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Die deutsche politische Arbeiterbewegung von 1914 bis 1945 | APuZ 21/1963 | bpb.de

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APuZ 21/1963 Artikel 1 Die politische Arbeiterbewegung Deutschlands 1863-1914') Die deutsche politische Arbeiterbewegung von 1914 bis 1945 Die deutsche Sozialdemokratie nach 1945

Die deutsche politische Arbeiterbewegung von 1914 bis 1945

Ernst Schraepler

Der Kriegsausbruch Der Ausbruch des Krieges bedeutete für die Sozialdemokratie — das gilt für die Führung genau so wie für die Masse der Anhänger — eine Überraschung. Der Mord von Sarajewo erregte zwar in den politisch interessierten Kreisen der europäischen Staaten allgemein Besorgnis, aber nur wenige Staatsmänner und Parlamentarier waren von einer unmittelbaren Kriegsgefahr überzeugt. Schließlich hatte man in den letzten Jahren kritischeren außenpolitischen Situationen gegenübergestanden und war mit ihnen auf dem Verhandlungswege fertig geworden, ohne zu den Waffen greifen zu müssen.

Erst die österreichische ultimative Erklärung an Serbien vom 23. Juli 1914 änderte die Situation. „Das Ultimatum hat mich sehr überrascht", schrieb der maßgebende sozialdemokratische Theoretiker, Karl Kautsky, an den Führer der österreichischen Sozialdemokratie, Victor Adler. „Es kam so unvorbereitet, und ich dachte, der alte Franz Joseph und der junge wollten . ihre Ruh'haben. Und jetzt plötzlich die Kriegserklärung, denn etwas anderes ist doch das Ultimatum nicht" 1).

Die Sozialdemokratische Partei war stets für die Verteidigung des eigenen Landes im Falle eines feindlichen Angriffs eingetreten. Andererseits verlangten die Interessen des internationalen Proletariats, das sich die Sozialisten aller Länder dem Ausbruch eines Krieges zu widersetzen hätten. Der außerordentliche Internationale Sozialistenkongreß zu Basel vom November 1912 hatte die herrschenden Klassen aller Staaten davor gewarnt, „das Massenelend, das die kapitalistische Produktionsweise herbeigeführt, durch kriegerische Aktionen noch zu verschärfen" und wies die europäischen Regierungen nachdrücklich darauf hin, „daß sie bei dem gegenwärtigen Zustand Europas und der Stimmung der Arbeiterklasse nicht ohne Gefahr für sie selbst den Krieg entfesseln können“ Wie sollten die nationalen „und internationalen Grundlinien jetzt in Übereinstimmung gebracht werden?

Während es in den ersten Tagen nach dem Ultimatum an Serbien in einigen deutschen Städten noch zu Kundgebungen der Arbeiterschaft gegen Osterreich-Ungarn kam, in denen gefordert wurde, „daß unsere Regierung sich nicht nur jeder kriegerischen Einmischung enthält, sondern alles tut, um die Kriegsfurie zu bannen . . ." zeigte die deutsche Mobilmachung am 1. August 1914, daß sich die Anhänger der SPD von der zögernden und unentschlossenen Haltung der Parteiführung nicht beeinflussen ließen. Denn die Mehrzahl der Arbeiter hegte trotz der Kriegserklärungen der Reichsregierung genau so wie das Bürgertum den festen Glauben, von neidischen und feindselig gesinnten Nachbarn, die eine seit langem sorgfältig vorbereitete Einkreisung zum erfolgreichen Abschluß gebracht hätten, überfallen worden zu sein. Die Parteiführung stand nun vor der schwerwiegenden Entscheidung, sich entweder dieser mitreißenden Strömung anzuschließen oder einen großen Teil der Mitglieder zu brüskieren.

Schließlich hatte die deutsche Sozialdemokratie von jeher im zaristischen Rußland eine Gefährdung der demokratischen Entwicklung Westeuropas gesehen. Schien jetzt nicht der von Karl Marx immer wieder befürchtete Angriff Frankreichs im Bunde mit Rußland zur Rückgewinnung Elsaß-Lothringens Tatsache geworden zu sein? Für diesen Fall hatte Friedrich Engels 1892 folgende Prognose aufgestellt:

„Ein Krieg, wo Russen und Franzosen in Deutschland einbrächen, wäre für dieses ein Kampf auf Tod und Leben, worin es seine nationale Existenz nur sichern könnte durch Anwendung der revolutionärsten Maßregeln. Die jetzige Regierung, falls sie nicht gezwungen wird, entfesselt die Revolution sicher nicht. Aber wir haben eine starke Partei, die sie dazu zwingen oder im Notfall sie ersetzen kann, die Sozialdemokratische Partei."

Der Kampf um die deutschen Lebensinteressen an zwei Fronten und die militärische Zusammenarbeit zwischen Frankreich und Rußland waren jetzt Wirklichkeit geworden. Es bestand die Gefahr, daß Deutschland von den Heeren des Zaren überrannt wurde. Zudem überstürzten sich in der Öffentlichkeit die Gerüchte über einen russischen Einfall. Alle diese Eindrücke beeinflußten die gesamte Partei.

Konrad Haenisch, der spätere preußische Kultusminister, schrieb rückblickend über den allgemeinen Stimmungsumschwung: „Angehörige der bürgerlichen Parteien können sich unmöglich eine Vorstellung davon machen, welche ungeheure seelische Erschütterung die Sozialdemokratie in jenen Tagen zwischen dem ersten und vierten August 1914 zu durchleben hatte. Aus der denkbar schroffsten innerpolitischen Kampfstellung gegen die Regierung und gegen die übrigen Parteien ... mußte sie sich im Sturmgebraus wildester Ereignisse innerhalb weniger Stunden hineinfinden in die gemeinsame Kampffront des ganzen deutschen Volkes."

Auch die Gewerkschaftsführung bekannte sich zur Landesverteidigung und beschloß den Abbruch jeglicher Streikaktionen. Die Sozialdemokratie wäre zwar in der Lage gewesen, aus Prinzip die von der Regierung geforderten Kriegskredite zu verweigern, besonders, da die Eröffnung der Feindseligkeiten im Westen durch deutsche Armeen und nicht durch die Truppen des Gegners und der Einmarsch nach Belgien die Möglichkeit dazu geboten hätten. Aber niemals konnte sich die Parteiführung der von ihr immer wieder anerkannten Landesverteidigung entziehen. Ein Vertreter der jüngeren Generation, der Reichstagsabgeordnete Ludwig Frank, schrieb in diesen Tagen an einen Freund, „daß jetzt im Augenblick der Gefahr und der nationalen Verteidigung alle Rücksichten zurücktreten müßten hinter der Notwendigkeit, geschlossen die Grenze zu schützen, und daß selbstverständlich unsere Fraktion die Kriegskredite — bei aller Friedensliebe und Wahrung unserer prinzipiellen Gegnerschaft gegen den Krieg — nicht ablehnen werde." * Auf der Fraktionssitzung der Partei am 3. August 1914 stand von Anfang an eine Mehrheit für die Bewilligung fest. Mit 78 gegen 14 Stimmen fiel die Entscheidung für die Kriegskredite. Dem Beschluß der Mehrheit, einheitlich die Kredite zu bejahen, fügten sich alle, auch der radikale Karl Liebknecht. Dieser allerdings in der Hoffnung, daß die Partei bald wieder zu ihrer früheren negierenden und pazifistischen Haltung gegenüber der Regierung zurückfinden würde.

Als Fraktionsvorsitzender verlas Hugo Haase, der selbst zu den Protestierenden gehört hatte, am nächsten Tage im Reichstag eine Erklärung, deren Kernsätze lauteten: „... Wir lassen in der Stunde der Gefahr das eigene Vaterland nicht im Stich. Wir fühlen uns dabei im Einklang mit der Internationale, die das Recht jedes Volkes auf nationale Selbständigkeit und Selbstverteidigung jederzeit anerkannt hat, wie wir auch in Übereinstimmung mit ihr jeden Eroberungskrieg verurteilen".

Gleichzeitig wurde der Charakter und das Ziel der sozialdemokratischen Kriegspolitik festgelegt: „Wir fordern, daß dem Kriege, sobald das Ziel der Sicherung erreicht ist, und die Gegner zum Frieden geneigt sind, ein Ende gemacht wird durch einen Frieden, der die Freundschaft mit den Nachbarvölkern ermöglicht."

Der 4. August 1914 bedeutete einen Einschnitt in der Geschichte der Sozialdemokratie. Sie war nicht, wie später ihre linksradikalen Gegner behaupten, unter Verrat der Arbeiterklasse mit fliegenden Fahnen in das Lager des Nationalismus übergegangen. An diesem Tage stellte sich lediglich auch in der Öffentlichkeit heraus, daß die sozialdemokratische Bewegung mit etwa einer Million Mitgliedern und 41/2 Millionen Wählern keine revolutionäre Massenorganisation war, sondern eine soziale Reformpartei, die sich zwar ihre internationale Überlieferung bewahrte, sich aber nicht dem gefühlsmäßigen Patriotismus, der das gesamte Volk erfaßt hatte, entziehen konnte, wie es auch bei den sozialistischen Parteien der anderen Länder der Fall war.

2. Die Zerreißung der Parteieinheit Die Haltung der Sozialdemokratie als der stärksten oppositionellen Partei in Deutschland bedeutete für die Regierung eine erhebliche Stärkung. Mit ihrer Hilfe konnte Reichs-kanzler von Bethmann Hollweg einen innenpolitischen Waffenstillstand, den sogenannten Burgfrieden, abschließen. Auch die Gewerk7) schäften stellten sich bereitwillig zur Verfügung. Das war für die Lösung der industriellen Kriegsaufgaben von größter Bedeutung. Umgekehrt konnte die Sozialdemokratie jetzt auch ein gewisses Entgegenkommen von Seiten der Regierung erwarten. Die feindselige Haltung der Behörden, die sich oft in Schikanen gegen Partei und Gewerkschaften geäußert hatte, ließ nach. Die Regierung hob bestehende Kampferlasse auf, die sozialdemokratische Presse wurde für die Soldaten erlaubt und Parteimitglieder durften in den Gemeindeverwaltungen und Staatsbetrieben angestellt werden.

Bald sollte es sich freilich zeigen, daß sich der Burgfrieden zur Ausschaltung der innenpolitischen Kämpfe in Anbetracht der Dauer des Krieges nicht konsequent durchführen ließ. Die Zensur lähmte das Presse-, Vereins-und Versammlungsleben, während der militärische Belagerungszustand das wirksamste Kampf-mittel der Arbeiterschaft, den Streik, nicht zuließ. Der sozialdemokratischen Führung waren die Hände gebunden, so daß sie nicht mehr in der Öffentlichkeit mit aller Kraft auf Mißstände kritisch hinweisen durfte. Sie sah sich sogar gezwungen, unpopuläre Maßnahmen der Regierung zu verteidigen. Unter den Arbeitern verstärkte sich daher gegenüber den anderen Schichten des Volkes das Gefühl, bewußt benachteiligt zu werden. Dazu kamen seit 1915 die verhängnisvollen wirtschaftlichen Auswirkungen der Blockade, die einerseits zur Zwangsbewirtschaftung der Lebensmittel durch den Staat, andererseits zu einem ausgedehnten Schleichhandel führten, von dem in der Hauptsache nur finanzkräftige Kreise profitierten, während die breite Masse hungern mußte. Trotz des Burgfriedens setzten bald scharfe politische Auseinandersetzungen ein, die sich außenpolitisch besonders auf die Frage der Kriegsziele, innenpolitisch auf die Weiterentwicklung der Parlamentarisierung und die preußische Wahlrechtsfrage konzentrierten. In Kreisen der bürgerlichen Parteien, der Industrie und Wirtschaft sowie der Obersten Heeresleitung waren seit Beginn des Krieges Annexionsforderungen großen Ausmaßes aufgestellt worden, die zwar nicht in der Öffentlichkeit diskutiert werden durften, aber doch bekannt wurden und gerade innerhalb der Sozialdemokratie, die sich auf die Forderung der nationalen Sicherheit beschränkte, eine Abwehrhaltung auslösen mußte. Denn die Vertreter derartiger uferlosen Eroberungsprogramme waren in den meisten Fällen auch scharfe Gegner einer innenpolitischen Entwick’ang im demokratischen Sinne, besonders wenn es sich um die Aufhebung des preußischen Dreiklassenwahlrechts handelte. Gerade gegen dieses Wahlrecht hatte die Sozialdemokratie schon vor dem Kriege immer wieder Sturm gelaufen. Der Reichskanzler sträubte sich aber nicht nur gegen Reformen wie das Mitbestimmungsrecht des Reichstags bei der Ernennung und Entlassung von Ministern und gegen die Einführung eines kollegialen Ministeriums, sondern ließ sich auch das Versprechen einer Wahlreform nur widerwillig Stück für Stück abringen. Ein Gefühl von Erbitterung und Enttäuschung über diese gewollte Verzögerung der Regierung ergriff daher die gesamte Sozialdemokratie, besonders als die Staatsführung auch nichts unternahm, um die nationale Stimmung vom August 1914 auszunutzen und eine Versöhnung von Staat und Arbeiterschaft wenigstens zu versuchen.

Es war daher keine Überraschung, daß sich innerhalb der Sozialdemokratie von einer Kreditvorlage zur anderen die Stimmen mehrten, die einen Kurswechsel forderten. Im Dezember 1914 stimmten 17 Abgeordnete der Reichstags-fraktion dagegen, im März 1915 25, im August 36 und schließlich im Dezember 43 Abgeordnete von insgesamt HO. Da die Reichsregierung keinerlei Bereitschaft zeigte, sich auf die Forderung einer sofortigen Eröffnung von Friedensverhandlungen unter Verzicht auf Annexionen festzulegen, erklärte Friedrich Geyer, Mitglied der Kontrollkommission der Partei, im Namen von zwanzig dieser Abgeordneten am 21. Dezember 1915 im Reichstag: „Unsere Landesgrenzen und unsere Unabhängigkeit sind gesichert. Nicht der Einbruch feindlicher Heere droht uns. Der deutschen Regierung käme es zu, da Deutschland sich mit seinen Verbündeten in günstiger Kriegslage befindet, den ersten Schritt zum Frieden zu tun ... Es gilt, dem in allen Ländern hervortretenden und wachsenden Friedensbedürfnis einen kräftigen Antrieb zu geben. Unseren Friedenswillen und unsere Gegnerschaft gegen Eroberungspläne können wir nicht vereinbaren mit der Zustimmung zu den Kriegskrediten . . ." Die Mehrheit der Partei und der Parteiausschuß mißbilligten das Vorgehen Geyers scharf und forderten weiterhin Fraktionsdisziplin. Unter Führung von Karl Liebknecht hatte sich 1914 eine radikale Gruppe, die streng an den alten internationalen Idealen festhalten wollte, abgesondert. Der ehrgeizige Liebknecht, der, ohne von der Parteiführung ganz ernst genommen zu werden, die gleiche einflußreiche Position erstrebte, die einst sein Vater, Wilhelm Liebknecht, innegehabt hatte, lehnte schon am 2. Dezember 1914 die Kredite ab, „unter Pro-test . . . gegen den Krieg, seine Verantwortlichen und Regisseure, gegen die kapitalistische Politik, die ihn heraufbeschworen, gegen die kapitalistischen Ziele, die er verfolgt, gegen die Annexionspläne." Liebknecht wurde bald darauf aus der Fraktion ausgeschlossen.

Er sammelte um sich eine Gruppe Gleichgesinnter, darunter die ihm geistig überlegene Theoretikerin und Lehrerin an der Berliner Parteischule der Sozialdemokratie, Rosa Luxemburg, und der Journalist und Parteihistoriker Franz Mehr ing, die beide eine Zeitschrift, „Die Internationale" herausgaben, die allerdings schon nach der ersten Nummer verboten wurde, aber diesen Oppositionellen den Namen geben sollte.

Neujahr 1916 traten Liebknechts Anhänger zu einer Konferenz zusammen, um eine radikale Organisation zu gründen, für die Rosa Luxemburg Leitsätze verfaßte, in denen Klassenkampf nach innen und internationale Solidarität nach außen gefordert wurde. „Die einzige Verteidigung aller wirklichen nationalen Freiheit ist heute der revolutionäre Klassenkampf gegen den Imperialismus. Das Vaterland der Proletarier, dessen Verteidigung alles andere untergeordnet werden muß, ist die sozialistische Internationale." Diese Radikalen nannten sich jetzt nach einem von ihnen illegal herausgegebenen Informationsblatt „Spartacus" die „Spartakusgruppe". Sie hielten die Verbindung zu illegal in der Schweiz lebenden russischen Sozialisten wie Lenin, Trotzki und Radek aufrecht. Während Karl Liebknecht eine Zuchthausstrafe absitzen mußte — er hatte am 1. Mai 1916 in Berlin eine öffentliche Protestdemonstration gegen den Krieg veranstaltet — führte Rosa Luxemburg vom Gefängnis aus, in dem sie eine schon längere Zeit zurückliegende Strafe absaß, die Propaganda weiter. Nach dem Ausbruch der Oktoberrevolution in Rußland geriet die Spartakus-Gruppe immer mehr in bolschewistisches Fahrwasser. Trotz intensiver Propagandabemühüngen wurden aber nur kleine Kreise der Arbeiterschaft und der Frontsoldaten von dem propagierten Gedanken einer Diktatur des Proletariats und der Revolution ergriffen.

