zur gleichen Zeit wird die Erzeugung der wichtigsten landwirtschaftlichen Produkte sowohl im ganzen als auch pro Kopf der Bevölkerung wachsen, wobei man noch berücksichtigen muß, daß die Bevölkerung bei uns schneller zunehmen wird. Wahrscheinlich wird dann die Bevölkerung der UdSSR um 15 bis 20 Prozent größer sein als die der USA. Pro Kopf der Bevölkerung gerechnet werden wahrscheinlich nach der Erfüllung des Siebenjahrplanes noch fünf Jahre vergehen, bevor wir die Vereinigten Staaten in der Industrieproduktion einholen und überflügeln."

Anhang

Gemäß den festgesetzten Soll-Zahlen sollte die Gesamtindustrieproduktion, verglichen mit dem Stand von 1958, um 80 Prozent zunehmen, darunter die Erzeugung von Produktionsmitteln um 85 bis 88 Prozent und die Produktion von Konsumgütern um 62 bis 65 Prozent. Doch verfolgte der Siebenjahrplan noch ein wesentlicheres Ziel: die Schaffung der „materiell-technischen Basis des Kommunismus". Die Voraussetzung dazu war nach Chruschtschow „eine hochentwickelte moderne In-B dustrie, die volle Elektrifizierung des Landes, wissenschaftlich-technischer Fortschritt in allen Zweigen der Industrie und der Landwirtschaft, Vollmechanisierung und Automatisierung aller Produktionsprozesse, allseitige Ausnutzung neuer Energiequellen und der reichen Naturschätze, der neuen synthetischen und anderer Stoffe, die Hebung des kulturellen und technischen Niveaus aller Werktätigen, eine weitere Verbesserung der Organisation der Produktion und eine Steigerung der Arbeitsproduktivität."

Die Kapitalinvestitionen aus Staatsmitteln sollten insgesamt 194— 197 Milliarden Rubel betragen. Zusammen mit den von den Unionsrepubliken, Autonomen Gebieten usw. aufgebrachten Mitteln und den Beiträgen der Kolchosen sowie den Spareinlagen der Bevölkerung wollte man auf ungefähr 300 Milliarden Rubel kommen. 40 Prozent der Gesamtinvestitionsmittel des Siebenjahrplanes sollten in den Gebieten im Osten der UdSSR (Ural, Sibirien, Ferner Osten, Kasachstan und Mittelasien) angelegt werden. Durch die rationelle Standortverteilung der Produktivkräfte wollte die Sowjetregierung zum erstenmal seit Eroberung der Ostgebiete durch das zaristische Rußland die unermeßlichen Naturschätze dieser Gebiete nutzbar machen. Stolz erklärte Chruschtschow auf dem Parteitag: „ 1965 wächst der Anteil der Ostgebiete an der Kohlenförderung bis zu 50 Prozent, in der Stahlproduktion bis zu 48 Prozent, von Raffinat-Kupfer bis 88 Prozent, von Aluminium bis zu 71 Prozent, von Zement bis zu 42 Prozent, in der Erzeugung von Elektroenergie bis zu 46 Prozent, in der Abfuhr von Nutzholz bis zu 52 Prozent, in der Papiererzeugung bis zu 32 Prozent. Auch soll die chemische Industrie, die Olverarbeitung und die NE-Metallurgie in diesen Gebieten entwickelt werden.“

Der Siebenjahrplan muß also unter zwei Aspekten gesehen werden: er sollte sowohl eine Steigerung der Bruttoproduktion als auch die Modernisierung der Produktionsbasis bringen.

Wie wenig sich die damalige Führungselite der Größe dieser selbstgestellten Aufgabe bewußt war, wie sehr es ihr an politischem Verantwortungsbewußtsein mangelte, das zeigte sich beispielsweise in den Massenversammlungen, die 1959 landauf, landab gehalten und in denen sogar noch Beschlüsse über die „freiwillige Erhöhung"

der Produktionsaufgaben und die vorzeitige Erfüllung des Siebenjahrplanes gefaßt wurden.

Doch kaum war der Siebenjahrplan angelaufen, da zeigte sich schon, daß die sowjetische Führung die eigenen Möglichkeiten und die ihrer Gesellschaft doch weit überschätzt hatte. Diese „grandiosen Aufgaben" waren eben in der rauhen Wirklichkeit weit schwerer zu realisieren als auf dem Papier oder in den vielen schönen Reden. Zu solchen Einsichten werden auch die Historiker kommen, wenn sie später Einblick in die Dokumente der sogenannten „Bewegung für die vorzeitige Erfüllung des Siebenjahrplans" erhalten sollten. Der damalige erste Sekretär des ZK der KP Ukraine, Podgornyj, erklärte auf dem XX. Parteitag der KP Ukraine: „Das ZK der KP Ukraine meint, daß die Aufgaben des Siebenjahrplanes in der Republik vorzeitig erfüllt werden können und sollen, in verschiedenen Wirtschaftszweigen schon in fünf bis sechs Jahren." Das ist nur ein Beispiel von vielen. Eine ähnlich primitive Vorstellung von den schwierigen wirtschaftlichen Problemen war damals bei der Parteibürokratie in allen Republiken, Gebieten usw. anzutreffen.

Auch die willkürlichen Eingriffe Chruschtschows in den Lauf des Siebenjahrplans brachten der Sache bestimmt keinen Nutzen. Das ZK der KPdSU beschäftigte sich zwischen 1959 und 1965 mehrmals mit den verschiedenen Engpässen und Krisensituationen, die im Laufe des Siebenjahrplanes auftraten. Bekannt sind die berühmten Chruschtschowschen ZK-Plena, bei denen oft Tausende von Gästen anwesend waren. Schon diese Form, mit der man die Lösung schwieriger Probleme anging, war sehr bedenklich. Solche „Kleinigkeiten" wie die Engpässe zu beseitigen, das war nicht die Art Chruschtschows; ihm kam es darauf an, die Produktionsaufgaben um jeden Preis noch zu erweitern. Da konnte man Luftschlösser bauen aus dem, was einmal sein sollte; der simple Alltag, in dem heute kein Strom da war und morgen der Zubringerdienst nicht funktionierte, interessierte ihn nicht. So wurde zum Beispiel am 26. Dezember 1960 ein gemeinsamer Beschluß des ZK der KPdSU und des Ministerrates der UdSSR veröffentlicht. Untr Berufung auf die „Volksbewegung für die vorzeitige Erfüllung des Siebenjahrplanes" sowie auf die beachtlich gestiegene Zuwachsrate der Industrieproduktion in den ersten zwei Jahren des Siebenjahrplanes (anstatt 17 Prozent des festgesetzten Solls betrug die Zuwachsrate 23 Prozent) wurde beschlossen, Maßnahmen zur Erhöhung der Soll-Ziffern in den verschiedenen Bereichen zu treffen Solche grob vereinfachten Vorstellungen von den Manipulationsmöglichkeiten auf dem wirtschaftlichen Sektor waren für die damalige Zeit typisch. Als die Misere in der Landwirtschaft schon offenkundig war, versuchte Chruschtschow — unter Verkennung der Tatsachen und der Zusammenhänge — immer noch, die landwirtschaftliche Produktion durch phantastische Projekte in die Höhe zu treiben. Den Beamten der staatlichen Erfassungsbehörden brachte das jedoch mehr Ärger als Mais ein.

Als 1965 der Siebenjahrplan auslief, trat klar zutage, daß die Angaben über Erfüllung oder Nichterfüllung dieser oder jener einzelnen Produktionsaufgaben nur von zweitrangiger Bedeutung waren. Das wichtigste Ergebnis des Siebenjahrplanes ist auf ganz anderer Ebene zu suchen. Die KPdSU und die sowjetische Gesellschaft mußten so deutlich wie nie zuvor erkennen, daß der stärkste Hemmschuh für die Sowjetwirtschaft die bürokratischen Herrschaftsmethoden, die Willkür, der Hang zur Übersteigerung und Gigantomanie, die Nichtbeachtung der ökonomischen Gesetzmäßigkeiten und ähnliche Faktoren sind. Der Zusammenprall der Programme mit der Praxis bereitete in der Sowjetgesellschaft nach und nach den Boden für eine Bewegung, die sich zum Ziel setzte, das gesamte System umzuformen. Mag die Partei noch so viele Dementis in die Welt setzen, an der Tatsache ist nicht zu rütteln, daß Professor Liberman, Professor Trapesnikow, der verstorbene Professor Nemtschenow und Hunderte von anderen Gelehrten, Experten und Ingenieuren, obgleich Mitglieder der KPdSU, ihre Reformvorschläge zunächst gegen die Parteibürokratie durchsetzen mußten. Heute hat die Partei es diesen Männern zu verdanken, daß das politische Denken über die primitiven Formen der Stalinära hinausgewachsen ist und daß die längst fällige Modernisierung des sowjetischen Systems überhaupt Chancen hat.

Die nachstehende Analyse versucht, nicht nur die Probleme in verschiedenen Wirtschaftsbereichen zu behandeln und nicht nur die Frage zu beantworten, inwieweit und wo jeweils der Siebenjahrplan sein Ziel erreicht hat, sondern auch auf aktuelle Probleme der sowjetischen Wirtschaft und Gesellschaft hinzuweisen.

Die Entwicklung der Industrie

Abbildung 1

Wie aus offiziellen Angaben hervorgeht, ist der Gesamtumfang der Industrieproduktion während des Siebenjahrplanes um 84 Prozent statt der vorgesehenen 80 Prozent gestiegen. Nachstehende Tabelle vermittelt ein Bild dieser Entwicklung 3):

Die Tabelle auf Seite 6 gibt die Entwicklung in einigen der wichtigst gibt die Entwicklung in einigen der wichtigsten Industriezweigen wieder 4):

Zweifellos sind das bemerkenswerte Erfolge. Aber schon auf dem Septemberplenum 1965 des ZK der KPdSU erklärte Kossygin: „Obgleich sich unsere Industrie erfolgreich entwickelt und insgesamt die Aufgaben des Siebenjahrplanes übererfüllt werden, sind wir doch mit den erzielten Ergebnissen, besonders in der Leicht-, Nahrungsmittel-, chemischen, Holz-und Papierindustrie sowie in der Baustoffindustrie nicht zufrieden" 5). Eine vollständige Analyse der Entwicklung in den ein-zelnen Industriezweigen während des Siebenjahrplanes ist hier nicht möglich. Aber es soll doch die Situation in den Industriezweigen etwas genauer betrachtet werden, die für die Schaffung der angekündigten „materiell-technischen" Basis des Kommunismus von besonderer Bedeutung sind.

Es ist notwendig, am Beispiel einiger Industriezweige zu veranschaulichen, warum die während des Siebenjahrplanes erzeugte Bruttoproduktion noch keine ausreichende Grundlage für die Abschätzung einzelner Erfolge darstellt. Selbst dort, wo die Entwicklung dynamisch blieb, wurde sie mit Hilfe extensiver Methoden betrieben, ohne Berücksichtigung der Reformierung der Produktionsbasis und der Arbeitsmodernisierung.

Chemische Industrie:

Die chemische Industrie gehört zu den sogenannten „fortschrittlichen Zweigen", das heißt, sie ist neben dem Maschinenbau und der Elektroenergiegewinnung für die Entwicklung der gesamten Volkswirtschaft von grundlegender Bedeutung. Es scheint nun, daß die Produktion von Chemiefasern während des Siebenjahrplanes einen starken Aufschwung genommen hat; bei einigen synthetischen Fasern hat sie sich verdreifacht. Sie konzentrierte sich auf die Arbeit in zwanzig Großbetrieben. Von weiteren zehn erst noch im Bau befindlichen Betrieben erwartet man eine merkliche Erhöhung der Produktion. Von 1958 bis 1965 hat sich der Anteil der Chemiefasern in der Bilanz der Textilrohstoffe um das l, 8fadie vergrößert. 1964 wurden 2 Mrd. m Stoffe mit Kunstfasern erzeugt. Der Anteil der Chemiefasern an den Rohstoffen der Textilindustrie stieg von 8 Prozent im Jahre 1958 auf 13, 6 Prozent im Jahre 1964 6).

