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Die Lebensalter im politischen und öffentlichen Leben | APuZ 35/1954 | bpb.de

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APuZ 35/1954 Zur Problematik des Verfassungsschutzes in der Demokratie Atomenergie muß Segen der Menschheit werden Die Lebensalter im politischen und öffentlichen Leben

Die Lebensalter im politischen und öffentlichen Leben

Michael Prawdin

Ein Vortrag, gehalten auf Einladung der Bundeszentrale für Heimatdienst in Bonn, am 6. April 1954

Meine Damen und Herren!

Es ist mir ein Vergnügen und eine Ehre, zu Ihnen über ein Problem zu sprechen, das mich seit langem beschäftigt. Meinem Gefühl nach wird dieses Problem heutzutage noch viel zu wenig beachtet, von dessen richtigem Verständnis unsere Zukunft abhängt. Wenn ich sage, unsere Zukunft, so meine ich damit nicht die Zukunft irgendeines zufälligen Bruchstückes von Europa, das wir Deutschland, Frankreich, Italien oder sonst etwas nennen, sondern die Zukunft des europäischen Menschen überhaupt. Dieses Problem, das die Entwicklung unsererZivilisation bestimmt, möchte ich das Drei-Generationen-Problem nennen. Es ist ein geschichtliches Problem, und um seine gegenwärtige Bedeutung zu verstehen, müssen wir es geschichtlich betrachten. Gestatten Sie mir daher, Ihnen einen kurzen geschichtlichen Überblick zu geben:

Geschichte ist bekanntlich wie ein Strom, in ständiger Bewegung. Wie bei einem Strom ändert sich von Zeit zu Zeit nicht nur die Richtung, sondern auch das Tempo der Bewegung. Auf ruhige Perioden, in denen, wie wir sagen, „jeder weiß, wo er hingehört", folgen unruhige Zeiten mit dramatischen und gewaltsamen Veränderungen, in denen der persönliche Drang soziale Schranken und traditionelle Einrichtungen zerbricht. Aber solche Veränderungen sind keine Zufälle. Die Geschichte kennt keine plötzlichen, grundlosen Umbrüche. Die Keime für die sogenannten „unruhigen Zeiten“ liegen immer in den Zuständen der vorhergehenden „ruhigen" Perioden, wenn die privilegierten Gruppen eine allmähliche friedliche Veränderung verhindern und damit die Spannungen sich ballen lassen, bis sich diese in einer Explosion entladen. Wenn wir uns fragen, warum diese Spannungen überhaupt aufkommen, warum die Zustände, die für längere Zeit als gut, oder sagen wir, als erträglich galten, mit einem Mal als unmöglich empfunden werden, so müssen wir uns zwei Grundgesetze des geschichtlichen Ablaufes vor Augen halten:

Erstens, daß die Menschen immer danach streben, ihr irdisches Los zu verbessern. Es ist dabei gleichgültig, ob sie, wie im Mittelalter zurück-blichen und die Veränderungen im Namen der Tradition verlangen, im Namen der Rückkehr zum Alten, das nur durch böswillige Menschen aus Eigennutz verändert worden sei, oder ob sie, wie seit der Zeit der Aufklärung, ja teilweise schon seit der Renaissance, alles Heil vom Fortschritt erwarten. Der geschichtliche Ablauf ist zwar ein Bild fortwährender Enttäuschung, weil das, was jede Periode erhofft hatte, nicht eintraf; aber keine neue Generation läßt sich durch diese Enttäuschung die Hoffnung nehmen, daß es gerade ihr beschieden ist, den richtigen Weg zur Glückseligkeit einzuschlagen.

Das Drei-Generationen-Prinzip

Das zweite geschichtliche Grundprinzip ist, daß es niemals eine Generation gegeben hat, die das Leben allein für sich hätte gestalten können. Wir sprechen zwar von dieser oder jener Generation, aber zu allen Zeiten waren drei Generationen zugleich am Werk, das Zeitbild zu formen. Zu jeder Zeit lebten noch 60-und 70jährige, oft in leitenden Stellungen im politischen und sozialen Leben, die die Einrichtungen der sogenannten „guten 1 alten Zeit“ verteidigten, die, wie sie meinten: „guten alten Traditionen“, in denen sie aufgewahsen und später zu Ehren und Würden emporgestiegen waren. Nennen wir diese Generation: die Generation der „Großväter“. Diejenigen nun, gegen die sie ihre Anschauungen verteidigen, sind Männer in den Vierzigern und Fünfzigern, welche die altmodischen Institutionen der „Großväter“ beseitigen oder wenigstens der Zeit entsprechend modernisieren wollen. Diese Männer möchte ich die Generation der „Väter" nennen. Sie sind es, deren Meinungen und Ansichten wir als „typisch“ für jede Zeitperiode bezeichnen. Aber neben ihnen stehen bereits die 20-und 30jährigen, die schon ins öffentliche Leben getreten sind, und für die das Werk und die Lebensanschauung der Väter nichts Neues, nichts Erstrebenswertes ist. Für sie ist das alles eine bereits bestehende Ordnung. Sie haben nicht dafür gearbeitet und gekämpft, und sie sehen die Schattenseiten und Unzulänglichkeiten des Bestehenden. Lind mit dem LIngestüm der Jugend drängen sie danach, diese Ungerechtigkeiten und Schwächen zu beseitigen. Nennen wir diese Generation die der „Söhne".