Die Opposition innerhalb der Gesamtpartei schwelte weiter und führte im März 1916 anläßlich neuer Kreditvorlagen im Reichstag zum Bruch, als Hugo Haase im Namen einer Minderheit die Ablehnung der Kredite begründen wollte, von seinen Fraktionskollegen aber am Weiterreden gehindert wurde. Die Parteiführung schloß daraufhin die opponierenden Mitglieder aus, die sofort eine „Sozialdemokratische Arbeitsgemeinschaft" bildeten, ein Programm grundsätzlicher Opposition aufstellten und den sofortigen Abbruch kriegerischer Aktionen verlangte. Im April 1917 gründeten sie die Unabhängige Sozialdemokratische Partei (USP, später USPD), die sich nach dem Erfolg der russischen Februarrevolution gegen die Politik der sogenannten „Regierungssozialisten"

wandte, sich für die sozialistischen Arbeiter Rußlands begeisterte und einen Frieden durch Verständigung der Völker ohne direkte oder versteckte Annexionen auf Grund des Selbsbestimmungsrechts der Nationen mit internationaler Beschränkung der Rüstungen forderte

Die neue Partei war in ihren Zielsetzungen nicht einheitlich, denn Vertreter gegensätzlicher Anschauungen hatten sich hier zusammengefunden.

Von den Mitgliedern des sozialdemokratischen Parteivorstandes traten Hugo Haase und Ernst Dittmann zu ihr über, ferner Revisionisten wie Eduard Bernstein und Kurt Eisner, die hier ihrem Gegner, dem marxistischen Theoretiker Karl Kautsky, begegneten.

Dazu kam noch der radikale Georg Ledebour.

Es handelte sich in der Hauptsache um diejenigen Anhänger der Sozialdemokratie, die von vornherein gegen Kriegskredite und Burgfrieden eingestellt waren und von den Bindungen an die Regierung loskommen wollten. Die inneren Schwierigkeiten wurden noch dadurch vermehrt, daß die Spartakisten in der legalen USP Unterschlupf suchten und fanden, obwohl sie sonst mit deren Haltung keineswegs einverstanden waren, denn die Unabhängigen lehnten gesetzwidrige Handlungen ab und wollten lediglich durch intensive Propaganda für den Verständigungsfrieden eine Beendigung des Krieges erreichen.

Die alte Sozialdemokratische Partei, jetzt allgemein Mehrheitssozialdemokratie genannt, stützte sich weiterhin auf die Gewerkschaften und hielt trotz wachsender Opposition gegen die Kriegskredite in den eigenen Reihen die Parteidisziplin aufrecht. Genau so wie die Unabhängigen forderten die Sozialdemokraten den Verständigungsfrieden, den „Scheidemann-Frieden", wie die alldeutschen Gegner spotteten. Die Parteiführung kam im Verlaufe des Krieges immer mehr zu der Überzeugung, daß sich auch im Rahmen des bestehenden Staatswesens eine praktische politische Arbeit durchführen ließe. Sie verdoppelte daher ihre Bemühungen, eine innenpolitische Neuorientierung zu ihren Gunsten durchzusetzen. Immer mehr rang man sich auch zu der Einsicht durch, daß die Interessen der Arbeiterschaft mit den nationalen Belangen des Staates doch stärker verbunden waren, als es das Dogma des internationalen Marxismus wahrhaben wollte. Vor allem war sich die Führung darüber im klaren, daß eine militärische Niederlage, verbunden mit einem wirtschaftlichen Zusammenbruch, gerade für die Arbeiterschaft die schlimmsten Auswirkungen haben mußte. Die Sorge um die Zukunft führte auch zu einer Verständigung mit Vertretern bürgerlicher Parteien, wie des Zentrums und der Fortschrittlichen Volkspartei. In der Friedensresolution des Deutschen Reichstags vom 19. Juli 1917 kam eine Zusammenarbeit dieser Parteien, die später die Weimarer Koalition bilden sollten, zum Ausdruck.

Der Ausbruch der russischen Oktoberrevolution trug wesentlich zur Verschärfung der inneren Gegensätze bei. Uferlose Forderungen der Vaterlandspartei des Großadmirals von Tirpitz, die, gestützt auf die Oberste Heeresleitung, für einen Eroberungs-und Machtfrieden agitierte, gleichgültig, ob der Krieg dadurch verlängert wurde, erbitterten große Teile der Bevölkerung, die immer mehr unter Lebensmittelschwierigkeiten und Kohlenmangel zu leiden hatten. Das Mißverhältnis der Notlage in den Städten und der annexionistisehen Politik führte Ende Januar 1918 zu Streiks in der Rüstungsindustrie, die aber von der Regierung durch Verschärfung des Belagerungszustandes rasch beendet werden konnten. Vertreter der SPD und USPD waren in die Streikleitung eingetreten. Die Vertreter der SPD, Friedrich Ebert, Philipp Scheidemann und Otto Braun, aus dem Grunde, um eine Ausweitung zu verhindern, die sie in Anbetracht der Lage für gefährlich und aussichtslos hielten. Durch ihre Beteiligung kam die Sozialdemokratie aber in ein schiefes Licht. Die Spartakus-anhänger und die radikalen Elemente der Unabhängigen erhoben jetzt gegen sie den Vorwurf, die Arbeiterschaft verraten zu haben, während aus den Reihen der Konservativen und Alldeutschen Beschuldigungen kamen, der kämpfenden Front in den Rücken gefallen zu sein und das Vaterland in Gefahr gebracht zu haben.

3. Die Revolution Am 28. September 1918 forderte die Oberste Heeresleitung wegen der kritischen Lage an den Fronten und des Zusammenbruchs der Bundesgenossen den sofortigen Waffenstillstand. Der Reichskanzler, Graf Hertling, trat zurück. Sein Nachfolger, Prinz Max von Baden, erstrebte für die kommenden Verhandlungen mit den Feindmächten eine Regierungsbildung auf breiter Basis, unter Einschluß der Sozialdemokratie, an die jetzt die Aufforderung erging, sich zu beteiligen und Vertreter zu nominieren. Die seelischen Auswirkungen des militärischen Zusammenbruchs mußten um So größer sein, als die öffentliche Meinung bisher mit überschwänglichen Hoffnungen auf einen Siegfrieden genährt worden war. Für die sozialdemokratische Führung bedeutete diese Situation einen schweren Schlag. Denn sie hatte alle im Bereiche ihrer Möglichkeiten liegenden Anstrengungen unternommen, um den Krieg ohne eine Niederlage zu beenden und dabei Einheit der Gesamtpartei aufs Spiel die gesetzt. Aber dieses Opfer erwies sich als umsonst. Die Gesamtpartei war in die beiden Lager der „Sozialpatrioten" und „Sozialpazifisten" zerrissen, und die katastrophale Niederlage stand vor der Tür. Sollte die Sozialdemokratie jetzt das bankerotte Erbe der Staatsführung übernehmen sowie von dem Angebot des Prinzen Max Gebrauch machen und in die neue Regierung eintreten?

Im Vorstand kam es deswegen zu heftigen Auseinandersetzungen. Scheidemann und Landsberg sprachen sich für die Ablehnung aus, aber Ebert trat für die Beteiligung ein, um zu retten, was noch zu retten war, und um den sinnlos gewordenen Krieg auf dem schnellsten Wege zu beenden. Es gelang Ebert, den Vorstand und die Reichstagsfraktion zu überzeugen. Die Mitglieder fügten sich der Fraktionsdisziplin. In der Reichstagssitzung vom 22. Oktober 1918 begründete Ebert seinen Standpunkt: „Gewiß, es wäre bequemer für uns, draußen zu stehen und unsere Hände in Unschuld zu waschen. Aber in der Schicksalsstunde des deutschen Volkes wäre eine solche Politik vor der Geschichte, vor der Nation und vor der Arbeiterklasse nie und nimmer zu verantworten."

Während die Spartakisten jetzt in verstärktem Maße die proletarische Diktatur und das Bündnis mit der Sowjetunion forderten und die USP auf der sofortigen Errichtung einer sozialistischen Republik bestand, traten Scheidemann und der Gewerkschaftsführer Gustav Bauer in das neugebildete Kabinett des Prinzen Max von Baden ein, zusammen mit Vertretern des Zentrums, der Fortschrittlichen Volkspartei und der Nationalliberalen. Eine grundlegende Verfassungsänderung vom 28.

Oktober 1918 erhob den Reichstag zur Zentralgewalt, setzte das gleiche Wahlrecht in Preußen durch, beseitigte das persönliche Regiment des Kaisers durch Ministerverantwortlichkeit und erweiterte die Presse-sowie die Versammlungsfreiheit. Die von der Sozialdemokratie seit Jahrzehnten geforderte Parlamentarisierung war jetzt Wirklichkeit geworden; ihre immer wieder vorgebrachten Forderungen hatten durch einen gesetzgeberischen Akt, dessen Wirkung für das damalige Regierungssystem als revolutionär bezeichnet werden muß, ihre Erfüllung gefunden. Aber diese Maßnahmen der Regierung kamen zu spät. Die Ereignisse gingen über die Entwicklung hinweg.

Eine Meuterei auf den Schiffen der Hochseeflotte, deren Matrosen sich weigerten, noch einmal gegen die englische Flotte auszulaufen, führte zum Ausbruch der Revolution.

Der Funke sprang von der Marine auf die Garnisonstruppen über. In wenigen Tagen waren die größeren deutschen Städte in den Händen revoltierender Matrosen und Soldaten. Am 9. November erreichte die Flutwelle Berlin; der Kaiser, der sich schon seit Tagen nicht mehr in der Haupstadt befand, dankte ab.

Der Sieg der Revolution war vollständig, da das alte monarchische System von den eigenen Vertretern und Anhängern preisgegeben wurde. In den Städten bildeten sich überall nach dem Muster der russischen Revolution von 1905 und 1917 Arbeiterräte, während im Heer, besonders in der Heimat und der Etappe, als Zeichen einer revolutionären Auflehnung der Mannschaften Soldatenräte entstanden. Beide Organisationen arbeiteten meistens in enger Gemeinschaft miteinander und gaben sich eine gemeinsame Leitung, den Vollzugsrat der Arbeiter-und Soldatenräte, der bald in allen deutschen Bundesstaaten die Verwaltungstätigkeit der militärischen und zivilen Behörden kontrollierte. Die Hoffnung der Spartakisten, durch die Proklamierung einer Räterepublik nach russischem Muster fertige Tatsachen zu schaffen, wurde am 9. November 1918 durch Philipp Scheidemann zunichte gemacht, der gegen den Willen Eberts von einem Fenster des Reichstagsgebäudes aus die Deutsche Republik ausrief: „Alles für das Volk, alles durch das Volk! Nichts darf geschehen, was der Arbeiterbewegung zur Unehre gereicht! Seid einig, treu und pflichtbewußt! Das Alte und Morsche, die Monarchie, ist zusammengebrochen. Es lebe das Neue! Es lebe die Deutsche Republik! Mit dieser Proklamation erreichte Scheidemann zwar, daß die „Freie Sozialistische Republik", die Karl Liebknecht, der im Oktober aus dem Zuchthaus entlassen worden war, einige Stunden später vor dem Berliner Schloß ausrief, lediglich eine Episode blieb Aber die Grundfrage: Beendigung oder Fortführung der Revolution war damit nicht erledigt.

Mehrheitssozialisten und Unabhängige, in deren Händen die lokale politische Führung der revolutionären Bewegung lag, verhandelten jetzt um ein gemeinsames Programm. Die USP wollte die günstige Situation ausnützen, eine vorübergehende Diktatur des Proletariats errichten und ausgedehnte Sozialisierungsmaßnahmen innerhalb der Wirtschaft und Verwaltung durchzuführen. Sie verlangte auch, daß die Staatsgewalt und Verwaltung unter Ausschluß bürgerlicher Elemente den Händen von gewählten Vertrauensmännern aus der Arbeiterschaft anvertraut'werde. Die Sozialdemokratie legte aber gerade auf diese Fachkräfte den größten Wert, die zur Demobilisierung, zum Wiederaufbau einer Friedenswirtschaft und zur Sicherung der Ernährung dingend gebraucht wurden. Dieser Standpunkt setzte sich durch. Ebenfalls nach russischem Muster wurde ein Rat der Volksbeäuftragten gebildet, in dem drei Mehrheitssozialisten, Ebert, Scheidemann und Otto Landsberg, saßen sowie drei Unabhängige, Hugo Haase, Wilhelm Dittmann und Emil Barth. Letzterer war der Vertreter der Revolutionären Obleute, einer schon seit 1917 in Berlin bestehenden illegalen, radikal gesinnten Betriebsorganisation, die sich der USP angeschlossen hatte.

Mit Ausnahme des wenig bekannten Barth handelte es sich um Männer, die sich bisher in der Arbeiterbewegung bewährt hatten. Ebert, die stärkste Persönlichkeit, spielte sofort eine führende Rolle. Auch bürgerliche Fachleute wurden hinzugezogen und betätigten sich als Staatssekretäre. „Ich würde allein mit Freuden die Regierung ergriffen haben", schrieb Hugo Haase an seinen Sohn, „wenn nicht die Soldaten fast einmütig darauf bestanden, daß wir mit Ebert die Gewalt teilen sollten, und wenn nicht ohne Ebert ein erheblicher Teil der bürgerlichen Fachmänner Sabotage treiben würde. So müssen wir manches in Kauf nehmen, was uns contre coeur ist. Der revolutionäre Elan wird stark ge-dämpft." Ein Zentralrat der Arbeiter-und Soldatenräte, der auf einem Kongreß gewählt worden war, sollte die Tätigkeit der Volks-beauftragten überwachen.

Die Oberste Heeresleitung hatte sich den neuen Machthabern im Interesse eines reibungslosen Rückmarsches der Fronttruppen zur Verfügung gestellt. Am 15. November kam es außerdem zu einer Vereinbarung zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern für die Übergangszeit, durch die ein Zentralausschuß gegründet wurde, in dem Arbeitgeber-und Arbeitnehmerorganisationen paritätisch vertreten waren, um gemeinsam Maßregeln zur Durchführung der Demobilisierung und zur Aufrechterhaltung des Wirtschaftslebens festzusetzen. Die sozialdemokratischen Volksbeauftragten, die sich unverhofft und unvorbereitet an die Spitze eines besiegten Volkes gestellt sahen, weigerten sich, eine „proletarische" Revolution gutzuheißen. Sie wollten keine neue Staatsform aufzwingen. Vielmehr sollte eine vom ganzen Volke gewählte Nationalversammlung über die staatliche Zukunft Deutschlands entscheiden, wobei für Ebert kein Zweifel bestand, daß diese Entscheidung zugunsten einer parlamentarisch-demokratischen Republik ausfallen würde. Der Gedanke einer Nationalversammlung, verbunden mit einer demokratischen Erneuerung der Selbstverwaltungskörperschaften in den Ländern, Provinzen und Gemeinden, entsprach durchaus den alten Forderungen der Sozialdemokratie. Gegen diese Auffassung erhob sich die Opposition der Spartakisten, denen sich ein großer Teil der USP anschloß. „Wer heute zur Nationalversammlung greift, schraubt die Revolution bewußt oder unbewußt auf das historische Stadium bürgerlicher Revolutionen zurück", erklärte Rosa Luxemburg. „Er ist ein verkappter Agent der Bourgeoisie oder ein unbewußter Ideologe des Kleinbürgertums."

Die Volksbeauftragten kündigten die Einführung des Acht-Stunden-Tages an, hoben die alte Gesindeordnung auf, gaben den öffentlichen Beamten das unbeschränkte Koalitionsrecht und führten das allgemeine, gleiche Wahlrecht für Männer und Frauen ein, die das 20. Lebensjahr vollendet hatten. Es folgten die Einrichtung einer Erwerbslosen-fürsorge und die Neuregelung der Krankenversicherung sowie der Tarifvertäge. Eine Sozialisierungskommission wurde eingesetzt, die behutsam zu Werke gehen und entspre-* chende Maßnahmen in dafür geeigneten Betrieben einleiten sollte. Ein radikales Eingreifen in die Wirtschaft und in den Groß-grundbesitz war nicht vorgesehen.