Die Produktion von Plastik erhöhte sich von 258 000 t im Jahre 1958 auf 783 000 t im Jahre 1965, hat sich also verdreifacht. Die Produktion von Kunstharzen nahm in diesem Zeitraum um das Siebenfache zu. Konkrete Angaben über die Anzahl der Industriebetriebe für Plastik und Kunstharze liegen nicht vor. Bekannt ist lediglich, daß 55 Betriebe zur Erzeugung von Plastik und Kunstharzen sowie für die Verarbeitung von Plastik gebaut wurden oder sich in Bau befinden. Der Bedarf der Industrie wird aber dadurch keineswegs gedeckt, und außerdem spricht die sowjetische Fachpresse ganz offen von der minderen Qualität dieser Erzeugnisse. In der letzten Zeit bekamen eine Reihe wissenschaftlicher Forschungsinstitute den Auftrag, Kunststoffe mit neuen Eigenschaften zu entwickeln. Auch die Modernisierung der Technologie und die Ausrüstung dieser Betriebe aus eigener Kraft scheint nicht gelungen zu sein, daher zeigten denn auch die sowjetischen Außenhandelsinstanzen ein’ so großes Interesse, diese Ausrüstungen aus dem Westen einzuführen. Auch in einem dritten Produktionszweig der chemischen Industrie, bei der Erzeugung von Mineraldünger, sind gewisse Erfolge zu verzeichnen. Im Vergleich zu 1958 hat sich 1965 die Gesamtproduktion um das 2, 6fache vergrößert, wobei die Produktion von Stickstoffdüngemitteln sich verdreifacht, von Phosphordüngemitteln fast verdoppelt hat und von Kalidünger um das 2, 4fache angestiegen ist. Die Presse hob hervor, daß die sowjetische Düngemittelindustrie mit ihrer Erzeugung von über 30 Mill, t im Jahre 1965 rasch den Stand der amerikanischen von jährlich 35— 38 Mill, t einholen werde. Der Sowjetunion kommt für die Düngemittelproduktion eine fast unbegrenzt reiche Rohstoffbasis zustatten. Erst vor zwei, drei Jahren hat man sich daran gegeben, den vorhandenen Rückstand zu beheben. Eine neue Rohstoffbasis für Phosphordüngemittel wurde in Mittelasien und für Kalisalze in Belorußland erschlossen. Auch die bisher völlig vernachlässigte Produktion von Pflanzenschutzmitteln erfuhr während des Siebenjahrplanes einen starken Auftrieb. Während 1958 nur etwa 40 000 t chemischer Pflanzenschutzmittel produziert wurden, betrug die Erzeugung Ende 1965 ca. 200 000 t, das ist das Fünffache Trotz all dieser positiven Erscheinungen wurde das Soll des Siebenjahrplanes für das Wachstum der chemischen Industrie nicht erreicht. Die Sowjetunion bleibt auch weiterhin in großem Abstand hinter den führenden Industriestaaten. In der Erzeugung von Chemiefasern steht sie an fünfter Stelle in der Weltstatistik, von Plastik und Kunstharzen an sechster. Aus mancherlei Gründen ist auch die Effektivität der Kapitalinvestitionen in der chemischen Industrie sehr niedrig, und in den letzten Jahren während des Siebenjahrplans war sogar ein Rückgang der Produktion pro Rubel des Anlagevermögens der Betriebe (Produktionsgrundfonds) von 1, 11 Rubel 1960 auf 0, 93 Ru-bel 1965 festzustellen.

Der Hauptgrund für diese bedenkliche wirtschaftliche Entwicklung ist vor allem in der verzögerten Inbetriebnahme neuer Kapazitäten zu suchen. Die chemische Industrie ist in erster Linie ein Opfer der bereits chronisch mißlichen Zustände im Bausektor. Problematisch bleiben nach wie vor auch Rohstoffversorgung und die Ausbildung der Kader 8).

Maschinenbau und metallverarbeitende Industrie:

Auch im Maschinenbau und der metallverarbeitenden Industrie springt zunächst der Erfolg ins Auge. Hier war insgesamt ein Zuwachs von 240 Prozent gegenüber dem Stand von 1958 zu verzeichnen. Die Produktion von Instrumenten hat sich um 279 Prozent, die von Pumpen-Kompressoren, Ausrüstungen für die chemische Industrie und Kühlanlagen um 277 Prozent und von Erzeugnissen der elektrotechnischen Industrie um 248 Prozent erhöht. Wie bei allen Prozent-oder globalen Angaben ist bei der Auswertung der sowjetischen Statistik jedoch auch hier äußerste Vorsicht geboten. Das gilt nicht zuletzt für die Angaben über die Produktion von Werkzeugmaschinen, die für die technische Modernisierung der Industrie7 betriebe unentbehrlich sind. Schon in der Mitte des Siebenjahrplanes wurde nämlich bekannt, daß der Anteil der Werkzeugmaschinen, die schon über 20 Jahre in Gebrauch sind, durchschnittlich noch 21, 6 Prozent, in der Automobilindustrie sogar 30, 6 Prozent und im Transportmaschinenbau 26, 4 Prozent beträgt Das heißt nichts anderes, als daß die Frage einer raschen Auswechslung der Ausrüstung der Sowjetindustrie nach wie vor auf den Nägeln brennt. Erfahrungen haben gezeigt, daß 100 neue Werkzeugmaschinen — ohne Senkung der Produktionskapazität — 140 bis 145 veraltete Werkzeugmaschinen ersetzen können. Das bedeutet eine Einsparung von Betriebsausgaben zwischen 300 und 350 Millionen Ru-bel. Die Entwicklung in der Zeit von 1961 bis 1965 zeigt jedoch, daß die Maschinenbauindustrie offensichtlich die eigentlich notwendige Neuausrüstung nicht liefern konnte und deshalb die Bemühungen um die unerläßliche technische Neuausrüstung der Betriebe sich in erster Linie auf die Rekonstruierung bzw. Modernisierung der vorhandenen Werkzeugmaschinen richteten.

Andererseits wird in den Berichten über die Planerfüllung herausgestellt, daß die Pläne des Siebenjahrplanes im Bereich der Produktion von Werkzeugmaschinen übererfüllt wurden. Die Erzeugung von Maschinen für die Automatisierung überstieg sogar um 7 Prozent das Soll des Siebenjahrplanes. Die Herstellung von Rechenanlagen erhöhte sich während des Siebenjahrplanes um das Sechsfache.

In der zweiten Hälfte des Siebenjahrplanes begann die sowjetische Industrie erstmalig mit der Herstellung von kybernetischen Maschinen, Maschinen für moderne Rechen-und Regelungstechnik usw. Die ersten Arbeiten zur Schaffung vollautomatischer Leistungssysteme für ganze Produktionsbereiche wurden in An-griff genommen. Die Auswirkungen dieser Wandlungen für die Volkswirtschaft sind allerdings noch nicht spürbar

Papierund Zelluloseindustrie:

Auch die Situation in der Papier-und Zelluloseindustrie verdient noch etwas genauer betrachtet zu werden. Uber die wirtschaftliche Bedeutung der holzverarbeitenden Industrie erübrigt sich jedes Wort, ebenso wie über die schier unerschöpflichen Holzreserven der Sowjetunion. Sie steht in dieser Hinsicht an erster Stelle in der Welt. Während des Siebenjahrplanes wurden auf dem Gebiet der Holzverarbeitung beträchtliche Erfolge erzielt. Die Zellulosegewinnung zum Beispiel stieg von 2, 0 Mill, t im Jahre 1958 auf 3, 2 Mill, t im Jahre 1965. Das Hauptverdienst dieser Steigerung kommt dem Zellulose-Papierkombinat in Kotlas zu. Die Papier-und Kartonagenproduktion erhöhte sich im selben Zeitraum dank verschiedener Maßnahmen von 2, 2 auf 4, 4 Mill. t. Doch trotz dieser Verdoppelung hat die Holz-und holzverarbeitende Industrie ihre im Siebenjahrplan festgelegte Sollziffer nicht erreicht. Dafür gibt es zahlreiche Gründe. Nicht zuletzt spielte wie in anderen Industriezweigen auch hier das Versagen im Bauwesen, von dem Kossygin auf dem Septemberplenum 1965 des ZK der KPdSU gesprochen hatte, eine nicht zu unterschätzende Rolle. Während in den USA und einigen europäischen Ländern der Anteil an Holz pro eine Mill. Rubel für Bau-und Montagearbeiten nur etwa 1500 cbm ausmacht, beträgt er in der Sowjetunion noch 2300 cbm. Das zentrale Problem ist anscheinend jedoch an anderer Stelle zu suchen: Den sowjetischen Behörden ist es nicht gelungen, mit den traditionellen und veralteten Produktionsmethoden in der holzverarbeitenden Industrie zu brechen. Die Produktionssteigerung wurde nämlich nur mit extensiven Methoden erreicht, das heißt, die Holzabfuhr nahm ständig zu. Sowjetische Experten haben darauf hingewiesen, daß im Gegensatz dazu zum Beispiel in den USA auf diesem Gebiet die Entwicklung völlig anders verläuft, nämlich im Sinne einer Rationalisierung und Intensivierung, so daß bei einer gleichzeitigen Verringerung der Holzabfuhr von 380 Mill, cbm im Jahre 1947 auf 307 Mill, cbm im Jahre 1961 in den USA die Effektivität dieses Instriezweiges zugenommen hat, weil man zu einer erhöhten chemischen Bearbeitung des Holzes überging und beispielsweise die Herstellung von Holzfaserplatten mehr und mehr ausbaut. In der Sowjetunion werden nur 7 Prozent des Holzes mit chemischen und chemischmechanischen Mitteln bearbeitet und für die Zellulosegewinnung und Papiererzeugung verwandt, dagegen 40 Prozent in den USA, 50 Prozent in Finnland und Kanada, 55 Prozent in Schweden und 70 Prozent in Norwegen. Von 350 Mill, cbm Holz, das in der Sowjetunion zur Zeit jährlich geschlagen wird, entfallen 150 Mill, cbm auf Brennholz und Abfälle. Nur 7 Mill, cbm davon werden chemisch verarbeitet, der Rest wird unrationell verwertet, das heißt verbrannt, oder geht als Abfall verloren Die Holzindustrie leidet auch bis heute noch an der für bürokratische Wirtschaftsmethoden typischen Pseudospezialisierung. Anstatt die einzelnen Produktionsvorgänge sinnvoll zu koordinieren und zu zentralisieren, ist die Holzbearbeitung im ganzen Lande in einer Reihe von „Spezialbetrieben“ aufgesplittert, die unrationell arbeiten, am Waldbestand Raubbau treiben, ja ganze Waldgebiete vernichten, wie die sowjetische Presse in letzter Zeit immer wieder kritisch bemerkt. Beispielsweise werden in der Autonomen SSR Karelien sogar in den Wäldern der dritten Kategorie, das heißt in dem niedrigsten Holzbestand, jährlich mehr als vier Mill, cbm Holz geschlagen, während in den Urwaldgebieten eben dieser Republik im gleichen Zeitraum zehn Mill, cbm verderben. Merkwürdigerweise sind auch die Betriebe der holzverarbeitenden Industrie nicht etwa in den wichtigsten Waldzonen des Landes errichtet, sondern hauptsächlich in der sogenannten zweiten Zone und im europäischen Teil der Sowjetunion. Auch während des Siebenjahrplanes wurde in den nördlichen Rayons, in Sibirien und im Fernen Osten nichts unternommen, um die holzverarbeitende' Industrie dort anzusiedeln. Um hier zu rationalisieren, müßte zunächst ein Netz von Straßen und für die Holzabfuhr geeignete Wege angelegt werden. Doch aller Planung zum Trotz wurde in dieser Hinsicht kaum etwas getan. An der eigentlichen Zielsetzung des Siebenjahrplanes — einer Modernisierung der Arbeits-und Produktionsmethoden — ist auch im Bereich der Holz-und holzverarbeitenden Industrie die Entwicklung faktisch vorbeigegangen:

Elektroenergiegewinnung:

Für die Entwicklung und Modernisierung der Volkswirtschaft, wie es der Siebenjahrplan vorgesehen hat, ist die Elektroenergiegewinnung von grundlegender Bedeutung. Während des Siebenjahrplans hat sich die Stromerzeugung verdoppelt, während der letzten zehn Jahre — von 1955 bis 1965 — sogar verdreifacht. Die Zuwachsrate betrug in diesem Zeitraum 11, 8 Prozent, das heißt, sie war größer als die der gesamten Industrie. Der Anteil der Sowjetunion an der Weltenergieerzeugung stieg von 11 Prozent Ende Dezember 1955 auf 14, 4 Prozent im Jahre 1963. Zweifellos ist die Verdoppelung der Stromerzeugung während des Siebenjahrplanes eine eindrucksvolle Lei-stung, aber einschränkend muß doch gesagt werden, daß sie nicht nur für die Sowjetunion allein kennzeichnend ist Das wichtigste ist auch hier die Frage einer echten Rationalisierung und Modernisierung dieses Zweiges der Wirtschaft.