Das ist, meine Damen und Herren, in Kürze das Schema jeder geschichtlichen Situation, das die Basis aller Entwicklung bildet. Jede Zeitperiode enthält Institutionen und Einrichtungen früherer Perioden, die weiter zu bestehen suchen, und sie enthält auch die Männer, die sie verteidigen, weil sie selber diese Institutionen geformt und ihre Vorteile genossen haben. Unter dem Druck der sich ständig ändernden Anforderungen des Lebens bilden sich neue Institutionen, oder die alten werden zeitgemäß umgeformt. Und während sie entstehen, machen sich schon Anzeichen bemerkbar, daß auch sie bald veraltet und durch neue ersetzt sein werden. Mit anderen Worten: Die „Väter“, die ihre Anschauungen gegen den Widerstand der „Großväter“ durchsetzen, müssen zugleich bereit sein, diese Anschauungen gegen die Neuerungsbedürfnisse der „Söhne“ zu verteidigen. Und jedesmal hängt das Beharrungsvermögen der Anschauungen und Institutionen von der Kraft der Gruppe ab, die sie trägt.

Wir müssen uns deshalb die Einteilung in Großväter, Väter und Söhne mehr im geistigen Sinne vorstellen. Es gibt Männer, die bereits in den Dreißigern zu der Großväter-Generation gehören und nur an der Erhaltung des Gestrigen und Vorgestrigen interessiert sind. Es gibt 60jährige, die von der Jugend als ihre geistigen Führer und Bahnbrecher des Mor-gigen betrachtet werden. Altersmäßig überschneiden sich also die drei Generationen. Aber im allgemeinen kann man sagen, daß die Jugend, die meistens mit 16 bis 20 Jahren ins aktive Leben tritt und ihre eigenen Ideen zu formen beginnt, diese erst als Dreißigjährige wirklich ausgebildet hat. Dann beginnt die Altersstufe der Väter, die reif geworden, diese Anschauungen in die Tat umsetzen. Aber nach dem fünften Jahrzehnt tritt bei ihnen gewöhnlich eine Angst vor Veränderungen ein, die eine Neu-Anpassung verlangen, zu der sich die alternden Männer nicht mehr fähig fühlen.

Das heißt also, daß die Anschauungen, die heute die geltenden sind, sich bereits gestern gebildet haben. Die Anschauungen, die morgen gelten werden, müssen sich schon heute entwickeln; und die Dauer dieses Über-gangs von Heute zu Morgen nimmt etwa 20 bis 30 Jahre in Anspruch. Wenn sich aber nun dieses Morgen nach dem Drei-Generationen-Prinzip im Gegensatz zu dem Heute entwickelt, genau so wie das Heute sich im Gegensatz zu dem Gestern entwickelt hat, so muß das Morgen demzufolge gewisse Ähnlichkeiten mit dem Gestern aufweisen. Oder anders ausgedrückt: Die Ansichten der Söhne stimmen in vielem mit den Ansichten der Großväter überein, und vielleicht ist es auch gar kein Zufall, daß die Enkel ihren Großvätern manchmal ähnlicher sehen als ihren Eltern. Die geschichtliche Entwicklung bildet aber infolge dieser Schwankungen nie eine gerade Linie, sondern immer eine Zick-Zack-Bewegung, die alle 20 oder 30 Jahre in gegensätzlicher Richtung verläuft und alle 40 bis 60 Jahre in gleicher Richtung.

Wenn wir die letzten anderthalb Jahrhunderte auf diese Bewegungsrichtungen hin prüfen, sehen wir die französische Revolutionsperiede, ein halbes Jahrhundert später die freiheitliche Bewegung um 1848, dann das Anwachsen des Liberalismus um die Jahrhundertwende und die demokratische Welle von heute. Alles in Abständen von 50 bis 60 Jahren. Zwischendurch finden wir die Heilige Allianz, den konservativen Imperialismus und als die dritte Stufe die Übersteigerung des nationalen Egoismus und damit einen geschichtlichen Rückschritt zum totalitären Staat. Ich nenne dies einen geschichtlichen Rückschritt, weil der Imperialismus der 70er und 80er Jahre zwar die Gegensätze verschärfte, aber der damals bestimmenden Generation noch verschiedene Wege offen ließ. Der totalitäre Staat war eine Sackgasse, die jede Weiterentwicklung unmöglich machte und aus der heraus es einen Weg nur durch den Zusammenbruch geben konnte.