Die Frage Diktatur des Proletariats oder parlamentarische Demokratie stand in der Öffentlichkeit zur Debatte. Die Sozialdemokraten erblickten in der von radikaler Seite propagierten Räteregierung die Herrschaft einer Minderheit über die Mehrheit des Volkes, während der linke Flügel der USP, die Sparta-kisten sowie die revolutionären Obleute der Berliner Großbetriebe unter dem Eindruck der russischen Revolution zu der Überzeugung kamen, daß man auch in Deutschland konsequent ein sozialistisches Staatswesen schaffen müsse. Die Entscheidung fiel auf einer Reichstagung der Vertreter der Arbeiter-und Soldatenräte in Berlin. Trotz aller Stör-versuche von Seiten radikaler Unabhängiger und Karl Liebknechts Spartakisten gelang es den Mehrheitssozialisten, die Anwesenden von der Notwendigkeit einer Nationalversammlung zu überzeugen. Das Mitglied des Vollzugsrats der Arbeiter-und Soldatenräte, Max Cohen-Reuß, verkündete: „Im Interesse unseres Landes, das jetzt unser Land geworden ist, das wir alle aus tiefster Seele lieben, dem wir in seiner höchsten und größten Not nur um so fester die Treue halten wollen, im Interesse des deutschen Volkes und besonders der Arbeiterschaft und im Interesse auch der neu aufzubauenden Menschheitsorganisation, vom Standpunkt der Demokratie und des Sozialismus aus, brauchen wir die Nationalversammlung, die den Willen des deutschen Volkes feststellt." Mit überwiegender Mehrheit (344 gegen 98 Stimmen) wurde ein entsprechender Antrag angenommen und die Wahl für den 19. Januar 1919 festgesetzt. Auch Haase und Dittmann hatten dafür gestimmt. Der linke Flügel der USP, dem noch die Mitglieder des Spartakus-Bundes angehörten, verließ daraufhin den Kongreß und überließ es den Mehrheitssozialdemokraten, die maßgebenden Posten im Zentralrat der Arbeiter-und Soldatenräte mit ihren Vertrauensleuten zu besetzen. Das war aber nur das Vorspiel zum endgültigen Bruch.

Als es in Berlin am 24. Dezember 1918 zu einer Meuterei von Angehörigen der soge-nannten Volksmarinedivision kam, die den sozialdemokratischen Stadtkommandanten Otto Wels festsetzten und die Volksbeauftragten bedrohten, ließ Ebert zur Unterstützung Truppen der alten Armee heranholen. Diese Aktion veranlaßte die unabhängigen Mitglieder der Volksbeauftragten, ihre Ämter niederzulegen, weil „die Volksbeauftragten Ebert, Scheidemann, Landsberg dem Kriegsminister den unbegrenzten Auftrag zu militärischer Gewaltanwendung gegeben haben" Die Sozialdemokraten Gustav Noske und Rudolf Wissell übernahmen daraufhin die Funktionen der Ausgeschiedenen. Dem Rücktritt der unabhängigen Volksbeauftragten folgte im Reich und Preußen die Demission aller Minister und höhere Beamten, die der USP angehörten. Gleichzeitig trennte sich der Spartakus-Bund endgültig von den Unabhängigen und gründete Ende Dezember 1918 die Kommunistische Partei. In dem Gründungsaufruf hieß es: „Jetzt hat die Stunde geschlagen, in der alle proletarisch-revolutionären Elemente der USP den Rücken kehren müssen, um eine selbständige Partei mit klarem Programm, festem Ziel, einheitlicher Taktik, höchster revolutionärer Entschlossenheit und Tatkraft zu schaffen, als ein starkes Instrument zur Durchführung der beginnenden sozialen Revolution."

So war Ende 1918 die Arbeiterbewegung in drei feindliche Lager gespalten, die sich unversöhnlich gegenüberstanden. Uber den stärksten Anhang verfügte die sozialdemokratische Führung, die danach strebte, ein parlamentarisch-demokratisches Staatswesen aufzubauen und dabei mit der Unterstützung bürgerlicher Kräfte aus den Reihen des Zentrums und der Demokraten sowie der Obersten Heeresleitung rechnen konnte. Gegen die Mehrheitssozialisten marschierte die radikalisierte USP auf, die eine eindeutig sozialistisch ausgerichtete Republik erstrebte. Und schließlich organisierte sich die kleine Schar der Kommunisten, die eine Diktatur des Proletariats forderte und sich der Hoffnung hingab, einen großen Teil der USP ins Schlepptau nehmen und selbst die Führung an sich reißen zu können.

Im Januar 1919 kam es in Berlin zu Kämpfen, die von den Spartakisten, Mitgliedern der USP und revolutionären Obleuten der Großbetriebe eingeleitet wurden Die Führer der Aufständischen, Karl Liebknecht und Georg Ledebour, wollten durch Massenaktionen das Zustandekommen der Nationalversammlung verhindern und durch den Generalstreik die Rätediktatur erzwingen. Mit Hilfe von Freiwilligenorganisationen, die von ehemaligen Offizieren der kaiserlichen Armee geführt wurden, konnte der energische Volksbeauftragte Noske den Aufstand in wenigen Tagen niederwerfen, da die Führung seiner Gegner planlos handelte und sich unfähig zu irgendwelchen überlegten Aktionen zeigte. Unter den Toten befanden sich auch Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg, die von Regierungstruppen nach ihrer Gefangennahme umgebracht wurden. Die Morde an den beiden in der Arbeiterbewegung wegen ihres persönlichen Mutes geachteten Persönlichkeiten erhitzte die Leidenschaften der radikalen Elemente nur noch mehr. Die sozialdemokratischen Volksbeauftragten wurden mit der Schuld an den Vorkommnissen belastet. Im ganzen Reich kam es immer wieder zu ähnlichen Putschen und Streikaktionen. Die allgemeine Radikalisierung kam aber in erster Linie der USP, nicht den Kommunisten zugute.

4. Die staatliche Neuordnung Die Wahlen zur Nationalversammlung brachten den Arbeiterparteien nicht die erwartete absolute Mehrheit. 163 Abgeordnete .der SPD und 22 der USPD standen 236 Vertretern der bürgerlichen Parteien gegenüber. So sah sich die SPD veranlaßt, mit dem Zentrum und den Demokraten Verhandlungen über eine Regierungskoalition anzuknüpfen, da die USPD jede Mitarbeit verweigerte.

Die Nationalversammlung wählte am 1. Februar 1919 mit 277 Stimmen gegen 49 bei 51 Enthaltungen Friedrich Ebert zum Reichspräsidenten.

Der Präsident führte sich mit den Worten ein: „Ich will und werde als Beauftragter des ganzen deutschen Volkes handeln, nicht als Vormann einer einzigen Partei. Ich bekenne aber auch, daß ich ein Sohn des Arbeiterstandes bin, ausgewachsen in der Gedankenwelt des Sozialismus, und daß ich wedder meinen Ursprung noch meine Überzeugung jemals zu verleugnen gesonnen bin... Mit Stolz konnte die Sozialdemokratie darauf hinweisen, daß ein Mann aus ihren Reihen das höchste Amt im Staate angetreten hatte. Am 13. Februar ernannte Ebert die neue Regierung Philipp Scheidemann trat als „Reichsministerpräsident" sein Amt an. über die Richtlinien seiner Partei für die Zusammenarbeit mit den bürgerlichen Kabinettsmitgliedern sagte Scheidemann: „Sinnlos und unnütz wäre es, die Tatsache zu verdunkeln, daß innerhalb der neugebildeten Regierung über das Ideal einer künftigen Gesellschaftsordnung verschiedene Auffassungen herrschen ... Aber ich glaube sagen zu dürfen: kein Mitglied der Regierung verschließt sich der Erkenntnis, daß wir uns im Zuge einer Entwicklung befinden, die weder zurückgeschraubt werden kann, noch — ohne die schwerste Gefahr für das Ganze — übersehen werden darf. Auch die nichtsozialistischen Mitglieder der Regierung wissen, daß die sozialistischen nicht aufgehört haben und nicht aufhören werden, Sozialisten zu sein, und demgemäß auch im Kabinett für ihre Überzeugung eintreten werden. Nicht aber denken wir daran, auf unsere Kollegen oder auf diese Versammlung eine unzulässige, mit dem Geist der Demokratie unvereinbare Pression auszuüben."

Die neue Regierung sah ihre Hauptaufgabe darin, im Innern wieder geordnete Verhältnise zu schaffen und zu erhalten. Das revolutionäre sowjetische Beispiel schreckte, besonders da ein Bürgerkrieg nach russischem Vorbild in dem dichter besiedelten Industriestaat Deutschland noch katastrophalere Auswirkungen haben mußte. Dazu kam die außen-politische Bedrohung durch die siegreichen Ententemächte und die separatistischen Bestrebungen an Rhein und Ruhr sowie in Bayern.

Der Nationalversammlung gelang es in wenigen Monaten, eine neue staatliche Ordnung zu errichten. Schon am 11. August 1919 wurde die neue Reichsverfassung verabschiedet, nach der das Deutsche Reich als demokratischer Staat aufgebaut war. Die durch die Revolution aufgeworfenen Fragen einer neuen Sozialordnung blieben unentschieden, dem sozialistischen Gedankengut wurden aber starke Konzessionen gemacht. So waren z. B. die Organisationen der Gewerkschaften und die Betriebsräte im Artikel 165 in der Verfassung verankert. Die bürgerliche Gesellschaftsordnung blieb aber als Ganzes bestehen.

Die parlamentarische Leistung der Nationalversammlung muß um so höher bewertet werden, weil die gesetzgeberische Tätigkeit unter dem Druck der Verhandlungen in Versailles geführt werden mußte. Die Auseinandersetzungen um den Friedensvertrag führten schließlich zum Rücktritt Scheidemanns, da er die Annahme verweigern wollte. Die Nachfolge trat Gustav Bauer an. Erst nach schweren Auseinandersetzungen konnte dieser schließlich, nachdem die Ententemächte mit dem Einmarsch von Truppen in deutsches Gebiet gedroht hatten, eine Mehrheit für die Unterzeichnung zustandebringen.

Die schweren Bedingungen des Versailler Vertrages zerstörten die Illusionen derjenigen Sozialdemokraten, die von der Neuordnung im Innern außenpolitische Erleichterungen erwartet hatten. Die folgenden Monate bedeuteten daher für die Sozialdemokratie, die das Erbe des kaiserlichen Regimes angetreten hatte, eine Kette von Enttäuschungen. Denn die wirtschaftlichen Kriegsfolgen führten zu weiteren Streiks und Unruhen. Ein Teil der Arbeiterschaft war darüber erbittert, daß die erwartete Sozialisierung der Betriebe nicht voranschritt und die Arbeiterräte der Auflösung verfielen. Auf dem Parteitag der Sozialdemokratie im Juni 1919 fällte der ehemalige Volksbeauftragte und spätere Wirtschaftsminister Rudolf Wissell das bittere Urteil: „Trotz der Revolution sieht sich das Volk in seinen Erwartungen enttäuscht. Es ist nicht das geschehen, was das Volk von der Regierung erwartet hat. Wir haben die formale politische Demokratie weiter ausgebaut. Gewiß. Aber wir haben doch nichts anderes getan als das Programm fortgeführt, das von der Kaiserlich Deutschen Regierung des Prinzen Max von Baden schon begonnen worden war . . . Wir konnten die Massen nicht befriedigen, weil wir kein richtiges Programm hatten . . . Wir haben im wesentlichen in den alten Formen unseres staatlichen Lebens regiert. Neuen Geist haben wir diesen Formen nur wenig einhauchen können. Wir haben die Revolution nicht so beeinflussen können, als das Deutschland von einem neuen Geist erfüllt schiene ... Ich glaube, die Geschichte wird wie über die Nationalversammlung auch über uns in der Regierung hart und bitter urteilen."

5. Die Jahre der Bedrohung von innen und außen Die Führung der Sozialdemokratie wurde durch den Drang nach Radikalisierung innerhalb der Arbeiterschaft unsicher, der sich besonders in den Reihen der USPD äußerte, deren linker Flügel nach dem plötzlichen Tode Hugo Haase — er starb an den Folgen eines Attentats — eine erhebliche Verstärkung erfuhr. Die gleiche Radikalisierung setzte sich aber auch in den Kreisen der wieder erstarkenden Rechtsparteien und der mit ihnen sympathisierenden militärischen Verbände fort. Gerade den Regierungsparteien, vor allem aber der Sozialdemokratie, wurde von rechts und links die* Schuld an der allgemeinen wirtschaftlichen Notlage zugeschoben. Dazu kam die Unzufriedenheit der zahlreichen Freikorpsformationen, die wegen der Versailler Entwatfnungsbestimmungen mit ihrer baldigen Auflösung rechnen mußten. Die Regierung fürchtete diese Verbände, die teilweise in der Hand reaktionärer Offiziere waren, andererseits brauchte sie diese Truppen zur Unterdrückung der immer wieder aufflammenden Aufstände.

Es war in den vorhergehenden Monaten nicht gelungen, Regimenter aus zuverlässigen republikanischen Elementen aufzustellen, denn gerade die Arbeiterschaft, auf deren Unterstützung man hoffte, wollte keine Waffen mehr tragen, auch nicht zum Schutze der Republik.

„Jetzt begeistert man sich ja wieder für eine republikanische und revolutionäre Arbeiter-truppe. Wo wir sie hatten, taugte sie nichts, sie debattierte und war niemals zu haben, wenn Gefahr im Verzüge war . . . Ein vollständiger Kladderadatsch der Truppe, die redet und diskutiert und die Waffe nicht in die Hand nimmt, wenn man sie braucht." Mit diesen Worten konnte sich Noske später gegen wiederholte Vorwürfe aus den eigenen Reihen rechtfertigen.

In dieser Situation kam es zu dem Kapp-Putsch, einer Aktion monarchisch gesinnter Offiziere und Beamten, die die Reichshauptstadt durch Truppen der Brigade Erhardt besetzen ließen. Da die Führung der Reichs-wehr in ihrer Mehrzahl nicht bereit war, den Meuterern entgegenzutreten, entzogen sich Reichspräsident Ebert und die Regierungsmitglieder der drohenden Verhaftung und wichen erst nach Dresden, dann nach Stuttgart aus. Ein von den Gewerkschaften proklamierter Generalstreik, dem sich die Arbeiterschaft und große Teile der Beamten anschlossen, ließ das Unternehmen schon nach fünf Tagen zusammenbrechen, zumal sich der überwiegende Teil der Reichswehr abwartend verhielt. Die Folge des Kapp-Unternehmens waren schwere Unruhen der Linksradikalen im Rheinisch-Westfälischen Industriegebiet und in Mittel-deutschland, die auch zu örtlichen Erfolgen der Aufständischen führten. Sie konnten erst zur Kapitulation gezwungen werden, nachdem Truppen in verstärktem Maße herangeholt worden waren.

Diese Ereignisse hatten die Autorität der Regierung stark erschüttert. Ein Versuch des Gewerkschaftsführers Legien, die Arbeiterparteien-und Organisationen in einer Regierung zusammenzufassen, scheiterte an der abweisenden Haltung der Kommunisten und des linken Flügels der USPD. So blieb der Sozialdemokratie nichts weiter übrig, als noch einmal eine Koalitionsregierung mit ihren früheren Partnern zu bilden. An die Stelle Otto Bauers trat jetzt Hermann Müller. Reichswehrminister Noske und der preußische Innenminister Wolfgang Heine, die beide durch ihre fahrlässige Vertrauensseligkeit das Kapp-Unternehmen unbewußt gefördert hatten, mußten zurücktreten, obwohl Ebert große Anstrengungen unternahm, wenigstens Noske zu halten. Das Reichswehrministerium übernahm der Demokrat Otto Geßler. Die Sozialdemokratie versäumte es, diesen wichtigen Posten mit einem Vertrauensmann zu besetzten, nachdem ihn der dafür vorgesehene Otto Wels abgelehnt hatte, weil ihm die interne Partei-arbeit mehr lag. Das Verhältnis zwischen Reichswehr und Sozialdemokratie blieb auch in den nächsten Jahren gespannt.

Die prekäre Lage im Innern, verbunden mit der Furcht vor neuen bewaffneten Aktionen der Linksradikalen, hinderte das neue Kabi-nett so durchzugreifen, wie es nach dem Kapp-Putsch nötig gewesen wäre, um die kompromittierten Offiziere und höheren Beamten zur Rechenschaft zu ziehen. Von einer strengen Bestrafung der Schuldigen und einer kontinuierlichen Republikanisierung der Reichs-wehr und Verwaltung war nicht mehr die Rede. Der neue Chef der Heeresleitung, General Hans von Seeckt, führte eine Entpolitisierung der Truppe in dem Sinne durch, daß er sie zu einem Staat im Staate heranbildete. Von der übrigen politischen Entwicklung ließ sich Seeckt nur wenig beeinflussen.

Die Reichstagswahl vom 6. Juni bedeutete für die Parteien der Weimarer Koalition eine schwere Niederlage. Die Sozialdemokratie erhielt sechs Millionen Stimmen, gegenüber 11, 5 Millionen bei den Wahlen zur Nationalversammlung, während die Unabhängigen erheblich zu nahmen und fünf Millionen Stimmen auf sich vereinigen konnten. Die Kommunisten, die zum ersten Male an den Wahlen teilnahmen, brachten es nur auf 500 000 Stimmen. Ihre wiederholten Putsche hatten sich nicht ausgezahlt, sondern einen großen Teil der Arbeiterschaft . mißtrauisch gemacht. Das Kabinett Müller trat zurück. An der neuen Regierung, die der Zentrumsabgeordnete Fehrenbach bildete, war die Sozialdemokratie nicht mehr beteiligt.

Mit größerem Glück konnte sie sich aber in Preußen, dem größten der deutschen Länder, behaupten, wo Otto Braun nach dem Zusammenbruch des Kapp-Putsches eine Koalitionsregierung zusammen mit dem Zentrum und den Demokraten gebildet hatte, die mit kurzen Unterbrechungen bis 1932 amtierte. Zusammen mit dem Innenminister Severing wurde Braun eine der einflußreichsten politischen Persönlichkeiten in Preußen. Die Stabilität dieser Regierung bedeutete eine starke Stütze für die Reichspolitik. Braun führte gegen alle Angriffe von links und rechts einen streng republikanischen Kurs durch. Mit Hilfe einer gut ausgebildeten Polizei gelang es, die Aufstandsversucbe der Kommunisten und ihrer Tarnorganisationen sowie drohende Bürgerkriegsvorbereitungen von rechtsradikaler Seite im Keime zu ersticken und den schwarz-rot-goldenen Farben der Republik in der Öffentlichkeit Preußens Achtung zu verschaffen.