Auf dem Märzplenum des ZK der KPdSU von 1965 charakterisierte Breschnew mit folgenden Worten die Lage in der Elektroenergieversorgung, wie sie sich zum Abschluß des Siebenjahrplans darbot: „In den letzten Jahren wurden in unserem Land gigantische Elektrokraftwerke erbaut. Gleichzeitig hatten aber 12 Prozent der Kolchosen nicht einmal Strom für Beleuchtungszwecke. Die Landwirtschaft verbraucht nur 4 Prozent der im gesamten Lande gewonnenen Elektroenergie. Davon werden nur 2 Prozent für Produktionszwecke verwendet."

Auf dem Gebiete der Stromerzeugung gab es also in dem genannten Zeitraum keine umwälzenden Veränderungen. Die Versorgung der Landwirtschaft mit Strom erinnert nach wie vor an die Verhältnisse in einigen Entwicklungsländern, ganz zu schweigen von der Stromversorgung der Bevölkerung. Es ist nahezu unglaublich, daß in einem Industrieland wie der Sowjetunion laut offiziellen Angaben 70 Prozent der Landbevölkerung kein elektrisches Licht haben und noch Petroleumlampen brauchen. Man rechnet damit, daß 1970 Industrie und Bevölkerung besser mit Elektroenergie versorgt sind. Aber bis dahin muß nach eigenen Berechnungen die Stromerzeugung bis auf 1000 Mrd. kWh ansteigen, das heißt, sie muß sich während des kommenden Fünfjahrplanes — 1966 bis 1970 — mindestens noch einmal verdoppeln. Während des Siebenjahrplanes wurden gewisse organisatorische Maßnahmen getroffen, deren Bedeutung nicht unterschätzt werden sollte. Im europäischen Teil der Sowjetunion wurde ein einheitliches Energiesystem geschaffen, die Kraftwerke in Westsibirien wurden zusammengefaßt, und der Anteil der kleineren, unrationellen Kraftwerke an der Gesamtstromerzeugung hat auffallend abgenommen. 92 Prozent des Strombedarfs werden von zentralisierten großen Energiesystemen gedeckt. Das berührt kaum die Situation auf dem Lande, weil gerade dort die kleinen Kraftwerke und andere Energiequellen heute noch eine fast genauso große Rolle spielen wie zu Beginn des Siebenjahrplanes.

Produktionsmittel und Konsumgüter Um aus diesen Beispielen eine Bilanz des Siebenjahrplanes ziehen zu können, muß man sich vor Augen halten, wo er seinen Schwerpunkt hatte. Sicher hatte sich der Siebenjahrplan nicht auf quantitative Erfolge beschränkt, nicht darauf, die Bruttoproduktion, die meist mit extensiven Methoden erreicht wurde, zu erhöhen. Hauptziel war vielmehr die qualitative Veränderung der Produktionsbasis. Zum erstenmal wollte man nicht nur bestimmte Mengen produzieren, sondern Qualität und Zuverlässigkeit der Erzeugnisse sollten den Vorrang haben. Wissenschaftlicher Fortschritt und revolutionäre technische Neuerungen sollten in der gesamten industriellen Entwicklung ihren Niederschlag finden. Obgleich Parteiund Staatsführung verschiedentlich in dieser Richtung zu wirken versuchten, waren die Erfolge doch denkbar mager. Man braucht nur zwei Fragenkomplexe herausheben, deren Probleme nicht wie vorgesehen gelöst werden konnte: das strukturelle Mißverhältnis zwischen der Erzeugung von Produktionsmitteln und der von Konsumgütern besteht nach wie vor, und die rationelle Standortverteilung der Produktivkräfte bleibt auch weiterhin eine noch zu lösende Aufgabe.

Zu einer wichtigen Aufgabe des Siebenjahrplanes gehörten die Bemühungen, das seit Stalin bestehende Mißverhältnis zwischen der Entwicklung der Industrie der Gruppe A (Produktionsmittel) und der Industrie der Gruppe B (Konsumgüter) zu beheben, das heißt, das Verhältnis zwischen beiden zugunsten der Gruppe B zu ändern. In dem betrachteten Zeitraum schlugen alle dahin gehenden Maßnahmen völlig fehl. An der traditionellen Bevorzugung der Gruppe A, ohne Rücksicht auf die wirtschaftliche Zweckmäßigkeit, ganz zu schweigen von den Folgen für den Lebensstandard der Bevölkerung, hat sich nichts geändert. Auf dem Septemberplenum des ZK der KPdSU 1965 charakterisierte Kossygin diese Situation wie folgt: „Ein falsches Verhältnis ist zwischen der Entwicklung der Industrie der Gruppe A und der Industrie der Gruppe B entstanden. Seit einigen Jahren schon bleibt die Industrie der Gruppe B in ihrer Entwicklung zurück. Ein solches Zurückbleiben erklärt sich nicht nur daraus, daß in den Plänen selbst ein verringertes Wachstumstempo für die Industriezweige der Gruppe B vorgesehen war, sondern auch daraus, das selbst diese Planauflagen systematisch nicht erfüllt wurden." Das Zurückbleiben des Entwicklungstempos der Landwirtschaft und der Industrie der Gruppe B hat ein gewisses Mißverhältnis zwischen der Produktion von Bedarfsgütern und der Erzeugung von Produktionsmitteln geschaffen. Das mußte sich auch auf das Wachstumstempo der Realeinkünfte der Bevölkerung, auf das Niveau der materiellen Stimulierung auswirken.

Das stetig wachsende Mißverhältnis zwischen Gruppe A und B in den letzten Jahren geht aus folgenden Angaben hervor: Während in den Jahren 1951 bis 1955 das Entwicklungstempo der Gruppe A gegenüber der Gruppe B einen durchschnittlichen Vorsprung um das l, 15fache hatte, betrug er von 1956 bis 1960 das l, 33fache und in den letzten fünf Jahren, von 1961 bis 1965, sogar das l, 54fache. Außerdem setzten sich während des Siebenjahrplanes innerhalb der Gruppe A aber auch noch sehr bedenkliche Tendenzen durch, und zwar dahin gehend, daß die Herstellung von Maschinen und Ausrüstungen für die Leicht-und Lebensmittelindustrie ebenso wie für andere Zweige der Konsumgüterindustrie immer weiter hinter der Produktion von schwerindustrieller Ausrüstung zurückblieb 13). In den letzten Jahren des Siebenjahrplanes waren verschiedene Zweige der Leicht-und Lebensmittelindustrie einfach nicht mehr in der Lage, die anfallenden Rohstoffe zu verarbeiten. Hier wirkten sich die aus der Stalinzeit stammenden Richtlinien der Wirtschaftspolitik, die auch unter dem Siebenjahrplan nichts an Geltung eingebüßt haben, geradezu verhängnisvoll aus; ihre fatalen volkswirtschaftlichen und sozialen Folgen bekam die Bevölkerung deutlich zu spüren.

Auch das Streben nach einer rationelleren Standortverteilung der Produktivkräfte erlit In den letzten Jahren des Siebenjahrplanes waren verschiedene Zweige der Leicht-und Lebensmittelindustrie einfach nicht mehr in der Lage, die anfallenden Rohstoffe zu verarbeiten. Hier wirkten sich die aus der Stalinzeit stammenden Richtlinien der Wirtschaftspolitik, die auch unter dem Siebenjahrplan nichts an Geltung eingebüßt haben, geradezu verhängnisvoll aus; ihre fatalen volkswirtschaftlichen und sozialen Folgen bekam die Bevölkerung deutlich zu spüren.

Auch das Streben nach einer rationelleren Standortverteilung der Produktivkräfte erlitt ein klägliches Fiasko. 40 Prozent der an sich gewaltigen Investitionsmittel des Siebenjahrplanes waren für die Ostgebiete vorgesehen. Den sowjetischen Behörden gelang es aber — abgesehen von wenigen Einzelfällen — nicht, die Verlegung der Betriebe nach rationellen Gesichtspunkten gemäß dem Siebenjahrplan auch nur annähernd zu verwirklichen. Charakteristisch für die Investitionspolitik war auch während des Siebenjahrplanes die traditionelle Förderung der Industrie im Zentrum 13), nämlich in der Russischen Föderativen Sowjetrepublik, sowie in den traditionellen Industriezentren in der Ukraine und anderen Teilen des europäischen Teiles der Sowjetunion. Im Zentrum, dazu noch in den Großstädten, konzentrierten sich ca. 36 Prozent der gesamten sowjetischen Maschinenbauindustrie, mehr als 80 Prozent der Produktion von Baumwollstoffen, 78 Prozent der Baustoffindustrie und mehr als 10 Prozent der chemischen Industrie. Eine so unrationelle Verteilung der Industriebetriebe konnte unmöglich ohne schwerwiegende Folgen bleiben. Die Naturschätze des sowjetischen Ostens blieben — entgegen allen Plänen — weiterhin fast ungenutzt. Die Bemühungen, in den mittelasiatischen Republiken und östlichen Rayons der RSFSR die Wirtschaft komplex zu entwickeln, schlugen fehl.

Landwirtschaft Auf dem Märzplenum des ZK der KPdSU 1965 schilderte der erste Sekretär des ZK der KPdSU, L. I. Breshnew, die jüngste Situation in der Landwirtschaft wie folgt: „Nach dem festgesetzten Soll sollte die landwirtschaftliche Gesamtproduktion im Laufe des Siebenjahrplanes (1959— 1965) um 70 Prozent zunehmen. Der Zuwachs während der sechs Jahre betrug aber nur 10 Prozent. Während von 1955 bis 1959 die landwirtschaftliche Gesamtproduktion durchschnittlich einen Zuwachs von jährlich 7, 6 Prozent aufzuweisen hatte, betrug er während der letzten fünf Jahre pro Jahr nur 1, 9 Prozent. Die Ertragssteigerung bei den Grundkulturen verlangsamte sich. Während die Erträge der Grundkulturen von 1955 bis 1959 im Vergleich zu den vorangegangenen fünfJahren durchschnittlich um 1, 7 dz pro ha zugenommen hatten, nahmen sie von 1960 bis 1964 nur um 0, 8 dz zu. Eine ähnliche Entwicklung ist auch im Bereich der Viehzucht festzustellen. In den letzten fünf Jahren haben sich die Zuwachstempi bei Rindern im Vergleich zu den vorangegangenen fünf Jahren um die Hälfte verringert, der Schweine-, Schaf-und Geflügelbestand ist bedeutend zurückgegangen. Die Milcherträge in den Kolchosen und Sowchosen sind pro Kuh durchschnittlich um 370 kg zurückgegangen. Diese Angaben erlauben folgenden Schluß: Während bis 1959 ein auffallender Anstieg in der Landwirtschaft festzustellen war, stagnierte sie in der Folgezeit."