Die Geschichte wiederholt sich nie, weil die Lebensumstände immer verschieden sind; was uns bei jeder geschichtlichen Schwankung auffällt, sind jedesmal Ähnlichkeiten und Gegensätzlichkeiten in der Geistesrichtung. Alle 25 oder 30 Jahre ändert sich die Geistesrichtung, in der sich die Generation entwickelt. Das Bürgertum zum Beispiel, das um 1848 im Kampf um die Selbstbestimmung stand, fühlte sich 20 oder 30 Jahre später sehr wohl und behaglich im Konservatismus und Imperialismus. Nach einem weiteren Vierteljahrhundert wurde es, von der Entwicklung enttäuscht, liberal-und sozial-denkend. Nach weiteren 20 bis 30 Jahren, je nach den einzelnen Ländern und Staaten, warf es die individuelle Freiheit des Handelns und Denkens für die angebliche Sicherheit der Versorgung durch verschiedene totalitäre Systeme weg, und in unserer Zeit folgt es wieder den Losungen der Demokratie unter der Führung der 60-und 70jährigen, deren Weltanschauung geprägt wurde, als sie jung waren, also in der Zeit des Liberalismus vor dem ersten Weltkrieg.

Parallel-Bewegungen in allen Sphären

Da nun die geschichtliche Entwicklung eine Antwort auf die Anforderungen des Lebens auf allen seinen Gebieten ist, finden wir jedesmal Parallel-Bewegungen in allen Sphären, in der philosophischen, der künstlerischen, der wissenschaftlichen, der dichterischen. Sie können um ein Jahrzehnt früher oder später als auf dem politischen Gebiet erscheinen, aber wir finden immer die gleiche Richtung in der Entwicklungsperiode der Großväter und ihrer Enkel und eine gegensätzliche in der Zwischen-generation. Wir fühlen zum Beispiel, daß wir uns jetzt in einer Krise befinden, obgleich die Überwindung der durch die Zerstörungen der Kriege verursachten materiellen Krise überraschend schnell vor sich gegangen ist. Aber die moralisch-geistige Krise dauert an, und vor einem Jahrhundert hatten wir eine analoge, geistig-ideelle Krise, in der sich die empfindsamen Geister enttäuscht von dem Mißerfolg der damaligen, demokratischen Revolution in die Phantasiewelt der Romantik flüchteten; damals wurde das kantische Denken durch Schopenhauer entthront, und der Kapitalismus, der sich gerade erst zur vollen Entfaltung anschickte, erhielt bereits eine Untergangswarnung durch das kommunistische Manifest und die daraus folgende Arbeiterbewegung. Und 50 Jahre später, um die Jahrhundertwende, kam die Wiederholung dieser Krisenstimmung, die um so bemerkenswerter ist, als es an sich der Zeitpunkt des höchsten Triumphes des europäischen Geistes war. Um diese Zeit stand die Anbetung des Intellekts als des unfehlbaren Leitfadens zur schließlichen Glückseligkeit am höchsten. Aber gerade in diesem Augenblick wandten sich die Denker der Zeit gegen den Intellekt und gegen seine angebliche Glückseligkeit. Sie leiteten eine Reaktion ein, die zu der Freudschen Psychoanalyse und der Pawloffschen Reflexologie führte und die dunklen Triebe enthüllte, die hinter dem Verstand stehen und die Handlungen des Menschen bestimmen. Damals schon erkannten die Dichter die Aussichtslosigkeit der auf das rein materialistisch Praktische hinzielenden Geistesrichtung. Wenn wir auf diese Periode zurückblicken, ist es, als ob damals schon die ganze Entwicklung zum Massenmenschen, zur Massenpsychologie und ihrer Diktatur und zu der großen Enttäuschung von heute nicht nur vorausgeahnt, sondern bereits erlebt wurde. Wenn unsere Zeitungen sich jetzt in angeblicher Entrüstung über Rauschgift-orgien in irgendeiner leitenden Schicht als dem Zeichen der Verkommenheit unserer Zeit ergehen, dann muß ich an den Satanismus der 90er Jahre, an „La Bas" von Huysmans, an Beaudelaire denken, an alles, was damals bereits ausgesprochen und erlebt wurde. Wenn uns der Existenzialismus als eine neue Offenbarung dieser Welt gepredigt wird, wie schwach erscheint er neben Strindberg, ja teilweise neben Ibsen auf der einen Seite und d’Annunzio auf der anderen. Alles ist damals schon ausgedrückt und erlebt worden, und zwar viel stärker als heutzutage. De die Sprecher für die damalige Zeit bezogen ihre Erkenntnisse aus inneren Erlebnissen, und nicht aus den äußeren wie die heutigen . Dichter der damaligen Zeit waren viel empfindsamer, weil sie aus einer ruhigen Kulturperiode kamen und nicht aus der abstumpfenden und menschenentwürdigenden Barbarei, aus der unsere Krise entstanden ist.