Der Erfolg, den die USPD bei den Reichstags-wahlen errungen hatte, war aber nur scheinbar, denn die Partei war innerlich zu sehr zerrissen. Die gemäßigten Elemente wurden ausgeschaltet. Schon im Dezember 1919 hatten die Radikalen sich zur bolschewistischen Dritten Internationale bekannt. Jm Juli 1930 sandte die Parteiführung eine Abordnung nach Moskau, um diesen Anschluß zu vollziehen, wobei aber eine gewisse Unabhängigkeit durchgesetzt werden sollte. Die Bedingungen der Kommunistischen Internationale (21 Moskauer Punkte) lauteten aber, jede Selbständigkeit preiszugeben, diejenigen Mitglieder der USPD, die damit nicht einverstanden waren, aus der Partei auszuschließen, den alten Parteinamen aufzugeben und sich schließlich der zahlenmäßig schwachen Kommunistischen Partei Deutschlands anzuschließen. Im Oktober 1920 kam es auf dem Parteitag in Halle zur Entscheidung. Der Kominternchef Sinowjew, der die deutsche Sprache beherrschte, griff selbst in die Debatte ein. Seiner demagogischen Beredsamkeit gelang es, die Mehrheit der Zuhörer zu überzeugen. Die treffenden Gegenargumente Rudolf Hilferdings konnten dagegen nicht durchdringen: „Wenn die Politik so einfach wäre, so wäre es außerordentlich leicht, aber ich bin allerdings der Meinung, daß die Befreiung der Arbeiterklasse ihr eigenes Werk auch in dem Sinne sein muß, daß sie auch ihre eigene Denkarbeit sein muß, die nicht ersetzt werden kann dadurch, da man Erfahrungen anderer Länder einfach auf die deutschen Verhältnisse anwendet. Wir müssen unsere politischen Probleme selbst lösen, und diese Lösung können wir nicht von außen akzeptieren, so wichtig es ist, daß wir aus den Erfahrungen der russischen Revolution lernen, lernen was zu machen ist, und sehr auch lernen, wie es nicht zu machen ist. Aber ebenso wichtig ist, daß wir diese Erfahrungen selbst verarbeiten, selbst anwenden in der eigenen Praxis . .

Bei der Abstimmung bekannten sich 236 Delegierte zu den Moskauer Thesen, 156 dagegen. Im Dezember 1920 schloß sich die Mehrheit den Kommunisten an und rettete damit deren durch die wiederholten vergeblichen Putschversuche stark geschwächten Mitgliederbestand. Jetzt erst wurde die KPD eine Massenpartei.

Im Juni 1922 ging die restliche USPD schließlich auf das Angebot der sozialdemokratischen Führung ein, sich mit ihr zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammenzuschließen. Im September des gleichen Jahres erfolgte der endgültige Anschluß mit einem Bekenntnis zur Republik: „Was will die Vereinigte Sozialdemokratische Partei? Sie will Schutz und Festigkeit der Republik. Sie will, daß das deutsche Volk bewußt und freudig bis zur Grenze seiner Leistungsfähigkeit teilnehme an dem Wiederaufbau der Welt, daß ihm aber auch das gleiche Recht teil werde wie jedem anderen, und daß ein Ende gemacht werde mit einer Politik böswilliger Überlastung und zerstörender Gewaltmaßregeln . . ." Unter denen, die sich freiwillig der Sozialdemokratie wieder anschlossen, befanden sich auch Dittmann und Hilferding.

Die Geschichte der USPD war beendet. Eine kleine Gruppe unter Ledebour, die selbständig fortwirken wollte, besaß keinen Einfluß mehr. Der Zerfall der Partei hatte gezeigt, daß in der deutschen Geschichte auf längere Sicht zwischen Sozialdemokratie und Kommunismus keine Betätigungsmöglichkeit mehr für eine dritte Arbeiterpartei vorhanden war. Die Trennungswand zwischen demokratischem Sozialismus und totalitärem Kommunismus war aufgerichtet. Im Rückblick auf diese Ereignisse stellte Hilferding auf dem Kieler Parteitag der SPD fest: „Die deprimierendsten Stunden in meinem Parteileben erlebte ich in dem Kampf, den ich in der Unabhängigen Sozialdemokratie gegen die Anhänger der 21 Moskauer Punkte führen mußte. Viele Arbeiter haben nicht verstanden, was sie preisgaben, als sie sich diesen 21 diktatorischen Bedingungen nicht nur für das Staatsleben, sondern sogar für die eigene Partei unterordneten. “ Die Verschmelzung zwischen SPD und der restlichen USPD hatte sich verhältnismäßig reibungslos vollzogen, weil beide Seiten den ehrlichen Willen hatten, den Streit der vergangenen Jahre ruhen zu lassen und im Interesse der Arbeiterschaft positiv am staatlichen Aufbau mitzuarbeiten. Gestützt auf die Freien Gewerkschaften besaß die Sozialdemokratie jetzt wieder eine Mehrheit innerhalb der sozialistischen Bewegung Deutschlands. Die Partei hielt an den Methoden der parlamentarischen Demokratie und der gewerkschaftlichen Aktion fest, um die Situation der Arbeiter und Ange-, stellten in einer Zeit steigender Inflation und Reparationsverpflichtungen, die das Wirtschaftsleben in wachsendem Maße bedrohten, erträglich zu gestalten. Die Partei erklärte sich auch weiterhin bereit, an Koalitionsregierungen mit denjenigen bürgerlichen Parteien teilzunehmen, die sich der Republik verbunden fühlten. In allen Fragen, die eine Sozialisierung der Industrie und des Großgrundbesitzes sowie die Verwirklichung einer sozialistischen Gesellschaftsordnung betrafen, war die Sozialdemokratie daher zu einer zurückhaltenden Politik gezwungen.

So beteiligten sich Vertreter der SPD im Kabinett des Reichskanzlers Dr. Wirth, der dem linken Flügel des Zentrums angehörte und zu den christlichen Gewerkschaften Beziehungen unterhielt. Der überzeugte Demokrat Wirth leitete in Übereinstimmung mit seinen sozialdemokratischen Koalitionspartnern die sogenannte Erfüllungspolitik ein. Ihr lag der Gedanke zugrunde, durch pünktliche Reparationszahlungen den guten Willen Deutschlands zu beweisen und eine außenpolitische Beruhigung herbeizuführen. Auf diese Weise hoffte Wirth, die Siegermächte bald von den Grenzen der deutschen Zahlungs-und Lieferungsmöglichkeiten überzeugen zu können. Der Erfolg dieser Politik blieb aber aus, da sich die Ententemächte noch nicht zu milderen Bedingungen bereit erklärten. Der wirtschaftliche Druck auf dem besiegten Lande blieb bestehen. Die Autorität und Volkstümlichkeit der Koalitionsparteien verbrauchte sich daher schnell. Die Opposition der Gegner von rechts und links gegen die „Erfüllungspolitiker" nahm zu, desgleichen die Verbitterung großer Volksschichten. Während die SPD das republikanische Staatswesen und seine Gesetze respektierte, verfolgten die Kommunisten andere Ziele. Durch die Spaltung der USPD zur Massenpartei herangewachsen, führten sie eine Politik gemäß den Weisungen der Moskauer Internationale durch. Sie bemühten sich, ihre Bewegung mit allen Mitteln vorwärts zu treiben und Süchten jede Möglichkeit des bewaffneten Aufstandes wahrzunehmen. Da aber die erhoffte allgemeine Erhebung der Arbeiterschaft ausblieb, brachen die von ihnen inszenierten Aufstände und Streikaktionen immer wieder rasch zusammen. Die Folge davon war, daß innerhalb der KPD . eine Führungskrise die andere ablöste. Funktionäre, die gegen die Autorität der Moskauer Führung auftraten, wurden als „Gegenrevolutionäre" oder „Verräter" aus der Partei ausgestoßen. So gelang es der bolschewistischen Internationale, in kurzer Zeit jede selbständige Regung in der Leitung der KPD abzutöten.

Die Kluft zwischen SPD und KPD mußte daher immer größer werden. Die Sozialdemokratie blieb ihrer Tradition, die im europäischen Liberalismus des 19. Jahrhunderts wurzelte', treu. Neben den Forderungen nach sozialer Gleichberechtigung und dem Aufbau vorbildlicher Sozialeinrichtungen blieb für sie auch die Wertschätzung des Einzelmenschen sowie der Freiheitsbegriff bestehen. Die Kommunistische Partei richtete sich dagegen nach den totalitären Begriffen des diktatorischen sowjetischen Systems aus, das die Herrschaft mit Hilfe einer mit allen Vollmachten ausgestatteten brutalen Geheimpolizei ausübte. Für die herrschende Funktionärsschicht bedeutete die individuelle Freiheit gemäß Lenins Auffassung lediglich ein „kleinbürgerliches Vorurteil". Die Sozialdemokratie bemühte sich auch, ihre Parteipolitik der allgemeinen Entwicklung an-

zupassen. Die bisher noch geltenden Richtlinien des Erfurter Programms aus dem Jahre 1891 ersetzte sie durch ein neues Programm, das im September 1921 auf dem Parteitag in Görlitz angenommen wurde. Es bejahte die derzeitige Staatsform, entwickelte schon seit langem bestehende reformistische Gedankengänge weiter und forderte für alle Gebiete des politischen und wirtschaftlichen Lebens wert-gehende Reformen: „Die Sozialdemokratische Partei . . . betrachtet die demokratische Republik als die durch die geschichtliche Entwicklung unwiderruflich gegebene Staatsförm, jeden Angriff auf sie als ein Attentat auf die Lebensrechte des Volkes. Die Sozialdemokratische Partei kann sich aber nicht darauf beschränken, die Republik vor den Anschlägen ihrer Feinde zu schützen. Sie kämpft um die Herrschaft des im freien Volksstaat organsierten Volkswillens über die Wirtschaft, um die Erneuerung der Gesellschaft im Geiste sozialistischen Gemeinsinns . .

Die weitere innenpolitische Entwicklung sowie die enge Verbindung mit den ehemaligen Mitgliedern der USPD erforderten aber bald eine Revidierung der Görlitzer Thesen. Ein neues Programm, das auf dem Heidelberger Parteitag im September 1925 angenommen wurde, näherte sich wieder stärker den marxistischen Grundsätzen von früher, betonte die wirtschaftlichen Interessen der Arbeiterschaft und kam den Linkstendenzen vieler Mitglieder entgegen: „Grund und Boden, Bodenschätze und natürliche Kraftquellen, die der Energieerzeugung dienen, sind der kapitalistischen Ausbeutung zu entziehen und in den Dienst der Gemeinschaft zu überführen. Ausgestaltung des wirtschaftlichen Rätesystems zur Durchführung eines Mitbestimmungsrechts der Arbeiterklasse an den Organisationen der Wirtschaft unter Aufrechterhaltung des engen Zusammenwirkens mit den Gewerkschaften. Kontrolle des Reichs über die kapitalistischen Interessengemeinschaften, Kartelle und Trusts . . ." Diese Forderungen bestanden aber nur in der Theorie, die Praxis blieb evolutionistisch.

Das Jahr 1923 erwies sich durch den französischen Ruhreinmarsch auch für die Sozialdemokratie als äußerst kritisch. Sie nahm zusammen mit den Gewerkschaften an dem vom Kabinett des Reichskanzlers Cuno ausgerufenen passiven Widerstand teil und stellte sich der neuen nationalen Einheitsfront zur Verfügung.

Die Lahmlegung des Produktionszentrums an der Ruhr führte sofort zu einem Verfall der gesamten Wirtschaft. Gleichzeitig nahm die schon seit 1919 schwelende Inflation gewaltige Ausmaße an. Das Geld verlor jeden Wert. Die Hauptleidtragenden waren die Lohn-und Gehaltsempfänger sowie der Mittelstand, dessen Ersparnisse und Vermögen sich in ein Nichts auflösten. Die rasende Geldentwertung hob alle vorhandenen Begriffe von Eigentum und Gesetzlichkeit auf. Zudem erwies sich von Monat zu Monat mehr, daß der passive Widerstand an der Ruhr ein Fehlschlag war, der dem eigenen Volke mehr schadete als der französischen Besatzungsmacht.

Die Verzweiflung in breiten Kreisen des Volkes, die eine revolutionäre Stimmunng aufkommen ließ, stellte auch der Sozialdemokratie unlösbare Aufgaben. Sie war entschlossen, alles zu tun, um den Ruhrkampf und die Inflation auf legale Weise zu beenden und erklärte sich zu diesem Zweck auch bereit, wieder in eine Regierungskoalition einzutreten.

Auch die Gewerkschaften wurden mit in die Krise hineingezogen, denn die Inflation vernichtete ihre Vermögenswerte und machte zudem alle Tarifverträge sinnlos, da die Geldentwertung schon wenige Tage später alle Abmachungen überholt hatte.

Aus den Reihen der Arbeiterschaft wurde die Sozialdemokratie jetzt beschuldigt, die Dinge treiben zu lassen, Vorwürfe, die eigentlich der Regierung des Reichskanzlers Cuno hätten gel-ten müssen, in der die Partei nicht vertreten war. Es bildete sich eine neue linke Gruppe, die aber nichts mit der früheren USPD zu tun hatte. Es handelte sich um maßgebende Funktionäre in Sachsen und Thüringen, die eine Zusammenarbeit mit den bürgerlichen Parteien ablehnten, dafür aber bereit waren, Verbindungen zu den Kommunisten aufzunehmen, um diese zu einer verantwortungsvollen Mitarbeit heranzuziehen und eine proletarische Machtpolitik durchzuführen. Wortführer dieser Radikalen war der sächsische Ministerpräsident Erich Zeigner, der jetzt im Zusammenwirken mit den Kommunisten in Sachsen proletarische Hundertschaften aufstellen ließ und in der Öffentlichkeit scharfe Angriffe gegen die von der Reichswehrführung mit Wissen der Regierung aufgestellte sogenannte „Schwarze Reichswehr" führte. Die Kommunistische Internationale sah diese Entwicklung sehr gern, denn nun bot sich wieder eine Möglichkeit, in die deutschen Verhältnisse aktiv einzugreifen. Nachdem die Moskauer Zentrale bei Beginn des Ruhrkampfes der KPD empfohlen hatte, sich in die allgemeine Abwehrfront, sogar zusammen mit den Rechtsradikalen, einzureihen, wurde jetzt beschlossen, auf eine Zusammenarbeit mit der SPD gegen die Regierung in Berlin hinzuwirken.

Am 12. August 1923 trat das Kabinett Cuno zurück. Der Ruhrwiderstand war gescheitert, die Währung vollkommen zerrüttet. Der führende Politiker der Deutschen Volkspartei, Gustav Stresemann, bildete daraufhin eine Koalitionsregierung, in der die Sozialdemokratie das Innenministerium (Severing), das Finanzministerium (Hilferding) und das Justizministerium (Radbruch) erhielt. Die sozialdemokratischen Minister wollten den Ruhrkampf beenden, eine Verständigung mit Frankreich herbeiführen und die Währung stabilisieren. Hilferding forderte eine neue Währung auf der Goldgrundlage und beab39 sichtigte, durch eine Verschärfung der Vermögens-und Erbschaftssteuern die nötigen Mittel dafür aufzubringen. Konflikte innerhalb der Regierung führten aber dazu, daß die Deutsche Volkspartei, die gegen die Besteuerung des Besitzes und für die Abschaffung des Achtstundentages eintrat, als Koalitionspartner den Rücktritt Hilferdings durchsetzte. Die immer komplizierter werdende Lage im Innern, separatistische Aktionen an Rhein und Ruhr, Unabhängigkeitsbestrebungen in Bayern — seit 1919 die Zufluchtsstätte völkischer und militärischer Organisationen und Verbände und der Hitlerbewegung — sowie die Tätigkeit proletarischer Hundertschaften in Sachsen und Thüringen, veranlaßte Stresemann am 26. September 1923 den Ausnahmezustand zu erklären.

Daraufhin traten in Sachsen und Thüringen mit Zustimmung der dortigen Sozialdemokraten kommunistische Vertreter in die Kabinette dieser Länder ein. Das wurde von der Parteileitung der SPD schärfstens mißbilligt. Stresemann ließ als Gegenaktion sofort die Reichs-wehr in Sachsen und Thüringen einrücken und die Hundertschaften auflösen. Außerdem setzte die Reichsregierung einen Kommissar ein und veranlaßte die dort amtierenden Regierungen zum Rücktritt, die dann durch rein sozialdemokratische Kabinette ersetzt wurden. Die sozialdemokratischen Minister der Reichs-regierung wollten aber die Verantwortung für diesen Gewaltstreich nicht übernehmen und traten am 2. November 1923 zurück. Obwohl sie mit Zeigners Politik niemals einverstanden waren, mißtrauten sie Stresemann, der gegen den Linksradikalismus mit Militärgewalt vorgegangen war, sich aber weigerte, ähnliche Maßnahmen gegen die stärkeren und darum gefährlicheren Rechtsradikalen in München zu unternehmen.