Abbildung 2

Prägnanter läßt sich die augenblickliche Lage in der Landwirtschaft kaum charakterisieren. Zwar hat sich 1965 bei einigen Kulturen wie Baumwolle, Zuckerrüben, Sonnenblumen etc. die Lage etwas gebessert, aber von irgendwelchen auch nur schwachen Anzeichen für eine tatsächliche Wendung in der Landwirtschaft ist nichts zu bemerken. Die Bruttoproduktion der Landwirtschaft im Jahre 1965 lag noch etwas unter der des Vorjahres

Die Anbaufläche für Getreidekulturen hat sich in der Berichtsperiode wie folgt verändert: 1958 betrug die Anbaufläche für Getreidekulturen ohne Mais, der im halbreifen Zustand geerntet wird, 121, 5 Mill, ha, im Jahre 1964 133 Mill. ha. Die Anbauflächen für Getreidekulturen zu Nahrungszwecken blieben auf dem Stand von 1958. Die Anbaufläche für Hülsenfrüchte nahm um 8, 5 Mill, ha zu, ob-wohl weniger Erbsen angebaut wurden. Daß sich die Getreideerträge zum Teil etwas erhöht haben, ist ausschließlich auf eine Ven größerung der Anbauflächen zurückzuführen. Bei Winterweizen ging der Ertrag zurück. Er belief sich 1958 auf 29, 5 Mill, t, 1964 waren es nur noch 26, 2 Mill. t.

Der Pro-Hektar-Ertrag bei Winterweizen sank von 16, 2 dz 1958 auf 13, 8 dz 1964. Das ist ziemlich ungewöhnlich, weil der W 2 dz 1958 auf 13, 8 dz 1964. Das ist ziemlich ungewöhnlich, weil der Winterweizen von jeher, besonders in der Ukraine, als die widerstandsfähigste und ergiebigste Weizensorte gilt. Als Ursache für diesen Rückgang wurden in den Zeitungen schlechte Witterungsverhältnisse angeführt, was nur zu einem geringen Teil den Tatsachen entspricht. Erst nach dem Sturz Chruschtschows wurden die wahren Zusammenhänge bekannt. Wie sich erwies, waren am allerwenigsten ungünstige Witterungsverhältnisse, sondern „bürokratische Idiotismen" 15) der Chruschtschow-Zeit an diesem ungeheuren Verlust schuld. Chruschtschow hatte bekanntlich eine Vorliebe für Mais, und darum mußte einfach überall Mais angebaut werden. Da dieser erst ziemlich spät im Herbst reif wird, verschob sich die Aussaat von Winterweizen mehr und mehr in die kältere Jahreszeit. Um noch weitere Verzögerungen zu vermeiden und noch etwas zu retten, verzichteten die Bauern darauf, die Felder ordnungsgemäß zu bearbeiten, zu düngen usw. Trotzdem konnte der Weizen von Einbruch der Kälte nicht mehr genügend anwachsen, um den Winter überstehen zu können 16). In den Anbaugebieten mußte auf großen Flächen der Winterweizen ein zweites Mal ausgesät werden. Während von 1947 bis 1952 auf einer Fläche von nur etwa 0, 8 Mill, ha, das sind 8 Prozent der gesamten Anbaufläche für Winterweizen, Saatgut verlorenging, war es von 1960 bis 1964 eine Fläche von 2, 8 Mill, ha bzw. 25 Prozent der gesamten Anbaufläche für Winterweizen.

Dies ist nur ein Beispiel für viele und zeigt, wie unsachgemäß in der Landwirtschaft verfahren wurde. Wiederholte Eingriffe der Partei während des Siebenjahrplanes gaben den Ausschlag für den anschließenden Mißerfolg in der Landwirtschaft. Zwar wurden mehr Zuckerrüben eingebracht, aber wiederum lediglich dank einer Erweiterung der Anbauflächen (1958 = 2, 5 Mill, ha, 1964 = 4, 1 Mill, ha). Dagegen lag die Ertragsfähigkeit in den ganzen sieben Jahren unter der von 1958 (1958 = 218 dz, 1964 z. B. 195 dz). Der An-bauertrag der Rohbaumwolle wurde ebenfalls mit extensiven Methoden gesteigert. Es scheint sich jedoch dort eine — wenn auch vorerst sehr schwache -— positive Tendenz bei den Pro-Hektar-Erträgen abzuzeichnen. 1957 betrug die Anbaufläche für Kartoffeln 9, 8 Mill, ha, im Jahre 1964 8, 5, das heißt, sie hat sich etwa um 1, 3 Mill, ha verkleinert. Die Ernteerträge während des Siebenjahrplanes waren aber etwa die gleichen wie in den vorausgehenden sieben Jahren, was nur durch eine Erhöhung der Fruchtbarkeit pro ha erreicht wurde

Die Situation in der Viehzucht hat sich noch im letzten Jahr des Siebenjahrplanes wesentlich verbessert, nachdem Chruschtschows Nachfolger einen neuen Kurs eingeschlagen und vor allem den privaten Nebenwirtschaften wieder größere Möglichkeiten eingeräumt ha-ben. Die staatlichen Erfassungen landwirtschaftlicher Erzeugnisse waren bedeutend größer als 1964, und der Viehbestand in allen Wirtschaftskategorien (Kolchosen, Sowchosen, Nebenwirtschaften) hat sich bedeutend erhöht. Doch vermochte das eine positive Jahr das Gesamtbild von den Verhältnissen in der Viehwirtschaft im abgelaufenen Siebenjahrplan im Grunde nicht mehr zu ändern. Fest steht, daß die Viehzucht nach wie vor einer der rückständigsten Zweige der Landwirtschaft ist.

Die Fleischproduktion wuchs von 1958 bis 1965 jährlich im Durchschnitt um 9 Mill. t. Doch handelt es sich keinesfalls um eine kontinuierliche Entwicklung. Im Jahre 1958 zum Beispiel waren es 7, 7 Mill, t, 1959 8, 9 Mill, t, 1960 8, 7 Mill, t, 1961 8, 7 Mill, t, 1962 9, 5 Mill, t, 1963 10, 2 und 1964 8, 3 Mill. t. Der Rekordertrag von 1963 darf nicht täuschen. Die erhebliche Erhöhung der Fleischproduktion kam dadurch zustande, daß Massenschlachtungen vorgenommen werden mußten, weil infolge der Mißernte von 1963 Futtermangel herrschte. Aber aus solchen Zahlenangaben allein läßt sich die Entwicklung in diesem Wirtschaftsbereich noch nicht zuverlässig ablesen, sondern erst aus der Effektivität. Und hier kommt wiederum die gleiche Schwäche der sowjetischen Wirtschaftspolitik zum Ausdruck. Der Milchertrag pro Kuh ist, wie bereits gesagt, während des Siebenjahrplanes zurückgegangen. Pro Schaf wurden 1964 durchschnittlich nur 2, 6 kg Wolle gegenüber 2, 7 kg im Jahre 1958 geschoren, über 30 Prozent der Rinder, Schafe und Ziegen, die dem Staat als Schlachtvieh verkauft wurden, hatten Untergewicht. Um die Pläne erfüllen zu können, waren Kol-chosen und Sowchosen gezwungen, mehr Vieh zu halten, als sie füttern konnten. Das begünstigte wiederum verschiedene negative Tendenzen. Nach den Berechnungen sowjetischer Agronomen waren die Futterreserven (in Futtereinheiten) pro Kuh im Jahre 1965 gegenüber 1962 und 1963 etwas gestiegen. Sie waren aber geringer als 1958 und deckten nur ungefähr 80 Prozent des Bedarfs. Das Viehsterben nahm daher bedenkliche Ausmaße an. In manchen Jahren gingen 5 Prozent des gesamten Rindviehbestandes, 14 Prozent der Schweine und 8 Prozent der Schafe und Ziegen ein. Auch die Fruchtbarkeit der Muttertiere ging gerade gegen Ende des Siebenjahrplanes zurück. Während 1958 auf hundert Kühe 88 Kälber kamen, waren es 1964 nur 77. Ähnlich war die Entwicklung bei Mutterschafen — 87 im Jahre 1958, nur noch 76 im Jahre 1964. Auf 100 Mutterschweine entfielen 1958 noch 1377 Ferkel, 1964 waren es nur 1311 18). Auf dem Märzplenum des ZK Auf dem Märzplenum des ZK der KPdSU 1965 faßte Breshnew die Ursachen dieser Zustände in der Landwirtschaft wie folgt zusammen: Die ökonomischen Gesetze wurden entweder ungenügend berücksichtigt oder völlig ignoriert. Planung, Preisbildung, Finanzierung und Kreditwesen standen im Zeichen des Voluntarismus 18).

Durch die niedrigen Einkaufspreise, die in vie-len Fällen noch nicht einmal die Gestehungskosten deckten, erlitten Kolchosen und Sow-chosen große Verluste. Der Staat stellte der Landwirtschaft nicht genügend Mittel zur Verfügung. Von 1954 bis 1958 betrug der Anteil der Landwirtschaft an staatlichen Investitionsmitteln insgesamt 11, 3 Prozent. Während des Siebenjahrplanes sank dieser Anteil im Durchschnitt auf 7, 5 Prozent. Die Regierung hat sehr wenig für die Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit getan. Die schablonenhaften Maßnahmen verletzten nicht selten die biologischen Gesetze und brachten Schaden. Die Eigenarten der verschiedenen geographischen Zonen blieben meist unberücksichtigt.

Aus Äußerungen der Sowjetführer selbst geht hervor, daß man am Ende des Siebenjahrplanes in allen landwirtschaftlichen Fragen immer noch auf der Stelle trat. Auf dem Märzplenum des ZK der KPdSU 1965 wurden fast die gleichen Probleme, die 1958 zur Debatte gestanden hatten, wieder diskutiert, und man sah sich neuerdings vor die gleichen Aufgaben gestellt. Immerhin dürfte die sowjetische Führung aus den Vorgängen in der Landwirtschaft doch einiges gelernt haben. Zunächst wurde mit dem Mythos der Sowchose aufgeräumt, die nach doktrinären sowjetischen Vorstellungen als „die höchste sozialistische Eigentumsform" auf dem Lande gepriesen wurde. In den sowjetischen Zeitungen und Zeitschriften erschienen nach dem Sturz Chruschtschows zahlreiche kritische Artikel zu diesem Thema, die auch von Sowchosdirektoren unterstützt wurden. Die unter Chruschtschow verbreitete These, die Staatsgüter produzierten billiger als die Kolchosen, wurde als falsch entlarvt. Besonders aufschlußreich in dieser Hinsicht ist ein Artikel des ersten Gebietsparteisekretärs des Tatarischen Autonomen Gebiets, Tabejew, aus dem hervorging, daß die Staatsgüter nur für einen Teil ihrer Kosten aufkommen, während der Staat den restlichen Teil der Kosten trägt. Nach Tabejews Berechnungen decken diese staatlichen Finanzierungen gerade jeweils die Unterschiede zwischen den Gestehungskosten der Sowchosen und Kolchosen In der zweiten Hälfte des Siebenjahrplanes erfuhren die privaten Nebenwirtschaften faktisch eine Aufwertung. Auch unter Chruschtschow wurde noch die These propagiert, die privaten Nebenwirtschaften der Kolchosbauern, Sowchosarbeiter und -angestellten förderten nur die „Kulakeninstinkte" und eine entsprechende Mentalität. Daher wurden die privaten Nebenwirtschaften von verschiedenen Einschränkungsmaßnahmen betroffen. Nach Chruschtschows Sturz war es einer der ersten Schritte der sowjetischen Führung, all diese Einschränkungen aufzuheben. 1963 be-trug der Anteil der Nebenwirtschaften an der gesamten landwirtschaftlichen Produktion 34, 2 Prozent, davon 23, 8 Prozent im Pflanzenanbau (Gemüse, Kartoffeln usw.) und 45, 6 Prozent in der Viehzucht. 1964 stammten 30 Prozent des Fleisch-und 4 Prozent des gesamten Milchaufkommens in der Sowjetunion aus dem Ertrag der Nebenwirtschaften.