Sie können den Unterschied an der Reaktion der Dichter zu dem ersten und dem zweiten Weltkrieg ermessen. Damals stießen Barbusse, Douglas Goldenring, um nur zwei zu nennen — es waren mehr —, auch Rene Schickele gehörte dazu — einen Schrei des Entsetzens aus, daß so etwas menschenmöglich war. Die heutigen Schilderungen wissen uns zwar die gleichen oder noch größere Scheußlichkeiten zu berichten, aber die Haltung der Dichter ist anders. Sie geben uns keinen Aufschrei der gemarterten Menschenseele, sondern eine beinahe wissenschaftlich kühle Analyse, bis zu welchem Grade die Verrohung der Menschen gehen kann. Aus ihnen spricht ein anderes Verhalten zum menschlichen Leiden, eine andere Beziehung von Mensch zu Mensch. Und noch ein Unterschied: Die Generation des ersten Weltkrieges wird „die verlorene Generation" genannt; nicht so die unsrige. Unsere Generation heißt international „die stumme Generation , da sie eben nichts zu sagen weiß — und die Dichter der „verlorenen Generation“, soweit sie noch leben, sind zu der Generation der „Großväter“ hinaufgerückt.

Inzwischen haben die Fortschritte in der Biologie und Medizin im allgemeinen die Lebens-und Arbeitsfähigkeit der Menschen überraschend verlängert. In früheren Zeiten waren nur wenige der „Großväter“ in der Lage, ihre Zitadellen zu verteidigen. Heutzutage sind sie auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens in leitenden Stellungen und halten dieZügel in der Hand. Es sind ihrer so viele da, daß sie bei Spitzenverhandlungen in der Politik, in der Wirtschaft, in der Wissenschaft und im kulturellen Leben völlig unter ihresgleichen sind, als ob die beiden anderen Generationen gar nicht existierten. In vieler Beziehung ist das begrüßenswert. In ihrer reichen Erfahrung und der Stetigkeit, mit der sie die Wechsel-fälle des Lebens in den letzten 30 Jahren überstanden haben, liegt eine Garantie dafür, daß sie auch durch die gegenwärtigen Schwierigkeiten nicht aus ihrem Gleichgewicht gebracht werden, und daß unter ihrer Führung unsere Zeit nicht wieder aus den Fugen gerät. Aber durch sie, durch diese biologisch-medizinische Erscheinung, ist eine Anomalie in die geschichtliche Drei-Generationen-Folge hineingekommen. Normalerweise ist das, was die 20jährigen vor sich sehen, das Werk der 40-und 50-jährigen. Die Gedanken und Institutionen, gegen die sie angehen möchten, sind vor einem oder zwei Jahrzehnten entstanden. Sie fühlen sich also dem Ganzen noch irgendwie verwandt, und was sie ändern wollen, sind gewisse Einzelzüge und nicht das Ganze.

Ständiges Wechselspiel der Kräfte

Ich muß hier zum klareren Verständnis etwas weiter ausgreifen, und Sie auf ein anderes, geschichtliches Phänomen aufmerksam machen: Das Leben ist in ständiger Bewegung auf allen Lebensgebieten und die geschichtliche Entwicklung ist, wie ich schon andeutete, eine Antwort auf die Anforderungen aus allen Gebieten. Aber die einzelnen Lebensgebiete entwickeln sich in verschiedenen Tempos. Sie befinden sich deshalb niemals auf dem gleichen Niveau. Zwischen diesen verschiedenen Lebensgebieten herrscht deshalb immer eine Spannung, und diese Spannung zwischen den einzelnen Lebensgebieten ist die eigentliche Ursache, die treibende Kraft, die alle geschichtliche Bewegung erzeugt. Sagen wir zum Beispiel, daß in irgend einem Zeitalter die sozialen Zustände unerträglich geworden sind. Es beginnen Aufstände, Unruhen und schließlich werden die sozialen Zustände geändert. In diesem Augenblick aber, in dem diese sozialen Zustände sich geändert haben, zeigt sich sofort, daß die wirtschaftlichen oder die politischen Zustände nicht mehr den neuen sozialen Zuständen entsprechen. Also müssen auch sie geändert werden. Und in dem Augenblick, in dem sie geändert werden, wirkt das wieder zurück auf die sozialen Zustände und verlangt deren Neuanpassung, weil die sozialen Zustände, die sich zuerst geändert hatten, nicht mehr diesen neuen politischen oder wirtschaftlichen Zuständen entsprechen. Es ist also ein ständiges Wechselspiel der Kräfte, und darin liegt die Erklärung, warum die sogenannten Erneuerer und Reformer auf einem Gebiete so oft hemmend und hindernd für die Entwicklung auf anderen Gebieten sind. Ihr Lebenswerk bestand darin, die Änderung auf einem bestimmten Gebiet zu erwirken. Wenn sie das erreicht haben, müssen Sie den Fortschritt auf anderen Gebieten befürchten, weil er neue Spannungen erzeugen und das von ihnen Erreichte gefährden würde. Deshalb, meine Damen und Herren, sehen Sie in der Geschichte fortwährend, wie die siegreichen Revolutionäre zu Reaktionären werden. Jede neue Macht, selbst wenn sie im Namen der Freiheit an die Spitze gekommen ist, strebt sofort nach Diktatur, um ihre Freiheit zu beschützen. Das ist ein geschichtliches Gesetz.

