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Zwei Reden zur Manila-Konferenz | APuZ 38/1954 | bpb.de

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APuZ 38/1954 Zwei Reden zur Manila-Konferenz Die Bodenreform in China

Zwei Reden zur Manila-Konferenz

John Foster Dulles

I. Eröffnung der Konferenz

Abbildung 1

MANILA — (Amerika-Dienst) — Die Achtmächtekonferenz über die Verteidigung Südostasiens, an der Australien, Frankreich, Großbritannien, Neuseeland, die Philippinen, Pakistan, Thailand und die USA teilnehmen, ist am 6. September 1954 in der Kongreßhalle der philippinischen Hauptstadt Manila eröifnet worden. Die Rede des US-Außenministers John Foster Dulles hatte folgenden Wortlaut:

Wir sind hierher gekommen, um ein kollektives Sicherheitsabkommen für Südostasien zu schaffen. Bei diesem Vorhaben handeln wir im Rahmen und in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der UN-Charta. Was wir hier tun, ist gegen keine Nation und gegen kein Volk gerichtet. Wir führen nur das durch, was die Charta als das uns zustehende Recht der kollektiven Selbstverteidigung bezeichnet.

Die USA selbst haben in Südostasien keine direkten territorialen Interessen. Dennoch verbindet uns das Gefühl eines gemeinsamen Schicksals mit den Menschen, die in diesem Gebiet leben und schaffen. Wir sind durch eine gemeinsame Gefahr vereint, eine Gefahr, die aus dem internationalen Kommunismus und seinen unersättlichen Ambitionen herrührt.'Wir wissen, daß, wo der internationale Kommunismus auch immer Gewinne erzielt — wie in Indochina —, diese Gewinne nicht als endgültige Lösungen sondern als Ausgangspunkte für weitere Gewinne angesehen werden. Diese Tatsache erfordert von uns allen, daß wir uns mit den Dingen befassen, die anderswo vor sich gehen.

Die Gefahr offenbart sich in mannigfacher Form. Eine dieser Formen ist die offene, bewaffnete Aggression. Wir können diese Gefahr entscheidend verringern, wenn wir deutlich erklären, daß ein Angriff auf den Geltungsbereich des Vertrages eine so einheitliche, so starke und eine so gut placierte Gegenmaßnahme zur Folge hätte, daß der Angreifer mehr verlieren würde, als er hoffen könnte zu gewinnen.

Unsere Zusammenkunft sollte daher alle Beteiligten eng zusammenführen und sowohl die individuelle als auch die kollektive Fähigkeit zur Abwehr eines bewaffneten Angriffs schaffen. Die USA selbst streben dies an, und wir vermerken mit Genugtuung die Bemühungen, die in dieser Richtung von anderen hier vertretenen Ländern wie den Philippinen, Pakistan und Thailand unternommen werden. Wir begrüßen die historische Erklärung des australischen Ministerpräsidenten, daß Australien selbst in Friedenszeiten bereit ist, überseeische Militärverpflichtungen einzugehen.

Es wird notwendig sein sicherzustellen, daß die einzelnen Bemühungen der verschiedenen Vertragspartner zum besten Vorteil aller genutzt werden. Die hier vertretenen Nationen können sich mit den riesigen Landarmeen, über die der internationale Kommunismus in Asien verfügt, nicht messen. Wenn die freien Nationen versuchen würden, an jedem Gefahrenpunkt auf der Welt große Landarmeen zu unterhalten oder zu unterstützen, dann wäre das gleichbedeutend mit Selbstzerstörung.

Was die Vereinigten Staaten angeht, so sind unsere Verantwortlichkeiten so groß und so weit gespannt, daß wir glauben, den besten Dienst dadurch zu leisten, daß wir als Abschreckung eine bewegliche und schlagkräftige Macht in Verbindung mit strategisch gut verteilten Reserven schaffen. Ich bin fest davon überzeugt, daß die vorgesehenen Vertragsmitglieder durch wohlabgewogene und gut koordinierte Bemühungen, die im Rahmen unserer Kapazität liegen, eine Macht schaffen können, die uns alle schützt.

Neben der Gefahr eines offenen bewaffneten Angriffs besteht die Gefahr der Subversion und der indirekten Aggression. Um einer solchen Gefahr zu begegnen, gibt es keine einfache oder alleinige Formel. Ihr entgegenzutreten, erfordert Hingabe, Stärke und Elastizität, wie sie zum Beispiel Staatspräsident Magsaysay gezeigt hat.