Die Aktionen in Sachsen und Thüringen hatten aber doch den Erfolg, daß die partikularistisehen und separatistischen Kräfte in Bayern vorsichtiger wurden. Ein Putsch Adolf Hitlers konnte mühelos von der örtlichen Polizei und der Reichswehr niedergeschlagen werden. Die bayerische Regierung erklärte sich daraufhin zum Einlenken bereit. Die am 16. November 1923 erfolgte Ausgabe der Rentenmark machte der Inflation ein Ende und trug schließlich erheblich zur Beruhigung der Verhältnisse bei.

6. Die Jahre der Erholung Während Ende 1923 das Deutsche Reich vor dem völligen Zusammenbruch zu stehen schien, konnten kritische ausländische Beobachter schon im Frühjahr des nächsten Jahres eine erhebliche Besserung der Verhältnisse feststellen. Der militärische Ausnahmezustand wurde aufgehoben, die Währung blieb stabil.

Eine Wende der Reparationspolitik kündete sich an, und die Außenpolitik Stresemanns fand in Europa und den USA Vertrauen. Die deutsche Wirtschaft erholte sich schnell unter der belebenden Wirkung von Ausländsanleihen, die Zahl der Arbeitslosen sank.

Der Anfang 1924 durch die Ereignisse der vergangenen Monate geschwächte Sozialdemokratie konnte sich ebenfalls kräftigen. Sie war zwar nicht in der Regierung vertreten, unterstützte aber trotzdem das amtierende bürgerliche Kabninett und vor allem den Reichsaußenminister Stresemann, der neben seinen Bemühungen um die Versöhnung mit den früheren Gegnern Deutschlands eine Politik der „Erfüllung“ der Versailler Forderungen betrieb, um die Voraussetzungen für eine künftige Revision zu schaffen. Die SPD befürwortete den Dawes-Plan und die Ausländsanleihen, mit deren Hilfe neue Arbeitsplätze geschaffen werden konnten. Zusammen mit den Gewerkschaften bemühte sie sich, den Lebensstandart der Arbeiter weiterhin zu heben und trieb, besonders in Preußen, eine erfolgreiche Kommunalpolitik. Sie beeinflußte außerdem die Sozialgesetzgebung durch positive Vorschläge.

Mit ihrer Hilfe wurde im Reichstag ein Gesetz über die Arbeitslosigkeit angenommen und durchgeführt, das den Erwerbslosen ein gewisses Existenzminimum garantierte. Gleichzeitig erfolgte auch der Ausbau des staatlichen Schlichtungswesens. Die Löhne stiegen, die Radikalisierung ließ nach, und auch mancher Vertreter der in Opposition stehenden Rechtsparteien mußte eingestehen, daß die republikanische Verfassung von Weimar doch ein Instrument zur wirtschaftlichen und politischen Gesundung war. Schon bei den Wahlen vom Dezember 1924 erhielt die SPD fast acht Millionen Stimmen, während die KPD Verluste hatte.

In Preußen erzielte die Regierung Braun-Severing, die eine Koalition mit dem Zentrum und den Demokraten beibehielt, besonders durch die geschickte Behandlung des Zentrumspartners, eine wirkliche politische Stabilität. Es gelang hier, die einflußreichen Stellen mit Vertretern der Koalitionsparteien zu besetzen und einen zuverlässigen Verwaltungsapparat zu schaffen. Vor allem legte man Wert auf den Ausbau der Positionen in der Polizei und im höheren Kommunaldienst. Es gelang auch, eine Polizeitruppe zu organisieren, die allen Anforderungen genügte und im Ernstfälle mit den Unruhen fertig werden konnte, ohne die Unterstützung der Reichswehr in Anspruch nehmen zu müssen.

Die Sozialdemokratie hatte auch starken Einfluß in den Länderregierungen von Baden, Hessen und Hamburg sowie zahlreichen Gemeinden, in denen sozialdemokratische Bürgermeister und Stadträte saßen. Unterstützt von Vertretern des Zentrums und der Demokraten gründete sie im Frühjahr 1924 einen Verband republikanischer Frontkämpfer, das Reichs-banner Schwarz-Rot-Gold, das als Gegengewicht zu dem konservativen Stahlhelm und den völkischen Organisationen gedacht war. „Der Bund wird keine eigenen politischen und wirtschaftlichen Ziele verfolgen", verkündete das Gründungsmanifest. „Die Lösung dieser Aufgaben sei den dazu berufenen republikanischen und wirtschaftlichen Verbänden überlassen. In seinen Reihen nimmt der Bund jeden Kriegsteilnehmer auf, der mit Herz und Hand für die deutsche Republik einzutreten gewillt ist" Das Reichsbanner entwickelte sich bald zu einer Massenorganisation, die einen Mitgliederbestand von fast drei Millionen erreichte.

Während der Einfluß der Sozialdemokraten stieg, schritt die KPD wieder durch schwere Krisen. Da sich ihre Führung nicht dazu durchringen konnte, sich von der sowjetischen Bevormundung zu lösen und eine selbständige deutsche Parteiorganisation aufzubauen, geriet sie immer mehr in Abhängigkeit. Stalin ließ die wenigen noch eigenwilligen Elemente entfernen und setzte dafür seine Vertrauensleute, an ihrer Spitze den Transportarbeiter Ernst Thälmann, ein. Damit war jede eigene Initiative erstickt. Die Parteibürokratie betrachtete sich lediglich als Ausführungsorgan der Moskauer Zentrale und wurde außerdem noch in die Richtungsstreitigkeiten, die Stalin in der Sowjetunion entfesselte, mit hineingezogen.

Am 28. Februar 1925 starb Friedrich Ebert, der erste Präsident der Republik, über den Parteien stehend, hatte seine Persönlichkeit die schwierigen Aufgaben seines Amtes gemeistert und viel dazu beigetragen, daß die kritischen Monate des Jahres 1923 überstanden wurden. Das Bürgertum hatte es aber Ebert nicht gedankt. Der „Sattlergeselle" wurde häufig die Zielscheibe ihres Spottes. Nationalistische Richter bezichtigten ihn außerdem in einem Beleidigungsprozeß des Landesverrats, weil er 1918 in das Komitee der Munitionsarbeiter eingetreten war, um den Streik zu beenden.

Nach dem Tode Eberts kam es zu einer Macht-probe zwischen den Anhängern der Weimarer Koalition und dem Rechtsblock. Nachdem der erste Wahlgang, bei dem die Sozialdemokratie Otto Braun als Kandidaten aufstellte, in Anbetracht der Zersplitterung zu keinem Ergebnis geführt hatte, unterstützte die SPD im zweiten Wahlgang den Kandidaten des Zentrums, Wilhelm Marx, gegen den Kandidaten der Rechten, Generalfeldmarschall von Hindenburg. Die Kommunisten hatten Ernst Thälmann aufgestellt. Mit klarer Mehrheit siegte Hindenburg. Ein preußischer Konservativer alten Stils wurde jetzt Staatsoberhaupt. In den Jahren der Stabilisierung gewann der republikanische Gedanke zweifellos an Boden. Die sozialdemokratischen Theoretiker versuchten immer wieder, die reformistische Praxis der Partei mit der marxistischen Theorie in Einklang zu bringen. Obwohl viele revolutionäre marxistische Grundsätze der Vergangenheit mit der Gegenwart, in der die Partei das republikanische Staatswesen bejahte, nicht mehr zu vereinbaren waren, zwang die Existenz der Kommunisten die Führung der SPD jedoch, das marxistische Erbe ungeschmälert beizubehalten. Den Anspruch der KPD, die in der Öffentlichkeit als Rivalin im Ringen um die Arbeiterschaft auftrat, alleiniger Vorkämpfer der marxistischen Ideologie zu sein, konnte die SPD nur begegnen, indem sie den Thesen Lenins den liberalen und humanitären Marxismus gegenüberstellte, den Eduard Bernstein, Karl Kautsky und Rudolf Hilferding lehrten.

Das Verharren in doktrinären marxistischen Gedankengängen trug aber wesentlich dazu bei, daß den gesunden nationalen Gefühls-werten im Leben des Volkes von Seiten der SPD zu wenig Beachtung geschenkt wurde, ja, daß man die Propaganda für vernünftige nationale Belange oft den anderen Parteien, vor allem den Deutschnationalen und Nationalsozialisten, überließ. Die törichte, 1922 gefallene Äußerung eines ehemaligen Führers der USPD, Arthur Crispien, . Wir kennen kein Vaterland, daß man Deutschland nennt. Unser Vaterland ist die Erde, ist das Proletariat, die proletarische Internationale" kennzeichnete für spätere Jahre die Einstellung mancher radikal gesinnter Mitglieder. Abgesehen davon, hatte gerade dieser Ausspruch verhängnisvolle Auswirkungen für die Gesamtpartei, da er von den Rechtsextremisten immer wieder propagandistisch gegen die SPD ausgewertet wurde.

Aus der Vorkriegszeit hatte die Sozialdemokratie ihren Glauben an den unbegrenzten Fortschritt der Menschheit auch mit in die Weimarer Republik hinübergenommen. Die Führung der Partei, vertreten durch Funktionäre und Gewerkschaftssekretäre, die sich in langjähriger Arbeit bewährt hatten, war fest davon überzeugt, daß das deutsche Volk im Rahmen des demokratischen Staates einen evolutionären Weg zum allgemeinen Glück finden würde. Die Partei identifizierte sich schlechthin mit der Republik, als deren Hüterin sie sich betrachtete, wenn ihr auch manche staatlichen Einrichtungen mißfielen und vieles reformbedürftig erschien. Ihre Gegner von rechts und links billigten ihr daher diese freiwillig übernommene Verteidigungsrolle gern zu und betrachteten die Sozialdemokratie als die Zielscheibe ihrer ständigen Angriffe. So mußte sich die SPD pausenlos mit den Feindseligkeiten der Kommunisten auseinandersetzen, die sie mit dem Schimpfwort „Sozialfaschisten" belegten und ihr vorwarfen, das Proletariat verraten zu haben, und sich der Beschuldigungen der Rechtsextremisten erwehren, die sie des Vaterlandsverrats bezichtigten.

Die innere Politik der SPD stellte sich als ein großer Erfolg heraus, als ihr bei den Wahlen vom Mai 1928 über 9 Millionen Stimmen zufielen. Eine Koalitionsregierung aus Sozialdemokraten, Zentrum, Demokraten, Bayerischer Volkspartei und Deutscher Volkspartei kam zustande. Hermann Müller-Franken wurde zum Reichskanzler berufen, Severing erhielt das Innenministerium, Hilferding das Finanzministerium und Wissell das Arbeitsministerium. Die große Koalition wollte den inneren Frieden erhalten, die republikanischen Einrichtungen schützen und die Lebenshaltung des Volkes weiter verbessern. Eine neue Reparationsregelung, der Young-Plan, verlangte zwar noch hohe finanzielle und wirtschaftliche Leistungen, brachte aber Erleichterungen, wie die Abschaffung der Finanzkontrollen und den Abzug der Besatzungstruppen aus dem Rheinland. Seit 1919 war das Verhältnis zwischen SPD und Reichswehr äußerst gespannt geblieben. Auch nach dem Abgang des Chefs der Heeresleitung, Generaloberst von Seeckt, blieben die Mißhelligkeiten bestehen. Die Mitglieder der SPD mißtrauten den Offizieren, die nach wie vor zu den Rechtsverbänden Beziehungen aufrecht erhielten, weil sie diese als Reserve für eine künftige Vergrößerung der Wehrmacht betrachteten. Erinnerungen an die Zeit des Kapp-Putsches, an die sogenannte „Schwarze Reichswehr" von 1923 und die sich häufenden Fememordprozesse trugen dazu bei, gewisse Ressentiments, die schon in der Vorkriegszeit bestanden hatten, neu zu beleben. Alte Streitigkeiten in der Sozialdemokratie, die sich an dem Thema „Wehrhaftigkeit oder Pazifismus"

entzündeten, brachen wieder aus, als die Regierung Müller die Gelder für den Bau eines Panzerkreuzers bewilligte, der schon von dem vorhergehenden bürgerlichen Kabinett beschlossen worden war. Die sozialdemokratische Parteiführung hatte aber bei den Vorbereitungen zu den Wahlen von 1928 dem Drängen pazifistischer Elemente in ihren Reihen nachgegeben und sich propagandistisch gegen den Bau festgelegt. Parteiführung und Reichstagsfraktion distanzierten sich daraufhin von dem Beschluß ihrer Minister, die sich jetzt veranlaßt sahen, der scharfen antimilitaristischen Stimmung in der Partei entgegenzutreten. Auf einen Antrag hin, den Bau überhaupt einzustellen, den die SPD im Reichstag einbrachte, mußten die sozialdemokratischen Minister wegen der Fraktionsdisziplin sogar gegen ihren eigenen früheren Kabinettsbeschluß stimmen. Der Antrag wurde aber mit einer Mehrheit von den anderen Koalitionspartnern abgelehnt.

Rückblickend stellte der Chefredakteur der „Lübecker Volkszeitung", Julius Leber, fest:

„Der Panzerstreit wurde für die Partei geradezu ein Verhängnis. Ihre wahren Beweggründe konnten sie (die Minister) nicht sagen, sich einfach zum Bau bekennen mochten sie auch nicht, und so entstand jenes unheilvolle Durcheinander von schlechtem Gewissen und lahmen Ausreden."

Auf dem Parteitag zu Magdeburg, Mai 1928, sah sich die Führung genötigt, ihre Haltung in der Wehrfrage noch einmal zu überprüfen. Die Richtlinien zur Wehrpolitik vom 28. Mai 1929 bedeuteten einen Kompromiß.

Sie bejahten die Landesverteidigung und forderten für die deutsche Republik „eine Wehrmacht zum Schutze ihrer Neutralität und der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Errungenschaften der Arbeiterklasse", verlangten aber scharfe Kontrollen des Reiches über alle Verwaltungs-und Rüstungsangelegenheiten der Reichswehr sowie un-parteiische Rekrutierung und eine Demokratisierung des Militärstrafrechts

Im Herbst 1929 setzte die große Wirtschaftskrise ein, die, von New York ausgehend, Europa ergriff und Deutschland, das jetzt keine ausländischen Anleihen mehr bekam, am schwersten in Mitleidenschaft zog. Die Zahl der Erwerbslosen stieg sprunghaft und erreichte schon 1930 die Ziffer von drei Millionen, zu denen noch Millionen von Kurzarbeitern kamen. Die Steuereinkünfte gin-gen zurück; es erhob sich überall der Ruf nach Sparsamkeit. Im Kabinett kam es zu schweren Konflikten zwischen Sozialdemokraten und Deutscher Volkspartei um die Frage der Arbeitslosenversicherung. Hilferding wurde wieder einmal im Interesse der Koalition geopfert und mußte gehen. Aber bald kam es zu neuen Auseinandersetzungen um das gleiche Problem. Die Gewerkschaften verlangten von Hermann Müller eine feste Haltung, als es um die Höhe der Arbeiterbeiträge zur Arbeitslosenversicherung ging. Im März 1930 brach die Koalition deswegen auseinander. Als verbrauchter und schwerkranker Mann trat Hermann Müller zurück. Die sich immer mehr verschärfende Krise wirkte sich auch aus dem Grunde so verhängnisvoll aus, weil die Masse der Bevölkerung geglaubt hatte, nach den Not-und Elendszeiten des Krieges, der Revolution und der Inflation jetzt endlich den Weg zu einer ruhigen und stetigen Aufwärtsentwicklung gefunden zu haben. Die Schuld an dieser Wendung wurde wiederum dem bestehenden Staatswesen und den es unterstützenden Parteien zugeschoben. In Schleswig-Holstein kam es zu Bauernunruhen und Bombenattentaten. Die auf Moskauer Verlangen wieder aggressiv auftretende KPD glaubte ihren Radikalismus beweisen zu müssen und hatte es trotz Demonstrationsverbots am 1. Mai 1929 in Berlin zu öffentlichen Kundgebungen kommen lassen, bei denen die Polizei auf Geheiß des sozialdemokratischen Polizeipräsidenten Zörgiebel von der Schußwaffe Gebrauch machte und 25 Menschen tötete. Dazu kamen einige Korruptionsaffären und kommunale Skandale in der Reichshauptstadt, mit denen die SPD ausschließlich in Verbindung gebracht wurde, obwohl auch Vertreter anderer Parteien darin verwickelt waren. Wenn auch der Kern der Arbeiterschaft der SPD treu blieb, so setzte in den radikalisierten Volksmassen doch ein Abmarsch nach rechts und links ein, der vor allem der bis da-hin bedeutungslosen Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei zugute kommen sollte.