Ferner haben die modernen Historiker festgestellt, wie im Verlauf der geschichtlichen Entwicklung der erzielte Fortschritt auf irgendeinem Gebiet immer mit einem Rückschritt auf anderen Lebensgebieten bezahlt wird. Auch das ist verständlich, weil nämlich die Zivilisation immer von einer entsprechend kleinen Gruppe vorwärts getrieben wird. Die Anstrengung, den Fortschritt in irgendeinem Punkt, in irgendeiner Richtung zu erzielen, ist so groß, daß diese Gruppe nicht mehr zugleich das Niveau auf anderen Lebensgebieten kontrollieren kann, und wenn sie unkontrolliert sind, sinken diese Gebiete zurück auf ihren tieferen, primitiveren Zustand. Wir sind so stolz darauf, „wie herrlich weit wir es gebracht“ haben, daß wir jedes Zeitalter nach dem Gebiet benennen, auf dem sich die größte Wandlung vollzogen hat. Zum Beispiel: Die Renaissance, die Reformation, oder die Aufklärung. Wir denken nicht daran, wie diese Zeitalter auf anderen Gebieten aussahen. Um Sie daran zu erinnern: die Renaissance ist ja niemals in die breiten Massen gedrungen. Aber der moralische Niedergang und der rücksichtslose Egoismus, den sie mit sich brachte, ergriff die Massen, ergriff die ganze Generation. Also mit anderen Worten: An dem großen Fortschritt hatten die Massen nicht teilgenommen, sehr wohl aber an dem moralischen Niedergang. Oder denken Sie etwa daran, daß das 17. Jahrhundert, das für uns die Zeit von Galilei, Keppler, Newton ist, in der unser stolzes, naturwissenschaftliches Weltbild begründet wurde, zugleich das Zeitalter der meisten Hexenprozesse und Hexenverbrennungen war. Aber daran denken wir gewöhnlich nicht.

Das technische Zeitalter

In genau dem gleichen Sinne und mit der gleichen Berechtigung wird unser Zeitalter das technische genannt. Es liegt mir fern, die Technik irgendwie verunglimpfen zu wollen; sie hat mit ihren Massenproduktionsmethoden zum ersten Male in der Geschichte der Menschheit das Herstellungsproblem zur Befriedigung der Massen-bedürfnisse gelöst. Sie hat einen ungeahnten materiellen Wohlstand gebracht. Die Großväter nun, die jetzt die Welt leiten, haben ihr Lebensbild in der Zeit der Jahrhundertwende geformt, als die Technik sich zu ihrer größten Expansion anschickte. Aber es wurde ihnen verwehrt, ihre geistigen Ideen und Ansichten in die Praxis umzusetzen, als sie die Generation der Väter waren, weil die Mehrzahl dieser Generation in die totalitäre Denkweise absank. Und so führen sie ihre Anschauungen erst jetzt im Zeichen der Einrichtungen und Institutionen durch, die für den Zustand vor 50 Jahren richtig waren. Infolgedessen steht die heutige Jugend vor Einrichtungen, die nicht wie gewöhnlich vor 10 oder 20 Jahren geschaffen worden sind, sondern vor 50 Jahren und deshalb hat sie keine innere Beziehung mehr zu dem heutigen Weltbild.

Zum Beispiel wird die Innenpolitik heutzutage zum großen Teil — und ich spreche nicht nur von Deutschland, ich spreche immer von ganz Europa — im Zeichen des pro oder contra der Gewerkschaftspolitik gemacht. Aber diese Stellungnahme hat jeden Sinn verloren in einem Zeitalter, in dem die technische und wirtschaftliche Entwicklung die Proletarier und den Mittelstand sich in dem Massenmenschen verschmelzen ließ. Und dieser Massenmensch ist nicht deklassiert, sondern steht im Zentrum der Werbung aller Industrie und allen Handels, die sich darum bemühen, seine Wünsche nicht nur zu erfüllen, sondern ihm sogar zu sagen, was er wünschen soll. Und so hören Sie, in welchem Lande Sie auch mit alten Gewerkschaftsführern sprechen, nichts als Klagen über die Teilnahmslosigkeit der Jugend an ihren Bestrebungen und Zielen, außer natürlich für Lohnerhöhungen. Aber das liegt nicht an einer allgemeinen Interessenlosigkeit der Jugend, sondern daran, daß die alten Ideen, die während der Großväterzeit Geltung hatten, nicht mehr den jetzigen Lebensforderungen entsprechen und die Gewerkschaftsleiter ihr keine neuen Ziele gegeben haben, die ihre Phantasie gepackt hätten.