In zahlreichen Artikeln haben sowjetische Wirtschaftsspezialisten ausgeführt, daß im Grunde genommen die Nebenwirtschaften keinesfalls in erster Linie für den Markt produzierten, sondern hauptsächlich die wichtigste Ernährungsquelle für die in diesen Höfen arbeitenden Familien seien. Nur durch intensive Arbeitsmethoden seien diese so beachtlichen Erträge erzielt worden, und zwar auf einer Bodenfläche von nur etwas über 8 Mill, ha, denen 282, 5 Mill, ha Nutzfläche in staatlichem Besitz und 750 Mill, ha in Kolchosenbesitz gegenüberstehen!

Zur Erläuterung noch ein kleiner Exkurs über die Nebenwirtschaften. In der Sowjetunion herrscht die staatliche und sogenannte genossenschaftliche Besitzform vor. Aber die Verfassung und verschiedene Gesetze gestatten jedem Sowjetbürger, eine private Nebenwirtschaft zu besitzen, unter der Voraussetzung, daß sie sich nur auf eigene Arbeit stützt und jede Ausbeutung anderer Arbeitskräfte ausgeschlossen ist. Auf dieser Basis teilen die Kolchosen ihren Mitgliedern ein kleines Stüde Nutzfläche zu, aber auch Arbeiter und Angestellte, die auf dem Lande leben, sind berechtigt, ein Stück Land aus staatlichem Eigentum zur persönlichen Nutzung zu haben und dort Vieh und Geflügel zu halten. Eine besondere Form der Nebenwirtschaften bilden die sogenannten kollektiven Gärten und Gemüsefelder der Arbeiter und Angestellten, die in kleineren Städten oder Siedlungen wohnen. Sie werden „kollektiv" genannt, weil nur diese Form unter Chruschtschow von der Partei gefördert wurde. In Wirklichkeit aber sind sie jeweils im „Besitz" bestimmter Familien und werden auch nur von diesen bearbeitet. Die einzigen Bedenken, die die Partei zur Zeit gegen die Nebenwirtschaften vorzubringen hat, sind sozialer Natur: Es arbeiten dort fast 20 Prozent der arbeitsfähigen Bevölkerung. In den östlichen Rayons ist dieser Prozentsatz noch höher.

Die sowjetische Führung hat noch eine andere wichtige Lehre aus der Entwicklung der Landwirtschaft im Berichtszeitraum gezogen: Die Vorstellung, daß die Parteifunktionäre auch alle in Industrie und Landwirtschaft auftauchenden Fragen lösen könnten (ein Lieblingsgedanke Chruschtschows, der zu der inzwischen wieder rückgängig gemachten Parteireform geführt hatte), wurde fallengeiassen. Bei den unteren Parteiarbeitern in der Provinz und auf dem Lande freilich hat das Prinzip der Nichteinmischung in die interne Arbeit der Kolchose usw. noch nicht richtig Fuß fassen können, doch der fortschrittliche Teil dieser Funktionäre sucht nach einer Formel — immer im Rahmen der in der Sowjetunion geltenden Prinzipien, Richtlinien und Ziele der Wirtschaftspolitik —, die es erlaubt, die Stellung des einzelnen Menschen in der Produktion und im gesellschaftlichen Leben anzuheben, seine Initiative und sein Verantwortungsgefühl zu fördern und zu stärken. Einige dieser Leute schlagen vor, zum echten Genossenschaftsprinzip zurückzukehren. Andere gehen noch entschieden weiter. Unter Berufung auf Lenin erklären sie, daß es nicht mehr angehe, im Kolchosbauern bloß einen Arbeiter zu se-hen; er müsse als eine an der gesamten landwirtschaftlichen Entwicklung interessierte Persönlichkeit betrachtet werden. Ferner stellen diese Funktionäre — immer unter Berufung auf Lenin — die These auf, daß gerade durch die landwirtschaftlichen Genossenschaften die Lohnarbeit auf dem Lande abgeschafft werden sollte. „Warum? Weil die Kooperativen, ne-ben vielen anderen Möglichkeiten, jedem Mitglied nicht nur eine Beteiligung an der Produktion, sondern auch an der Verteilung in organischer Weise sichern." Die Komsomolskaja prawda schrieb, daß nach Marx und Lenin der Tagelohn die niedrigste Stufe der Entlohnung sei und der Sklavenarbeit am nächsten komme und daß nur eine „assoziierte" Arbeit, bei der der Arbeiter ein bestimmtes Mitbestimmungsrecht habe, den echt sozialistischen Interessen entspreche 20).

Noch manche andere Folgerungen haben die sowjetischen Führer aus der gegenwärtigen Lage gezogen. Auf dem Märzplenum des ZK der KPdSU 1965 kam die Erkenntnis zum Ausdruck, daß die Landwirtschaft kein Wirtschaftszweig ist, den der Staat einfach nur ausbeuten könne, vielmehr müsse sie, ähnlich wie in allen modernen Staaten, beträchtlich subventioniert werden.

Die in der Stalin-Ära entstandene These „Industrialisierung auf Kosten der Landwirtschaft" war auch während des Siebenjahrplanes Richtschnur der Landwirtschaftspolitik. Das ist aus der schon oben behandelten Investitionspolitik klar zu ersehen. Auch die Tendenz, die Lieferungen technischer Hilfsmittel an die Landwirtschaft zu kürzen, war „eingeplant".

Während im Jahre 1957 die Landwirtschaft Lieferungen landwirtschaftlicher Maschinen und anderer Ausrüstungen im Werte von 948 Mill. Rubel erhielt, belief sich der Wert dieser Lieferungen in den Jahren 1959— 1961 nur auf 650— 670 Mill. Rubel jährlich Bereits unter Chruschtschow hatten die sowjetischen Führer eingesehen, daß die Landwirtschaftspolitik einem volkswirtschaftlich schädlichen Trend folgte. Diese Einsicht kam allerdings ziemlich spät, nämlich erst ungefähr 24 Mo-nate vor Ablauf des Siebenjahrplanes. Eine wirkliche Wendung in dieser Hinsicht brachte erst das Märzplenum des ZK der KPdSU 1965.

Abschließend noch ein Wort über eine weitere Lehre, die der Siebenjahrplan den sowjetischen Führern erteilt hat. Chruschtschow hatte seinerzeit, ungeachtet der ständigen Mißerfolge und weniger aus wirtschaftlichen als vielmehr aus Prestigegründen, das Neuland-Projekt in Kasachstan zum A und O der sowjetischen Landwirtschaftspolitik erhoben. Auf dem Märzplenum konnten seine Nachfolger zwar dieses Projekt nicht mehr rückgängig machen, aber es erhielt zunächst doch einmal einen anderen Stellenwert im gesamten Komplex der Landwirtschaftspolitik, und außerdem wurden neue Richtlinien für den Übergang zu einer vernünftigeren und intensiveren Mischwirtschaft erlassen.

Doch alle diese Lehren, die die sowjetischen Führer aus den Mißerfolgen einer falsch angelegten Landwirtschaftspolitik zogen, kamen zu spät, um die Resultate des Siebenjahrplanes auf landwirtschaftlichem Gebiet noch spürbar verbessern zu können.

Das Bauwesen

Abbildung 3

Fatale Folgen für die gesamte industrielle Entwicklung in der Zeit des Siebenjahrplanes hatten — wie schon erwähnt — die Mißstände im Bauwesen. Nach offiziellen Angaben wurden in diesem Zeitraum 5500 größere Industriebetriebe erbaut und in Betrieb genommen. Im Vergleich zu den vorausgehenden sieben Jahren wurden von 1959 bis 1965 doppelt so viele Turbinenelektrokraftwerke und Kapazitäten für die Produktion von Stahl und Zement in Betrieb genommen, 3, 9mal soviele Kapazitäten für die Produktion von Chemiefasern, 2, 8mal mehr für die Eisenerzgewinnung und 2, 4mal mehr Spindeln; die Elektrifizierung von Eisenbahnstrecken wurde um 250 Prozent vermehrt. Gewisse Erfolge sind auch in den Bau30)

Investitionen in der Erdöl-und Gasindustrie zu verzeichnen. Bekannt sind die Erdölleitungen von Buchara zum Ural, „Drushba" (Freundschaft) benannt. Während des Siebenjahrplanes wurde für 270 Mrd. Rubel neues Anlagevermögen (Grundfonds) in Betrieb genommen.

Unter den 5500 neuen Betrieben befinden sich Giganten wie das Wasserkraftwerk Bratsk, die metallurgischen Kombinate in Westsibirien und Karaganda, das Kombinat für die Aufbereitung von Erzen Sokol-Sarbaj und ein Betrieb für die Herstellung von synthetischem Kautschuk in Kuibyschew.

Ferner konnten 560 Mill, qm Wohnfläche zur Benutzung übergeben werden — zweifellos eine beachtliche Leistung, denn sie kommt im Vergleich zu den sieben vorangegangenen Jahren einer Verdoppelung gleich

Diese Angaben, die der Vorsitzende des Staatskomitees für das Bauwesen der UdSSR, I. T. Nowikow, vor kurzem machte, spiegeln aber keinesfalls die wahren Zustände auf dem Gebiet der Bauinvestitionen wider. Außerdem stehen sie auch noch im Widerspruch zu all dem, was die sowjetischen Führer inzwischen über die Mängel im Bauwesen gesagt haben. Auch hier erweist sich wieder einmal, wie das Operieren mit den Bruttoziffern und die Prozentvergleiche mit den vorangehenden Zeitabschnitten über die Grundprobleme des jeweiligen Wirtschaftsbereiches hinwegtäuschen. Auf dem Septemberplenum des ZK der KPdSU 1965 bezeichnete Kossygin die Nichterfüllung der Pläne bei der Inbetriebnahme von Produktionskapazitäten als die schwerwiegendste negative Erscheinung in der sowjetischen Volkswirtschaft. Das erläuterte er wie folgt: „Die Termine für die Inbetriebnahme von Produktionskapazitäten werden verzögert. Die Kosten der in Betrieb zu nehmenden Werke erhöhen sich, und große staatliche Mittel werden eingefroren. Unter den gegenwärtigen Bedingungen, da sich die Technik in raschem Tempo entwickelt, führt der langsame Aufbau mancher Betriebe dazu, daß die Ausrüstungen in technischer Hinsicht nicht selten schon vor ihrer Inbetriebnahme veralten."