7. Die Tolerierung des Kabinetts Brüning Der Reichspräsident übertrug dem Zentrumspolitiker Heinrich Brüning die Regierungsbildung. Dieser strebte einen Rechtskurs an und bereitete ein Wirtschaftsprogramm vor, das die Finanzen im Reich, in den Ländern und Gemeinden sanieren und Maßnahmen zur Rettung der Landwirtschaft einleiten sollte. Brüning gab gleichzeitig zu verstehen, daß sein Kabinett mit dem Artikel 48 der Reichsverfassung, der dem Reichspräsidenten in Notzeiten erhebliche Vollmachten einräumte, regieren würde, wenn der Reichstag die von ihm vorgeschlagenen Maßnahmen nicht billigte. AIs der Regierung klar wurde, daß sie keine Mehrheit für ihre Vorschläge finden konnte, zog sie diese zurück und setzte sie gleichzeitig durch Notverordnung in Kraft. Daraufhin verweigerte die Sozialdemokratie die nachträgliche Zustimmung, die nötig gewesen wäre. Der Abgeordnete Landsberg begründete die Ablehnung mit den Worten: „Nun frage ich Sie, meine Herren vom Zentrum und von den Demokraten: Hätten Sie es damals, als wir die Verfassung schufen, im entferntesten für möglich gehalten, daß der Artikel 48 einmal so angewendet werden könnte, wie es hier geschehen ist...? Meine Herren von der Reichsregierung, wenn Sie die Verfassung so wenig achten, wie können Sie dann Achtung von dem gemeinen Mann auf der Straße fordern, der die Verfassung nicht beschworen hat?" Da bei der Abstimmung keine Mehrheit erzielt werden konnte, ließ der Reichskanzler den Reichstag auflösen und Neuwahlen ausschreiben.

Der Ausgang der Wahlen bedeutete einen politischen Erdrutsch. Die Nationalsozialisten, die im Reichstag über nur zwölf Sitze verfügten, stiegen auf 107 Mandate. Es war ihnen gelungen, bisher abseits stehende Wählerschichten für sich zu mobilisieren. Die Radikalisierung zeigte sich auch bei den beiden Arbeiterparteien.

Die Sozialdemokraten verloren eine halbe Million Stimmen, dafür stiegen die Stimmen der Kommunisten von 3 1/2 auf 4 1/2 Millionen.

Der Wahlausgang löste sowohl im Regierungslager wie auch bei der Sozialdemokratie große Verwirrung aus. Denn es hatte sich gezeigt, daß sich eine wachsende Zahl der in den letzten Jahren wahlberechtigt gewordenen Jugend von den Ideen des Humanismus und demokratischen Sozialismus abgekehrt und sich zu den extremistischen, eine neue kollektive Gesellschaftsordnung fordernden Parteien der Kommunisten und Nationalsozialisten bekannt hatte. Gerade zu dieser Generation bestanden seitens der sozialdemokratischen Führung wenige Kontakte, die glaubte, die zum Teil irrationalen Vorstellungen der Jugend durch einen Appell an die Vernunft widerlegen zu können.

Die SPD sah im Aufstieg des Nationalsozialismus eine große Gefahr für die Republik. Auf die Initiative von Hermann Müller entschloß sie sich, alle Bedenken zurückzustellen und die Regierung Brüning durch Tolerierung zu unterstützen. Das war eine Entscheidung, von der man nicht erwarten konnte, daß sie in der Masse der Anhänger Verständnis finden würde. Eine Resolution vom 3. Oktober 1930 enthielt die Formulierung: „Die sozialdemokratische Reichstagsfraktion sieht nach dem Ausgang der Reichstagswahlen in der Erhaltung der Demokratie, der Sicherung der Verfassung und dem Schutz des Parlamentarismus ihre erste Aufgabe... Die sozialdemokratische Reichstagsfraktion wird unter Wahrung der Lebensinteressen der arbeitenden Massen für die Sicherung der parlamentarischen Grundlage und für die Lösung der dringendsten finanzpolitischen Aufgaben eintreten..." Die Reichstagsfraktion erkannte auch, daß es keine Schwierigkeiten bereiten würde, Brüning zu stürzen. Aber wer sollte an seine Stelle treten? Eine heikle Frage, zumal die Sozialdemokratie den Oppositionsparteien, Hitlers Nationalsozialisten, den Deutschnationalen Hugenbergs und den Kommunisten Thälmanns, feindselig gegenüberstand, während es mit dem Zentrum seit 1919 trotz weltanschaulicher Gegensätze immer wieder zur Zusammenarbeit gekommen war.

Die Entscheidung, eine Tolerierungspolitik zu treiben, bedeutete für Brüning in den nächsten Monaten eine Erleichterung, da sie es ihm ermöglichte, sein Sanierungsprogramm konsequent durchzuführen. Die Sozialdemokratie kam dagegen ins Hintertreffen, weil sie es ablehnte, das Gewicht ihrer Reichstagsfraktion für eine aktive Regierungsbeteiligung in die Waagschale zu werfen. Genau so wie der Reichskanzler, wich auch die sozialdemokratische Parteiführung einer klaren Entscheidung aus. Die Partei manövrierte sich dadurch in eine Sackgasse und verlor weitgehend die Initiative. Sie sah sich sogar gezwungen, bei ihren Anhängern die unpopulären Not-und Sparmaßnahmen der Regierung zu verteidigen, für die sie ja die Verantwortung nicht übernehmen wollte, und willigte durch Stimmenthaltung sogar in den Bau eines neuen Panzer-kreuzers ein. Die Situation, in der sich die Partei befand und ihre grundsätzliche Haltung, kam besonders in dem Referat zum Ausdruck, das der außenpolitische Sprecher der SPD, Rudolf Breitscheid, am 2. Juni 1931 auf dem Leipziger Parteitag hielt: „ Allerdings dürfen wir ...

den bürgerlichen Parteien und der Regierung gegenüber auch keinen Zweifel darüber lassen, daß die Politik des Tolerierens und des Ausweichens von uns nicht um ihrer selbst willen getrieben wird, daß wir vielmehr in ihr nur eine harte und vorübergehende Notwendigkeit erblicken, daß wir nicht verbürgerlichen, weil wir einer bürgerlichen Regierung Zugeständnisse machen, daß wir das Kabinett Brüning nur am Leben erhalten, solange es entschlossen und imstande ist, die faschistischen Aspirationen abzuwehren, und daß wir die Verletzungen der demokratischen Form nur dulden, um den demokratischen Inhalt der Verfassung zu retten." Der durch die Entwicklung erzwungene Verzicht auf die eigene Initiative führte auch dazu, daß im Gegensatz zu den Gewerkschaften kein eigenes Programm zur Überwindung der Krise ausgearbeitet wurde und man auch hier der Regierung freie Hand ließ. Die Abwehrhaltung gegen den Links-und Rechtsradikalismus verstärkte sich aber, wenn es um die Belange des größten deutschen Landes, um Preußen ging. Hier hoffte man, ein festes Bollwerk behaupten zu können und tolerierte auch schon aus diesem Grunde die Regierung Brüning weiterhin, weil man bei einem Kabinettssturz Gefahren für Preußen erblickte. Preußen war für eine kontinuierliche Politik auf die Reichsregierung angewiesen, aber auch diese mußte auf stabile Verhältnisse in Preußen den größten Wert legen.

Trotz einiger Verluste bei der Wahl von 1930, die sich in Grenzen hielten, konnte sich die SPD nach wie vor auf einen festen Stamm ihrer Wähler verlassen. Den Nationalsozialisten gelang kein Einbruch, und auch die Abwanderung der mit den Kommunisten sympathisierenden Elemente war nicht besorgniserregend, solange es sich nur um Anhänger handelte, denen die Politik der Parteiführung nicht aktiv genug war oder um Intellektuelle, die als radikale Marxisten einen „militanten" Klassenkampf forderten, wenn möglich sogar in Zusammenarbeit mit den Kommunisten. Eine Oktober 1931 gegründete linke Gruppe der Reichstagsabgeordneten Max Seydewitz, Kurt Rosenfeld und Heinrich Ströbel, die Sozialistische Arbeiterpartei (SAP), bliebt ein einflußloser Zirkel, der den Bestand der Partei nicht zu erschüttern vermochte. Ein Appell der Parteiführung an die disziplinierten Mitglieder wirkte immer, weil diese stets bereit waren, Opfer und Belastungen auf sich zu nehmen. Das Schicksal der USPD mußte auch diejenigen schrecken, die mit dem Gedanken einer Opposition oder Abspaltung spielten. Außerdem hatte die Führung den Parteiapparat fest in der Hand und schloß im Notfall unerwünschte Oppositionelle unnachsichtig aus den eigenen Reihen aus.

Während sich die Parteileitung weitgehend passiv verhielt, verlagerte sich der Wille zur Aktion gegen die Rechtsradikalen immer mehr auf die Reichsbannerangehörigen, aus deren Reihen eine Spezialtruppe, die Schutzformation (Schufo) aufgestellt wurde. Die im Januar 1932 begründete „Eiserne Front", in der sich Reichsbannerleute, Partei-und Gewerkschaftsmitglieder zusammenfanden, stellte ebenfalls eine Massenorganisation dar, „eine Millionen-armee — nicht für gewaltsame Angriffe, sondern wider alle Bürgerkriegspläne! Die Existenz dieser durch eine wahre Volkserhebung aufgerichtete Eiserne Front muß jeden Gedanken auf Raub politischer, gewerkschaftlicher und kultureller Freiheiten ersticken...“ -Diese Neugründung sollten den republikanischen Selbsterhaltungswillen verstärken.

Als die Amtszeit des Reichspräsidenten von Hindenburg abgelaufen war, kam es sogar zu einer engen Zusammenarbeit zwischen Brüning und der Sozialdemokratie. Die SPD entschied sich dafür, den alten Generalfeldmarschall noch einmal aufzustellen, weil sie in den eigenen Reihen über keine Persönlichkeit verfügte, deren Namen eine solche Volkstümlichkeit besaß, daß man sie dem Kandidaten der NSDAP, Adolf Hitler, mit Erfolg hätte entgegenstellen können. Die Kommunisten propagierten dagegen wiederum Ernst Thälmann. Sowohl Brüning als auch Otto Braun setzten sich persönlich für Hindenburg ein, obwohl sich beide über die Grenzen der politischen Fähigkeiten wie des Verhaltens des Präsidenten im klaren waren. Der überwältigende Sieg Hindenburgs nach einem zweimaligen Wahlgang wurde von den Anhängern der Republik als ein Erfolg zu ihren Gunsten und eine erneute Sicherung des demokratischen Systems betrachtet. 8. Die Kapitulation in Preußen Der Reichspräsident dankte es aber seinen Wählern aus dem republikanischen Lager schlecht. Ende Juni 1932 entzog er Brüning das Vertrauen und ernannte Franz von Papen, der dem äußersten rechten Flügel des Zentrums angehörte, zum Reichskanzler. Die Parteien hatten auf diese Ernennung keinen Einfluß. General von Schleicher, der Chef des Minister-amts im Reichswehrministerium, überzeugte den Reichspräsidenten, dem er durch persönliche Beziehungen verbunden war, von der Notwendigkeit dieses Schrittes. Der neue Reichskanzler, in der politischen Öffentlichkeit ein Unbekannter, der sich mit Ausnahme der Deutschnationalen auf keine Partei stützen konnte, führte mit Wissen und Wollen des Reichspräsidenten sofort einen scharfen Rechtskurs durch.

Bei den Wahlen in Preußen vom April 1932 hatte die Sozialdemokratie erhebliche Einbußen erlitten und verlor so auch in dem größten der deutschen Länder ihre beherrschende Position. Ministerpräsident Braun und seine Koalitionspartner amtierten nur noch als geschäftsführendes Ministerium, während es den erstarkten Nationalsozialisten und Kommunisten in gemeinsamer Zusammenarbeit gelang, jede positive Arbeit im Landtag lahmzulegen. Seit Anfang Juni 1932 hatten die Nationalsozialisten und Deutschnationalen auf die Einsetzung eines Reichskommissars in Preußen gedrängt, um die Sozialdemokratie völlig zu entmachten. Braun, der durch persönliches Unglück und die Kraftanspannung der letzten Monate deprimiert war, hatte einen längeren Krankheitsurlaub angetreten.

Mit fadenscheinigen Gründen und der nicht bewiesenen Behauptung, die preußische Regierung hätte bei der Bekämpfung des Linksradikalismus versagt, beschloß Papen jetzt die Initiative zu ergreifen. Am 20. Juni ließ er mit Genehmigung des Reichspräsidenten den Ausnahmezustand über Berlin erklären, der die preußische Polizei dem Militärbefehlshaber unterstellte, und die preußischen Minister, darunter Innenminister Severing, absetzen sowie führende Persönlichkeiten der preußischen Polizei verhaften. Zum Erstaunen Papens ging diese Aktion vollkommen reibungslos vor sich, da die betreffenden Personen sich widerstandslos fügten.

Der Mitglieder des Reichsbanners, an ihrer Spitze Karl Höltermann, aber auch der Reihen der Eisernen Front und der Gewerkschaftsangehörigen, bemächtigte sich Unruhe. Viele von ihnen erwarteten jetzt eine Abwehraktion gegen die Regierung Papen. Aber der erwar45 tete Befehl kam nicht. Die Parteiführung hatte die schwersten Bedenken. Vor allem Braun und Severing, die von der Sozialdemokratie als die berufenen Vertreter dieses Abwehrkampfes betrachtet wurden, scheuten das Risiko eines Bürgerkrieges. Sie hielten die Bewaffnung der im großen und ganzen zuverlässigen preußischen Polizei gegenüber der Ausrüstung der Reichswehr im Ernstfälle für unterlegen. Die abgesetzten Minister überließen daher den reaktionären Gegenspielern das Feld und begnügten sich mit der wirkungslosen Geste, gegen die Regierung von Papen beim Staatsgerichtshof Klage einzureichen. Die sozialdemokratische Parteiführung unterließ es auch, wenigstens nach außen hin eine entschlossenere Demonstration zum Widerstand zu unternehmen und gab so denjenigen Urhebern des Staatsstreiches Recht, die dises Unternehmen unter der Voraussetzung inszeniert hatten, daß die SPD nicht bereit sein würde, das Risiko eines Bürgerkrieges auf sich zu nehmen. Nun zeigte es sich auch, daß die Reichsbannerabteilungen als demokratische Wehrorganisationen schlecht vorbereitet waren, da die Parteiführung im Gegensatz zur SA Hitlers und dem kommunistischen Rot-Frontkämpferbund sie lediglich zur Defensive erzogen hatte. Die Gewerkschaftsleitung wagte zudem keinen Generalstreik, weil über sechs Millionen Arbeitslose im Hintergrund auf eine Möglichkeit zur Beschäftigung warteten. Es wurde befürchtet, daß diese Arbeitslosen von der Regierung leicht zum Streikbruch bewogen werden konnten. Bei dieser Gelegenheit stellte es sich heraus, daß die furchtbare wirtschaftliche Notlage nicht zu einer Verstärkung der Solidarität, sondern innerhalb der gesamten Arbeiterbewegung zur Kampfmüdigkeit und Lethargie geführt hatte.

Die Kapitulation des Bollwerks Preußen erschütterte die Zuversicht vieler Anhänger. Wenn sie auch im allgemeinen weiter treu zur SPD hielten, so lähmte doch die Inaktivität der Führung jede Entscheidung und ließ in den Reihen der Parteimitglieder, des Reichsbanners und der Eisernen Front immer mehr das Gefühl aufkommen, auf verlorenem Posten zu stehen.

Die Hoffnung der Sozialdemokratie, bei den Reichstagswahlen vom 31. Juli gut abzuschneiden und durch Stimmenzuwachs einen Teil des verlorenen Terrains wiederzugewinnen, erfüllte sich nicht. Sie büßte 10 von bisher 143 Mandaten ein und mußte bei den Wahlen vom 6. November sogar weitere Verluste hinnehmen (zwölf Mandate), die in der Mehrzahl den Kommunisten zugute kamen. Der gleichzeitig erfolgte erhebliche Rückgang der nationalsozialistischen Stimmen erfüllte die SPD aber mit Optimismus, daß es mit der NSDAP jetzt schnell bergab gehen würde, da sie ihre Chance verpaßt hätte: „Es wird für alle Zeit das geschichtliche Verdienst der Sozialdemokratie bleiben, den deutschen Faschismus so lange von der Macht ferngehalten zu haben, bis sein Abstieg in der Volksgunst begann.

Dieser Abstieg wird kaum weniger schnell erfolgen, als sich der Aufstieg vollzogen hatte."

So begründete am 5. Dezember 1932 die Parteiführung ihre Einstellung

Auch in den folgenden Wochen fehlte der Sozialdemokratie ein überzeugendes politisches Konzept. Reichstagsfraktion und Parteiführung begnügten sich mit reinen Defensivparolen.

Sie konnten daher die Krisenerscheinungen innerhalb der NSDAP ebensowenig ausnützen wie die entgegenkommende Haltung des Generals von Schleicher, der, nach dem vollständigen Bankerott Papens, auf Verlangen Hindenburgs das Reichskanzleramt übernehmen mußte. Schleicher hatte für die Arbeiterbewegung Verständnis und glaubte, die Gewerkschaften durch Entgegenkommen in sozialen Fragen sowie durch Beteiligung an einem umfassenden Arbeitsbeschaffungsprogramm auf seine Seite ziehen zu können, um seinem Kabinett über den Kopf der Partei hinweg eine Regierungsgrundlage zu schaffen. Der Vorsitzende des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes, Theodor Leipart, zeigte sich diesen Plänen gegenüber auch geneigt.