Das Gleiche gilt auf dem Gebiet der Außenpolitik. Die Außenpolitik wird immer noch als ein Konkurrenzkampf der Nationalwirtschaften geführt, wobei jede Nationalwirtschaft die andere ins Hintertreffen drängen möchte, und das zu einem Zeitpunkt, wo die sozialen, technischen und wirtschaftlichen Bedingungen nicht Konkurrenz, sondern Zusammenarbeit verlangen. Denn jede Erschütterung irgendeiner nationalen Wirtschaft schlägt jetzt auf uns zurück, da die Arbeitslosigkeit und Verarmung, die sie dort bringt, alle anderen Länder eines Marktes und Millionen von Kunden beraubt. Wir können nicht mehr, wie noch vor einem halben Jahrhundert, Reichtum in einem Lande inmitten allgemeiner Armut aufbauen, und auf die Dauer erhalten. Unser Wohlstand hängt von dem Wohlstand der ganzen Welt ab. Der Lebensstandard aller Völker ist eine Angelegenheit geworden, um die wir uns kümmern müssen. Aber wo geschieht das in der Praxis?

Und so sehen wir, daß unter der Führung der „Großväter“, deren Ideen 50 Jahre alt sind, die Lebensentwicklung sich retardiert. Es klingt gewiß sonderbar, wenn ich sage, daß in unserer Zeit, in der wir das Gefühl haben, immer schneller und schneller zu leben, so daß es uns vor der Schnelligkeit des Wechsels schwindelt, sich das Entwicklungstempo verlangsamt hat. Aber wir leben schneller nur im technischen Sinn. Die Technik rast mit uns davon und wir können ihr Tempo nicht verlangsamen. Und wir können wiederum auf anderen Gebieten, dem politischen, dem sozialen, dem moralischen mit der Technik nicht Schritt halten. Dadurch wird unsere ganze Weltanschauung, mit Ausnahme der Technik, der Jugend von heute fremd. Sie hat keine Beziehung zu der Weltanschauung, die 50 Jahre alt ist.

Es gibt nirgendwo etwas „Heutiges"

Nun, die Jugend ist dabei, sich ihr Lebensbild zu formen, das morgen repräsentativ sein wird. Was können wir ihr als typisch und repräsentativ für heute nennen außer Düsenflugzeugen, Fernsehen, Atomzertrümmerung und ähnlichem? Die geistige Entwicklung, die sich in den 20er Jahren in der Philosophie, in der Literatur, in der Kunst anbahnte, hat sich nirgends ausgewirkt. Es gibt nirgendwo etwas Heutiges. Die Ursache hierfür aber ist meines Erachtens in der Gegebenheit zu sehen, daß die Generation der heutigen „Väter“ in ihrer Formungszeit den Irrweg in den Totalitarismus einschlug. Diese Generation ist gescheitert und sie zahlt dafür damit, daß sie die Generation der Unerwünschten geworden ist. Wenn heutzutage nicht nur der 50-jährige, sondern auch ein 40jähriger irgendwo seine Stellung verliert, hat er kaum noch Hoffnung, eine neue entsprechende zu bekommen. Einige technische Gründe sind mit daran schuld, zum Beispiel unsere Massen-Herstellungsweise, die keine besonderen Vorkenntnisse braucht. Gewisse soziale Einrichtungen, wie Pauschalversicherungen, Gehaltserhöhungen nach Dienstjahren etc. tragen dazu bei, daß es schwerer wird, die älteren Leute in unsere industrielle und wirtschaftliche Struktur einzugliedern. Aber das Ergebnis ist, daß die Generation, die geschichtlich heute die maßgebliche hätte sein sollen, keine zeitgemäßen Ideen und Anschauungen zu bieten hat. Sie kann diese nicht entwickeln, weil sie fühlt, daß sie unerwünscht ist, daß sie gescheitert ist, daß sie eigentlich gnadenhalber in den mittleren Stellungen gehalten wird, die sie zufällig erreicht hat. Ihre Weltanschauung ist daher eine Anschauung der vereitelten Hoffnungen oder der Resignation. Ein dichterisches Beispiel dieses Bildes der mittleren Generation ist das bekannte Werk von Arthur Miller „Der Tod eines Handlungsreisenden“. Nun, meine Damen und Herren, die Vertreter dieser Generation können entweder nicht umlernen, oder sie wissen nicht wie; oder sie wollen es nicht, weil das, was die Großväter jetzt wieder aufbauen, in ihrer Formungszeit, in der Formungsperiode ihrer Jugend in toto abgelehnt wurde — durch den totalen Staat. Es ist deshalb für sie außerordentlich schwer, das Gute daran anzuerkennen und aufzunehmen und wesentliche Verbesserungen und Anpassungen an die veränderten Lebonsumstände im detail auszuarbeiten. Und so sehen wir, daß dort, wo wir heutzutage eine repräsentative geistige Welt suchen sollten, eine Leere klafft. Ich weiß, daß ich hierbei verallgemeinere, daß in jedem Jahrgang dieser mittleren Generation vielleicht tausende Menschen sind, die sich um ein neues Zurechtfinden bemühen, oder denen dieses Zurechtfinden bereits gelungen ist; daß manche in einem kleinen Umkreis mit Erfolg arbeiten und wirken, aber es gibt noch in keinem europäischen Lande eine geistige Schicht, die für die Vätergeneration repräsentativ sprechen könnte.