Da die Planaufgaben für das Bauwesen in dilettantischer Manier gestellt waren, entwickelte sich im Bauwesen bereits in den ersten zwei bis drei Jahren eine bedrohliche Krise. Auf dem XXII. Parteitag (1961) gab Chruschtschow darüber folgende Tatsachen bekannt: „Im Lande gibt es heute über 100 000 Baustellen, von denen die Hälfte für Produktionszwecke bestimmt ist. . . Die materiellen und finanziellen Ressourcen werden zersplittert und eine Reihe von Produktionsstätten werden zwei bis drei Jahre später in Betrieb genommen, als es die technischen Möglichkeiten gestatteten." Man nahm daraufhin zu drastischen Maßnahmen Zuflucht. Ein Baustopp wurde angekündigt. Ab 1962 durften nur noch solche Betriebe gebaut werden, die auf einer Präferenzliste angeführt waren. Fieberhaft ging man daran, auch die organisatorische Seite des Bausektors neu zu gestalten. Bereits auf dem Novemberplenum 1962 hat Chruschtschow vorgeschlagen, die Bauorganisationen aus dem Kompetenzbereich der Volkswirtschaftsräte herauszunehmen und in einen vertikal, das heißt durch ein unionsrepublikanisches Organ, das Staatskomitee für Bauwesen — Gostroj —, geleiteten Bereich umzuwandeln. So korrigierte Chruschtschow selbst seine eigene Reform der Leitung des Industrie-und Bauwesens von 1957. Diese äußerst komplizierte organisatorische Maßnahme war aber — und nicht allein sie — von dem primitiven Glauben an die Zauberkraft der Apparate getragen. Schon ein Jahr später konnte man der sowjetischen Presse entnehmen, daß diese Reform kaum etwas zur rationellen Umdisponierung der Investitionsmittel und zur verbesserten Tätigkeit der Bauorganisationen beigetragen hatte. Ein zuständiger Beamter des Staatskomitees für Bauwesen berichtete beispielsweise Mitte 1963, daß die Investitionsmittel wie bisher zersplittert würden und daß eine Reihe der wichtigsten Bauvorhaben des Siebenjahrplanes, vor allem in der Schwerindustrie, daher gefährdet seien.

Als man die Liste der besonders wichtigen Objekte aufstellte, verfiel man wieder in die gleichen bürokratischen Fehler wie in der Vergangenheit. Im damaligen Volkswirtschaftsrat Mittelasien zum Beispiel befanden sich auf dieser Liste 170 Objekte, für die die Behörden auch schon 27, 3 Mill. Rubel angesetzt hatten. Da aber weder die notwendigen technischen Voraussetzungen noch Grundstücke vorhanden waren, wurde auf diese Weise eine beträchtliche Summe eingefroren

Dieser circulus vitiosus der bürokratischen Fehler nahm auf dem Gebiet des Bauwesens schließlich krasse Formen an. Die negativen Tendenzen verstärkten sich nach der Reform des Bauwesens von 1962 eher noch, und erst in den letzten zwei Jahren des Siebenjahrplanes verbesserte sich durch eine Reihe neuer ökonomischer Maßnahmen die Situation ein wenig. Wie das endgültige Ergebnis des Siebenjahrplanes im Bauwesen aussah, werden wir wahrscheinlich nicht erfahren. Bemerkt werden muß noch, daß während des Siebenjahrplanes auch eine andere chronisch krankhafte Erscheinung im Bauwesen, nämlich die Mängel in der material-technischen Versorgung, nicht behoben wurden. Die sowjetischen Fachzeitschriften berichteten laufend, daß beträchtliche Mengen von Material, Baumaschinen und Fahrzeugen zu wenig und zu spät geliefert wurden. Unbestreitbar hat sich der Lebensstandard der sowjetischen Bevölkerung grundlegend gebessert. Vergleicht man die jetzige Lage mit dem Stand zur Zeit Stalins, so ist der Unterschied tatsächlich augenfällig. Trotzdem verbietet es die besondere Situation in der Sowjetunion, in dieser Hinsicht Vergleiche mit dem Lebensstandard der Bevölkerung in den hochentwickelten Industriestaaten des Westens anzustellen. Schon der bis jetzt gegebene Überblick über die Lage in den verschiedenen Wirtschaftszweigen legt die Annahme nahe, daß die verschiedenen dort aufgetretenen Störungen sich unmittelbar auf den Lebensstandard der Bevölkerung auswirken. Tatsächlich waren auch die degressiven Tendenzen in einzelnen Bereichen so stark, daß von einer harmonischen Entwicklung des Lebensstandards in der Zeit des Siebenjahrplans keine Rede sein dürfte.

Zunächst einige Worte, die die Entwicklung des Lebensstandards und der Sozialpolitik im genannten Zeitraum darstellen.

Auf dem Septemberplenum des ZK der KPdSU 1965 erklärte Kossygin: „Die Arbeitszeit wurde verkürzt, der durchschnittliche Arbeitslohn ist gestiegen, die Lohnsteuern für einen bedeutenden Teil der Arbeiter und Angestellten wurden abgeschafft oder gesenkt, für die Kolchosbauern wurde eine Rentenversorgung eingeführt. Wesentlich erweitert wurde das Sortiment der Waren auf dem Binnenmarkt; die Versorgung der Bevölkerung mit vielen Gebrauchsgütern hat sich verbessert. In großem Maßstab wird der Wohnungsbau betrieben."

In seiner Novemberrede anläßlich der Feiern zum Jahrestag der Oktoberrevolution erklärte Poljanskij, das Nationaleinkommen der Sowjetunion habe sich in den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt und dadurch habe auch das Realeinkommen der Bevölkerung zugenommen. Die Geldeinkünfte der Sowjetbürger nähmen ständig zu, die Konsumgüterproduktion steige, der Verkauf von Lebensmitteln habe sich gegenüber der Vorkriegszeit mehr als verdreifacht und sei im Laufe des Siebenjahrplanes um mehr als 50 Prozent gewachsen. Das Ansteigen der Kaufkraft der Bevölkerung werde auch durch die Lohn-und Gehaltserhöhungen für die Angehörigen des Bildungs-und Gesundheitswesens, des Handels und anderer Wirtschaftszweige, die der Bevölkerung unmittelbar dienen, gefördert. Ferner spiele eine nicht unbeträchtliche Rolle die ständige Erhöhung der sogenannten gesellschaftlichen Fonds, aus denen das Gesundheitswesen, der Unterhalt von Kinderkrippen und Kindergärten, der Aufenthalt von Arbeitern in Erholungsheimen und Sanatorien, die Rentenzahlungen, Beihilfen etc. finanziert werden. Sie beliefen sich 1965 auf 41 Mrd. Rubel. Nach den Angaben Poljanskijs sind das etwa 400 Rubel pro Kopf der Berufstätigen

Aber selbst Kossygin mußte zugeben, daß das bereits erwähnte Mißverhältnis zwischen Gruppe A und Gruppe B der Industrieproduktion sich hauptsächlich „auf das Wachstumstempo der Realeinkünfte der Bevölkerung auswirken mußte". Er gab auch zu, daß „ein gewisser Rückgang des Nationaleinkommens" erfolgte. Vom Nationaleinkommen gerade hängt aber die Erhöhung des Lebensstandards ab. Das Mißverhältnis zwischen Gruppe A und B sowie die Mißstände in der Landwirtschaft und der chemischen Industrie wirkten sich empfindlich auf das Versorgungssystem der Bevölkerung aus. Da die Störungen vor allem in der Versorgung mit Grundnahrungsmitteln auftraten, führten sie zu einer Umdisponierung des verfügbaren Lohnes der Sowjetbürger. Das ist ein weiterer Beweis dafür, daß eine rein formale quantitative Betrachtung der Veränderungen des Realeinkommens über den tatsächlichen Lebensstandard der Bevölkerung noch nichts aussagt. Aus den offiziellen Angaben ist zu entneh-men, daß im staatlichen und genossenschaftlichen Handelsnetz ungefähr seit 1962 der Absatz bei verschiedenen Waren rückläufig war, sogar bei so lebenswichtigen Erzeugnissen des täglichen Bedarfs wie Fleisch, Geflügel, Zucker, Mehl, Teigwaren, Baumwollstoffen, Woll-und Seidenstoffen, Schuhen, Petroleum. Trotz der beträchtlichen Weizenkäufe im Westen gelang es den sowjetischen Behörden nicht, den Mehlbedarf der Bevölkerung zu decken. 1962 belief sich im Staats-und Genossenschaftshandel der Absatz von Mehl (einschließlich Getreide für Ernährungszwecke) auf 1644 Mill. Rubel, 1964 waren es nur noch 1200 Mill. Rubel. Besonders stark ging der Mehlabsatz des Genossenschaftshandels zurück, wie aus folgender Zahlenreihe hervorgeht: 1959 = 526, 2; 1960 = 436, 9; 1961 = 335, 1; 1962 = 245, 6 (in tausend Tonnen). Auch bei Stoffen und Bekleidung war ein starker Rückgang des Absatzes zu registrieren und schließlich noch bei einer so wichtigen Warenkategorie wie Baustoffen

Aus dem Bericht der Statistischen Zentralverwaltung über die Erfüllung des Planes für die Volkswirtschaft für 1965 geht hervor, daß auch in diesem Jahr die Versorgungsstörungen bei den Grundlebensmitteln anhielten. Bei Kartoffeln trat zum Beispiel im staatlichen und im Genossenschaftshandelsnetz ein Absatzrückgang im Vergleich zu 1964 ein, bei Pflanzenfetten blieb der Absatz auf dem Stand von 1964, bei Getreideerzeugnissen nahm er nur um 1 Prozent zu, bei Fischprodukten nur um 4 Prozent, bei Butter und Zucker um 5 Prozent, bei Konditoreiwaren blieb er auf dem Stand von 1964. Selbstverständlich kann man nicht von einer Notlage in der Lebensmittelversorgung sprechen, aber das Gesagte läßt doch auf eine angespannte Situation schließen. Für den Sowjetbürger bedeutet dies eine große finanzielle Belastung, denn er muß seinen Bedarf auf den Kolchosmärkten decken, deren Preise sich nach Angebot und Nachfrage bil-den und daher höher liegen.

Im Jahre 1962 wurden die Preise für Fleischund Fleischerzeugnisse um 30 Prozent erhöht. Das belastet, da es sich um ein Grundnahrungsmittel handelte, das Budget der Sowjetbürger ganz empfindlich. Während des Siebenjahrplanes kam es in einigen Städten zu vorübergehenden Störungen in der Brot-und Fleischversorgung, die Unruhen auslösten und die nach einigen Pressemeldungen sogar zu blutigen Auseinandersetzungen zwischen Bevölkerung und Miliz führten. Andererseits bestätigten zahlreiche Touristen, daß im all-gemeinen das Warenangebot auf den Kolchosmärkten kontinuierlich sehr hoch war und die Bevölkerung — zu Überpreisen allerdings — relativ große Mengen von Nahrungsmitteln erwerben konnte. Die degressiven Tendenzen im Versorgungssystem der Bevölkerung verstärkten sich noch dadurch, daß die Zahl der Sowjetbürger, die völlig von der Staatsversorgung abhängig sind, ständig zunimmt. Auch demographische Momente spielen dabei eine wichtige Rolle. Nach der Volkszählung von 1959 betrug die Bevölkerung der Sowjetunion 208, 8 Millionen, am 1. Januar 1966 232 Millionen (Schätzung), das bedeutet also ein Zuwachs von 23, 2 Millionen. Im gleichen Zeitraum wuchs die städtische Bevölkerung von 100, 0 auf 121, 6 Millionen. Alles spricht dafür, daß die durch den Zweiten Weltkrieg verursachten Störungen überwunden sind. Die natürliche Zuwachsrate vergrößert sich ständig.