Die Möglichkeiten werden sich für den Kommunismus verringern, wenn Handelsbeziehungen den freien Nationen helfen, ihre Wirtschaft zu stärken. Dies wird die Teilnahme von Ländern erfordern, die zu den Staaten hinzutreten, deren besonderes Anliegen die Sicherheit Südostasiens ist. Eine wirtschaftliche Planung, die ausreichend sein soll, muß den Handel nicht nur innerhalb des südostasiatischen Raumes fördern, sondern auch dem Handel zwischen diesem Raum und Südasien und dein westlichen Pazifik Auftrieb geben. Eine solche Planung geht ganz offensichtlich über den Bereich dieser Konferenz hinaus. Diese Konferenz würde jedoch nicht ihre Pflicht gegenüber den vielen auf uns hoffenden Menschen erfüllen, wenn wir nicht mit dem wohldurchdachten Entschluß aus Manila fortgingen, daß wir unsere Bemühungen mit denen anderer vereinigen, um die freien Länder dieses Gebietes nicht nur in militärischer sondern auch in sozialer und wirtschaftlicher Hinsicht stärker und widerstandsfähiger zu machen.

Einige Länder, die zu dem in Aussicht genommenen Bereich des Vertrages enge Beziehungen haben, sind hier nicht vertreten. Zu diesen Ländern gehören Kambodscha, Laos und Vietnam. Die Regierungen und die Völker dieser Länder können wissen, daß wir sehr viel an sie denken, und ich hoffe, daß wir in der Lage sein werden, irgendein Gewand des Schutzes um sie zu legen. Es gibt andere Länder, die später vielleicht den Wunsch haben mögen, unserem Defensivsystem beizutreten. Um dies möglich zu machen, wird der Vertrag, so hoffe ich, die Bestimmung für den Beitritt neuer Mitglieder enthalten.

Es gibt einen Aspekt unseres Problems, den wir uns immer vor Augen halten sollten. Das ist die Sehnsucht der asiatischen Völker, frei vom „Kolonialismus" zu sein. Der internationale Kommunismus benutzt den „Nationalismus" als ein Schlagwort zur Erlangung der Macht und legt den Völkern dann seine eigene brutale Form des Imperialismus auf, der die Negation des Nationalismus darstellt.

Zu Recht stellen wir uns mit allem Eifer gegen diese kommunistische Bedrohung. Die Westmächte sollten jedoch mit Sorgfalt darauf achten, daß dieser Eifer sie nicht blind macht gegenüber den Gefühlen jener, die den Kolonialismus immer noch mit dem Westen in Verbindung bringen.

Es muß über jeden Zweifel klargestellt werden, daß wir alle die Absicht haben, die Unabhängigkeit der neuen Nationen zu stärken und den Prozeß zu fördern, durch den andere die von ihnen gewünschte Unabhängigkeit gewinnen und erhalten können. Nur dann können der Osten und der Westen in echter Partnerschaft Zusammenarbeiten.

Wir kommen hier zusammen und müssen einige Meinungsverschiedenbeiten beseitigen. Das ist nichts Erschreckendes. Zu einer freien Gesellschaft gehören auch Meinungsverschiedenheiten. Ich zweifle nicht daran, daß wir aus unseren anfänglich verschiedenen Ansichten ein bedeutsames Übereinkommen erarbeiten können. Das ist unsere große Pflicht, die wir gegenüber uns selbst und gegenüber anderen haben.

Diese Pflicht wird uns zu einem Augenblick dramatisch vor Augen geführt, wo in Nordvietnam Hunderttausende ihre angestammte Heimat aufgeben, um dort ein neues Leben zu beginnen, wo sie glauben, frei zu sein. Wir werden Zeuge einer neuen Massenflucht, wie schon vorher Millionen aus dem kommunistischen Ostdeutschland und dem kommunistischen Nordkorea geflohen sind.

Diejenigen von uns, die frei und stark sind und noch nicht in augenblicklicher Gefahr leben, haben die ehrenhafte Verpflichtung, zu beweisen, daß die Freiheit jene schützen kann, die unter großen Opfern der Freiheit die Treue halten. Lassen Sie das die Verpflichtung unserer Konferenz sein.

II. Schluß der Konferenz

Manila, 9. September 1954 — (AD) — Auf der Abschlußsitzung, die zum Abschluß eines südostasiatischen Kollektiv-Vcrteidigungs-vertrages geführt hat, hielt Außenminister John Foster Dulles eine Ansprache, in der er den Pakt als einen entscheidenden Schritt für die Sicherheit Südostasiens bezeichnete:

Wir haben hier einen wesentlichen Schritt zum Aufbau der Sicherheit Südostasiens unternommen. Meine Regierung bringt ihre tiefe Befriedigung darüber zum Ausdruck.

Es war seit langem die Ansicht der Vereinigten Staaten gewesen, daß hier die Notwendigkeit einer größeren Einheit bestand, um eine größere Sicherheit zu ermöglichen.