Außerdem ist die Bildung einer solchen Schicht dadurch erschwert, daß diese Generation, teilweise sogar in beiden Weltkriegen, dezimiert worden ist, und daß sich zweitens ihre Anschauungen nach dem geschichtlichen Gesetz in einer anderen Richtung als die Ansichten der herrschenden Schicht der „Großväter" bewegen müssen. Also ziehen die „Großväter“ vor, sie nach Möglichkeit zu übergehen und lieber gleich he „Enkel" heranzuziehen und sie gleich zu ihren Nachfolgern zu trainieren, in dem Glauben, daß diese Enkel, die sich jetzt in der Formungsperiode befinden, ihr Werk in ihrem Sinne weiterführen werden.

Aber man kann eine Generatior nicht ungestraft überspringen. Die sich in der Formung befindlichen „Enkel", die jetzt in allen Berufen emporsteigen, sind sehr wohl fähig, im Technischen und Wirtschaftlichen ihre Aufgabe zu erfüllen. Diese beiden Gebiete haben sich ja fortwährend weiter entwickelt. Aber diese „Enkel" finden nichts, wonach sie sich geistig, sozial, kulturell oder auch poli isch richten könnten, um ein der Technik und der Wirtschaft von heute gemäßes Bild zu schaffen. Da klafft eine Lücke. Und so stehen diese „Erkel" vor zwei Möglichkeiten. Entweder sie verzichten auf allen sogenannten ideellen und kulturellen Nonsens und sorgen für das eigene, materielle Wohlbehagen. Sie mögen dabei recht gut fahren. Aber ein Bid dessen, was uns dann erwartet, zeigen in etwas scharf ausgedrückter Form die Bücher von Orwell, Huxley usw., die zwar einen ungewöhnlichen techn sehen Fortschritt, aber ein menschenunwürdiges Dasein schildern. — Oder aber diese Enkel müssen in Bausch und Bogen das ganze heutige System verdammen, das keinen Ausgleich zwischen den wissenschaftlichen und technischen Erkenntnissen und Möglichkeiten und den men: chlichen geistig-kulturellen Ansprüchen findet.

Die Diktatur der Massen

Nun, wir stehen im Jahre 1954. Aber dieses Jahr 1954 wird ganz anders gesehen und empfunden von den „Großvätern“, den „Vätern“ und den „Söhnen". Die „Großväter“ sorgen für die Stabilität und Erhaltung der Einrichtungen und Institutionen ihrer eigenen Jugend und bewahren uns vor weiteren Erschütterungen. Die „Väter“, die das Ganze abgelehnt haben, sind gescheitert. Sie haben nichts hervorgebracht, was das Abgelehnte hätte ersetzen können, ein Teil von ihnen hat resigniert, ein anderer grollt. Die „Söhne", — sie sehen, daß die Väter gescheitert sind. Sie sehen für sich die Möglichkeit eines ganz frühen Vorwärtskommens und Aufsteigens, und natürlich ergreifen sie die günstige Gelegenheit, falls sie nicht aus ideellen Gründen das Gesamte ablehnen. Und nun, meine Damen und Herren, lassen wir ein oder zwei Jahrzehnte vergehen. Die jetzigen Großväter werden ausgestorben sein. Die jetzigen gescheiterten Väter werden in die Großväter-Generation hineingerückt sein. Die jetzt Resignierenden werden keine typischen Einrichtungen, keine festen Standpunkte zu verteidigen haben. Die jetzt Grollenden werden den Weg frei sehen, oder glauben, den Weg freizusehen für einen neuen Vorstoß. Und falls wir nicht vorsichtig sind und nicht rechtzeitig Vorkehr ingen treffen, mögen sie vielleicht die besten Teile der gegenwärtigen Jugend auf ihrer Seite haben, der Jugend, die jetzt aus ideellen Gründen unser System, das die verschiedenen Lebensgebiete nicht miteinander in Beziehung bringen kann, verdammt. Sie werden vielleicht Verbündete sein, weil diese Jugend keinen Weg weiter sieht. Die Opportunisten unter d r heutigen Jugend, die prinzipiell nur auf ihr persönliches, materielles Fortkommen bedacht sind, werden sich natürlich auf die Seite schlagen, die ihnen die größten Vorteile verspricht. Wir sahen, daß der totalitäre Rückschlag eine tiefere Stufe war in der Richtung des geschichtlichen Pendelschwungs, der 50 Jahre früher den Konservatismus gebracht hatte. Welche Folgen dieser neue Pendel-rückschlag in 10 oder 20 Jahren haben wird, können wir nicht einmal ahnen, da die Vernichtungsmittel, die dann den Menschen zur Verfügung stehen werden, noch unfaßbar sind. Und wenn der Verrohung und Gleichgültigkeit der Massen nicht Halt geboten wird, gibt es nichts, was sie davon abhalten könnte, diese Mittel gegen ihre Mitmenschen anzuwenden, es sei denn die Angst vor Vergeltung.