Die negativen Tendenzen in der Versorgung fanden ihren Ausdruck in einigen neuen Erscheinungen, die in der Berichtszeit auftraten und unter Umständen völlig mißdeutet werden könnten. Dazu zählt zum Beispiel der von sowjetischen Quellen besonders stark betonte steigende Absatz an Luxusartikeln wie Fernsehapparaten, teuren Radiogeräten, Kühlschränken, Waschmaschinen usw. Das bedeutet — wie schon aus den erwähnten Störungen bei der Versorgung mit Grundnahrungsmitteln zu schließen ist — keineswegs, daß es sich um eine natürliche, dem harmonischen Wachstum des Wohlstandes der Bevölkerung entsprechende Umstrukturierung des Warenumsatzes handelt.

Auch das ungewöhnlich starke Anwachsen der Spareinlagen könnte zu irrigen Schlußfolgerungen verleiten. Während sie im Jahre 1958 8, 7 Mrd. Rubel betrugen, waren sie 1964 bereits auf 15, 7 Mrd. Rubel angewachsen. Interessant sind die Hintergründe dieses Phänomens. Es beweist nur, daß nicht nur die Lebensmittelversorgung sehr schlecht war, sondern daß auch Auswahl und Qualität der von der Leicht-und Konsumgüterindustrie angebotenen Waren weder den Bedürfnissen noch dem Geschmack des Sowjetmenschen entsprachen. Wie wäre es sonst zu verstehen, daß sich in den Geschäften riesige Mengen von Ladenhütern stapelten, deren ursprünglicher Verkaufswert nach Angaben von Professor Agabegjan die astronomische Höhe von fast 3 Mrd. Rubel erreichte. Alle Versuche der Regierung, diese Waren doch noch an den Mann zu bringen, schlugen fehl. Die sowjetischen Zeitschriften ergingen sich in Analysen dieses Phänomens, in denen die Zusammenhänge zwischen den wachsenden Sparguthaben einerseits und den wachsenden Mengen schwer absetzbarer Waren andererseits untersucht wurden 26). Die Bevölkerung wollte einfach ihr Geld nicht für minderwertige Waren ausgeben. Ein Teil der Sowjetbürger entschloß sich zum Kauf von Luxuswaren, der größte Teil beschloß zu sparen und bessere Zeiten abzuwarten.

Wie oben schon erwähnt, wurden noch in den letzten Monaten der Chruschtschow-Ära die Kolchosbauern in das staatliche Versicherungssystem ausgenommen. Diese Regelung betraf 1965 8 Millionen Personen. In diesem Jahr stieg der durchschnittliche Monatsverdienst von Arbeitern und Angestellten von 90 Rubeln (1964) auf 95 Ru-bel, das heißt um 5, 8 Prozent. Bemerkenswert sind die Lohnerhöhungen für die Angestellten im öffentlichen Dienst. Diese Maßnahme wurde zwar bereits 1964 beschlossen, aber nur stufenweise verwirklicht. Die Löhne der in der Volksbildung Beschäftigten stiegen durchschnittlich um Prozent, die im Gesundheitswesen um 24 Prozent, die im kommunalen Wohnwesen um 15 Prozent und die im Handel und in der öffentlichen Nahrungsmittelversorgung um 19 Prozent. Man kann also sagen, daß die sowjetische Führung erst in der Schlußphase des Siebenjahresplanes versuchte, die sozialen Probleme ernsthaft in An-griff zu nehmen. Aus dem Gesagten ergibt sich jedoch auch, daß die degressiven Tendenzen im Lebensstandard der Bevölkerung nicht allein mit dem Nominallohn Zusammenhängen, sondern tiefere — systembedingte — Ursachen haben.

Für die Bevölkerung machten sich die Fol-gen zahlreicher administrativer Fehler besonders unangenehm bemerkbar. Wir den-ken dabei nicht nur an die Schwerfälligkeit der verschiedensten Behörden, sondern vor allem an viele unüberlegte Beschlüsse. Einige Beispiele mögen dies näher beleuchten. Als der Siebenjahrplan bekanntgegeben wurde, bezeichnete man es als selbstverständlich, daß nun auch das flache Land durchgehend mit Elektrizität versorgt werde. Sozusagen ein erster Schritt in dieser Richtung waren die Beschlüsse der Planbehörde, zunächst Zylinder für die Petroleumlampen und kurz darauf die Petroleumlampen selbst aus der Produktion zu ziehen. Da 70 Prozent der Landbevölkerung jedoch selbst am Ende des Siebenjahrplans noch keinen Strom hatten und Petroleumlampen benutzen mußten, herrschte auf dem Lande anstatt des von Chruschtschow prophe26 Zeiten elektrischen Lichtes erst recht tiefe Dunkelheit

Während des Siebenjahrplanes bis zu Chruschtschows Sturz galt eben das alte Leitmotiv aus der Stalinzeit, es sei wichtiger, Direktiven zu befolgen als selbständig zu denken. Wenn zum Beispiel Bauorganisationen in waldreichen Gegenden den Auftrag erhielten, Vieh-und Schweineställe aus Eisenbetonfertigteilen zu bauen, dann weigerten sie sich, das billige, an Ort und Stelle vorhandene Holz zu verwenden und warteten geduldig auf das Eintreffen des vorgeschriebenen „modernen“ Baumaterials

Dadurch wurde die Fertigstellung der Bauten zeitlich hinausgezögert und um das fünf-bis sechsfache verteuert. Besondere Schwierigkeiten ergaben sich für die Bevölkerung im Zusammenhang mit verschiedenen Experimenten Chruschtschows auf dem Gebiet der Wirtschaftsleitung. Bekanntlich sind die sogenannten lokalen Betriebe für den Lebensstandard der Bevölkerung von sehr großer Bedeutung, denn dort werden verschiedene Küchengeräte, Möbel, Ziegel und andere Baustoffe usw. produziert. Während des Siebenjahrplanes wurden auf Chruschtschows Vorschlag hin die Ministerien für die lokale Industrie abgeschafft und diese der Kompetenz der Volkswirtschaftsräte unterstellt. Die größeren Kombinate oder Werke, denen diese neuen Betriebe zugeteilt wurden, haben entweder deren Produktionspläne herabgesetzt oder sie ihrem eigenen Bedarf angepaßt, einige wurden sogar ganz geschlossen. In der zweiten Hälfte des Siebenjahrplanes verschwanden daher verschiedene Gebrauchsgüter plötzlich aus den Läden. Zusätzlich wirkte sich dieser Beschluß negativ auf das Beschäftigungsproblem aus. Das „Kaltstellen“ der lokalen Betriebe brachte den Verlust von Tausenden von Arbeitsplätzen mit sich und vergrößerte den Überschuß an Arbeitskräften in den kleinen Provinzstädten

Der Beschluß der Chruschtschowschen Parteireform von 1962 und die kurz darauf folgende Verwaltungsreform, nach denen das Land in jeweils industrielle oder landwirtschaftliche administrative Einheiten aufgeteilt wurde, zogen weitere Komplikationen für die Sowjetbürger nach sich. Es kam zu so extremen Fällen, daß sich etwa ein Kleinstadtkrankenhaus weigerte, die Kranken einer Sowchose aufzunehmen, „weil sie nicht die Unseren sind". Der Witz lag darin, daß die Sowchose zu einer „landwirtschaftlichen" Einheit gehörte, das Krankenhaus in dem kasachischen Städtchen Tscharsk dagegen zu einer „industriellen“ (übrigens betrug die Entfernung zwischen Krankenhaus und Sowchose nur einige Kilometer)

Ein besonderes Anliegen der Landbevölkerung sind ihre sozialpolitischen Probleme. Zweifellos bedeutete die Einbeziehung der Kolchosbauern in das System der staatlichen Versicherung einen großen Fortschritt, und auch die bescheidendsten Renten müssen als Versuch gewertet werden, mit den krassen — schon seit Beginn der Sowjetmacht bestehenden — sozialen Ungerechtigkeiten auf dem Lande zu brechen. Viele Probleme bleiben jedoch noch ungelöst. Auf dem Märzplenum des ZK der KPdSU 1965 wurde bekannt, daß sich zum Beispiel in Pskow der durchschnittliche Monatslohn eines Industriearbeiters auf 83 Rubel beläuft, der eines Sowchosarbeiters jedoch auf 54 und der eines Kolchosbauern sogar nur auf 29 Rubel und 20 Kopeken (offizieller Kurs: 1 Rubel = DM 4, 45). Diese krassen Unterschiede herrschen in der gesamten Sowjetunion. Die Arbeitsbedingungen auf dem Lande sind auch heute noch äußerst primitiv. Auf dem erwähnten Märzplenum berichtete der Erste Sekretär des Komsomol der Sowjetunion, S. P. Pawlow, was ihm die Melkerinnen einer Kolchose von ihrer Arbeit erzählten: „Früh um fünf beginnen wir mit der Arbeit. Unsere gesamte Mechanisierung besteht aus Mistgabeln, einem Korb, einem Stück Schnur, um Silofutter und Heu zu tragen, und unseren Händen zum Melken." Die Werktätigen in den Kolchosen haben keine geregelte Arbeitszeit. Viele von ihnen hatten jahrelang keinen freien Tag, und es gilt als eine Selbstverständlichkeit, daß zum Beispiel eine Melkerin zwölf bis vierzehn Stunden am Tag arbeitet

Für die Bevölkerung der Sowjetunion bedeutet der Fortschritt im Wohnungsbau zweifellos einen wesentlichen Anstieg des Lebensstandards. Bis heute jedoch ist die Wohnfläche pro Person noch sehr gering; 1965 wurden z. B. insgesamt 78 Mill, qm fertig, die sich auf 10 Mill. Menschen verteilten, was pro Kopf 7, 8 qm bedeutet. Verglichen mit den Zuständen vor zehn Jahren ist dies zwar fast eine Verdoppelung der Wohnfläche, hauptsächlich in den Großstädten. Gemessen an den Ansprüchen unseres Jahrhunderts bleibt hier aber noch sehr viel zu wünschen übrig. Um beim Wohnungsbau zu bleiben, sei auch kurz darauf hingewiesen, wie es auf dem Lande darum steht. Aus Gründen, die selbst die Bürokratie nicht nennen kann, hat sich in'den letzten Jahren das individuelle Bauen auf dem Lande (Einfamilienhäuser für Bauern) entschieden verringert, so zum Beispiel 1964 gegenüber 1961 um ein Drittel. Ein Kapitel für sich ist dann noch die Qualität der Häuser. Zwar haben die sowjetischen Bauorganisationen in den letzten Jahren gewisse Fortschritte gemacht. Fachleute unter den westlichen Besuchern berichten aber, daß die Gebäude erheblich rascher „altern" als in den europäischen Industriestaaten. Entscheidend dafür sind die Qualität des Materials und auch eine Reihe von Planungsfehlern. Es wird ungefähr so gebaut wie bei uns vor 50 Jahren: drei Familien teilen sich ein Bad, die Toilette befindet sich auf dem Hausflur und muß von mehreren Familien benutzt werden.

Abschließend sei noch bemerkt, daß es in den letzten sieben Jahren nicht gelungen ist, schwere Handarbeit einzuschränken. Ähnlich wie bei Beginn des Siebenjahrplans war Ende 1965 jeder zweite Arbeiter in den Industriebetrieben bei manueller Arbeit eingesetzt. Da die Modernisierungsmaßnahmen einseitig durchgeführt wurden und sich besonders auf die jeweils primären Produktionsarbeiten beschränkten, wuchs die Zahl der mit Hilfsarbeiten Beschäftigten unverhältnismäßig stark an.