Vor fast vier Jahren hatte ich selbst dieses Gebiet ausgesucht mit der Aufgabe, Sicherheitsabmachungen zustandezubringen. Die damaligen Bemühungen führten zu gegenseitigen Sicherheitsabkommen mit dreien der heute hier vertretenen Regierungen — den Philippinen, Australien und Neuseeland. Aber dies befriedigte unsere Hoffnungen nicht vollauf. Die damals 1951 zustandegekommenen Verträge forderten ausdrücklich „den Aufbau eines umfassenden Systems regionaler Sicherheit im pazifischen Raum". in seiner Friedensrede vom 16. April 1953 hat Präsident Eisenhower eine gemeinsame Aktion gegen die kommunistische Bedrohung in Südostasien gefordert. Dieses Thema wurde erneut in meiner Rede vom 29. März 1954 aufgeworfen. Nun haben Senator Smith, Senator Mansfield und ich selbst die Ehre, unsere Unterschriften gemeinsam mit denen der Vertreter anderer Nationen unter einen südostasiatischen Vertrag von großer Bedeutung zu setzen. Es bedarf noch verfassungsmäßiger Maßnahmen, um diesem Vertrag seine volle Gesetzeskraft zu geben. Aber der Meinungsaustausch, welcher sich hier entwickelt hat, wird an der unverzüglichen Verbesserung unserer Lage mithelfen. Wir brauchen natürlich nicht nur vertragliche Bestimmungen allein, sondern hinter ihnen muß ein fester Entschluß und eine Opferbereitschaft stehen.

Wii befinden uns jenen Kräften gegenüber, die an dem Prinzip der Einschüchterung durch Gewalt glauben. Die koreanischen Waffenstillstandsverhandlungen hatten ihren Höhepunkt erreicht, als die rotchinesischen und nordkoreanischen Streitkräfte in selbstmörderischen Angriffen die Begleitmusik dazu abgaben.

Die Genfer Indochina-Konferenz wurde von heftigen kommunistischen Angriffen in jenem Gebiet begleitet.

Während der Manila-Konferenz ist die kommunistische Propaganda und militärische Aktivität in den benachbarten Gebieten verstärkt worden. Es besteht nur geringer Zweifel, daß — wie in diesem Teil Südostasiens als auch anderswo — der Hauptzweck jener freiheitsfeindlichen Kräfte in dem Versuch besteht, uns einzuschüchtern und unsere Einigkeit zu zerstören, um uns dadurch für eine offene Aggression oder eine indirekte subversive Aggression verwundbarer zu machen.

Gerade diese Tatsache stellt das überzeugendste Argument dessen dar, was wir hier erreicht haben. Wenn es klar wird, daß die Einschüchterungsversuche gerade Einigkeit und nicht Uneinigkeit hervorbringen, dann werden die möglichen Aggressionen vielleicht ihre Taktik ändern.

Wie jeder Teilnehmer zum Ausdruck gebracht hat, ist dieser Vertrag nicht gegen irgendein Volk oder irgendeine Regierung gerichtet. Er wen-det sich gegen ein Übel, das Übel der Aggression. Dieser Vertrag, der unsere gemeinsamen Zielsetzungen konsolidiert, wird hoffentlich dazu beitragen, vor jeder Aggression abzuschrecken.

Wir sind uns dessen bewußt, daß es nicht genügt, ein militärisches Defensivsystem zu entwickeln, sondern daß wir darüber hinaus auch die moralische Offensive ergreifen müssen.

In der Erklärung, die ich zu Beginn der Konferenz abgab, sagte ich, daß „es ganz klar gemacht werden muß, daß wir, alle und jeder, die Absicht haben, die Unabhängigkeit der neuen Nationen zu stärken und die Verfahrensweisen zu fördern, durch die andere Nationen in die Lage versetzt werden, die Unabhängigkeit, nach der sie streben, zu erringen und zu erhalten“.

Ich freue midi sagen zu können, daß wir dies erreicht haben. Die Präambel unseres Vertrages und, was vielleicht noch wichtiger ist, die Pazifik-Charta, die wir ebenfalls unterzeichnen, verkünden in eindringlichen Worten, wie sehr sich alle unsere Staaten den Idealen der Selbstbestimmung, der Selbstregierung und der Unabhängigkeit verschrieben haben.

Es ist eine erschreckende Tatsache, daß die Kommunisten, die nur nach der Versklavung der Völker streben, soviele davon überzeugen konnten, daß sie Befreier sind. Die Wirklichkeit ist gerade umgekehrt. Die Würde des Einzelmenschen und die nationale Freiheit leiten sich von den geistigen Grundsätzen her, die unsere Nationen hochschätzen, die aber der materialistische Kommunismus mit Füßen tritt.

Diese Konferenz wird vielleicht ihren größten Beitrag darin erblicken können, wenn sie den freien Nationen die moralische Initiative gewährleistet, die ihr rechtmäßiges Erbe ist.

Fussnoten

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