Das vielleicht wichtigste Merkmal urserer westlichen Zivilisation, das sie vor den anderen Zivilisationen auszeichnet und einzigartig in der ganzen Geschichte macht, war die Anerkennung des individuellen Wertes, des freien Denkens, und der Berechtigung der persönlichen Ideen und der freien Kritik sowie des persönlichen Widerstandes gegen bestehende Ein-richtungen. Das Alles ist jetzt im Schwinden unter der fortschreitenden Angleichung und Typisierung des Geschmacks, der Anschauungen und der Ziele des Massenmenschen. Es ist direkt verwunderlich, daß in dem Massenmenschen immer noch ein „uncommon man" vorhanden ist, lebt, und sich dagegen auflehnt, Massenmensch zu sein. Das ist ein Zeichen, daß die sogenannten Zauberer von heute, die Reklamechefs, die auf allen Klaviaturen der verschiedenen Wünsche und Sehnsüchte spielen, nur Zauberlehrlinge sind, wenn sie trotz aller ihnen zur Verfügung stehenden Mittel, unsere Persönlichkeit noch nicht völlig auslöschen konnten. Aber trotz ihrer Unzulänglichkeit setz: sich eine immer stärkere Diktatur der Massen durch. Eine Diktatur, die jeden Andersdenkenden nicht nur vernichtet — das wurde immer versucht — sondern gar nicht erst in Erscheinung treten läßt. Meine Damen und Herren, welche Zeitung, welcher Verleger, welches Theater wagen noch eine eigene Meinung, eine der Allgemeinheit zuwiderlaufende Stimme laut werden zu lassen? Unter diesen Umständen sucht der einzelne sich im allgemeinen der Masse anzupassen. Er darf als Spezialist vielleicht auf seinem eigenen Spezialgebiet eine eigene Meinung haben, aber sonst wird die geistige Elite immer unbeliebter. Und so entsteht die Frage, wohin das in 10 bis 20 Jahren, wenn der geschichtliche Pendelrückschlag kommt, führen wird.

Aber nehmen wir einmal ruhig an, daß unsere Zivilisation über diese Erscheinungen hinwegkommt. Nehmen wir an, daß sie den nächsten Rückschlag überstehen wird und sogar unzerstört übersteht. Dann wird unsere Jugend, die schon so frühzeitig in die leitenden Stellungen aufzurücken beginnt, nicht wie sonst für eine Generationsdauer, sondern für zwei Generationen lang die Zügel in der Hand behalten. Sie wird um 1970 das Weltbild als die Generation der „Väter“ bestimmen und um das Jahr 2000 ihr Weltbild als die Generatio 1 der „Großväter" verteidigen. Nun haben wir aber gesehen, daß die Anschauungen, die der Mensch in seiner geistigen Formungsperiode als 20-und 30jähriger sich bildet, im großen und ganzen richtunggebend für sein Leben bleiben, wie wir es jetzt an unseren Großvätern beobachten. Das heißt, daß die Ideen, die die Jugend heute empfängt und sich aneignet, die Weltanschauung bestimmen werden, die das 21. Jahrhundert einleiten wird. Mit anderen Worten: Von dem, was wir heute der Jugend an ideellen und kulturellen Werten mitgeben können, wird das Gesicht des 21. Jahrhunderts abhängen. Es würde jedoch eine vergebliche Mühe sein, wenn wir der Jugend etwas zu geben versuchten, was sie nicht als wesensverwandt, als heutig empfindet. Wenn sie es hinnehmen, verteidigen, daran weiter arbeiten, es vielleicht verbessern und den sich ändernden Lebensumständen anpassen soll, wie das geschichtlich sein muß, so können das nur zeitgemäße Prinzipien sein, die dem eigenen Drang dieser Jugend wesensverwandt sind. Wer kann sie entwickeln? Ich deutete vorhin an, daß es in der Vätergeneration zweifellos viele Menschen gibt, denen ein Sichzurecht-. finden unter den neuen Umständen gelungen ist; daß sie sicherlich in einem kleineren Umkreis mit Erfolg wirken. Aber die Aufgabe, sie zu einer tragenden, repräsentativen Schicht zusammenzufassen, ist noch in keinem Lande gelungen. Von dem Gelingen dieser Aufgabe hängt unsere Zukunft ab.

Anmerkung Friedrich August von der Heydte, Dr. jur. et rer. pol., oö. Professor für öffentliches Recht, Universität Mainz, Direktor des Instituts für Staatslehre und Politik e. V. Mainz. Geb. in München 30. 3. 1907.

Michael Prawdin, Schriftsteller, russischer Emigrant, lebte nach dem 1. Weltkrieg lange Jahre in Deutschland und seit 1932 in England. Verfasser u. a.des in 24 Fremdsprachen übersetzten „DSCHINGIS KHAN".

Fussnoten

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