Ein weiteres Problem waren die sozialen Störungen, die sich aus den ersten Rationalisierungsmaßnahmen einerseits und als Folgen der Chruschtschowschen Schulreform andererseits ergaben. In den größeren Städten wuchs die Zahl der arbeitsfähigen, aber nicht in den gesellschaftlichen Produktionsbereich eingeschalteten Bevölkerungsgruppe immer stärker an. Gleichzeitig zeigte sich, daß die Zahl der freien Arbeitsplätze für Jungarbeiter weit unter der Nachfrage lag. Erst nach Chruschtschows Sturz haben die sowjetischen Führer die Gefahren dieser Entwicklung erkannt. Allerdings steht der Kulminationspunkt im Sommer 1966 noch bevor, wenn im Zusammenhang mit der Abschaffung des 11. Schuljahres sowohl die Schüler der 11. als auch die der 10. Klasse entlassen zu werden

Wir sehen also, daß auf Grund der degressiven Tendenzen innerhalb des — als Ganzes gesehen —-optimal wachsenden Lebensstandards der sowjetischen Bevölkerung von einer harmonischen Entwicklung noch keine Rede sein kann. Erst nach Chruschtschows Sturz begann die sowjetische Führung, Problemen der Qualität und Zuverlässigkeit der Industrieerzeugnisse bis hin zu den Gütern des täglichen Bedarfs eine gewisse Aufmerksamkeit zu widmen. Diese lassen sich jedoch nur ganz allmählich lösen. Man kann daher einen kurzen Leserbrief an die Prawda, der am 27. Dezember 1965, also vier Tage vor Ende des Siebenjahrplanes, veröffentlicht wurde, fast als symbolisch betrachten: „Liebe Redaktion! Ich habe mir Strümpfe der georgischen Fabrik , KRZANISF gekauft. Ich habe sie morgens angezogen, und als ich abends nach Hause kam, erschrak ich: an der Ferse war ein Loch und auch in jeder Zehe, Laufmaschen an beiden Beinen. Die Strümpfe kaben keinen Tag überlebt, obwohl sie 2 Rubel und 40 Kopeken gekostet haben! Wo bleibt da das Arbeitergewissen bei den Trikotagenarbeitern, die solche Ausschußware produzieren? Frau J. Krylowa." Die Zeit zwischen 1959 und 1965 war auch für die Partei recht turbulent. In diesen Zeitraum fällt der XXII. Parteitag der KPdSU (1961). Dutzende von Plena des ZK der KPdSU wurden abgehalten, die sich mit landwirtschaftlichen, industriellen und anderen Fragen beschäftigten. Im November 1962 wurde auf Initiative Chruschtschows die Parteireform beschlossen, die eine Verwaltungsreform nach sich zog. Es herrschte eine wahre Sucht, Versammlungen abzuhalten, in deren Mittelpunkt fast immer und überall als Hauptakteur Nikita Sergejewitsch Chruschtschow stand. Allein seine Reden über Probleme der Landwirtschaft, die er seit dem Tode Stalins hielt, füllen fünf Bände mit durchschnittlich 450 Seiten. Die letzte veröffentlichte Rede datiert vom Oktober 1961. Weitere Bände hat uns sein Sturz erspart. Der Arbeitsstil der Partei wurde jedoch nicht nur von den vielen schönen Reden geprägt, sondern auch von willkürlichen, sehr oft dilettantischen persönlichen Eingriffen Chruschtschows in allenmöglichen gesellschaftspolitischen Bereichen. Ein Beispiel von vielen mag diesen Arbeitsstil kennzeichnen. 1962 machte Chruschtschow heftige Propaganda für die Ausmerzung des sogenannten Trawopolnaja-Systems. Es handelt sich dabei um eine Lehre des sehr bekannten sowjetischen Agro-Wissenschaftlers William über den Fruchtwechsel bei der Feldbestellung, wobei die Brache eine ganz bestimmte Rolle spielt. Chruschtschow startete eine Kampagne für die Abkürzung der Brache, obwohl dies in krassem Widerspruch zur Agrowissenschaft stand. Einige Funktionäre, darunter auch Podgorny, „knirschten ein bißchen mit den Zähnen", aber dabei blieb es. Für Kasachstan bedeutete Chruschtschows Forderung fast eine Kata-strophe. Als der Erste Sekretär des ZK der KP Kasachstans, D. A. Kunajew, auf dem Märzplenum des ZK der KPdSU 1965 über diese Vorgänge berichtete, wurde er von Breshnew unterbrochen, der selbst eine Episode beisteuerte. Er hatte seinerzeit nach einer Beratung mit den Gebietssekretären in Kasachstan ein Telegramm nach Moskau geschickt, in dem er darum bat, einen bestimmten Prozentsatz der Brache unangetastet zu lassen. Die Antwort, aus der einem die Persönlichkeit Chruschtschows in aller Frische und Lebendigkeit entgegenspringt, lautete: „Mit der Brache kann auch ein Dummkopf („durak") leben".

Neue Situation nach Chruschtschows Sturz?

Landwirtschaft

Als Chruschtschow im Oktober 1964 gestürzt wurde, brach noch in der letzten Phase des Siebenjahrplanes in mancher Hinsicht eine neue Entwicklung sich Bahn. Die Parteiführer verurteilten alle Willkür, allen Voluntarismus und die Mißachtung der Wirtschaftswissenschaften und der Wissenschaften überhaupt. Unter den schwierigsten Bedingungen annullierten sie fast alle Reformen Chruschtschows: Das Territorialprinzip im Parteiaufbau wurde rückgängig gemacht, stufenweise baute man die neuen Apparate der Wirtschaftsleitung ab und verkündete schließlich — als Schlußakzent des Siebenjahrplanes — die Wirtschaftsreform vom September 1965. Dieses Hin und Her in der Partei bestätigt das eingangs Gesagte: Die Führungsgremien waren den übermäßigen Anforderungen des Siebenjahrplanes nicht gewachsen. Gerade die jüngsten Ereignisse bestätigen, daß das wichtigste Ergebnis des Siebenjahrplanes nicht auf ökonomischem Gebiet liegt, selbst wenn die Ist-Zahlen verschiedener industrieller Erzeugnisse die Soll-Zahlen des Siebenjahrplanes übertreffen. Für die sowjetische Führung war all das, was im Zusammenhang mit dem Siebenjahrplan stand, eine eindring-liehe Lektion. Vorläufig hören wir nur die Erklärungen der sowjetischen Führer, nie wieder in die Fehler der Chruschtschow-Ära zu verfallen. Ob dies wirklich gelingt, das wird erst die Zukunft erweisen. Auf jeden Fall ist die Stimmung zum Abschluß des Siebenjahrplanes vielsagend: Bei seiner Ankündigung versuchte die Parteibürokratie, die ganze Welt auf die-sen historischen Wendepunkt aufmerksam zu machen; seinen Abschluß dagegen umgab ein verschämtes Schweigen. Dies bestätigt aber gerade, daß sich in der Sowjetunion das politische Denken und die Mentalität der Führungsgremien erheblich rascher entwickelte, als die Volkswirtschaft. Hier liegt die Wurzel für den Übergang von lautstarker Propaganda zu einem rationellen und sachlichen Verhalten. Der Siebenjahrplan war eine Lektion. Das Märzplenum 1965, die Wirtschaftsreform und alle Maßnahmen zur Demontage des Chruschtschow-Erbes bestätigen, daß seine Schüler unbestreitbar vieles daraus gelernt haben. Aber erst der XXIII. Parteitag der KPdSU Ende März 1966, auf dem der neue Fünfjahrplan (1966— 1970) endgültig proklamiert werden wird, wird unter Beweis stellen, mit welchem Erfolg sie ihre Prüfung bestanden haben.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Radjanska Ukraine., 17. Januar 1959.

  2. Dieser Beschluß wurde veröffentlicht in: Spra wotschnik partijnogo rabotnika, Moskau 1961, S. 325 ff.

  3. Polititscheskoje samoobrasowanije, 1/1966, S. 71, und Ekonomitscheskaja gaseta, 48/1965, S. 11.

  4. Ekonomitscheskaja gaseta, 48/1965, S. 11.

  5. Ekonomitscheskaja gaseta, 52/1965, S. 12 ff und ebenda 2/1966, S. 28.

  6. Interessierte Leser können genaue Angaben über den Stand des Instrumentenbaus, der Herstellung von Automationsmitteln und Steuerungssystemen im Artikel des zuständigen Ministers K. Rudnew in Ekonomitscheskaja gaseta, 52/1965, finden.

  7. Planowoje chosjajstwo, 8/1965, S. 2.

  8. Jugoslawien z. B. konnte in diesem Zeitraum (1958— 1964) seine Stromerzeugung ebenfalls verdoppeln. Siehe darüber: Statisticki godisnjak SFRJ, Belgrad 1965, S. 180. In der Bundesrepublik Deutschland stieg die Erzeugung von Elektroenergie im selben Zeitraum um 72, 5 °/o an.

  9. Polititscheskoje samoobrasowanije, 1/1966, S. 76.

  10. „Plenum Zentralnogo Komiteta Kommunistitscheskoj Partii Sowjetskogo Sojusa 24. — 26. marta 1965. g.", Moskau 1965, S. 6 und 7.

  11. Aus der Rede des Vorsitzenden des Staatlichen Plankomitees der UdSSR auf der Session des Obersten Sowjets der UdSSR vom 17. Dezember 1965, in: Prawda, 18. Dezember 1965.

  12. Ekonomika selskogo chosjajstwo, 2/1965, S. 3.

  13. Ebenda S. 6 und 7.

  14. Voluntarismus bedeutet in der sowjetischen Terminologie die willkürliche Durchsetzung von Vorhaben ohne Berücksichtigung der tatsächlichen Möglichkeiten.

  15. Selskaja shisnj, 12. September 1965.

  16. Ekonomika selskogo chosjajstwa, 6/1965, S. 9.

  17. Stroiteinaja gaseta, 1. Januar 1966.

  18. Stroiteinaja gaseta, 15. Mai 1963.

  19. Prawda, 7. November 1965.

  20. Westnik statistiki, 8/1965.

  21. Woprossy ekonomiki, 3/1965, S. 188 ff.

  22. „Plenum Zentralnogo Komiteta Kommunistitscheskoj Partii Sowjetskogo Sojusa 24. — 26. marta 1965. g.", Moskau 1965, S. 144.

  23. Ebenda S. 50.

  24. Ekonomika Radjanskoji Ukrainy, 12 1965, S. 100.

  25. Partijnaja shisnj Kasachstana, 2/1965, S. 23.

  26. „Plenum Zentralnogo Komiteta Kommunistitscheskoj Partii Sowjetskogo Sojusa 24. — 26. marta 1965. g.", Moskau 1965, S. 165.

  27. Im Rahmen der Chruschtschowschen Schulreform von 1958 wurde die allgemeinbildende 8bzw. lOklassige Schule zu einer 11klassigen ausgebaut. Der Gedanke dabei war, den sogenannten Produktionsunterricht (die Schüler verbrachten zwei Wochentage in einem Betrieb, Kolchose usw.) einzuführen mit dem Ziel, daß die Schüler nach Beendigung dieser Schule neben dem Reifetestat auch eine Bescheinigung über die Ausbildung für einen bestimmten Beruf (Mechaniker, Tischler etc.) erhielten. Dieser Produktionsunterricht hat sich aber nicht bewährt, und bereits im August 1964 wurde die Abschaffung der 11. Klasse beschlossen. Die 8klassige Schule sollte nur noch um zwei Klassen fortgesetzt werden, in denen der allgemeinbildende Unterricht besser gestaltet werden sollte — auf Kosten des Produktionsunterrichtes.

  28. Siehe Anm. 18 a).

Weitere Inhalte

Borys Lewytzkyj, geb. 1915 in Wien, Magister der Philosophie der Universität Lem-berg; in München lebender Publizist; Mitarbeiter verschiedener Fachzeitschriften. Buchveröffentlichungen: Vom Roten Terror zur sozialistischen Gesetzlichkeit, München 1961; Sowjetukraine 1944— 1963, Köln 1964; Sowjetische Kurzbiographien, Hannover 1964 (mit Kurt Müller); Sowjetische Nationalitätenpolitik nach Stalins Tod (im Druck).