Aber trotzdem führten die Bemühungen Schleichers zu keinem Ergebnis, da die sozialdemokratische Führung jede weitere Fühlungnahme untersagte und damit wohl der Überzeugung der meisten Partei-und Gewerkschaftsmitglieder entsprach. Zweifellos war das Anerbieten des Generals ehrlich gemeint, aber das Mißtrauen der SPD gegen diese zwielichtige Persönlichkeit, die Papen überhaupt die Kanzlerschaft ermöglicht und den Staatsstreich in Preußen durch die Reichswehr gedeckt hatte, war zu groß, als daß es hätte überwunden werden können. Allerdings wollte man sich auch nicht dazu herbeilassen, mit dem General wenigstens in taktische Verhandlungen einzutreten.

Versuche Schleichers, den Reichstag aufzulösen und Neuwahlen bis zur Überwindung der wirtschaftlichen und politischen Krise hinauszuschieben, stießen auf Widerstand. Im Namen seiner Partei hatte Otto Braun Schleicher vor derartigen Maßnahmen dringend gewarnt. „Wenn öffentlich dazu aufgefordert wird, der Reichspräsident möchte den Reichstag nach Hause schicken und vorläufig nicht wieder zusammentreten lassen, so ist dies also eine Aufforderung zum Hochverrat. Solche Aufforderungen müssen vom ersten Augenblick an mit den vorgeschriebenen zulässigen polizeilichen und strafrechtlichen Mitteln unterdrückt werden, wenn nicht neue Verwirrung im Rechtsbewußtsein des Volkes die schwersten Folgen heraufbeschwören soll."

Schleicher mußte zurücktreten, weil ihm der Reichspräsident die erbetenen Vollmachten nicht geben wollte. Ein neues Kabinett stand schon bereit. Durch die Initiative Papens, der nach wie vor das Vertrauen des Reichspräsidenten besaß, wurde am 30. Januar 1933 Hitler zum Reichskanzler ernannt und eine Regierung gebildet, in der Deutschnationale und Nationalsozialisten vertreten waren.

9. Die Zerschlagung der Partei Die Sozialdemokratie mußte sich darüber im klaren sein, daß jetzt den Geg fanatischsten -nern der Republik die staatliche Gewalt in die Hand gegeben war und daher für den Bestand der Partei die schwersten Gefahren drohten. Bei den Mitgliedern des Reichsbanners und der Eisernen Front erwachte noch einmal der Wille zum Widerstand, der auch Teile der Parteiführung mit sich riß. Immer wieder kam es zu Demonstrationen in der Öffentlichkeit. Aber das dauerte nicht lange, da die Nationalsozialisten in erster Linie in Preußen, wo Göring die Befugnisse des Innenministers übernommen hatte, sofort alle staatlichen Machtmittel in den Dienst ihrer Sache stellten und mit Terror gegen die politischen Gegner vorgingen. Laufende Versammlungsund Zeitungsverbote lähmten die Propaganda der Sozialdemokraten und Kommunisten. Der Reichstagsbrand und die darauf erlassene Verordnung des Reichspräsidenten „zum Schutz von Volk und Staat", die wichtige Grundrechte außer Kraft setzte, gaben den Nationalsozialisten die erwünschte Gelegenheit, noch rücksichtsloser vorzugehen, die SA und SS als Hilfspolizei einzusetzen und jede oppositionelle Regung sofort zum Verlöschen zu bringen. Einer Zusammenarbeit mit der KPD, die nach wie vor die Führung der Sozialdemokratie als „Sozialfaschisten" charakterisierte, standen auch jetzt Schwierigkeiten im Wege, besonders, da man in Moskau die Ansicht vertrat, daß der Nationalsozialismus lediglich eine notwendige Übergangserscheinung sei, die im Zuge der allgemeinen Entwicklung liege. Als Stalin zwei Jahre später seinen Fehler revidierte und den Kommunisten der anderen Länder die Volksfrontpolitik zur Verteidigung der Demokratie empfahl, war es zu spät. Einheitsfront-und Generalstreikparolen, die Januar 1933 von kommunistischer Seite ausgegeben wurden, mußte die Sozialdemokratie nach den Erfahrungen der Vergangenheit skeptisch gegenüberstehen. Versuche, eine wenigstens begrenzte taktische Verständigung zu erzielen, scheiterten an den nationalsozialistischen Terroraktionen nach dem Reichstagsbrand, abgesehen davon, daß derartige Bemühungen wegen der geistigen Unselbständigkeit der KPD wenig Erfolg versprachen. So wurde von der Parteiführung der SPD die Parole ausgegeben:

„Sich nicht provozieren lassen!"

Der Ausgang der Wahlen vom 5. März 1933 bedeutete für die sozialdemokratische Führung eine Genugtuung. Trotz Massenverhaftungen, Unterdrückung der Presse, Verbot der Versammlungen und schweren Verleumdungen durch die Regierung bewahrte die Anhängerschaft die Treue. Die Zahl der Mandate blieb konstant. Die SPD wurde zweitstärkste Partei, während die Stimmen der Kommunisten zurückgingen. Die Führung der SPD gab sich jetzt der Illusion hin, daß die parlamentarische Tätigkeit weitergehen könnte und setzte außerdem Hoffnungen auf eine baldige Schwächung des heterogenen Regierungslagers durch innere Differenzen. Es wurden immer wieder Parallelen zur Zeit des Bismarckschen Sozialistengesetzes gezogen, des „heroischen Zeitalters" der Sozialdemokratie. Sie war sich nicht darüber im klaren, daß Hitler niemals die moralischen und politischen Grundsätze anzuerkennen gewillt war, an die sich Bismarck gehalten hatte. Der Tag des Ermächtigungsgesetzes (23. März 1933), das der Regierung für vier Jahre unbeschränkteVollmachten einräumen sollte, gab der Sozialdemokratie noch einmal Gelegenheit, ihre Stellungnahme darzulegen. Nur 94 der 120 gewählten Abgeordneten konnten im Reichstag zugegen sein. Die fehlenden Volksvertreter waren entweder verhaftet worden oder hatten sich der drohenden Festnahme durch Flucht ins Ausland entzogen, ein Schicksal, das auch sämtliche kommunistische Abgeordnete, die wegen des Verbots ihrer Partei nicht zugelassen wurden, betraf. Trotz massiver Drohungen der Nationalsozialisten und des Zuredens aus den Reihen des Zentrums und der Demokraten stimmte die SPD geschlossen gegen das Gesetz. Otto Wels, der schon einmal im Dezember 1918, als ihn meuternde Angehörige der Volksmarinedivision verhaftet und mit dem Tode bedroht hatten, seinen persönlichen Mut bewiesen hatte begründete die Ablehnung im Namen seiner Partei und verkündete am Schluß seiner Rede: „Wir deutschen Sozialdemokraten bekennen uns in dieser geschichtlichen Stunde feierlich zu den Grundsätzen der Menschlichkeit und der Gerechtigkeit, der Freiheit und des Sozialismus.

Kein Ermächtigungsgesetz gibt Ihnen die Macht, Ideen, die ewig und unzerstörbar sind, zu vernichten. Sie selbst haben sich ja zum Sozialismus bekannt. Das Sozialistengesetz hat die Sozialdemokratie nicht vernichtet. Auch aus neuen Verfolgungen kann die deutsche Sozialdemokratie neue Kraft schöpfen. Wir grüßen die Verfolgten und Bedrängten. Wir grüßen unsere Freunde im Reich. Ihre Standhaftigkeit und Treue verdient Bewunderung, ihr Bekennermut, ihre ungebrochene Zuversicht verbürgen eine hellere Zukunft."

Da das Verbot der Parteipresse permanent aufrecht erhalten blieb, sahen sich die Anhänger allein dem pausenlosen Trommelfeuer der nationalsozialistischen Propaganda ausgesetzt.

Die Emigration prominenter Führer wie Otto Braun, Rudolf Breitscheid und Rudolf Hilferding, die Massenverhaftungen und die Unsicherheit vor der Zukunft trugen dazu bei, die Widerstandskraft zu zermürben. Neben Resignation regte sich, wenn auch zunächst zurückhaltend, ein gewisser Opportunismus. Besonders im Kreise der Gewerkschaften erwachte der Wunsch, sich dem neuen Regime zur Mitarbeit anzubieten. Die Gewerkschaftsführung entließ Funktionäre, die den neuen Machthabern nicht genehm waren, und verhandelte über die Fusion sämtlicher Verbände unter nationalsozialistischer Führung. Der Macht-verfall der SPD verführte auch dazu, die bisherige Zusammenarbeit mit ihr zu lösen. Den Funktionären der Gewerkschaftsbewegung ging es dabei in erster Linie um die Erhaltung der Organisation. Sie waren zu großen Zugeständnissen bereit, wenn die Nationalsozialisten sich einverstanden erklärt hätten, den Apparat intakt zu lassen. Da die leitenden Männer der SPD seit dem Verbot ihrer Presse zu den Anhängern nur wenig Kontakt hatten, machten derartige Zersetzungserscheinungen Fortschritte.

Die Zerschlagung der Gewerkschaften am 2. Mai 1933, die Einziehung ihres Vermögens, die Verhaftung maßgebender Funktionäre sowie die Beschlagnahme der erreichbaren Vermögenswerte der SPD am 10. Mai erwiesen, daß Hitler nicht bereit war, die Existenz der Partei länger zu dulden. In der Führung mehrten sich daher die Stimmen, die jetzt eine un-39) abhängige Vertretung im Ausland forderten.

Einige Vorstandsmitglieder wurden ermächtigt, in Prag ein derartiges Zentrum aufzubauen. Berlin sollte aber der Sitz des Vorstandes bleiben.

Als aber am 17. Mai 1933 die unter Führung des ehemaligen Reichstagspräsidenten Paul Löbe stehenden Vertreter im Reichstag geschlossen ihre Stimme für eine Erklärung Hitlers abgaben — einerseits aus patriotischen Gründen, da die außenpolitische Lage wegen des bisherigen Verhaltens der NSDAP, das bei den Nachbarn Deutschlands schwerste Bedenken erregte, sehr prekär war, andererseits aber, weil man auf diese Weise Erleichterungen für die weitere Parteiarbeit zu erlangen und die Regierung zu besänftigen hoffte —, kam es zu einem Konflikt innerhalb der Gesamtpartei zwischen dem Löbe-Kreis und denjenigen Mitgliedern, die sich in Prag niedergelassen hatten. Die Prager Gruppe kam zu der Überzeugung, die Berliner SPD habe sich hoffnungslos kompromittiert. Auf Drängen ausländischer Sozialisten sah sich jetzt der Emigrantenvorstand genötigt, als einziges unabhängiges Führungsgremium die gesamte Parteileitung zu übernehmen.

Die Berliner Mitglieder fühlten sich durch diese Aktion verraten und wählten am 19. Juni einen neuen Vorstand, dem Paul Löbe und Johannes Stelling angehörten. Jetzt bot sich für das nationalsozialistische Regime eine günstige Gelegenheit, den letzten Vorwand für ein endgültiges Verbot zu finden, da sie die in Berlin Verbliebenen für die Handlungen und Propagandamaßnahmen des Prager Vorstandes verantwortlich machen konnte. Am 22. Juni wurde der SPD wegen der „verräterischen Tätigkeit der Prager Emigranten" jegliche Tätigkeit untersagt und alle Reichstags-mandate eingezogen sowie prominente Führer verhaftet. Reichsinnenminister Frick erklärte jede weitere Parteitätigkeit für illegal.

Noch weiter bestehende geheime Zellen und Organisationen wurden von der GeStaPo systematisch aufgespürt und vernichtet. Die Zahl der Opfer stieg. Manche Mitglieder begingen Selbstmord, wie die Reichstagsabgeordneten Adolf Biedermann und Antonie Pfülf, viele wurden voh SA-Leuten ermordet, wie der Journalist Felix Fechenbach und Johannes Stelling, „auf der Flucht erschossen", wie der Polizeipräsident von Altona Otto Eggerstedt und der Vorsitzende des Bergarbeiterverbandes Friedrich Husemann, oder fanden später im Konzentrationslager den Tod, wie Rudolf Breitscheid, Rudolf Hilferding und Erich Kuttner. Ein 70jähriges Ringen der deutschen Arbeiterbewegung für die Gleichberechtigung und das Recht der Selbstbestimmung war gewaltsam zum Abschluß gebracht worden.

10. Der Parteivorstand im Exil Als am 22. Juni 1933 das Ende für eine legale Politik der Sozialdemokratie gekommen war, fiel der Auslandsvertretung in Prag die Aufgabe zu, auch unter erschwerten Umständen die Arbeit für die Partei fortzusetzen und den Kontakt mit der Heimat aufrechtzuerhalten. An ihrer Spitze standen Otto Wels und Hans Vogel, der Schatzmeister der SPD Sigmund Crummenerl, der führende Journalist Friedrich Stampfer, der Finanzfachmann Paul Hertz und als Vertreter der Jugendorganisationen Erich Ollenhauer. Die neue Partei nannte sich Sozialdemokratische Partei Deutschlands (Sopade) und gab als Zentralorgan den „Neuen Vorwärts" heraus.

Der Ton, in dem der Vorstand seine Propaganda gegen den Nationalsozialismus richtete, war wieder die Sprache des revolutionären Marxismus. Diese Radikalisierung mußte in Kauf genommen werden, um die zu extremen Linkstendenzen neigenden Mitglieder in den eigenen Reihen zu beruhigen und den Kommunisten, die nach wie vor versuchten, die Mitglieder der SPD von ihrer Führung zu trennen und zu sich herüberzuziehen, den Wind aus den Segeln zu nehmen. Gleichzeitig hatte sich die Auslands-SPD gegen die Behauptungen der Nationalsozialisten zu verteidigen, die alle Anhänger der Sopade als Verräter hinstellten und sie beschuldigten, sich mit den Feinden des deutschen Volkes verschworen zu haben und diese zu einer Intervention aufzufordern. Die Sopade lehnte es daher konsequent ab, ein bewaffnetes Eingreifen des Auslandes in Betracht zu ziehen. Sie versuchte lediglich, die oppositionellen Kräfte in Deutschland zu stärken, ihnen Kenntnis über die wahren Verhältnisse im Dritten Reich zu vermitteln und so im ganzen Volke eine revolutionäre Stimmung hervorzurufen. Der Vorstand kam dabei zu der Überzeugung, daß für eine derartige Revolutionierung nicht nur die Arbeiterschaft herangezogen werden müsse, sondern alle Volksschichten. Unter diesen Gesichtspunkten wurde mit Hilfe illegaler Zeitungen Broschüren und eine intensive Aufklärungstätigkeit -Deutsch in land betrieben. Durch eine unbarmherzige Kritik an den Verhältnissen unter der nationalsozialistischen Herrschaft erhoffte die Sopade im Volke Erfolge erzielen zu können, das ja nach einer die Wahrheit enthüllenden Berichterstattung ausgehungert sein mußte.

Auch hier spielten Erinnerungen an die Zeit der Bismarckschen Sozialistenverfolgungen eine wichtige Rolle, als die sogenannte „Rote Feldpost im Ausland gedruckten Zeitungen, Zeitschriften und Broschüren mit Erfolg nach Deutschland hineinschmuggelte.

So erschien der „Neue Vorwärts", auf dünnem Papier gedruckt, in einer Miniaturausgabe, die in Tausenden von Exemplaren zusammen mit Flugschriften, die als Klassiker-ausgaben, Sprachlehrkurse und Sportanleitungen getarnt waren, nach Deutschland geschafft wurden. Die günstige geographische Lage von Prag sowie das dicht bewaldete bergige Grenzland Böhmens erleichterten den Schmuggel. Durch Mittelsmänner wurden außerdem weiterhin Kontakte mit sozialdemokratischen Gruppen und Zirkeln in Deutschland ausgenommen. Aber die Zerschlagung der alten Parteiorganisation erschwerte derartige Unternehmen, die außerdem für die Kuriere mit Lebensgefahr verbunden waren. Dazu kam, daß die Mehrzahl der alten Mitglieder auf eine illegale Tätigkeit nicht vorbereitet war, im Gegensatz zu den Kommunisten, die außerdem noch auf die Unterstützung der Sowjet-macht rechnen konnten.

Die Kommunistische Partei verblieb den sozialdemokratischen Führern im Ausland gegenüber bei ihrer früheren feindseligen Haltung.

Sie forderte zwar weiterhin eine Einheitsfront der Arbeiterklasse, aber nur unter Führung der KPD durch Ausschaltung des sozialdemokratischen Einflusses auf die Massen.

Der Exilvorstand in Prag sah sich bald auch scharfer Kritik aus den Reihen des linken Flügels der Mitglieder ausgesetzt, von denen ein Teil sich seinerzeit zur USPD bekannt hatte.

Diese Linke forderte von dem Prager Vorstand, in dem ja die Führer des rechten Flügels, die Reformisten, vertreten waren, einen neuen Kurs. Unter ihrem Druck sah sich die Sopade veranlaßt, zwei Vertreter dieser Richtung in den Vorstand aufzunehmen, den ehemaligen Redakteur der „Chemnitzer Volks-stimme", Karl Böchel, und den Vorsitzenden des Allgemeinen Angestelltenbundes (AFA), Siegfried Aufhäuser. Beide verlangten einen Bruch mit der bisherigen evolutionären Tradition, die sie für die Katastrophe in Deutschland verantwortlich machten, und forderten Klassenkampf eines revolu den verstärkten -

tionären Proletariats.

Es wurde allgemein nach den Gründen geforscht, wie es in Deutschland zu einer politischen Entwicklung hatte kommen können, aus der Hitler als Sieger hervorgegangen war. In einer von Rudolf Hilferding herausgegebenen „Zeitschrift für Sozialismus" fanden diese Rich49 tungsstreitigkeiten ihren Ausdruck. Hier sollte auch die notwendige „Selbstkritik" geübt werden, ein Wort, das sich bisher zwar im Vokabular des Bolschewismus finden ließ, aber nicht im Sprachschatz der Sozialdemokratie.

Eine grundlegende Neuorientierung wurde besonders von zwei Männern gefordert: von Erich Rinner, der bis vor kurzem eine Untergrundgruppe in Deutschland geleitet, und von Curt Geyer, der früher unter Stampfer als Redakteur des „Vorwärts" gearbeitet hatte.

Beide vertraten ein radikales Programm und forderten für den Fall eines Zusammenbruchs des Hitler-Regimes, daß in Deutschland der Großgrundbesitz aufzuheben und die Schlüsselindustrien zu verstaatlichen seien. Besonders Geyer bestand auf einer Rückkehr zur historischen Mission des Marxismus.

Ähnlich geartet war das Programm einer „Neubeginnen" -Gruppe, die vorher schon in Deutschland existiert hatte. Unter Führung des ehemaligen kommunistischen Journalisten Walter Löwenheim, der unter dem Pseudonym Miles (Soldat) schrieb, bemühte sich dieser zahlenmäßig allerdings schwächere Zirkel, eine Verbindung zwischen allen deutschen Arbeiter-organisationen herzustellen, die im Sinne eines Klassenkampfes tätig sein wollten, einschließlich der Kommunisten, vorausgesetzt, diese lösten sich von der Komintern.

Die Sopade proklamierte am 28. Januar 1934 ein neues Programm, das von Hilferding entworfen war und eine Distanzierung von dem bisherigen Reformismus mit sich brachte. Sie erhob Anspruch auf eine von der Arbeiterschaft getragene Regierung, die radikale Sozialisierungsmaßnahmen durchführen sollte. Der Inhalt war in erster Linie für die Arbeiterbewegung in Deutschland bestimmt und sollte beweisen, daß die alte Parteiführung im Exil ihre Meinung grundlegend geändert hatte. Ein Teil der sozialdemokratischen Emigranten hegte die Überzeugung, daß der erwartete Zusammenbruch der Herrschaft Hitlers ihr Exil bald beenden würde. In der Beurteilung der Situation Deutschlands machte sich ein Optimismus breit, der nicht gerechtfertigt war. Berichte über Betriebsrätewahlen, bei denen nationalsozialistische Kandidaten abgelehnt worden waren, innerpolitische Ereignisse, wie die sogenannte Röhm-Revolte, und die ständigen wirtschaftlichen Schwierigkeiten des NS-Regimes wurden so interpretiert, als wäre es am Ende. Das Dritte Reich wurde allgemein als Ausnahmeerscheinung betrachtet, die bald vorübergehen werde.

Inzwischen hatten die Kommunisten eine neue Taktik eingeleitet. Ende Oktober 1934 erließ das Politbüro in Moskau neue Richtlinien, in denen die bisherige „linkssektiererische Opposition" getadelt und eine wirkliche Einheitsfront mit den Sozialdemokraten gefordert wurde. Stalins Volksfrontpolitik, die 1936 ihre Krönung finden sollte, kündigte sich an. Im Laufe der nächsten Wochen verbreitete die Führung der KPD sogar Vorschläge für eine Einigung auf der Grundlage der Gleichberechtigung beider Parteien. Aber die Sopade lehnte entschieden mit der Begründung ab, daß der Freiheitsbegriff der beiden Partner zu verschieden sei und die Errichtung einer gemeinsamen Front die Gefahren mit sich bringe, vollkommen von den Komintern und damit von der Sowjetunion abhängig zu werden.

Trotz der ablehnenden Haltung des Vorstandes hatten die Kommunisten aber mit ihren wiederholten Angeboten bei der Linken Erfolg. Eine Gruppe „Revolutionärer Sozialisten"

spaltete sich ab, die eine selbständige Untergrundorganisation gründete. Böchel und Auf-häuser, die mit diesen Bestrebungen sympathisierten, wurden daraufhin aus dem Vorstand der Sopade ausgeschlossen. Stalins 1936 beginnenden Säuberungsprozesse und Massenvernichtungen desillusionierten aber schnell die meisten Anhänger und Mitläufer, so daß es bald zu einer Auflösung der „Revolutionären Sozialisten" kam. Aufhäuser trennte sich ebenfalls von diesen Bestrebungen.

Im Vorstand setzte sich die revisionistische, antikommunistische Richtung wieder durch. In der Kritik von Fehlern der Vergangenheit kam die Mehrheit zu der Überzeugung, daß bisher den nationalen Fragen zu wenig Verständnis entgegengebracht und die Propaganda zu einseitig lediglich auf die Arbeiterklasse abgestimmt worden war. Es erhoben sich Forderungen, auch die Interessen anderer Volksschichten zu berücksichtigen. Auf diese Weise erfolgte eine Annäherung an die liberal-demokratischen Leitideen der Weimarer. Zeit. In der britischen Labour Party wurde das Modell für eine künftige Parteiorganisation gesehen.

Die Arbeit innerhalb Deutschlands mußte mehr und mehr eingeschränkt werden. Das Überwachungsnetz der GeStaPo zog sich immer enger zusammen. Die Kontakte mit den Vertrauensleuten rissen ab. Ein Untergrundzirkel nach dem anderen wurde zerschlagen. An den Aufbau einer organisierten Widerstandsbewegung war nicht mehr zu denken. Außerdem blieb in Deutschland die erwartete revolutionäre Stimmung aus. Aber nicht nur die Aktionen der GeStaPo und seit 1934 die Tätigkeit des „Volksgerichtshofes" schwächten die Bemühungen der Partei. Die Prager Führung mußte immer mehr erkennen, daß auch die Arbeiterschaft gegenüber den Lockungen des Nationalsozialismus nicht immun blieb. Ein Teil fand sich nicht nur mit dem Regime ab, sondern ging auch — das traf besonders für die jüngere Generation zu — zu ihm über. Der Exilvorstand arbeitete daher immer mehr im luftleeren Raum. Seine Mitarbeiter waren Offiziere ohne Soldaten.

wurde 1936 die Seit Tätigkeit auch der Sopade von der tschechoslowakischen Regierung gehemmt, die unter wirtschaftlichen Schwierigkeiten litt und die Spannungen mit Deutschland nicht vermehren wollte. Im Sommer 1938 sah sich der Vorstand gezwungen, nach Paris überzusiedeln. Auch hier wurden die Auseinandersetzungen um die Einheitsbestrebungen fortgesetzt, aber wegen der kritischen außen-politischen Situation blieben derartige Fragen nur noch akademischer Natur. In ihrer Gegnerschaft gegen den Kommunismus blieb die Sopade fest. Sie fand ihre Auffassung durch den Abschluß des nationalsozialistisch-sowjetischen Paktes vom August 1939 auch glänzend bestätigt.

Der Beginn des Krieges und schließlich der Zusammenbruch Frankreichs machten allen Bemühungen überhaupt ein Ende. Der Waffenstillstandsvertrag verpflichtete die neue Französische Regierung, „alle in Frankreich sowie in den französischen Besitzungen, Kolonien, Protektoratsgebieten und Mandaten befindlichen Deutschen, die von der Deutschen Reichsregierung namhaft gemacht werden, auf Verlangen auszuliefern" Viele Emigranten, darunter Breitscheid und Hilferding, wurden daraufhin deutschen Behörden übergeben. Nur mit großer Mühe gelangten Stampfer und Rinner nach New York, Vogel, Ollenhauer und Geyer nach London, wo sie als Vorstand der Sozialdemokratischen Partei den Kampf fortzusetzen gewillt waren.

Das gemeinsame Schicksal ließ viele Emigrantenzirkel in London sich näherkommen. Einige Gruppen, darunter auch „Neubeginnen", schlossen sich zu einer Union zusammen. Mit Ausnahme von Curt Geyer, der ein überzeugter Verfechter der Kollektivschuld des gesamten deutschen Volkes wurde, bekämpften die Mitglieder der Union die antideutsche Stimmung in der Öffentlichkeit, verständlicherweise ohne Erfolg. Sie traten auch vergeblich gegen die Formel der bedingungslosen Kapitulation und der vollständigen Zerstückelung Deutschlands auf. Ihre Hoffnungen, daß sich das deutsche Volk im Verlaufe des Krieges durch eine revolutionäre Erhebung selbst befreien würde, schlugen fehl.

Kontakte zu Deutschland bestanden nicht mehr. Selbst die Ereignisse des 20. Juli 1944, die Verschwörung gegen Hitler, an der auch Sozialdemokraten wie Theodor Haubach, Julius Leber, Wilhelm Leuschner, Adolf Reich-wein und Ludwig Schwamb beteiligt waren, bedeutete für den Exilvorstand eine Überraschung, weil die Beteiligten, die ja auch zum Ausland Kontakte ausgenommen hatten, an den Exilvorstand nicht herangetreten waren. Erst der totale Zusammenbruch Deutschlands ermöglichte die Rückkehr der Emigranten. Trotz aller persönlichen Widrigkeiten, fruchtlosen inneren Auseinandersetzungen, Enttäuschungen und Mißerfolgen, hatte die Zeit des Exils doch eine Klärung der Situation herbeigeführt. Viel theoretischer Ballast war bei den Richtungsstreitigkeiten über Bord gegangen. Manche Ressentiments waren geblieben, aber viele Dinge wurden jetzt auch unvoreingenommen betrachtet. Das sollte nach 1945 der politischen Entwicklung in Deutschland zugute kommen, als es galt, die Probleme zu bewältigen, die der staatliche Neuaufbau mit sich brachte. Der Verlust an führenden Persönlichkeiten und bewährten Anhängern, den die Partei während der nationalsozialistischen Herrschaft erlitten hatte, stellte sich dabei als besonders schwer heraus.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Kautsky an Adler, 25. Juli 1914. In: Victor Adler, Briefwechsel mit August Bebel und Karl Kautsky, gesammelt und erläutert von Friedrich Adler, Wien, 1954, S. 596.

  2. Manifest des außerordentlichen Internationalen Sozialistenkongresses zu Basel vom 25. November 1912 über die Kriegsgefahr und die Aufgabe des internationalen Proletariats. In: Außerordentlicher Internationaler Sozialistenkongreß zu Basel am 24. und 25. November 1912, Berlin 1912, S. 26.

  3. Resolution der Berliner Arbeiterschaft vom 28. Juli 1914 gegen das Ultimatum Osterreich-Ungarns an Serbien. In: Vorwärts Nr. 204 vom 29. Juli 1914.

  4. Friedrich Engels: Der Sozialismus in Deutschland. In: Die Neue Zeit, X. Jahrgang (1891/92), Bd. 1, S. 586.

  5. Konrad Haenisch: Die deutsche Sozialdemokratie in und nach dem Kriege, Berlin 1916, S. 14 f.

  6. Ludwig Frank an Wilhelm Kolb, 1. August 1914. In: S. Grünebaum, Ludwig Frank — Ein Beitrag zur Entwicklung der deutschen Sozialdemokratie, Heidelberg 1924, S. 37.

  7. Erklärung vom 4. August 1914. In: Verhandlungen des Reichstags, Bd. 306 (Sten. Ber.), S. 9.

  8. In: Verhandlungen des Reichstags, Bd. 306 (Sten. Ber.), S. 508.

  9. Karl Liebknecht: Klassenkampf gegen den Krieg, Berlin 1919, S. 41

  10. Leitsätze über die Aufgaben der internationalen Sozialdemokratie vom 1. Januar 1916: In: Drahn-Leonhard: Unterirdische Literatur im revolutionären Deutschland während des Weltkrieges, Berlin 1920, S. 38.

  11. Manifest vom 8. April 1917. In: Protokoll über die Verhandlungen des Gründungsparteitages der USPD, Berlin 1921, S. 82.

  12. In: Verhandlungen des Reichstags, Bd. 314 (Sten. Ber.), S. 6182.

  13. Philipp Scheidemann: Memoiren eines Sozialisten, Dresden 1928, Bd. II, S. 311.

  14. Proklamation vom 9. November 1918, 4 Uhr nachmittags. In: Vossische Zeitung Nr. 576 vom 10. November 1918.

  15. Brief vom 26. November 1918. In: Hugo Haase, Sein Leben und Wirken, herausgegeben von Ernst Haase, Berlin 1929, S. 173.

  16. Die Rote Fahne Nr. 5 vom 20. November 1918.

  17. Rede vom 19. Dezember 1918. In: Allgemeiner Kongreß der Arbeiter-und Soldatenräte Deutschlands, Sten. Ber., Berlin 1919, Spalte 209 f.

  18. Begründung des Volksbeauftragten Hugo Haase vom 27 Dezember 1918 über den Austritt der USP In: Die Freiheit Nr 79 vom 29. Dezember 1918

  19. Resolution vom 30 Dezember 1918. In: Bericht über den Gründungsparteitag der Kommunistischen Partei Deutschlands (Spartakusbund) vom 30. Dezember 1918 bis 1. Januar 1919, Berlin 1919, S. 6 f.

  20. Die Deutsche Nationalversammlung im Jahre 1919, herausgegeben von Eduard Heilfron, Berlin 1920, Bd. I, S. 93.

  21. Die Deutsche Nationalversammlung, Bd. 1, S. 108.

  22. Rede vom 14. Juni 1919 In: Protokoll über die Verhandlungen des Parteitages der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, abgehalten zu Weimar vom 10. bis 15. Juni 1919, Berlin 1919, S. 363 f.

  23. Rede Noskes auf der Reichskonferenz der SPD am 5. Mai 1920. In: Vorwärts Nr. 230 vom 5. Mai 1920.

  24. Referat vom 15. Oktober 1920. In: USPD. Protokoll über die Verhandlungen des außerordentlichen Parteitages in Halle vom 12. bis 17. Oktober 1920, Berlin 1920, S. 180 f.

  25. Einigungsparteitag zu Nürnberg. Protokoll der Verhandlungen vom 24. September 1922, Berlin 1922, S. 20 f.

  26. Referat vom 26. Mai 1927 über die Aufgaben der Sozialdemokratie in der Republik In: Sozialdemokra . scher Parteitag in Kiel, Berlin 1927, S. 165.

  27. Protokoll über die Verhandlungen des Partei-tages der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, abgehalten in Görlitz vom 18. bis 24. September 1921, Berlin 1921, S. III ff.

  28. Sozialdemokratischer Parteitag 1925 in Heidelberg, Berlin 1925, S. 5f. Heidelberger Programm vom 14. September 1925.

  29. Gründungsaufruf des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold vom 7. März 1924. In: Wilhelm Mommsen, Deutsche Parteiprogramme, München 1960, S. 556.

  30. Referat vom 11. Januar 1922. In: USPD-Protokoll über die Verhandlungen des Parteitages in Leipzig vom 8. bis 12. Januar 1922, Berlin 1922, S. 128.

  31. Julius Leber: Gedanken zum Verbot der Sozialdemokratie, Juni 1933. In: Ein Mann geht seinen Weg. Schriften, Reden und Briefe von Julius Leber, Berlin 1952, S. 229.

  32. Protokoll. Sozialdemokratischer Parteitag Magdeburg 1929 vom 26. bis 31. Mai 1929, Berlin 1929, S. 288 f.

  33. Rede vom 18. Juli 1930. Verhandlungen des Reichstags, Bd. 428 (Sten. Bei.), S. 6501 ff.

  34. Jahrbuch der Deutschen Sozialdemokratie für das Jahr 1930, Berlin 1931, S. 16.

  35. Sozialdemokratischer Parteitag in Leipzig 1931 vom 31. Mai bis 5. Juni im Volkshaus. Protokoll, Berlin 1931, S. 102 ff.

  36. Aufruf zur Bildung der Eisernen Front vom 25. Januar 1932. Nach: Kölner Tageblatt Nr. 43 vom 26. Januar 1932,

  37. In Vorwärts Nr. 573 vom 6. Dezember 1932.

  38. Schreiben Brauns an Reichskanzler von Schleicher, 27. Januar 1933. In: Vorwärts Nr. 50 vom 29. Januar 1933.

  39. Verhandlungen des Reichstags, Bd. 457 (Sten. Ber.), S. 25 ff.

  40. Artikel 19 des Deutsch-Französischen Waffenstillstandsvertrags vom 22. Juni 1940. In: Monats-hefte für Auswärtige Politik, Jahrg. 7/1940, S. 525.

Weitere Inhalte

Ernst Schraepler, Dr. phil., geb. 29. Juni 1912 in Berlin, Oberassistent, dann Kustos am Lehrstuhl für Geschichte der Humanistischen Fakultät an der Technischen Universität Berlin. Veröffentlichungen zur Sozialgeschichte, Mitherausgeber von: Ursachen und Folgen. Vom deutschen Zusammenbruch 1918 und 1945 bis zur staatlichen Neuordnung Deutschlands in der Gegenwart. Eine Urkunden-und Dokumentensammlung zur Zeitgeschichte, Berlin 1958 ff.